Gespräch Mit Pascale Ogier : "Ich Liebe Es, Geliebt Zu Werden"
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Gespräch mit Pascale Ogier : "Ich liebe es, geliebt zu werden" Autor(en): Ruggle, Walter / Ogier, Pascale Objekttyp: Article Zeitschrift: Filmbulletin : Zeitschrift für Film und Kino Band (Jahr): 26 (1984) Heft 139 PDF erstellt am: 10.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-866566 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Nein, schreit es dann weil man eine Situation, in der man sich auch selber in uns, das kann sie doch nicht so machen, wieso handelt immer mal wieder befindet, in ihrer Konstitution sie jetzt so, wieso merkt sie das nicht. Und damit durchschaut, oder ob man sie aus überheblicher Position heraus hat Rohmer uns alle wunderschön auf seinem Punkt: belacht. Rohmers Situationen gehören zu den Wenn wir draussen stehen und beobachten, dann wirkt gewöhnlichsten der zivilisierten Erde. Das, was er ihnen so vieles im Umgang mit unseren Mitmenschen abgewinnt, die Art, wie er sie mit liebevoller Ironie zu belustigend, zum Heulen und zum Schreien. Wenn wir schildern versteht, kennt nichts Vergleichbares. Er bietet anderseits - wie seine Figuren - mittendrin stecken im eine Ironie, die sich aus den Gegebenheiten nährt. Eine emotionalen Schlamassel, so fehlen uns die Relationen, der ganz grossen Qualitäten dieses Kinos à la Rohmer verpassen wir permanent die Chance der Wahrnehmung ist die immense Zärtlichkeit, die Schamhaftigkeit fast, von Fehlverhalten und damit die Chance zur mit der es seine Figuren beobachtet. Wenn daraus Korrektur. etwas resultiert, so trifft es die Zuschauer nicht in Härte, Über die Trauer um den unfassbaren und viel zu frühen da Rohmer nie demonstrativ vorgeht. Tod von Pascale Ogier, dieser talentierten Schauspielerin, Damit erreicht er uns, scheinbar ohne selber zu die sehr viel von ihrer Persönlichkeit in die Interpretation interpretieren. Das führt manchmal dazu, dass Zuschauer ihrer Rolle gesteckt hatte, lässt sich nicht schreiben. aus der Gewohnheit des Identifikationskinos heraus Wenn Pascale Ogier - die den 64jährigen Rohmer nervlich am Ende sind, wenn sie einen Rohmer-Film und sein Werk ausgesprochen gut kannte - aber davon gesehen haben. Sie haben einen wesentlichen Fehler sprach, dass LES NUITS DE LA PLEINE LUNE nicht nur gemacht: sie nahmen die Leinwandfiguren in einer ein Film von Eric Rohmer sei, sondern auch sehr stark falschen Weise ernst. Natürlich will Rohmer, dass wir den ein Film des im Ausland arbeitenden Schweizer Weg der Louise verfolgen, natürlich will er, dass wir sie Kameramanns Renato Berta, so muss man dies ergänzen um ernst nehmen. Wenn sie lügt, bestätigt Pascale Ogier, ihren Namen. Sie hat mit ihrer fragilen Interpretation so tut sie dies lediglich gegenüber sich selbst. Rohmer genauso wie durch die von ihr sorgfältig zusammengestellten liesse sie dies nie gegenüber dem Zuschauer im Kino Dekors Rohmers Film ganz wesentlich mitgeprägt. tun; er lässt diesen die «Lüge» immer erkennen. Diese Tatsache kann uns Betrachter aber anderseits dazu ver¬ Walter Ruggle Gespräch mit Pascale Ogier "Ich liebe es, geliebt zu werden" FILMBULLETIN: Kannst Du uns anhand einer Szene schwindet und dass sie alles verpasst hat, dass sie beispielhaft schildern, wie Eric Rohmer arbeitet? selbst alles zur Katastrophe führte. Sie hätte etwas PASCALE OGIER: Ich will ausschliesslich für meine Person erreichen können - auch wenn das nicht die Meinung von sprechen, und so nehme ich eine Szene, die ich Rohmer ist, der den Film offen enden lässt. sehr liebe. Es ist die Szene des Zusammenbruchs der Rémi sagt zu Louise, dass sie nicht geschaffen wären, Louise am Ende von LES NUITS DE LA PLEINE LUNE, um zusammen zu sein. In diesem Moment denkt Louise da sie erfährt, dass Rémi eine andere liebt, und sie ihn selber allerdings nicht daran, sie, die trotz allem sehr fragt: aber liebst du sie mehr als mich? Das finde ich vernünftig ist, oder zumindest versucht, vernünftige sehr berührend. Im Szenario, das mir Eric Rohmer Beurteilungen ihres Verhaltens zu haben. Es sollte ganz gegeben hat, war diese Szene beschrieben wie in einer einfach reine Emotion zum Ausdruck kommen. Rohmer Novelle. Er schreibt kein Szenario mit all den technischen wollte, dass ich so weit gehe, wie es mir möglich sei. Er Angaben. Bei ihm gibt es nicht den geringsten gab also keine Anweisungen, choreografierte lediglich Kommentar über die Emotionen der Figuren. Als ich meine Gesten im Einklang mit der Kamera und meinem diese Szene also gelesen hatte, sah ich, dass sie Partner Tchéky Karyo. Ich wollte, dass Louise den grundlegend war, denn entweder erscheint Louise total Ausdruck grosser Not hat. Für mich war es äusserst apathisch, egoistisch, oder sie könnte in dem Moment wieder anregend, dies zu spielen, und gleichzeitig machte mir das im guten Sinn des Wortes pathetisch werden. auch ein wenig Angst, weil ich die Persönlichkeit der Louise sehr liebe. In Übereinstimmung mit Rohmer Ich fragte Rohmer: Was geschieht da mit Louise? Er hatten wir sie als anständige und aufrichtige Person seinerseits fragte mich, was ich denn denke. Da ich das behandelt, naiv auch, nicht als eine, die Fallen stellt, Gefühl hatte, dass es in der Figur im Verlauf der «Tricks» macht. Schnitt: wir liegen einander in den Geschichte eine Progression gab und dass von daher wirklich Armen, und ich breche in Schluchzen aus. Dann gehe ich etwas Wichtiges geschehen musste, sagte ich ihm, die Treppe hoch in mein Zimmer, wo ich mit Octave dass Louise in dem Moment zusammenbrechen wird. telefoniere. Sie wird zutiefst verzweifelt sein, sehr, sehr traurig, Da ich am Boden endete in dieser Szene, fragte ich denn sie wird das Gefühl haben, dass ihr alles ent¬ Rohmer, wie das sein wird. Er antwortete: Denken Sie 13 Kino in Augenhöhe diese Nacht darüber nach. Am nächsten Morgen bin ich übernehmen hatte und eine Hauptrolle spiele, siehe da: gekommen und habe ihm gesagt: Der Übergang muss es war wieder er - das ist ein sehr bewegender Zufall. einer in Tränen sein. Sie muss auch dort oben weinen, Ich hatte von allem Anfang an Vertrauen in ihn. Ich ganz allein. wusste, dass ich die Rushes nicht sehen werde, und das FILMBULLETIN: Und dieser «discours» hat jeweils während war mir vollkommen egal. Er hat mir viele Ratschläge dem Dreh stattgefunden. Wie habt Ihr die Dialoge gegeben, aber immer mit sehr grosser Zurückhaltung. mit ihm erarbeitet? Berta beobachtete die Proben, war auch bei den PASCALE OGIER: Rohmer hat uns Dialoge gegeben, die Recherchen Rohmers dabei, mit denen er eigentlich nichts sehr literarisch (très écrits) waren, und er hat von uns zu tun hatte. Wir bestimmten zusammen die Chore- Schauspielern erwartet, dass wir ihm ganz kleine ografie. Da ich für das Dekor verantwortlich war, hatten Änderungen vorschlagen würden, aber wirklich ganz kleine - wir (Berta, Rohmer und ich) auch die Farben bearbeitet. nie in bezug auf den Sinn, ausschliesslich bezüglich des Rohmer arbeitet ohne Assistent, es gibt keine Parasiten, Vokabulars, der Wortwahl. Dies, um den Dialogen die auf dem Drehplatz herumtappen, die Equipe ist auf etwas mehr Relief zu geben, sie zu aktualisieren und ein Minimum reduziert: es gab drei Personen für das lebhaft zu gestalten. Er erwartete, dass wir unsere Bild, zwei für den Ton, eine für die Maske, und das ist Gewohnheiten mit einbringen, unsere kleinen persönlichen alles. Redewendungen, in einer punktuellen Art, um uns Die Wahl Bertas für LES NUITS DE LA PLEINE LUNE ist die Dialoge bequem zu machen, und damit er die in bezug auf Rohmer sehr interessant, denn der Film ist Mischung erreichte, die er wollte: Sprache, die einerseits von den Bildern her gesehen grundlegend anders als die etwas aus der Mode gekommen und auf der andern vorangegangenen Rohmer-Filme. Berta hat dazu Seite modern ist. beigetragen, dass aus LES NUITS DE LA PLEINE LUNE ein FILMBULLETIN: Ihr habt mit Super8 gearbeitet; in Stadt-Film geworden ist, ein moderner Film und ein welchem Stadium, und wie spielte sich dies ab? recht harter Film. PASCALE OGIER: Rohmer ist immer mehr an Super8 FILMBULLETIN: Wenn wir schon vom Bild sprechen, so interessiert, denn dies erlaubt ihm, mit den Schauspielern scheinen mir die Farben in LES NUITS DE LA PLEINE in den Dekors zu proben. Er machte das mit uns für die LUNE eine bedeutende Rolle zu spielen, auch in bezug Aussenaufnahmen, als ob er ein kleiner Amateur wäre, auf die Ausgestaltung der Dekors. Nun hast Du ja diese der einen Familienfilm dreht oder so ähnlich. Rohmer ist Dekors gemacht - gefallen sie Dir oder gefallen sie Louise ein sehr diskreter Mensch. Darum liebt er es auch nicht, oder beiden zusammen? am Fernsehen aufzutreten oder Interviews zu geben. Er PASCALE OGIER: Zuerst einmal denkt Eric Rohmer, bevor möchte durch die Strassen gehen können wie ein er einen neuen Film macht, ja sogar bevor er sein gewöhnlicher Familienvater, ohne erkannt zu werden, Szenario verfasst, an eine Farbe.