Biberach Geschichte Und Kunstgeschichte Einer Alten Reichsstadt

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Biberach Geschichte Und Kunstgeschichte Einer Alten Reichsstadt Biberach Geschichte und Kunstgeschichte einer alten Reichsstadt Zu Ihrem Entschluss, den baden-württembergischen Landesdenkmaltag in Biberach zu veranstalten, kann ich Sie nur beglückwünschen. Durch ihre politische wie kirchliche Geschichte ist diese Stadt einmalig in der Bundes- republik, und es dürfte auch in ganz Deutschland kein Gemeinwesen von der Größe Biberachs geben, das eine derartige Fülle an Begabungen auf- zuweisen hat; unsere Kreisbeschreibung bringt in der Rubrik „Bedeutende Persönlichkeiten“ gezählte 58 Namen von Propst Burchard von Ursberg, einem der wichtigsten Geschichtsschreiber der Stauferzeit, bis zu dem be- deutenden Architekten Hugo Häring. Kurt Diemer Haben Sie nun aber bitte keine Angst, dass ich Ih- ser Friedrich Barbarossa zur Stadt erhoben; nach nen alle diese 58 Namen vortrage; in der Zeit, die dem Aussterben der Staufer beanspruchte Kö- mir zugemessen ist, möchte ich mich auf einen nig Rudolf von Habsburg sie für das Reich. Im kurzen Abriss der Stadtgeschichte und einen 14. und 15. Jahrhundert durch den Handel mit 1 Biberach an der Riss. ebenso kurzen Überblick über die Künstler wie Barchent, einem Mischgewebe von Flachs und Altstadt mit der Stadt- die Kunstgeschichte Biberachs beschränken. Baumwolle, reich geworden, erwarb sich die kirche und Marktplatz. Biberach war zunächst eine ganz normale ober- Reichsstadt über ihren bereits vor 1239 ge- Foto: O. Braasch, LDA. schwäbische Stadt: Erstmals 1083 genannt, wur- gründeten Heilig-Geist-Spital ein Territorium, das L 7924/037–01, 31.7. de die Siedlung wohl noch vor 1190 durch Kai- noch 1802 24 Dörfer und Weiler umfasste. Zei- 2001. chen der Prosperität des Gemeinwesens waren sitzergreifung der Reichsstadt durch Baden im der Bau der Stadtpfarrkirche St. Maria und Mar- Jahre 1802 und durch Württemberg im Jahre tin zwischen etwa 1330 und 1370 und die Stadt- 1806 führte zwar 1819 zur Aufhebung der letz- erweiterung nach 1373. ten Reste der verfassungsmäßig gesicherten Pa- Die Sonderrolle Biberachs begann dann mit der rität; doch als freiwillige Selbstverpflichtung blieb Reformation, die in Biberach schon verhältnismä- sie noch lange Jahrzehnte in Übung. ßig früh Eingang fand, sich aber erst unter dem Den Anschluss an die große Welt brachte für Bi- Schutz des Schmalkaldischen Bundes im Jahre berach dann der Bau der Südbahn im Jahre 1850. 1531 mit dem Verbot der Messe endgültig durch- Doch hielt sich die Industrialisierung lange noch setzte. Dem Bildersturm des 29. Juni 1531 fiel mit in Grenzen; Biberach blieb in erster Linie weiter der gesamten Ausstattung der Kirche wie der der Markt- und Einkaufsstadt für die nähere Umge- zahlreichen Kapellen auch der Hochaltar von Nik- bung. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es dann laus Weckmann und – wohl doch – von Martin zu einem ungeahnten Aufschwung: durch die Schongauer zum Opfer. Für die Zukunft entschei- Ansiedlung von Firmen wie des Pharma- und Bio- dend sollte werden, dass sich in der Stadt einige technologie-Unternehmens Boehringer-Ingelheim, katholische Familien halten konnten und die Pfar- der Kranfabrik des Liebherr-Konzerns und des rei der Zisterzienserabtei Eberbach im Rheingau Dentaltechnik-Unternehmens Kaltenbach & Voigt, inkorporiert war. Im Zuge des Interims konnte so aber auch die hervorragende Entwicklung heimi- am 13. August 1548, nach über 17 Jahren, in der scher Betriebe wie der Metallgießerei und Ma- Pfarrkirche erstmals wieder eine Messe gelesen schinenfabrik Handtmann, des Gardinen- und werden; seitdem gehört die Pfarrkirche beiden Posamentenwerks Gerster und der Maschinenfa- Konfessionen. In seiner Art – gemeinsame Nut- brik Vollmer wurde Biberach zu einer Industrie- zung des Schiffes durch Evangelische und Katho- stadt, die neue Entwicklungen mit altüberliefer- liken – ist das Biberacher Simultaneum heute das ter reichsstädtischer Tradition verbindet. Und bis älteste Deutschlands. heute ist Biberach auch eine Stadt der Künste, in Auch in die Besetzung des Rates und der städti- der so namhafte Künstler und Künstlerinnen wie schen Ämter griff Karl V. ein: seit der Ratsneu- Jakob Bräckle und Romane Holderried Kaesdorf ordnung des Jahres 1551 dominierte ein katholi- lebten und leben. scher Rat die evangelische Reichsstadt. Nachdem Apropos Kunst- und Kulturstadt. Ich könnte Ih- es in der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges be- nen natürlich viel berichten über die erste Auf- reits zu einer gemeinsamen Regierung beider führung eines Shakespearestückes in deutscher Konfessionen gekommen war, dekretierte auf Sprache durch Christoph Martin Wieland hier in Antrag des Biberacher Vertreters beim Friedens- Biberach im Jahre 1761 oder über den Komponis- kongress der Westfälische Friede des Jahres 1648 ten Justin Heinrich Knecht, dessen 250. Geburts- für die Städte Augsburg, Biberach, Dinkelsbühl tages wir in diesem Jahr gedenken und der einer und Ravensburg die Parität, d.h. die zahlen- der bedeutendsten schwäbischen Komponisten mäßige Gleichheit der beiden Konfessionen bei war und ist, und ihnen ebenso erzählen, was Cle- der Besetzung der Ratsstellen und Ämter. Die Be- mens von Brentano und Prinz Charles mit Biber- 2 Blumenkorb. Johann Melchior Dinglinger (1664–1731). Braith- Mali-Museum, Biberach. Foto: H. Zwietasch, WLM. 10 3 Schachspiel. Georg Ignaz Baur (1727–1790). Braith-Mali-Museum, Biberach. Foto: H. Zwie- tasch, WLM. ach verbindet. Ich möchte mich aber, um den Johann Melchior Dinglinger (1664–1731), „den Zeitplan nicht ganz durcheinander zu bringen, Goldschmied des deutschen Barock“, zu loben auf den Beitrag Biberachs zur Kunst Schwabens hieße Pretiosen nach Dresden zu tragen. Ge- und Deutschlands beschränken. Nicht viele wer- rühmt wird vor allem seine in feinsten Reizen den ja wissen, dass der älteste bekannte mit Na- schwelgende Lust an edlem Werkstoff und die men bezeichnete Einblattholzschnitt aus der Zeit Zusammenfassung zu einer strahlenden Klang- um 1440 von dem Biberacher Jerg Haspel stammt, schönheit, aber ebenso seine Beziehung zu den das älteste deutsche Exlibris um 1480 für den Formen, die er zu überschwänglichem Reichtum Biberacher Kleriker Hiltprant Brandenburg ge- bei letztmöglicher Differenzierung auch aller- schaffen wurde und die Durchsetzung des so kleinster Gebilde – wie beispielsweise in seinem genannten Parallelfaltenstils in Oberdeutschland Hauptwerk, dem „Hofhalt des Großmoguls“ – zu Beginn des 16. Jahrhunderts eng mit dem entwickelte. Seit zwei Jahren besitzt nun auch Biberacher Maler Jerg Kändel – von dem sich drei das Biberacher Museum dank der Munifizienz ei- Altäre in Graubünden erhalten haben – verbun- nes Biberacher Bürgers einen Blumenkorb Ding- den ist. Es sind vor allem aber vier aus Biberach lingers, den dieser bei der Übergabe des Golde- stammende Künstler, die den Ruhm Biberachs als Kunststadt begründet haben: Johann Heinrich Schönfeld, Johann Melchior Dinglinger, Georg Ignaz Baur und Johann Baptist Pflug. Wie viele Biberacher – das Augsburger Schaezler- Palais verdankt seinen Bau dem aus Biberach ge- bürtigen Bankier Johann Adam Liebert – ließ sich auch Johann Heinrich Schönfeld (1609–1684), eine der großen Malerpersönlichkeiten des deut- schen 17. Jahrhunderts, nach seiner Rückkehr aus Italien in Augsburg nieder. Schönfelds Kunst hat- te sich inmitten des römischen und neapolitani- schen Hochbarocks in differenzierter Vielfältig- keit zu ungemeiner Grazie und poetischer Ent- rücktheit entwickelt und erreichte dann in den 4 Christoph Martin Wie- späten Sechzigerjahren noch einmal einen neuen land (1733–1813). Braith- Höhepunkt. Eine Auswahl seiner Bilder finden Sie Mali-Museum, Biberach. übrigens im nahen Biberacher Braith-Mali-Muse- Foto: Studio Möck, Biber- um. ach. 11 Der wohl populärste Biberacher Maler ist Johann Baptist Pflug (1785–1866), der in seinen Bildern vor allem oberschwäbisches Volksleben – be- kannt geworden sind besonders auch seine Räu- berszenen – und die Geschehnisse der napoleo- nischen Kriege lebendig werden lässt. Allzu lange hat man ihn, der seine Bilder sehr sorgfältig kom- ponierte, als einen Chronisten mit dem Malerpin- sel missverstanden. Dank ihm besaß Biberach aber auch als einzige Stadt Württembergs außer Stuttgart eine eigenständige Kunstszene; die her- vorragendsten seiner vielen Schüler sind Eber- hard Emminger und Anton Braith. Neben diesen vier Großen sind noch manch an- dere Künstler von Rang zu nennen, so für das 18. Jahrhundert der Edelsteinschneider und Medail- leur Lorenz Natter und im 19. Jahrhundert die Maler Johann Friedrich Dieterich und Karl Joseph Bernhard von Neher. Zwar nicht in Biberach ge- boren, dort aber wichtige Werke geschaffen ha- ben der Bildhauer Michael Zeynsler, der wohl mit dem „Meister der Biberacher Sippe“ gleichzuset- zen ist, Hans Dürner, als Schöpfer der Heiligen- 5 Damespiel. Georg nen Kaffeezeuges im Jahre 1701 August dem berger Kapellendecke einer der führenden Meister Ignaz Baur (1727–1790). Starken geschenkt hatte und der am Ende des der schwäbischen Renaissanceplastik, und Johann Braith-Mali-Museum, Krieges bei Schloss Moritzburg vergraben wor- Eucharius Hermann, der Meister der Biberacher Biberach. Foto: H. Zwie- den war. Hochaltars und Lehrmeister Joseph Christians, tasch, WLM. Mit einem von den Oberschwäbischen Elektrizi- ebenso die beiden Maler Josef Esperlin und Jo- tätswerken (OEW) als Leihgabe überlassenen hann Zick. Ihre Werke finden Sie in unserer Stadt- Hauptwerk, dem für den Kaiserlichen Prinzipal- pfarrkirche und wieder im Braith-Mali-Museum. kommissar beim Regensburger Reichstag Fürst Es würde mich freuen, wenn es mir gelungen Karl Anselm von Thurn und Taxis geschaffenen
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