© VÉRONIQUE AMIOT / PHOTO ROY EXPORT COMPANY ESTABLISHMENT • VISA PUBLICITAIRE 4.381 E R U T Ô L C • 3 0 0 2 S E N N A C E D L A V I T S E F • E L L E I C I F F O N O I T C E L É S REGIEASSISTENZ REGIEASSISTENZ PRODUKTION PRODUKTION IM VERLEIH DER PIFFL MEDIEN MEDIEN PIFFL DER VERLEIH IM CHAPLINS MEISTERWERK IN AUFWENDIG RESTAURIERTER FASSUNG! PRODUZENT RESTAURIERTER UND REGIE BUCH, AUFWENDIG VON IN FILM EIN MEISTERWERK CHAPLINS CHAPLIN-UNITED ARTISTS CHAPLIN-UNITED CHARLES CHAPLIN CHARLES CARTER DEHAVEN, HENRY BERGMAN HENRY DEHAVEN, CARTER Die Menschheit auf der Suche nach dem Glück dem nach Suche der auf Menschheit Die MIT MIT HRE CHAPLIN CHARLES CHARLES CHAPLIN, PAULETTE GODDARD, HENRY BERGMANN, ALLAN GARCIA, TINY SANDFORD, , HANK MANN, STANLEY BLYSTONE STANLEY MANN, HANK CONKLIN, CHESTER SANDFORD, TINY GARCIA, ALLAN BERGMANN, HENRY GODDARD, PAULETTE CHAPLIN, CHARLES WELTVERTRIEB WELTVERTRIEB MUSIK MUSIK KAMERA KAMERA MK2 HRE CHAPLIN CHARLES IRA H. MORGAN, ROLAND TOTHEROH ROLAND MORGAN, H. IRA KINO GIBT'S NUR IM KINO IM NUR GIBT'S KINO MUSIKALISCHE LEITUNG LEITUNG MUSIKALISCHE TON TON FRANK MAHER, PAUL NEAL PAUL MAHER, FRANK LRD NEWMAN ALFRED

WWW.PIFFLMEDIEN.DE ARRANGEMENTS ARRANGEMENTS AUSSTATTUNG AUSSTATTUNG CHARLES D. HALL, J. RUSSEL SPENCER RUSSEL J. HALL, D. CHARLES EDWARD POWELL, DAVID RAKSIN RAKSIN DAVID POWELL, EDWARD

„Mit dem Erscheinen des Tonfilms waren der Charme und die Sorglosigkeit Hollywoods verschwunden. Über Nacht war aus der Filmproduktion eine kalte, rechnende und ernsthafte Industrie geworden. Die Tontechniker bauten die Ateliers um und installierten komplizierte Aufnahmeapparaturen. Kameras von der Größe eines ganzen Zimmers bewegten sich wie urweltliche Monstren durch die Szenenaufbauten, radioelektische Geräte wurden installiert, die von Tausenden elektrischer Kabel abhingen. Männer mit Kopfhörern, die wie Marsmenschen aussehen, schwebten während der Aufnahmen über den Darstel- lern wie an Angelschnüren. Das war alles sehr kompliziert und niederdrückend. Wie konnte man noch schöpferisch arbeiten, wenn alle diese technischen Dinge sich um einen häuften?“ Charles Chaplin, Die Geschichte meines Lebens

Moderne Zeiten Modern Times

Fabrikarbeiter Charles Chaplin Produktion … Chaplin-United Artists USA 1936 | 87 min. | 1.33 | mono Gamine Paulette Goddard Produzent Charles Chaplin Cafébesitzer Henry Bergmann Regie Charles Chaplin Produktionsbeginn: Sept. 1933 Big Bill Tiny Sandford Buch Charles Chaplin Premiere: 5.2. 1936, New York Mechaniker Chester Conklin Kamera Roland Totheroh, Europa-Premiere: 11.2.1936, London Einbrecher Hank Mann, Ira Morgan Kinostart D (West): 31.3.1956 Louis Natheaux Ausstattung Charles D. Hall, Sheriff Stanley Blystone Russell Spencer Literaturhinweise Fabrikboss Allan Garcia Regieassistenz Carter De Haven, Charles Chaplin: Die Geschichte meines Lebens; Ffm Vorarbeiter Sam Stein Henry Bergmann 1964, Fischer Verlag

Frau im Knopfkleid Juana Sutton Musik Charles Chaplin Wolfram Tichy: Arbeiter Jack Low, Mitarbeit Edward Powell, Reinbek 1974 (Neuauflage 1984), Rowohlt

Walter James, David Raksin David Robinson: Chaplin – Sein Leben, seine Kunst; Heinie Conklin Musikalische Leitung Alfred Zürich 1989, Diogenes Verlag Gefängniskaplan Cecil Reynolds Newman Dorothee Kimmich (Hg): Charlie Chaplin – Eine Frau des Kaplans Myra McKinney Ikone der Moderne; Ffm 2003, Suhrkamp Verlag Gefängnisdirektor Lloyd Ingraham Zusätzlich verwendete musikalische Michael Hanisch: Über ihn lach(t)en Millionen Berlin 1974, Henschel Verlag Sträflinge Dick Alexander, Themen … Halleluja, I’m a Bum, John Rand, Ted Oliver, Prisoners’ song (C. Massey), How Wolfgang Gersch: Chaplin in Berlin Berlin 1988, Henschel Verlag Murdoch Mc Quarrie, dry am I, In the evening by the Wilfred Lucas, Edward le Saint, moonlight(Bland), Je cherche après Fred Maltesta, Edward Kimball Titine (Duncan und Daniderff) „Wenn wir weiterhin die gegenwärtige Situation als unvermeidlich ansehen wollen, kann unser ganzes Gesellschaftssystem in die Brüche gehen. Die ge- genwärtige bedauerliche Situation kann jedenfalls nicht den fünf Millionen arbeitslosen Menschen angelastet werden, die gerne arbeiten wollen, ja, darauf brennen zu arbeiten, und doch keinen Job finden. (...) Maschinen sollten der Menschheit nützen. Sie sollten kein Unheil bringen und sie nicht ihrer Arbeits- plätze berauben. Arbeitssparende Techniken und andere moderne Erfindungen wurden ursprünglich nicht um des Profits willen entwickelt, sondern um der Menschheit bei ihrer Suche nach Glück zu helfen.“ Charles Chaplin 1931, Interview mit der New York World

Synopsis A story of industry, of individual enterprize – humanity crusading in the pursuit of happiness

Der Tramp in der Fabrik: Im mono- tern. Endlich frei, kommt er mit dem trafen Massenarbeitslosigkeit und tonen Rhythmus der Maschine zieht Mädchen in einer Hütte am Hafen die massive Automatisierung in der er Schraube um Schraube fest an unter und findet Arbeit in der neu- Industrie zusammen.“ den unaufhörlich heranrollenden eröffneten Fabrik. Doch schon nach Werkstücken. Dem Fabrikdirektor der Mittagspause kommt es zum In seiner losen Struktur – fast eine indes geht es nicht schnell genug. In Streik, die Polizei rückt an. Für den Sammlung von Zweiaktern – erin- immer schwindelerregenderem Tramp endet es wie immer. nert Moderne Zeiten, der letzte Film Stakkato fliegt das Fließband an den der Stummfilm-Epoche, an Chaplins Arbeitern vorbei, zu schnell für den Unterdessen hat das Mädchen Erfolg Kurzfilme. Das Verbindende liegt im Tramp. Entfesselt tanzt er durch die als Varieté-Tänzerin. Sie verschafft Motiv des gemeinsamen, letztlich Halle, vorbei an Fließband und Kol- dem Tramp eine Stelle als singender fröhlichen Überlebenskampfs der legen, bis ihn schließlich die giganti- Kellner. Er bewährt sich glänzend, Hauptfiguren: „Die Einzigen, die le- sche Maschine verschlingt. das Glück scheint zum Greifen nahe. bendig geblieben sind in einer Welt Doch die Jugendbehörde will das von Automaten“, wie Chaplin in ei- Nach der Entlassung aus der Ner- Waisenmädchen in Gewahrsam ner frühen Skizze notiert. Es sind venheilanstalt findet sich der Tramp nehmen. Der Tramp verhilft ihr zur auch die künstlerischen Herausfor- ohne Arbeit auf der Straße wieder. Flucht. Gemeinsam wandern sie die derungen von Moderne Zeiten, die Unversehens gerät er in eine Arbei- Straße entlang, lächelnd einer unge- den Film bis heute so verblüffend terdemonstration und wird als ver- wissen Zukunft entgegen. aktuell machen – über die gültige meintlicher Rädelsführer verhaftet. und beglückende Darstellung Nachdem er im Gefängnis einen Über ‚Moderne Zeiten‘ menschlicher Freiheit im Angesicht Ausbruchsversuch verhindert hat, übermächtiger Maschinen und Struk- werden ihm großzügige Vergünsti- 10 Jahre nach Einführung des Ton- turen hinaus: „Ein Film über das gungen zuteil. Behaglich lebt er nun films probte Chaplin für Moderne Kino, über die Epoche des Kinos“, in seiner Zelle – bis er zu seinem Zeiten erstmals Dialoge – und gab wie die Brüder Dardenne meinten. Schrecken vorzeitig entlassen wird. die Idee wieder auf. Der Tramp blieb stumm und hatte seinen letzten Lein- „Man könnte mit einer gewissen Zurück auf der Straße wird er Zeu- wandauftritt. „Ich wusste, dass ich in Plausibilität behaupten“, schrieb Phi- ge, wie ein Waisenmädchen ein Brot den Tonfilmen viel von meiner Elo- lippe Soupault schon 1928, „dass stiehlt. Er versucht den Verdacht der quenz verlieren würde“, sagte Cha- Chaplin davon ausgeht, dass die Verfolger auf sich zu lenken. Vergeb- plin 1967 in einem Interview. „Ich Handlung nicht das Wichtigte an ei- lich, das Mädchen wird abgeführt. würde niemals meinen Tramp wie- nem Film sei. Dabei war es einer der Der Tramp schlägt sich in einer Ca- der auferstehen lassen. Er könnte ersten Irrtümer der Cineasten, dass feteria den Magen voll – nun hat er nicht sprechen – wüsste nicht, was sie annahmen, das Drehbuch sei von Erfolg und wird wegen Zechprellerei für eine Art Stimme er haben sollte.“ herausragender Bedeutung. Chaplin abgeführt. Auf dem Weg ins Gefäng- hat sofort bemerkt, dass die Hand- nis trifft er das Mädchen wieder. Ge- Die Welt hatte sich seit dem ersten lung eines Films sogar eher störend meinsam glückt ihnen die Flucht. Von Auftauchen des Tramps grundlegend wirken kann und dass sie auf die nun an sind sie unzertrennlich. verändert. „Zu jener Zeit teilte und Dimension einer Skizze reduziert verkörperte er das Leiden der Un- werden muss. (...) Auch hier besteht Der Tramp findet einen Job als Kauf- terprivilegierten in einer Welt, die die große Überlegenheit Chaplins haus-Nachtwächter. Die erste Nacht sich gerade aus dem 19. Jahrhundert darin, ein für allemal festgestellt zu ist paradiesisch – Essen und Obdach löste“, schreibt der Chaplin-Forscher haben, dass das Kino – anders als für ihn und das Mädchen. Dann bre- David Robinson. „In Moderne Zeiten das Theater – nicht auf Handlung an- chen Diebe ins Kaufhaus ein, ehema- steht der Tramp ganz anderen He- gewiesen ist, sondern unter diesem lige Kollegen aus der Fabrik – und rausforderungen gegenüber: In den Aspekt eher der Malerei oder einer wieder landet der Tramp hinter Git- Nachwehen der Wirtschaftskrise Symphonie gleicht.“ „Aber wenn man aus seiner Kunst Weltanschauung herausfiltern will (soziales Bekenntnis), so ist das Gefühlspantscherei. Chaplins Kunst, die Vernunft befreiend aus der Enge der Wahrscheinlichkeiten, Konflikte zwischen Recht und Unrecht in Gelächter lösend, einen Raum schaffend, wo Gut und Böse gleiche Fallgeschwindigkeiten haben, ist in jedem Sinn – über der Situation. Sie, Beherrscherin eines Reichs, in dem die Sonne des Humors nie untergeht, hat es nicht nötig, sich sentimentalisieren zu lassen.“ Alfred Polgar, Der neue Chaplin, 1928

Der letzte Stummfilm Zur Entstehung von Moderne Zeiten

„Der Sprechfilm birgt eine große Der Verleih United Artists unternahm könnte altmodisch wirken.“ Chaplin Gefahr in sich“, schrieb Chaplin jedenfalls keine großen Anstrengun- war sich im klaren, dass seine Einzig- 1929 in einem Beitrag für die Zeit- gen, um den Film zu promoten, wo- artigkeit in seinen pantomimischen schrift Mein Film. „Er könnte imstan- raufhin Chaplin die Herausbringung Fähigkeiten lag. „Gelegentlich dachte de sein, die älteste Kunst der Welt, selbst in die Hand nahm. Das Risiko ich daran, einen Tonfilm zu drehen, die Pantomime, zu zerstören. Sie zahlte sich aus: wurde doch dieser Gedanke machte mich bildet die Grundlage der Filmkunst, zum bis dahin größten Erfolg Cha- krank, weil ich erkannte, dass ich da- und nur von dieser stummen Kunst plins. Doch auch ihm war bewusst, mit niemals den Rang meiner aus kann überhaupt der Weg zu dass die Tage des Stummfilms ge- Stummfilme erreichen würde. Es künstlerischen Filmresultaten füh- zählt waren. würde bedeuten, dass ich mich von ren. Die sogenannte Sprechfilm- der Rolle des Tramp ein für alle Mal kunst will die unerhörte Schönheit Tramp ohne Stimme lösen müsste. Es gab Leute, die vor- des Schweigens zerstören. Der Film schlugen, dass der Tramp sprechen der Zukunft ist der musikalische 1932 kehrte Chaplin von einer aus- solle. Das war undenkbar, denn mit stumme Film, der Tonfilm im Sinne gedehnten Weltreise zurück, ohne dem ersten Wort, das er ausspräche, seines Begriffs, der Film, bei dem Pläne zu einem neuen Film.. „Ich würde sich seine ganze Persönlich- die Musik den Ton macht.“ fühlte, dass ich mir selbst ein Handi- keit ändern. Die geistige Schablone, kap auferlegen würde, wollte ich aus der er geboren war, war ebenso 1931 feierte Chaplins Stummfilm jetzt noch einen Stummfilm ma- stumm wie die Lumpen, die er trug.“ City Lights Premiere – vier Jahre chen“, schreibt er in seiner Auto- nach Einführung des Sprechfilms biographie. „Außerdem bedrückte Im Juli 1932 lernte Chaplin Paulette schon beinahe ein Anachronismus. mich die fast panische Angst, ich Goddard kennen. Gemeinsam stürzten sie sich ins gesellschaftliche Studie Social Credit von Major H. wie die eigene Kindheitserfahrung Leben. „Ich wollte nicht allein sein Douglas überzeugt, dass Profite von Armut und Hunger – ein Leit- und wollte auch nicht nachdenken. grundsätzlich von den Löhnen ab- motiv seiner Filme, das ihm 1931 Doch hinter all diesen Vergnügungen hängig seien – auf dem Höhe- der Besuch in seiner alten Londoner fühlte ich ständig mein schlechtes punkt von Wirtschaftskrise und Ar- Schule gerade wieder erschütternd Gewissen: Was tue ich hier? Warum beitslosigkeit trennte er sich deshalb vor Augen geführt hatte. Eine politi- bin ich nicht bei meiner Arbeit?“ von seinen Wertpapieren, was ihn sche Stellungnahme wollte der Film vor dem großen Börsenkrach rette- nicht sein. Fließband und Pferderennen te. 1931 sagte er in einem Interview mit der New York World: „Wenn „Ich bin immer misstrauisch, wenn Die langersehnte Anregung kam, wie Amerika weiterhin im Wohlstand ein Film eine Botschaft hat“, sagte Chaplin in seinen Erinnerungen leben will, dann muss das amerikani- Chaplin im selben Interview mit der schreibt, plötzlich und unerwartet sche Volk weiterhin in der Lage sein, New York World. „Im Augenblick be- bei einem Pferderennen, bei dem Geld auszugeben. Wenn wir weiter- findet sich die Welt in so einem Paulette Goddard einen Pokal über- hin die gegenwärtige Situation als Strudel der Veränderung, dass nir- reichte. „Ich entdeckte in Paulette unvermeidlich ansehen wollen, kann gendwo irgendwelche Zeichen der etwas Gaminhaftes. Das war eine unser ganzes Gesellschaftssystem in Stabilität auszumachen sind, die ei- Eigenschaft, die ich zu gern auf die die Brüche gehen. Die gegenwärtige nen vernünftig über die Zukunft Leinwand gebracht hätte. Ich konnte bedauerliche Situation kann jeden- spekulieren ließen. Aber ich bin mir vorstellen, wie der Tramp ihr falls nicht den fünf Millionen arbeits- sicher, die Welt bleibt so gut, dass als einem liederlichen und leichtsin- losen Menschen angelastet werden, man noch eine Weile in ihr leben nigen Mädchen in einem überfüll- die gerne arbeiten wollen, ja, darauf möchte. Ich denke dabei nicht an ten Gefangenentransport-Wagen brennen zu arbeiten, und doch kei- den Erfolg, sondern an den Wandel begegnet und ihr höflich und galant nen Job finden. (...) Maschinen soll- der Zeit, wenn die Menschen sich seinen Sitz anbietet. Das sollte der ten der Menschheit nützen. Sie soll- dem nur stellen, ihn akzeptieren Ausgangspunkt sein, und aus dieser ten kein Unheil bringen und sie nicht und mit ihm gehen würden.“ ersten Szene konnte ich eine ganze ihrer Arbeitsplätze berauben. Ar- Handlung und verschiedene Gags beitssparende Techniken und andere Lebendig in der Automatenwelt entwickeln. Dann erinnerte ich mich moderne Erfindungen wurden ur- an ein Gespräch, das ich mit einem sprünglich nicht um des Profits wil- Im März 1933 begann Chaplin mit intelligenten jungen Reporter ge- len entwickelt, sondern um der der Arbeit an Modern Times. Aus führt hatte. Er erzählte mir vom Menschheit bei ihrer Suche nach der Vielzahl der Ideen schälte sich Fließbandsystem, das in Detroit in Glück zu helfen.“ bald die Grundstruktur der Ge- den Fabriken angewendet wurde. Es schichte heraus: Nach der Etablie- war eine erschütternde Geschichte, Die Welt im Strudel der Veränderung rung des Tramps in der Maschinen- wie die Großindustrie gesunde jun- welt – und seinem Scheitern – be- ge Männer aus der Landwirtschaft Während seiner Weltreise entwarf stimmen die Arbeitssuche und die abwarb, die nach 4 oder 5 Jahren am Chaplin eine eigene Theorie zur Beziehung zwischen dem Tramp und Fließband geistig und körperlich zu- Wirtschaftlichen Lösung – „ein raf- Gamine den Handlungsverlauf. sammenbrachen. Dieses Gespräch finiertes Konzept, nach dem der gab mir die Idee für Modern Times.“ Geldverkehr in Europa angekurbelt „Die beiden einzigen lebenden und die Kaufkraft dem Produktions- Geister in einer Welt der Automa- Die Suche nach Glück potential angeglichen werden soll- ten“, notierte Chaplins über seine te“, wie der Chaplin-Biograph David Protagonisten, im aufschlussreichen Chaplin beschäftigte sich schon seit Robinson schreibt. Chaplins Über- Wechsel von Beschreibung und Be- einiger Zeit mit wirtschaftlichen und zeugungen stehen sicherlich im Hin- kenntnis: „Sie leben wirklich. Beide sozialen Fragen. 1928 hatte ihn die tergrund von Modern Times, ebenso besitzen einen ewig jugendlichen Geist und gehorchen keiner Moral. sollten im Film jeweils durch tech- im letzten Bild, zum erstenmal, Lebendig, weil wir Kinder sind ohne nische Apparaturen wie Grammo- dass Charlie nicht allein weiter in Verantwortungsgefühl, während der phon, Sprechanlage und Radiogerät die Welt hinauswandert, sondern Rest der Menschheit von Pflichten gefiltert werden. mit seiner Freundin. Der stumme niedergedrückt wird. Wir sind im Chaplin war einsam!“ Geiste frei. Es gibt keine Romantik Die Dreharbeiten begannen im Ok- in der Beziehung, eigentlich zwei tober mit den Fabrikszenen. Ende Im August 1935 waren die Drehar- Spielgefährten – ein Diebespaar, Ka- November unterbrach Chaplin die beiten abgeschlossen. In den Folge- meraden, babes in the woods. Wir Arbeit am Set, um für sich und Pau- monaten arbeitete Chaplin intensiv bestreiten unseren Lebensunterhalt lette Goddard Sprechproben aufzu- an der Filmmusik, wobei er sich hef- durch Betteln, Borgen, Stehlen. Zwei nehmen – bis einschließlich der tig mit seinen Mitarbeitern verkrach- fröhliche Geister, die sich mehr oder Kaufhausszenen lag ein komplettes, te – sein langjähriger musikalischer weniger ehrlich durchs Leben schla- bis heute erhaltenes Dialogskript Leiter Alfred Newman beendete gar gen.“ vor. Letztlich überwogen Chaplins die Zusammenarbeit. „Die Leute in Zweifel, und der Tramp blieb, wie er Papas eigenem Studio hatten schon Schon früh standen Szenen wie der immer war: unendlich beredsam in unter seinem perfektionistischen Ei- Nervenzusammenbruch des Arbei- seiner Stummheit. Ein einziges Mal fer zu leiden“, erinnerte sich Chap- ter-Tramps, die vom Laster gefallene lässt er im Film seine Stimme hören. lins Sohn, „aber für die Musiker war rote Fahne, seine Verhaftung als Ar- Es ist Chaplins genialer Abgesang auf es die reinste Folter.“ Nach einigen beiterführer und die Begegnung im den Stummfilm: Der Tramp steht Testvorführungen und nochmaliger Polizeiauto fest. Der Schluss war auf der Bühne, den Text zu seinem Arbeit am Schnitt und der Nachver- tragisch angelegt: Nach einer schwe- Lied hat er vergessen, da macht ihm tonung feierte Moderne Zeiten am 5. ren Erkrankung des Tramps ent- Gamine Mut: Never mind the words! Februar 1936 seine Weltpremiere in schließt sich Gamine in ihrer Not, Der Tramp beginnt zu singen, in New York. Nonne zu werden – nur im Traum frei erfundener Nonsens-Sprache, kommen sie noch einmal zusam- begleitet von beredten Gesten – ein Chaplin, der lange gehofft hatte, der men. Ende August 1934 schrieb letzter Triumph der Pantomime. Tonfilm sei nur ein Strang in der Ent- Chaplin die Story in Skriptform wicklung des Kinos, fügte sich in die nieder – das Drehbuch ließ wie Der Abschied des Tramps Erkenntnis, dass die Zeit des Stumm- gewohnt viele Spielräume für neue films zu Ende war. Überzeugt war Ideen und Entwicklungen während Anfang Juni 1935 wurde der ur- er nicht, wie das eingangs erwähnte der Dreharbeiten. Im September sprünglich geplante Nonnen-Schluss Interview von 1967 belegt: „In der liefen die Arbeiten für die aufwendi- gedreht, danach folgten die aufwen- Pantomime, wenn sie gut ist, kann gen Innenkulissen an. digen Szenen im Tanzcafé. Ende Juli man mit allem davonkommen und fiel wohl endgültig die Entscheidung, es glaubwürdig machen. Die Bewe- Never mind the words! dem Film seinen jetzigen Schluss zu gung ist der Natur nahe – so wie ein geben – eine Veränderung von Vogel fliegt – und das gesprochene Chaplins Atelier war eines der letz- grundlegender Bedeutung: „Zwi- Wort ist das Peinliche. Die Stimme ten -Studios ohne die für schen dem alten und dem neuen ist so verräterisch; sie bringt etwas Tonaufnahmen notwendige Über- Chaplin gibt es noch einen Unter- Künstliches mit sich und reduziert dachung. Obwohl Chaplin ständig schied, der sehr nachdenklich jedermann auf ein gewisses Maß an betonte, ohne Dialog drehen zu stimmt, einen Unterschied zwischen Zungenfertigkeit, auf etwas Unwirk- wollen, rüstete man sich für alle der alten grotesken Figur und dem liches. Pantomime ist für mich ein Eventualitäten und versah das Studio neuen vielgestaltigen Menschen“, Ausdruck von Poesie, komischer mit einem provisorischen Dach. Ge- schreibt Béla Balazs in seinem Essay Poesie.“ Der Tonfilm hatte gesiegt. plant waren in jedem Fall Geräusch- Chaplins Geheimnis. „Es ereignet sich Es begannen die modernen Zeiten aufnahmen, menschliche Stimmen nämlich in den Modernen Zeiten, des Kinos. „Gehört er nicht zu den Reichen, weil er Millionen besitzt? Er ist höchstens reich trotz der Millionen. Statt wie die meisten Menschen durch das Geld verändert zu werden, verändert er selber das Geld. Es büßt seinen Warencharakter ein, sobald es an ihn gerät, und wird zur Huldigung, die ihm gebührt. Die das Geld zum Fetisch machen, können immerhin aus den Einnahmen Chaplins seine Bedeutung erschließen. Ihm selber ist das Geld eher ein Schatz, wie er allen echten Märchenkönigen zur Verfügung steht.“ Siegfried Kracauer: Charlie Chaplin, 1926

Der Tramp, die Maschine und das Kino Luc und Jean-Pierre Dardenne über Moderne Zeiten

Das Bild, das sich der Erinnerung der Lage befreien, die ihn gefangen hält, zwischen zu schalten. Das bringt das Menschen eingeprägt hat, ist das des dies bedeutet jedoch nicht seinen Wesen seiner Figur auf den Punkt. Tramps, der im Räderwerk der unge- gesellschaftlichen Aufstieg. Der Der Tramp stellt sich gegen die Welt heuren Maschine gefangen ist. Es ist, Tramp bleibt Vagabund. Im Abspann der Industrie. Er tanzt, er gleitet, er als sei das Filmmaterial im Räder- taucht er als Fabrikarbeiter auf. fährt Rollschuh, lacht und freut sich werk der Kamera stecken geblieben. über die Dinge, die ihm begegnen.... Moderne Zeiten ist ein Film über Diese Setzung erscheint paradox, ist das Kino, über die Epoche des Kinos, aber richtig. Auch wenn der Tramp Mundraub das selbst eng mit dem Industrie- und es de facto nicht schafft – alles stellt Maschinenzeitalter verknüpft ist. sich gegen ihn – ist er dennoch ein Unser Vater meinte: „Der Tramp Fabrikarbeiter. Weder der Kapitalis- weiß, was Hunger bedeutet.“ Das Der Tramp in der Fabrik mus noch der Kommunismus jener zeigt sich in seinen Filmen. Er ist be- Zeit konnten diese Haltung unter- sessen vom Essen. Es ist ein wieder- Der Tramp ist und bleibt ein Vaga- stützen. Der Tramp entzieht sich kehrendes Thema des Filmes. Der bund: Er durchläuft keine Karriere... allem. Er entzieht sich der indu- Tramp arbeitet, damit er essen kann. Das Thema vieler Filme ist der beruf- striellen Welt, die das Individuum Auch dass er das Mädchen trifft, hat liche Aufstieg – die Leiter hochklet- versklavt und zur Steigerung der mit dem Essen zu tun – in der Sze- tern, Erfolg haben im Leben. Es ist Produktivität domestiziert. Der ne, in der sie gerade ein Brot klaut. interessant zu sehen, wie Chaplin in Tramp verweigert sich. Milch trinken Und die Szene mit dem Brot in der Moderne Zeiten einen völlig entge- heißt für ihn, eine Kuh zu melken, Gefängniskantine ist toll! Das ist wie gengesetzten Standpunkt vertritt. die an seinem Haus vorbeikommt, David und Goliath, mit dem Jungen Zwar kann sich der Tramp aus der ohne einen Produktionsprozess da- von nebenan. Am Ende besiegt der „Er wackelt auf seinen verträumten Plattfüßen wie ein Schwan auf dem Trockenen. Er ist nicht von dieser Welt und wirkt vielleicht nur in dieser lächerlich. Die Wehmut eines verlorenen Paradieses dämmert hinter der Komik seines Jammers. Er ist wie ein ausgestoßenes Waisenkind unter fremden und unver- wandten Dingen und kennt sich nicht aus. Er hat ein rührendes, verwirrtes Lächeln, das um Entschuldigung bittet, dass er lebt. Doch wenn seine unbeholfe- ne Schwäche unser Herz schon ganz für sich gewonnen hat, dann stellt es sich heraus, dass diese Plattfüße einem verteufelt geschickten Akrobaten gehören, sein verlorenes Lächeln zugleich verschmitzt und seine Naivität mit genialer Schlauheit begabt ist. Er ist der Schwache, der nicht unterliegt. Er ist der dritte, der jüngste Sohn des Volksmärchens, den alle verachten und der zuletzt doch König wird. Das ist das Rätsel der tiefen Freude und Genugtuung, die seine Kunst den Völkern aller Länder gibt. Er spielt die siegreiche Revolution der Erniedrigten und Beleidigten.“ Béla Balázs: Chaplin, der amerikanische Schildbürger

kleine Kerl den großen, den stärke- wöhnlicher Akt der Sabotage und gegnung ist schön, als sie das Brot ren Kerl. Ständig gerät der Tramp in Revolte. Die gesamte mechanische klaut. Wenn sie dann mit dem Mes- Situationen, die uns die Menschlich- Welt verwandelt sich in ein Ballett. ser zwischen den Zähnen auftaucht, keit wiederentdecken lassen. Es wird Der menschliche Körper bemächtigt ähnelt sie dem Bild, das die Konser- gestohlen – aber das ist menschlich. sich der Fabrik und verwandelt sie vativen von den Kommunisten hat- Als der Tramp als Wachmann in ei- in etwas anderes, in einen großen ten. In der Bananenszene verteilt sie nem Kaufhaus arbeitet, kommen Zirkus. Die Bewegungen sind nicht das Essen nach Bedürftigkeit. Nach- seine Freunde zum Stehlen vorbei... länger mechanisch. Der menschliche dem sie wie Robin Hood gestohlen Aber die Diebe sind genau wie er Körper beginnt außerhalb der Kon- und die Beute verteilt hat, wendet auf der Suche nach Essen. Sie haben trolle durch die Maschinen zu exis- sie sich ihrem Verfolger zu, um ihn keine Arbeit, sie müssen sich ihr tieren. Als die Männer ihn verfolgen, zu ärgern. Es ist die vollendete Be- Essen organisieren. um dem Ballett ein Ende zu machen, leidigung der Reichen, der Satten. bedient sich der Tramp der Maschi- Einer der besten Dokumentarfilme ne, er macht sie zu seinem Verbün- Im Film ist der Tramp als Fabrik- über seine Zeit deten. In der Fabrik setzt der Tramp arbeiter allein, die ganze Zeit über. seine Wandlungsfähigkeit vor einer Andere Menschen sind Hindernisse, Wenn man sich Moderne Zeiten zutiefst beeindruckenden, ihn be- Gegner, die er bekämpfen oder heute wieder anschaut, stellt man herrschenden Kulisse ein. Während überlisten muss. Das erste Mal, dass fest, dass dies einer der besten Do- die anderen Arbeiter Teil dieser Ku- er etwas für einen anderen Men- kumentarfilme ist, die über diese lisse sind, gelingt es ihm auszubre- schen tut, ist am Ende des Films, als Zeit gedreht wurden. Zum Beispiel chen. Alles zerbricht. Alles fällt aus- er das Mädchen zurück ins Waisen- die Elendsgegenden, die Baracke, einander. haus bringt. Fast nebenbei ist die wohin ihn das junge Mädchen führt... junge Frau seine Gefährtin gewor- Die Kraft von Chaplins Erzählungen Metropolis zeigte den Sieg des Schick- den. Dem Tramp wird bewusst, dass liegt darin, uns die gesellschaftliche sals und des Größenwahns mittels er nicht ganz alleine ist, sondern Gewalt vor Augen zu führen. Die der Macht der Kulisse, der Architek- dass es einen anderen Menschen Gewalt des Lebens. Die wirkliche tur, des Molochs. Wenn der Tramp gibt, mit dem er eine Verbindung hat Gewalt. Man erkennt sie daran, wie Metropolis betreten würde, es zer- – die natürlich außerhalb der Arbeit Menschen von Obdach und Nah- fiele. Chaplin hat sich nie gefragt: entstanden ist. rung ausgeschlossen sind. Das ist Wozu dient das? Was wird herge- ganz offensichtlich heute noch so stellt in dieser Fabrik? Was ihn inte- Das schwarze Schaf aktuell wie damals. Eine Arbeit ha- ressiert, ist der Rahmen, die Haken ben oder nicht. In Armut leben oder und Ösen. Was wird produziert? – Sie sind im Varieté, der eigentlichen nicht. Ausgeschlossen sein, ein Paria Unwichtig. Produziert werden die Heimat des Tramps. Aber das Varie- sein oder nicht. Als Einzelner, als Bilder. té ist auch Arbeit. Tatsächlich kann Mensch Teil eines Mechanismus wer- der Tramp gar nicht arbeiten. Er ist den, ein kreisendes Objekt, ein Teil- Zu zweit ein Vagabund, er kommt auf die chen in einem System, das einen Bühne und bringt uns zum Lachen. übersteigt. Man kann nicht behaupten, dass die Weil er nie da ist, wo er sein soll, Frauen in diesem Film besonders befindet er sich immer außerhalb Der Tramp und die Maschine sympathisch wären. Sie sind oft kalt, der Markierung. Er ist das schwarze verschlossen, böse. Aber dann ist da Schaf. Tatsächlich sehen wir in der Im Film verfolgt ein Polizist den diese junge Frau, gespielt von Pau- ersten Einstellung des Filmes eine Tramp, der die Fabrik betritt und lette Goddard. Man spürt, dass der Herde Schafe mit einem schwarzen sich die Zeit nimmt, seine Stechkarte Mann, der sie filmt, sie aufrichtig Schaf in der Mitte. Dieses schwarze abzustempeln. Dann bringt er alles liebt. Das ist vom ersten Moment an Schaf – das ist der Tramp. Im Varieté durcheinander. Es ist ein außerge- offensichtlich. Schon die erste Be- ist er ganz bei sich. Vielleicht irrt er sich, vielleicht ist er auf dem Holz- essen zu können. Er versetzt einem Gute. Sie sind zusammen, und das weg. Aber genau das ist es, was die Stück Obst, das er gerade gepflückt Mädchen sieht bedrückt und müde Menschen zum Lachen bringt. Er ist hat, seinen berühmten Fußstoß. Eine aus... Und hopp! Das Leben geht im Varieté und weiß nicht, dass er Kuh kommt vorbei. Er melkt sie, es wieder los. Das Komische liegt darin, die Leute zum Lachen bringen kann. ist wie in einem Land, in dem alles wie der Tramp ihr diese Energie Er weiß nicht, dass er gut ist. Das im Überfluss vorhanden ist. Das hat mitteilt, um sie wieder aufzurichten. Mädchen ist diejenige, die es ihm nichts zu tun mit dem Ideal eines Sie sagt: „Lass uns gehen.“ Sie stehen mitteilt. Der Film ist auch eine wun- bürgerlichen Heims... auf und gehen los. Und sie gehen derbare Liebesgeschichte. zusammen aus dem Film! Es ist das Sie sind wirklich im Paradies, und sie erste Mal, dass so etwas in einem Die Vertreibung aus dem Paradies werden von einem Polizisten daraus Film von Chaplin passiert. Sie gehen vertrieben. Das ist typisch für den zusammen weg, wie zwei Vagabun- Aber es ist eine Liebesgeschichte, in Tramp: Er hat kein besonders gutes den. Ihr Zuhause ist das Varieté, die der die Frau ihn nicht in einem bür- Verhältnis zu Polizisten. Er mag sie Bühne, das Kino.... gerlichen Heim einsperrt. Einmal, als nicht, und sie mögen ihn nicht. Er ist sie gemeinsam unter einem Baum immer der Hauptverdächtige. Aber (Aus einem Interview der Chaplin Today Collection: Modern Times, Philippe Truffault. Luc und Jean-Pierre vor einem Haus sitzen, träumt er. Er er schert sich nicht darum, ein siche- Dardenne sind die Regisseure u.a. der Filme La sagt zu der jungen Frau: „Und wenn res Dasein in einer reichen Welt Promesse, Le Fils und Rosetta, der 1999 mit der wir auch unser kleines Nest hätten? oder einem reichen Haus zu haben. Goldenen Palme des Filmfestivals in Cannes ausge- zeichnet wurde.) Unser kleines Zuhause, wir auch?“ Er ist und bleibt ein Vagabund, der Der Tramp träumt, dass er im Para- sich irgendwie durchschlägt. Aber er dies ist. Er träumt vor allem davon, bleibt nicht alleine, und das ist das „Ist die Komik aus der darunterliegenden Tragik oder aus dem Sieg über das Tragische zu erklären? Chaplin erreicht es, dass sich die Einheit der beiden Pole im Zuschauer selbst verwirklicht, das Tragische und das Komische, wie sie existieren und in Konflikt miteinander geraten. Das Lachen bricht stets durch, und wie das Lachen bei Rabelais, Swift, Molière (d.h. ihres Publikums) negiert, zerstört, befreit es. Das Leiden selbst verneint sich und gibt sich als Negiertes zu erkennen. Mit dieser fiktiven Negation stößt die Kunst an ihre Grenze. Wir verlassen den dunklen Saal und finden wieder dieselbe Welt vor, die uns weiterhin gefangennimmt. Doch das komische Ereignis hat stattgefunden, und wir finden uns gesundet wieder, normalisiert, in diesem Sinn geläutert und stärker geworden.“ Henri Lefèbvre: Über Charlie Chaplin, Brecht und einige andere

Charles Chaplin Eine Kurzbiographie

Charles Spencer Chaplin wird am Wochengage von 1.250 $ zur Essa- Fairbanks und D.W. Griffith die Film- 16. April 1889 in London geboren- nay Film Company, mit der 14 Filme gesellschaft United Artists gegrün- Die Eltern, mäßig erfolgreiche Music entstehen, u.a. Work und The Tramp. det, um unabhängig produzieren Hall-Künstler, trennen sich kurz da- Chaplin, der seine Filme nun durch- zu können. Es enstehen Chaplins rauf. 1886, die Mutter ist schwer gängig selbst schreibt und inszeniert, Langfilme (1923-25) krank, wird Chaplin zum ersten Mal wird zum Weltstar. und The Circus (1926-28). Auch ins Armenhaus eingewiesen. Im De- sein nächster Film City Lights ist ein zember 1898 tritt der neunjährige 1916 wechselt Chaplin zur Mutual Stummfilm und wird zu seinem bis Charlie, wahrscheinlich durch Ver- Film. Er erhält jetzt eine Wochen- dahin größten Erfolg – trotz dem mittlung seines Vaters, zum ersten gage von 10.000 $ und arbeitet auch unaufhaltsamen Siegeszugs des Ton- Mal mit einer Varieté-Truppe auf. In als Produzent seiner Filme. Mit der films seit 1927. Im Anschluss an die den folgenden Jahren ist er immer Mutual entstehen 12 Filme, u.a. The Uraufführung im Januar 1931 bricht wieder auf Tournee. 1912 reist er Vagabond und The Immigrant. Nach Chaplin zu einer ausgedehnten Eu- mit der renommierten Music Hall- Beendigung seines Vertrags schließt ropa- und Weltreise auf. Erst im Juni Truppevon Fred Karno in die USA. Chaplin mit der First National im Juni 1932 kehrt er nach Hollywood zu- 1917 den ersten Millionen-Vertrag rück, kann sich aber angesichts der Chaplins Filmkarriere beginnt 1913, der Filmgeschichte ab. Im Februar Übermacht des Tonfilms zu keinem als ihn die New Yorker Filmgesell- 1921 feiert Chaplins erster Langfilm neuen Projekt entschließen. Im Juli schaft Keystone für 150 $ wöchent- The Kid Premiere. lernt er Paulette Goddard kennen, lich verpflichtet. Insgesamt dreht die ihn zur Figur der Gamine in Mo- Chaplin 1914 für die Keystone 35 Bereits 1919 hatte Chaplin gemein- dern Times inspiriert. Die Dreharbei- Filme. 1915 wechselt er für eine sam mit Mary Pickford, Douglas ten beginnen im Oktober 1934. „Überdies hatte mich die Bemerkung eines jungen Kritikers deprimiert, der gesagt hatte, City Lights sei sehr gut, doch sei es gerade an der Grenze des Sen- timantalen. Ich solle in meinen künftigen Filmen versuchen, realistischer zu sein. Ich fand, dass er so unrecht nicht hatte. Hätte ich damals gewusst, was ich jetzt weiß, dann hätte ich ihm sagen können, dass der sogenannte Realismus oft künstlich, unecht, prosaisch und langweilig ist. Ich hätte ihm sagen können, dass es in einem Film nicht auf die Realität ankommt, sondern darauf, was die Imagination aus ihr machen kann. “ Charles Chaplin, Die Geschichte meines Lebens

Paulette Goddard Filmographie

Erstmals experimentiert Chaplin mit unamerikanischer Umtriebe, wird Pauline Marion Levy wird am 3. Juni Dialogszenen, bleibt jedoch letzten jedoch nie vernommen. 1910 in Whitestone Landing, New Endes beim Konzept eines Stumm- York geboren. Mit dreizehn debü- films mit Toneffekten. Nach der Pre- Von 1948 bis 1952 arbeitet Chaplin tiert sie in der Ziegfeld Show, mit der miere im Februar 1936 reist Chaplin an Limelight. Noch vor der Welt- sie drei Jahre lang auftritt. Mit sech- mit Paulette Goddard für einige Mo- premiere verlassen die Chaplins die zehn heiratet sie den Geschäftsmann nate nach Fernost. Jahre später wird USA. Zwei Tage nach ihrer Abreise Edgar James, 1930 wird die Ehe ge- bekannt, dass die beiden unterwegs wird Chaplins Genehmigung zur schieden. Nach bescheidenen Erfol- heiraten. Zu Beginn der Dreharbei- Wiedereinreise von den US-Behör- gen als Film-Nebendarstellerin be- ten von im Sep- den annulliert. Die Chaplins lassen gegnet sie 1932 Charles Chaplin, der tember 1938 sind sie wieder ge- sich in Vevey am Genfer See nieder. sie für die Rolle der Gamine in Mo- trennt, bleiben sich aber freund- Oona verzichtet im Februar 1954 dern Times verpflichtet – ihr Durch- schaftlich verbunden. auf die amerikanische Staatsbürger- bruch in Hollywood. schaft. Chaplin rechnet mit den USA The Great Dictator wird Chaplins er- der McCarthy-Ära ab: A King in New 1936 heiraten Chaplin und Goddard ster Dialogfilm, wobei er die Rolle York wird von Mai bis Juli 1956 ge- heimlich auf einer Fernost-Reise. Be- des stummen Tramps in der Figur dreht, die Uraufführung findet am reits während der Dreharbeiten zu des namenlosen jüdischen Friseurs 12. September 1957 in London statt. The Great Dictator, Goddards zweite weiterleben lässt – am Ende des Die öffentliche Ablehnung Chaplins Hauptrolle für Chaplin, ist die Ehe Films ist es dann nicht die Filmfigur, in den USA hält bis weit in die 60er wieder geschieden – die beiden blei- sondern der politische Mensch Cha- Jahre an. 1972 wird sein Name auf ben aber enge Freunde. Zu diesem plin selbst, der die berühmte Rede dem Walk of Fame nachgetragen, im Zeitpunkt steht Paulette Goddard in hält. Anfang der 40er Jahre tritt April wird er mit dem Ehren-Oscar Hollywood längst auf eigenen Füßen. Chaplin immer engagierter für den ausgezeichnet. Chaplins letzter Film, Ihre Besetzung als Scarlett O’Hara Kriegseintritt der USA ein. Sein po- A Countess From Hong Kong mit in Vom Winde verweht scheitert der litisches Engagement schafft ihm al- Marlon Brando und Sophia Loren Legende zufolge im letzten Moment lerdings zunehmend Gegner in den in den Hauptrollen, liegt da bereits an der für die Öffentlichkeit unge- USA. Im Juni 1943 heiratet er Oona einige Jahre zurück. Am 15. Okto- klärten Beziehung zu Chaplin. O’Neill, inmitten einer erbitterten ber 1977 stirbt Charles Chaplin in Pressekampagne wegen einer an seinem Haus am Genfer See. In den 40er Jahren wird sie mit über sich haltlosen Vaterschaftsklage. Die 20 Filmen zu einem der größten öffentliche Ablehnung in den USA Ausführliche Biographie im Internet unter Paramount-Stars. 1943 wird sie für www.der-grosse-diktator.de verschärft sich, Prozesse und Ver- den Oscar als Beste Nebendarstel- nehmungen bestimmen Chaplins lerin in So Proudly We Hail! nomi- Leben bis weit ins Jahr 1945. niert. Ende der 40er Jahre beginnt ihr Stern zu sinken, 1949 endet ihr Die Dreharbeiten zum nächsten Vertrag mit der Paramount. Nach Film beginnen im einigen zweitklassigen Filmen been- Mai 1946 und sind bereits im Sep- det Paulette Goddard ihre Karriere tember abgeschlossen. Der Welt- und siedelt nach Europa über. 1958 premiere im April 1947 folgt eine heiratet sie den Schriftsteller Erich feindselige Pressekonferenz, bei der Maria Remarque – es ist ihre vierte Chaplin vor allem auf seine politi- und letzte Ehe. 1990 stirbt sie im schen Überzeugungen angespro- schweizerischen Ronco im Alter von chen wird. Chaplin erhält mehrere 78 Jahren. Ihr Name hat bis dahin Ankündigungen zur Vorladung durch längst Einlass in den Walk of Fame in den Ausschuss zur Untersuchung Hollywood gefunden. „Die beiden einzigen lebendenden Geister in einer Welt der Automaten. Sie leben wirklich. Beide besitzen einen ewig jugendlichen Geist und gehorchen keiner Moral. Lebendig, weil wir Kinder sind ohne Verantwortungsgefühl, während der Rest der Menschheit von Pflichten niedergedrückt wird. Wir sind im Geiste frei. Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt durch Betteln, Borgen, Stehlen. Zwei fröhliche Geister, die sich mehr oder weniger ehrlich durchs Leben schlagen.“ Charles Chaplin in einer Skript-Notiz über den Tramp und Gamine in Moderne Zeiten

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