Wiedervereinigung Und Grundgesetz Von Rudolf Titzck, Innenminister Des Landes Schleswig-Holstein

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Wiedervereinigung Und Grundgesetz Von Rudolf Titzck, Innenminister Des Landes Schleswig-Holstein Heute auf Seite 3: „Schlage im Osten Lärm und schlage im Westen zu' ^£>a$ öfiprmUmulatt UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND Jahrgang 29 — Folge 32 Parkalle 84 / 2000 Hamburg 13/12. August 1978 C 5524 C Wiedervereinigung und Grundgesetz Von Rudolf Titzck, Innenminister des Landes Schleswig-Holstein In bestimmten Kreisen ist es üblich ge• worden, das Bundesverfassungsgericht, den Sommerspiele . obersten Hüter unserer Verfassung, zu kri• H. W. — Mitten in den verspätet »ange• tisieren. Viel zu selten hören wir positive brochenen Sommer servieren die Meinungs• Worte über unser höchstes Gericht, das „im forscher dem Bürger das Ergebnis über ein Spannungsfeld von Recht und Politik" die vermeintliches Wählerverhalten. Es kann schwierige Gratwanderung zwischen „Fest• nicht verwundern, wenn hierbei unterschied• schreibung und Wandel" bewältigen muß. liche Ergebnisse zutage kommen: einmal die CDU knapp vor SPD und FDP, dann SPD Am 31. Juli jährte sich zum fünften Male und FDP ganz klar vor den Unionsparteien. der Tag, an dem der Zweite Senat des Bun• Wir möchten der These des Mannheimer desverfassungsgerichts das Urteil im Ver• Politologen Wildenmann zustimmen, wo• fahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung nach Helmut Schmidt beim Bundesbürger an des Gesetzes zum Grundlagenvertrag ver• Ansehen gewonnen hat. Ob er allerdings, kündete. Das veranlaßt mich, die Spruch• wie Wildemann meint, so populär ist wie Adenauer in seinen besten Zeiten, das sei praxis des Bundesverfassungsgerichts und dahingestellt. insbesondere das Urteil zum Vertrag zwi• schen der Bundesrepublik Deutschland und Tatsache ist, daß der Kanzler, nicht zu• der „DDR" (Grundlagenvertrag) zu würdi• letzt auch begünstigt durch Staatsbesuche gen. Denn keine Entscheidung zuvor hat so und Wirtschaftsgipfel, dann aber auch, weil unmißverständlich den verfassungsmäßigen er sich optisch geschickt verkauft und der Rahmen für die Wiedervereinigungspolitik Betrachter einen deutlichen Abstand zwi• •abgesteckt und auf Jahre hinaus eindeutige schen ihm und seiner Mannschaft erkennt, Maßstäbe in der nationalen Frage für die sich in einem gewissen „Hoch" befindet. Wie gegenwärtige und alle künftigen Bundes• lange solches anhält, vermag niemand zu regierungen und die sie tragenden Parteien sagen. Denn was die Wählergunst angeht, gesetzt. Daß die Karlsruher Entscheidung so wirken hier bekanntlich unterschiedliche zum Grundlagenvertrag seinerzeit von bei• Faktoren und Imponderabilien mit. Sie kom• den Prozeßparteien als Sieg der eigenen men und sie vergehen. Es kommt entschei• Sache bezeichnet wurde, widerlegt alle Vor• dend darauf an, das „Hoch" zur richtigen würfe, daß unser höchstes Gericht hier „Po• Zeit zu haben. litik" gemacht hat, statt Recht zu sprechen. Vielleicht war die Erinnerung an das grund• Unzweifelhaft hat Helmut Schmidt für gesetzliche und damit verfassungsrechtliche seine Partei einiges aufgeholt. Mancher Bür• Wiedervereinigungsgebot für viele unnö• ger würde nicht die SPD wählen, wenn er tig, aber alle, für die die Einheit Deutsch• die Partei nicht mit Schmidt identifizieren lands vorrangiges politisches Ziel bleibt, könnte. Ob und wie weit der Kanzler Fern• sollten dankbar dafür sein, mit dem Urteil wirkung besitzt, soll sich im Oktober in vom 31. Juli 1973 eine „Magna Charta der Hessen erweisen. Deutschlandpolitik" zu haben. Es ist ganz natürlich, daß eine Opposition, die auf Repräsentation und deren Spiege• Erinnern wir uns: Mit dem Regierungs• lung in den Massenmedien weitgehend ver• wechsel in Bonn im Jahre 1969 trat eine zichten muß, dem Kanzlerbonus und der tiefgreifende Zäsur in der Deutschlandpo• Regierungspropaganda gegenüber ein ge• litik ein. Während alle früheren Bundes• wisses Handicap besitzt. Die Helmut Schmidt regierungen von Adenauer bis Kiesinger Schutz der „Hoheitsgewässer in der ,DDR'" und Verhinderung des Fluchtweges über unbestreitbar zu testierende Popularität sagt in ihren Abkommen mit den östlichen Nach• die Ostsee ist die Aufgabe der „DDR"-Mar ine Foto Ullstein daher keineswegs aus, Oppositionsführer barn stets auf das nationale Hauptproblem Kohl habe sich etwa in seiner Aufgabe nicht des deutschen Volkes — die Wiederherstel• bewährt. Auch jeder andere Mann an der Mit unmißverständlicher Klarheit bekräf• Ost-Berlin zeigt, wie wenig die SED-Füh• lung der Einheit eines demokratischen Spitze der Union wäre in diesen Monaten tigt das Bundesverfassungsgericht die Wie• rung die Menschenrechte und den Vier• Deutschlands verwiesen —, zielte die Ost• und unter den genannten Umständen dervereinigung als verfassungsrechtliches mächte-Status für ganz Berlin respektiert. politik von SPD und FDP primär auf ver• Schmidt gegenüber im Hintertreffen gewe• Gebot des Grundgesetzes und erinnert alle bindliche Abkommen „zur Normalisierung Wie steht es bei uns in der Bundesrepu• sen. der gegenseitigen Beziehungen". Die Re• Verfassungsorgane in Bund und Ländern an blik Deutschland? Bemühen sich tatsächlich gierung Brandt/Scheel schloß Verträge mit ihre Pflicht, an der Wiederherstellung der alle Verantwortlichen, alle politischen Kräf• Allerdings, so meinen wir, sollte der der UdSSR und Polen (1970) und im Jahre staatlichen Einheit als politisches Ziel fest• te in allen Parteien darum, „den Wieder• Oppositionsführer sehr aufmerksam alle 1972 nach kurzer, wie viele meinten, nach zuhalten. Als für alle Verfassungsorgane vereinigungsanspruch im Inneren wachzu• Erscheinungen und Äußerungen in seiner zu kurzer Verhandlungsdauer, den Vertrag verbindlich interpretierender Kommentar halten und nach außen beharrlich zu ver• Partei beobachten. Weder die Soldaten, die über die Grundlagen der Beziehungen zwi• zum Grundvertrag beendet es den Theo• treten — und alles zu unterlassen, was die von Herrn Blüm vergrätzt wurden, noch die schen der Bundesrepublik Deutschland und rienstreit um das Selbstverständnis der Wiedervereinigung vereiteln würde", wie Vertriebenen, wenn diese etwa einen Wan• der „DDR". Von Anfang an waren diese Bundesrepublik Deutschland und erinnert es das Bundesverfassungsgericht in Ausle• del im Deutschlandbild der Union feststellen uns daran, daß das Grundgesetz vom Fort• Vertragswerke mit einer heftigen innenpo• gung des Grundgesetzes verlangt? Hier müßten, wären sozusagen gezwungen, trotz• bestand des Deutschen Reiches in den Gren• tauchen Zweifel auf. Gerade deshalb aber litischen Kontroverse verbunden. Sowohl dem die Union zu wählen. Die Opposition zen vom 31. Dezember 1937 ausgeht und waren eine Rückbesinnung auf die von der die CDU/CSU-Bundestagsopposition als hat sicher keinen Grund, sich durch unter• die Bundesrepublik mit dem (juristisch) fort• Verfassung gesteckten Grenzen für unsere auch die Mehrheit des Bundesrates lehnten schiedliche Meinungstests verunsichern zu bestehenden Deutschen Reich identisch ist. Ostpolitik und die Erinnerung an das Wie• die Abkommen ab, da sie ein ausgewoge• lassen; sie hätte aber Grund, sich um eine Diese Aussagen haben weitreichende recht• dervereinigungsgebot notwendig. einheitliche Aussage auf allen politischen nes Verhältnis von Leistung und Gegenlei• liche Konsequenzen, vornehmlich für die stung vermißten und durch die Bekräftigung Feldern zu bemühen. nach Artikel 7 des Grundlagenvertrages Die nahende erste Direktwahl zum Euro• der '„Unverletzlichkeit" der Demarkations• noch zu schließenden Folgevereinbarungen. linie (Artikel 3 des Vertrages) die vom päischen Parlament am 10. Juni 1979 drängt Kritischer dürfte es um die Freien Demo• Keine Bundesregierung kann heute oder schließlich eine letzte Frage auf. Wird das kraten bestellt sein. Reinhold Maiers Wort, Grundgesetz geforderte friedliche Wieder• morgen zum Beispiel auf die einheitliche vereinigung auf der Grundlage des Selbst• Zusammenrücken der Staaten im freien es werde allemal fünf Prozent Liberale ge• deutsche Staatsangehörigkeit verzichten, Teil Europas mit dem Ziel einer politischen ben, steht in Hessen vor der Bewährung. bestimmungsrechts als gefährdet ansahen. ohne dadurch die Verfassung zu verletzen. Vergeblich versuchte die Bayerische Staats• Union nicht den Graben zwischen uns und Die „Grünen", die den Liberalen zunächst regierung, durch einstweilige Anordnung dem anderen Teil Deutschlands noch ver• Sorgen bereiteten, scheinen dabei, sich selbst die Ausfertigung und Verkündung des Ver• Wie sieht es aber heute, fünf Jahre nach tiefen, ihn unüberbrückbar machen? Diese ins Abseits zu bringen. Cohn-Bendit z. B. tragsgesetzes zu verhindern. Auch ihre dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrages, Sorge ist mit einem klaren Nein zu beant• ist geeignet, manchen Wähler der FDP, der Klage gegen den am 20. Juli 1973 schließ• in unserer politischen Wirklichkeit aus? worten. Wer sich Europa zuwendet, wen• bereit war, von kariert auf grün umzuschal• lich in Kraft getretenen Grundlagenvertrag Zwar haben sich beide Vertragsparteien det sich weder von Deutschland noch von ten, die Einsicht zu vermitteln, im alten Ver• der Einheit unseres deutschen Vaterlandes ein doch noch das kleinere Übel zu sehen. wurde vom Bundesverfassungsgericht abge• in Artikel 1 des Grundlagenvertrages ver• ab. Das geteilte Deutschland und das ge• wiesen. Aber die Formulierung der Urteils• pflichtet, normale gutnachbarliche Bezie• teilte Europa stehen im Mittelpunkt der formel, der sogenannte Entscheidungstenor, hungen zu entwickeln. 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