25.09.2017 LES AMBASSADEURS ALEXIS KOSSENKO LEITUNG | CHANTAL SANTON SOPRAN ANDERS J. DAHLIN | AIMERY LEFÈVRE BARITON

SAISON 2017/2018 ABONNEMENTKONZERT 1 Montag, 25. September 2017 | 20 Uhr JEAN-MARIE LECLAIR Airs en rondeau Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal (1697 – 1764) aus: „Scylla et “ (1746)

JEAN-PHILIPPE RAMEAU Bruit de guerre LES AMBASSADEURS aus: „“ (1739)

ALEXIS KOSSENKO LEITUNG JEAN-MARIE LECLAIR Invocation de Scylla CHANTAL SANTON SOPRAN aus: „Scylla et Glaucus“ ANDERS J. DAHLIN TENOR AIMERY LEFÈVRE BARITON JEAN-PHILIPPE RAMEAU Ballet fi gure aus: „“ JEAN-PHILIPPE RAMEAU Ouverture (1683 – 1764) aus: „Zoroastre“ (1756) Air de Dardanus aus: „Dardanus“ MARIN MARAIS Air de la Grande Prêtresse (1656 – 1728) aus: „Sémélé“ (1709) JEAN-JOSEPH CASSANÉA Air de Vénus DE MONDONVILLE (1711 – 1772) aus: „Les Fêtes de Paphos“ (1758) JEAN-PHILIPPE RAMEAU Tambourin aus: „“ (1737) JEAN-PHILIPPE RAMEAU Scène fi nale de l’Entrée des Incas aus: „Les Indes Galantes“ Ramage d’oiseau et air de Trajan aus: „Le Temple de la Gloire“ (1745) Pause Entrée des quatre nations aus: „Les Indes Galantes“ (1735)

02 | PROGRAMMABFOLGE PROGRAMMABFOLGE | 03 JEAN-PHILIPPE RAMEAU Ouverture Chaconne aus: Zaïs (1748) aus: „Les Indes Galantes“

Air de l’Envie Air d’Apollon aus: „Le Temple de la Gloire“ aus: „Le Temple de la Gloire“

ANDRÉ CAMPRA Récit de Zaïde (1660 – 1744) aus: „L’Europe Galante“ (1697) Das Konzert wird auf NDR Kultur gesendet. Den Sendetermin fi nden Sie unter: ndr.de/dasaltewerk

JEAN-JOSEPH CASSANÉA Air de Titon DE MONDONVILLE aus: „Titon et l’Aurore“ (1753)

JEAN-PHILIPPE RAMEAU Air pour les esclaves aus: „Les Indes Galantes“

Air d’une Grâce aus: „“ (1745)

Air pour les démons et les héros aus: „Le Temple de la Gloire“

Air d’une Grâce Marche Duo d’un Français et d’un Espagnol aus: „La Princesse de Navarre“

04 | PROGRAMMABFOLGE PROGRAMMABFOLGE | 05 LES AMBASSADEURS LES AMBASSADEURS BESETZUNG

2011 gegründet von dem Flötenvirtuosen Alexis Ambassadeurs sich aus, wie sie jüngst mit einer LEITUNG VIOLA OBOE Kossenko, machen Les Ambassadeurs den Traum großen Tournee mit Mozarts „Le Nozze di Figaro“ Alexis Kossenko Marco Massera Emmanuel Laporte eines paneuropäischen Orchesters wahr und unter Beweis stellten. 2016 spielte das Orchester wollen das reiche Repertoire der Dresdner Hof­ die Eröffnungskonzerte bei den Festspielen Fanny Paccoud Iris Désirée Balzereit kapelle wiederbeleben, die zu Bachs Zeiten den Potsdam Sanssouci und bei der Bachbiennale ERSTE VIOLINE Laurent Muller Ruf genoss, das beste Orchester der Welt zu sein: Weimar und war zu Gast in der Londoner Wigmore Stefano Rossi FAGOTT opulent instrumentierte Concerti und Ouvertüren, Hall. Seit der Gründung von Les Ambassadeurs Partituren mit höchsten Anforderungen an die sind schon sechs CDs erschienen: „Vivaldi: Dasa Valentova VIOLONCELLO Monika Fischaleck Virtuosität, tiefgründig und experimentierfreudig, Concerti per l’Orchestra di Dresda“; „Le grand Lathika Vithanage Elena Andreyev David Douçot aber auch funkelnd und schillernd. Nach gefeier­ theatre de l’amour“ mit Instrumentalmusik und Virginie Descharmes Thomas Luks ten Konzerten u. a. bei „Bozar“ in Brüssel, beim Opernarien von Rameau (ausgezeichnet mit dem Auditorium du Louvre in Paris und beim Concert­ „Diapason d’Or de l’Année 2014“, „Diamant de Fabien Roussel Linda Mantcheva TROMPETE gebouw Brügge bestritten Les Ambassadeurs l’Opéra“ und „Grand prix de l’Académie Charles Jean-Francois Madeuf und Alexis Kossenko Tourneen durch Österreich, Gros“); Kammermusik von C. Ph. E. Bach; Konzerte ZWEITE VIOLINE KONTRABASS Frankreich, Deutschland, Belgien, Polen, Bul ga­ von G. Ph. Telemann; „Tempesta“ mit Arien von rien, Lettland, Dänemark und Slowenien. 2014 ga­ Händel und Vivaldi und „Cantus“ mit dem Cellis­ Albrecht Kühner Love Persson PERKUSSION ben sie anlässlich der Jubiläen von C. Ph. E. Bach ten Christian­Pierre La Marca. Esther Crazzolara Marie-Ange Petit und J. Ph. Rameau Konzerte in Brügge, Brüssel, Ewa Chmielewska CEMBALO Utrecht, Marseille, Versailles und Weimar. Auch Les Ambassadeurs wird gefördert vom Mécénat im Opernrepertoire kennen Kossenko und Les Musical de la Caisse des Dépôts. Christian Voss François Guerrier

TRAVERSFLÖTE Amélie Michel Anna Besson

06 | BESETZUNG LES AMBASSADEURS | 07 ALEXIS KOSSENKO CHANTAL SANTON ANDERS J. DAHLIN AIMERY LEFÈVRE LEITUNG SOPRAN TENOR BARITON

Wenn heute von der Traversflöte gesprochen Chantal Santon gilt als eine der profiliertesten Anders J. Dahlin studierte am Konservatorium in Aimery Lefèvre studierte Klavier, Orgel und Ge­ wird, fällt schnell der Name Alexis Kossenko. Der französischen Sopranistinnen ihrer Generation, Falun und am Königlichen Konservatorium in Ko­ sang. Sein Bühnendebüt feierte der Franzose 1977 geborene, vielfach ausgezeichnete Franzo­ deren Stimme für ihre große Geschmeidigkeit penhagen. Der Schwede gilt als einer der führen­ 2005 in Lyon. Es folgten Auftritte an den Opern in se, Schüler von Alain Marion und Marten Root, und ihren Farbenreichtum gerühmt wird. Sie ver­ den Haute-contres (hoher französischer Tenor) Tours, Rennes, Lille und Dijon, im Amphithéâtre ist einer der wenigen seines Fachs, der sich als fügt über ein breites Repertoire an Opernpartien, seiner Generation. Sein Repertoire beinhaltet der Opéra Bastille, an der Opéra national in Solist sowohl auf modernen Instrumenten als das von Purcell und Mozart bis in die Gegenwart zahlreiche Titelpartien in Rameau-Opern (u. a. Paris, beim Glyndebourne Festival u. v. m. Er hat auch auf allen historischen Formen der Travers­ reicht, und hat mit namhaften Ensembles zu­ „Zoroastre“, „Platée“, „Dardanus“, „Castor et Pol­ mit Dirigenten wie William Christie, Emmanuelle flöte einen internationalen Ruf erworben hat. sammengearbeitet, darunter Le Concert Spiri­ lux“) sowie Werke weiterer französischer Kompo­ Haïm, Marc Minkowski oder Christophe Rousset Neben seiner solistischen Tätigkeit tritt Kossenko tuel, Les Talens Lyriques, Les Siècles und die nisten wie Lully, Desmarest, Campra und Char­ zusammengearbeitet. In den letzten beiden immer häufiger als Dirigent hervor. Er wurde ein­ Sym­phonieorchester von Brüssel und Hongkong. pentier. Auftritte führen ihn regelmäßig an große Spielzeiten war Aimery Lefèvre u. a. am Teatro geladen vom Barockorchester der Europäischen Zuletzt hatte sie Auftritte im Théâtre des Bühnen und Konzerthäuser wie Tonhalle Zürich, Municipal de Santiago de Chile (Frédéric in Union, dem Concert d’Astrée, der Holland Baro­ Champs-Elysées und in der Salle Pleyel in Paris, Théâtre des Champs-Élysées Paris, Opéra Royal „Lakmé“), am Théâtre du Capitole de Toulouse que Society und dem Ensemble Arte dei Suona­ in den Opernhäusern von Versailles und Avignon, de Versailles, Festspielhaus Baden-Baden, Royal (Castor in „Castor et Pollux“), an der Opéra de tori. 2016 leitete er ein Mendelssohn-Sinfonie- im „Bozar“ in Brüssel und im Wiener Konzert­ Albert Hall oder Concertgebouw Amsterdam und Rouen (Dandini in „La Cenerentola“) und am Programm beim Sinfonia Iuventus Warschau, haus. Ihre Begeisterung für die wiederentdeckte zur Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Christophe Royal House London (Haly in „L’italiana in wo er 2017 auch ein Brahms-Projekt dirigierte. klas­sische und romantische französische Oper Rousset, Emmanuelle Haïm, Sir John Eliot Gardiner, Algeri“) zu erleben. Auf Konzertpodien stand Sein wichtigstes Projekt und aktueller Arbeits­ spiegelt sich in zahlreichen Konzerten und William Christie, René Jacobs, Hervé Niquet oder er mit Ensembles wie Les Folies françoises, Le schwerpunkt ist die Leitung des von ihm 2011 Aufnahmen, die durch die Unterstützung der Marc Minkowski. 2014 wurde er mit dem renom­ Concert Spirituel, Les Talens Lyriques und Le gegründeten Orchesters Les Ambassadeurs. Fondation Bru Zane ermöglicht wurden. mierten Jussi Björling Award geehrt. Cercle de l’Harmonie.

08 | LEITUNG/SOLISTIN SOLISTEN | 09 wartet in der zweiten Hälfte seines Lebens eine DER KÖNIG DER KAMINKEHRER Oper geschrieben: „Doch damit nicht genug. Un­ JEAN-PHILIPPE RAMEAU UND DIE FRANZÖSISCHE BAROCKOPER sere Riemann-Oper war sehr gut, so gut wie jede andere, die seit 1687 erklungen war, seit dem To­ Viel Feind’, viel Ehr’ – wenn diese Formel zutrifft, am französischen Hof brachte er es binnen weni­ desjahr des unsterblichen Lully; so fände sich in der Musikgeschichte kaum ein ger Jahre vom „garçon de chambre“ und Italie­ einige fanden sie in der Tat besser als sämtliche ehrenvolleres Dasein als das des französischen nischlehrer zum „compositeur de la musique Neuheiten, die seither zu erleben waren, ja Komponisten Jean-Philippe Rameau. Dabei war er instrumentale“, schuf zahlreiche Ballets de cour, reicher sogar an erlesener Musik, meisterlicher nicht einmal vier Jahre alt, als sein größter Wider­ in denen er selbst neben dem König als Tänzer und aufregender als alles, was irgendein Pariser sacher an den Folgen eines Dirigierunfalls starb. auftrat, erhielt 1661 die französische Staats­ Zeitgenosse jemals gehört hatte. Der Eindruck Sein Vorgänger und Antipode: Jean-Baptiste Lully, bürgerschaft, sammelte Titel, Ämter und Ehren, war überwältigend.“ Und bestätigte sich noch, der Hofkomponist des Sonnenkönigs Louis XIV., bis er schließlich im Jahr 1672 die Académie als Rameau 1737 mit seiner neuesten Tragédie hatte in Versailles die französische Barock­oper Royale de Musique gründete, die Pariser Opéra, „Castor et Pollux“ an die Opéra zurückkehrte kreiert, die (später so genannte) Tragédie lyrique, die ausschließlich seine eigenen Werke aufführ­ und bereits 1739 die Tragödie des „Dardanus“ die zu Zeiten des Roi-Soleil nur als „Tragédie“ te. Vom König in den Adelsstand erhoben und folgen ließ. Sie handelt von der tragischen Liebe oder „Tragédie (mise) en musique“ bezeichnet mit allen nur denkbaren Privilegien begünstigt, der phrygischen Königs­tochter Iphise zu dem wurde. Nie zuvor und niemals wieder gab es ein gewann der Wahl-Franzose eine Monopolstel­ Todfeind ihres Vaters und Vaterlandes: zu Darda­ Gesamtkunstwerk gleich diesem: die unschlag­ lung, wie sie selbst ein Richard Wagner nie er­ nus, dem Sohn des Zeus und mythischen Ahn­ bare Allianz aus Komposition, Ballett, Dichtung ringen sollte: Monsieur de Lully, Secrétaire du herrn des trojanischen Herrschergeschlechts. und Schauspiel, moralischer Erbauung und poli­ Roy, Sur-Intendant de la Musique de Sa Majesté, Mit einer wahrhaft visionären Kompositionskunst tischer Propaganda. Und König Ludwig höchst­ der „Diktator der Musik in Frankreich“ (Romain Jean-Philippe Rameau, Radierung öffnete Rameau das philosophisch und höfisch persönlich wählte die Stoffe für die Opernbühne Rolland). Erst ein Unglücksfall brach seine nach einem zeitgenössischem Bildnis gegründete Gesamtkunstwerk der Tragédie ly­ aus, die er der antiken Mythologie entnahm oder Macht. Beim Dirigat eines Te Deum rammte sich rique mitsamt seinen verwandten Gattungen wie den italienischen Heldenepen der Renaissance. Lully den mannshohen Taktstock derart fatal einher mit einer aggressiven Ablehnung aller der Pastorale-héroïque oder der Opéra-ballet Nach dem Modell der gesprochenen Tragödie um­ in den Fuß, dass er der Verletzung nach Musiker und Librettisten, die sich anmaßten, einer neuen Zeit: der avanciertesten Harmonik fasste auch die Tragédie en musique fünf Akte, qual­vollen Wochen erlag: am 22. März 1687. noch am Leben zu sein. Ein Komponist vor allen und Instrumentation, dem sinfonischen Experi­ die jeweils von einem geschickt in die Handlung anderen zog den Unmut der Lullisten auf sich, ment und der Tondichtung – etwa im program­ ein­gepassten Divertissement oder einer Fête be­ LULLY-VEREHRER KONTRA KAMINKEHRER ein Privatgelehrter aus der Provinz, der bis dahin matischen Vorspiel zu der freimaurerisch inspi­ reichert wurden, unter allseits erwünschter Mit­ Zu Lebzeiten des übermächtigen Florentiners nur als Musiktheoretiker und Organist hervorge­ rierten Oper „Zoroastre“. In drei Teilen schlägt wirkung des Balletts und des Chores. Am Beginn blieb die Opéra den Konkurrenten fest verschlos­ treten war und lediglich einzelne Alben mit geist­ diese Ouvertüre den dramaturgischen Bogen aber stand ein Prolog, der formal einem Entrée sen. Aber selbst nach dem tödlichen Unfall vollen Miniaturen für das Cembalo veröffentlicht von der „barbarischen Macht“ des finsteren Ober­ wie in den Ballets de cour glich, in Wahrheit aber Lullys sperrte sich die konservative Partei der hatte. Ausgerechnet dieser Mann, der 50-jährige priesters Abramane, der die Völker knechtet, nichts anderes bezweckte als die Glorifizierung „lullistes“ gegen jeden Eindringling, der es wag­ Jean-Philippe Rameau, komponierte jetzt eine über die wiedergebo­rene Hoffnung bis zur glück­ des Sonnenkönigs und seiner Taten. te, die Domäne des verstorbenen Meisters für Tragédie en musique und brachte dieses Stück, lichen Befreiung im Licht eines neuen Glaubens, sich zu beanspruchen und mit neuen Komposi­ „“, im Herbst 1733 auch noch den Zarathustra stiftet, der Erste der Magier. Jean-Baptiste Lully war ein typischer Vertreter tionen die geheiligte Stätte der Pariser Opéra zu auf die Bühne der ehrwürdigen Académie Royale. der von Ludwig XIV. geförderten „nouveaux entweihen. Nach dem Tod des Roi-Soleil im Jahr Welch ein Skandal! Man müsse sich diesen Vor­ Rameau sprengte den überkommenen Formen­ riches“, ein sozialer Aufsteiger und durchset­ 1715, dem Sonnenuntergang des Grand Siècle, gang etwa so vorstellen, erklärt Rameaus engli­ kanon und entlastete auch den staatstragenden zungsfähiger Unternehmer. Als Giovanni Battista nahm dieser Lully-Kult vollends religiöse Züge scher Biograf Cuthbert Girdlestone, als habe der Prolog alten Stils um die politische Allegorie Lulli war er 1632 in Florenz zur Welt gekommen; an, und die Verklärung der Vergangenheit ging Musikwissenschaftler Hugo Riemann völlig uner­ und das patriotische Bekenntnis. Er wagte sich

10 | PROGRAMM PROGRAMM | 11 tief hinab in die Abgründe des Seelendramas, schmucklos, zu schmucklos manchmal, und das Ein anderes Merkmal und Gütesiegel der Musik DER BUFFONISTENSTREIT zum Beispiel mit dem Monolog des gefangenen ist sein Fehler“, zitiert Diderot die streitsüch­ Rameaus aber blieb bei Diderot unerwähnt: die Die Geschichte nahm eine groteske Wendung. Dardanus: ein Air in dreiteiliger Da-capo-Form, tigen Kenner. „Der junge Utrémifasolasiututut zündenden Rhythmen, die dem Hörer buchstäb­ Am Ende seines Lebens galt Rameau als „der dunkel und desolat, mit einer melodisch zer­ ist eigenwillig, glanzvoll, vielschichtig, schwierig, lich in die Glieder fahren. Diesen elementaren Alte“, das Idol der Konservativen, der Lordsiegel­ klüfteten, von Oktav- und Dezimensprüngen ent­ zu schwierig manchmal: Aber der Fehler liegt Reiz spielte der Komponist vor allem in einer bewahrer höfischer und nationaler Traditionen, stellten Fagottstimme, harmonisch zum Zer­ vielleicht beim Hörer; der eine hat nur eine anderen Gattung aus, in der Opéra-ballet, die er die es gegen die anbrandende italienische reißen gespannt. Das ist kein „Altes Werk“, das Ouvertüre, die, so schön sie ist, am Anfang aller nach dem Modell von André Campras „L’Europe Opernmode zu schützen galt. Auf der einen Seite ist „Neue Musik“ aus der Mitte des 18. Jahrhun­ seiner Werke wiederkehrt; der andere hat so vie­ galante“ (1697) entwickelte. Als ersten von ins­ verteidigte ein Erbe Rameaus (die Gegner sag­ derts: alterslose Avantgarde. Der Konflikt war le Ouvertüren wie Stücke geschaffen; und alle gesamt sechs Beiträgen zu dieser Hybridform ten: ein Epigone), der Geiger und Intendant der unausweichlich. Der hitzige Grundsatzstreit gelten für Meisterwerke. Die Natur leitet Utmiut­ schrieb Rameau 1735 „Les Indes galantes“, die Chapelle Royale, Jean-Joseph Cassanéa de zwischen den „lullistes“ und den „ramistes“ oder sol auf den Pfaden der Melodie; durch Studium sich auch philosophisch von all den mythologi­ Mondonville, die Ehre der französischen Tragé­ „rameauneurs“ (ein Spiel mit dem französischen und Erfahrung entdeckte Utrémifasolasiututut schen Handlungen und legendären Heldenge­ die, als er auf Initiative der Marquise de Pompa­ Wort für „Kaminfeger“) stieg bis zum Siedegrad die Quellen der Harmonik. Wer verstand zu schichten absetzen, wie sie bis dahin das höfi­ dour seine Pastorale-héroïque „Titon et l’Aurore“ und wurde durch die regelmäßigen Neuein­ deklamieren und wer rezitierte je wie der Alte? sche Theater dominierten. Stattdessen initiiert komponierte und mit demonstrativem Beifall in studierungen der klassischen Tragödien Lullys Wer schenkte uns leichte Arietten, wollüstige das Textbuch eine Reise der Phantasie in die der Pariser Opéra präsentierte. Auf der anderen nur umso heftiger angefacht. Der Schriftsteller Arien und Charaktersinfonien wie der Moderne? Welt des Exotischen: Das titelgebende „Indien“ Seite standen die „Buffonisten“, die Anhänger Denis Diderot parodierte diesen jahrelangen Utmiutsol allein versteht sich auf den Dialog. Vor („L’Inde“) wurde damals weniger im geografi­ der leichtgewichtigen Intermezzi, an vorderster Disput in seinem satirischen Roman „Les Bijoux Utrémifasolasiututut kannte keiner die feinen schen Sinne als vielmehr symbolisch für das Stelle Jean-Jacques Rousseau, der mit seinen indiscrets“, wobei er zur leicht durchschaubaren Schattierungen, die das Zärtliche vom Sinnli­ Fremde schlechthin verstanden, es konnte glei­ Polemiken die französische Musik in Bausch und Tarnung für Lully den Namen „Utmiutsol“, für chen, das Sinnliche vom Leidenschaftlichen, das chermaßen West wie Ost bezeichnen. Und genau Bogen verwarf und vor lauter Rechthaberei Rameau dagegen „Utrémifasolasiututut“ erfand. Leidenschaftliche vom Wollüstigen scheiden.“ so wird es im gehandhabt, dessen vier schließlich sogar ihre Existenzberechtigung in „Der alte Utmiutsol ist schlicht, natürlich, Entrées in die Türkei, nach Peru, Persien und Frage stellte. zu den „Wilden“ nach Nordamerika führen. Als das Werk am 23. August 1735 in Paris erstmals Das Gastspiel einer italienischen Theatertruppe auf die Bühne gelangte, bestand es nur aus an der Pariser Académie Royale hatte 1752 für dem Prolog und den ersten beiden Entrées; musikalische Furore, ja mehr noch: für politische der dritte und vierte Teil kamen erst für spätere Unruhe gesorgt. Der mit scharfer intellektueller Aufführungen hinzu – und deren Zahl stieg Klinge ausgefochtene Zwist, in den Rameau als schnell in erstaunliche Dimensionen. Allerdings der maßgebliche (lebende) Repräsentant der gewährte man sich etliche Fassungsfreiheiten: Tragédie lyrique geriet, ging unter dem Begriff Da die Handlung nicht durchlaufend, sondern in der „“ in die Annalen ein, vier Stationen gefasst ist, war es möglich, auch benannt nach dem französischen Namen der einzelne Entrées isoliert aufzuführen, ganz ab­ Komödianten. Das deutsche Schlagwort „Buffo­ gesehen davon, dass man schon damals ausge­ nistenstreit“ bezieht sich dagegen auf die italo­ wählte Tänze, Airs oder Chöre individuell zu phile Fraktion, auf die Fürsprecher der „Bouf­ „Konzerten“ kompilierte – eine Idee, die heute fons“, die in der italienischen Musik das Ideal des unter dem Schlagwort „Symphonie imaginaire“ Natürlichen, Einfachen und Volkstümlichen zu gerne aufgegriffen wird. erkennen glaubten, eine er­frischend neue Kunst, „La Lecture chez Madame Geoffrin“, Gemälde von Anicet Charles Gabriel Lemonnier. Unter den Dar- die sie mit Lust an der Provokation der aristokra­ gestellten sind: d’Alembert, Montesquieu, Diderot, Malherbe und Rameau (oberste Reihe, 9. von links). tischen Hochkultur ent­gegensetzten. Doch ging

12 | PROGRAMM PROGRAMM | 13 es nicht allein um Musik und Ästhetik. Die Geiger, schuf nur eine – doch welche eine! – Oper Buffonisten wagten es, an den Grundfesten der für Paris, die 1746 uraufgeführte Tragödie von TEXTE herrschenden Gesellschaftsordnung und Welt­ „Scylla et Glaucus“. Er war 67 Jahre alt, als er anschauung zu rütteln. Jean le Rond d’Alambert, in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1764 in MARIN MARAIS aufklärerischer Philosoph aus dem Kreis der Paris einem Mord zum Opfer fiel – wenige Enzyklopädisten um Diderot und Rousseau, Wochen, nachdem auch Rameau gestorben war Air de la Grande Prêtresse Arie der Hohepriesterin des Bacchus brachte es auf den Punkt: „Manche halten diese (allerdings eines natürlichen Todes). Goûtons ici Hier wollen wir Worte für synonym: Buffonist, Republikaner, les plus doux charmes; die süßesten Zauber genießen; Frondeur, Atheist, ja sogar Materialist.“ Als könne es nie ein Ende haben mit Streit und Amour, rassemble tes attraits. Amor, nimm deine Reize zusammen! Zwietracht, wurde Rameau noch 150 Jahre Vole, n’apporte point ici tes armes, Flieg davon, bring deine Waffen nicht hierher, Die Tragédie lyrique aber überlebte alle Anwürfe später an die Front geschickt: nicht mehr an die ce nectar tient lieu de tes traits. dieser Nektar ersetzt deine Pfeile. und Streitschriften. Der 1697 in Lyon geborene französisch-italienische, wie noch zu seinen Bacchus, défend à la tristesse Bacchus, verbiete der Tristesse, Jean-Marie Leclair „l’aîné“ löste sich bald von Lebzeiten, sondern diesmal an die französisch- de répandre ici son poison; ihr Gift hier zu verbreiten; seinen Anfängen als Tänzer, als „Maître de ballet“ deutsche. Der Kulturkampf zwischen den „Erb­ règne, et que ta charmante ivresse herrsche, und deine bezaubernde Trunkenheit und „Premier danseur“, um sich ganz dem Violin­ feinden“ tobte ohne Sinn und Verstand, am Vor­ aide à bannir la raison. möge helfen, die Vernunft zu verbannen. spiel zu verschreiben: als Virtuose und Kompo­ abend des Ersten Weltkriegs, als Claude Debussy nist in Personalunion. Er brillierte im Pariser die Musik Rameaus zu einer „rein französischen“ Concert spirituel, kurzzeitig auch als Hofmusiker Angelegenheit erklärte und in unüberbrückbaren JEAN-PHILIPPE RAMEAU in der königlichen Kapelle, doch den Ruf und Gegensatz zu der angeblichen „Sucht nach Ruhm eines „Corelli de la France“ verdankte er deutscher Tiefe“ brachte, zu der „Neigung, alles Ramage d’oiseau et air de Trajan Vogelgesang und Arie des Trajan vor allem seinen Sammlungen mit Sonaten und mit dem Holzhammer zu unterstreichen“, der Les oiseaux par leurs doux ramages Die Vögel verschönen unser Konzert Konzerten. Jean-Marie Leclair, der begnadete die Teutonen bekanntlich auszeichnet. Doch embellissent nos concerts, mit ihrem süßen Gesang, selbst im Eifer des Gefechts fand Debussy zu ils annoncent dans leur langage sie künden in ihrer Sprache einem klugen Urteil, dem damals nicht und heu­ le bonheur de l’univers. vom Glück des Universums. te sowieso nicht mehr zu widersprechen wäre: Répondez à leur chant, Antworte ihrem Gesang, „Die Kunst ist wie die Natur Veränderungen un­ voix errante et fidèle, irrende und getreue Stimme, terworfen, beschreibt gewagte Entwicklungs­ Echo, frappez les airs Echo, überrasche die Lüfte kurven, kehrt aber immer wieder zu ihrem Aus­ de sons harmonieux. mit harmonischen Tönen. gangspunkt zurück. Rameau ist, ob man dies Répétez avec moi: Wiederholt mit mir: nun wahrhaben will oder nicht, eines der sichers­ Ma gloire est immortelle, Mein Ruhm ist unsterblich, ten Fundamente der Musik, und man kann je règne sur un peuple heureux. ich regiere ein glückliches Volk. gefahrlos auf dem schönen Weg weiterschreiten, den er vorgezeichnet hat.“ JEAN-MARIE LECLAIR Wolfgang Stähr Invocation de Scylla Anrufung der Scylla Mais déjà de ses voiles sombres Doch schon umfängt mit ihren dunklen Der Kerker des Dardanus, Bühnenbild la Nuit embrasse l’univers; Schleiern die Nacht das Universum; zur Oper „Dardanus“ nach Zeichnungen von Dorine, j’ai besoin Dorine, ich brauche Giovanni Battista Piranesi du secours des enfers; den Beistand der Unterwelt;

14 | PROGRAMM TEXTE | 15 laisse moi profiter du silence Stille und Schatten will ich mir JEAN-PHILIPPE RAMEAU et des ombres. zunutze machen. Scène finale de l’Entrée des Incas Finale 2. Akt: Die Inka von Peru Noires divinités de la rive infernale, Schwarze Gottheiten der höllischen Gestade, HUASCAR: Arrêtez ! Par ces feux, HUASCAR: Halt! Durch dieses Feuer sortez, paraissez à mes yeux! kommt hervor, erscheint vor meinen Augen! le ciel vient de m’apprendre, hat mir der Himmel bedeutet, Oubliez un instant Ixion et Tantale, Vergesst einen Augenblick Ixion und Tantalus, qu’à son arrêt il faut se rendre, dass man sich seinem Urteil fügen muss. venez troubler la paix kommt und stört den Frieden, et l’Hymen … Und die Hochzeit … qui règne sous les cieux. der unterm Himmel herrscht! PHANI: Qu’allez-vous encore me révéler? PHANI: Was werdet Ihr mir noch offenbaren? O jour funeste! O verhängnisvoller Tag! Dois-je croire que le ciel, Soll ich glauben, der Himmel, JEAN-PHILIPPE RAMEAU jaloux de sa gloire, eifersüchtig auf seinen Ruhm bedacht, ne s’explique aux humains erkläre sich den Menschen nur, Air de Dardanus Arie des Dardanus qu’en les faisant trembler? indem er sie erzittern lässt? Lieux funestes où tout respire Heillose Stätte, wo alles HUASCAR: Vous fuyez, HUASCAR: Ihr flieht, la honte et la douleur, Schmach und Schmerz atmet, quand les Dieux daignent vous appeler! wo die Götter Euch zu rufen geruhen! du désespoir sombre et cruel empire, düsteres und grausames Reich der Verzweiflung: Eh bien! cruelle, eh bien! Nun gut, Grausame, nun gut! l’horreur que votre aspect m’inspire Der Schrecken, den dein Anblick mir einflößt, vous allez me connaître. Ihr sollt mich kennenlernen! est le moindre des maux ist das geringste der Leiden, Suivez l’Amour jaloux! Folgt der eifersüchtigen Liebe! qui déchirent mon coeur. die mein Herz zerreißen. PHANI: Ton crime ose paraître! PHANI: Dein Verbrechen wagt sich ans Licht! L’objet de tant d’amour, Der Gegenstand so großer Liebe, HUASCAR: Que l’on est criminel HUASCAR: So ist man ein Verbrecher, la beauté qui m’engage, die Schönheit, die mich bindet, lorsque l’on ne plaît pas! wenn man nicht gefällt! le sceptre que je perds, das Zepter, das ich verliere, Du moins en me suivant Folgt mir und entgeht ce prix de mes travaux: jener Preis meiner Mühen: évitez le trépas! so wenigstens dem Untergang! Tout va de mon rival devenir le partage, Alles soll meinem Rivalen zufallen, tandis que dans les fers während mir in Ketten nichts bleibt HUASCAR: Ici je vois partout l’affreuse mort HUASCAR: Hier sehe ich überall grausigen Tod, je n’ai que mon courage als mein Mut, suivie d’un redoutable embrasement. gefolgt von einer fürchterlichen Feuersbrunst. qui suffit à peine à mes maux. der kaum genügt in meinem Unglück. Chaque instant peut de votre vie Jeder Augenblick kann devenir le dernier moment. der letzte unseres Lebens sein.

JEAN-JOSEPH CASSANÉA HUASCAR: Quoi! Plus que le péril HUASCAR: Wie! Mehr als die Gefahr DE MONDONVILLE mon amour vous étonne? entsetzt Euch meine Liebe? C’est trop me résister … Das ist zu viel Widerstand … Air de Vénus Arie der Venus PHANI: O ciel, entends mes voeux! PHANI: O Himmel, erhöre meine Gebete! Laissons de mon amour Ich will ein leuchtendes Zeichen HUASCAR: C’est aux miens HUASCAR: Meinem Willen une marque éclatante: meiner Liebe hinterlassen: qu’il vous abandonne. gibt er dich preis! qu’en ce bois s’élève une fleur Es soll in diesem Wald eine Blume wachsen, dont la triste couleur deren traurige Farbe CARLOS: Tu t’abuses, barbare! CARLOS Du täuschst dich, Barbar! soit l’image touchante das rührende Bild PHANI: Ah! Carlos! Je frissonne. PHANI: Ach! Carlos! Mich schaudert. des troubles de mon coeur. der Qualen meines Herzens sei. Le soleil jusqu’au fond Die Sonne, bis auf den Grund des antres les plus creux der tiefsten Höhlen

16 | TEXTE TEXTE | 17 vient d’allumer la terre, entzündet sie die Erde, Renversez, dispersez ces arides montagnes, Stürzt um und zersprengt diese dürren Gebirge, et son courroux présage … und ihr Zorn kündet Böses … lancez vos feux dans ces tristes schleudert euer Feuer in diese CARLOS: Princesse, quelle erreur! CARLOS: Prinzessin, welch ein Irrtum! campagnes, tombez sur moi, tristen Lande, fallt auf mich herab, C’est le ciel qu’elle outrage. Es ist die Erde, die den Himmel beleidigt! rochers brûlants. brennende Felsen! Cet embrasement dangereux Diese gefährliche Feuersbrunst du soleil n’est point l’ouvrage, ist nicht das Werk der Sonne, il est celui de sa rage. sondern das seiner Wut. JEAN-PHILIPPE RAMEAU Un seul rocher Ein einziger Stein, in die grausigen jeté dans ces gouffres affreux, Schlünde geworfen, erweckt die Glut Air de l’Envie Arie des Neides y réveillant l’ardeur de ces terribles feux, dieser furchtbaren Feuer, genug, solche fatale Profonds abîmes du Ténare, Tiefe Abgründe des Tenarus, suffit pour exciter un si fatal ravage. Zerstörung anzurichten. nuit affreuse, éternelle nuit! Nacht voll Ensetzen, ewige Nacht! Le perfide espérait vous tromper dans ce jour, Perfide hoffte er Euch zu täuschen, Dieux de l’oubli, dieux du Tartare, Götter des Vergessens, Götter des Tartarus, et que votre terreur servirait son amour. Euer Entsetzen sollte seiner Liebe dienen. éclipsez le jour qui me luit. verfinstert den Tag, der mir leuchtet! Sur ces monts Auf den Bergen strafen Démons, apportez moi votre secours Dämonen, leistet mir euren barbarischen mes guerriers punissent ses complices, meine Krieger seine Komplizen, barbare contre le Dieu qui me poursuit. Beistand gegen den Gott, der mich verfolgt! ils vont trouver dans ces noirs précipices sie werden in jenen schwarzen Schluchten Les Muses et la Gloire ont élevé Die Musen und der Ruhm haben ihren Tempel des tombeaux dignes d’eux. ihr würdiges Grab finden. leur temple dans ces paisibles lieux. errichtet an dieser friedlichen Stätte. Mais il te faut Doch für dich braucht es Qu’avec horreur je les contemple, Mit welchem Abscheu ich sie betrachte, de plus cruels supplices. grausamere Martern! que leur éclat blesse mes yeux! wie ihr Glanz meinen Augen wehtut! Accordez votre main à son rival heureux, Reicht Eure Hand seinem glücklichen Rivalen, c’est là son châtiment! das soll seine Strafe sein! HUASCAR: Ciel! Qu’il est rigoureux. HUASCAR: Himmel! Wie unerbittlich! ANDRÉ CAMPRA

PHANI/CARLOS: Pour jamais, PHANI/CARLOS: Für immer Récit de Zaïde Erzählung der Zaïde l’amour nous engage. bindet uns die Liebe. Mes yeux, ne pourriez-vous jamais Meine Augen, werdet ihr niemals meinen Non, non, rien n’est égal à ma félicité. Nein, nichts gleicht meinem Glück! forcer mon vainqueur à se rendre; Bezwinger zwingen können, sich zu ergeben? Ah! Mon coeur a bien mérité Ach! mein Herz hat wohl verdient, faut-il, avec un coeur si tendre, Muss ich, bei einem so zärtlichen Herzen, le sort qu’avec vous il partage. ein Schicksal mit Euch zu teilen! avoir de si faibles attraits? so wenig anziehend für ihn sein? HUASCAR: Non, non, rien n’égale ma rage. HUASCAR: Nein, nichts gleicht meiner Wut! Au moment de mon esclavage, Im Moment meiner Versklavung, Je suis témoin de leur félicité. Ich bin Zeuge ihres Glücks. quand on me conduisit als man mich in diesen Faut-il que mon coeur irrité Soll mein aufgebrachtes Herz keine Rache dans ce riche palais, il parut à mes yeux reichen Palast brachte, erschien er mir ne puisse être vengé d’un si cruel outrage? erlangen für so schreckliche Schmach? l’antre le plus sauvage, als die wildeste Höhle, je le fit retentir de mes tristes regrets, ich ließ ihn von traurigen Klagen widerhallen, HUASCAR: La flamme se rallume encore, HUASCAR: Die Flamme lodert aufs Neue, je me fis une image affreuse machte mir ein abscheuliches Bild von jenem loin de l’éviter, je l’implore … ich meide sie nicht, ich flehe sie an ... du souverain que j’adore aujourd’hui. Herrscher, den ich heute anbete. Abîmes embrasés, j’ai trahi les autels. Glühende Abgründe, ich verriet den Altar. Mais sa présence enfin Doch seine Gegenwart Exercez l’emploi du tonnerre, Gebraucht des Donners Gewalt, dissipa mon ennui, vertrieb endlich meinen Kummer, vengez les droits des immortels, rächt der Sterblichen Rechte, et je me trouvais trop heureuse und ich fand mich nur allzu glücklich, déchirez le sein de la terre zerreißt den Schoß der Erde d’être captive auprès de lui. in seiner Gefangenschaft zu sein. sous mes pas chancelants! unter meinen taumelnden Schritten! Les beautés dont il est le maître Die Schönheiten, deren Herr er ist,

18 | TEXTE TEXTE | 19 par son ordre bientôt versammeln sich auf sein Geheiß Air pour les démons et les héros Air für die Dämonen und die Helden s’assemblent dans ces lieux; bald an diesem Ort; APOLLON: Arrêtez, monstres furieux! APOLL: Halt, rasende Ungeheuer! Amour, fait lui connaître le coeur Amor, lass ihn das Herz erkennen, Fuis mes traits, crains mes feux, Flieh meine Pfeile, fürchte mein Feuer, qui le mérite le mieux. das es am meisten verdient. implacable furie! unerbittliche Furie! Mais, c’est lui que je vois, Aber da sehe ich ihn kommen; L’ENVIE: Non, ni les mortels ni les Dieux DER NEID: Nein, weder Sterbliche noch Götter gardons nous de paraître, hüten wir uns, uns zu zeigen, ne pourront désarmer l’Envie. können jemals den Neid entwaffnen. il n’est pas temps encore es ist noch nicht Zeit, APOLLON: Oses-tu suivre encore APOLL: Du wagst es, de m’offrir à ses yeux. ihm vor Augen zu treten. mes pas, oses-tu soutenir mich weiter zu verfolgen? wagst es, dem Glanz l’éclat de ma lumière? meines Lichtes standzuhalten? L’ENVIE: J’infecterai plus de climats DER NEID: Ich werde mehr Landstriche infizieren, JEAN-JOSEPH CASSANÉA que tu n’en vois dans ta carrière. als du auf deiner Bahn erblickst! DE MONDONVILLE APOLLON: Muses, et Demi-Dieux, APOLL: Musen, Halbgötter, vengez-moi, vengez-vous! rächt mich, rächt euch! Air de Titon Arie des Titon L’ENVIE: Non, c’est en vain DER NEID: Nein, umsonst hält Que vois-je? Suis-je prêt Was sehe ich? Bin ich bereit, que l’on m’arrête. man mich auf. à finir ma carrière? meine Laufbahn zu vollenden? Meine Schritte APOLLON: Etouffez ces serpents APOLL: Erstickt die Schlangen, Mes pas sont chancelants, sind schwankend, ich zittre, qui sifflent sur sa tête. die zischen um sein Haupt! je tremble, je pâlis, un nuage effrayant ich erbleiche, eine schaurige Wolke raubt meinen L’ENVIE: Ils renaîtrons cent fois DER NEID: Sie werden hundertmal neu dérobe la lumière à mes yeux affaiblis. geschwächten Augen das Licht. pour servir mon courroux! geboren, um meinem Zorn zu dienen! Par quel charme funeste, Durch welchen verhängnisvollen Zauber, APOLLON: Dieux du ciel APOLL: Götter des Himmels, ô Parque, de mes ans abrèges-tu le cours? o Parze, kürzt du den Lauf meiner Jahre ab? armez-vous! wappnet euch! Barbare, achève, de mes jours Barbarin, vollende dein Werk, erbarm dich und Non, je ne crains pas tes coups. Nein, ich fürchte deine Streiche nicht. moissonne par pitié mähe hin den betrüblichen Que la nuit frémisse … Die Nacht soll erzittern ... le déplorable reste. Rest meiner Tage. Tombe au fond du précipice Stürze bis auf den Grund der Schlucht, Les maux que tu me fais souffrir Die Leiden, die du mich erdulden lässt, où t’entraînent mes coups. in die dich meine Streiche reißen! sont plus cruels que la mort même; sind grausamer als der Tod selbst; L’ENVIE: Dieux d’Enfer armez-vous! DER NEID: Götter der Hölle, wappnet euch! ah qu’on est heureux de mourir, ach! wie glücklich ist man, zu sterben, Non, je ne crains pas tes coups. Nein, ich fürchte deine Streiche nicht. quand on a perdu ce qu’on aime. wenn man verloren hat, was man liebt. Que le jour palisse … Der Tag soll erbleichen ... Tombe au fond du précipice Stürze bis auf den Grund der Schlucht, où t’entraînent mes coups. in die dich meine Streiche reißen! JEAN-PHILIPPE RAMEAU Air d’une Grâce Arie einer Grazie Air d’une Grâce Arie einer Grazie De rochers entassés amas impénétrable, Undurchdringliche Masse aufgetürmter Felsen, Vents furieux, tristes tempêtes, Tobende Winde, traurige Stürme, immense Pirénée, en vain vous séparez immense Pyrenäen, vergebens trennt ihr zwei fuyez de nos climats. flieht aus unseren Breiten! deux peuples généreux großherzige Völker, Beaux jours, levez-vous sur nos têtes, Schöne Tage, geht auf über unseren Häuptern, à mes lois consacrés. meinem Gesetz geweiht. Ergebt euch meiner fleurs, naissez sous nos pas. Blumen, erblüht unter unseren Schritten! Cédez à mon pouvoir aimable, freundlichen Macht, hört auf, cessez de diviser des climats que j’unis, Gegenden zu trennen, die ich eine! superbe montagne obéis, Stolzes Gebirge, gehorche, disparaissez, tombez impuissante barrière, verschwindet, fallt, ohnmächtige Barrieren,

20 | TEXTE TEXTE | 21 je veux dans mes peuples chéris ich will in meinen geliebten Völkern ne voir qu’une famille entière. nur eine einzige Familie sehen. KONZERTVORSCHAU Reconnaissez ma voix Erkennt meine Stimme an et l’ordre de Louis. und Ludwigs Ordnung! NDR DAS ALTE WERK IMPRESSUM

Duo d’un Français et d’un Espagnol Duett eines Spaniers und eines Franzosen Abo-Konzert 2 Herausgegeben vom À jamais de la France recevons nos rois, Für immer empfangen wir von Frankreich Mittwoch, 1. November 2017 | 20 Uhr NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK que la même vaillance triomphe unsere Könige, auf dass dieselbe Tapferkeit unter Hamburg, Laeiszhalle Programmdirektion Hörfunk sous nos lois. unseren Gesetzen triumphiere. Bereich Orchester, Chor und Konzerte Dunedin Consort Leitung: Achim Dobschall Air d’Apollon Arie des Apoll John Butt Leitung Pénétrez les humains Durchdringt die Menschen Maria Keohane Sopran NDR Das Alte Werk de vos divines flammes, mit euren göttlichen Flammen, Clare Wilkinson Alt Redaktion: Angela Piront charmez, instruisez l’univers, verzaubert, bildet die Welt, Nicholas Mulroy Tenor Redaktionsassistenz: Janina Hannig régnez, répandez dans les âmes regiert, verbreitet in den Seelen Matthew Brook Bass la douceur de vos concerts. die Süße eurer Konzerte! Redaktion des Programmheftes: JOHANN SEBASTIAN BACH Dr. Ilja Stephan (Übersetzungen Babette Hesse) • Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066 • Missa brevis (Lutherische Messe) G-Dur Der Text von Wolfgang Stähr für Soli, Chor und Orchester BWV 236 ist ein Originalbeitrag für den NDR. • Missa brevis (Lutherische Messe) A-Dur für Soli, Chor und Orchester BWV 234 Fotos: [M] Jadon/Photocase; Edelbruch (Titel); Sanja Harris (S. 7); Hans Moens 19 Uhr: Einführungsveranstaltung im Kleinen Saal (S. 8 li.); Klockar Matthias Nääs (S. 9 li.); Manuel Marque (S. 9 re.); AKG-Images (S. 11, 14); AKG-Images / Erich Lessing (S. 12); David Barbour (S. 23)

NDR | Markendesign Gestaltung: Klasse 3b; Druck: Nehr & Co. GmbH Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.

NDR Das Alte Werk im Internet: ndr.de/dasaltewerk | [email protected]

Dunedin Consort Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des NDR gestattet.

Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. (040) 44 192 192, online unter ndrticketshop.de

22 | TEXTE VORSCHAU/IMPRESSUM | 23 TELEMANN FESTIVAL 24.11. BIS 03.12.2017 | HAMBURG

AKADEMIE FÜR ALTE MUSIK BERLIN NDR BIGBAND DOROTHEE OBERLINGER MIRIWAYS PARISER QUARTETTE ORATORIUM BERNARD LABADIE BAROQUE MEETS JAZZ TAG DES GERICHTS JEAN RONDEAU OPER URBAN STRING FREIBURGER BAROCKORCHESTER ELBIPOLIS NDR CHOR LES TALENS LYRIQUES GIOVANNI ANTONINI CHRISTOPHE ROUSSET MORALISCHE KANTATEN HAMBURGER RATSMUSIK TELEMANN ET LA FRANCE ENSEMBLE RESONANZ SELIGES ERWÄGEN IL GIARDINO ARMONICO

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Ein Festival von NDR Das Alte Werk in Kooperation mit Elbphilharmonie Hamburg.

Unterstützt von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Behörde für Kultur und Medien Hamburg. Foto: Johner Images

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