Als Unvermeidlich Ansehen Wollen, Kann Unser Ganzes Gesellschaftssystem in Die Brüche Gehen
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SÉLECTION OFFICIELLE • FESTIVAL DE CANNES 2003 • CLÔTURE Die Menschheit auf der Suche nach dem Glück © VÉRONIQUE AMIOT / PHOTO ROY EXPORT COMPANY ESTABLISHMENT • VISA PUBLICITAIRE 4.381 CHAPLINS MEISTERWERK IN AUFWENDIG RESTAURIERTER FASSUNG! EIN FILM VON CHARLES CHAPLIN MIT CHARLES CHAPLIN, PAULETTE GODDARD, HENRY BERGMANN, ALLAN GARCIA, TINY SANDFORD, CHESTER CONKLIN, HANK MANN, STANLEY BLYSTONE BUCH, REGIE UND PRODUZENT CHARLES CHAPLIN MUSIK CHARLES CHAPLIN MUSIKALISCHE LEITUNG ALFRED NEWMAN ARRANGEMENTS EDWARD POWELL, DAVID RAKSIN REGIEASSISTENZ CARTER DEHAVEN, HENRY BERGMAN KAMERA IRA H. MORGAN, ROLAND TOTHEROH TON FRANK MAHER, PAUL NEAL AUSSTATTUNG CHARLES D. HALL, J. RUSSEL SPENCER PRODUKTION CHAPLIN-UNITED ARTISTS WELTVERTRIEB MK2 IM VERLEIH DER PIFFL MEDIEN KINO GIBT'S NUR IM KINO WWW.PIFFLMEDIEN.DE „Mit dem Erscheinen des Tonfilms waren der Charme und die Sorglosigkeit Hollywoods verschwunden. Über Nacht war aus der Filmproduktion eine kalte, rechnende und ernsthafte Industrie geworden. Die Tontechniker bauten die Ateliers um und installierten komplizierte Aufnahmeapparaturen. Kameras von der Größe eines ganzen Zimmers bewegten sich wie urweltliche Monstren durch die Szenenaufbauten, radioelektische Geräte wurden installiert, die von Tausenden elektrischer Kabel abhingen. Männer mit Kopfhörern, die wie Marsmenschen aussehen, schwebten während der Aufnahmen über den Darstel- lern wie an Angelschnüren. Das war alles sehr kompliziert und niederdrückend. Wie konnte man noch schöpferisch arbeiten, wenn alle diese technischen Dinge sich um einen häuften?“ Charles Chaplin, Die Geschichte meines Lebens Moderne Zeiten Modern Times Fabrikarbeiter Charles Chaplin Produktion … Chaplin-United Artists USA 1936 | 87 min. | 1.33 | mono Gamine Paulette Goddard Produzent Charles Chaplin Cafébesitzer Henry Bergmann Regie Charles Chaplin Produktionsbeginn: Sept. 1933 Big Bill Tiny Sandford Buch Charles Chaplin Premiere: 5.2. 1936, New York Mechaniker Chester Conklin Kamera Roland Totheroh, Europa-Premiere: 11.2.1936, London Einbrecher Hank Mann, Ira Morgan Kinostart D (West): 31.3.1956 Louis Natheaux Ausstattung Charles D. Hall, Sheriff Stanley Blystone Russell Spencer Literaturhinweise Fabrikboss Allan Garcia Regieassistenz Carter De Haven, Charles Chaplin: Die Geschichte meines Lebens; Ffm Vorarbeiter Sam Stein Henry Bergmann 1964, Fischer Verlag Frau im Knopfkleid Juana Sutton Musik Charles Chaplin Wolfram Tichy: Charlie Chaplin Arbeiter Jack Low, Mitarbeit Edward Powell, Reinbek 1974 (Neuauflage 1984), Rowohlt Walter James, David Raksin David Robinson: Chaplin – Sein Leben, seine Kunst; Heinie Conklin Musikalische Leitung Alfred Zürich 1989, Diogenes Verlag Gefängniskaplan Cecil Reynolds Newman Dorothee Kimmich (Hg): Charlie Chaplin – Eine Frau des Kaplans Myra McKinney Ikone der Moderne; Ffm 2003, Suhrkamp Verlag Gefängnisdirektor Lloyd Ingraham Zusätzlich verwendete musikalische Michael Hanisch: Über ihn lach(t)en Millionen Berlin 1974, Henschel Verlag Sträflinge Dick Alexander, Themen … Halleluja, I’m a Bum, John Rand, Ted Oliver, Prisoners’ song (C. Massey), How Wolfgang Gersch: Chaplin in Berlin Berlin 1988, Henschel Verlag Murdoch Mc Quarrie, dry am I, In the evening by the Wilfred Lucas, Edward le Saint, moonlight(Bland), Je cherche après Fred Maltesta, Edward Kimball Titine (Duncan und Daniderff) „Wenn wir weiterhin die gegenwärtige Situation als unvermeidlich ansehen wollen, kann unser ganzes Gesellschaftssystem in die Brüche gehen. Die ge- genwärtige bedauerliche Situation kann jedenfalls nicht den fünf Millionen arbeitslosen Menschen angelastet werden, die gerne arbeiten wollen, ja, darauf brennen zu arbeiten, und doch keinen Job finden. (...) Maschinen sollten der Menschheit nützen. Sie sollten kein Unheil bringen und sie nicht ihrer Arbeits- plätze berauben. Arbeitssparende Techniken und andere moderne Erfindungen wurden ursprünglich nicht um des Profits willen entwickelt, sondern um der Menschheit bei ihrer Suche nach Glück zu helfen.“ Charles Chaplin 1931, Interview mit der New York World Synopsis A story of industry, of individual enterprize – humanity crusading in the pursuit of happiness Der Tramp in der Fabrik: Im mono- tern. Endlich frei, kommt er mit dem trafen Massenarbeitslosigkeit und tonen Rhythmus der Maschine zieht Mädchen in einer Hütte am Hafen die massive Automatisierung in der er Schraube um Schraube fest an unter und findet Arbeit in der neu- Industrie zusammen.“ den unaufhörlich heranrollenden eröffneten Fabrik. Doch schon nach Werkstücken. Dem Fabrikdirektor der Mittagspause kommt es zum In seiner losen Struktur – fast eine indes geht es nicht schnell genug. In Streik, die Polizei rückt an. Für den Sammlung von Zweiaktern – erin- immer schwindelerregenderem Tramp endet es wie immer. nert Moderne Zeiten, der letzte Film Stakkato fliegt das Fließband an den der Stummfilm-Epoche, an Chaplins Arbeitern vorbei, zu schnell für den Unterdessen hat das Mädchen Erfolg Kurzfilme. Das Verbindende liegt im Tramp. Entfesselt tanzt er durch die als Varieté-Tänzerin. Sie verschafft Motiv des gemeinsamen, letztlich Halle, vorbei an Fließband und Kol- dem Tramp eine Stelle als singender fröhlichen Überlebenskampfs der legen, bis ihn schließlich die giganti- Kellner. Er bewährt sich glänzend, Hauptfiguren: „Die Einzigen, die le- sche Maschine verschlingt. das Glück scheint zum Greifen nahe. bendig geblieben sind in einer Welt Doch die Jugendbehörde will das von Automaten“, wie Chaplin in ei- Nach der Entlassung aus der Ner- Waisenmädchen in Gewahrsam ner frühen Skizze notiert. Es sind venheilanstalt findet sich der Tramp nehmen. Der Tramp verhilft ihr zur auch die künstlerischen Herausfor- ohne Arbeit auf der Straße wieder. Flucht. Gemeinsam wandern sie die derungen von Moderne Zeiten, die Unversehens gerät er in eine Arbei- Straße entlang, lächelnd einer unge- den Film bis heute so verblüffend terdemonstration und wird als ver- wissen Zukunft entgegen. aktuell machen – über die gültige meintlicher Rädelsführer verhaftet. und beglückende Darstellung Nachdem er im Gefängnis einen Über ‚Moderne Zeiten‘ menschlicher Freiheit im Angesicht Ausbruchsversuch verhindert hat, übermächtiger Maschinen und Struk- werden ihm großzügige Vergünsti- 10 Jahre nach Einführung des Ton- turen hinaus: „Ein Film über das gungen zuteil. Behaglich lebt er nun films probte Chaplin für Moderne Kino, über die Epoche des Kinos“, in seiner Zelle – bis er zu seinem Zeiten erstmals Dialoge – und gab wie die Brüder Dardenne meinten. Schrecken vorzeitig entlassen wird. die Idee wieder auf. Der Tramp blieb stumm und hatte seinen letzten Lein- „Man könnte mit einer gewissen Zurück auf der Straße wird er Zeu- wandauftritt. „Ich wusste, dass ich in Plausibilität behaupten“, schrieb Phi- ge, wie ein Waisenmädchen ein Brot den Tonfilmen viel von meiner Elo- lippe Soupault schon 1928, „dass stiehlt. Er versucht den Verdacht der quenz verlieren würde“, sagte Cha- Chaplin davon ausgeht, dass die Verfolger auf sich zu lenken. Vergeb- plin 1967 in einem Interview. „Ich Handlung nicht das Wichtigte an ei- lich, das Mädchen wird abgeführt. würde niemals meinen Tramp wie- nem Film sei. Dabei war es einer der Der Tramp schlägt sich in einer Ca- der auferstehen lassen. Er könnte ersten Irrtümer der Cineasten, dass feteria den Magen voll – nun hat er nicht sprechen – wüsste nicht, was sie annahmen, das Drehbuch sei von Erfolg und wird wegen Zechprellerei für eine Art Stimme er haben sollte.“ herausragender Bedeutung. Chaplin abgeführt. Auf dem Weg ins Gefäng- hat sofort bemerkt, dass die Hand- nis trifft er das Mädchen wieder. Ge- Die Welt hatte sich seit dem ersten lung eines Films sogar eher störend meinsam glückt ihnen die Flucht. Von Auftauchen des Tramps grundlegend wirken kann und dass sie auf die nun an sind sie unzertrennlich. verändert. „Zu jener Zeit teilte und Dimension einer Skizze reduziert verkörperte er das Leiden der Un- werden muss. (...) Auch hier besteht Der Tramp findet einen Job als Kauf- terprivilegierten in einer Welt, die die große Überlegenheit Chaplins haus-Nachtwächter. Die erste Nacht sich gerade aus dem 19. Jahrhundert darin, ein für allemal festgestellt zu ist paradiesisch – Essen und Obdach löste“, schreibt der Chaplin-Forscher haben, dass das Kino – anders als für ihn und das Mädchen. Dann bre- David Robinson. „In Moderne Zeiten das Theater – nicht auf Handlung an- chen Diebe ins Kaufhaus ein, ehema- steht der Tramp ganz anderen He- gewiesen ist, sondern unter diesem lige Kollegen aus der Fabrik – und rausforderungen gegenüber: In den Aspekt eher der Malerei oder einer wieder landet der Tramp hinter Git- Nachwehen der Wirtschaftskrise Symphonie gleicht.“ „Aber wenn man aus seiner Kunst Weltanschauung herausfiltern will (soziales Bekenntnis), so ist das Gefühlspantscherei. Chaplins Kunst, die Vernunft befreiend aus der Enge der Wahrscheinlichkeiten, Konflikte zwischen Recht und Unrecht in Gelächter lösend, einen Raum schaffend, wo Gut und Böse gleiche Fallgeschwindigkeiten haben, ist in jedem Sinn – über der Situation. Sie, Beherrscherin eines Reichs, in dem die Sonne des Humors nie untergeht, hat es nicht nötig, sich sentimentalisieren zu lassen.“ Alfred Polgar, Der neue Chaplin, 1928 Der letzte Stummfilm Zur Entstehung von Moderne Zeiten „Der Sprechfilm birgt eine große Der Verleih United Artists unternahm könnte altmodisch wirken.“ Chaplin Gefahr in sich“, schrieb Chaplin jedenfalls keine großen Anstrengun- war sich im klaren, dass seine Einzig- 1929 in einem Beitrag für die Zeit- gen, um den Film zu promoten, wo- artigkeit in seinen pantomimischen