125 Jahre Guido Speck 125 Jahre Zuger Kantonalbank 1892 – 2017

125 Jahre Zuger Kantonalbank Inhaltsverzeichnis

11 Vorwort

14 Exkurs 1: Die Anfänge der Kantonalbanken in der Schweiz 16 Exkurs 2: Geld und Kredit in Zug im 19. Jahrhundert

20 1892 – 1898: Der lange Weg zur Kantonalbank

40 Exkurs 3: Emission von kantonalen Banknoten 42 Exkurs 4: Landtwing'sches Fideikommiss am Postplatz

44 1899 – 1913: Risikogeschäfte vor dem Ersten Weltkrieg

56 Exkurs 5: Spekulationsfieber in der «Belle Epoque» 60 Exkurs 6: Die Finanzierung der Strassenbahn auf den Berg 64 Exkurs 7: Wasserversorgung durch Private

66 1914 – 1927: Aus einem schweren Alptraum erwacht

80 Exkurs 8: Die Nationalbank und der Bankrun von 1914 82 Exkurs 9: Eine Heizung für das Asyl in Baar

84 1928 – 1945: Dienerin zweier Herren

102 Exkurs 10: Die Steuerpolitik von Otto Henggeler

104 1946 – 1966: Wachstum an allen Fronten

120 Exkurs 11: Kantonalbank-Neubau am Postplatz 124 Exkurs 12: Das Einfamilienhaus – ein Traum für wenige?

128 1967 – 1995: Gewinnoptimierung statt Gewinnmaximierung

168 Exkurs 13: Der Siegeszug des Bancomats in der Schweiz 170 Exkurs 14: Sparen lohnt sich – oder doch nicht? 172 Exkurs 15: Konjunkturen in der Raumplanung

8 176 1996 – 2008: Der Umbau zur Vertriebs- und Beraterbank

192 Exkurs 16: Baarerstrasse 37: Kohle, Kirsch und Kommerz 196 Exkurs 17: Bevölkerungsentwicklung und Mobilität in Zug

198 2009 – heute: Zwischen Regulierung und Marktorientierung

218 Exkurs 18: 50 Jahre E-V-Z-K-B 220 Exkurs 19: Auf dem Weg zum kulturellen Engagement 222 Exkurs 20: Mit Volldampf voraus

224 Anhang 224 Bankpräsidenten der Zuger Kantonalbank 226 Direktoren der Zuger Kantonalbank 228 Entwicklung Filialnetz 230 Quellen/Literatur 234 Autorinnen und Autoren 235 Bildnachweis 236 Dank 236 Impressum

9 10 Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Zuger Kantonalbank feiert 2017 ihr 125-jähriges Bestehen. Das ist ein guter Grund zurückzuschauen, zu danken und zu- versichtlich in die Zukunft zu blicken. Der Dank gebührt allen, die seit der Gründung unseres Institutes zu dessen Erfolg bei- getragen haben: den führenden Köpfen, die mit Weitblick, in- novativen Ideen und Durchsetzungskraft ihre Ziele verfolgten, den Mitarbeitenden, die die verkörpern und sie mit ihrem Engagement weitergebracht haben, und vor allem den Kun- den und Aktionären, die vielfach während Jahrzehnten unserem Institut die Treue gehalten und damit dessen wirtschaftlichen Erfolg überhaupt erst ermöglicht haben. In diesen Dank schliessen wir ganz besonders den Kanton Zug ein, der als Gesetzgeber und Aktionär stets hinter der Bank gestanden ist. Ihrem Zusammenwirken ist es zu verdanken, dass sich die Zuger Kantonalbank zur führenden Bank im Kanton Zug entwickeln konnte. Die Geschichte der Zuger Kantonalbank reicht mehr als 125 Jahre zurück, da ihrer Grün- dung ein langwieriger politischer Prozess voranging. Nach der Betriebsaufnahme entwickel- te sie sich kontinuierlich. Die Bank operierte aber nicht nur erfolgreich. Die Verantwortlichen haben jedoch aus Misserfolgen jeweils die richtigen Lehren gezogen. Es war stets eine Herausforderung, die Zuger Kantonalbank in der dynamischen Bankenwelt immer wieder richtig zu positionieren. Die vorliegende Publikation befasst sich nicht nur mit der Zuger Kantonalbank. Es wer- den auch Persönlichkeiten, Ereignisse, Entwicklungen, Institutionen und Einrichtungen be- leuchtet, welche für unsere Bank bedeutend waren und sie mitgeprägt haben. Daraus wird ersichtlich, wie eng und wie vielfältig sie seit mehr als einem Jahrhundert mit der Entwicklung des Kantons Zug, seiner Bevölkerung und seiner Wirtschaft verbunden ist. Anlässlich unseres Jubiläums blicken wir voller Zuversicht in die Zukunft. Die Banken be- finden sich seit Längerem in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess, der auch vor unse- rem Institut nicht haltmacht. Die Zuger Kantonalbank ist aufgrund ihrer soliden Kapitalaus- stattung, ihrer klaren strategischen Ausrichtung und vor allem wegen des Engagements des verantwortungsbewussten Führungsteams und der motivierten Mitarbeitenden gut gerüstet, um die kommenden Herausforderungen zu meistern und für die Bevölkerung und die Wirt- schaft unseres Kantons weiterhin eine verlässliche Partnerin zu sein. Der Kunde steht bei uns auch in Zukunft im Fokus. Wir nehmen unseren Leitsatz «Wir begleiten Sie im Leben» ernst.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre des vorliegenden Buches viel Vergnügen.

Bruno Bonati, Bankpräsident

11 12 Exkurse 1 und 2

Infolge der unterschiedlichsten Grün- dungsgeschichten und politischen Aus- prägungen differieren die Kantonalban- ken in Grösse, Aktivität und Rechtsform.

1. Die Anfänge der Kantonalbanken in der Schweiz S. 14

Hauptzweck der Ersparniskasse des Kantons Zug war es, «bei der ärmern Klasse den Sinn für Arbeitsamkeit und Sparsamkeit zu wecken».

2. Geld und Kredit in Zug im 19. Jahrhundert S. 16 Exkurs 1 Die Anfänge der Kantonalbanken in der Schweiz

Wie weit sollen sich Private an einer Kantonalbank lichkeit für das Alter oder für Notfälle boten. Ihre Eigen- beteiligen können? Welche Rolle sollen diese Institu- kapitaldecke war aber für eine forcierte Kreditvergabe zu te im bereits bestehenden Bankensystem einnehmen? schwach. Die Privatbanken hingegen waren auf interna- Mit diesen und ähnlichen Fragen waren alle Schweizer tionale Finanzgeschäfte mit gut betuchten Kunden ausge- Kantone im 19. Jahrhundert konfrontiert. richtet. Doch insbesondere die Mittelschicht und die Bauern Text: Matthias Wiesmann brauchten neue Mittel. Neben einigen staatlichen Hypothe- karkassen entstanden so die ersten acht Kantonalbanken, Die Gründung der Kantonalbanken in den einzelnen Kan- die hauptsächlich als Aktiengesellschaften mit Staatsbetei- tonen erfolgte nicht auf einen Schlag und nicht nach dem ligung organisiert waren. Die gemischtwirtschaftliche Form gleichen Muster. Jede Gründungsgeschichte widerspiegelt schien für die Kapitalbildung und die engen Kontakte zur die im Kanton vorherrschende wirtschaftliche und politische Geschäftswelt vorteilhaft zu sein. Ebenso waren die Streu- Situation. Die Hauptursachen sind sich jedoch ähnlich. Mit ung des Risikos und ein liberales Wirtschaftsverständnis der Industrialisierung und dem Aufkommen der Eisenbahnen weitere Faktoren für privates Engagement. In Bern hingegen floss das Privatkapital in diese gewinnträchtigeren Bereiche, war die Gründung vornehmlich ein staatspolitischer Akt, in- das Grundpfandkreditgeschäft verlor an Reiz. Der gewerb- dem die an die Macht gekommenen Liberalen und Radi- liche und kaufmännische Mittelstand sowie die Bauern er- kalen auch materiell nach Unabhängigkeit von der alten hielten in der Folge gar keinen Kredit mehr oder nur noch Finanzaristokratie strebten. Die Kantonalbank von Bern war zu sehr hohen Zinsen. Der Staat sah es als seine Aufgabe, deshalb von Anfang an als reine Staatsbank organisiert. der kantonalen Wirtschaft mit der Gründung einer auf Kre- Zudem war sie auch als Handelsbank aktiv, während in an- dite und Hypotheken spezialisierten Bank aus der Klemme deren Kantonen diese Rolle von zentralen Diskontbanken zu helfen. Ein weiteres Motiv war wohlfahrtsstaatlich ge- (Bank in St. Gallen, Banque du Commerce de Genève etc.) trieben: Den Bürgern sollte eine sichere und zinstragende ausgeübt wurde, die liberale und radikale Industrielle zur Anlagemöglichkeit für Spargelder angeboten werden. Zum Abwicklung des Geldverkehrs aufgebaut hatten. Dritten konnten mit einer eigenen Bank neue Einnahmequel- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden ei- len für die Staatskasse erschlossen werden, insbesondere nige dieser regionalen Kreditinstitute zu Universalbanken durch die Emission von Banknoten. umgruppiert, die sich um die Finanzierung von industriel- len Grossprojekten und den Eisenbahnbau kümmerten. Unabhängigkeit von der Finanzaristokratie Die meisten dieser späteren «Grossbanken» wie etwa die Die erste Welle von Kantonalbankgründungen erfolgte ab Schweizerische Kreditanstalt waren aber neu ins Leben ge- 1834 mit der und dauerte bis in die rufen worden. 1850er-Jahre. Die Monetarisierung der Wirtschaft hatte die Nachfrage nach Krediten und Zahlungsmitteln so stark er- Staatsbank per Volksabstimmung höht, dass die bestehenden Privatbanken und Sparkassen Die zweite Welle von Kantonalbankgründungen zwischen sie nicht mehr decken konnten. Die ab 1800 gegründeten Mitte der 1860er- und 1880er-Jahre hatte ihren Ursprung dezentralen Spar- und Leihkassen hatten einen gemeinnüt- in der Demokratischen Bewegung, die mehr Mitsprache der zigen und sozialmoralischen Charakter, die vor allem den Bürger forderte und mit staatsinterventionistischen Ideen ärmeren Bevölkerungsschichten eine sichere Rücklagemög- aufwartete. Alle Neugründungen waren deshalb Staats-

14 war der Zielkonflikt zwischen den auf Gewinn orientierten Privataktionären und den Interessen des Staates am Ge- meinwohl. Die Banken erwiesen sich für den Staatshaushalt zunehmend als gute Finanzquelle, die man allein abzapfen wollte. Mit der Staatsgarantie hatte man aber auch viel Ver- antwortung übernommen, sodass die kantonalen Behörden die Entscheidungsgewalt nicht mit Privataktionären und de- ren Vertretern teilen wollten. Verbunden war dieser Prozess mit der zeitgenössischen Meinung, dass diese staatlichen Betriebe unter öffentlicher Kontrolle den Wettbewerb nicht etwa aufhoben, sondern ihn belebten und monopolistische Tendenzen im Finanzsektor korrigierten.

Staatsgarantie als Schlüsselkomponente Neue Institute kamen nur noch vereinzelt dazu. Die Zuger Kantonalbank tanzte als einzige aus der Reihe, indem sie eine gemischtwirtschaftliche Form wählte. Trotzdem verfüg- Bei der jährlichen Inspektion der Wehrmänner versucht der te sie über eine Staatsgarantie. Nur die zweitälteste Kanto- Soldat mit dem Vorzeigen des ordentlich geführten Zinsbüchleins nalbank, jene der Waadt, hat ebenfalls seit der Gründung der Kantonalbank allfällige Mängel seiner Ausrüstung zu über- 1846 auch private Aktionäre. Hier beschränkte sich die tünchen. (Karikatur aus dem Nebelspalter, 1879) Staatshaftung jedoch auf das Aktienkapital. Eine Staats- garantie bestand hingegen auf die Spareinlagen bei der banken, die durch Volksabstimmungen und Verfassungs- kantonalen «Caisse d’épargne». änderungen legitimiert waren. In Zürich kamen schon 1839 Ab 1916 verfügten mit einer Ausnahme alle Kantone erste Bestrebungen auf, eine Kantonalbank zu gründen. Al- über eine Kantonalbank. Einzig im mit Banken reich geseg- lerdings bestanden bereits leistungsfähige Institute in Form neten Genf blieb es bei einer durch die Gemeinden getra- von Aktiengesellschaften wie die «Bank in Zürich». 1854 genen Hypothekarkasse ohne Staatsgarantie. übernahm zudem die halbstaatliche Bank Leu & Co. die Infolge der unterschiedlichsten Gründungsgeschichten Funktion einer kantonalen Hypothekenkasse. Der Wunsch und politischen Ausprägungen der Kantone differieren die nach einer Kantonalbank blieb jedoch bestehen, insbe- Kantonalbanken in Grösse, Aktivität und Rechtsform. Die je- sondere als Gegenpol zum Handelsbürgertum («System weiligen Unterschiede in den gesetzlichen Vorgaben ma- Escher») in den Städten, welches die Landschaft in starker chen sich im Hinblick auf die sozioökonomischen Ziele, in Abhängigkeit beliess. Nach dem Wahlsieg der Demokraten der Kapitalbildung, in der Haftungsgarantie, in der Ernen- kam es 1870 schliesslich zur Gründung. nung der leitenden Gremien, in der Partizipation am Ertrag In der dritten Phase ab Mitte der 1880er-Jahre wurden und in der Beteiligung an der Aufsicht bemerkbar. Gemein- bestehende Kantonalbanken mit gemischtwirtschaftlichen sames Merkmal ist der staatliche Charakter und die (später Systemen in reine Staatsinstitute umgewandelt. Ursache gelockerte) geografische Beschränkung.

15 Exkurs 2 Geld und Kredit in Zug im 19. Jahrhundert

Bis weit ins 19. Jahrhundert war die Gült das vorherr- wurde wohl 1816 gegründet, blieb klein und war nicht von schende Kreditinstrument. Erst die 1839 gegründete Dauer. «Ersparniskasse des Kantons Zug» gab – wie weitere Anders verhält es sich mit der 1839 gegründeten «Er- in der Folge entstandene Spar- und Leihkassen – auch sparniskasse des Kantons Zug». Die von der liberal ge- den Kleinsparern und dem regionalen Kleingewerbe prägten Mittwochgesellschaft initiierte Kasse war unter die Möglichkeit, ihr Geld zinsbringend anzulegen und den Honoratioren breit abgestützt. Zu den 67 Gründern kleinere Kredite zu erlangen. Text: Renato Morosoli zählten fast alle Pfarrherren im Kanton sowie 18 Mitglieder des 54-köpfigen Kantonsrates, der kantonalen Obrigkeit. Gülten dominierten den Kreditmarkt besonders in ländli- So lag es nahe, dass der Kanton «eine solche Anstalt, die chen Gebieten und waren das bevorzugte Mittel für Geld- den Wohlstand und die Sittlichkeit des Volkes befördert», in beschaffung und Geldanlagen. Die Gült war eine im Spät- seine Obhut nahm und sogleich die «hoheitliche Genehmi- mittelalter entstandene Form des Grundpfands, bei welcher gung und Garantie» erteilte. Als Sicherheit zahlte die Kasse der Schuldner nicht persönlich, sondern ausschliesslich mit dem Kanton eine Kaution und deponierte ihre sämtlichen dem belasteten Grundstück haftete. Der Gläubiger erwarb Werttitel und sonstigen Hinterlagen in einer besonderen gegen eine Geldzahlung vom kreditsuchenden Grundstück- Kiste mit drei Schlüsseln, von denen zwei bei der Kasse ver- inhaber eine Rente, üblich waren fünf Prozent des Kaufprei- wahrt wurden, der dritte aber bei einem Bevollmächtigten ses. Gülten waren in der Regel nur vom Schuldner ablösbar, des Kantonsrates. wurden aber als Wertpapiere behandelt und konnten vom Gemäss ihren Statuten von 1840 war ausdrücklicher Gläubiger vererbt, verkauft oder verpfändet werden. Hauptzweck dieser Vorläuferin der Zuger Kantonalbank, «bei der ärmern Klasse den Sinn für Arbeitsamkeit und Die ersten Sparkassen im Kanton Sparsamkeit zu wecken, und ihr das Mittel an die Hand zu Die wenigen Banken in der Eidgenossenschaft machten geben, den sauer verdienten Sparpfennig mit Sicherheit Geschäfte mit Kaufleuten und Kantonen, die Investition in aufzubewahren und zinstragend zu machen». Deshalb wa- Gülten erforderte einiges Kapital. Was fehlte, waren re- ren die Einlagen anfänglich auf 100 Franken pro Jahr be- gionale Sparkassen für die Fabrikarbeiter, für die Seiden- schränkt. Guthaben bis 100 Franken wurden mit vier Prozent weberinnen, für die Knechte und Mägde, bei der sie ihre verzinst, was darüber hinausging, mit dreieinhalb Prozent. kleinen Ersparnisse sicher und zinstragend anlegen konn- Ihren Sparpfennig trugen die Sparerinnen und Sparer zu ten. Daran interessiert waren auch die Kantone, Gemeinden den Einnehmern in den Gemeinden, meist die Pfarrer oder und gemeinnützigen Gesellschaften, um ärmere Schichten Gemeindepräsidenten, die ehrenamtlich arbeiteten. Aus- zur Vorsorge für arme und kranke Tage anzuhalten und die zahlungen waren nur unter erschwerten Bedingungen mög- staatlichen Sozialausgaben zu vermindern. Sie förderten lich. Der erzieherische, wenn nicht gar bevormundende An- daher solche Sparkassen, garantierten deren Bestand oder satz ist unverkennbar. nahmen die Gründung selbst an die Hand. In dieser Art ent- standen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Wachstum und Konkurrenz der Schweiz zahlreiche kleine Sparkassen. Zu diesen könn- Die Kasse wuchs vorerst nur langsam. 1840, im ersten Tätig- te auch die «Sparungs-Kassa» der Gemeinde Baar gehört keitsjahr, gab es insgesamt 363 Einlagen, zu einem grossen haben, soweit bekannt die erste Sparkasse im Kanton. Sie Teil aus der Stadt Zug. 1850 zählten 911 Personen oder gut

16 Die verschiedenen Hauptsitze der Ersparniskasse bzw. Bank in Zug (v. l. n. r.: Zeughausgasse, Bahnhofstrasse, Löbernhof), abgebildet im Zuger Neujahrsblatt von 1922. fünf Prozent der Kantonsbevölkerung zu ihren Kunden. Die riksparkassen der Spinnereien in Unterägeri, Neuägeri und Hälfte davon waren Kinder oder Bevormundete, also die Baar. Die 1851 eingerichtete Kasse der Ägerer Spinnereien Klientel von Waisen- und Armenvögten. Ein Fünftel waren war eine obligatorische, durch Lohnabgaben und eine Zu- Mägde und Knechte, etwa ein Zehntel Handwerker. Der lage der Fabrik geäufnete Vorsorge «für das Alter und böse Anteil der Landwirte war unbedeutend. Über 40 Prozent Zeiten». Auf ihr Kapital konnten die Sparer nur mit Zustim- der Guthaben betrugen höchstens 50 Franken, drei Vier- mung der Direktion zugreifen. Bei den Fabriksparkassen der tel lagen unter 200 Franken. Dabei ist zu bedenken, dass Baarer Spinnerei (1855) und der Spinnerei und Weberei zum Beispiel der damalige Taglohn eines Spinnereiarbeiters Hagendorn/Cham (1872) dürften die Verhältnisse ähnlich deutlich unter einem Franken lag. gewesen sein. Danach beschleunigte sich das Wachstum beträchtlich. 1852 hatte die Kasse bereits 1570 Kunden, 1862 fast 4000, Konservative versus Liberale und dies bei einer Kantonsbevölkerung von knapp 20 000 Das rasche Wachstum der Ersparniskasse verlangte einen Personen. Die Einlagen vervielfachten sich in dieser Zeit von Ausbau ihres Geschäfts. Ab 1852 gab es für die wichtigs- 417 000 auf 2 318 000 Franken, was Zug in der Rangliste ten Mitarbeiter nicht nur Ehre, sondern auch Lohn, und ab der Kantone sowohl beim Verhältnis der Einleger zur Be- 1860/61 für den Kassenverwalter ein eigenes Banklokal in völkerung (3. Rang) wie auch bei den durchschnittlichen der Stadt Zug. In den folgenden Jahrzehnten wuchs das Guthaben (4. Rang) auf die vordersten Plätze brachte. Zu Sparkapital beträchtlich, erheblich weniger stark die Zahl dieser grossen Zunahme trug einerseits eine attraktivere der Einleger. Dies dürfte vorwiegend mit der wachsenden Verzinsung der Spargelder bei, welche die Kasse vorwie- Konkurrenz zu tun haben. Die Gründung der Ersparniskasse gend durch Investitionen in Gülten und Obligationen und 1839 war von den Liberalen initiiert, aber auch von den Kon- durch die Ausgabe von verzinslichen Darlehen finanzierte. servativen unterstützt worden. Die 1850 gegründete «Cre- Andererseits vermehrte sich die Kundschaft durch die Ver- dit-Anstalt in Zug der Firma G. Bossard, Hegglin & Comp.» bindung mit den in den 1850er-Jahren gegründeten Fab- dagegen war eine Schöpfung konservativer Honoratioren,

17 zuvorderst Landammann Franz Josef Hegglin, der die kan- gegen persönliche Bürgschaften, sondern verlangten nach tonale Politik in den 1850er-Jahren dominierte, und sein Ver- höherwertigen Sicherheiten. Deshalb wurden wie an vielen trauter Georg Bossard, der zusammen mit Hegglin die Di- Orten der Schweiz auf die Interessen der lokalen Bevöl- rektion der neuen Bank übernahm und gleichzeitig auch als kerung ausgerichtete Spar- und Leihkassen gegründet mit Regierungsrat amtierte. Somit sassen im Aufsichtsgremium dem Zweck, «einerseits um Ersparnisse für die Theilnehmer der Ersparniskasse zwei Direktoren der Konkurrenz. Diese zu bezwecken, anderseits um einem geldbedürftigen Pub- merkwürdige Konstellation führte bald zum Konflikt, als die likum nicht bloss gegen Hinterlage von Gülten, die nicht zu konservativ beherrschte Regierung unter dem Einfluss der Jedermanns Verfügung stehen, sondern auch gegen ande- beiden Direktoren die Gemeinnützigkeit der Kasse anzwei- re solide Sicherungsarten wie Bürgschaften und Inventur- felte, die Rechnungsführung bemängelte und 1854 sogar pfande auszuhelfen und so ein nicht mit Gülteninstrumenten in die Geschäftstätigkeit eingriff. Der liberale Vorwurf der versehenes Publikum vor Ausbeutung zu schützen», wie die eigennützigen Parteilichkeit lag daher nahe und war wohl Neue Zuger Zeitung 1872 in einem Bericht über die Spar- auch berechtigt. und Leihkasse in Baar betonte. Die Credit-Anstalt war in den folgenden Jahrzehnten Solche Lokalbanken, die meist keine besonderen Ge- wegen der politischen Vorherrschaft der Konservativen trotz schäftsräume hatten, sondern sich dort befanden, wo der fehlender Staatsgarantie eng mit dem Kanton verbunden. Verwalter oder die Verwalterin wohnte, entstanden 1868 1882 hielten bei ihr knapp 1500 Einleger gut 3,7 Millionen in Baar und in Menzingen, 1873 im Ägerital und 1877 in Franken Guthaben. Die Ersparniskasse war mit gut 4400 Ein- Cham. Die Menzinger Kasse hatte keinen langen Bestand, legern und 6,3 Millionen Franken Guthaben grösser. Deren die anderen aber konnten sich wohl auch dank ihrer starken Klienten waren vorwiegend Kleinsparer. Drei Fünftel hatten lokalen Verankerung vorerst behaupten, blieben aber sehr ein Guthaben von höchstens 500 Franken. Die Credit-An- klein. 1882 verwalteten sie insgesamt über 300 000 Franken stalt zählte weit mehr wohlhabende Kunden. Knapp die von etwa 550 Einlegern, wobei der Anteil der Kleinstsparer Hälfte hatte über 1000 Franken auf dem Konto. mit höchstens 100 Franken Guthaben erheblich höher war Nicht nur mit Gülten und Darlehen, sondern auch mit als bei den beiden grossen kantonalen Banken. Diese ver- Aktien arbeitete das 1871 von Franz Hotz, vormals Verwal- walteten über 10 Millionen Franken von fast 6000 Einlegern. ter der Ersparniskasse, und seinem Schwager Alfred Wyss gegründete Bankhaus Hotz & Wyss in Zug. Über die Ge- Konzentration im Bankensektor schäftstätigkeit dieser Privatbank ist wenig bekannt, mehr 1882 gab es im Kanton abgesehen von den Fabrikspar- über ihr jähes Ende. Anfang 1887 brach «die Katastrophe kassen und kleinsten Vereinssparkassen insgesamt sechs über das Bankgeschäft Hotz & Wyss in Folge unglücklichen Banken, drei kantonal ausgerichtete und drei lokale. 1894 Börsenspieles in Paris» herein. Eine wesentliche Ursache des waren es insgesamt noch drei. 1882 löste sich die Chamer Zusammenbruchs war auch das verlustreiche Engagement Lokalsparkasse auf, 1887 brach das Bankhaus Hotz & Wyss der Bank bei der 1880 gegründeten Email- und Metallwa- zusammen und 1894 wurde die Sparkasse Baar von der renfabrik Zug, die nie florierte und 1886/87 vor der Liquida- Sparkassa Zug, wie sich die Ersparniskasse nun nannte, tion stand. Sie konnte jedoch unter grossen Abschreibungen übernommen. Auch die Credit-Anstalt gab es nicht mehr. saniert und im Ende Juli 1887 als Metallwarenfabrik Zug neu Die Zuger Kantonalbank war 1892 an ihre Stelle getreten. konstituiert werden, kurz nach dem Untergang der Zuger Die Sparkassa Zug verlor nach der Kantonalbankgrün- Vorstadt am 5. Juli, dem dritten Desaster in der Stadt innert dung ihre Staatsgarantie, wurde aber auch frei von staatli- weniger Monate. cher Aufsicht. 1906 änderte sie ihre Rechtsform von einer Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft und nannte sich Lokale Spar- und Leihkassen fortan «Bank in Zug». Erst in der Wirtschaftskrise der 1930er- Die Ersparniskasse und die Credit-Anstalt waren stark auf Jahre geriet sie in wachsende Schwierigkeiten, die schliess- die Stadt Zug ausgerichtet und weniger auf die in ande- lich 1937 zur Liquidation führten. Genau hundert Jahre zu- ren Gemeinden verwurzelten Kleinbetriebe, Bauern, Hand- vor hatte die Mittwochgesellschaft erstmals über die werker und Arbeiter. Zudem vergaben sie keine Kredite nur Gründung einer Ersparniskasse debattiert.

18 «Hauptgutschein» von 1854 als Kontobeleg für Magdalena Josepha Keiser, Kundin bei der Ersparniskasse. Der Bankverkehr wurde durch einen Einnehmer abgewickelt und durch die Verwaltungskommission abgesegnet. Der Zinssatz betrug 4 Prozent.

Das Wohnhaus mit Büro (später: Bahnhofstrasse 1) wurde 1849 Kleine Abbildung auf der ersten Seite der Statuten der «Zins- für Posthalter Karl Kaspar Hotz erbaut. Das Bankhaus Hotz & tragenden Ersparniss-Kasse im Kanton Zug», 1843. Der Bienen- Wyss hatte hier von 1871 – 1887 seinen Sitz, zuvor vermutlich korb symbolisiert Sparsamkeit und Fleiss. auch schon die Ersparniskasse Zug. 1938 kaufte die Zuger Kanto- nalbank die Liegenschaft für ihren Neubau am Postplatz.

19 Die Freisinnigen waren frustriert, dass nicht «ihre» Sparkassa, sondern die von den Konservativen beherrschte Credit-Anstalt in der neuen Kantonalbank aufgehen sollte. 1892 –1898

Der lange Weg zur Kantonalbank

Schon 1883 forderte ein Kantonsrat, die Gründung einer Kantonalbank als vorzügliche Staatseinnahmequelle und zum volkswirtschaftlichen Wohl zu prüfen. Doch erst 1892 konnte die durch den Kanton und Privataktionäre ge- tragene Bank ihre Türen öffnen, mit durchschlagendem Erfolg.

Zur Zeit der Gründung der Zuger Kantonalbank befand sich der Kanton Zug beim Übergang von einem praktisch ausschliesslich agrarisch geprägten Kanton zu einer Region mit einer gut ausgebauten und vielfältigen Industrie etwa auf halbem Weg. Aber auch die zugerische Landwirtschaft selber hatte sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts grundlegend gewandelt. Seit 1850 wich der Ackerbau wegen der Konkurrenz durch billiges ausländisches Getreide nach und nach der Milchwirtschaft und Viehzucht sowie dem Obstbau. Grösste Abnehmerin für die einheimische Milch war bis 1932 die 1866 gegründete Anglo-Swiss Condensed Milk Co., die in Cham eine Milchsiederei betrieb und daher im Volksmund «Milchsüdi» genannt wurde. Diese Gesellschaft fusionierte 1905 mit der damals etwa gleich grossen Nestlé AG, Vevey, zur Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company mit Sitzen in Cham und Vevey. Die zugerische Industrie war bis etwa 1880 stark auf die Textil- und die Nahrungsmittel- produktion ausgerichtet. Wegen der grossen Bedeutung der Wasserkraft waren diese Be- triebe praktisch ausschliesslich entlang von Wasserläufen, insbesondere entlang der Lorze, angesiedelt. Danach verlagerte sich das Gewicht der industriellen Produktion allmählich hin zur Herstellung von dauerhaften Konsum- und Investitionsgütern. Dadurch erlangten die Unternehmen der Metallindustrie und des Apparatebaus zunehmende Bedeutung. In- folge des Aufkommens der elektrischen Energie waren diese Industriezweige nicht mehr auf einen Standort an einem Wasserlauf angewiesen, sodass die neuen industriellen Betriebe schwergewichtig in der Stadtgemeinde Zug angesiedelt wurden, die verkehrstechnisch bes- ser erschlossen war. Die Wirtschaftsentwicklung des Kantons Zug zeigt sich deutlich in der Verschiebung der Erwerbszweige. 1888 waren die total 10 955 Erwerbstätigen in folgenden Branchen Exkurs 17 beschäftigt: Landwirtschaft 33,1 Prozent, Industrie, Handwerk und Baugewerbe 47 Prozent, Bevölkerungs- Handel, Banken und Versicherungen 3,4 Prozent, Gastgewerbe und Verkehr 4,4 Prozent und entwicklung und übrige Erwerbszweige 12 Prozent. Die neusten Zahlen von 2013 weisen zum Vergleich nur Mobilität in Zug S. 196 noch knapp 2 Prozent der rund 100 000 Erwerbstätigen im Ersten Sektor (Landwirtschaft) aus. Im Sekundärsektor (Industrie und Handwerk) sind es rund 21 Prozent, im Tertiärsektor (Dienstleistungen) zusammen 77 Prozent. 1960 lag der Anteil des Zweiten Sektors im Ver- gleich zur Restschweiz noch bei hohen 56 Prozent, und die Dienstleistungen machten erst einen Drittel aus. Das rasante Wirtschaftswachstum des Kantons Zug in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts fand jedoch kaum Niederschlag in der Entwicklung der Finanzen der öffentlichen Hand. Trotz der zunehmenden Industrialisierung blieb der Kanton Zug bis weit ins 20. Jahr-

21 1892 – 1898

hundert hinein ein finanzschwacher Kanton. Heute ist er pro Einwohner der grösste Zahler beim eidgenössischen Finanzausgleich, was die rasante Entwicklung Zugs nach dem Zwei- ten Weltkrieg verdeutlicht. Für eine nachhaltige Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft waren auch im Kan- ton Zug gute Verkehrsverbindungen unabdingbar. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts beschleunigte sich die Entwicklung. Anfänglich transportierten Pferdekutschen und von Tieren gezogene Wagen Personen und Waren über staubige Landstrassen, die im Verlaufe der Zeit ein sich ständig ausweitendes kantonales Strassennetz bildeten. Als Al- ternative bot sich der Zugersee für Transporte per Schiff an. Die Erfindung der Eisenbahn katapultierte das Transportwesen in ein gänzlich neues Zeitalter. Der Anschluss Zugs ans Schienennetz erfolgte 1864 mit der Linie durch das Knonaueramt von Zürich nach Luzern mit einem Abzweiger in die Stadt Zug. Die zum Gotthard führende Bahnstrecke von Zürich Exkurs 6 über Zug nach Arth-Goldau wurde erst 1897 eröffnet, zusammen mit einem neuen Durch- Die Finan- gangsbahnhof in der Stadt Zug. Das Talgebiet des Kantons war also Ende des 19. Jahrhun- zierung der derts durch die Eisenbahn sehr gut erschlossen. Die Entwicklung des Kantons Zug zu einem Strassenbahn auf den Berg Industriestandort wäre ohne ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz, das schon im vorletzten S. 60 Jahrhundert der heutigen Linienführung entsprach, nicht möglich gewesen. Der «Berg», also das Ägerital, Menzingen und Neuheim, musste hingegen bis ins 20. Jahrhundert hinein auf eine zeitgemässe Verkehrserschliessung warten. Exkurs 2 Zum wirtschaftlichen Umfeld gehört schliesslich auch das Bankwesen zum Zeitpunkt Geld und Kredit der Gründung der Zuger Kantonalbank. Bis 1891 waren im Kanton Zug neben kleineren in Zug im 19. Jahrhundert Sparkassen von Gemeinden und einzelnen Industrieunternehmen im Wesentlichen die ge- S. 16 meinnützige «Sparkassa Zug» und die beiden privaten Bankinstitute «Credit-Anstalt in Zug (Bossard & Cie.)» sowie «Hotz & Wyss» (nur bis 1887) für Bankgeschäfte zuständig.

Geburtswehen einer Kantonalbank Die Gründung der Zuger Kantonalbank war eine eigentliche Zangengeburt, verflossen doch vom ersten parlamentarischen Vorstoss bis zur Eröffnung der Bank ganze acht Jahre. Am 26. Dezember 1883 reichte Kantonsrat Georg Keiser, Zug, im Parlament folgende Motion ein: «Der hohe Kantonsrath möge beschliessen: Die hohe Regierung ist beauftragt, zu prüfen und allseitig zu untersuchen, ob die Gründung und Errichtung eines kantonalen Geldins- titutes, das heisst, einer Kantonalbank mit Banknotenausgabe und staatlicher, rechtsgülti- ger Haftbarkeit (Garantie), – nicht im allgemeinen Interesse liegen würde, sowohl betreff vorzüglicher Staatseinnahmsquelle, als auch in Bezug des allgemeinen, öffentlichen und volkswirthschaftlichen Wohls.» Der Kantonsrat überwies die Motion zur Berichterstattung an den Regierungsrat. Die Regierung war von Anfang an über diesen Vorstoss nicht sehr begeistert und liess sich für dessen Behandlung relativ lange Zeit. Die Verzögerung begründete sie mit der fehlenden eigenen Befähigung für ein solches Vorhaben und dem sich daraus ergebenden Zeitbedarf, «um die ihr diesfalls abgehende Kenntnis so zu erwerben, dass es ihr dennoch möglich wer- de, ein wenigst annähernd zutreffendes Gutachten in der Sache zu entwerfen. Zu diesem

22 Zwecke wurden in ausserordentlicher Weise Vertrauenspersonen zu Rathe gezogen, Fach- schriften herbeigeschafft und vergleichend durchgangen, also Vorarbeiten gemacht, die eine etwas längere Zeit in Anspruch nehmen mussten.» Es überrascht nicht, dass der Regierungsrat dem Kantonsrat am 8. November 1884 be- antragte, es solle zurzeit von der Gründung einer Kantonalbank abgesehen werden. In sei- nem einlässlichen Bericht führte er für seine ablehnende Empfehlung im Wesentlichen zwei Gründe an. Zum einen erachtete er die Konkurrenz durch die beiden bereits bestehenden Finanzinstitute Sparkassa-Gesellschaft Zug und Creditanstalt in Zug (Bossard & Cie.) als zu gross. Zum andern beurteilte er das damalige wirtschaftliche Umfeld wegen der sinkenden Zinsen, des Geldüberflusses und der nachgebenden Liegenschaftspreise für eine Bank- gründung als ungünstig. Der Kantonsrat war mit der regierungsrätlichen Antwort nicht zufrieden und beauftragte eine siebenköpfige Kommission aus seiner Mitte mit der weiteren Prüfung dieser Angelegen- heit. Drei Mitglieder teilten die Ansicht der Regierung. Weitere drei Mitglieder befürworte- ten die sofortige Gründung einer Kantonalbank. Ein Mitglied, der Motionär Georg Keiser, schliesslich behielt sich vor, seinen Entscheid erst bei der kantonsrätlichen Beratung zu fällen. Obwohl die Meinungen der Kommissionsmitglieder geteilt waren, fragte die Kommission die Sparkassa an, ob sie geneigt wäre, mit einer zu grün- denden Kantonalbank zu fusionieren, und zu welchen Der Regierungsrat lehnte die Kantonal- Konditionen. Die Verantwortlichen der Sparkassa lehnten die Anfrage nicht rundweg ab, verlangten bankgründung aufgrund der schwierigen aber, dass ihr eine Fusionsvorlage unterbreitet werde. Konkurrenzsituation und des ungünstigen Darauf erarbeitete die Kommission unter der Feder- führung von Dr. Johann Melchior Zürcher-Deschwan- wirtschaftlichen Umfelds ab. den, Zug, einen solchen Entwurf. Doch die Verwal- tungskommission der Sparkassa und die dazu befragte Generalversammlung lehnten im Spätsommer 1885 die Aufnahme von Verhandlungen ab. Die Eigentümer der Sparkassa befürchteten vor allem, dass sie gegenüber dem Kanton bei der neuen Aktiengesellschaft ständig in der Minderheit wären. Überdies waren sie nicht bereit, den gut dotierten Reserve- fonds der Sparkassa und den bestehenden Kundenstamm entschädigungslos in die neue Gesellschaft einzubringen. Trotz dieser Absage war die Schaffung einer Kantonalbank nicht vom Tisch. In der kan- tonsrätlichen Kommission hatte sich insofern ein Sinneswandel ergeben, als dass sich Georg Keiser den Befürwortern anschloss. Bei der Behandlung im Kantonsrat am 7. Juli 1886 fiel aber der Antrag der Kommissionsmehrheit, es sei eine Kantonalbank zu gründen und diese wo möglich in der ersten Hälfte des Jahres 1887 zu eröffnen, mit 26 zu 29 Stimmen knapp durch. Bewegung kam erst wieder in die Sache, als die Sparkassa-Gesellschaft aufgrund des am 17. Juni 1881 erlassenen schweizerischen Obligationenrechts ihre Statuten bis Ende 1887 dem neuen Recht anpassen musste. Das war für die Sparkassa insofern nicht ganz einfach, als zwischen ihr und dem Kanton ein Garantieverhältnis bestand. Nun trat die Verwaltungs-

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Stadtplan von Zug, 1895 Die Kantonalbank befindet sich oberhalb des Postplatzes im Fideikommissgebäude, die Sparkasse an der Bahnhofstrasse Richtung des alten Bahnhofs. Deutlich zu erkennen sind auch die Metallwarenfabrik und die nach der Katastrophe von 1887 neu gestaltete Vorstadt.

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kommission der Sparkassa mit dem Vorschlag an den Kanton heran, gestützt auf Art. 613 alt OR die Sparkassa in eine Aktiengesellschaft nach kantonalem Recht umzuwandeln. Diese Rechtsform hatte gegenüber der privatrechtlichen Aktiengesellschaft nach Obliga- tionenrecht den Vorteil, dass sie bei der Ausgestaltung der Organisationsbestimmungen und des Stimmrechts der Aktionäre an der Generalversammlung eine grosse Flexibilität bot. Am vorgesehenen Aktienkapital von 500 000 Franken sollten die bisherigen Eigentümer der Sparkassa und der Kanton je hälftig beteiligt sein. Der Kanton stimmte einer solchen Lösung zu. Einzelne Mitglieder der Sparkassa-Gesellschaft waren aber gegen das Vorhaben und drohten gar mit rechtlichen Schritten. Aufgrund dieser internen Differenzen teilte die Verwal- tungskommission der Sparkassa am 28. April 1889 dem Regierungsrat mit, dass trotz ihrer Bemühungen ihres Erachtens eine Vereinbarung mit dem Kanton nicht möglich sei. Damit war die von der Sparkassa vorgeschlagene Lösung blockiert.

Neue Braut im Auge Erst als Kantonsrat J. Plazidus Steiner, Baar, am 10. März 1890 die Regierung mit einer Inter- pellation einlud, betreffend der Sparkassa einschliesslich der Frage über die Errichtung einer Kantonalbank in einer nächsten Sitzung Bericht und Antrag vorzulegen, befasste sich die Regierung wieder mit der Kantonalbankfrage. Ihres Erachtens sprachen die folgenden Gründe für die Errichtung einer Kantonalbank: Die wenig bemittelten Einwohner sollten ihre Ersparnisse mit unbedingter Sicherheit zinstragend anlegen können und das geldsuchen- de Publikum sollte zu günstigen Zinsbedingungen Kredite erhalten. Zudem könnte sich der Kanton mit einer Kantonalbank eine schöne Einnahmequelle eröffnen. Gestützt auf diese Erkenntnis beantragte die Regierung dem Kantonsrat, die Verhandlungen mit der Sparkassa als gescheitert zu betrachten und daher abzubrechen. Stattdessen solle der Regierungsrat beauftragt werden, die Gründung einer Kantonalbank auf neuer Basis anzugehen mit dem Ziel, dass die Bank spätestens am 1. Januar 1892 eröffnet werden könne. Nach der Zustimmung durch den Kantonsrat beauftragte der Regierungsrat im Januar 1891 Landammann Philipp Meyer, Steinhausen, mit den Vorarbeiten für die Errichtung einer Kantonalbank und ermächtigte diesen, «in gutfindender Weise Fachmänner oder andere geeignete Persönlichkeiten zur Berathung der Angelegenheit zuzuziehen». Meyer bildete zusammen mit Ständerat Josef Hildebrand, Cham, und Bürgerpräsident J. Plazidus Steiner eine Spezialkommission. Diese zog zunächst Erkundungen über die 1850 von Konservativen als Kollektivgesellschaft gegründete Credit-Anstalt Zug (Bossard & Cie.) ein, der zweiten möglichen Braut auf dem Platze Zug, und fragte diese danach an, ob sie bereit wäre, an der Gründung einer Kantonalbank mitzuwirken. Die Vertreter der Credit-Anstalt willigten in Verhandlungen ein, und der Kanton Zug und die Credit-Anstalt schlossen bereits am 11. Juli 1891 einen detaillierten Vertrag ab. Diesen Vertrag legte der Regierungsrat zusammen mit einem von der vorgenannten Kommission ausgearbeiteten Gesetzesentwurf für die Grün- dung einer zugerischen Kantonalbank dem Kantonsrat vor. Der Vertrag zwischen dem Kanton und der Credit-Anstalt sah vor, dass die Aktiven und die Passiven der Credit-Anstalt, gemäss Rechnungs-Abschluss per 31. Dezember 1891,

26 zum Zwecke der Gründung der Zuger Kantonalbank auf den Kanton übergingen. Der Kan- ton hatte für die Abtretung des Bankgeschäftes und die Übergabe der Kundschaft kei- ne spezielle Vergütung zu leisten. Die Gesellschafter der Credit-Anstalt konnten sich aber am Aktienkapital der zu gründenden Kantonalbank von total 800 000 Franken mit 200 000 Franken beteiligen, mussten diesen Betrag aber einzahlen. Das restliche Grundkapital von 600 000 Franken brachten einerseits der Kanton mit einem Anteil von 400 000 Franken und andererseits weitere Privataktionäre im Rahmen einer öffentlichen Zeichnung im Umfang von 200 000 Franken auf. Da sich 578 Personen für insgesamt 3230 Aktien interessierten, musste das Los entscheiden. 178 Interessenten gingen leer aus, die restlichen 400 erhielten nur je eine Aktie. Das Aktienkapital war in 1600 Inhaberaktien mit einem Nominalwert von 500 Franken aufgeteilt. Bei künftigen Kapitalerhöhungen hatten der Kanton und die Privataktionäre je die Hälfte zu übernehmen, wobei den bisherigen Privataktionären bei der Zeichnung neuer Ak- tien ein Vorzugsrecht zustand. Der Kanton übernahm die subsidiäre Haftung für die Verbindlichkeiten der Der Kanton hatte explizit die Möglichkeit, Bank, gewährte dieser also eine Staatsgarantie. Das Stimmrecht des Kantons für seine 800 Aktien wurde die Bank nach Ablauf von zehn Jahren auf 250 Aktienstimmen beschränkt. Die Privataktio- zu verstaatlichen – gegen volle Entschä- näre hatten von einer bis zehn Aktien eine Stimme pro Aktie und für weitere zehn Aktien je eine Stimme digung der Privataktionäre. mehr. Keinesfalls durfte ein einzelner Privataktionär mehr als den fünften Teil der Stimmrechte auf sich vereinigen. Die Privataktionäre waren also beim Stimmrecht gegenüber dem Kanton wesentlich bessergestellt. Der Bankrat bestand aus sieben Mitgliedern, wovon die Generalversammlung der Ak- tionäre vier und der Kanton drei ernennen durften. Der Reingewinn eines Rechnungsjahres war wie folgt zu verwenden: Zuerst erhielten die Aktionäre eine Dividende von 4 Prozent, und ein allfälliger Überschuss war nach einem detaillierten Schlüssel als Super-Dividende aufzuteilen, wobei dem Kanton als Abgeltung der Staatsgarantie 20 Prozent des Überschus- ses zustanden. Der Kanton und die Privataktionäre gingen das Gesellschaftsverhältnis für eine Dauer von zehn Jahren ein. Wenn der Kanton nach Ablauf dieses Termins die Staats- garantie kündigen und die Bank übernehmen sollte, hatte er «den Privat-Aktionären ausser dem Nennwerth ihrer Aktien und deren Antheil am Reservefond noch den zwanzigfachen Betrag des Durchschnittes der von den Aktionären während den letzten 6 Jahren wirklich bezogenen Super-Dividende zu vergüten». Damit hatte der Kanton explizit die Möglichkeit, die Bank nach Ablauf von zehn Jahren gegen volle Entschädigung der Privataktionäre zu verstaatlichen. Die vorerwähnte Kommission, die das Geschäft zuhanden des Regierungsrates vorbe- reitete, hatte ausdrücklich das Recht, die Bücher und die Wertschriften der Credit-Anstalt zu prüfen. Davon machte sie Gebrauch, und der Regierungsrat hielt in seinem Bericht an den Kantonsrat fest: «Zwei Mitglieder der Kommission haben auf dem Bureau der Kreditan- stalt einerseits durch zahlreiche Stichproben die Richtigkeit der Buchführung konstatirt und

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anderseits sowohl die eigenthümlichen Werthtitel, als auch die Hinterlagen für Darleihen einer einlässlichen Prüfung unterworfen. Das Resultat war höchst befriedigend. (…) Wir notieren noch, dass bei Anlass des Geschäftsuntersuches ein Kassasturz gemacht worden ist, durch welchen volle Übereinstimmung des Kassabestandes mit den Büchern der Kredit- anstalt konstatirt wurde.» Due-Diligence-Prüfungen bei Unternehmensübernahmen verliefen damals offenbar sehr viel einfacher und vor allem mit erheblich weniger Personalaufwand als heute. Der Regierungsrat gelangte jedenfalls zum Schluss: «Die Annahme des Vertrages ist daher dem h. Kantonsrathe sehr zu empfehlen.» Bereits während der Verhandlungen mit der Credit-Anstalt erarbeitete die vorgenannte Kommission das Gesetz über die Zuger Kantonalbank. Dieses hatte naturgemäss die we- sentlichen Bestimmungen des Vertrages zu übernehmen. Der Kantonsrat verabschiedete das Gesetz am 28. Oktober 1891 mit 31 gegen 11 Stimmen und genehmigte auch den Vertrag zwischen dem Kanton und der Credit-Anstalt. Während der Beratung im Kantons- rat brachten nicht überraschend Kreise, die der Sparkassa nahestanden, Bedenken gegen die beabsichtigte Gründung der Kantonalbank durch die Übernahme der Credit-Anstalt vor. Diese favorisierten anstelle der vorgeschlagenen gemischtwirtschaftlichen Lösung eine reine Staatsbank. Der Berichterstatter der vorberatenden Kantonsratskommission, Ständerat Hildebrand, erinnerte die Opponenten daran, dass man bei der Beratung der dann ge- scheiterten Beteiligung des Kantons an der Sparkassa im April 1888 nicht eine selbststän- dige Kantonalbank habe schaffen wollen. Vielmehr habe der Kantonsrat den damaligen Gesetzesentwurf mit 40 Stimmen ohne Gegenantrag angenommen und sich damit für die Schaffung einer Kantonalbank mit Privatbeteiligung ausgesprochen. Das Stimmvolk hiess schliesslich im November 1891 in einer Volksabstimmung das Gesetz über die Zuger Kantonalbank bei einer Stimmbeteiligung von 47 Prozent mit 1562 Ja gegen 694 Nein sehr deutlich gut. Im Vorfeld dieser Abstimmung kreuzten Befürworter und Gegner der Vorlage in der Presse nochmals die Klingen. Da- bei verlief die Frontlinie mehr oder weniger entlang Das Stimmvolk hiess 1891 das Gesetz der Parteigrenzen. Das zeigt sich darin, dass sich die über die Zuger Kantonalbank mit 1562 Ja konservativen Zuger Nachrichten klar für und das gegen 694 Nein deutlich gut. freisinnige Zuger Volksblatt ebenso dezidiert gegen die Gesetzesvorlage aussprachen. Die Freisinnigen waren frustriert, dass nicht «ihre» Sparkassa, sondern die von den Konservativen beherrschte Credit-Anstalt in der neuen Kantonalbank aufgehen sollte. Überdies fürchteten sich die Kreise um die Sparkassa vor der Konkurrenz durch die neu gegründete Kantonalbank. Das Zuger Volksblatt kam nur schwer über diese Niederlage hinweg: «Die Furcht, überhaupt keine Staatsbank zu bekommen, wenn die gegebene mit der Kreditanstalt nicht angenommen würde – scheint den Ausschlag gegeben zu haben. Wir sind um eine Idee ärmer, um eine Erfahrung reicher. – Behüte Gott das Vaterland!» Mit der Annah- me des Kantonalbankgesetzes durch das Volk waren die Voraussetzungen geschaffen, dass die Zuger Kantonalbank am 1. bzw. 2. Januar 1892 den Betrieb aufnehmen konnte. Damit wurde ein langwieriges Vorhaben trotz vieler Hürden erfolgreich zum Abschluss gebracht.

28 Die gemischtwirtschaftliche Rechtsform Ende der 1980er-Jahre waren bis auf die Kantonalbanken der Waadt, von Zug und des 1979 gegründeten Kantons Jura alle kantonalen Bankinstitute reine Staatsbanken. Die Zuger Kantonalbank war von Anfang an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen, organisiert in der Rechtsform der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft gemäss Art. 763 Abs. 1 OR (zum Zeitpunkt ihrer Gründung gemäss Art. 613 alt OR). Bei der Zuger Kantonalbank handelt es sich also nicht um eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, sondern um eine Aktiengesell- schaft nach kantonalem öffentlichem Recht, die durch ein besonderes kantonales Gesetz gegründet worden ist. Die Rechtsform der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft bietet gegenüber dem privatrechtlichen Aktienrecht nach Obligationenrecht insbesondere bei der Ausgestaltung der Organisationsbestimmungen der Gesellschaft und beim Stimmrecht der Aktionäre in der Generalversammlung grosse Flexibilität. Voraussetzung für die Gründung einer solchen Gesellschaft ist allerdings, dass sie durch ein besonderes kantonales Gesetz geschaffen worden ist, unter Mitwirkung öffentlicher Behörden verwaltet wird und der Kan- ton für ihre Verbindlichkeiten die subsidiäre Haftung übernimmt. Der Entscheid für diese Rechtsform stand nicht von Anfang an fest. Vielmehr wurden im Kanton Zug im Hinblick auf die Schaffung einer Kantonalbank intensive Diskussionen über das Rechtskleid geführt. Ausschlaggebend für die Wahl der Rechtsform war schliess- lich die Sorge, dass eine neu gegründete reine Staatsbank, auch wenn sie mit der Staats- garantie ausgestattet wäre, neben der etablierten Konkurrenz von zwei Privatinstituten nicht würde bestehen können. Da die Gründung eines Staatsinstitutes durch Übernahme einer der bestehenden oder gar beider Banken aufgrund der ablehnenden Haltung derer Eigen- tümer aussichtslos war, kam nur die Gründung einer Kantonalbank durch Beteiligung des Exkurs 7 Kantons an einem bestehenden Institut und damit die Schaffung eines gemischtwirtschaft- Wasserver- sorgung durch lichen Unternehmens infrage. Man war auch überzeugt, dass eine gemischte Bank besser Private beaufsichtigt sein werde als eine reine Staatsbank, da neben den staatlichen Organen die S. 64 privaten Teilhaber das Unternehmen im ureigensten Interesse genau überwachen würden. Die massgebenden Kräfte waren überdies der Ansicht, dass eine gemischte Bank nicht für alle möglichen Wünsche der Mehrheit der Kantonsregierung «sich hingeben und gewis- sermassen den kantonalen Spekulationen in Eisenbahnsachen dienen muss». Schliesslich verwiesen die Befürworter einer gemischten Lösung auch darauf, dass die Promotoren für die damals erst geplante Bundesbank, die nachmalige Schweizerische Nationalbank, das gemischte System als vorteilhaft erachteten. Die Gründung einer Kantonalbank durch Beteiligung des Kantons an einer bereits be- stehenden privaten Bank war im 19. Jahrhundert nichts Aussergewöhnliches. Auf diese Weise entstanden unter anderen die Kantonalbanken von Neuenburg, Solothurn, Luzern und Aargau. Aussergewöhnlich ist viel eher, dass die Zuger Kantonalbank das gemischt- wirtschaftliche System bis heute beibehalten hat. Die vorgenannten Kantonalbanken sind nämlich alle einige Jahre nach ihrer Gründung in Staatsbanken, also öffentlich-rechtliche Anstalten, umgewandelt worden. Wie noch zu zeigen sein wird, fehlte es auch in Zug nicht an Bestrebungen, die Kantonalbank zu verstaatlichen. Seit 1990 hat sich allerdings das

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Blatt gewendet. Seither sind einige frühere reine Staatsinstitute, so diejenigen von Bern, St. Gallen, Luzern, Genf, Wallis und Glarus, in privatrechtliche oder spezialgesetzliche Aktien- Exkurs 1 gesellschaften umgewandelt worden. Diese Banken wollten mit der Rechtsformumwandlung Die Anfänge der und der anschliessenden Ausgabe von Aktien ihre Attraktivität steigern, sind Aktien doch ein Kantonalbanken in der Schweiz ideales Instrument der Kundenbindung. Überdies bietet die Generalversammlung der Aktio- S. 14 näre einer Bank die einmalige Gelegenheit, sich vor einem grossen Publikum präsentieren zu können. Der Kanton anderseits, der seine Kantonalbank teilprivatisiert, kann einen Teil des in der Bank gebundenen Staatsvermögens realisieren. Trotzdem behält der Kanton aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung das Sagen bei seiner Bank.

Zuger Spezialitäten Die Zuger Kantonalbank unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von allen anderen Kantonalbanken. Da ist zum einen die Regelung des Stimmrechts des Kantons an der Gene- ralversammlung. Dieses ist von Anfang an zugunsten der Privataktionäre ausgestaltet wor- den. Obwohl der Kanton die Hälfte des Aktienkapitals hält, ist sein Stimmrecht in der aktuell gültigen Version des Gesetzes über die Zuger Kantonalbank auf einen Fünftel sämtlicher an der Generalversammlung vertretenen Aktien beschränkt. Diese Stimmrechtsbeschränkung widerspricht den Bestimmungen von Art. 3a des Bundesgesetzes über die Banken und Spar- kassen (BankG). Danach gilt eine Bank als Kantonalbank, wenn sie aufgrund eines kanto- nalen gesetzlichen Erlasses als Anstalt oder Aktiengesellschaft errichtet wird. Der Kanton muss zudem an der Bank eine Beteiligung von mehr als einem Drittel des Kapitals halten und über mehr als einen Drittel der Stimmen verfügen. Da der Kanton Zug letztere Voraussetzung nicht erfüllt, ist auf Betreiben des Kantons Zug und der Zuger Kantonalbank folgende Über- gangsbestimmung ins BankG eingefügt worden: «Für die Kantonalbank des Kantons Zug wird eine Beteiligung des Kantons von mehr als einem Drittel der Stimmen nach Artikel 3a nicht vorausgesetzt, sofern die Staatsgarantie und die Ausübung des Stimmrechts durch den Kanton nicht geändert werden sowie sichergestellt bleibt, dass wichtige Beschlüsse nicht ohne die Zustimmung des Kantons gefasst werden können.» Der andere grosse Unterschied zwischen der Zuger Kantonalbank und anderen kanto- nalen Instituten besteht darin, dass das Gesetz über die Zuger Kantonalbank nicht durch den kantonalen Gesetzgeber allein geändert werden kann. Jede Änderung bedarf zusätz- lich der Genehmigung der Generalversammlung der Aktionäre, und zwar mit dem quali- fizierten Mehr von zwei Dritteln der an der Generalversammlung vertretenen stimmberech- tigten Aktien. Da auch bei solchen Abstimmungen das Stimmrecht des Kantons auf einen Fünftel der sämtlichen vertretenen Aktien beschränkt ist, können die Privataktionäre den Kanton problemlos überstimmen. Diese beiden Besonderheiten sind eindeutige Zeichen dafür, dass die Zuger Kantonal- bank aufgrund eines Gesellschaftsvertrages zwischen zwei gleichberechtigten Parteien, dem Kanton und den Privataktionären, geschaffen worden ist, der bis heute gilt. Bei allen anderen Kantonalbanken, die als Aktiengesellschaften ausgestaltet sind, ist das anders. Da hält der Kanton, mit Ausnahme der Genfer Kantonalbank, sowohl die Mehrheit des Kapitals

30 Erstes «Bureau» der Zuger Kantonalbank, 1892 Die Geschäftsräumlichkeiten befanden sich in den ersten Monaten im Haus St. Oswalds- gasse 13, dem früheren Sitz der Credit- Anstalt.

Personal der Zuger Kantonalbank, 1898 In der Mitte sitzt der erste Direktor, Severin Koch.

31 Das Fideikommissgebäude am Postplatz in Zug Die Zuger Kantonalbank hatte von 1892 bis 1899 ihren Sitz im ersten Stock. Danach wurde das Gebäude abgerissen, um der neuen Hauptpost Platz zu machen. Gut zu erkennen ist das Hinweisschild unterhalb des Dachs auf der rechten Seite.

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wie auch der Stimmen. Bei diesen Gesellschaften können die Privataktionäre vom Kanton jederzeit überstimmt werden. Es sei denn, der Kanton verfüge nicht über die für ein quali- fiziertes Mehr nötigen Stimmen für wichtige Beschlüsse. Die Stellung dieser Privataktionäre gleicht daher derjenigen von Partizipanten. Der gesellschaftsvertragliche Charakter des Gesetzes über die Zuger Kantonalbank kommt im Weitern darin zum Ausdruck, dass sowohl der Kanton, durch Kündigung der Staatsgarantie, wie auch die Privataktionäre das Gesellschaftsverhältnis kündigen und damit die Auflösung der Bank bewirken können. Eine solche Kündigung darf, unter zwölf- monatiger Anzeige, jeweils nach Ablauf von zehn Jahren erfolgen, nächstmals auf den 31. Dezember 2025. Bei einer solchen Auflösung der Bank ginge die Bank in das Eigentum des Kantons über. Dieser hätte dabei den Privataktionären den inneren Wert der Aktie zu ver- güten, sie also voll zu entschädigen.

Kantonalbank nimmt ihre Tätigkeit auf Da die Zuger Kantonalbank bis heute formell über keine Statuten verfügt und dem Gesetz daher auch die Funktion von Statuten zukommt, war die Organisation der Bank von Anfang an im Kantonalbankgesetz geregelt. Daneben enthielt auch das Verwaltungs-Reglement der Bank organisatorische Bestimmungen und erstaunlicherweise auch einen Zweckartikel, der im Gesetz zunächst fehlte. Bei der Aufnahme der Geschäftstätigkeit verfügte die Bank über folgende Organe: Generalversammlung der Aktionäre, Bankrat (Verwaltungsrat), Bankvor- stand (ständiger Ausschuss des Bankrates), Direktor und dessen Stellvertreter sowie Rech- nungsrevisoren. Der Bankrat, dem die Leitung und Verwaltung der Bank oblag, bestand zu Beginn aus sieben Mitgliedern, von denen die Generalversammlung der Aktionäre vier und der Kanton drei wählte bzw. ernannte. Dem ersten Bankrat gehörten folgende Personen an: die Kantonsvertreter Ständerat Josef Hildebrand, Zug, Regierungsrat Dr. Josef Leonz Schmid, Baar, und Regierungsrat Xaver Iten, Unterägeri, sowie die Privataktionärsvertreter Oberge- richtspräsident Martin Kaiser, alt Regierungsrat Georg Nussbaumer, Rechtsagent Alois Hotz, alle Zug, und Bürgerpräsident J. Plazidus Steiner, Baar. Erster Präsident des Bankrates war Ständerat Josef Hildebrand. Den Bankvorstand präsidierte Bankrat Martin Kaiser. Nicht ganz reibungslos verlief die Wahl des ersten Direktors, des eigentlichen Geschäfts- führers der Bank. Diese Wahl oblag damals der Generalversammlung. Ein Aktionär pro- testierte dagegen, dass der vom Bankrat zur Wahl Als Sicherheit für allfällige Schäden vorgeschlagene Severin Koch-Hess aus Oberwil-Zug auf dem Berufungswege und nicht durch eine Aus- hatte der erste Direktor eine Kaution von schreibung ausgewählt worden war. Dieser Aktionär 15 000 Franken zu leisten, bei einem verzichtete jedoch auf einen Gegenantrag. Und so wählte die Generalversammlung Severin Koch, Leh- Jahresgehalt von 3500 Franken. rer für Handelsfächer und englische Sprache an der Kantonsschule Zug, zum Direktor. Sein Jahresgehalt betrug 3500 Franken, und er hatte eine Kaution von 15 000 Franken zu leisten. Diese diente der Bank als Sicherheit für allfällige Schäden, die der Direktor der Bank zufügen sollte, und

34 war in bar, soliden Wertschriften oder Hypotheken zu leisten. Die Angestellten der Bank mit besonders verantwortungsvollen Tätigkeiten hatten übrigens noch bis 1972 solche individu- ell festgelegten Kautionen zu stellen. Zum Stellvertreter des Direktors ernannte der Bankrat ihren gleichzeitig als Präsidenten des Bankvorstandes amtenden Kollegen Martin Kaiser. Der Direktor und sein Stellvertreter führten Einzelunterschrift (!). Die Zuger Kantonalbank nahm am 2. Januar 1892 in den bisherigen Räumlichkeiten der Credit-Anstalt an der St. Oswaldsgasse 13 in Zug ihre Tätigkeit auf. Im ersten Geschäfts- jahr arbeiteten neben dem Direktor vier Angestellte, nämlich ein Kassier, ein Buchhalter und zwei Büroangestellte, wovon drei bisherige Mitarbeiter der Credit-Anstalt, sowie ein Portier und ein Lehrling, insgesamt also sieben Personen für die Bank. Die vier Angestellten verdienten zwischen 1800 Franken und 2300 Franken im Jahr. Der Kassier, dessen Berufs- risiko offenbar höher eingeschätzt wurde, hatte eine Kaution von 10 000 Franken und die Exkurs 4 übrigen Angestellten Kautionen von je 5000 Franken beizubringen. Die Bankräume an der Landtwing'sches Fideikommiss St. Oswaldsgasse vermochten jedoch den Ansprüchen der neu gegründeten Bank nicht zu am Postplatz genügen. Bereits am 24. September 1892 zog die Bank daher in speziell für ihre Bedürfnisse S. 42 neu eingerichtete Lokalitäten im Fideikommissgebäude am Postplatz in Zug ein und belegte dort Räume im ersten Stock. Die Bankangestellten verfügten im «Bureau» in Zug über sehr bescheidene technische Hilfsmittel. Die Korrespondenz wurde von Hand mit Feder und Tinte fein säuberlich in Sütter- linschrift verfasst. Schreibmaschinen gab es, zumindest bei der Zuger Kantonalbank, noch nicht. Die Geschäftsvorgänge erfasste man in grossen Geschäftsbüchern, deren Rücken mit Begriffen wie Creditoren, Debitoren, Correspondenten, Banken, Hauptbuch, Hypotheken etc. beschriftet waren, und deren Handhabung einiges an Muskelkraft erforderte. Für die Zinsberechnung standen Zinstabellen zur Verfügung. Den Sparkassenverkehr hielt man kun- denseitig in Sparheften fest, die der Bankangestellte bei jeder Transaktion von Hand nach- trug. Daneben gab es aber für verschiedene Geschäftsbereiche auch schon vorgedruckte Formulare, die handschriftlich ergänzt wurden. Die Protokolle der Bankbehörden verfasste der Aktuar von Hand und hielt sie in Büchern fest. Erst ab den 1920er-Jahren wurden sie nach und nach mit der Schreibmaschine abgefasst. Bereits im ersten Geschäftsjahr benützte die Zuger Kantonalbank ein Telefon, nachdem in der Stadt Zug 1891 das erste Telefonorts- netz mit Handzentrale den Betrieb aufgenommen hatte. Als kantonales Institut war die Zuger Kantonalbank von Anfang an darauf bedacht, ihre Dienstleistungen im ganzen Kanton anzubieten. Neben den Banklokalitäten in Zug unter- hielt die Bank daher vom ersten Geschäftsjahr an in allen zehn weiteren Gemeinden des Kantons Einnehmereien. Die Errichtung der Einnehmereien und die Wahl der Einnehmer war Sache des Bankrates. Die ersten Einnehmer waren Beauftragte und nicht Angestellte der Bank. Sie entfalteten ihre Tätigkeit in ihren eigenen Räumlichkeiten und hatten gemäss dem Reglement für die Einnehmer der Zuger Kantonalbank vom Mai 1892 den Geldverkehr zwi- schen der Kantonalbank und dem Publikum zu vermitteln. Dabei besorgten sie vor allem das Sparkassageschäft und leiteten Darlehensgesuche an den Hauptsitz in Zug weiter. Interes- sant sind die Berufe, die die ersten Einnehmer ausübten: in Oberägeri war es der Gemeinde-

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schreiber, in Menzingen ein Telegrafist, in Cham und in Steinhausen je ein Regierungsrat und in Walchwil der Pfarrer. Die Einnehmer wurden pro Geschäftsfall entschädigt und hatten eine Kaution von je 2000 Franken zu leisten. Ganz so einfach ging das Geschäft aufgrund der etablierten Konkurrenz aber nicht von der Hand. So antwortete der Einwohnerrat von Baar auf ein Empfehlungsschreiben der Einnehmerei Baar im April 1907: «(…) müssen Ihnen jedoch leider mitteilen, dass wir z.Z. noch nicht in der Lage sind, mit Ihnen in geschäftlichen Verkehr zu treten. Wir stehen seit vielen Jahren mit der Sparkasse Zug, Fil. Baar, die uns stets in sehr entgegenkommender Weise behandelt hat, in Beziehung & hätten daher vorläufig keinen Grund, den Verkehr auch nur teilweise mit derselben abzubrechen (…)» Aus heutiger Sicht fällt auf, wie stark zu Beginn die Bankbehörden, insbesondere der Bankvorstand, zum Teil aber auch der Bankrat, sich um das rein operative Geschäft kümmer- ten. Der Bankvorstand und bei grösseren Geschäften auch der Bankrat hatten Kreditgesu- che zu bewilligen, und zwar auch solche, die erstklassig gedeckt waren. Zudem verhandel- ten Mitglieder des Bankvorstandes direkt mit Kunden, vorwiegend dann, wenn es sich um die Regelung von Problempositionen handelte. Auch nahmen Mitglieder der Bankbehörden in Konkurs- und Nachlassverfahren an Gläubigerversammlungen teil und verfassten bei Gerichtsverfahren Rechtsschriften. Viele aus heutiger Sicht untergeordnete Fälle liess man nach der Behandlung im Bankvorstand noch abschliessend durch den Bankrat genehmi- gen. Diese Verwischung der Grenze zwischen operativer und strategischer Unternehmens- führung hielt noch lange an. Das war allerdings nicht nur bei der Zuger Kantonalbank der Fall. Bemerkenswert ist aber doch, dass der wöchentlich tagende Bankvorstand noch in den 1980er-Jahren bei der Renovation der damaligen Filiale Zug-Nord bezüglich der Fas- sadengestaltung das letzte Wort hatte. Die klare Aufgabentrennung zwischen dem für die Oberleitung zuständigen Bankrat und der für das operative Geschäft verantwortlichen Ge- schäftsleitung erfolgte erst mit der Auflösung des Bankvorstands im April 2001.

17 Jahre mit eigenen Banknoten Bevor das Banknotenmonopol mit der Eröffnung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Exkurs 3 im Jahre 1907 auf den Bund überging, gaben verschiedene Kantonalbanken und private Emission von Finanzinstitute Banknoten aus. Dieses Geschäft galt als lukrativ. Man hoffte, damit billiges kantonalen Geld für den Bankbetrieb zu erhalten. Gemäss den gesetzlichen Vorgaben des Bundes Banknoten S. 40 von 1882 mussten 40 Prozent der Notenausgabe durch einen separat verwalteten Vorrat an Barschaft und die weiteren 60 Prozent durch Hinterlage von Wertschriften oder durch die Garantie des Kantons gedeckt sein. Wie schon bei der Gründung beabsichtigt, gab die Zuger Kantonalbank bereits im Oktober 1893 Banknoten im Gesamtwert von 1 Mio. Franken heraus, und zwar als 50er-, 100er- und 500er-Noten. Zuvor hatte der Kanton die gesetzliche Garantie für den ungedeckten Teil der Notenausgabe übernommen. Daraufhin erteilte der Bundesrat der Bank das Recht zur Banknotenemission. Die Kantonalbank musste dem Kanton als Gegenleistung für die Garantie eine jährliche Banknotensteuer von 3 Pro- mille entrichten. Am 1. Januar 1894 trat die Zuger Kantonalbank zudem dem Konkordat für den Banknotenverkehr bei.

36 Banknoten der Zuger Kantonalbank von 1899 und 1901 50- und 100-Franken-Schein der Zuger Kantonalbank mit dem Notenbild, wie es seit 1881 vom Bund vor- geschrieben wurde. Die Notenformulare wurden auf englischem Papier im Kupferdruck hergestellt. In der Schweiz erfolgte die Ergänzung mit den Seriennummern, dem Namen der ausgebenden Bank und den er- forderlichen Unterschriften. Gut zu sehen ist die spätere Ungültigmachung durch grobe Lochung der Noten.

37 1892 – 1898

Aufgrund der steigenden Nachfrage erhöhte die Bank 1898 den Gesamtbetrag der Banknotenausgabe auf 3 Mio. Franken. Gleichzeitig verdoppelte der Kanton die jährliche Banknotensteuer auf 6 Promille der ausgegebenen Notenwerte. Mit der Eröffnung der SNB im Jahre 1907 mussten die Banken, die Banknoten ausgeben durften, die Notenemission innert dreier Jahre einstellen. Obwohl die Zuger Kantonalbank nur während rund 17 Jahren Banknoten herausgeben konnte, lohnte sich dieses Geschäft sowohl für sie wie auch für den Kanton Zug, der in dieser Zeit rund 190 000 Franken an Banknotensteuern einnahm. Den Einnahmenausfall aus der Notenemission der Kantonalbank kompensierte der Kanton Zug, wie die anderen Kantone auch, durch die Teilhabe am Aktienkapital und an den Erträgen der SNB.

Erste Kapitalerhöhung für besseren Eigenfinanzierungsgrad Die Zuger Kantonalbank entwickelte sich in den ersten Jahren ihrer Geschäftstätigkeit sehr erfreulich. Zwischen 1892 und 1898 verdreifachte sich die Bilanzsumme auf rund 20,5 Mio. Franken. Auch der Reingewinn stieg kräftig. Einzig das Geschäftsjahr 1898 verlief wegen eines Verlustes von gut 50 000 Franken, den die Bank aufgrund einer Wechselfälschung eines Kunden erlitt, unbefriedigend. Die Bank pflegte in erster Linie folgende Geschäftsfelder: Entgegennahme von Geldern zu Anlagezwecken und Ausleihen von Geldern, vorwiegend in Form von Hypotheken und gedeckten Darlehen, Wechseldiskont- und Inkasso-Geschäft sowie An- und Verkauf von Wertschriften auf fremde Rechnung. Die Hauptertragsquellen waren denn auch das übliche Zinsdifferenzgeschäft, bei dem die Bank für die eingezahlten (Spar-)Gelder etwas weniger Zinsen bezahlt als sie für die ausgeliehenen Gelder einfordert; ferner der Ertrag des Wechselportefeuilles und der Ertrag aus den eigenen Wertschriften sowie aus dem Handel mit Wertschriften für fremde Rechnung. Aufgrund der erfreulichen Wirtschaftsentwicklung gegen Ende des 19. Jahrhunderts stiegen die Ausleihungen an die Kunden erheblich. Da der Mittelzufluss bei der Bank mit dieser Nachfrage nicht Schritt zu halten vermochte, beschaffte sie sich vorübergehend kurz- fristige Gelder in Form von Finanztratten und mittels Banknotenemissionen, später durch die Aufnahme von mehrjährigen Anleihen bei anderen Kantonalbanken. Mit dieser raschen Entwicklung vermochte aber auch die Eigenmittelausstattung der Bank nicht mitzuhalten. Um die fremden und die eigenen Mittel wieder in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen, einigten sich Privataktionäre und Kanton 1898 auf eine Kapitalerhöhung von 800 000 Fran- ken auf 2 Mio. Franken sowie eine Teilrevision des Kantonalbankgesetzes. Die neuen Aktien wiesen einen unveränderten Nominalwert von 500 Franken auf und wurden zum Kurs von 550 Franken ausgegeben. Das dadurch anfallende Agio von total 120 000 Franken fiel dem Reservefonds zu. Die Gesetzesrevision bezweckte unter anderem eine Verbesserung der Reserveäufnung durch Anpassung der Gewinnverteilung. Durch die Kapitalerhöhung und mittelbar auch durch die Änderung der Gewinnverteilung verbesserte sich das Verhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln erheblich zugunsten der ersteren. Diese betrugen – nach einem kurzzeitigen Taucher 1897 auf 4 Prozent – um die Jahrhundertwende wieder gegen 10 Prozent der Bilanzsumme.

38 Exkurse 3 bis 4

Hauptmotivation der Banken für die Notenausgabe war die billige Kredit- beschaffung und die Erleichterung des Geldtransfers.

3. Emission von kantonalen Banknoten S. 40

Mit einem Fideikommiss konnte die wirtschaftliche Potenz und das Sozial- prestige einer Familie auch für künftige Generationen sichergestellt werden.

4. Landtwing'sches Fideikommiss am Postplatz S. 42 Exkurs 3 Emission von kantonalen Banknoten

Die ersten Banknoten waren nicht viel mehr als auf Zet- versehenen Banknoten liess vorerst zu wünschen übrig, was tel aufgedruckte Zahlungsversprechen. Entsprechend zu einem hohen Verschleiss und geringer Fälschungssicher- wichtig war das Vertrauen in die Solidität der kantonal heit führte. Einzig die Bank in St. Gallen beschaffte ihre tätigen Bankinstitute, welche die Noten herausgaben höherwertigen Noten in Amerika. Bei den anderen Banken und den Geldverkehr in der Folge fundamental er- erfolgte die Produktion meist im Hause. leichterten. Text: Jürg Richter und Matthias Wiesmann Nach der Bundesstaatsgründung von 1848 übernahm der Bund das Münzregal. Die Schweiz erhielt mit dem Die ersten Banknoten in der Schweiz wurden 1825 in Bern Franken, der sich am Silbergehalt des französischen Francs herausgegeben und wiesen folgenden Text auf: «Gut für orientierte, wieder eine einheitliche Währung. Die Noten- 500 Schweizer Franken, welchen Betrag der Verwalter der banken waren nun gezwungen, ihre auf Fremdwährungen Deposito-Cassa der Stadt-Verwaltung Bern dem Vorwei- lautenden Noten einzuziehen und durch Geldscheine in ser gegen Einlieferung des gegenwärtigen Gut-Scheins in Schweizerfranken zu ersetzen. Die Freiheit der Banken, baarem Silbergeld ausbezahlen wird.» Ein solcher «Zed- eigenes Papiergeld auszugeben, blieb aber bestehen, so- del» war im Prinzip ein Geldersatz mit einem aufgedruck- dass weiterhin Banknoten in unterschiedlichster Stückelung, ten Zahlungsversprechen der Bank für eine Auszahlung in Gestaltung und Art der Deckung zirkulierten. Die beträchtli- Edelmetallgeld. Entscheidend für die Akzeptanz dieses im chen Gewinne der bisherigen Notenbanken und der wach- Gegensatz zu den schweren Silbermünzen einfach zu hand- sende Kapitalbedarf der Wirtschaft führten zur Gründung habenden Papiergelds war deshalb das Vertrauen in die weiterer Notenbanken. Während es bis zum Deutsch-Fran- emittierende Bank. Hilfreich waren eine Staatsgarantie bzw. zösischen Krieg vor allem private Banken waren, setzte ab eine profunde Kapitaldecke und eine ausreichende Anzahl 1870 – bedingt durch die stetig wachsenden Ausgaben der von möglichen Einlösestellen. Die Hauptmotivation der Kan- Kantone – eine Gründungswelle kantonaler Institute ein. tone und Städten bzw. deren Banken für das Gelddrucken war die billige Kreditbeschaffung, indem der Wert der aus- Zaghafte Vereinheitlichung gegebenen Noten die Deckung mit Edelmetallgeld meist Die Notenbanken versuchten mit ansprechenden Notenbil- überstieg und die «Schuld» unverzinslich war. Auch frisch dern (allegorische Darstellungen, Symbole für gewerbliches gegründete Handelsbanken emittierten in der Folge Bank- Schaffen, Ansichten des Ausgabeorts etc.) ihr Papiergeld noten, weil sie sich eine Belebung der Handelsgeschäfte bei der Bevölkerung beliebt zu machen. Die grösste Be- und eine Vereinfachung des Geldtransfers versprachen. Da hinderung einer weitläufigen Zirkulation stellte jedoch die die Münzhoheit ab 1803 an die Kantone zurückgefallen regionale Begrenztheit der Einlösbarkeit dar. Verschiedene war und der Schweizer Franken wieder an Bedeutung ein- Banken strebten deshalb immer wieder nach Übereinkom- büsste, war für grössere Beträge bei Handelsgeschäften die men für eine gegenseitige Einlösung von Banknoten, meist Bemessung in fremden Geldsorten gebräuchlich. Je nach jedoch gegen eine geringe Gebühr bzw. einen Abschlag Einzugsgebiet stellten die ersten Emissionsbanken die Noten auf den Nominalwert für den Inhaber eines fremden Zettels. deshalb meist auf französische Fünffrankentaler, holländi- In den 1870er-Jahren, bei steigendem Bedarf an No- sche Brabantertaler oder süddeutsche Gulden aus. tengeld infolge der Goldgeldkrise, trachteten die Emissions- Die Qualität der einseitig bedruckten und mit hand- banken danach, den Banknotenumlauf zu vereinfachen. schriftlichen Einträgen (z. B. Unterschrift des Bankdirektors) Zur Sicherung gegen Fälschungen wurden die Noten ver-

40 Banknoten der Bank in Basel über 20 französische Fünffrankentaler (1845) und der Kantonalbank von Bern über 500 Franken (1866). mehrt beidseitig und mit feinen Guillochen bedruckt. Meh- Nach einer Verknappung des Notenangebots aufgrund rere Banken einigten sich, einen gemeinsamen Notentyp für politischer Turbulenzen wurde 1891 mit der Revision von Ar- den 1000-Franken-Schein zu schaffen. In Erwartung eines tikel 39 der Bundesverfassung das Banknotenmonopol an Bundesbanknotengesetzes blieb es vorerst bei dieser Ver- den Bund übertragen. Es dauerte allerdings noch 14 Jahre, einheitlichung. Das Gesetz scheiterte jedoch 1876 an der bis das Gesetz über eine Schweizerische Nationalbank in Urne. Kurze Zeit später schlossen 25 Notenbanken immer- Kraft trat. Nach zähem Ringen hatte man einen Kompromiss hin ein Konkordat zur gegenseitigen spesenfreien Einlösung erzielen können: eine gemischtwirtschaftliche Organisa- der Noten. Einige Kantone mit eigenen Emissionsbanken tionsform mit Beteiligung und entsprechender Gewinnparti- versuchten, ein kantonales Notenbankmonopol durchzu- zipation der Kantone, der bisherigen Emissionsbanken und drücken und die privaten Banken von dieser lukrativen Ein- von Privaten. nahmequelle abzuschneiden. Der Bundesrat vereitelte die- ses Ansinnen, liess jedoch eine Besteuerung der im Kanton Die alten Noten verschwinden ausgegebenen Banknoten zu. 1907 brachte die Nationalbank die ersten Interimsnoten 1882 trat das Bundesgesetz zur Ausgabe und Einlö- nach dem Muster der alten Einheitsnoten in Umlauf. Die üb- sung von Banknoten in Kraft. Durch eine partielle Bundes- rig gebliebenen 36 «Zeddelbanken» mit einem Notenumlauf aufsicht über die Emissionsbanken, Vereinheitlichung der von 234 Millionen Franken waren angehalten, ihr Bankno- Notenformulare, Begrenzung der Notenstückelung und der tengeschäft bis 1910 einzustellen. Sie mussten der National- gegenseitigen Einlösepflicht erhöhte sich das Vertrauen in bank entweder die Noten zur Vernichtung abgeben oder die Banknoten nochmals massiv – zumal zusätzlich 40 Pro- den Gegenwert der ausstehenden Noten in Münzen und in zent der Noten mit entsprechenden Edelmetallmünzen ge- Wertschriften abliefern für die nachträgliche Einlösung alter deckt, der Rest in Wertpapieren hinterlegt sein mussten. Die Noten. 1911 gelangte schliesslich als einziges Zahlungsmit- meisten Kantonalbanken konnten statt der Wertpapiere die tel die zweite Serie der Schweizerischen Nationalbank mit Staatsgarantie ins Feld führen, was ihnen gegenüber den den Notenwerten 1000, 500, 100 und 50 Franken in Umlauf. privaten Instituten einen grossen Wettbewerbsvorteil ver- Kleinere Stückelungen zu 20 und 5 Franken, die für den täg- schaffte. In der Folge kam es zu einem weiteren Schub von lichen Gebrauch besser geeignet waren, wurden erst 1914 Kantonalbankgründungen. ausgegeben.

41 Exkurs 4 Landtwing'sches Fideikommiss am Postplatz

Als Monumentalbau ausserhalb der Stadtmauern er- ein portalartiger und städtebaulich bedeutsamer Kopfbau, richtet, musste das Fideikommissgebäude Landtwing der seinerseits 1987 einem Neubau weichen musste. Ende des 19. Jahrhunderts dem Neubau der Post wei- chen. Das Fideikommiss, dem es zugehörte, gibt es hin- Oberstleutnant, Stadtrat und Kartograf gegen heute noch. Der Stifter Franz Fidel Landtwing Franz Fidel Landtwing, der neue Besitzer des Weingarten- hatte damit sein beachtliches Vermögen der üblichen hofs, wurde 1714 geboren. Er stammte aus einer angese- Erbfolge entzogen und der Familie lediglich zur Nutz- henen Stadtzuger Familie. Die Landtwing waren seit der niessung übergeben. Der unveräusserliche Besitz sollte Mitte des 15. Jahrhunderts immer wieder im städtischen Rat Wohlstand und Sozialprestige künftiger Generationen vertreten, von 1653 bis 1798 gar als einzige Familie ohne sicherstellen. Text: Thomas Glauser Unterbruch. Franz Fidels Vater Johann Franz wurde 1740 als erster Landtwing zum Ammann von Stadt und Amt Zug Das erst später so genannte Fideikommissgebäude Land- gewählt, und seine Mutter Maria Elisabeth Esther Zurlau- wing wurde 1762 als Weingartenhof von Franz Fidel Landt- ben war die Tochter von Ammann Beat Kaspar Zurlauben. wing erworben und in seinem Auftrag um- und neu gebaut. Bereits im Alter von 10 Jahren trat Franz Fidel Landtwing in Der «symmetrisch-monumentale Profanbau» (Birchler 1934) französische Dienste ein, wurde mit 14 Offizier und durch- war für das damalige Zug einzigartig und hob sich allein lief anschliessend eine steile militärische Karriere. 1745, auf schon durch seine äusseren Dimensionen deutlich von den deren Höhenpunkt, wurde er zum Oberstleutnant und zum übrigen Stadthäusern ab. Damals noch ausserhalb der Ritter des St.-Ludwigs-Ordens ernannt. Er verfügte über Stadt gelegen, gab der riegelartige, von Stadtgraben und eine eigene Kompanie, die er auch behielt, als er 1748 Stadtmauer auf der einen und dem Schwerzmann-Haus auf nach dem Tod seines Vaters seine militärische Karriere be- der anderen Seite flankierte Bau dem Vorfeld des Baarer- endete und nach Zug zurückkehrte. Hier wurde er sogleich tors bereits ein platzähnliches Gepräge. Er erfuhr im Laufe in den Stadtrat gewählt und zum Landeshauptmann der der Zeit verschiedene Anpassungen und Veränderungen. Oberen Freien Ämter ernannt. Ab 1755 wirkte er im Kriegs- 1782 und 1802/03 musste das nicht fundamentierte Ge- rat der Stadt Zug, den er ab 1766 präsidierte und in dem bäude durch Stützmauern zusätzlich gesichert werden. er sich erfolgreich für die Modernisierung des zugerischen 1882 baute Architekt Dagobert Keiser Vater den Nordflü- Militärwesens einsetzte. Alle drei Ämter bekleidete er, von gel um, in dem anschliessend die Poststelle von Zug einge- kleinen Unterbrüchen abgesehen, praktisch bis zu seinem richtet wurde. Und 1892 schliesslich unterzog Baumeister Tod im Jahr 1782. Leopold Garnin das ganze Gebäude einem umfassenden Bekannt wurde der gebildete und mathematisch be- neubarocken Umbau. Noch im selben Jahr bezog die Zu- gabte Landtwing aber vor allem als Kartograf. Zusammen ger Kantonalbank ihre Büroräumlichkeiten im Mittelbau mit dem Kupferstecher Jakob Joseph Clausner zeichnete und im südlichen Gebäudeflügel. er die ersten genauen Karten des Kantons Zug, unter an- 1899 wurde das Fideikommissgebäude abgebrochen derem den bekannten Stadtplan von Zug sowie eine Karte und an seiner Stelle das 1902 fertig erstellte, heute noch der Stadt und ihres Untertanenlands (beide 1770/71). Der bestehende Postgebäude errichtet. Teile des Nordflügels ledig gebliebene Landtwing erwirtschaftete ein beachtli- sowie dessen äussere Form wurden für den Neubau des ches Vermögen, mit dem er 1775 zugunsten seiner Familie Hauses «Alpenblick» an der Alpenstrasse 1 übernommen, ein Fideikommiss stiftete, das sich auf 50 000 Gulden belief

42 und neben dem Wein- gartenhof in Zug auch das Schloss St. Andreas in Cham umfasste. Bei einem Fideikom- miss (von lat. fidei com- missum, «der Treue An- vertrautes») handelt es sich um einen unveräu- sserlichen, unbelastba- ren und unteilbaren Ver- mögenskomplex. Dieser setzt sich typischerweise aus Kapital, einer bäuer- lichen Liegenschaft oder, wie im Fall des Landt- wing'schen Fideikom- Stadtplan von Zug als aquarellierte Federzeichung, kartografiert von Franz Fidel Landtwing, 1770/71. misses, aus repräsenta- Gut zu sehen ist auf diesem Ausschnitt der ausserhalb der Stadtmauer im Osten des nachmaligen Post- tiven Bauten zusammen. platzes gelegene Weingartenhof (Nr. 48). Fideikommisse sind der üblichen Erbfolge entzogen und werden innerhalb der besonders beliebt. Auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft Familie nach einer besonderen Sukzessionsordnung von verbreiteten sie sich vor allem im 17. und 18. Jahrhundert. Generation zu Generation weitergegeben, üblicherweise Im Gefolge der Französischen Revolution von 1789 wurden dem jeweils ältesten oder jüngsten Sohn. Diesem soge- sie in den meisten europäischen Ländern sukzessive auf- nannten Fideikommissär ist lediglich die Nutzniessung des gehoben, wenn auch oft erst in der ersten Hälfte des Fideikommisses erlaubt; für dessen ganze oder teilweise 20. Jahrhunderts. So auch in der Schweiz, wo man aller- Veräusserung ist die statutarisch festgelegte behördliche dings auf einen Kompromiss hinwirkte: Seit 1912 ist ledig- Zustimmung erforderlich. lich die Errichtung neuer Fideikommisse verboten, die Wei- terführung bestehender Fideikommisse ist aber nach wie Beliebt beim Patriziat vor erlaubt. Deren Zahl schwindet aber stetig: 1986 zählte Mit der Stiftung eines Fideikommisses wollte man einerseits man in der Schweiz noch 36 Fideikommisse, und seither vermeiden, dass umfangreicher Familienbesitz durch Erb- sind es wieder einige weniger geworden. Jene vier aus folgen aufgesplittert oder veräussert wird. Und anderer- dem Kanton Zug haben bis heute überdauert: in der Stadt seits konnten so die wirtschaftliche Potenz und das Sozial- Zug neben dem bereits erwähnten Fideikommiss ein weite- prestige einer Familie auch für künftige Generationen res der Familie Landtwing (1792 gestiftet) sowie jenes der sichergestellt werden. Entsprechend waren Fideikommisse Familie Müller im Roost (1775 gestiftet) und in Baar jenes bei Familien aus dem städtischen und ländlichen Patriziat der Familie Herrmann (1727 gestiftet).

43 ie iazireti rte eie ertaat li er er atalba er a t eratete e e arei r riat ealtee tie al z 1899 – 1913

Risikogeschäfte vor dem Ersten Weltkrieg

Die Ausweitung des Geschäftsvolumens ging einher mit einem stärkeren Engagement im Wertschriftenhandel. Aufgrund fehlender Vorschriften und Kontrollen gingen die Bank und deren Kunden hohe Risiken ein, was die Bank nach dem Ende des Börsenbooms stark erschütterte.

Im zweiten Dezennium ihrer Geschäftstätigkeit entwickelten sich sowohl das Geschäfts- volumen wie auch der Reingewinn der Zuger Kantonalbank rasant, obwohl von 1896 bis 1914 starke Auf- und Abschwünge die schweizerische und die zugerische Wirtschaftsent- wicklung prägten. Dank dem florierenden Geschäftsverlauf konnte der Dividendensatz von 4,5 Prozent für das Geschäftsjahr 1892 auf 8 Prozent im Jahre 1912 erhöht werden. Dieses Renditewachstum bewirkte eine ständige Steigerung des Kurses der Zuger Kantonalbank- Aktie. Wie sich später noch zeigt, ging die Bank in dieser Zeit insbesondere im Wertschrif- tengeschäft aber auch erhebliche Risiken ein. Die massive Ausweitung des Geschäftsvolumens war unter anderem auf die attrakti- ven Banklokalitäten im neuen Postgebäude am Postplatz zurückzuführen, die die Zuger Kantonalbank 1902 bezog. Hier verfügte die Bank im ersten Obergeschoss neben gross- zügigen Geschäftsräumlichkeiten erstmals auch über eine Schrankfachanlage. Da das Landtwing'sche Fideikommissgebäude, in dem die Bank seit 1892 eingemietet war, dem Postneubau weichen musste, war die Bank während der Bauzeit von Mitte 1899 bis Anfang 1902 vorübergehend an die Zeughausgasse 21 in Zug umgezogen. Mit dem Ausbau des Geschäftsvolumens ging ein kräftiger Aufbau des Personalbestan- des einher. Dieser wuchs von sieben Angestellten im Jahr 1892 auf 19 Mitarbeiter im Jahr 1912. Bis 1899 führten ausschliesslich der Direktor und sein Stellvertreter, der Präsident des Bankvorstandes, Unterschrift für die Bank, und zwar einzeln. 1899 erteilte der Bankrat drei Mitarbeitern die Kollektivprokura zu zweien, und zwar in dem Sinne, «dass je zwei dieser Herren in Abwesenheit des Herrn Direktors u. dessen Stellvertreters collectiv zu unterzeich- nen haben, gemäss der denselben zu ertheilenden schriftlichen Weisung».

Verstaatlichung vorerst vom Tisch Da im Kantonalbankgesetz explizit die Möglichkeit einer Kündigung der Staatsgarantie frühestens auf Ende 1905 vorgesehen war, beauftragte die Regierung 1907 die Finanzdirek- tion, eine allfällige Verstaatlichung der Kantonalbank durch Kündigung der Staatsgarantie zu prüfen. Die Finanzdirektion holte zunächst bei Ständerat Emil Isler, FDP Aarau, ein Gut- achten zu dieser Frage ein. Der Gutachter kam unter Hinweis auf die im Gesetz für diesen Fall vorgesehene Abfindung der Privataktionäre zu folgendem Schluss: «Bei der Sachlage erscheint die Verstaatlichung zu den Bedingungen, wie sie sich dem Kantone heute bieten, als ein Wagnis, zu dem ich nicht raten könnte. Der Rückkaufspreis der Aktien ist zu hoch, er belastet das Bankerträgnis auf 20 Jahre hinaus zu sehr, als dass es sich rechtfertigen liesse,

45 1899 – 1913

Temporärer Sitz an der Zeughausgasse 21 Während das Postgebäude gebaut wurde, mietete sich die Zuger Kantonalbank im Haus der Geschwister Blunschi ein (1899 – 1902).

Neues Postgebäude Die Büros der Zuger Kantonalbank befanden sich von 1902 bis 1920 im ersten Stock des Postgebäudes.

46 den bestehenden sichern & vorteilhaften Ertrag preis zu geben, um einen unsichern, auf alle Fälle erst nach 20 Jahren eintretenden Mehrertrag zu erlangen.» Isler riet zu einer Ver- ständigungslösung. Der Kanton solle von der Kündigung der Staatsgarantie absehen. Dafür sollten die Privataktionäre ihm durch Änderung verschiedener Bestimmungen des Kantonal- bankgesetzes entgegenkommen. Die Finanzdirektion schloss sich in ihrem Bericht vom Juni 1907 dieser Meinung an und beantragte dem Regierungsrat, es sei zurzeit von einer Kündigung der Staatsgarantie Um- gang zu nehmen. Der Kantonsrat sollte aber die Regierung beauftragen, mit der Zuger Kantonalbank Verhandlungen aufzunehmen, damit eine Verstaatlichung zu annehmbareren Bedingungen durchgeführt werden könnte, oder das Kantonalbankgesetz so revidiert wer- de, dass das staatliche Interesse grössere Berücksichtigung fände. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der damalige kantonale Finanzdirektor Dr. Hermann Stadlin-Graf als Regierungsrat gleichzeitig Verwaltungsrat der einzigen Konkurrentin der Kantonalbank auf dem Platz Zug, der Bank in Zug, war. Solche Interessenskonflikte schienen offenbar damals niemanden zu stören. Regierungsrat und Kantonsrat hiessen die vorerwähnten Anträge der Finanzdirektion einhellig gut. Da auch der Kanton keine Eile hatte, liess die Teilrevision des Kantonalbank- gesetzes aber Jahre auf sich warten. Ab 1910 erarbeiteten dann eine kantonsrätliche und eine Kommission der Privataktionäre die Revisionsvorlage in gegenseitiger Absprache. Die Vorlage fand die einmütige Zustimmung sowohl des Kantonsrates wie auch der Generalver- sammlung der Aktionäre, und das teilrevidierte Gesetz trat 1912 in Kraft. Die wesentlichen Änderungen des Gesetzes betrafen die Gewinnverteilung, die den Kanton besserstellte, sowie die Neuregelung der Auflösung der Gesellschaft. Im Falle einer Kündigung der Staatsgarantie durfte der Kanton die Bank bis anhin übernehmen, neu muss- te er. Die an die Privataktionäre zu leistende Entschädigung wurde aber zu Gunsten des Kantons auf 750 Franken pro Aktie limitiert. Damit die Bank sich ruhig weiterentwickeln konn- te, durfte der Kanton die Staatsgarantie frühestens auf Ende 1930 kündigen. Sofern der Kanton auf diesen Termin hin vom Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen sollte, galt «das bestehende Verhältnis für je weitere fünf Jahre». Sofern die Bank aber während fünf aufeinanderfolgenden Jahren nicht 4 Prozent Gewinn abwerfen sollte, war der Kanton be- rechtigt, die Staatsgarantie schon vor Ablauf der vorgenannten Termine zu kündigen. Wie im revidierten Gesetz von 1912 vorgesehen, beabsichtigte der Bankrat Ende 1912, das Aktienkapital um 3 Mio. auf 5 Mio. Franken zu erhöhen. Auf Ersuchen des Kantons, der die Mittel für die Liberierung seines Anteils am neuen Kapital auf dem Kapitalmarkt beschaffen musste, verschob man die Kapitalerhöhung auf 1913. Die 6000 neuen Aktien mit einem Nennwert von je 500 Franken standen je zur Hälfte dem Kanton und den Pri- vataktionären zu, wobei vom Anteil der Privataktionäre 1000 Aktien zur freien Zeichnung aufgelegt wurden. Der Ausgabekurs betrug für die Aktien des Kantons und der bisherigen Privataktionäre 625 Franken und für die Titel zur freien Zeichnung 700 Franken. Das Agio von insgesamt rund 825 000 Franken floss in den ordentlichen Reservefonds und stärkte da- mit die eigenen Mittel der Bank zusätzlich. Diese Kapitalerhöhung verlief sehr erfolgreich.

47 1899 – 1913

Bei der Zuteilung der freien Aktien musste der Bankrat aufgrund der grossen Nachfrage sogar Kürzungen vornehmen.

Staatsgarantie und Leistungsauftrag Das Gesetz über die Zuger Kantonalbank sah von Anfang an ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass der Kanton nach Ablauf einer bestimmten Frist die Staatsgarantie kündigen konn- te. Wie vorstehend dargelegt, prüfte der Kanton diese Option 1907 eingehend. In diesem Zusammenhang fragt sich, welche Bedeutung der Staatsgarantie überhaupt zukommt. Die Zuger Kantonalbank verfügt wie die meisten anderen Kantonalbanken seit ihrer Gründung über eine uneingeschränkte Staatsgarantie. Weshalb ist das so? Einer der Hauptzwecke der meisten Kantonalbanken bestand darin, den Sparwillen der Bevölkerung durch die Möglichkeit einer sicheren Anlage zu fördern. Die Staatsgarantie sollte diese Sicherheit ver- mitteln. Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen im Jahre 1935 war das Bankwesen in der Schweiz kaum reguliert. Die Einlagen der Kunden genossen beim Konkurs einer Bank keinen Schutz. Dieses Ausfallrisiko der Bankgläubiger deckte die Staatsgarantie ab. Heute, da der Banksektor sehr stark reguliert ist und eine – betragsmäs- sig allerdings limitierte – gesetzliche Einlagensicherung besteht, hat sich die Bedeutung der Staatsgarantie jedoch gewandelt. Bei der Staatsgarantie handelt es sich zumeist um eine subsidiäre oder sekundäre Ga- rantie, womit der betreffende Kanton nur für einen allfälligen Ausfall bei der Abwicklung der Bank einzustehen hat. Das ist auch bei der Zuger Kantonalbank der Fall, für deren Verbindlichkeiten der Kanton haftet, soweit ihre Mittel nicht ausreichen (§ 4 Abs. 1 des aktuellen Gesetzes über die Zuger Kantonalbank). Die Staatsgarantie für Kantonalbanken ist in der Schweiz nicht einheitlich geregelt. Massgebend sind die konkreten kantona- len Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen. In der Zuger Kantonsverfassung wird die Kantonalbank nur in § 42 Abs. 1 Bst. n im Zusammenhang mit der Wahl der vom Kanton zu bestimmenden Bankbehörden erwähnt. Die Verfassungen anderer Kantone sehen vor, dass der betreffende Kanton eine Kantonalbank zu führen hat. Damit obliegt einem sol- chen Kanton eine Bestandesgarantie für seine Bank. Das ist im Kanton Zug nicht der Fall. Aufgrund der Formulierung der Staatsgarantie im Kantonalbankgesetz handelt es sich um eine reine Ausfallhaftung. Die Zuger Kantonalbank hat von Anfang an die Staatsgarantie abgegolten, indem der Kanton bis heute im Rahmen der Gewinnverteilung eine Extra- zuweisung erhält. Das Korrelat zur Staatsgarantie bildet der Leistungsauftrag. Auch die Umschreibung des Leistungsauftrages ist Sache der Kantone. Das Gesetz über die Zuger Kantonalbank von 1891 enthielt noch keinen eigentlichen Leistungsauftrag. Dieser floss erst anlässlich der Revision von 1912 ins Kantonalbankgesetz ein. Gemäss § 3 des aktuellen Kantonalbankge- setzes hat die Zuger Kantonalbank der zugerischen Bevölkerung und Volkswirtschaft zeitge- mässe Bankdienstleistungen zu erbringen und dabei insbesondere die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die Arbeitnehmer, den kleinen und mittleren Grundbesitz, den Handwer- ker- und Gewerbestand sowie die Landwirtschaft zu berücksichtigen. Somit ist die Bank

48 verpflichtet, die Bevölkerung des Kantons Zug dauerhaft und langfristig zumindest mit Basis- bankdienstleistungen zu versorgen. Damit engt der Leistungsauftrag die unternehmerische Freiheit der Zuger Kantonalbank ein. Sie kann ihren Betrieb nicht nach rein ökonomischen Grundsätzen führen. Sie muss vielmehr auch Geschäfte abwickeln, die ertragsmässig we- niger interessant sind, und kann beispielsweise nicht auf ein kostenintensives Geschäfts- stellennetz verzichten. Sie kann daher nicht eine Gewinnmaximierung, sondern bloss einen angemessenen Gewinn anstreben.

Aufteilung des Emissionsgeschäftes Die Zuger Kantonalbank gehörte von Anfang an dem 1907 gegründeten Konkordat des Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken an, das sich ab 1926 als Verband Schweize- rischer Kantonalbanken (VSKB) bezeichnete. Dieses Konkordat ersetzte das Konkordat der Schweizerischen Emissionsbanken, in dem sich die kantonalen Notenbanken zusammenge- schlossen hatten und das sich nach der Gründung der Schweizerischen Nationalbank 1907 auflöste. Der VSKB nimmt bis heute die gemeinsamen Interessen der Verbandsmitglieder wahr. Er unterstützt Massnahmen, welche die Stellung der Kantonalbanken in der Schweiz stärken, und fördert die Zusammenarbeit unter den Mitgliedern. Der VSKB führt seit 1971 eine Geschäftsstelle in Basel. Die Mitglieder des VSKB beabsichtigten von Anfang an, gemeinsam Anleihen von öffent- lich-rechtlichen Körperschaften zu übernehmen und zu emittieren, waren sich aber nicht ei- nig, ob sie zu diesem Zweck ein eigenes Syndikat der Kantonalbanken gründen oder sich dem seit 1897 be- stehenden Kartell Schweizerischer Banken anschlies- Durch die Konkurrenz zwischen dem Ver- sen sollten. Schliesslich entschieden sich die Kanto- bandssyndikat und dem Emissionskartell nalbanken 1909 mit Ausnahme der Kantonalbank von verringerte sich die Marge zwischen Über- Bern, die seit 1902 dem Emissionskartell angehörte, für den Alleingang und schlossen sich vertraglich nahme- und Ausgabekurs der Anleihen. zu einem Verbandssyndikat zusammen. Durch die Konkurrenz zwischen dem Verbandssyndikat und dem Emissionskartell verringerte sich zur Freude der Schuldner, zu denen auch die Kantone gehörten, die Marge zwischen Übernah- me- und Ausgabekurs der Anleihen und damit die Verdienstmöglichkeiten der Banken. Da dies nicht im Interesse der Finanzinstitute lag, schlossen der VSKB und das Emissionskartell 1911 eine Konvention betreffend gemeinsamer Übernahme von Anleihen des Bundes, der Bundesbahnen, der Kantone, der Gemeinwesen und der Eisenbahngesellschaften. Aufgrund dieses Vertrages erhielten der VSKB bei gemeinsamen Geschäften eine Beteiligungsquote von 30 Prozent und das Emissionskartell eine solche von 70 Prozent. In diesem Verhältnis teilten die beiden Vertragsparteien auch den Gewinn und Verlust unter sich auf. Die Kontra- henten änderten die Anleihenskonvention über die Jahre mehrfach, wobei es vor allem um Änderungen der Beteiligungsquoten und des konventionsfreien Anleihensbetrages ging. Im Zuge der Deregulierung lösten ab den 1980er-Jahren Ad-hoc-Syndikate solche permanen- ten Syndikate ab.

49 1899 – 1913

Exkurs 7 Die Zuger Kantonalbank pflegte aber das Emissionsgeschäft auch ausserhalb des VSKB, Wasserver- indem sie alleine oder zusammen mit anderen Finanzinstituten Anleihen des Kantons Zug, sorgung durch der Stadt Zug, der Gemeinde Baar und zugerischer Industrieunternehmen übernahm und Private S. 64 emittierte. Die Bank begleitete überdies die Emission von Aktien zugerischer Unternehmen.

Spekulationswelle im Kanton Zug Als Folge der Gründung zahlreicher Industrieunternehmen in Mitteleuropa und somit auch Exkurs 5 in der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts boomten die Aktienkurse, bis 1873 Spekulations- ein grosser Börsenkrach die Spekulationswelle vorerst abschwächte. Zu Beginn des 20. Jahr- fieber in der «Belle Epoque» hunderts begann das Spekulationsfieber aber erneut stärker zu grassieren. Dabei nutzten S. 56 geschlagene Geschäftemacher die Gier der Menschen nach Reichtum geschickt aus und profitierten von mangelhaften Kontrollmechanismen. Im Kanton Zug erfreuten sich vor allem die Aktien der erfolgreichen Anglo-Swiss Con- densed Milk Co. in Cham, im Volksmund «Chameraktien» genannt, grosser Beliebtheit. Schon damals gab es verschiedene mehr oder weniger seriöse Blätter, die Börsenempfeh- lungen abgaben, so auch die Centralbank-Zeitung, die seit 1904 in Bern erschien und im Kanton Zug viele Abonnenten hatte. Diese empfahl unter anderem die Chameraktien zum Kauf. Mit diesem Titel verdienten die Anleger in den Jahren 1904 bis 1907 auch im Kanton Zug viel Geld. Durch solch erfolgreiche Anlagetipps gelang es der Centralbank-Zeitung, das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Hinter der Centralbank-Zeitung stand Heinrich Wüst, welcher der Centralbank nahestand. Er benutzte das Blatt nun, um von der Centralbank emittierte Papiere unter das Publikum zu bringen. Solche Platzierungen waren nicht nur für die Centralbank, sondern über Gewinnbeteiligungen auch für ihn und weitere Hintermänner interessant. So gründeten die Kreise, die hinter der Centralbank standen, 1906 in Bern die «Trust- gesellschaft für Industriewerte, Bern». Die Centralbank-Zeitung empfahl die Titel dieser Ge- sellschaft als neues Papier mit grossem Kurspotenzial zum Kauf. Bei einem Nennwert von 500 Franken pro Aktie betrug der Emissionspreis 550 Franken. Auch diesem Tipp vertrauend, zeichneten Kunden der Zuger Kantonalbank gegen 5000 Aktien der Trustgesellschaft. Die Bank belehnte die Aktien kulant, zunächst aber mit 400 bis 425 Franken noch in normalen Grenzen. Da der Kurs der Trustaktien im Februar 1907 bis auf 805 Franken stieg, hob die Zuger Kantonalbank die Belehnungsgrenze später bis auf 650 Franken an. Der Kurs der Trus- taktien fiel dann aber schon im Dezember 1908 unter den Ausgabepreis von 550 Franken und sank 1916 bis auf 100 Franken. Nach der Emission der Trustaktien setzten Wüst und Konsorten noch einen drauf. Bei der Gründung der Trustgesellschaft erhielten die Gründer und weitere Beteiligte, so auch Wüst, nämlich insgesamt 10 000 Genussscheine, die aufgrund der Statuten bei der Gewinnver- teilung gegenüber den Aktien privilegiert waren. Nachdem der Aktienkurs der Trustgesell- schaft stark angezogen hatte, brachten die Inhaber der Genussscheine im Februar 1907 die- se zum Preis von 250 Franken ebenfalls auf den Markt. Die Platzierung dieser Titel übernahm ein Syndikat, an welchem sich auch die Zuger Kantonalbank beteiligte. Sie verkaufte ihrer

50 Kundschaft 2000 dieser Titel zum Preis von 250 Franken, zuzüglich Spesen von 10 Franken. Sofern Kunden die Papiere nicht bar bezahlen konnten, belehnte die Zuger Kantonalbank die Genussscheine zum vollen Preis von 250 Franken, was absolut unüblich war. Den Beitritt zum Syndikat hatte der einzelunterschriftsberechtigte Direktor ohne Zustimmung des Bank- vorstandes vollzogen. Gemäss seiner späteren Aussage erachtete er dieses Geschäft als für die Zuger Kantonalbank völlig risikofrei. Im Nachhinein sah er dann allerdings ein, damit einen groben Fehler gemacht zu haben. Bereits kurz nach der Platzierung der Genussscheine stellte der Direktor der Zuger Kan- tonalbank nämlich fest, dass die Trustgesellschaft nicht, wie von ihren Exponenten verspro- chen, laufend lohnende Geschäfte abschloss. Er verlangte daher den Rückkauf der Genuss- scheine durch die Trustgesellschaft. Dieser Rückkauf kam dann schliesslich 1910 zum Preis von 200 Franken pro Titel zustande. Alle Genussschein-Inhaber, die diese über die Zuger Kantonalbank gekauft hatten, erklärten sich mit dieser Rückabwicklung einverstanden. Die Bank erstattete ihnen die beim Kauf erhobenen Spesen zurück und verwendete überdies die an den Direktor und den Börsenchef bezahlten Schmiergelder zur Schadensminderung. Trotzdem entstand den Genussschein-Inhabern ohne Berücksichtigung von Zinsen ein Scha- den von 45 Franken pro Titel. Ganz abgesehen von der Kompetenzüberschreitung des Direktors war sein Verhalten sowie jenes des für das Börsengeschäft zuständigen Angestellten der Zuger Kantonalbank im Zusammenhang mit der Platzierung der Trusttitel höchst bedenklich. Der Börsenchef

Titelseite Touristenzeitung «Zugerland», 1908 Die bäuerliche Idylle trügt. Bei genauer Betrachtung kann man die Gotthard-Bahn und ein Dampfschiff erkennen. Sie sind Zeugen einer starken Industrialisierung der Region. Im Hintergrund ist auch Cham sichtbar mit seiner Kondensmilchfabrik, die im Mittelpunkt von Aktienspekulationen stand.

51 1899 – 1913

Bank für Handel und Industrie im neuen Verwaltungsgebäude in Zug Die «Trustgesellschaft für Industriewerte» nannte sich ab 1908 «Bank für Handel und Industrie» und bezog später ihren Sitz im östlichen Flügel des 1915 erbauten Verwaltungsgebäudes am Postplatz.

empfahl im stillen Einverständnis mit dem Direktor die Papiere zum Kauf und verleitete so zweifelsohne Kunden zur Spekulation. Dieser Angestellte liess sich zudem 1908 mit Billigung des Bankvorstandes in den Verwaltungsrat der Trustgesellschaft wählen. Obwohl der Bank- vorstand damit gegen das Kantonalbankgesetz verstiess, glaubte er, dadurch die Interessen der zugerischen Aktionäre und der Bank besser wahren zu können. Absolut verwerflich war schliesslich, dass der Direktor und der Börsenchef von Wüst je 10 000 Franken in bar «für Bemühungen» sowie über einen Mittelsmann eine weitere Zuwendung von 3000 Franken erhielten. Immerhin überliessen die Beschenkten diese Beträge dann der Bank zur Reduktion des Schadens, den die Genussschein-Inhaber beim Rückkauf der Genussscheine der Trust- gesellschaft erlitten. Die Trustgesellschaft verlegte 1908 ihren Sitz von Bern nach Zug und nannte sich nun Bank für Handel und Industrie. Verschiedene seriöse Persönlichkeiten versuchten, die Gesell- schaft zu sanieren. Im Rahmen dieser Bemühungen wurde das Aktienkapital herabgesetzt und je zwei alte Aktien zu einer neuen zusammengelegt. Doch die Sanierung misslang. 1922 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Zuvor gelang es im Februar 1919 immerhin noch, alle von den Kunden der Zuger Kantonalbank gehaltenen Aktien zum Preis von 287.50 Franken pro neue Aktie (was 143.75 Franken pro ursprüngliche Aktie entsprach) an ein Kon- sortium zu verkaufen, das der Gesellschaft nahestand. Gegenüber dem Emissionspreis ergab sich mithin ohne Berücksichtigung von Zinsen ein Verlust von gut 400 Franken pro Aktie. Die allgemeine Spekulationswelle ging mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges Ende Juli 1914 jäh zu Ende. Die Aktienkurse brachen auf breiter Front ein. Besonders hart traf es Aktionäre, die ihre Papiere auf Pump gekauft hatten. Die Zuger Kantonalbank hatte seit Längerem nicht nur die Titel der Trustgesellschaft, sondern auch andere Papiere grosszügig

52 belehnt. Nach dem Kurssturz verlangte die Bank daher von vielen Schuldnern, deren Kre- dite mittels Verpfändung von Wertpapieren gedeckt waren, Nachdeckung. Viele wollten oder konnten der Aufforderung der Bank keine Folge leisten. Damit wurden diese Konten notleidend.

Klagen gegen Heinrich Wüst Wegen der auf den Titeln der Trustgesellschaft erlittenen Verluste erhoben bereits 1911 zahlreiche Zuger Anleger Strafklage gegen Wüst, was zu dessen Verhaftung führte. Das Verhöramt Zug, das die Strafuntersuchung gegen Wüst und dessen Mittäter führte, be- auftragte drei Experten mit der Erstellung eines Gutachtens über die Emission der Titel der Trustgesellschaft und die dadurch entstandenen Schäden. Die Experten bezifferten den Schaden auf insgesamt rund 2,7 Mio. Franken. Rechtsanwalt Dr. Carl Rüttimann aus Zug, der die Kläger vertrat, forderte die Zuger Kantonalbank auf, sich an der Strafklage gegen Wüst und Konsorten zu beteiligen. Damit sollte der Druck auf die Beschuldigten erhöht wer- den, den Schaden wiedergutzumachen. Der Bankrat fand zunächst, dass für die Bank kein Klagegrund vorläge, da sie direkt keinen Schaden erlitten habe. Eine interne Untersuchung ergab dann allerdings, dass der Direktor und der Börsenchef sich bei der Platzierung der Trustwerte nicht korrekt verhalten und insbesondere viele wenig bemittelte Kunden zur Spe- kulation animiert hatten, indem die Bank die Trustwerte viel zu hoch belehnte. Der Bankrat beschloss daher Anfang 1917, ebenfalls gegen Wüst und seine Kumpanen vorzugehen und mit Rüttimann Verhandlungen über einen Vergleich und einen Klageanschluss aufzunehmen. Rüttimann gelang es zu dieser Zeit, namens seiner Mandanten mit Wüst eine Vereinbarung abzuschliessen. Darin verpflichtete sich dieser, die geprellten Anleger mit 500 000 Franken zu entschädigen. Gestützt auf diese Vereinbarung schlossen die Bank und die Geschädig- ten einen Vergleich ab. Danach trat Rüttimann als Vertreter der Geschädigten der Bank denjenigen Teil der Wüst-Zahlungen ab, der auf Rüttimanns Klienten entfiel, die bei der Zuger Kantonalbank Konten unterhielten. Die Bank hatte diese Zahlungen anteilsmässig nach Massgabe des erlittenen Schadens auf die Kontoinhaber zu verteilen. Ausserdem ver- pflichtete sich die Bank ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, den Klienten Rüttimanns, die bei der Bank ungedeckte Konten unterhielten, eine gleich grosse Summe gutzuschreiben. Schliesslich vereinbarten die Kontrahenten, bis zum Vollzug des Vergleiches alle gegenseiti- gen rechtlichen Schritte zu sistieren. Dieser Vergleich entpuppte sich für die Bank als wenig vorteilhaft. Zum einen gingen die von Wüst versprochenen Zahlungen von 500 000 Franken bei weitem nicht im vereinbarten Umfang ein. Zum anderen waren der Bank bei der Liquidation der notleidenden Konten von Klienten Rüttimanns die Hände gebunden. Ihr blieb nichts anderes übrig, als diese Problem- positionen auf gütlicher Basis zu regeln und dabei erhebliche Forderungsverzichte zu leis- ten. Dadurch entstanden ihr beträchtliche Verluste. Bemerkenswert ist in diesem Zusammen- hang, dass auch einige Angestellte aufgrund von Spekulationsverlusten zum Teil erhebliche ungedeckte Verpflichtungen gegenüber der Bank hatten. Auch bei der Regulierung dieser Spekulationskonten erlitt die Bank grosse Verluste.

53 1899 – 1913

Die Abwicklung des Vergleiches zwischen der Bank und den Geschädigten zog sich bis 1936, also während beinahe 20 Jahren hin. Schliesslich einigte man sich vergleichsweise auf die Aufhebung des Vertrages von 1917 und auf eine Saldo-Zahlung von Rüttimann an die Bank von 22 000 Franken. Angesichts des erheblichen materiellen und des nicht beziffer- baren immateriellen Schadens, den die Bank durch diese Affäre erlitten hatte, war das ein lächerlich geringer Betrag. Damit endete eine leidige Geschichte, die 1906 begonnen hatte, nach 30 Jahren wenig rühmlich.

54 Exkurse 5 bis 7

«Animierblätter», die von skrupellosen Spekulanten verfasst wurden, fanden ein erstaunlich breites Publikum.

5. Spekulationsfieber in der «Belle Epoque» S. 56

Dass die Tram-Aktie keine Dividenden abwerfen würde, hatte man bereits bei ihrer Emission geahnt.

6. Die Finanzierung der Strassenbahn auf den Berg S. 60

Die breite Abstützung des Aktionariats sorgte dafür, dass die Rendite der Aktie und der Wasserpreis in einem Gleich- gewicht gehalten wurden.

7. Wasserversorgung durch Private S. 64

55 Exkurs 5 Spekulationsfieber in der «Belle Epoque»

Saftige Gewinne und spektakuläre Zusammenbrüche der 1870er-Jahre sowie die Börsendebakel in Wien und prägten die fünzig Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. New York die ersten grossen Enttäuschungen und massiven Im Mittelpunkt standen Eisenbahnaktien, die an den Verluste an den schweizerischen Wertschriftenmärkten. Die kaum regulierten Börsen gehandelt wurden. Auch Krisen der Gotthard-, Nordost- und Nationalbahn warfen Kleinsparer beteiligten sich nun an den spekulativen lange Schatten und dämpften den Enthusiasmus eines Teils Geschäften: Statt Geld weiterhin in den Sparstrumpf der Anleger für einige Zeit. Allerdings liess man sich zum zu legen, folgten sie Empfehlungen am Stammtisch Beispiel in Genf wenige Jahre später vom französischen und von dubiosen Blättern mit Finanznachrichten. Die Spekulationsfieber rasch mitreissen, das im Januar 1882 mit lasche Belehnungspraxis der Banken trug das ihre zu dem Zusammenbruch der französischen Union Générale ein den heftigen Ausschlägen bei. Text: Willi Loepfe spektakuläres und verlustreiches Ende nahm. Der Schriftstel- ler Emile Zola verwertete diese und andere Spekulations- Spekulationen als Ausnützung von erwarteten Preisdiffe- vorgänge auf brillante Weise in seinem Roman «L’Argent» renzen lassen sich auf den europäischen Warenmärkten (erschienen 1891), der zweifellos auch in der Schweiz zahl- bis ins späte Mittelalter zurückverfolgen. Bisweilen führte reiche interessierte Leser fand. dies zu kurzfristigen Krisenerscheinungen, die jedoch nur selten nachhaltige Wirkungen zeigten. Mit der Entwick- Bahnaktienblase und dubiose Kurstreibereien lung von Wertpapieren und entsprechend spezialisierten In der Schweiz begann nach einer Stagnationsphase die Börsen in Westeuropa seit dem 16./17. Jahrhundert kam Fieberkurve erneut zu steigen. Von 1886 bis 1889/90 entwi- ein neues Element hinzu, das in der Schweiz jedoch erst im ckelte sich eine Spekulationsblase, die zum Beispiel an der 19. Jahrhundert grössere Bedeutung erlangte. Dabei stan- Zürcher Börse zu einer Verdoppelung der Umsätze führte. den zunächst die privaten Eisenbahngesellschaften mit Im Zentrum standen dabei die Erwartungen eines «Rück- ihren enormen Finanzierungsbedürfnissen sowie die Banken kaufs» der schweizerischen Eisenbahnen durch den Staat. als unentbehrliche Kapitalvermittler an die junge Industrie Die Einführung der schweizerischen Bahnaktien an den im Vordergrund. In der Essenz ging es um die Mobilisie- deutschen Börsen im Jahr 1887 verstärkte das spekulative rung von Kapitalien, die bisher vorwiegend im Sparstrumpf Element beträchtlich. Die Blase platzte Ende 1891, nachdem oder in privaten Schuldbriefen angelegt worden waren. das Schweizer Volk den Ankauf von 50 000 Aktien der Cen- Obligationen und Aktien boten nun auch «kleinen» Kapi- tralbahn durch den Bund verworfen hatte. Bemerkenswert talisten attraktive Rendite- und Gewinnchancen. Und das waren in dieser Phase indes auch die dubiosen Kurstreibe- Anlagerisiko liess sich bei vernünftiger Streuung verkleinern. reien durch einige Schweizer Banken in andern Werten (vor Die Schweiz des jungen Bundesstaates von 1848 benötigte allem die «Checkbank-Schwänze»), die an der Basler Börse ganz offensichtlich moderne Börsenmärkte im Inland. Die mit dem Versuch zu einem «Corner» 1891 für beträchtliches wichtigsten Effektenbörsen organisierten sich von 1850 bis Aufsehen sorgten. Dabei wollte eine Gruppe von Händlern 1877 schrittweise in Genf, Basel und Zürich, basierend auf durch systematischen Aufkauf von gewissen Papieren eine privater Initiative und zurückgreifend auf eine reiche Erfah- Verknappung dieser Titel herbeiführen, um andere Händ- rung im Wechsel- und Warenhandel. ler, die als Baissiers auf Termin leer verkauft hatten und sich Nach den teilweise euphorischen Gründungsjahren nun eindecken mussten, in die «Ecke» zu drängen, d. h. von brachten dann die schweizerischen Eisenbahnkrisen Mitte ihnen horrende Preise für den Ankauf der benötigten Titel

56 «Animierblatt» von Heinrich Wüst, das auch in Zug rege gelesen wurde, da es sich intensiv mit den Folgen der Fusion zwischen der Nestlé und der Anglo-Swiss Condensed Milk in Cham auseinandersetzte. In dieser Ausgabe wird erstmals für die Papiere der hochspe- kulativen Trustgesellschaft für Industriewerte geworben, in deren Verbreitung auch die Zuger Kantonalbank involviert war. verlangen zu können. Die in dieser Affäre hauptsächlich in- «Animierblätter», die von skrupellosen Spekulanten verfasst volvierten Bankinstitute gingen bald darauf Pleite. wurden, fanden trotz Warnungen etwa seitens der Neuen Zürcher Zeitung in den letzten zehn Jahren vor dem Ersten Täuschung naiver Anleger Weltkrieg ein erstaunlich breites Publikum. Eine zentrale In dieser ungewöhnlich intensiven Spekulationsphase Figur bei dieser fatalen Vermischung von zweifelhaftem um 1889 – 1891 wurde die Gefahr der Beeinflussung des Spekulantentum, Bankgeschäft und Journalistik war ein ge- breiten Publikums durch zweifelhafte Zirkulare und zielge- wisser Heinrich Wüst, der seit den 1890er-Jahren mit uner- richtete Pressemitteilungen zunehmend deutlicher. Guy de müdlicher krimineller Energie stets neue Kombinationen zur Maupassant hatte solche Machenschaften in seinem be- Täuschung der naiven Anleger entwickelte. rühmten Roman «Bel Ami» (erschienen 1885) auf äusserst realistische Weise beschrieben. In der Schweiz verbreiteten Verstaatlichung der Eisenbahn sich Gerüchte bisweilen mit erstaunlicher Geschwindigkeit In der Verstaatlichungsfrage der schweizerischen Eisenbah- auf informellen Wegen, sei es am Wirtshaustisch oder in nen liessen sich selbstverständlich politische Einflüsse nicht den zahlreichen Vereinszusammenkünften. Sogenannte ausschliessen. Im Nationalrat führte die Eisenbahnfrage zu

57 heftigen Debatten, in denen es auch an Angriffen gegen lusten und Konkursen führte. Dass die exzessive Belehnungs- gewisse Banken nicht mangelte. Bei den grossen Eisen- praxis einiger Banken bei diesem Spekulationsfieber eine bahngesellschaften Nordostbahn und Centralbahn kam wesentliche Rolle spielte, war offensichtlich. es überdies zeitweise zu einem Machtwechsel in den Ver- Für die Endphase der «Belle Epoque» bis 1914 mit ihrer waltungsräten, der nicht zuletzt mit deutscher Einflussnahme seltsamen Mischung aus wirtschaftlicher Prosperität und zusammenhing. Die Eisenbahnspekulation nahm schliesslich kulturellem Umbruch, politischen Unruheherden und militäri- 1897 mit dem Verstaatlichungsgesetz weitgehend ein Ende, scher Aufrüstung sind für die Schweiz weniger die vereinzel- begleitet von einiger Polemik aus Deutschland. Nachzutra- ten Börseneinbrüche (wie 1907 im Gefolge der New Yorker gen bleibt, dass die Exzesse um 1890 etwas später zu einer Krise) als vielmehr die teilweise ungesunden Vorgänge im Motion im Nationalrat führten, die darauf abzielte, den Bankwesen in verschiedenen Kantonen charakteristisch. Die «volkswirtschaftlich schädlichen und das Rechtsbewusst- «Geldabundanz» spielte in gewissen Phasen zweifellos eine sein des Volkes verletzenden Missbräuchen im Börsenwe- nicht ganz unwesentliche Rolle. Einmal mehr zeigten sich hier sen» wirksam entgegenzutreten. Professor Julius Wolf legte die fatalen Resultate spekulativer Vorgänge. Zu erinnern ist dem Bundesrat dazu 1894 ein aufschlussreiches Reform- zumal, dass das Bankwesen in der Schweiz – vom früheren gutachten vor, das jedoch auf eidgenössischer Ebene nicht Notenbankwesen und der Nationalbank einmal abgesehen umgesetzt wurde. Die Regelung des Börsenwesens blieb im – kaum reguliert war. Insbesondere kleinere Banken waren wirtschaftsliberalen Umfeld vor dem Ersten Weltkrieg eine anfällig für Missbräuche durch inkompetente Direktoren, die kantonale Angelegenheit. an akuter Selbstüberschätzung litten und sich auf Gebiete vorwagten, wo ihnen und den Verwaltungsräten die Erfah- Exzessive Belehnungspraxis der Banken rung fehlte. Ein zunehmender Konkurrenzdruck spielte in ge- Das Verschwinden der grossen schweizerischen Eisenbahn- wissen Regionen ebenfalls eine Rolle. werte war vor allem für die Börsen von Basel und Zürich um- Kurz zusammengefasst: Von 1910 bis 1914 kam es zu satzmässig nicht leicht zu kompensieren. Die Einführung neu- mindestens 45 Problemfällen im schweizerischen Bankwe- er Titel aus dem Ausland (zum Beispiel der Goldminenaktien sen, darunter 17 Konkurse und 21 Liquidationen. Die Verluste Goerz oder von amerikanischen Eisenbahngesellschaften) von insgesamt mehr als 100 Millionen Franken verteilten sich konnte die Lücke nicht vollständig schliessen. Bereits Mitte etwa zu gleichen Teilen auf die Bankeigner und die Gläubi- der 1890er-Jahre eröffneten sich den spekulativen Inves- ger. Eines war fast allen Fällen gemeinsam: Es fehlte sowohl toren freilich neue Anlagemöglichkeiten ausserhalb der an interner wie externer Kontrolle, um Missstände frühzeitig Effektenbörsen, vor allem in der Baukonjunktur grösserer zu erkennen und zu beheben. Politische und persönliche Städte in der Schweiz. Das war allerdings in mancher Hin- Bindungen verhinderten nicht selten ein zeitgerechtes Auf- sicht ein anderes Geschäft, getrieben von der Suche nach decken der Probleme. Die «menschlichen Faktoren», Raffgier attraktivem Bauland im expansiven Gürtel industriell und und Leichtsinn, Naivität oder Skrupellosigkeit, sie haben in kommerziell erfolgreicher Städte. Hier überstieg die Nach- allen Spekulationsphasen bis zum heutigen Tage eine we- frage nach Industriekapazitäten und Wohngebäuden für sentliche und manchmal entscheidende Rolle gespielt. die rasch wachsende Bevölkerung in gewissen Phasen ganz deutlich das Angebot. Als Beispiel sei nur die überaus dy- namische Entwicklung in Zürich nach der Eingemeindung von elf Vorortsgemeinden im Jahr 1893 erwähnt. Zürich wurde damit zur ersten Grossstadt der Schweiz mit mehr als 120 000 Einwohnern und wirkte als starker Magnet für inländische und ausländische Zuwanderer. Der Spekula- tionsbegriff wurde im Immobiliengeschäft in Zürich ganz ungehemmt gebraucht. Wer nicht mitmachte, der gehörte scheinbar zu den Dummen, bis die Situation 1897 zu kippen begann und in den folgenden Jahren zu zahlreichen Ver-

58 Blankette einer Aktie der Anglo-Swiss Condensed Milk in Cham von 1872. Die sogenannte «Chamer Aktie» war bei der Zuger Bevölkerung ein beliebtes Anlagepapier, das mit der Hoffnung auf grosse Gewinne verbunden war.

59 Exkurs 6 Die Finanzierung der Strassenbahn auf den Berg

Die Bevölkerung freut's, den Aktionär reut's – so sichergestellt. Ab 1904 verkehrten die nach dem in Zürich könnte man die Befindlichkeiten bei der Anbindung domizilierten Hersteller benannten Orion-Busse. Die Busse der Berggemeinden ans Tal mit einer elektrisch betrie- waren weder wintertauglich noch für Bergfahrten sonder- benen Strassenbahn zusammenfassen. Trotz häufiger lich geeignet. Immer lauter wurde – auch aus Industriekrei- Entgleisungen des Trams blieb die Finanzierung des sen – der Ruf nach einer leistungsfähigen Bahnerschliessung gewaltigen Projekts stets in der soliden Fahrspur. Die der Bergregion. Überdeutlich zeichnete sich ab, dass eine Investoren ahnten jedoch bereits früh, dass sie kaum sinnvolle Streckenführung nur mit einer Hochbrücke über die eine Rendite erwarten konnten, sondern vielmehr Lorzenschlucht möglich war. 1904 stimmte der Kantonsrat einen selbstlosen Beitrag zur Verkehrserschliessung mit 59 gegen 3 Stimmen der Finanzierung eines Brücken- des Kantons Zug geleistet hatten. Text: Ignaz Civelli baus zu. Wegen der finanziellen Tragweite war das Vor- haben noch einer Volksabstimmung unterworfen. Die meist In technischer Hinsicht verlief die Kollaudationsfahrt der aus den Talgemeinden stammenden Brückengegner argu- Elektrischen Strassenbahnen im Kanton Zug (ESZ) desast- mentierten, die Brücke werde teurer als veranschlagt und rös. Am 1. September 1913 sollten Experten des Eisenbahn- es werde Steuererhöhungen geben. Ein in Gedichtform er- departements in Bern die Tramstrecke von Zug nach Ober- gangener Aufruf an die Bevölkerung begann mit dem lau- ägeri und nach Menzingen technisch abnehmen («kollau- nigen Dialektvers «D'Kantonsröt händ jetzt Geld z'versoue dieren»). Der Kollaudationszug mit Fachleuten und ESZ- – Sie möchtid drus es Brüggli boue!» Die überwiegend in Verwaltungsrat entgleiste jedoch dreimal. Bei der letzten den Berggemeinden wohnhaften Befürworter der Vorlage Entgleisung – in Unterägeri – gelang es nicht mehr, den appellierten an die Solidarität der Talgemeinden («Einer Tramwagen wieder auf die Schienen zu setzen, weshalb die für Alle, Alle für Einen»). 1906 entschieden sich 78 Prozent

Passagiere ihre Fahrt mit einem Orion-Bus nach Oberägeri der stimmberechtigen Zuger für das 850 000 Franken teure fortsetzen mussten. Die Festlaune liess man sich jedoch nicht Bauvorhaben. Die Berggemeinden (mit Ausnahme von Neu- nehmen: Im Ochsen in Oberägeri tat man sich an einem heim) verzeichneten Ja-Anteile von bis 96 Prozent (Menzin- Festschmaus gütlich. Die Anforderungen an die technische gen), auch die Stadt Zug stimmte mit 80 Prozent Ja-Stimmen Sicherheit der Strecke scheinen nicht allzu hoch gesetzt wor- wuchtig zu. In den Ennetseegemeinden fand die Vorlage den zu sein, denn wenige Tage nach der Kollaudationsfahrt hingegen keine Gnade. traf ein Telegramm aus Bern ein, in dem es hiess: «Bundesrat gestattet Betriebseröffnung Ihrer Bahn für den Personen- Hohe Zustimmung für Finanzierungsvorlage transport […]». Damit verfügten die Zuger Berggemeinden 1910 war das Bauwerk mit einer Kostenüberschreitung Unter- und Oberägeri und Menzingen endlich über den von 14 Prozent fertiggestellt. Mit dem Brückenschlag über lang ersehnten Bahnanschluss. die Lorzenschlucht war das grösste Hindernis für den Bau Bereits ab 1864 bestand eine Bahnverbindung von Zug einer Strassenbahn aus dem Weg geräumt. Bereits lag nach Luzern und Zürich und ab 1897 auch in Richtung Gott- ein beschlussfertiges Strassenbahnprojekt des damaligen hard. Pläne für eine Bahnverbindung nach dem Berg schei- Kantonsingenieurs Franz Müller vor. Was noch fehlte, war terten letztlich jeweils am topografischen Hindernis Lorzen- die Finanzierung. Die Kosten für den Bau der projektier- tobel. Die Verkehrsanbindung nach Ägeri (ab 1852) und ten Strassenbahn wurden mit 1,9 Mio. Franken budgetiert. Menzingen (ab 1865) wurde zunächst mit der Pferdepost Der Kantonsrat beschloss, 1,2 Mio. durch die Ausgabe von

60 Die Errichtung der Lorzentobelbrücke (1907) und der Bau der Elektrischen Strassenbahnen (1912 – 1913) waren die beiden grössten Infra- strukturprojekte des Kantons Zug in jenen Jahren. Diese Postkarte basiert auf der Photochromtechnik, bei der auf Basis einer Schwarz- weissfotografie mittels eines speziellen Druckverfahrens rasterlose Farbreproduktionen hergestellt werden konnten. Das aufgrund der nachträglichen Farbgebung etwas künstlich wirkende Bild zeichnet durch das hineinretuschierte Tram eine surreal anmutende Idylle des Strassenbahnbetriebs, die es so nie gab.

Obligationen und 700 000 Franken durch die Ausgabe von ESZ-Strecke liegenden Gemeinden zeichneten namhafte Aktien zu finanzieren. Der Kanton selber verpflichtete sich, Obligationenbeträge. Die Zuger Kantonalbank beteiligte für 600 000 Franken Obligationen und für 300 000 Franken sich nach anfänglichem Zögern mit einem Eigenanteil von Aktien zu zeichnen. Wegen der finanziellen Tragweite war 133 500 Franken und die «Bank in Zug» mit 90 000 Franken. erneut eine Volksabstimmung notwendig. Die Fronten und Der Anteil der Zuger Kantonalbank entsprach nahezu dem Argumente waren ähnlich wie bei der Tobelbrücke-Vorla- doppelten Betrag, den der Kanton 1910 für die kantonale ge. Am Abend des 18. Dezember 1910 konnten die Tram- Verwaltung aufwendete, und darf als namhaft angesehen bahnbefürworter aufatmen. Die Vorlage war mit 62 Prozent werden. Zudem erwarb die Kantonalbank 24 ESZ-Aktien mit Ja-Stimmen, die überwiegend aus den Berggemeinden einem Nennwert von 200 Franken pro Stück. Bemerkens- stammten, angenommen worden. Alle an der künftigen werterweise beteiligte sich die dubiose «Bank für Handel &

61 Industrie» nicht an der Finanzierung der Strassenbahn, ob- Dividende ausgeschüttet. Dass die ESZ-Aktie keine Dividen- wohl die Bank in den Ortschaften Zug und Unterägeri über den abwerfen würde, hatte man bereits bei ihrer Emission Niederlassungen verfügte, die ja auch von den ESZ bedient geahnt, wie eine Karikatur im Fasnachtsblatt aus dem Jahr werden sollten. Die Bahn wurde schnell und billig gebaut; 1911 verdeutlicht. acht Tage nach der eingangs erwähnten Kollaudationsfahrt Das Verkehrsaufkommen auf den ESZ ist ein eigentlicher konnte der fahrplanmässige Betrieb aufgenommen werden. Konjunkturspiegel. Die Boomjahre 1918 – 1921 bescherten Eine 1910 angestellte Renditeberechnung stellte für den der Bahn viel Verkehr. Häufig verkehrten verlängerte Kom- Trambahnbetrieb einen jährlichen Betriebsüberschuss von positionen, die aus dem Tramwagen, einem Personenwagen gegen 60 000 Franken in Aussicht. Mit dieser Berechnung und einem Güterwagen bestanden. Vor allem die Sonder- wurde sicherlich eine gewisse Erwartungshaltung geschaf- züge, die die Arbeiter vom Berg zu den Industriebetrieben fen, wie die Gewinn- und Verlustrechnung auszugestalten im Tal transportierten, waren sehr gut ausgelastet. Dank den war. Tatsächlich erzielten die ESZ selbst in wirtschaftlich ESZ war es erstmals möglich, vom Berg zur Arbeit nach Zug schwierigen Zeiten einen Überschuss, in üppigen Jahren und Baar zu pendeln. Die Krisenzeiten von 1921/22 und belief sich dieser auf 100 000 Franken und mehr. Das Geld 1929 – 1933 gingen auch an den ESZ nicht spurlos vorbei. wurde zur Schuldentilgung und für Rückstellungen verwen- Die Industrie verzeichnete ein geringeres Auftragsvolumen det. Die Bahnanlagen wurden unterhalten und das Rollma- und entliess Arbeiter. Zudem brachte das Auto als neuer terial korrekt gewartet. In all den Betriebsjahren versäumte Verkehrskonkurrent die Bahn in Bedrängnis. Eine betriebs- es die Bahnunternehmung jedoch, die Strassenbahn grund- wirtschaftlich gute Zeit für die ESZ waren die Kriegsjahre legend zu modernisieren und zu einer leistungsfähigen 1939 – 1945, weil die private Autokonkurrenz wegfiel und Überlandbahn mit eigenem Trassee auszubauen. die ESZ zahlreiche Militärtransporte durchzuführen hatte. Zur Finanzierung der Bahn legten die ESZ während ihrer Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren erneut vom Betriebszeit insgesamt drei in ihrer Laufzeit sich ablösende Aufschwung geprägt, doch machte sich die Autokonkurrenz Obligationen in einer Stückelung von 500 Franken und zu wieder bemerkbar. 1950 beauftragten die ESZ eine Exper- den jeweils marktüblichen Zinsen (1912: 4 %; 1932: 4 ¼ %; tenkommission zu prüfen, ob die Tramstrecke baulich saniert 1942: 3 ½ %) auf. Die Zinsen wurden den Inhabern jeweils oder auf Autobusbetrieb umgestellt werden sollte. Die für pünktlich ausbezahlt. die Sanierung veranschlagten Kosten von 5 bis 7 Mio. Fran- ken erachtete man als zu hoch. Deshalb wurde 1953 die Aktien ohne Rendite Linie nach Menzingen und 1955 jene nach Ägeri auf Bus- Keine Freude an ihren Wertpapieren hatten hingegen die betrieb umgestellt und die Unternehmung in die «Zugerland Besitzer von ESZ-Aktien. Das Aktienkapital von 700 000 Verkehrsbetriebe» überführt. Franken wurde in Aktien mit einem Ausgabewert von je 200 Franken aufgeteilt. Mit diesem Stückpreis – mehr als einem Keine Sentimentalitäten Monatslohn eines Industriearbeiters – war das Papier kei- Mit der Auflösung der Strassenbahn wurde das gesamte nesfalls eine «Volksaktie», sondern richtete sich an institu- Aktienkapital von 700 000 Franken unter Hinweis auf die tionelle Anleger. Schon bald nach der Ausgabe sank der untergegangenen Bahnwerte abgeschrieben. Die Rech- Wert einer ESZ-Aktie auf rund 130 Franken und verharrte te der Aktieninhaber erloschen. Die Käufer von ESZ-Aktien dort bis zum Jahr 1927. 1928 halbierte sich der Aktienwert hatten also faktisch einen Betrag à fonds perdu an die Ver- gar auf 100 Franken. 1933 schliesslich sackte die Aktie auf kehrsentwicklung des Kantons geleistet. 50 Franken. Ab 1949 bis zur Auflösung der ESZ wurde die In den 42 Betriebsjahren beförderten die ESZ 31,6 Mio. Aktie – wenn überhaupt – nur noch zu einem symbolischen Passagiere, und ihre Züge legten eine Strecke von 7,6 Mio. Wert von einem einzigen Franken gehandelt. Der Grund da- Kilometer zurück, was – zumindest arithmetisch – der 180- für war allerdings nicht darin zu suchen, dass die Anleger fachen Erdumrundung entspricht. In dieser Zeit entgleisten ihr Vertrauen in die Bahnunternehmung grundsätzlich ver- die Züge weit über hundert Mal. Dem alten Tram wurde kaum loren hätten. Vielmehr war das Papier als Investition einfach nachgetrauert. Die Zuger Nachrichten brachten 1955 die nicht attraktiv. In keinem einzigen Jahr wurde nämlich eine Stimmung auf den Punkt: «Ade Bähnli, Grüetzi Autobus!»

62 Die Karikatur aus dem Zuger Fasnachtsblatt «Feuerhorn» von 1911 mit dem Titel «Obligationenpresse» verdeutlicht in humoristischer Art, dass sich die Geldgeber auch etwas gedrängt fühlten, Aktien und Obligationen für den Bau der ESZ zu zeichnen. Die ebenfalls zum Ausdruck gebrachten Zweifel am Dividendenertrag der ESZ-Aktien sollten sich als berechtigt erweisen. Das Schild «Zum Bach» weist auf die kostspielige Überquerung des Lorzentobels hin, sicherlich aber auch auf die Redewendung «den Bach hinuntergehen».

63 Exkurs 7 Wasserversorgung durch Private

Die Frage, ob die kommunalen Versorgungsnetze Die sehr gut besuchte Gemeindeversammlung vom März durch den Staat oder Private erstellt werden sollten, 1878 stimmte dem Konzessionsvertrag mit grossem Mehr zu. prägte die politischen Diskussionen im 19. Jahrhun- Kurz darauf wurde die «Aktiengesellschaft Wasserversor- dert. In den Anfängen waren die Gaswerke und Was- gung Zug» konstituiert. Die Zeichnung des Aktienkapitals von serversorgungen meist in privater Hand, doch kam es 120 000 Franken ging allerdings schleppend. Im Gegensatz aufgrund schlechter Erfahrungen und Auseinanderset- zur Gasversorgung, die fast gleichzeitig gegründet wurde zungen um die Konzession, die Qualität, die Preise und ihr Kapital problemlos beschaffte, erschien die Wasser- oder das Leitungsnetz oft zu nachträglichen Kommu- versorgung offenbar als risikoreiches Geschäft und wenig nalisierungen. Text: Matthias Wiesmann rentabel. Die Bürgergemeinde und die Korporationsgemein- de beteiligten sich nur mit je 2000 Franken am Aktienkapital Auch in der Stadt Zug stellte sich in den 1870er-Jahren die statt des erhofften Gesamtbetrags von 16 000 Franken. Frage, ob die dringend benötigte Versorgung mit ausrei- Einen zusätzlichen Kredit von 80 000 Franken gewähr- chender Menge an gutem Trinkwasser sowie Löschwasser te schliesslich die Bank Hotz & Wyss, deren Besitzer auch von privater Seite oder von der Stadt erstellt und betrieben schon der 7er-Gesellschaft angehört hatten und nun im Ver- werden solle. Sieben Bürger wollten die unbefriedigende Si- waltungsrat Einsitz nahmen. Die Credit-Anstalt Bossard und tuation nicht länger hinnehmen und kauften auf eigene Faust die Sparkassa Zug wollten keine oder nur eine viel geringe- die wasserreichen Nidfurren-Quellen auf dem Gemeinde- re Anleihe gewähren. Zwei Jahre später wurde der Kredit gebiet von Menzingen. Die 7er-Gesellschaft bestand aus mit einer Aktienkapitalerhöhung getilgt, die dank optimisti- Privatpersonen aus der Wirtschaft und Jurisprudenz, die scherer Sichtweise glatt verlief. auch politisch aktiv waren: Zwei von ihnen waren bereits im Stadtrat gewesen und zwei wurden kurze Zeit später in den Spezielle Aktionärsstruktur Stadtrat gewählt, einer sogar in den Regierungsrat. Die auf Warum wählten die Promotoren eine stark durch Priva- 19 Mitglieder aufgestockte «Gesellschaft zur Exploitation te dominierte Organisationsform für die Wasserversor- des Wassers des Nidfurren-Heimwesens» beschäftigte sich gung Zug, wie sie später auch bei der Kantonalbank- ab 1875 mit der Frage, ob die Ableitung des Quellwassers gründung in ähnlicher Weise zur Anwendung gelangte? nach Zug rechtlich zulässig sei, wie die Versorgung tech- Die Stadt konnte und wollte das finanzielle Risiko nicht nisch bewerkstelligt werden könnte und welche Kosten sich tragen, da sie selber kaum über ausreichende Mittel für für eine Wasserversorgung ergeben würden. ein solches Vorhaben verfügte und vor Steuererhöhungen In einem nochmals erweiterten Kreis von interessierten zurückschreckte. Die Finanz- und Baukommission hielt es Bürgern, der sogenannten 85er-Gesellschaft, strebte man jedenfalls «unter den gegenwärtigen Umständen nicht schliesslich die Gründung der Wasserversorgungsgesell- wohltunlich», das Projekt auf eigene Rechnung zu be- schaft an. Die Stadt entschied sich nun definitiv, die An- treiben. Möglicherweise schwang auch eine «liberale» gelegenheit nicht selbst in die Hand zu nehmen, sondern Wirtschaftsgesinnung mit, dass der Staat nicht das volle einer privaten Gesellschaft zu überlassen, gegen Abgabe Unternehmerrisiko tragen sollte. Eine weitere Erklärung der Konzession und einem Betriebsbeitrag von jährlich 5000 sind aber auch die in der Schweiz traditionell guten Be- Franken. Ebenso wurde ein Rückkaufsrecht definiert und die ziehungen zwischen wirtschaftlicher und politischer Elite. Rückvergütung bei Gewinnüberschüssen geregelt. In Zug verschmolzen die beiden Rollen sogar oft in einer

64 Person. Im ersten Verwaltungsrat sassen 1878 neben dem von der Stadt delegierten Regierungsrat und Stadtrat Georg Nussbaumer (ab 1885 Direktor der Credit-Anstalt Bossard) noch die frei gewählten Fürsprecher Josef Stadlin (ab 1880 Stadtrat), Stadtpräsident Franz Hediger, Bankier Alfred Wyss, Mühlenbetreiber Johann Michael Stadlin (auch «Verwalter» der Wasserversorgung), Spinnerei- direktor Klemens Henggeler-Ut(t)inger (ab 1879 Stadtrat) und Kantonsrichter Nikolaus Moos-Siegwart. Die breite Abstützung des Aktionariats, das mehrheitlich aus Zug stammte und selbst Bezüger der Dienstleistungen war, sorgte dafür, dass die Rendite der Aktie und der Was- serpreis in einem Gleichgewicht gehalten wurden. Dieser durch die spezielle Aktionärsstruktur bedingte Ausgleichs- mechanismus erforderte keine weitergehenden staatlichen Eingriffe oder Kontrolle. 1890 übernahm die Wasserversor- gung auch das ebenfalls privat gehaltene Gaswerk. Schon bei der Gründung war ein Aufkauf durch die Wasserversor- Plan (Längsschnitt Ost-West) für die Erweiterung des Wasser- gung oder die Einwohnergemeinde statutarisch vorgesehen reservoirs beim Rötel in Zug, 1880. worden. Bei der Umwandlung der Gesellschaft von 1892 in nen orchestrierte die Zuger Kantonalbank, die lokal für die «Wasserwerke Zug AG» (WWZ) – mittlerweile um die Kanton, Gemeinden und die Privatwirtschaft in diesem Stromversorgung erweitert – blieben die alten Aktionäre Bereich aktiv wurde. dem Unternehmen treu, indem sie die Aktien in solche des Noch heute hat die WWZ 4200 Privataktionäre. An- neuen Unternehmens konvertierten. Die Grundversorgung sonsten sind 30 Prozent der Aktien im Besitz der öffentlichen mit Strom, Gas und Wasser war so einem einzigen privaten Hand und 10 Prozent bei der Ernst-Göhner-Stiftung. Neu Unternehmen überlassen. Schritt für Schritt erweiterte die hält die UBS CEIS, eine langfristig orientierte Anlagegesell- WWZ ihr Netz über die Stadtgrenzen hinaus. schaft für Pensionskassen, 9 Prozent der Aktien. Die für die Schweiz einmalige Konstellation von breit Anleihen von der Kantonalbank gestreuten Beteiligungen am regionalen Versorgungsbe- Im Jahr 1906 erfolgte bei der noch relativ jungen Zuger trieb und an der eigenen Kantonalbank führt jeden Früh- Kantonalbank zur Deckung der angewachsenen Bauaus- ling zum traditionellen Stelldichein der wertschriftenaffi- gaben und zur Konsolidierung der Kontokorrentschulden nen Bevölkerungskreise. An den Generalversammlungen die Kontrahierung eines Darlehens von 1 Mio. Franken auf der WWZ im Theater Casino Zug nehmen regelmässig drei Jahre. Das Darlehen wurde 1910 zurückgezahlt – mit- rund 1400 Aktionäre teil, jene der Zuger Kantonalbank in tels einer Aktienkapitalerhöhung auf 2 Millionen und einer der Bossard Arena werden gar von gegen 3000 Aktionä- Anleihe über 1,5 Mio. Franken. Diese und weitere Emissio- ren besucht.

65 er Bankvorstand wollte von einer evision des Bankgesetes absehen um nach der Spekulationsaffre einer unliebsamen poli- tischen iskussion aus dem Weg u gehen. 1914 – 1927

Aus einem schweren Alptraum erwacht

Trotz eines kurzen Ansturms auf die Bankschalter war die Zuger Kantonalbank glimpflich durch den Ersten Weltkrieg gekommen. Die rigorose Aufarbeitung der «leidigen» Spekulationsaffäre führte aber zu einigen personellen Wech- seln. Der Umzug ins Verwaltungsgebäude symbolisierte einen Neuanfang.

Gegen Ende Juli 1914 zeichnete sich der Kriegsausbruch in Europa immer deutlicher ab. Die Bevölkerung war verängstigt und begann ab dem 25. Juli grosse Abhebungen ab Sparhef- ten und Kontokorrenten vorzunehmen. Am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, was Anfang August zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges und zu einer weiteren Ver- unsicherung der Bevölkerung führte. Bis am 29. Juli erfüllte die Zuger Kantonalbank alle Aus- zahlungsbegehren noch ohne Abstriche. Danach schränkte sie in Absprache mit der Bank in Zug die Kassaöffnungszeiten auf je zwei Stunden vormittags und nachmittags ein. Damit hofften die beiden Banken, den übermässigen Geldbezügen einigermassen entgegenwir- ken zu können. Auf den Plakaten, die die Banken vor ihren Geschäftslokalen aushängten, stellten sie die Reduktion der Öffnungszeiten allerdings als Folge der Einberufung «vieler unserer Beamten in den Militärdienst» dar. Am Samstag, 1. August, artete der Andrang an

Exkurs 8 den Schaltern der Zuger Kantonalbank trotz dieser Massnahmen zu einem eigentlichen Run Die National- aus. Während der heiklen Tage hob die Kundschaft insgesamt eine dreimal höhere Summe bank und der ab, als sie einzahlte. Am 2. August wies die Schweizerische Nationalbank (SNB) in einem Bankrun von 1914 Rundschreiben an die Schweizer Banken mit Nachdruck auf den Ernst der Lage bei der S. 80 Geldversorgung hin. Die SNB «lud» deshalb alle Banken ein, die Rückzahlungen an Privat- personen auf 200 Franken für Kontokorrentkonten und auf 50 Franken für Sparguthaben zu beschränken. An einer gemeinsamen Sitzung beschlossen die Vertreter der beiden Zuger Bankinstitute am 3. August, der Einladung der SNB Folge zu leisten und die Kundschaft wie folgt zu informieren: «Um den Verkehr an den Schaltern in ruhigere Bahnen zu lenken und leicht mögliche unangenehme Auftritte zu vermeiden, wird beschlossen, das Platzkommando zu ersuchen, es wolle jeder Bank zwei Mann als Schutzmannschaft zuteilen.» Das Platz- kommando kam diesem Begehren umgehend nach, und als zwei Soldaten nur immer je zwei Personen in den Schalterraum der Bank hineinliessen, wickelte sich der Verkehr trotz grossem Andrang viel ruhiger ab. Die Auszahlung von Geldern für die Lohnzahlungen der Fabriken und der Gewerbetrei- benden, die nur noch gegen Vorlage der Lohnlisten erfolgten, erforderten grosse Summen und wurden durch den Umstand erschwert, dass weder Kleingeld noch kleine Noten er- hältlich waren. Die Bank sandte daher Anfang August 1914 jeden Tag einen Angestellten nach Zürich, um an den Schaltern der SNB grosse gegen kleine Noten einzutauschen. Dies allerdings mit keinem oder nur geringem Erfolg, obwohl die SNB mit der raschen Emission von 5- und 20-Frankennoten die Kleingeldkrise abzudämpfen versuchte. Der Mangel an Kleingeld und kleinen Noten verstärkte die Beunruhigung des Publikums und das Gedränge

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Aushänge der Zuger Kantonalbank, 1914 Zur Eindämmung des Ansturms auf die Bankschalter kurz vor Kriegsausbruch wurden vorerst die Öff- nungszeiten reduziert. Als Grund schob man den Personalmangel infolge der Mobilmachung vor. Bei der Kundeninformation zur Einschränkung der Auszahlungsbeträge nahm die Bank dann korrekter- weise Bezug auf die dringende Empfehlung der Schweizerischen Nationalbank.

68 an den Bankschaltern, denn die Kunden verlangten vielfach gar keine Rückzüge, sondern wollten lediglich grosse in kleine Noten oder Münzgeld wechseln. Bereits gegen Mitte Au- gust normalisierte sich die Lage. Die zunehmenden Einzahlungen vermochten die Rückzüge mehr und mehr zu kompensieren. Um die Kunden zur Wiedereinzahlung der gehorteten Gel- der zu bewegen, konnten neu einbezahlte Beträge wieder gemäss den reglementarischen Rückzugsbedingungen abgehoben werden. Anfang August 1914 mussten elf Angestellte der Bank, drei Offiziere und acht Soldaten, in den Militärdienst einrücken. Damit fehlte mehr als ein Drittel des Personals, was den Bankbetrieb erheblich belastete. Während des ersten Weltkriegs erhielten die Wehrmänner neben dem Sold keine Verdienstausfallentschädigung. Der Tagessold betrug im Aktivdienst für einen Soldaten 80 Rappen, für einen Korporal, unberitten, 1 Franken, für einen Ober- leutnant 8 Franken und für einen Hauptmann 10 Franken, was vor allem für Familienväter mit kleinem Sold bei weitem nicht ausreichte, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Um diese finanzielle Härte zu mildern, beschloss der Bankvorstand im Oktober 1914, den aktivdienstleistenden Mitarbeitern das bisherige monatliche Gehalt je nach Dienstgrad einstweilen weiterhin mehr oder weniger voll auszuzahlen. Im September 1915 legte der Bankvorstand die Entlöhnung der zur Grenzbesetzung aufgebotenen Angestellten in Über- einstimmung mit anderen Banken schliesslich so fest, dass Ledige die Hälfte und Verheiratete 75 Prozent des Gehaltes erhielten. Ferien für Wehrmänner, die Aktivdienst leisteten, bewillig- te der Bankvorstand hingegen nur ausnahmsweise, da seines Erachtens «dieser Dienst recht wohl als Erholungszeit betrachtet werden kann».

Hypotheken als Hypothek Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat sich auf die schweizerische Wirtschaft und damit auch auf den Geschäftsgang der Zuger Kantonalbank stark hemmend ausgewirkt. Mit dem Kriegsausbruch wurde das Geld knapp. Damit stiegen die Zinsen vor allem im kurzfristigen Geldmarkt. Bei der Anpassung der Zinssätze für Hypotheken hielt sich die Bank jedoch be- wusst zurück und erhöhte diese während des Krieges nur moderat von 4 ½ auf 4 ¾ Prozent. Da in diesem Zeitraum die Zinsen der Kassenobligationen das Niveau der Hypothekarzin- sen erreichten, verlangte diese Zurückhaltung von der Bank einige Opfer ab. Aufgrund der ausbleibenden Nachfrage stagnierten die Hypothekarausleihungen während des Krieges. In den Nachkriegsjahren nahmen sie bis 1927 sogar ab, da die Bank in dieser Zeit wegen der hohen Zinsen und des im Kanton Zug geltenden gesetzlichen Maximalzinsfusses von 5 Prozent für Hypotheken aufgrund der hohen Refinanzierungskosten kein Interesse mehr am Hypothekargeschäft hatte. Zwar umging die Bank das gesetzliche Zinsfussmaximum, indem sie ab Martini 1924 zusätzlich zum Zins von 5 Prozent auf dem Schuldbetrag noch eine Kommission von ¼ bis ½ Prozent erhob. Die Hypothekarschuldner hatten sich mit der Einführung der Kommission unterschriftlich einverstanden zu erklären. Denjenigen, die die Zustimmung verweigerten, drohte die Kündigung. Fast alle Schuldner stimmten der Vertrags- änderung zu. Dieses Vorgehen, das einzelne Rechtsanwälte als rechtswidrig bezeichneten, löste eine Pressepolemik aus, obwohl die Zuger Kantonalbank und die Bank in Zug schon

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1920 bis 1922 gleich vorgegangen waren. Nur beschwerte sich damals niemand darüber. Im zugerischen Einführungsgesetz zum ZGB wurde der Maximalzinsfuss von 5 Prozent übri- gens erst 1970 ersatzlos gestrichen. Ganz wohl schien es den Verantwortlichen der Bank bei der vorstehend beschriebenen Umgehung der Vorschriften über das Zinsfussmaximum aber doch nicht gewesen zu sein. Jedenfalls bevorzugte die Zuger Kantonalbank in dieser Zeit das Geschäft mit grundpfand- rechtlich gesicherten Darlehen, also das indirekte Hypothekargeschäft, bei welchem der Maximalzinsfuss nicht zur Anwendung gelangte. Damit konnte sie in dieser Hochzinsphase doch noch einen angemessenen Zinsertrag erzielen. Die öffentliche Hand schliesslich hatte wegen der kriegsbedingten Erweiterung der Aufgabenkreise zunehmende Kreditbedürf- nisse, was die Ausleihungen an öffentlich-rechtliche Körperschaften auch über den Krieg hinaus ansteigen liess. Auf der Passivseite der Bankbilanz nahmen die Spareinlagen leicht zu, wogegen die Nachfrage nach höher verzinslichen Kassenobligationen kontinuierlich zurückging. Diese Verlagerung dürfte zu einem wesentlichen Teil auf die Erfahrungen der Bankkunden bei Kriegsbeginn zurückzuführen sein. Die Anleger wollten offensichtlich im Bedarfsfall mög- lichst rasch über die angelegten Gelder verfügen können. Der schleppende Geschäftsgang der Bank während des Krieges und in der Nachkriegszeit widerspiegelt sich auch in der

Mitarbeiter der Zuger Kantonalbank, um 1910 Typisch sind die Stehpulte für die schweren Geschäftsbücher.

70 Entwicklung der Bilanzsumme. Diese blieb während des Krieges praktisch unverändert und erhöhte sich danach bis 1927 nur um rund 15 Prozent. Die Verluste und Abschreibungen sowie die Dotierung der Verlustreserve stiegen zwi- schen 1914 und 1922 stark an. Das hatte mehrere Gründe. Wegen der steigenden Zinsen verminderte sich der Wert der von der Bank gehaltenen Obligationen, und die bankeigenen Aktien litten unter Kursverlusten. Das führte zu Abschreibungen auf dem Wertschriftenbe- stand. Ausserdem verursachte die Liquidierung der Spekulationskonten erhebliche Verluste. Daraus resultierte ein Gewinnrückgang und damit eine Reduktion der Dividende zwischen 1913 und 1921 von 7 auf 5 Prozent. Diese stieg erst ab 1922 wieder kontinuierlich und er- reichte 1926 erneut 6 Prozent. Auch aufgrund der Kapitalerhöhung 1913 verfügte die Zuger Kantonalbank aber während der ganzen Periode über eine komfortable Eigenmittelausstat- tung, was ihr bei der Bewältigung der Spekulationsaffäre sehr zugutekam. Wie schwierig die Wirtschaftslage in der Nachkriegszeit war und wie sich das auch auf die Zuger Kantonalbank auswirkte, zeigt sich am Beispiel der damals schon interna- tional tätigen Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company, welche einen ihrer Sitze und bis 1932 auch eine Produktionsstätte in Cham unterhielt. Sinkende Preise und hohe Lagerbestände führten im Jahr 1921 zum ersten finanziellen Verlust der Nestlé & Anglo- Swiss. Das hatte einen massiven Kursrückgang der «Chameraktien» zur Folge. Der Wert dieses Papieres, das viele Zuger aufgrund der regionalen Verankerung der Firma in ihren Portefeuilles hielten, reduzierte sich zwischen 1913 und Ende 1921 von 1760 auf 220 Franken, was zahlreichen Kunden der Zuger Kantonalbank stark zusetzte und die Bank im Dezember 1921 zwang, von einigen Kunden, deren Kredite mit Nestlé-Aktien besichert waren, Nach- deckung zu verlangen. Nicht alle Betroffenen konnten oder wollten dieser Aufforderung Folge leisten, sodass die Bank ihnen die Verwertung der Aktien und die Betreibung für den Ausfall androhen musste.

Aufarbeitung der Spekulationsaffäre Im Rahmen der Strafuntersuchung gegen Wüst und Konsorten tauchten neue Fakten zum Verhalten der leitenden Angestellten der Zuger Kantonalbank in der Spekulationsaffäre auf. Sie mündeten in Gerüchten, wonach die Bilanzen der Bank unrichtig seien und nicht den wirklichen Verhältnissen entsprächen. Der Bankrat liess deshalb im November 1916 die Bücher und den Geschäftsbetrieb der Bank durch den ehemaligen Präsidenten des Direktoriums der Schweizerischen National- bank, Heinrich Kundert, überprüfen. Das im Oktober 1917 abgelieferte Gutachten zeigte erhebliche Verfehlungen der leitenden Organe und zahlreiche organisatorische Mängel im Bankbetrieb auf. Vor allem bei der Gewährung von Kontokorrent-Krediten verletzte die Direktion die bankinternen Vorschriften schwer, indem sie solche Kredite ohne Bewilligung des Bankvorstandes und in grossem Umfang auf Blankobasis erteilte, obwohl das gemäss Gesetz und Reglement nicht erlaubt war. Der Bankvorstand tolerierte dies, obgleich er durch interne Berichte von diesen Krediten Kenntnis hatte. Der Direktor unterliess es auch, trotz ent- sprechender Weisungen des Bankvorstandes notleidende Kreditpositionen mit der nötigen

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Härte zu bereinigen. Der Bericht warf ferner ein schlechtes Licht auf die Revisoren, die die Missstände der Generalversammlung der Aktionäre verschwiegen, obwohl sie davon Kennt- nis hatten. Ein weiteres leidiges Thema waren die Kreditüberschreitungen. Dazu bemerkte Kundert: «Dieser Geschäftszweig bildet als Ganzes ein düsteres Blatt zur Geschichte der Zuger Kantonalbank. Die Gesamtorganisation der Bank, Aufsicht und Verwaltung, steht vor einem förmlichen Schiffbruch, für den alle Instanzen ver- «Die Gesamtorganisation der Bank, antwortlich zu machen sind. Es ist ein Gebilde der Unord- nung, des vollständigen Mangels einer wirksamen Kon- steht vor einem förmlichen Schiff- trolle, einer mangelhaft organisierten Verwaltung, einer bruch, für den alle Instanzen verant- zügellosen Spekulationssucht aller Schichten der Bevölke- rung, das uns hier in seiner hässlichsten Form entgegen- wortlich zu machen sind.» tritt.» Kundert machte zahlreiche Vorschläge zur Verbesse- rung der Organisation der Bank und hielt unter anderem zur Zusammensetzung des Bankrates fest: «Im Verwaltungsrat ist das kaufmännische Element viel zu wenig vertreten. Die Zusammensetzung des Kollegiums darf nicht nach politischen Rücksichten, sondern einzig nach Massgabe der fachlichen Tätigkeit erfolgen.» Diese Aus- sage hat bis heute nichts an Aktualität eingebüsst. Schliesslich bezeichnete Kundert die niedrigen Besoldungsansätze für die qualifizierten Beamten der Bank als «bedauerlich» und führte dazu aus: «Die wahre Sparsamkeit im verantwortungsreichen Bankgeschäft besteht nicht in der Zubilligung niederer Gehalte, sondern in der Anstellung nur tüchtiger Kräfte mit tadellosem Charakter, guter Lebensführung und mit Gehältern, die es dem Inhaber er- lauben, nach einem der Stellung entsprechenden Standing zu leben und für die Tage der Invalidität etwas beiseite zu legen. Das war bis jetzt den verheirateten Hauptangestellten der Bank grösstenteils versagt.» Eine ausserordentliche Generalversammlung im Februar 1918 genehmigte zunächst die bis anhin nicht verabschiedete Jahresrechnung 1916, ohne jedoch den Organen der Bank Decharge zu erteilen. Im Weiteren setzte sie eine fünfköpfige Untersuchungskommission ein, wovon der Kantonsrat zwei Mitglieder zu wählen hatte. Diese hatte die Verantwortlichkeit der Bankbehörden und der Angestellten zu prüfen und der Generalversammlung innert dreier Monate Bericht zu erstatten. Ihre Aufgabe war es also, basierend auf dem Gutachten von Kundert, zu eruieren, ob gegen die Organe und Angestellten der Bank straf- oder zivil- rechtlich vorzugehen sei. Die Kommission kam in ihrem ausführlichen Bericht vom April 1919 zum Schluss, «dass in der Leitung und Verwaltung der Zuger Kantonalbank seit einer Reihe von Jahren viel gesün- digt wurde». Sie verzichtete aber nach sorgfältiger Beurteilung der Rechtslage darauf, der Generalversammlung die Einleitung straf- oder zivilrechtlicher Schritte gegen die Organe und Angestellten zu beantragen. Die ganze Affäre und deren Bereinigung waren für den Geschäftsgang der Bank sehr belastend. Dazu führt der Kommissionsbericht aus: «Beinahe sämtliche Schweizerbanken haben in den vergangenen Kriegsjahren stets steigende Ge- winne erzielt. Für unsere Kantonalbank ergibt sich das betrübende Bild, dass ein Grossteil der Gewinne zur Deckung der Verluste musste verwendet werden und dass dazu die leidige

72 Trustangelegenheit wie ein schwerer Alp eine gedeihliche Weiterentwicklung unserer Bank verhinderte. – So erleiden Kanton und die Aktionäre einen zweifachen Schaden.» An der Generalversammlung vom 30. April 1919 rechtfertigten sich zunächst die Rech- nungsrevisoren und erklärten zu Protokoll, sie hätten ihre Aufgabe voll erfüllt, und Direk- tor Koch verwahrte sich gegen den Vorwurf, er habe Schmiergelder entgegengenom- men. Danach zog die Generalversammlung nach einlässlicher Diskussion juristisch einen Schlussstrich unter diese unschöne Affäre und verzichtete auf rechtliche Schritte gegen die Bankorgane. Sie genehmigte zudem die Geschäftsberichte 1916 und 1917 und erteilte den Organen der Bank Decharge. Dem Bankrat trug sie auf, die zahlreichen notleidenden Kon- ten zu regeln, sich zwecks Revision des Kantonalbankgesetzes mit der Regierung in Ver- bindung zu setzen und inzwischen die im Untersuchungsbericht aufgezeigten Mängel in der Bankorganisation zu beheben. Der Bankrat, der diese Massnahmen umzusetzen hatte, wurde an den Generalversammlungen von 1918 und 1919 personell umfassend erneuert. Der Bankpräsident blieb jedoch im Amt. Durch die umgehende Veröffentlichung des schonungslosen Kundert-Berichts und die klaren Stellungnahmen der Bankorgane konnten die Verantwortlichen der Bank das Vertrau- en der Öffentlichkeit schrittweise wieder zurückgewinnen. Angesichts der brisanten Vorfälle fand die Aufarbeitung der Affäre, die in der Presse ausführlich rezipiert wurde, schweizweit grosse Beachtung.

Der erste Direktor tritt ab Direktor Severin Koch trat auf Ende September 1919 nach rund 28-jähriger Tätigkeit für die Bank aus Alters- und Gesundheitsgründen, wie es offiziell hiess, zurück. Tatsächlich hat der Bankrat ihm den Rücktritt nahegelegt. Bekanntlich war er einer der Hauptverantwortlichen der Spekulationsaffäre. Überdies hatten sowohl Heinrich Kundert wie auch die Untersu- chungskommission in ihren Berichten verlangt, dass die zum Teil gravierenden Organisa- tionsmängel behoben werden sollten. Dem Bankrat war klar, dass eine solche Reorgani- sation mit dem bisherigen Direktor nicht möglich war. Trotz des forcierten Abgangs erhielt Direktor Koch, der bis zur Wahl eines Nachfolgers die Bank interimistisch weiterleitete, auf freiwilliger Basis zu Lasten des Pensionsfonds ein lebenslängliches Ruhegehalt von 6000 Franken pro Jahr. Als Nachfolger Kochs wählte der Bankrat Eugen Rimli aus Frauenfeld, bisher Verwalter der Filiale Romanshorn der Thurgauer Kantonalbank, zum neuen Direktor. Er trat die Stelle Mitte Februar 1920 an. Sein Jahresgehalt betrug 20 000 Franken, und er hatte eine Kaution in derselben Höhe zu leisten. Mit der Reorganisation des Bankbetriebs und der Liquidierung der Spekulationskonten warteten schwierige Aufgaben auf ihn. Im Rahmen der Aufarbeitung der Spekulationsaffäre passte der Bankrat aufgrund der Empfehlung von Kundert auch die Besoldung der Angestellten dem branchenüblichen Stan- dard an und erliess im Dezember 1919 eine Gehalts- und Arbeitsordnung, die sich an das Besoldungsreglement der Zürcher Kantonalbank anlehnte. So konnte die Bank neben dem festen Gehalt auch eine Tantième ausrichten. Diese fiel allerdings so gering aus, dass der

73 Schalterhalle der Zuger Kantonalbank im 1920 bezogenen Verwaltungsgebäude am Postplatz Zur Verfügung stehen Spezialschalter für «Gülten, Darlehen», «Coupons», «Ein & Auszahlungen», «Sparkasse» und «Obligationen».

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einzelne Mitarbeiter lediglich einen mickrigen Betrag erhielt. Gemäss Arbeitsordnung hat- ten die Angestellten an allen sechs Werktagen von 08.00 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr zu arbeiten. Je nach Tätigkeit und Dienstalter hatten sie Anspruch auf 12 bis 21 Werktage bezahlte Ferien pro Jahr. 1921 führte der Bankrat zur Freude der Angestellten den freien Samstagnachmittag ein. Der komplett freie Samstag folgte erst 1964.

Neuer Sitz, neues Verwaltungsreglement 1912 bis 1915 errichtete der Kanton auf der Südseite des unteren Postplatzes in Zug an der Stelle des Hotels Bellevue und des Stadttheaters ein von den Architekten Dagobert Keiser und Richard Bracher entworfenes Verwaltungsgebäude. 1920 konnte die Bank nach längeren Verhandlungen mit dem Kanton für dieses Haus einen langfristigen Mietvertrag abschliessen und im Oktober vom Postgebäude ins Verwaltungsgebäude umziehen. Dort verfügte sie über praktische Räume an nach wie vor sehr zentraler Lage, die – ironischer- weise – zuvor die in die Trustaffäre involvierte Bank für Handel und Industrie gemietet hatte. Die Zuger Kantonalbank belegte in diesem Haus das Erdgeschoss, in dem sich die Schalter befanden, das erste Obergeschoss sowie einen Teil des Untergeschosses, wo sie die Tresor- anlage unterbrachte. Die Jahresmiete betrug anfänglich 20 000 Franken, ohne Nebenkos- ten. Die Zuger Kantonalbank konnte später im Verwaltungsgebäude noch weitere Räume hinzumieten und blieb dort, bis sie 1958 den damals neu erstellten Hauptsitz am Postplatz beziehen konnte. Die Generalversammlung vom 30. April 1919 hatte entsprechend den Anträgen der Untersuchungskommission den Bankrat beauftragt, «zwecks Revision des Bankgesetzes und der einschlägigen Reglemente sofort mit der Regierung in Beziehung zu treten». Nach dem Dienstantritt des neuen Direktors ging der Bankrat an diese Aufgabe heran. Der Bank- vorstand, der das Geschäft vorbereitete, wollte allerdings zu jenem Zeitpunkt von einer Gesetzesrevision möglichst absehen. Die Gründe für diese Haltung sind aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Vermutlich wollte er so kurz nach der Spekulationsaffäre einer unliebsamen politischen Diskussion aus dem Weg gehen. Es sollte also in erster Linie das Geschäfts- und Verwaltungsreglement so überarbeitet werden, dass es das Bankgesetz in den revisions- bedürftigen Bestimmungen passend ergänzte und damit eine Gesetzesrevision vermieden werden konnte. Nach Ansicht des Bankvorstandes galt es insbesondere, den Blankokredit genauer zu regeln und die Aufgaben und Funktionen der Bankorgane präziser zu umschrei- ben. Der Bankrat verabschiedete am 26. April 1921 das gemäss diesen Vorgaben revidierte Geschäfts- und Verwaltungsreglement. Anschliessend genehmigten die Generalversamm- lung und der Regierungsrat das neue Reglement, womit es in Kraft trat. Damit entsprachen die regulatorischen Grundlagen der Bank auch ohne Gesetzesrevision wieder den Anfor- derungen der Zeit.

Poker um Vertretung der Schweizerischen Nationalbank Seit der Eröffnung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) war die Zuger Kantonalbank deren Korrespondentin und nahm zusammen mit den Poststellen einen Teil des Bargeldaus-

76 Anzeige der Zuger Kantonalbank, 1929 Die Bank konnte im ganzen Kanton Zug ein engmaschiges Netz für ihre Dienstleistungen anbieten. Sie stützte sich dabei auch auf Privatpersonen, die die Bankgeschäfte im Nebenamt abwickelten.

77 1914 – 1927

gleiches vor. 1926 bezeichnete die SNB neben der Zuger Kantonalbank auch die Bank in Zug als Korrespondentin für die Plätze Zug und Baar. Die Zuger Kantonalbank war ob der neuen Konkurrenz wenig erfreut und bemühte nun das Bundesgesetz über die SNB, das es jedem Kanton erlaubte, die Eröffnung einer Agentur einzufordern. Die Regierung unterbreite- te der SNB Ende 1926 deshalb das Gesuch, der Zuger Kantonalbank die Führung einer neu zu errichtenden kantonalen Agentur zu übertragen. Die SNB entsprach diesem Anliegen und eröffnete im Mai 1927 die erwünschte Agentur in Zug. Die Bank in Zug war wieder aus dem Feld geschlagen, da die Korrespondentenmandate damit hinfällig geworden waren. Seither führt die Zuger Kantonalbank diese Zweigstelle der SNB und ist in dieser Funktion bis heute für die Bargeldversorgung des Kantons Zug zuständig. Die anderen Banken auf dem Platz sowie die Post bedienen ihre Bargeldbedürfnisse über diese Nationalbankagentur. Gemäss aktuellem Vertrag mit der SNB obliegt der Zuger Kantonalbank als Agentin zudem die Einlösung von Coupons und Titeln, für welche die SNB offizielle Zahlstelle ist. Die Bedeutung des Bargeldes als Zahlungsmittel hat seit der Eröffnung der SNB-Agentur in Zug stark abgenommen. Noch in der 1950er- und 1960er-Jahren pflegten allerdings sehr viele Kunden speziell an Samstagen, bei der Zuger Kantonalbank von ihren Sparheften grössere Beträge bar abzuheben, um anschliessend in der benachbarten Hauptpost ihre Rechnungen zu begleichen und sich die Einzahlungen mit einem Stempel im unverwüstlichen Postbüchlein quittieren zu lassen. Am Abend brachte ein Kurier der Post all das Bargeld, das die Kunden während des Tages bei der Bank abgehoben und in der Post wieder eingezahlt hatten, der Zuger Kantonalbank in ihrer Funktion als SNB-Agentur zurück. Der heute übliche bargeldlose Zahlungsverkehr erübrigt zum Glück einen solch ineffizienten und mit Gefahren verbundenen Geldkreislauf.

78 Exkurse 8 und 9

Die Nationalbank musste sich vorwer- fen lassen, die Panik durch die Ein- schränkung der Bankbezüge verschärft zu haben.

8. Die Nationalbank und der Bankrun von 1914 S. 80

Behaglich warm waren die Zimmer im Asyl aber auch mit Zentralheizung nicht. Für die Schlafzimmer waren 12° C bis maximal 18° C vorgesehen.

9. Eine Heizung für das Asyl in Baar S. 82

79 Exkurs 8 Die Nationalbank und der Bankrun von 1914

Bankruns können ein ganzes Finanzsystem sehr schnell Metallgeld rechnen, da dieses in Krisenzeiten als wertbe- mit gravierenden Folgen aus dem Gleichgewicht brin- ständiger galt als Banknoten. Das Direktorium traf sich noch gen. Seit ihrer Gründung musste die Schweizerische am 28. Juli zu einer Krisensitzung. Es musste die psycho- Nationalbank verschiedene Male intervenieren, um logisch heikle Frage klären, ob das Publikum stärker durch das Finanzsystem zu stabilisieren. Ihr Eingreifen war eine Einschränkung der Goldabgabe oder durch sinkende auch beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs gefragt. Goldreserven der Notenbank beunruhigt werden würde. Im Text: Dominique Baumann und Patrick Halbeisen Unterschied etwa zur Bank of England hielt das Direktorium sofortige drastische «Massnahmen zum Schutze des Metall- Ein Bankrun entsteht, wenn viele Kunden in kurzer Zeit ihre bestandes der Bank [als] unerlässlich». Einlagen abziehen wollen, weil sie befürchten, dass die Am 29. Juli kam es in mehreren Schweizer Städten zu betreffende Bank nicht mehr allen ihren kurzfristigen For- einem Ansturm auf die Banken. In der Folge erklärte der derungen nachkommen kann. Die Kunden wissen, dass die Bundesrat am 30. Juli die Banknoten zu gesetzlichen Zah- Wahrscheinlichkeit, zu ihrem Geld zu kommen, am gröss- lungsmitteln und enthob damit die Nationalbank von der ten ist, wenn sie zu den Ersten gehören, die sich ihr Gut- Pflicht, Banknoten in Gold und Silber einzulösen. Die Auf- haben in Bargeld auszahlen lassen. Wenn mehrere Banken hebung der Einlösepflicht war in der Schweiz ohne grösse- gleichzeitig von einem Run betroffen sind, spricht man von re Probleme möglich, weil die Behörden als Ersatz für die einer Bankenpanik. Der Grund für einen Bankrun sind die silbernen Fünfliber und die goldenen Zehn- und Zwanzig- Fristigkeiten: Während die Spargelder sofort in allgemein franken-Vreneli Banknoten bereitgestellt hatten. Für den Prä- anerkannte Zahlungsmittel umgewandelt werden müssen, sidenten des SNB-Direktoriums, Heinrich Kundert, war näm- kann die Bank ihre in Form von Krediten ausgeliehenen Gel- lich klar, dass im Falle einer Panik nicht genügend Gold- und der nicht sofort zurückrufen, was zu temporärer Illiquidität Silbermünzen vorhanden sein würden. Banknoten wurden führen kann. damals nicht im Alltag verwendet, dafür war der Wert der kleinsten Note mit 50 Franken zu hoch. Er überzeugte daher Kriegsausbruch destabilisiert das Finanzsystem den Bundesrat bereits 1912, dass neben den bereits in Auf- Nach dem Attentat auf den österreichisch-ungarischen trag gegebenen 20-Franken-Noten auch noch 5-Franken- Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Ehefrau Noten hergestellt werden sollten. Der Bund überliess der Sophie in Sarajevo am 28. Juni 1914 war die politische Lage Nationalbank zudem als Kriegsreserve die 1899 gedruckten in Europa äusserst angespannt. Am 27. Juli, einen Tag vor Bundeskassenscheine (Banknotensubstitut vor Gründung der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, muss- der Nationalbank) im Wert von 5, 10 und 20 Franken. te die Börse in Zürich wegen Panikverkäufen geschlossen Die Nationalbank gewährte den Banken angesichts der werden. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte zur bis Krise zwar grosszügig Liquidität, indem sie von ihnen ge- damals grössten globalen Finanzkrise. Die Nationalbank wisse Wertpapiere übernahm, die sie in ruhigen Zeiten nicht sah sich angesichts dieser Lage vor eine schwierige Situa- akzeptiert hätte. Gleichzeitig schränkte sie aber den Zah- tion gestellt, weil das damalige Währungssystem den Um- lungsverkehr ein, um den gesetzlich vorgeschriebenen De- tausch von Banknoten in Gold- und Silbermünzen garantier- ckungsgrad der Banknoten in Metall nicht zu gefährden. So te (Goldstandard). Sie musste also nicht nur mit verstärkten verlangte sie am 1. August von den Banken mit Nachdruck, Rückzügen von Guthaben, sondern auch mit einem Run auf dass sie ihre Öffnungszeiten reduzierten. Am 2. August wies

80 kung der Bankbezüge ver- schärft hatte. Es gehört zu den Auf- gaben des Staates und insbesondere der Zentral- bank, das Finanzsystem vor einem durch einen Bankrun verursachten Kollaps zu schützen. Tritt der Fall ein, dass eine Bank, die zwar grundsätzlich noch zah- lungsfähig ist, jedoch zu wenige flüssige Mittel auf- weist, stellt die Zentralbank Liquidität gegen Sicher- Grosser Andrang vor der damaligen Schalterhalle der Nationalbank in Zürich, August 1914. heiten zur Verfügung. Die Bank kann dadurch weiter- sie die Banken an, Privaten nicht mehr als 200 Franken aufs hin Gelder auszahlen, sodass sich die Situation eventuell Mal von Depotkonten und 50 Franken von den Sparguthaben wieder beruhigt und die Bank saniert werden kann. Gesetz- auszuzahlen. Überdies sollten Unternehmen Zahltagsgelder liche Vorschriften über die Höhe von eigenen und liquiden nur nach Massgabe der Lohnlisten beziehen dürfen. Am Mitteln und Vorkehrungen zum Gläubigerschutz wie Staats- 14. August erliess der Bundesrat auf Antrag des Eidgenössi- garantie, Fälligkeitsaufschub und Einlageversicherungen schen Finanzdepartements und der Nationalbank einen all- sind weitere Massnahmen, um die Wahrscheinlichkeit eines gemeinen Rechtsstillstand. Dadurch mussten die Schuldner Bankruns zu verringern. bis auf Weiteres ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, Der Sturm auf die Banken und die Zahlungskrise zu Be- was den Druck auf die Banken weiter verminderte. Einige Ta- ginn des Ersten Weltkriegs führten aber noch nicht zu einem ge später war die Krise im Zahlungsverkehr ausgestanden. Bankengesetz mit einem entsprechenden Gläubigerschutz. Julius Landmann, Professor für Nationalökonomie an der Uni- Gläubigerschutz lässt auf sich warten versität Basel und Berater des Eidgenössischen Finanz- Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte in den Worten departements, verfasste 1917 zwar einen Entwurf, der aber des Präsidenten des Direktoriums der Nationalbank zu nicht umgesetzt wurde. Erst die Bankenkrise während der einem «Ansturm über die Bank […], der seinesgleichen in 1930er-Jahre, die der öffentlichen Hand, den Aktionären und der Finanzgeschichte des Landes nicht hat». Mittels dras- den Gläubigern grosse Verluste einbrachte, führte zu einem tischer Massnahmen gelang es der Nationalbank und ersten Bankengesetz auf Bundesebene. In der Folge zeigten den Bundesbehörden, die Krise in verhältnismässig kurzer kleinere und grössere Bankenkrisen und vor allem diejenige Zeit zu meistern. Allerdings musste sich die Nationalbank von 2008, dass die Verhinderung von Bankruns eine zentrale vorwerfen lassen, dass sie die Panik durch die Einschrän- Aufgabe der Notenbank und des Staates bleibt.

81 Exkurs 9 Eine Heizung für das Asyl in Baar

Das 19. Jahrhundert brachte politische Revolutionen, Kranken waren in zwei grösseren und zwei kleineren Zim- mit der einsetzenden Industrialisierung einen rasanten mern untergebracht. Ein Speisesaal, eine Küche, Arbeits- wirtschaftlichen Wandel und gesellschaftliche Erschüt- und Badezimmer sowie ein Wohnzimmer für die leitenden terungen wie die neue Massenarmut der Fabrikarbei- Menzinger Schwestern komplettierten das Raumprogramm. ter und -arbeiterinnen. Gerade im Bereich der Armen-, Die Zimmer waren spartanisch eingerichtet, nicht elektrifi- Kranken- und Altersfürsorge waren der junge Bundes- ziert und nur rudimentär beheizt. Letzteres dürften die Be- staat und die Kantone zunächst nicht in der Lage, wohner besonders gespürt haben, waren doch die Winter die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen. der 1890er-Jahre mit ihren stationären Hochdruckgebieten Soziale Verantwortung übernahmen Privatpersonen, über Nordeuropa, die an der Ostflanke kalte Luftmassen kirchliche und gemeinnützige Organisationen und ab nach Mitteleuropa führten, extrem unangenehm. Im Winter dem frühen 20. Jahrhundert vereinzelt auch Unterneh- 1894/95 liessen wochenlange Minustemperaturen Zuger- men wie die Zuger Kantonalbank. Text: Philippe Bart und Zürichsee komplett zufrieren. In den folgenden Jahren gewährte man den Asylbe- Durch die erste Revision des kantonalen Bankgesetzes war wohnern punktuell mehr Komfort, so 1897 mit der Elektri- es 1898 möglich geworden, einen Teil des jährlichen Rein- fizierung des Gebäudes. 1905 prüfte der Bürgerrat erstmals gewinns an gemeinnützige Organisationen oder direkt an den Einbau einer Zentralheizung und wälzte Gedanken zu karitative und soziale Projekte auszuschütten. Die Zuger einem Ausbau der chirurgischen Abteilung und zur Beschaf- Kantonalbank unterstützte vorwiegend Institutionen im Für- fung der dazu nötigen Mittel. sorge- und Gesundheitswesen, etwa das Asyl in Cham, die Zuger Kinderheilstätte Heimeli in Unterägeri oder das Fe- Prominente Fürsprecher bei der Kantonalbank rienheim Horbach am Zugerberg. Immer wieder und über Finanzielle Unterstützung erhielt die Bürgergemeinde von einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten von Zuwendungen Privatpersonen, die im Asyl ihren Lebensabend verbrach- profitieren konnte das Armen-, Alters- und Krankenasyl in ten, und wiederholt von der Zuger Kantonalbank. Die Bank Baar. Deshalb sei es an dieser Stelle als Beispiel etwas aus- sprach von 1907 bis 1909 einen jährlichen Beitrag von 300 führlicher dargestellt. Franken in einen für den Zentralheizungsbau angelegten Durch ein privates Legat war die Bürgergemeinde Baar Reservefonds. Von 1910 bis 1913 gab es jährlich je 100 Fran- zu Beginn der 1890er-Jahre in der Lage, die schon seit 1852 ken, wobei nur noch 1911 mit dem Anbau einer Veranda an bestehende Vision eines Armen-, Alters- und Krankenasyls das Asylgebäude ein konkreter Verwendungszweck ange- zu verwirklichen. Aus Kostengründen verzichtete man auf geben wurde. Prominente Türöffner bei der Kantonalbank eine getreue Umsetzung der Pläne des Zuger Architekten waren die Baarer Politiker Josef Leonz Schmid (1854 – 1913) Dagobert Keiser (1847 – 1906). Wer aber infolge Alter, und Josef Plazidus Steiner (1852 – 1941), beide langjährige Krankheit oder einem Unfall von der öffentlichen Armen- Bürgerpräsidenten und beide von der Gründung 1892 bis pflege abhängig wurde, erhielt nun eine Zufluchtsstätte mit 1913 respektive bis 1918 Mitglieder im Bankrat. In ihrer Lauf- einer minimalen ärztlichen Betreuung. bahn bekleideten Schmid und Steiner zahlreiche Ämter in 1894 nahm das Asyl am Steinhauser Kirchweg den Be- der Exekutive und in der Legislative auf allen staatlichen trieb auf. Den gesunden Bewohnern standen in zwei ge- Ebenen bis hinauf in die eidgenössischen Räte, oft auch trennten Schlafsälen je zehn Betten zur Verfügung, die zeitgleich.

82 und 20° C in den Baderäu- men, die übrigen Aufent- haltsräume und Schlafzim- mer hätten aber nur auf 12

bis maximal 18° C beheizt werden können. Neben den Gebrüdern Sulzer kamen die Johann Müller Zentralheizungen AG aus dem zürcherischen Rüti und mit der 1900 gegründeten Schlosserei der Gebrüder Gysi auch eine einheimi- sche Firma in die engere Auswahl. Die beiden erst- genannten Unternehmen besassen ein nationales Renommee, lagen in ihren Das alte Baarer Asyl am Steinhauser Kirchweg vor der Erweiterung von 1913. Eingaben aber leicht über den budgetierten 3400 1913, ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, Franken. Und für die Gebrüder Gysi sprach auch der Heim- hatte die Bürgergemeinde die nötigen Mittel für den Einbau vorteil: Die Baukommission anerkannte, dass sich «letztere einer Zentralheizung und für die angestrebte Erweiterung Anfängerfirma Mühe geben will und die Zusicherung gibt, beisammen. Die kranken Insassen sollten von den Gesun- ebenfalls eine prima Anlage herzustellen». Sie vergab den den separiert, die Krankenstation modernisiert und in einem Auftrag an das ortsansässige Unternehmen. Neubau mit zwölf Patientenzimmern, einem Operations- Im Asyl folgte 1927 mit dem Einbau einer Röntgenanlage zimmer sowie weiteren Bade- und Nebenräumen unter- der nächste Ausbauschritt in Richtung Spital. Die Kantonal- gebracht werden. Die Leitung übertrug der Bürgerrat dem bank sprach ein letztes Mal einen Beitrag von 200 Franken. Baarer Baumeister Franz Hotz (1882 – 1955). Die Spitäler wurden nun auf der Basis des seit 1926 gel- tenden Gesetzes über das Gesundheitswesen vom Kanton Zusicherung für eine «prima Anlage» Zug unterstützt, der Neu- oder Umbauten und chirurgische Im August 1913 traf bei der Baukommission eine Offerte der Einrichtungen subventionierte. Gebrüder Sulzer für eine Warmwasserheizungsanlage ein. Nach einer 80-jährigen Betriebsdauer wurde das Asyl Die Winterthurer Traditionsfirma war in diesem Bereich füh- 1974 geschlossen. Für die Kranken- und Altersfürsorge er- rend. Allzu behaglich warm sollte man sich die Zimmer im gaben sich mit dem Akutspital und dem Altersheim Bahnmatt Asyl aber auch mit Zentralheizung nicht vorstellen: Die Ge- neue Perspektiven. 1978 wichen die alten Asylgebäude dem brüder Sulzer versprachen zwar 30° C im Operationszimmer Neubau der Blindenschule Sonnenberg.

83 ie Kantonalbank og aus der iquidation ihrer lokalen Konkurrentin keinen grsseren uten da sich stattdessen die schweiweit agierende Kreditanstalt breitmachte. 1928 – 1945

Dienerin zweier Herren

Nachdem sich das Volk nur ganz knapp gegen eine Verstaatlichung der Zuger Kantonalbank ausgesprochen hatte, sah das revidierte Kantonalbank- gesetz eine Stärkung des Kantonseinflusses vor. Mit Filialeröffnungen in Baar, Cham und Unterägeri festigte die Bank ihre Präsenz in den Stammlanden.

Kaum hatten sich die Wogen der Spekulationsaffäre etwas geglättet, geriet die Zuger Kantonalbank gegen Ende der 1920er-Jahre erneut in einen politischen Strudel und erfuhr dabei mehr mediale Aufmerksamkeit, als ihr lieb war. Nach einem Referat von Dr. Carl Rüt- timann, dem Anwalt der durch die Trustangelegenheit geschädigten Anleger, der in diesem Zusammenhang mehrere Prozesse gegen die Zuger Kantonalbank geführt hatte und der nun dem Kantonsrat angehörte, beschloss ein freisinniger «Volkstag» Anfang 1927, eine Volksinitiative auf Umwandlung der Zuger Kantonalbank in eine Staatsbank zu lancieren. Im Wesentlichen wollte diese Initiative allen Kantonseinwohnern ein Recht auf Kredit einräumen und die bisher gemischtwirtschaftlich geführte Kantonalbank ins Allgemein- eigentum des Kantons überführen. Das Volksbegehren verlangte zudem die Wahl der Mit- glieder und des Präsidenten des Bankrats nach dem damals gültigen Proporzsystem durch das Volk. Bei der Beratung der Anfang 1928 eingereichten Initiative im Kantonsrat wiesen die Initiativgegner auf die grossen finanziellen Leistungen der Bank zugunsten des Kantons hin und warnten vor den hohen Entschädigungszahlungen, die der Kanton bei einer Verstaat- lichung der Bank an die Privataktionäre zu leisten hätte. Sie gaben auch zu bedenken, dass ein allgemeines Recht auf Kredit für die Geschäftsführung der Bank unabsehbare negative Folgen hätte und die Volkswahl des Bankrates und des Bankpräsidenten ein schweizeri- sches Unikum darstellen und zu einer Verpolitisierung der Bank führen würde. Im Namen der Initiativbefürworter kritisierte Rüttimann die zu hohen Hypothekarzinsen der beiden Zuger Bankinstitute und war überzeugt, die neue Staatsbank könnte mit staatlichen Mitteln günstigere Kredite gewähren. Die Beschaffung der für die Abgeltung der Privataktionäre nötigen Mittel erachtete er als unproblematisch und war überzeugt, dass ein Staatsinstitut dem Kanton noch höhere Erträge erbringen würde. Das Recht auf Kredit stellte er auf die- selbe Ebene wie das Recht auf persönliche Freiheit und das Recht auf Eigentum. Nach eingehender Diskussion beschloss der Kantonsrat mit 33 gegen 24 Stimmen, die Initiative dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Dem Abstimmungssonntag am 9. September 1928 ging ein sehr hitziger Abstimmungskampf voraus, bei dem sich die Kontrahenten nichts schuldig blieben. Die beiden zugerischen Parteiblätter, die konservativen Zuger Nachrichten und das freisinnige Zuger Volksblatt, räumten der Berichterstattung breiten Raum ein und vertraten die Position ihrer jeweiligen Partei mit seltener Vehemenz. Das Abstimmungsresultat fiel schliesslich denkbar knapp aus. Bei einer Stimmbeteiligung von 70,47 Prozent verwarfen die Stimmbürger die Initiative mit 2506 Ja- gegen 2714 Nein-Stimmen.

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Abstimmungsplakate zum revidierten Kantonalbankgesetz, 1929 Das Nein-Lager wollte mit der Ablehnung eine Verstaatlichung erzwingen, den Befürwortern ging es um den «Bankfrieden».

86 Damit war das Thema aber noch nicht erledigt. Bereits am Abend des Abstimmungs- tages legten die Anhänger einer Staatsbank eine neue Volksinitiative zur Unterzeichnung auf, die die Kündigung der Staatsgarantie per Ende 1930 und die anschliessende Übernah- me der Bank durch den Kanton verlangte. Mit 1648 Unterschriften kam auch diese Initiative zustande. Zur gleichen Zeit hielt der Kantonsrat aufgrund einer Motion die Regierung an zu prüfen, wie in der Kantonalbankgesetzgebung «den zu Tage getretenen Bedürfnissen der verschiedenen Erwerbsgruppen und den Interessen des Kantons und der Gemeinden» noch mehr entsprochen werden könnte. Auf die Volksinitiative betreffend Kündigung der Staatsgarantie trat der Kantonsrat mit Mehrheitsbeschluss nicht ein, da eine solche Kündigung ein Verwaltungsakt sei, der in die Kompetenz des Regierungsrates falle. Es handle sich bei diesem Begehren um eine Petition, der mit der angestossenen Revision des Kantonalbankgesetzes Folge geleistet worden sei. Auf einen von den Initianten gegen diese Art der Erledigung erhobenen staatsrechtlichen Rekurs trat das Bundesgericht Ende Dezember 1929 nicht ein. Damit war auch die zweite Kantonalbankinitiative vom Tisch.

Die Totalrevision des Bankgesetzes von 1929 Aufgrund parlamentarischer Vorstösse arbeitete der Regierungsrat unter Mitwirkung einer fünfköpfigen Kommission von Privataktionären in kurzer Zeit ein total revidiertes Bankgesetz aus. In der Schlussabstimmung hiess der Kantonsrat das neue Kantonalbankgesetz mit 38 gegen 10 Stimmen gut. Da die Anhänger der Staatsbankidee dagegen das Referendum ergriffen, konnte das Stimmvolk Ende Dezember 1929 über dieses Gesetz abstimmen und hiess es bei einer Stimmbeteiligung von rund 43 Prozent mit 1974 Ja- gegen 1303 Nein-Stim- men deutlich gut. Dieses eindeutige Resultat war sicher auch darauf zurückzuführen, dass sich einzelne prominente Freisinnige vor der Abstimmung für das neue Kantonalbankgesetz ausgesprochen hatten. Auch die Generalversammlung der Aktionäre stimmte der Gesetzes- änderung mit überwältigendem Mehr zu. Damit konnte das neue Kantonalbankgesetz am 1. Januar 1931 in Kraft treten. Interessant ist, wie sich die Privataktionäre im Hinblick auf diese Gesetzesänderung or- ganisierten. Sie versammelten sich auf Einladung ihrer Vertreter im Bankrat während des Gesetzgebungsprozesses mehrmals und instruierten die von ihnen ernannten Vertreter in der fünfköpfigen Kommission der Privataktionäre. Bemerkenswert war die Taktik der Privataktio- näre, die von einem für sie grossen finanziellen Vorteil sprachen, wenn die Bank verstaatlicht würde. Sie wussten jedoch genau, dass eine einmalige Abfindung nie die Rendite einer Be- teiligung an einer weiterhin prosperierenden Bank aufwiegen würde. In der Differenzbereini- gung erreichten sie mit dieser «Opferrolle» aber immerhin die Einräumung einer bisher nicht vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit des Gesellschaftsvertrags auch für die Privataktionäre. Zudem verhinderten sie eine Änderung bei der Gewinnverteilung und bei der Berechnung des Rückkaufwerts der Aktien im Falle einer späteren Verstaatlichung zu ihren Ungunsten. In diesem Zusammenhang interessiert auch, wie die damals 5000 Inhaberaktien der Privataktionäre verteilt waren. Gemäss einer fast vollständigen Liste, die die Bank 1927 im

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Zusammenhang mit dem Bezug neuer Couponbögen erstellte, hielt der weitaus grösste Teil der schätzungsweise gut 500 Privataktionäre fünf oder weniger Aktien. Nur rund ein Fünftel der Aktionäre besass zehn und mehr Aktien. Die beiden grössten Aktionäre verfügten über 236 bzw. 200 Aktien. Dann folgten drei Aktionäre, die zwischen 141 und 176 Aktien hielten. Der Aktienbesitz war mithin schon damals breit gestreut. In materieller Hinsicht nahm die Gesetzesrevision viele Anliegen der Gegner des ge- mischten Systems auf. Generell stärkte das neue Gesetz die Stellung des Kantons. Damit setzte sich nach der Gesetzesrevision von 1912 die Gewichtsverschiebung zugunsten des Kantons fort. So konnte der Kanton nun fünf statt bisher vier der neun Bankräte ernennen. Zudem wurde das Stimmrecht des Kantons in der Generalversammlung verbessert. Der Kan- ton hatte neu grundsätzlich das gleiche Stimmrecht wie jeder andere Aktionär, nur durfte er, wie alle übrigen Aktionäre auch, nicht mehr als den fünften Teil der sämtlichen vertrete- nen Stimmrechte auf sich vereinigen. Diese Regelung gilt bis heute und entsprach damals exakt den entsprechenden Bestimmungen im Obligationenrecht. Im Weiteren konnte ent- sprechend dem geänderten Zweckartikel das kreditsuchende Publikum besser befriedigt werden, indem auf die Landwirtschaft, die Arbeiter, die Handwerker und das Gewerbe besondere Rücksicht zu nehmen war. Bei der Kündigung des Vertragsverhältnisses durch einen der beiden Kontrahenten ging die Bank an den Kanton über, der den Privataktionären in diesem Fall den inneren Wert der Aktien zu vergüten hatte. Eine solche Kündigung war erstmals nach 15 Jahren möglich, um der Bank nach all den politischen Querelen Zeit für eine gedeihliche Entwicklung einzuräumen. Die Kündigung der Staatsgarantie durch den Kanton war übrigens nach Ablauf dieser 15-jährigen Frist und auch seither kein Thema mehr. Zahlreiche im Kantonalbankgesetz von 1929 eingeführten Neuerungen sind auch heute noch im Bankgesetz enthalten.

Kampf ums Hypothekargeschäft Die Weltwirtschaftskrise, die 1929 durch den Kurssturz an der New Yorker Börse ausgelöst worden war und bis zum Zweiten Weltkrieg dauerte, führte in verschiedenen Ländern zu politischen Umwälzungen und weltweit, so auch in der Schweiz, zu einem schleppenden Wirtschaftsgang und hoher Arbeitslosigkeit. Auch die stark exportabhängige zugerische Industrie bekam die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ab 1931 voll zu spüren. Erst mit der Abwertung des Schweizer Frankens 1936 verbesserte sich die Situation etwas. Die Krisenjahre und der Zweite Weltkrieg wirkten sich naturgemäss auch auf den Ge- schäftsgang der Zuger Kantonalbank aus. Die Bilanzsumme stieg im Zeitraum 1928 bis 1939 stetig, aber verglichen mit früheren Perioden eher verhalten von 67 auf 91 Mio. Fran- ken, was einem Jahresdurchschnitt von rund 3 Prozent entspricht. In den Kriegsjahren 1939 bis 1945 ging das Wachstum dann auf nur noch durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr zu- rück, womit die Bilanzsumme 1945 rund 100 Mio. Franken betrug. Aufgrund des sinkenden Geldbedarfs sowohl der öffentlichen Hand wie auch der Wirtschaft verflüssigten sich der Geld- und der Kapitalmarkt ab 1928 zusehends. So glitten die Zinsen für Spareinlagen bis zum Kriegsende sukzessive von 4 auf 2 ½ Prozent und die Hypothekarzinsen von 5 auf 3 ¾

88 Prozent zurück. Auf der Passivseite der Bankbilanz hielt die Umlagerung von den Kassen- obligationen hin zu den Spareinlagen an. Auf der Aktivseite lieh die Bank Gelder zuneh- mend wieder in Form von Hypotheken aus, da der Hypothekarzins immer weiter unter den gesetzlichen Maximalzinssatz von 5 Prozent sank. Der Hypothekenbestand wuchs daher zwischen 1928 und 1945 von 14 auf 37,5 Mio. Franken. Die Ausleihungen an Private auf Darlehensbasis nahmen dagegen weit weniger stark zu. Die Kontokorrent-Debitoren sowie die Guthaben gegenüber öffentlich-rechtlichen Körperschaften gingen sogar deutlich zu- rück. Letzteres war auch darauf zurückzuführen, dass der Kanton einen Teil seines Mittelbe- darfs durch eine 1934 begebene Obligationenanleihe über 4 Mio. Franken befriedigte. Um die Lebensmittelproduktion während des Krieges zu steigern, beschloss der Bundesrat unter anderem Massnahmen für die Bodenverbesserung. Als Beitrag zur Finanzierung dieses Meliorationsprogrammes gewährte die Zuger Kantonalbank Meliorationsgenossenschaf- ten, aber auch einzelnen Landwirten verbilligte Meliorationskredite zu einem Vorzugszins- satz von 2 ½ Prozent pro Jahr. Gegen Ende des Krieges hielt die Bank nahezu zehn Prozent der Bilanzsumme in flüssi- gen Mitteln. Dieses unproduktive Geld sowie der stetige Rückgang der Aktivzinsen wirkten sich auf die Ertragslage der Bank negativ aus. Die zunehmende Liquidität führte während des Krieges Darlehenskassen nach dem System Raiff- zu einem eigentlichen Anlagenotstand, was unter anderem die Konkurrenz im Hypothekargeschäft ver- eisen versuchten mit günstigen Konditio- schärfte. In seinem Bericht an den Bankrat für das nen, der Zuger Kantonalbank langjährige 1. Quartal 1942 beklagte sich der Direktor über die zugerische Filiale der Schweizerischen Kreditanstalt Hypothekarschuldner abzujagen. sowie über die nach und nach in vielen zugerischen Gemeinden entstandenen Darlehenskassen nach dem System Raiffeisen, die mit günstigen Konditionen versuchten, der Zuger Kantonalbank langjährige Hypothekarschuldner abzu- jagen. Keine Konkurrenz hatte die Bank hingegen vom italienischstämmigen Alfredo Gas- parini zu befürchten, der unmittelbar vor der Kantonalbank einen Kiosk mit Marronistand betrieb. Er wurde viel um Geld angegangen. Solche Bitten pflegte er mit der Bemerkung ab- zuweisen: «Ani Abmachig mit de Cantonalbank. Ich nid gebe Credit und de Cantonalbank nid verkaufe Maroni.» Basta. Der eher verhaltene Geschäftsgang der Bank während der Krisenjahre und der Kriegs- zeit zeigt sich auch darin, dass sich der Reingewinn kaum entwickelte und sich um 370 000 Franken herum einpendelte. Dasselbe gilt für die Dividende, die sich zwischen 5,5 und 6 Prozent bewegte.

Abklärungen bei der Kreditvergabe Von Anfang an bestand das Kerngeschäft der Zuger Kantonalbank in der Gewährung von Hypotheken und Darlehen gegen grundpfandrechtliche Sicherstellung. Dabei durfte sie gemäss den gesetzlichen und reglementarischen Vorgaben Grundstücke nur bis zu einer be- stimmten Höhe ihres Wertes belehnen. Bei der Bewertung der Grundstücke stützte sich die

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Bank auf die amtliche Liegenschaftsschätzung und später auch auf das Urteil ihres eigenen Schätzers, der anfänglich im Auftragsverhältnis und ab 1945 als Angestellter für die Bank arbeitete. Bis etwa zum Ende des Zweiten Weltkrieges holte die Bank vor der Kreditvergabe – neben einer Schätzung – bei Vertrauensleuten wie Gemeindeschreibern auch schriftliche Informationen über die persönlichen Verhältnisse der Schuldner ein. Der Inhalt solcher Infor- mationen lässt, wenn zum Teil auch euphemistisch formuliert, vielfach an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, wie folgende Beispiele zeigen:

«Der eine ist Mechaniker, sieht aber lieber fertige Arbeit, der andere ist Elektriker, aber arbeitet zu Hause mit dem Mechaniker, damit überhaupt etwas geleistet wird.» «Die ältere Tochter hat bereits vor Jahresfrist zum grossen Ärger des Vaters sel. ein lebendes Vermögen aus Italien heimgebracht.» «Vater (…) war kein hitziger Arbeiter. Mit dem umgebundenen Schurz und dem Pfeiffchen im Mund war er viel auf der Gasse.» «Heinrich und sein Bruder Josef sind solide Mannen, wenn sie noch Gelegenheit haben, recht zu heiraten, geht's gut.» «Als leide Untugend muss die Trunksucht erwähnt werden, welche von der bessern Ehehälfte hie und da in krasser Art & Weise praktiziert wird, das dem Ehepaar zum grossen Schaden ist. Wenn der Keller fast leer ist, wird wieder drauflos gearbeitet, wie es sich gehört.»

Heute stützt sich die Bank bei der Kreditvergabe nicht mehr auf subjektiv gefärbte Einzel- aussagen, sondern auf ihre eigene Liegenschaftsschätzung und Unterlagen wie Steuer- erklärung, Lohnausweis und Bilanz.

Eröffnung der ersten Filialen Die in allen Zuger Gemeinden bestehenden Einnehmereien vermochten zum Teil schon bald den Bedürfnissen der Kunden nicht mehr zu genügen. Ab 1907 erhielten deshalb die Einneh- mereien in Baar und Unterägeri eigene Büroräume und zusätzliche Aufgaben, vor allem bei Wertschriftengeschäften und in der Führung von Kontokorrenten. Nach und nach erweiterte der Bankrat auch den Geschäftsbereich weiterer Einnehmereien. Erst 1934, also mehr als 40 Jahre nach ihrer Gründung, eröffnete die Zuger Kantonalbank in Baar am Rathausplatz in einer eigenen Liegenschaft ihre erste Filiale. 1935 teilte der Bankrat nach den verschiedenen Funktionserweiterungen die Nieder- lassungen in den Gemeinden in die folgenden drei Kategorien ein:

– Die Filialen verfügten über eigene Bankräumlichkeiten und eigenes Personal und hat- ten feste Öffnungszeiten. Ihr Dienstleistungsangebot umfasste das Sparkassengeschäft, den Kontokorrent-Verkehr und das Vermieten von Schrankfächern. Sie unterhielten eigene Postcheckkonten. – Die Agenturen übten ihre Geschäfte in ausschliesslich dem Bankgeschäft dienenden Räumlichkeiten aus und hatten feste Öffnungszeiten. Ihnen stand ein nebenamtlicher Ver-

90 Die ersten Filialen der Zuger Kantonalbank Die erste Filiale eröffnete 1934 in Baar am Rathausplatz (Bild oben links). Es folgten 1936 eine Filiale in Cham (Kirchplatz, Bild oben rechts) und 1937 in Unterägeri. Diese Niederlassung zügelte erst 1941 in ein eigenes Haus an der Seefeldstrasse (Bild unten).

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walter vor. Sie erledigten alle Kassengeschäfte und nahmen Kreditgesuche und Zeichnun- gen von Wertschriften entgegen. – Die Einnehmereien waren in den Privaträumen des Einnehmers, einem Beauftragten der Bank, untergebracht. Sie betrieben vor allem das Sparkassengeschäft, durften aber auch Einzahlungen auf Kontokorrente entgegennehmen. Weitere Geschäfte durften sie nur auf besondere Ermächtigung hin ausüben. 1936 folgte die Eröffnung einer Filiale am Kirchplatz in Cham in einem eigens dafür errich- teten Gebäude. Als die Bank in Zug 1937 in Liquidation trat, bot sich der Zuger Kantonal- bank die Gelegenheit, deren Filiale in Unterägeri samt dem Verwalter zu übernehmen. Das Filialgebäude selbst ging allerdings an die Einwohnergemeinde. Die Zuger Kantonalbank betrieb ihre Filiale daher vorerst im Postgebäude und ab 1941 in einem eigenen Haus an der Seefeldstrasse. Mit der Eröffnung der Filiale Unterägeri war das Filialnetz der Bank vorerst komplett. Weitere Filialen folgten erst wieder in den 1960er-Jahren.

Rücktritt nach 38 Jahren an der Bankspitze 1930 trat Josef Hildebrand, der seit 1892 den Bankrat präsidierte, als Bankpräsident zu- rück. Er blieb aber bis zu seinem Tod 1935 als Vertreter des Kantons Mitglied des Bankrats. Hildebrand war zu seiner Zeit einer der einflussreichsten Zuger Politiker. Er gehörte der konservativen Partei an, war Regierungsrat und vertrat den Kanton Zug während 48 Jahren

in Mio. CHF

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Bilanzsumme Obligationen-Anleihen, inkl. Pfandbriefdarl. Hypothekarforderungen Verpflicht. in Spar- und Anlageform / Spargelder Kassenobligationen Eigene Mittel: Aktienkapital + Reserven

Entwicklung der Bilanzsumme und der wichtigsten Aktiven und Passiven

92 im Ständerat. Ihm folgte als Bankpräsident der ebenfalls konservative Ständerat Dr. Alois Müller, Baar, der als Vertreter des Kantons seit 1919 dem Bankrat angehörte. Müller starb 1941 im Amte. An seiner Stelle wählte der Bankrat den Kaufmann Carl Oesch-Weiss, Zug, seit 1920 Vertreter der Privataktionäre im Bankrat, zum Bankpräsidenten. Emil Rimli, der die Bank seit 1920 als Direktor leitete, trat 1931 von seinem Posten zurück. Ihm folgte sein bisheriger Stellvertreter, Josef Iten-Kerckhoffs aus Zug. Iten, der 1901 in die Bank eingetreten war, verstarb Ende 1945 im Amte. In einem Nachruf würdigte Bundesrat Philipp Etter auch das Wirken Itens für die Zuger Kantonalbank: «(…) dass der neue, blü- hende und erfreuliche Wiederaufstieg der zugerischen Kantonalbank nach früheren Ent- täuschungen und Prüfungen zun grössten Teil den unermüdlichen Anstrengungen und der Hingabe des Verstorbenen zuzuschreiben ist. In dunklen Tagen der Bankgeschichte vertanes Vertauenskapital wurde nicht nur wieder zurückerobert, vielmehr ganz wesentlich geäufnet.»

Interne und externe Kontrolle wird verstärkt Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre erschütterte auch den Schweizer Finanzplatz. Die anfänglich acht Grossbanken, aber auch die anderen Finanzinstitute, vor allem die lokalen und regionalen Banken, traf die Krise hart. Zwischen 1930 und 1938 gingen rund 60 Banken, also rund ein Sechstel aller in der Schweiz niedergelassenen Finanzinstitute, Konkurs oder wurden von anderen Banken übernommen. Die Krise veranlasste den Bund, in den bis anhin kaum regulierten Bankensektor einzu- greifen. 1934 verabschiedete das Parlament das Bundesgesetz über die Banken und Spar- kassen (BankG), das 1935 in Kraft trat. Es regelt bis heute unter anderem die Bewilligung zum Geschäftsbetrieb und enthält Liquiditäts- und Reservevorschriften sowie Regeln für die Geschäftstätigkeit von Banken. Die Aufsicht über die Banken oblag der Eidgenössischen Bankenkommission und ab 2009 der Finanzmarktaufsicht (Finma). Das Bankengesetz nahm die Kantonalbanken zu Beginn von vielen seiner Bestimmungen, wie Bewilligungspflicht und Organisationsvorschriften, Pflicht zur Prüfung durch eine externe Revisionsstelle sowie Eigen- mittelvorschriften, aus. Heute enthält das BankG keine Sondernormen für Kantonalbanken mehr. Da das Kantonalbankgesetz von 1929 alle Anforderungen des neu erlassenen BankG erfüllte, waren daran keine Anpassungen nötig. Bei der Erarbeitung des neuen Geschäfts- reglements von 1942 hat der Bankrat jedoch verschiedene Vorgaben des BankG aufgenom- men. So räumte dieses dem Bankrat unter anderem das Recht ein, eine externe Revisionsstel- le und ein internes Kontrollgremium einzurichten. Obwohl die Zuger Kantonalbank aufgrund des Bankengesetzes dazu nicht verpflichtet war, liess sie ab 1939 ihre Jahresrechnungen nicht nur von den aktienrechtlichen Revisoren, sondern auch von einer unabhängigen Re- visionsstelle prüfen. Die Stelle eines internen Kontrolleurs schuf der Bankrat dann aber erst 1950. Heute heisst diese Funktion Interne Revision und ist gemäss aktuellem Kantonalbank- gesetz eine von der Geschäftsleitung unabhängige interne Revisionsstelle, der nach Mass- gabe des vom Bankrat festgelegten Aufgabenbereichs die sachgemässe und regelmässige Kontrolle der gesamten Geschäftstätigkeit der Bank obliegt.

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Unmittelbarer Anlass für die Schaffung der Stelle des internen Kontrolleurs war der Fall eines Angestellten, dem es im Zusammenhang mit der Ausgabe und der Einlösung von Kas- senobligationen gelang, zwischen 1946 und 1949 zu Lasten der Bank 260 000 Franken für sich abzuzweigen. Der unredliche Mitarbeiter war aufgeflogen, weil er einen luxuriösen Lebenswandel führte und unter anderem bereits 1948 zwei Personenwagen besass, was zu jener Zeit für einen Bankangestellten höchst ungewöhnlich war. Die Direktion bat daher An- fang 1949 die Rechnungsrevisoren, das Obligationenressort der Bank besonders einlässlich zu prüfen. Dabei kamen die Unregelmässigkeiten zutage. Die Machenschaften des Täters, den das Strafgericht des Kantons Zug zu einer Zuchthausstrafe von dreieinhalb Jahren ver- urteilte, blieben so lange unentdeckt, weil er äusserst raffiniert vorging, die Organisation des Obligationenressorts mangelhaft war und die Vorgesetzten die Kontrolle sträflich vernach- lässigt hatten. Die Leistung aus der Veruntreuungsversicherung der Bank sowie der Erlös aus der Liquidation der sichergestellten Vermögenswerte des Angestellten deckten immerhin den ganzen Schaden ab.

Eine Konkurrentin wird liquidiert, zwei neue fassen Fuss Bei ihrer Gründung hatte die Zuger Kantonalbank auf dem Platz Zug eigentlich nur eine Exkurs 2 ernsthafte Konkurrentin, die Sparkassa Zug, die nach der Umwandlung in eine Aktienge- Geld und Kredit sellschaft seit 1906 als Bank in Zug firmierte. Beide Banken waren in denselben Geschäfts- in Zug im segmenten tätig und bemühten sich daher um dieselben Kunden. Heute würde man sie 19. Jahrhundert S. 16 als Retailbanken bezeichnen. In dieser Konkurrenzsituation beobachtete man sich gegen- seitig genau. Besonders empfindlich reagierte die Zuger Kantonalbank jeweils, wenn eine Institution mit Kantonsbeteiligung die Bank in Zug in irgendeiner Weise bevorzugte. So hält das Protokoll des Bankvorstandes im August 1926 in etwas kleinkrämerischer Manier fest: «Hinsichtlich der durch die Bank in Zug im Stationsgebäude der E. S. i. K. Z. [Elektrische Strassenbahnen im Kanton Zug] in Menzingen errichteten Depositenkasse wird die Direktion Exkurs 6 ermächtigt, bei einem Vertreter der Regierung (Hrn. Regierungsrat Knüsel) vorstellig zu wer- Die Finan- den, indem die Errichtung einer Bankstelle durch eine Privatbank im Gebäude eines Unter- zierung der nehmens, an dem der Kanton so stark beteiligt ist, doch als etwas sonderbar bezeichnet Strassenbahn auf den Berg werden muss.» Andererseits wirkten die beiden Banken bei verschiedenen Geschäften, so S. 60 etwa bei der Emission von Anleihen des Kantons Zug und von zugerischen Gemeinden und Unternehmen, einvernehmlich zusammen, kontaktierten sich betreffend Konditionen oder sprachen sich über einheitliche Öffnungszeiten ihrer Geschäftsstellen ab. Ein Vergleich der Geschäftsentwicklung der beiden Banken zeigt, dass sie 1892 im ersten Geschäftsjahr der Zuger Kantonalbank sowohl bezüglich Bilanzsumme wie auch mit Bezug auf den Reingewinn etwa gleichauf lagen. Danach wuchs die Zuger Kantonal- bank stärker. 1935 zeigte sich bei den Bilanzsummen folgendes Bild: Zuger Kantonalbank 77,4 Mio. und Bank in Zug 51,6 Mio. Franken. Die eigenen Mittel betrugen damals bei der Zuger Kantonalbank 6,9 Mio. und bei der Bank in Zug 5,4 Mio. Franken. Die für dieses Geschäftsjahr ausgewiesenen Reingewinne waren hingegen mit je rund 300 000 Franken etwa gleich gross.

94 Während die Zuger Kantonalbank bei der Bewältigung der Spekulationsaffäre ihre bis- lang grösste Krise durchlief, setzten die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der 1930er- Jahre der Bank in Zug derart stark zu, dass sie Ende 1936 gestützt auf das eidgenössische Bankgesetz den Bundesrat um einen Fälligkeitsaufschub ersuchen musste. Sie begründete ihre Schwierigkeiten mit grösseren Verlusten bei Beteiligungen an industriellen Unternehmen und stark gefährdeten oder nicht einbringlichen Forderungen gegenüber Kunden, die seit Jahren und zum Teil Jahrzehnten mitgeschleppt worden waren. Zudem würde die Kund- schaft – durch Gerüchte verunsichert – in zunehmendem Masse bei der Bank deponierte Gelder abziehen. Im Rahmen einer vertraglichen Abmachung übernahm die Schweizerische Kreditanstalt (SKA), die damals in Zug noch nicht vertreten war, die Bankgebäude in Zug und Schwyz und einen Teil der Geschäfte der Bank in Zug. Sie hatte sich damit 1937 in den Kantonen Zug und Schwyz auf einen Schlag ein wichtiges Standbein aufbauen können. Die Bank in Zug selber ging in Liquidation. Der Bankvorstand der Zuger Kantonalbank bedauerte die Schwierigkeiten ihrer Kon- kurrentin und hoffte insbesondere, «dass diese Situation dem zugerischen Wirtschaftsle- ben keinen zu grossen Schaden verursache». Da die Bank in Zug als «freisinnige» Bank galt, beschäftigte ihr Ende auch die freisinnige Partei. Dr. Damian Bossard, 1924 bis 1935 Redaktor des freisinnigen Zuger Volksblattes und in den Abstimmungskämpfen von 1928 und 1929 ein entschiedener Anhänger der Verstaat- lichung der Zuger Kantonalbank, hielt Anfang 1938 Der Bankvorstand hoffte, dass die in einem Schreiben an den Präsidenten der FDP des Kantons Zug fest: «Der Zusammenbruch der in der Schwierigkeiten der Bank in Zug dem Hauptsache freisinnig orientierten Bank in Zug hat kantonalen Wirtschaftsleben keinen zu nicht nur dem kantonalen Wirtschaftsleben, sondern auch dem Ansehen und Einfluss der freisinnigen Partei grossen Schaden verursache. sehr schweren Schaden zugefügt. (...) Ich halte nun dafür, die Partei dürfe ihre Angehörigen, die durch die Bank in Zug, also sozusagen durch ihre Vertrauensleute, zu Verlust kommen, nicht einfach ihrem traurigen Schicksal überlassen, sondern habe sich ihrer anzunehmen und von denen Rechenschaft zu fordern, die die an- vertrauten Gelder nicht gewissenhaft verwaltet haben.» Rechtlich zur Verantwortung gezogen wurde dann allerdings niemand. Die General- versammlung der Aktionäre verzichtete 1942 darauf, den Gesellschaftsorganen gegenüber Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen. Dies unter anderem auch deshalb, weil bei der Liquidation der Bank alle Gläubiger vollständig befriedigt werden konnten. Die Aktionäre hingegen verloren den grössten Teil ihrer Investition. Sie erhielten vom Nominal- wert der Aktie von 500 Franken lediglich noch 40 Franken. Genau deshalb kritisierten die konservativen Zuger Nachrichten im November 1941 die Abwicklung der Bank: «Es darf heute nicht mehr verschwiegen werden: eine Sanierung der Bank in Zug wäre ohne weiteres möglich gewesen und durch eine Sanierung wären die Interessen des Aktio- närs besser gewahrt worden als durch eine Liquidation. (…) War es angesichts des vorhan- denen Gleichgewichts zwischen Aktiven und Passiven zu verantworten, einfach den bessern

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Teil der Aktiven auszubooten und das Schiff in torpediertem Zustand jenen zu überlassen, die der stolzen Fahrt und ihren Steuermännern in unwandelbarem Vertrauen trotz gewissen Sturmanzeichen treu geblieben waren?» Zu dieser Zeit etablierte sich nicht nur die SKA in Zug. Ebenfalls 1937 traten mit der Gründung der Darlehenskassen in Oberägeri und Menzingen weitere Konkurrenten auf den Plan. Die Zuger Kantonalbank war darüber wenig erfreut und versuchte, die Gründung weiterer Darlehenskassen nach dem System Raiffeisen zu verhindern. Dabei kontaktierten die Verantwortlichen der Bank die Initianten und wollten sie von ihren Vorhaben abbringen. Sofern ihnen das nicht gelang, nahmen sie, wie im Sommer 1943 Direktor Iten und Prokurist Nideröst in Unterägeri, an den Gründungsversammlungen teil und vermittelten den Teilneh- mern den Standpunkt der Zuger Kantonalbank. Damit vermochten sie aber bestenfalls die Gründung der einen oder anderen Darlehenskasse etwas zu verzögern, verhindern konnten sie sie nicht. Inzwischen ist die Raiffeisenbank in allen zugerischen Gemeinden vertreten. Die Zuger Kantonalbank zog aus der Liquidation ihrer lokalen Konkurrentin keinen grös- seren Nutzen, da stattdessen mit der SKA ein starker nationaler Player auf den Platz ge- treten war, der durch die Übernahme der gesunden Aktiven der fallierten Bank schon auf hohem Niveau starten konnte. Der generelle Vertrauensverlust in die Solidität der Bank in Zug und die Übernahme eines Teils des Filialgeschäfts in Unterägeri bescherte der Zuger Kantonalbank aber nichtsdestotrotz neue Kundenbeziehungen, sodass die Bilanzsumme 1937 in einer Phase geringen Wachstums sprunghaft um 10 Prozent zunahm.

Der Bankbetrieb während des Zweiten Weltkrieges Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wickelten sich die Barrückzüge an den Schaltern der Bank wider Erwarten viel ruhiger ab als 1914. Dank des sehr flüssigen Geldmarktes musste die Zuger Kantonalbank, wie die anderen Banken auch, trotz grosser Geldrückzüge bei den Auszahlungen keine Restriktionen vornehmen. Vor allem in den Grenz- regionen hob die Bevölkerung aus Angst vor einem Kriegsausbruch ab Sommer 1939 grosse Beträge von Sparheften ab, da sie argwöhnte, im Falle einer Evakuation keine weiteren Rück- züge mehr vornehmen zu können. Um solchen Befürchtungen entgegenzutreten, schlossen die Mitglieder des Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB) und somit auch die Zuger Kantonalbank eine Vereinbarung betreffend der Freizügigkeit für Abhebungen auf Sparheften ab. Dadurch konnte jeder Sparkunde einer Kantonalbank einmal pro Monat bei irgendeiner Kantonalbank zu Lasten seines Sparheftes maximal 300 Franken beziehen. Als die deutschen Truppen Anfang Mai 1940 in Luxemburg, Belgien und Holland einfie- len, zog die verängstigte Bevölkerung allerdings wieder erhebliche Beträge von den Banken ab. Auf dem Höhepunkt dieser Rückzugswelle reduzierte die Zuger Kantonalbank im Ein- klang mit anderen Banken die Auszahlung zunächst auf die reglementarische Höhe von 500 und dann auf 300 Franken pro Sparheft und Monat. Bei Notlagen zeigte sich die Bank aber kulant. Binnen viereinhalb Tagen wurden Rückzüge im Gesamtumfang von mehr als 1 Mio. Franken getätigt, wobei die Gelder bereits Mitte 1940 wieder an die Bank zurückzufliessen begannen. Gleichzeitig lieferten die Kunden aus Sicherheitsüberlegungen bedeutend mehr

96 Evakuationslokal in Sarnen Im Gebäude von Bijoutier Reinhard mietete die Zuger Kantonalbank von 1940 bis 1945 ein Kellerlokal, um bei Kriegs- gefahr die eigenen und die für Kunden verwahrten Wertsachen an einen sichereren Ort verschieben zu können.

Wertsachen ins freie Depot ein als üblich. Der Ansturm war so gross, dass die Angestellten die Wertsachen mittags und abends in grossen Körben in den Tresor tragen mussten. We- gen des grossen Kundenandrangs reduzierte die Bank die Kassastunden massiv, da das stark dezimierte Personal sonst die anfallenden Arbeiten nicht hätte bewältigen können. Da die Deponenten von Wertsachen davon ausgingen, dass die Depots bei Kriegsgefahr an einen sicheren Ort evakuiert würden, hatte die Zuger Kantonalbank im März 1940 mit der Suche nach einem Evakuationslokal begonnen. Die Direktion war der Ansicht, dass sich der Kanton Obwalden aufgrund seiner Lage am besten als Standort für ein solches Lokal eignen würde, und wurde schliesslich in Sarnen fündig. Die Bank konnte ab Mai 1940 bis zum Kriegsende ein 32 Quadratmeter grosses Kellerlokal im Wohn- und Geschäftshaus Post- strasse 1 in Sarnen mieten. Sie baute den Raum für ihre Bedürfnisse aus und versah ihn mit einer diebstahl- und feuersicheren Türe. Der Mietzins betrug 500 Franken im Jahr. Gegen Ende 1940 verkleinerte die Armeeführung die militärische Sicherheitszone. Zug lag nun nicht mehr innerhalb des eigentlichen Reduits. Gleichzeitig regelte General Guisan die Bankeneva- kuation neu. Nun mussten die Banken nur noch die eigenen und die in offenen Depots liegen- den Edelmetalle (Gold und Platin) in der neuen Sicherheitszone unterbringen. Da die Zuger Kantonalbank von den militärischen Instanzen keine Nachricht oder Weisung erhalten hatte, beschloss der Bankvorstand, vorläufig von einer Evakuation von Wertgegenständen abzu- sehen. Für den Notfall behielt die Bank aber das Lokal in Sarnen bei. Die Zuger Kantonalbank evakuierte aber auch im weiteren Verlauf des Krieges nie irgendwelche Wertgegenstände.

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Akuter war die Lage in den Grenzgebieten, die bereits 1938 vom Generalstab zur Eva- kuation von Wertgegenständen ins Innere der Schweiz angehalten wurden. Dies bewog die Schaffhauser Kantonalbank, in der neu erstellten Filiale Cham der Zuger Kantonalbank einen Teil des Tresorraumes zu einem monatlichen Zins von 250 Franken zu mieten. Sie ver- legte vor und während des Zweiten Weltkrieges je nach Bedrohungslage – sehr diskret und unter Polizeischutz – erhebliche Wertbestände mehrmals nach Cham und dann wieder zurück nach Schaffhausen und liess schliesslich einen Teil der Wertsachen bis zum Kriegs- ende in Cham. Nach dem Krieg kündigte die Schaffhauser Kantonalbank den Mietvertrag auf Ende August 1945 – nicht ohne die Zuger Verantwortlichen als Dank für das Gastrecht zu einem zünftigen Nachtessen ins Hotel Ochsen in Zug eingeladen zu haben. Der Zweite Weltkrieg forderte die Leitung der Zuger Kantonalbank, die bestrebt war, den regulären Bankbetrieb aufrechtzuerhalten, in mannigfaltiger Weise heraus. Bereits im August 1939 beschloss der Bankvorstand, für das nichtmilitärdienstpflichtige Personal vor- sorglich 40 Gasmasken zu kaufen. Ferner beschaffte die Direktion 100 Evakuationskisten aus Metall, stockte die Vorräte an Drucksachen, Papier und Heizmaterial auf und erneuerte den Bestand an Büromaschinen. Zum Schutz der Angestellten regte die Bank beim Regie- rungsrat auch den Bau eines Luftschutzraums im Verwaltungsgebäude an. Nach längeren Diskussionen um die Finanzierung, an der sich die Bank schliesslich auch beteiligte, stand der Schutzkeller ab Sommer 1942 zur Verfügung, wurde aber glücklicherweise nie für einen Ernstfall gebraucht. Da bei der Generalmobilmachung vom 1. September 1939 15 von 44 Angestellten, also ein Drittel der Belegschaft der Zuger Kantonalbank in den Militärdienst einzurücken und zum Teil während längerer Zeit Aktivdienst zu leisten hatte, musste die Bank Hilfskräfte einstellen, um die personellen Engpässe zu überbrücken. Insgesamt verbrachten die Angestellten der Bank während des ganzen Krieges 9958 Tage im Militärdienst. Bei der Lohnfortzahlung rich- tete sich die Bank nach den Richtlinien des VSKB und nach der Gehaltsordnung des Bundes und bezahlte während des Aktivdienstes die Gehälter für September und Oktober 1939 in vollem Umfang aus. Ab November erfolgte eine Lohnkürzung, die den Familienstand und die Unterstützungspflicht der Angestellten berücksichtigte. Kriegsbedingt stellte sich ab 1940 eine zunehmende Verteuerung sämtlicher Lebensbedürfnisse ein. Der Bankrat richtete daher dem Personal Ende 1940 erstmals eine Teuerungszulage aus, die danach über Jahrzehnte, jährlich den geänderten Verhältnissen angepasst, einen Bestandteil des Gehaltes bildete. Trotz Aktivdienst und zahlreichen Entbehrungen im Alltag kam aber auch während des Krieges die Geselligkeit nicht zu kurz. Anlässlich der 650-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft 1941 lud die Bank die Bankräte und die Angestellten samt Ehefrauen zu einem Bankaus- flug aufs Rütli mit anschliessendem Besuch des Jubiläumsfestspieles in Schwyz ein. Gemäss Protokoll des Bankvorstandes hielt Direktor Josef Iten auf der Rütliwiese «eine prächtige patriotische Ansprache über das Werden des Rütlibundes und das Entstehen der Eidgenos- senschaft». Im Jahre 1942 feierte die Bank ihr 50-jähriges Bestehen. Kriegsbedingt fielen die Ju- biläumsaktivitäten eher bescheiden aus. Aus Anlass dieses Jubiläums wies die Bank der

98 Personalabend, 1935 Die Bank lädt das Personal zu Berner Platte und Zuger Kirschtorte ins Restaurant Brandenberg in Zug ein.

Personalausflug nach Bad Ragaz, 1939 Der Ausflug in die Ostschweiz wurde am Pfingstmontag mit zwei Autocars von Autopionier Alois Kaiser, Zug, durchgeführt. Vor dem Mittagessen in Bad Ragaz gab es im Toggenburg einen «Znüni, bestehend aus Suppe und Schinkenbrot mit Wein».

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Pensionskasse ihrer Angestellten eine Jubiläumsgabe von 50 000 Franken zu und erhöhte die gemeinnützigen Vergabungen von 7000 auf 12 000 Franken. Zudem publizierte die Zuger Kantonalbank eine Gedenkschrift, die Anfang 1943 erschien und eine einlässliche Darstel- lung der Geschichte und der Rechtsform der Bank enthielt. Schliesslich durfte das Personal mit Anhang im Stadttheater Zürich, dem heutigen Opernhaus, einer Aufführung von Verdis Oper «Aida» beiwohnen, gefolgt von einem Nachtessen im Hotel Hirschen in Zug. Während und nach diesem Mahl sorgten Angestellte mit musikalischen Darbietungen und bühnenrei- fen Produktionen für viel Unterhaltung.

Der Weg zur Pensionskasse Bereits 1907 beantragte der Bankrat der Generalversammlung, 50 000 Franken zu Lasten der Erfolgsrechnung und der Verlustreserve in einen neu zu gründenden «Alters- und Kran- kenfonds für die Angestellten» einzubringen. Obwohl der Bankrat in seinem Antrag offen bezweifelte, ob eine solche Zuwendung nach den Bestimmungen des Bankgesetzes zulässig sei, stimmte die Generalversammlung dem Antrag zu. Der Alters- und Krankenfonds blieb im Eigentum der Bank und wurde unter den Passiven bilanziert und durch Zuwendungen zu Lasten der Erfolgsrechnung und durch die Zinsen weiter geäufnet. Im März 1927 errichtete die Bank die «Pensionskasse der Zuger Kantonalbank» als Wohlfahrtseinrichtung. Sie überwies der Pensionskasse zu Lasten des Alters- und Kranken- fonds ein Anfangskapital von 27 000 Franken. Die Pensionskasse sicherte die Angestellten der Bank gemäss einem vom Bankrat erlassenen Reglement gegen die wirtschaftlichen Fol- gen der Invalidität, des Alters und des Todes. Die Versicherten und die Bank hatten paritäti- sche Beiträge an diese Vorsorgeeinrichtung zu leisten. Zudem kam sie immer wieder in den Genuss von grosszügigen freiwilligen Zuwendungen der Bank. Das Geschäftsreglement von 1942 schuf schliesslich die Rechtsgrundlage, um die Pen- sionskasse in eine selbstständige Stiftung zu überführen. Diesen Schritt vollzog der Bankrat Ende 1944 mit der Gründung der Pensions- und Sparversicherung der Zuger Kantonalbank. Gleichzeitig brachte die Bank auch den in der Bankbilanz immer noch ausgewiesenen Alters- und Krankenfonds in der Höhe von 200 000 Franken in die neue Stiftung ein und widmete dieser zusätzlich den Betrag von 50 000 Franken. Gegenüber der bisherigen un- selbstständigen Pensionskasse erbrachte die neue Fürsorgeeinrichtung wesentlich bessere Leistungen, namentlich zugunsten der Witwen und Waisen. Die Versicherten und die Bank hatten die zur Deckung der Versicherungsleistungen erforderlichen Beiträge nun nicht mehr paritätisch, sondern im Verhältnis 2 : 3 zu erbringen. Damit verfügte die Zuger Kantonalbank bereits rund 40 Jahre vor der Einführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge über eine gut dotierte «zweite Säule».

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Otto Henggeler war kein politischer Leitwolf, sondern ein braver Staatsdie- ner. Er war pflichtbewusst bis penibel.

10. Die Steuerpolitik von Otto Henggeler S. 102

101 Exkurs 10 Die Steuerpolitik von Otto Henggeler

Otto Henggeler aus Unterägeri war Bankfachmann. der Bank einen Schub, sodass sie 1910/11 ein repräsenta- Er war Finanzdirektor. Und er war Bankrat der Zuger tives Bankgebäude am Dorfplatz erstellen liess und bezog. Kantonalbank. Vor allem ermöglichte Henggeler die Doch dann krachte es ein erstes Mal: Henggeler wechselte neue Steuerpolitik des Kantons Zug. Mit tatkräftiger bald zur Unterägerer Zweigstelle der «Bank für Handel und Mithilfe von aussen legte er die Grundsteine für die Industrie». Die Filiale führte er in seinem eigenen Haus im Privilegierung von Holding- und Domizilgesellschaf- Unterägerer «Seefeld». Aber diese Bank trudelte in einen ten. Damit begann Zugs Erfolgsgeschichte mit der Skandal und wurde liquidiert – der zweite Crash. Heng- Tiefsteuerstrategie. Eine Annäherung an seine Person. geler hatte sich allerdings gerade noch rechtzeitig zurück- Text: Michael van Orsouw gezogen und wurde 1913 Kassier der Einwohnergemeinde und der Korporation, «in Ermangelung momentan besserer Otto Henggeler, wo kommen Sie her? Beschäftigung», wie es in der Zeitung hiess, «und weil er Aus dem Ägerital. Geboren wurde Otto Henggeler 1877 nun in Unterägeri ein eigenes schönes Heim besass». Zu- in Neuägeri, am 15. September als zweitjüngster Sohn der dem bekleidete er ab 1914 das Amt des Friedensrichters im Familie Henggeler-Bossard. Vater Karl (1846 – 1908) war Di- Dorf. Gerne hätte er militärische Karriere gemacht, doch rektor der Äusseren Spinnerei Neuägeri und Gemeinderat hinderten ihn Herzprobleme, sodass er zwei Rekrutenschu- von Unterägeri. Zwei Jahre vor Ottos Geburt war Gross- len abbrechen musste und schliesslich als dienstuntauglich vater Franz Josef Henggeler (1812 – 1875) verstorben, einer galt. Immerhin befehligte er 1914, beim Ausbruch des Ersten der Fabrikgründer und Pioniere der Zuger Textilindustrie. Die Weltkriegs, die Bürgerwehr in Unterägeri – die allerdings ersten vier Schuljahre besuchte Otto die Spinnereischule im nur gerade einen Monat Bestand hatte. Industrieweiler Neuägeri. Es ist nachzulesen, dass er da- Herr Kassier, wie kamen Sie in die Politik? mals das frühe Aufstehen lernte, was er bis ins hohe Alter Eher zufällig. Der Säger und Bauer Carl Josef Merz vertrat beibehielt. die FDP und das Ägerital im Regierungsrat. Nach dem Ersten Herr Henggeler, wie kamen Sie zur Ihrer Ausbildung? Weltkrieg hatten die Menschen andere Sorgen als die Poli- An verschiedenen Orten. Er besuchte den Rest der Primar- tik. So rutschte nach Merz' Rücktritt Otto Henggeler als Ver- schule und die Sekundarschule in Unterägeri, danach die treter der Freisinnigen 1919 in den Regierungsrat, ohne sich Handelsabteilung der Kantonsschule in Zug. Der zwei Jahre zuvor in der Partei mit kleineren Mandaten hochgedient zu ältere Bruder Karl (1875 – 1950) trat in die Fussstapfen von haben. Als Finanzfachmann übernahm er die Finanzdirek- Vater und Grossvater und wurde ebenfalls Spinnereidirek- tion zu einem Zeitpunkt, da der Kanton Zug zu den ärmsten tor. Deshalb verfolgte Otto eine Laufbahn als Finanzfach- des Landes zählte. Ebenfalls 1919 nahm Henggeler als Kan- mann, absolvierte Praktika in Neuenburg und Wädenswil. tonsvertreter Einsitz in den Bankrat der Zuger Kantonalbank. Danach wirkte er als Buchhalter in Mailand sowie in Wald- Herr Familienvater, wie sind Sie zu charakterisieren? kirch im süddeutschen Breisgau. Henggeler war kein Akademiker, sondern ein gut ausgebil- Herr Buchhalter, wie verlief Ihre Karriere? deter Berufsmann. Henggeler war kein politischer Leitwolf, Alles andere als gradlinig. Otto Henggeler kam im Alter von sondern ein braver Staatsdiener. Er war pflichtbewusst bis 30 Jahren nach Unterägeri zurück. Er war nur für ein Jahr im penibel. War das Mittagessen nicht Punkt zwölf auf dem Gemeinderat von Unterägeri und leitete sodann die Filiale Tisch, stand Henggeler auf und verschwand in die nächste der «Bank in Zug». Im Dorf gut verankert, gab Henggeler Gastwirtschaft. Seine Frau Maria Ida, geborene Föry aus

102 zweimal mit guten Resultaten zum Landammann gewählt (1925/26 und 1939/40). Herr Finanzdirektor, wie wurden Sie zu einem der Archi- tekten des Zuger «Steuerwunders»? Die Steuernovelle von 1921 (1924 in Kraft) ermöglichte eine neue Veranlagung, was mehr Steuereinnahmen bewirkte. Kollege Josef Knüsel hatte zudem die Einführung des Hol- ding-Privilegs vorgeschlagen, wie das die Kantone Schaff- hausen, Zürich, Solothurn und Glarus bereits kannten. Doch war die Besteuerung mit 25 Prozent viel zu hoch. Dann kam der Zürcher Rechtsanwalt Eugen Keller-Huguenin, Gründer der Zürcher Treuhand-Vereinigung, ins Spiel. Er brachte neue Vorschläge. Herr Steuerpräsident, es heisst, Keller-Huguenin habe die Vernehmlassung «fast alleine» bestritten? Otto Henggeler (1877 – 1947) Henggeler und Keller-Huguenin hatten regen Briefkontakt. Der Zürcher Anwalt brachte andauernd neue Vorschläge, Arth, führte in Unterägeri das private Kinderheim «Daheim», die der Zuger Steuerpräsident und Finanzdirektor gern in dem die Töchter mithelfen mussten. und dankbar entgegennahm. Dass ihn die jungen Etter Herr Landammann, wie lief es in der Politik? und Meyer, die karrieristischen Kollegen im Regierungsrat, Als er in den Regierungsrat kam, gaben dort der Rischer warnten, schlug er in den Wind. Schliesslich trat 1930 das Grossbauer Josef Knüsel (40 Jahre im RR!) und der altkon- «Gesetz betr. Sonderbesteuerung juristischer Personen» in servative Anwalt Josef Hildebrand (21 Jahre im RR) den Ton Kraft, das schweizweit konkurrenzfähig war. an. Weggefährten überholten Henggeler bald auf der poli- Herr Finanzdirektor, wurde Zug damit reich? tischen Karrierenleiter: Parteikollege Albert Meyer, Advokat Erst sehr viel später. Nach Inkrafttreten der Steuerprivile- und Hotelier auf dem Gottschalkenberg, kam nach ihm in gien schlug die Weltwirtschaftskrise voll durch, dann folgte den Regierungsrat und wurde bald darauf Nationalrat. Der die nationalistische Vorkriegsphase, schliesslich der Zweite viel jüngere Philipp Etter kam ebenfalls nach Henggeler in Weltkrieg. Diese Sonderbehandlungen zeigten ihre Wir- den Regierungsrat, wurde bald Ständerat und 1934 sogar kung erst in den 1950er- und 1960er-Jahren. Bundesrat. Als Henggeler gegen Etter für den Ständerat Herr alt Regierungsrat, hatten Sie ein glückliches Leben? kandidierte, blieb er chancenlos. Nicht einmal im Ägerital Otto Henggeler trat unfreiwillig von seinem Amt als Regie- gelang es ihm, den konservativen Senkrechtstarter Etter ab- rungsrat zurück. Er hätte gerne noch eine Amtszeit weiter- zuhängen. Dies mag auch daher rühren, dass Henggeler regiert. Ende 1946 trat er frustriert ab, erlitt bald darauf kein Kirchengänger war und diverse Pfarrer mehrfach von einen Herzinfarkt. Am Silvesterabend 1947 starb Otto der Kanzel herab seine Nichtwahl forderten. Solch steile Henggeler im Alter von 70 Jahren. Er hinterliess kein Vermö- Karrieren von Etter und Meyer direkt mitzuerleben, dürfte gen, weil er die Gläubiger der von ihm geführten Bankfiliale Spuren hinterlassen haben. Immerhin wurde Henggeler ausbezahlt hatte.

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Wachstum an allen Fronten

Reingewinn und Bilanz nahmen in der prosperierenden Nachkriegszeit um rund 400 Prozent zu. Mit dem Neubau eines repräsentativen Hauptsitzes am Postplatz konnte einerseits das neue Selbstbewusstsein demonstriert und an- dererseits die stark gewachsene Zahl der Angestellten untergebracht werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Schweiz und speziell der Kanton Zug eine Phase des lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs. Diese dauerte, abgesehen von kleine- ren Rezessionen, bis Anfang der 1970er-Jahre. Es herrschten in der Schweiz die meiste Zeit Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel. Die zugerische Industrie, vor allem die Maschi- nenindustrie und der Apparatebau, profitierten von einer steigenden Nachfrage aus dem In- und Ausland nach ihren Erzeugnissen und produzierten während längeren Phasen an der Kapazitätsgrenze. Aber auch der Handel und das Gewerbe erlebten in dieser Zeit einen kräftigen Aufschwung. Insbesondere das Baugewerbe profitierte auch wegen des grossen Nachholbedarfs von einer geradezu stürmischen Bautätigkeit sowohl bei Industrie- und Gewerbebauten wie auch im Wohnbau. Damit entwickelte sich die Baukonjunktur zu einem Haupttreiber des wirtschaftlichen Booms in der Nachkriegsschweiz. Während dieser langen Wachstumsperiode nahm die Zahl der Unternehmensgründun- gen stark zu. Im Kanton Zug gab es 1946 184 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von Exkurs 10 161 Mio. Franken. 1966 waren es bereits 2092 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von Die Steuer- 1263 Mio. Franken. Ab 1955 siedelten sich immer mehr ausländische Unternehmen im Kan- politik von Otto Henggeler ton Zug und insbesondere in der Stadt Zug an und gründeten hier Aktiengesellschaften S. 102 und Holdinggesellschaften. Das war eine Folge der zugerischen Steuergesetzgebung, die Holding- und Domizilgesellschaften sowie sogenannte Gemischte Gesellschaften steuerlich begünstigte. Überdies profitierte der Kanton Zug von seiner Nähe zum Finanz- und Wirt- schaftsplatz Zürich sowie zum internationalen Flughafen Kloten. In der Nachkriegszeit wuchs die Bevölkerung in der Schweiz rasant. Auch der Kanton Exkurs 17 Zug verzeichnete in dieser Zeit eine ausserordentlich grosse Zunahme der Bevölkerung, Bevölkerungs- die noch über dem schweizerischen Mittel lag. Die Wohnbevölkerung des Kantons stieg entwicklung und Mobilität in Zug zwischen 1941 und 1966 um rund 60 Prozent von 36 643 auf 62 559 Personen. Dieses Bevöl- S. 196 kerungswachstum war auf die steigende Geburtenziffer und die starke, durch den Arbeits- kräftebedarf der Zuger Wirtschaft ausgelöste Zuwanderung aus anderen Kantonen und dem Ausland, insbesondere Südeuropa, zurückzuführen. Die starke Zunahme der Wohnbe- völkerung begünstigte nicht nur die Wohnbaukonjunktur. Sie zwang die öffentliche Hand auch, erhebliche Mittel in Infrastrukturbauten wie Strassen, Schulhäuser, Entwässerungen etc. zu investieren. In diesem Zusammenhang fällt auch die starke Zunahme der Motorisie- rung der Zuger Bevölkerung auf. Die Zahl der im Kanton Zug immatrikulierten Motorfahr- zeuge stieg von 464 im Jahre 1945 auf 14 399 Ende 1966. 2015 waren es bereits 95 952 Fahrzeuge.

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Sprunghafter Anstieg der Bilanzsumme Dieses Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum begünstigte auch die Geschäftsentwick-

Exkurs 12 lung der Zuger Kantonalbank. Die Bilanzsumme der Bank wuchs zwischen 1945 und 1960 Das Einfami- noch relativ moderat von 100 Mio. auf 252 Mio. Franken. Danach verdoppelte sie sich bis lienhaus – ein Ende 1966 auf 517 Mio. Franken. Die hypothekarisch gesicherten Kredite betrugen 1945 Traum für wenige? 65,2 Mio. Franken und stiegen vor allem aufgrund des enormen Baubooms bis 1966 auf S. 124 375,8 Mio. Franken. Im selben Zeitraum wuchsen die Spareinlagen und die Kassenobliga- tionen in etwa um das Vierfache und die Kreditoren auf Zeit, worunter vor allem Festgelder fielen, gar um das Fünfzehnfache. Das zeigt, dass die steigenden Haushaltseinkommen der Zuger Bevölkerung eine intensivere Spartätigkeit erlaubte. Die vermehrte Pflege des Ge- schäfts einer Handelsbank widerspiegelte sich in der Zunahme der Kontokorrent-Debitoren von 7,6 Mio. auf 119,5 Mio. Franken sowie der Checkrechnungen und Kreditoren auf Sicht von 13,5 Mio. auf 70,4 Mio. Franken. Der Reingewinn stieg zwischen 1945 und 1966 von 378 000 auf 2 Mio. Franken. Damit nahmen sowohl Reingewinn wie auch Bilanzsumme in dieser Periode um gut 400 Prozent zu. Die Dividende erhöhte sich dagegen seit dem Krieg bis 1966 nur leicht von 6 auf 7 Prozent, da das Aktienkapital in dieser Periode von 5 auf 15 Mio. Franken anstieg. Mit der Ausweitung der Geschäftsaktivitäten ist auch der Personalbestand der Bank ge- wachsen. 1966 arbeiteten 117 Angestellte sowie 19 Lehrlinge und Praktikanten bei der Zuger Kantonalbank. Angesichts des weiter anhaltenden grossen Personalwachstums rief die Di- rektion 1969 eine Personalkommission ins Leben, die die Belange des Personals gegenüber der Geschäftsleitung zu vertreten hatte. Diese Kommission besteht bis heute und fungiert nach wie vor als Gesprächspartnerin der Geschäftsleitung in Personalfragen. Da sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank in ihrer Freizeit sportlich betätigten und bereits eine Zuger Kantonalbank-Fussballmannschaft bestand, gründeten 1965 sportbegeisterte «Kantonalbänkler» mit Unterstützung der Direktion die Sportgruppe der Zuger Kantonal- bank in Form eines Vereins. Heute umfasst die Freizeitorganisation rund 400 Mitglieder. Grosser Beliebtheit erfreuen sich derzeit die folgenden «Sportarten»: Disco-Bowling, Golf, Skifahren, Minigolf und Jassen. Die Bank unterstützt die teambildenden Vereinsaktivitäten finanziell und stellt ihre Infrastruktur unentgeltlich zur Verfügung.

Zunehmender Bedarf an eigenen Mitteln Aufgrund der rasanten Geschäftsentwicklung benötigte die Bank auch mehr eigene Mittel. Soweit sie diese nicht aus dem Ertrag erarbeiten konnte, musste die Bank sie mittels Kapital- erhöhungen beschaffen. Nachdem das Aktienkapital letztmals 1913 erhöht worden war, nahm die Zuger Kantonalbank nach dem Krieg zwischen 1955 und 1963 innert kurzer Zeit drei Kapitalerhöhungen vor und erhöhte ihr Grundkapital von 5 auf 15 Mio. Franken. Bei der Kapitalerhöhung von 1955 wollte der Bankrat die neuen Aktien für den Kanton und die bisherigen Privataktionäre zum Nominalwert von 500 Franken, zuzüglich eines Aufgeldes (Agio) von 100 Franken ausgeben. Damit war aber der Regierungsrat nicht einverstanden. Er ersuchte den Bankrat sehr kurzfristig, nämlich am Morgen des Generalversammlungstages,

106 Impressionen aus dem Inneren der Kantonalbank, 1960er-Jahre Buchhaltungsabteilung mit Buchungsmaschine «National Compu-Tronic» und Blick hinter die Kulissen in der Schalterhalle.

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den Ausgabekurs für diese Aktionäre auf den Nominalwert von 500 Franken zu senken, da sich eine Verstärkung der Reserven um das Agio nicht aufdränge. Wegen dieser Interven- tion trat der Bankrat unmittelbar vor der Generalversammlung zu einer ausserordentlichen Sitzung zusammen. Nach reger Diskussion fügte er sich mit Mehrheitsbeschluss dem An- trag des Regierungsrates und machte an der unmittelbar darauf stattfindenden General- versammlung, an der 67 Aktionäre teilnahmen, die Ausgabe zum Nominalwert beliebt. Die Generalversammlung und später der Kantonsrat stimmten diskussionslos zu. Die Aktienkapi- talerhöhung verlief erfolgreich. Da dieser Erfolg nicht von Anfang an gewiss war, schlossen sich die Mitglieder des Bankvorstandes und weitere nicht namentlich genannte Personen vorsorglich zu einem Konsortium zusammen, das sich verpflichtete, allfällig nicht gezeichnete Aktien zu übernehmen. Der Kanton beschaffte sich die für die Liberierung der neuen Aktien nötigen Mittel, indem er beim AHV-Fonds für die Dauer von 20 Jahren ein Darlehen zu einem Zinssatz von 3 ¼ Prozent aufnahm. Bei einer Dividende von damals 6 Prozent, zuzüglich Ex- trazuweisung an den Kanton, waren die neu erworbenen Aktien für den Kanton damit eine interessante Anlage. Bei allen vorgenannten Kapitalerhöhungen konnten auch neue Aktionäre im Rahmen einer freien Zeichnung jeweils einen Viertel der neu ausgegebenen Aktien zum inneren Wert übernehmen, womit die neuen Aktionäre neben dem Nominalwert ein Agio zu leisten hat- ten, das den Reserven zukam. Dank diesen Kapitalerhöhungen und den jährlichen Zuwei- sungen aus dem Erfolg an die Reserven stiegen die eigenen Mittel zwischen 1945 und 1966 von 7,1 Mio. auf 20,2 Mio. Franken. Das Wachstum der Eigenmittel vermochte jedoch mit der rasanten Steigerung der Bilanzsumme im selben Zeitraum nicht mitzuhalten. 1966 betrugen die eigenen Mittel nur noch knapp 4 Prozent der Bilanzsumme.

Veränderungen in den Führungsgremien Nach dem plötzlichen Tod von Direktor Josef Iten-Kerckhoffs Ende 1945 ernannte der Bank- rat im Januar 1946 den bisherigen Vizedirektor Emil Gut aus Baar zum Direktor. Gut hatte bei der Zuger Kantonalbank schon die Lehre absolviert und trat 1931 wieder in die Bank ein, nachdem er bei verschiedenen Bankinstituten im In- und Ausland tätig gewesen war. Er leitete seit 1941 als Vizedirektor die Hypothekarabteilung. Im Nachgang zu dieser Wahl drückte ein in Zug wohnhaftes Mitglied des Bankrates gemäss Protokoll den Wunsch aus, «es möchte der neue Direktor seinen Wohnsitz am Hauptorte der Bank nehmen, weil das sowohl im Interesse der Zuger Kantonalbank, wie auch in jenem des Direktors selbst liege». Ein weiterer ebenfalls in Zug wohnender Bankrat unterstütze dieses Votum. Ein Bankrat aus Baar dagegen wollte «von einer Dislokation nichts wissen, zumal der Weggang von Baar dort nicht verstanden und eine Abwanderung von Kunden zur Folge haben würde». Damit war die Sache abgetan, und Emil Gut blieb bis zu seinem Tod in Baar wohnhaft. Emil Gut führte die Bank erfolgreich durch die Nachkriegszeit. Unter seiner Direktion enstand der neue respräsentative Hauptsitz am Postplatz. Nach Aussage des späteren Direktionspräsidenten Dr. Jost Grob ist es das grosse Verdienst von Emil Gut, der Zuger Kantonalbank neuen Elan verliehen zu haben, indem er die damals sehr konservative Bank

108 weltoffener machte und sie vermehrt nach den Bedürfnissen der Kunden und des Marktes ausrichtete. Gut trat altersbedingt Anfang 1963 als Direktor zurück, nahm aber im gleichen Jahr Einsitz im Bankrat, dem er bis zu seinem überraschenden Tod im Jahre 1967 angehörte. Zu seinem Nachfolger als Direktor wählte der Bankrat Josef Iten-Ziegler, Zug, den Sohn von Josef Iten-Kerckhoffs. Josef Iten-Ziegler war 1941 in die Bank eingetreten und hatte 1947 die Leitung der Buchhaltungs-Abteilung und 1950 die neu geschaffene Stelle des internen Kontrolleurs bzw. Inspektors übernommen. Direktor Iten ging jeden Morgen zu Arbeitsbe- ginn durch alle Büros des Hauptsitzes, um den Angestellten einen guten Tag zu wünschen. Dabei musterte er die Mitarbeiter offenbar genau, bemerkte er doch nach einem Rundgang zu einem Begleiter: «Haben Sie gesehen, wie X kleine Äuglein hatte?» Sein Nachfolger als Direktionspräsident, Dr. Jost Grob, würdigte das Wirken von Josef Iten anlässlich dessen Altersrücktritts wie folgt: «So warst Du mit Recht immer darauf bedacht, jede Expansion der Bank zu vermeiden, die nicht gleichzeitig von einer weiteren angemessenen Stärkung ihrer soliden wirtschaftlichen Struktur sowie von einer Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit begleitet war.» Im März 1954 verstarb Bankpräsident Carl Oesch-Weiss. Zu seinem Nachfolger wählte der Bankrat Regierungsrat Dr. Rudolf Schmid aus Baar, der dem Bankrat seit 1914 angehör- te. Er präsidierte den Bankrat bis 1965 und verblieb noch bis 1967 im Gremium.

Neuer Hauptsitz von jungen Zuger Architekten Seit Oktober 1920 hatte die Zuger Kantonalbank ihren Sitz im kantonalen Verwaltungsge- bäude am Postplatz. Da sich dieser Bau mitten in der Stadt Zug an sehr guter Publikumslage befand und die Bank für die Einrichtung ihrer Büros, des Kassenraumes und der Tresoranlage mehr als 100 000 Franken investiert hatte, versuchte sie zweimal, das Gebäude dem Kanton abzukaufen. Beide Versuche scheiterten. 1925 war bereits die Regierung dagegen. 1930 einigten sich zwar Bank und Regierungsrat auf einen Kauf zum Preis von 600 000 Franken. Dann scheiterte das Vorhaben aber am Widerstand des Kantonsrates. Da der Raumbedarf ständig zunahm und die Bank im Verwaltungsgebäu- de keine weiteren Lokalitäten hinzumieten konnte, Zweimal versuchte die Kantonalbank ver- begannen die verantwortlichen Organe nach einer Liegenschaft zu suchen, um darauf ein eigenes Bank- geblich, dem Kanton das Verwaltungs- gebäude zu errichten. Zunächst prüfte die Bank eine gebäude abzukaufen. So musste sie sich gemeinsame Überbauung der Stadlin'schen Liegen- schaft am Postplatz zusammen mit der Stadt Zug, der nach Alternativen umsehen. dieses Grundstück gehörte. Doch das war für die Bank keine zukunftstaugliche Lösung, da die Stadt lediglich rund einen Drittel der 1500 Quadratmeter grossen Liegenschaft veräussern wollte. Die Bank zog es deshalb vor, die ganze Parzelle zu erwerben. Nach zähen Verhandlungen einigte man sich schliesslich 1938 auf einen Kauf zum Preis von 325 000 Franken. Unmittelbar nach dem Kauf der Liegenschaft nahm die Bank die Planung eines Neubaus an die Hand und veranstaltete 1939 unter Zuger Architekten einen Architekturwettbewerb. Danach beauftragte sie auf Empfehlung der Jury

109 Der neue Sitz der Zuger Kantonalbank am Postplatz in Zug, um 1960 An die Fassade über dem Eingangsbereich wurde die von Bildhauer Josef Rickenbacher geschaffene Skulptur einer sitzenden Frau, die Früchte pflückt, angebracht. Der plastische Schmuck sollte symbolisch das Ernten und Äufnen zum Ausdruck bringen.

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Innenräume im neuen Kantonalbankgebäude am Postplatz, 1958 Viel Grün, bequeme Sessel und topmoderne Schrankfachanlagen.

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die beiden Zuger Architekturbüros Stadler & Wilhelm und Emil Weber, das Projekt von Stad- ler & Wilhelm gemeinsam weiterzubearbeiten. Da kurz darauf der Zweite Weltkrieg aus- brach, stellte der Bankrat die Realisierung des Bankneubaus zurück. Während des Krieges beherbergte die Stadlin'sche Liegenschaft die Luftschutzorganisation der Stadt Zug und ab 1943 auch eine Soldatenstube. Nach dem Krieg begann sich die Bank erneut mit dem Bau eines Bankgebäudes am Postplatz zu beschäftigen. Eine Weiterbearbeitung der Projekte von 1939 kam aus verschie- denen Gründen nicht mehr in Frage. Zunächst konnte die Bank Ende 1947 ihren Bauplatz durch den Kauf der unmittelbar nördlich ihres Grundstückes an der Bahnhofstrasse gelege- nen Liegenschaft Waller arrondieren. Dann beschloss der Bankrat 1948, abermals einen Architekturwettbewerb auszuschreiben. Ursprünglich interessierten sich 28 Architekturbüros für den Wettbewerb, darunter acht von der Jury eingeladene auswärtige Architekten, 18 im Kanton Zug ansässige Büros und zwei Zuger Architekten mit Sitz ausserhalb des Kantons. Schliesslich reichten 19 Teilnehmer ihre Wettbewerbsbeiträge ein. Das Preisgericht unter der Leitung des an der ETH Zürich lehrenden Prof. Dr. h.c. Hans Hofmann erkor 1949 einstimmig das Projekt «Thesaurus» der jungen Zuger Architekten Leo Hafner und Alfons Wiederkehr zum Sieger und empfahl der Bank, die Verfasser dieses Projektes mit der Weiterbearbei- tung zu beauftragen. Entsprechend dieser Empfehlung beauftragte die Bank die beiden Architekten, die sich erst zwecks Ausführung dieses Auftrages zu einer Gesellschaft zusam- mengeschlossen hatten, mit der Ausarbeitung des Bauprojektes und des Kostenvoranschla- ges. Zuvor hatte allerdings ein Mitglied anlässlich einer Sitzung des Bankrats die Frage aufgeworfen, ob nicht angesichts des jugendlichen Alters der beiden Projektverfasser eine Architektengemeinschaft mit einem erfahrenen Architekten vorzuziehen wäre. Darauf hatte Bankpräsident Oesch erwidert, dass Prof. Hofmann ihm versichert habe, die beiden jungen Architekten seien wohl befähigt, die Sache «recht» zu machen. Damit war dieses Thema vom Tisch. Bis zum Baubeginn 1955 vergingen dann allerdings noch sechs Jahre. Die Planung dau- erte im Wesentlichen aus zwei Gründen so lange: Zum einen verlief das Kollaudationsver- fahren sehr schleppend. Dieses basierte auf dem Kollaudationsprotokoll von 1891, das im Nachgang zur Vorstadtkatastrophe von 1887 auf Geheiss des Bundes erstellt worden war und das spezielle Bauvorschriften in Bezug auf Pfählung, Entwässerung und Terrainbelas- tung vorsah. Da im rutschgefährdeten Perimeter liegend, war auch die Bankliegenschaft davon betroffen. Zum andern waren die Verhandlungen im Hinblick auf eine weitere Arron- dierung des Bauplatzes durch den Erwerb der Liegenschaft Rogel, die unmittelbar nördlich der ehemaligen Liegenschaft Waller an der Bahnhofstrasse lag, sehr langwierig. Erst der E xk urs 11 Erwerb dieses Grundstückes im Jahre 1952 erlaubte es, den geplanten, klar und sorgfältig Kantonalbank- proportionierten Baukubus ohne irgendwelche Anbaute auszuführen. Neubau am Postplatz Im Mai 1958 konnte die Bank schliesslich ein Bankgebäude beziehen, das wegen seiner S. 120 architektonischen Vorzüge schweizweit Beachtung fand. Die Zürcher Tageszeitung «Die Tat» schrieb zur Eröffnung: «Der kleine Kanton Zug besitzt die modernste Bank der Schweiz.» Auch aus heutiger Sicht stellt dieser Bau eines der besten Zeugnisse für modernes Bauen im

114 Inserat in der Zeitschrift «Schweizer Schule» des katholischen Lehrervereins, 1956 Erstmals wird in diesem Jahr das neue Signet des Grafikers Helmut Kurtz mit dem stilisierten Baum über dem Wappen verwendet.

Kanton Zug dar. Die Direktion des Innern des Kantons Zug hat das Gebäude aus diesem Grund 2014 als Baudenkmal von regionaler Bedeutung unter kantonalen Schutz gestellt. Mit dem Neubau am Postplatz bezog die Zuger Kantonalbank 66 Jahre nach ihrer Gründung erstmals einen Hauptsitz, der ihr gehörte. Alle vorherigen Geschäftslokalitäten in Zug hatte sie gemietet. Die reinen Gebäudekosten für den Neubau betrugen rund 6,8 Mio. Franken. Hinzu kamen die Kosten für den Bauplatz, inklusive Zukäufe, von 1 Mio. Franken und die Auslagen für das Mobiliar von 400 000 Franken, woraus Gesamtkosten von 8,2 Mio. Franken resultierten. Anfänglich war das Gebäude für die Bedürfnisse der Bank zu gross. Sie vermietete daher etwa zwei Fünftel der Büroflächen an den Kanton, der das ganze dritte Obergeschoss belegte, sowie an verschiedene Private, darunter die Rohstoffhändlerin Phi- lipp Brothers AG, die hier ihr Zuger Büro einrichtete. Im Parterre gegen die Bahnhofstrasse hin befanden sich überdies zwei Läden. Zur Arrondierung des Hauptsitzes erstellte die Bank ab 1989 zusammen mit Nachbarn das Parkhaus Vorstadt, das aktuell über 131 Parkplätze verfügt und sich heute im Alleineigentum der Bank befindet. Im Hinblick auf die Eröffnung des neuen Hauptsitzes suchte die Bank nach einem neuen Firmensignet und schrieb zu diesem Zweck einen Wettbewerb aus, den der Grafiker Helmut Kurtz aus Uerikon gewann. Das neue Signet, ein stilisierter Baum als Symbol des Wachstums über einem angedeuteten Zuger Wappen, zierte danach während Jahren nicht nur die Drucksachen der Bank, sondern auch die Türknäufe des Neubaus. Auf diesem Signet ba- sierte 1967 auch das vom Zuger Grafiker Walter Haettenschweiler für das 75-Jahr-Jubiläum der Bank geschaffene Jubiläumsemblem.

Bürgschaftsfonds für ungedeckte Kredite Um auch den weniger begüterten Volksschichten Kredite gewähren zu können, beschloss die Generalversammlung 1965 auf Antrag des Bankrates die Errichtung der Stiftung «Zuger Bürgschaftsfonds» (ZBF). Dieser bezweckte, «für Einwohner des Kantons Zug, insbesondere des Angestellten-, Arbeiter-, Bauern-, Gewerbe- und Handwerkerstandes, auf zeitlich be- schränkter Dauer Bürgschaften für Darlehen, Kredite und Garantien zu übernehmen». Der

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Sparbüchlein der Zuger Kantonalbank

116 Bürgschaftsfonds sollte ausschliesslich gegenüber der Zuger Kantonalbank Kredite verbür- gen, für die keine oder keine vollwertige Deckung beigebracht werden konnte. Der Kredit- nehmer hatte für die Dienstleistung des ZBF eine einmalige Prämie zu leisten, deren Höhe vom Bürgschaftsbetrag abhing. In den ersten Jahren entsprach die Hilfestellung des ZBF einem echten Bedürfnis. Ab Mitte der 1980er-Jahre nahm die Zahl der neuen Bürgschaftsverpflichtungen aber stetig ab. Danach diente der ZBF zunehmend auch der Sicherstellung von Risikofinanzierungen. Damit beanspruchten aber die Verpflichtungen des Fonds jeweils sehr rasch das gesamte Stiftungskapital, sodass die Bank den ZBF mehrmals rekapitalisieren musste. 1995 hätte das Fondskapital wieder erhöht werden müssen. Dazu war die Zuger Kantonalbank aber nicht mehr bereit. Das Modell der Sicherstellung von Krediten durch den ZBF hatte sich insofern nicht bewährt, als es sich aus der Sicht der Bank um eine Scheinsicherheit handelte. In dem Umfange, in welchem der ZBF bei Kreditausfällen gegenüber der Bank als Bürge einzuste- hen hatte, musste die Bank den Fonds jeweils wieder mit neuem Kapital ausstatten, damit dieser seinen Aufgaben weiterhin nachkommen konnte. Dadurch hatte die Bank alle durch den ZBF abgedeckten Kreditausfälle letztlich selber zu tragen. Zudem erwies sich die Orga- nisation des ZBF mit Stiftungsrat, Stiftungsratsausschuss und Geschäftsleitung als ineffizient. Der Bankrat legte daher 1995 den ZBF zunächst still und liquidierte ihn später.

Ein Autokauf will gut überlegt sein Im August 1951 beschloss der Bankrat nach einlässlichen Erwägungen die Anschaffung eines bankeigenen Autos: «Der Bankvorstand hat sich in mehreren Sitzungen mit dem Ankauf eines eigenen Autos befasst und ist dabei zum Schluss gekommen, dass die An- schaffung eines geeigneten Personenwagens in der heutigen schnelllebigen Zeit und bei den herrschenden Verkehrsverhältnissen in der Tat gerechtfertigt ist und einem förmlichen Bedürfnis entspricht. (…) Der Bankrat geht mit diesen Erwägungen einig und erteilt dem Bankvorstand die Ermächtigung, zur gegebenen Zeit ein passendes Auto für die Bank an- zukaufen.» Der Bankvorstand tat sich mit dem Kaufentscheid aber offensichtlich schwer, denn es dauerte noch gut sieben Jahre, bis die Bank endlich ein eigenes Auto anschaffte. Die Spitze der Bank überzeugte sich im Dezember 1958 selbst von den Vorzügen des in Frage kommenden Wagens: «Vorgängig der Sitzung des Bankvorstandes wurden von Albert Huber den Herren des Bankvorstandes 2 Autos Ford Taunus (17 M viertürig und 17 M de Luxe zweitürig) vorgeführt; nachdem die Herren Dr. F. Pfluger und J. Iten bereits Probefahrten unternommen hatten, werden die Wagen noch von den Herren Bankpräsi- dent Dr. R. Schmid und Direktor E. Gut gefahren. Der Bankvorstand entscheidet sich für Typ Ford Taunus 17 M de Luxe, viertürig, mit automatischer Kuppelung, zweifarbig (blau/weiss), wobei der Preis mit netto Fr. 10 000.– abgemacht wurde, immerhin mit der Auflage, dass A. Huber, Garage, Zug, unserem Herrn P. Jäger noch 20 Fahrstunden gratis zu geben hat. Für die allfällige private Benützung des Autos ist dem Bankvorstand ein Reglement vorzu- legen.» Dieses Reglement genehmigte der Bankvorstand dann sehr speditiv bereits an der nächsten Sitzung.

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Heute umfasst die Fahrzeugflotte der Bank 13 Personenwagen, wovon vier Elektroautos. Dazwischen flitzten Anfang des 21. Jahrhunderts Hypothekarspezialisten der Bank mit vier blau-silbern gespritzten und auffällig beschrifteten Smarts – den «hypothecars» – zu den Kunden nach Hause, um sie bei Eigenheimfinanzierungen zu beraten. Zur gleichen Zeit wa- ren Finanzplaner der Bank mit vier grün-silbernen Smarts zu Kunden unterwegs. Aktuell ver- fügt die Bank neben den Personenwagen auch über eine Flotte von blauen Elektrovelos, die allen Mitarbeitenden für kürzere Fahrten im Auftrag der Bank zur Verfügung stehen.

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Mit seiner kompromisslos modernen Gestalt unterscheidet sich das Gebäu- de von den historisierenden Baustilen der anderen repräsentativen Bauten.

11. Kantonalbank-Neubau am Postplatz S. 120

Schon lange kann man Grundstücke mit Seeanstoss fast nur noch erben, und inzwischen sind alle Arten von bebau- baren Wiesen rar geworden.

12. Das Einfamilienhaus – ein Traum für wenige? S. 124

119 Exkurs 11 Kantonalbank-Neubau am Postplatz

Der Neubau der Zuger Kantonalbank geht auf einen er schon gebaut. Basierend auf diesen städtebaulichen Vi- Architekturwettbewerb zurück, den die jungen Zuger sionen bestimmten im Laufe der folgenden Jahre prägnante Leo Hafner (1924 – 2015) und Alfons Wiederkehr öffentliche Bauten allmählich die räumliche Ausdehnung des (1915 – 1985) im Jahre 1949 gewonnen haben. Der Platzes: das Regierungsgebäude ab 1873 (dem Jahr, in dem 1958 eingeweihte Neubau mit seinen unmittelbaren das Baarertor abgebrochen wurde), das Post- und Telegra- Bezügen zu Strömungen in Architektur und Städtebau fengebäude ab 1902 und, anstelle des Hotels Bellevue und des 20. Jahrhunderts markiert einen prägnanten Punkt des Stadttheaters, das Kantonale Verwaltungsgebäude ab in der Baugeschichte der Stadt Zug im Allgemeinen 1915. Seit dem Bau des Bahnhofs heisst die Baarerstrasse und am Postplatz im Speziellen. Text: Georg Frey ab dem Postplatz Bahnhofstrasse. Auf dem Grundstück der heutigen Zuger Kantonalbank, an der Bahnhofstrasse 1, Die bauliche Entwicklung der Stadt Zug lässt sich grob in wurde 1849 ein dreigeschossiges Haus mit Walmdach ge- drei Etappen beschreiben. Eine erste war der mittelalterliche baut, das eine dem Platz den Namen gebende Poststelle Stadtbau in den Grenzen der Stadtbefestigung, die heute und, nach der Sparkassa Zug, die Bank Hotz & Wyss beher- noch erkennbar sind. Neben den Häusern der Vorstadt am bergte. Damit war die stadträumliche Entwicklung am Post- Seeufer nördlich der befestigten Siedlung gab es ausserhalb platz abgeschlossen. An die Längsseiten grenzen südlich der Wehrmauern keine städtischen Bauten. Die Entfestigung die Altstadt und nördlich die Neustadt, an den Schmalseiten von Zug begann 1835. In jenem Jahr wurde der abendliche steht im Westen das Regierungsgebäude vor dem See und Torschluss aufgehoben. Mit der Eröffnung der Bahnlinie Zü- im Osten die (ehemalige!) Hauptpost vor der Guggihöhe. rich–Affoltern–Zug–Luzern im Jahr 1864 und beflügelt durch Diese einmalige städtebauliche Situation ist die Wespen- die Gründung von industriellen Betrieben, setzte nördlich taille der Stadt Zug. In der Nordsüdachse in den Stadtkör- der Altstadt eine zweite Phase baulicher Entwicklung ein, per eingebettet, stehen im Osten und Westen nur je ein Ge- die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs dauerte. Wäh- bäude zwischen Postplatz und Landschaft. rend der beiden Kriege wurde nur wenig gebaut; umso zu- kunftsweisender war die Bautätigkeit seit den 1950er-Jahren Neues Bauen am Rande der Altstadt – die dritte Etappe. Der Neubau der Kantonalbank ist dabei Bereits vor dem Neubau logierte die Zuger Kantonalbank der Startschuss für die Zuger Nachkriegsmoderne. am Postplatz, zuerst in der Hauptpost und später im Kan- Bis 1849 gab es den Postplatz weder baulich noch mit tonalen Verwaltungsgebäude. Der Neubau, im Wettbe- Namen. Der Öffnung der Stadt folgte von hier aus der Stras- werbsprojekt von 1949 noch auf einem kleineren Grund- senbau nach Baar und Cham. Vorausschauend stellte die stück vorgesehen, konnte nach dem späteren Zukauf einer städtische Baukommission schon 1837 fest, «dass der Platz benachbarten Liegenschaft «wesentlich und in befriedigen- vor dem Baarertor für die Zukunft an Bedeutung gewinnt». der Weise verbessert werden». Das Gebäude bezieht sich Auf einem Plan zur Anlegung neuer Gebäude ausserhalb unmittelbar auf die städtebauliche Geschichte und Bedeu- des Baarertors ist mit grossen, um einen rechteckigen Platz tung des Ortes und gründet auf dem Architekturverständnis angeordneten Bauten ein klarer städtischer Raum definiert, der internationalen Moderne. Die Moderne, auch Neues der als Schanzenplatz bezeichnet ist. Eine Lithografie, 1857 Bauen genannt, hat ihre Wurzeln in den 1920er-Jahren. gezeichnet und gedruckt von Caspar Schell, zeigt den Platz Wie der Name sagt, brach das Neue Bauen vordergründig mit umgebenden Bauten aus der Vogelperspektive, als wäre mit allen Bautraditionen und forderte eine Ingenieurästhe-

120 Skizze von Leo Hafner für den Neubau der Kantonalbank am Postplatz. tik, die den Gesetzen der Geometrie folgen müsse und da- diese Bauten etwas ganz Neues. In dieser Entwicklung sa- rum per se schön und zweckmässig sei. Die Form sollte der hen sich Hafner und Wiederkehr. Bei der Projektierung der Funktion folgen. Der Ingenieur galt als vorbildlich, weil er Zuger Kantonalbank entwickelten die beiden Zuger Archi- «beraten durch das Gesetz der Sparsamkeit und geleitet tekten ihre Ideen aus den Prinzipien der Konstruktion. Die durch Berechnungen, uns in Einklang mit den Gesetzen des Gestalt des Bauwerks ist Ausdruck der inneren Struktur. Leo Universums versetzt und die Harmonie erreicht», wie es ein Hafner, der als Student beim damals im Zuger Exil weilen- Hauptvertreter des Neuen Bauens, der Schweizer Architekt den österreichischen Bildhauer Fritz Wotruba ein Praktikum Le Corbusier, formulierte. machte, hatte aber auch eine grosse skulpturale Begabung. Mit den Jahrgängen 1915 und 1924 sind die Architek- Seine Entwürfe waren nicht nur zweckmässig, sie waren auch ten Alfons Wiederkehr und Leo Hafner sozusagen Kinder ausgesprochen schön. Allein schon die perspektivischen der Moderne. Und mit dem Kantonalbank-Entwurf von 1949 Zeichnungen seiner Entwürfe sind kleine Kunstwerke. markiert die Moderne am Postplatz einen prominenten Ort Das Gebäude der Zuger Kantonalbank ist ein Quader zwischen Alt- und Neustadt. Zuger Vorläufer der Modernen mit vier verschiedenen Fassaden und einem Flachdach. Alle Architektur waren das Eckhaus an der Schanz (1938), die Seiten ergeben sich aus den Innenräumen und beziehen Reihenhäuser am Bleichimattweg (1931) und an der Göbli- sich zudem differenziert auf die jeweilige Umgebung. Die strasse (1932) sowie das Bootshaus des See-Clubs (1938). Mit schwebende, teilweise mit Lamellen ausgefachte Dachplat- ihrem präzedenzlosen architektonischen Ausdruck schafften te über dem Attikageschoss reicht bis an die Fassadenfluch-

121 ten und begrenzt das Gebäudevolumen auch nach oben für die Bankkunden auch vertikal erlebbar macht. Die Unter- mit einer klaren Kante. Städtebaulich ist das Gebäude drei- teilung der Büros erfolgte durch verglaste, schallabsorbie- fach exponiert. Am Ende der Häuserzeile der Vorstadt ist rende Leichtmetallwände. Diese sind schraubenlos montiert es, obwohl zurückgesetzt, Teil der Seefront. Am Postplatz und können in Kürze versetzt werden. gehört es, gemeinsam mit den erwähnten historischen Bau- Die Tragstruktur des Gebäudes ist ein Skelettbau: Stüt- ten, zu den Gebäuden, die den Platzraum begrenzen. Und zen und Balken bilden ein Gerüst. Wesentlicher Grund für an der Bahnhofstrasse eröffnet es die Zeile der Geschäfts- diese Konstruktionsart und für die Verwendung von leichten häuser und gibt der Kantonalbank mit dem Haupteingang Materialien wie Aluminium, Stahlblech und Glas war der in der Arkade die Adresse. Mit seiner kompromisslos moder- problematische Baugrund, der siebzig Jahre zuvor zur Vor- nen Gestalt unterscheidet es sich völlig von den historisie- stadtkatastrophe geführt hatte. Als Folge von fehlerhaften renden Baustilen der anderen repräsentativen Bauten am Einschätzungen beim Bau der neuen Quaianlage war 1887 Postplatz. Wie die Architekten selbst notierten, hat das Ge- das Vorstadtufer eingebrochen, 35 Gebäude versanken bäude «durch die grösstmögliche Beschränkung hinsichtlich im See. Auf dem nach wie vor abrutschgefährdeten Bau- Form, Farbe und Material (...) einen sachlichen und dennoch grund durfte das Gewicht des Gebäudes jenes des Aus- unaufdringlichen repräsentativen Charakter». Obwohl das hubs nicht übersteigen, und die Belastung des Baugeländes Gebäudevolumen der Kantonalbank ein Mehrfaches der hatte während der Bauzeit konstant zu bleiben. Nicht zu- anderen Grossbauten am Postplatz beträgt, wirkt es nicht letzt diese ungewohnte technische Herausforderung erklärt dominant und erscheint in seiner Grösse vergleichbar mit die lange Entstehungszeit des Gebäudes: Den sechs Jahren den anderen Bauten. Im Architektenlexikon der Schweiz Planung folgten drei Jahre Bauzeit. ist in diesem Zusammenhang zu den Architekten Hafner Der klare konstruktive Aufbau hat seine Entsprechung und Wiederkehr treffend notiert: «Im städtebaulichen Zu- in der inneren räumlichen Gliederung und an den Fassa- sammenhang suchten sie durch feine Kontraste den Bauten den. An jeder Gebäudefront besteht ein dreigeschossiges, funktionsbestimmenden und eigenständigen Charakter zu unterschiedlich breites Glas/Metall-Fassadenfeld, das als verleihen, so zum Beispiel beim Hauptsitz der Zuger Kanto- Ganzes gerahmt ist und aus der mit Laaser Marmorplatten nalbank, mit dessen Projekt den jungen Architekten 1949 ein verkleideten Fassadenfläche heraustritt. Diese Fassaden- glänzender Start ihres neuen Büros gelang.» konstruktion war eine der ersten ihrer Art in der Schweiz und betont auch im Relief das Spiel zwischen geschlossenen und Neuartige Fassadenkonstruktion offenen Fassadenflächen. Das Raumprogramm für die Kantonalbank verlangte im Erd- An der See- und an der Platzfront tritt der Bau gegen- geschoss eine Schalterhalle und Kundenräume, im Unter- über Regierungsgebäude, Hauptpost und Verwaltungsge- geschoss einen Kundentresor und in vier Obergeschossen bäude angemessen zurückhaltend in Erscheinung. Umso Büros und eine Wohnung. Weil das Gelände gegen den einladender ist die Situation an der Bahnhofstrasse, wo die See abfällt, sind die Räume im Untergeschoss seeseitig räumliche Verbindung zwischen Strasse, Arkade, Vorhalle ebenerdig zugänglich. Der grosszügige Eingangsbereich und Schalterhalle und über die geschwungene Treppe in und die Schalterhalle liegen im Erdgeschoss und sind an die Obergeschosse differenziert gestaltet ist und räumliche der Bahnhofstrasse durch die Arkade erschlossen. Der Per- Transparenz schafft. Die Verwendung von edlen, sorgfältig sonaleingang befindet sich seitlich in der schmalen Gasse detaillierten Materialien (grüner Serpentin und gebeiztes an der Nordfront. Ein Lichthof über der Schalterhalle gibt Ulmenholz an den Wänden, weisser Laaser Marmor auf den dieser Tageslicht und belichtet die innenliegenden Räume in Böden) betonen den repräsentativen Charakter des öffent- den Obergeschossen. Zwei Treppenhäuser, Korridore, Bü- lich zugänglichen Kundenbereichs. Mit seiner klaren städte- ros und Nebenräume sind den funktionalen Anforderungen baulichen und architektonischen Sprache, dem sorgfältigen entsprechend um den zentralen Lichthof angeordnet. Eine Innenausbau und den benutzerfreundlichen Räumen ist das attraktive Rolle spielt die geschwungene Treppe, die von der Gebäude der Zuger Kantonalbank ein kompromissloser Eingangshalle in die foyerartigen Korridore im ersten und Zeitzeuge der Nachkriegsmoderne und als Baudenkmal zweiten Obergeschoss führt und damit das Gebäudeinnere unter Schutz gestellt.

122 Das schwebende Dach über dem Attikageschoss.

Die Halle im ersten Obergeschoss wird über geschwungene Treppen erschlossen.

123 Exkurs 12 Das Einfamilienhaus – ein Traum für wenige?

Das Einfamilienhaus ist eine Erfindung des 20. Jahr- angetreten, etwa zur gleichen Zeit wie das Auto, das fast hunderts. Mit knapper werdenden Bodenressourcen ist untrennbar zum «Hüsli» gehört. Bis im frühen 20. Jahrhundert das klassische «Hüsli»-Bauen jedoch auch im Kanton gab es im Kanton Zug zwar kleine und grosse Häuser, kaum Zug an Grenzen gestossen – hinsichtlich zahlbarer aber Einfamilienhäuser im Sinn von reinen Wohnhäusern, in Bodenpreise und bebaubarem Land. Text: Daniel Kurz denen nur eine einzige Familie wohnte. Viel häufiger war die Kombination mit Gewerbe oder Landwirtschaft. Und in Viele Gründe sprechen für das Wohnen in den eigenen den Fabriksiedlungen in Baar, Cham oder Neuheim waren vier Wänden: Endlich nicht mehr mit schlechtem Gewissen Zwei- oder Mehrfamilienhäuser typisch. Im 19. Jahrhundert zusammenzucken, wenn die Kinder in der Wohnung Lärm kam die Villa mit Park als exklusive Wohnform in Mode: Am machen. Nie mehr auf der Treppe über die Schuhe des Zugersee und am Rand alter Fabrikgelände finden sich dafür Nachbarn stolpern – und nie mehr um den Waschküchen- wunderschöne Beispiele, aber die Villa blieb lange das Pri- schlüssel streiten müssen. Das Einfamilienhaus verspricht vileg der wenigen Menschen, die sich auch Dienstboten und mehr Raum – nicht nur in Quadratmetern, sondern auch im eine Kutsche leisten konnten. Sinn ungehinderter Entfaltung im Alltag. Dazu kommt die Sicherheit, als Eigentümer keine Kündigung mehr fürchten Um 1910: Das Einfamilienhaus wird erfunden zu müssen und vielleicht auch die Aussicht, seinen Kindern Das Einfamilienhaus dagegen, das heisst ein kleineres, für etwas Konkretes zu vererben. den Mittelstand erschwingliches Haus ohne Gewerbenut- Das Einfamilienhaus ist ein weitverbreiteter Traum – und zung, musste um 1900 herum regelrecht erfunden werden. in der Schweiz sogar die häufigste Gebäudeart überhaupt, Engagierte Menschen aus dem Umfeld des 1905 gegründe- gefördert von Politik und Interessenverbänden. Im stark ver- ten Heimatschutzes, aus der «Gartenstadt»-Bewegung und städterten Kanton Zug ist das Einfamilienhaus jedoch we- aus den katholischen Sozialbewegungen propagierten das niger verbreitet als in den meisten anderen Kantonen der Wohnen im kleinen Haus. Es ging ihnen darum, den Arbei- Schweiz; fast nur die typischen Stadtkantone Genf oder ter- und Mittelstandsfamilien mehr Privatsphäre, Selbstver- Basel-Stadt kennen noch tiefere Anteile. Rund 42 Prozent antwortung und Identität zu bieten – als Gegengewicht zur aller Gebäude im Kanton Zug sind Eigenheime, und einzig Industrialisierung, die die Schweiz erfasst hatte. die Gemeinde Hünenberg übertrifft mit 59,3 Prozent um ein 1908 schrieb der Schweizer Heimatschutz unter Archi- Weniges den schweizerischen Durchschnitt von 57,8 Prozent. tekten einen Wettbewerb «für einfache schweizerische Das bedeutet indessen nicht, dass die Wohnungsversorgung Wohnhäuser» aus. Es ging darum, Ideen für den Bau von in Zug schlechter wäre: Die Zugerinnen und Zuger leisten kleinen und preiswerten Häusern in regionalem Baustil zu sich trotz hoher Mietpreise mehr Wohnfläche pro Person als gewinnen. Und schon 1910 wurde in Zug, genauer an der der Schweizer Durchschnitt, und Wohnungen mit mehr als Sonnenstrasse, eine «Eigenheim-Colonie» mit zehn Häusern drei Zimmern sind im Kanton Zug häufiger zu finden als in gebaut: Zwei SBB-Beamte gaben den Bau in Auftrag. Mit den anderen Kantonen. hohen Giebeln, tief gezogenen Dächern und kleinen Gärten Es mag erstaunen, dass es das Einfamilienhaus nicht strahlt das Haus Bindschedler bis heute private Wohnatmo- «schon immer» gegeben hat. Blickt man in der Geschichte sphäre aus. ein wenig zurück, so erweist es sich als ein Phänomen der Um Einfamilienhäuser erschwinglich zu halten, muss das Moderne. Erst im 20. Jahrhundert hat es seinen Siegeszug Bauland einigermassen günstig sein. Das war am ehesten

124 Ein nationaler Pionierbau: das erste Terrassenhaus der Schweiz (Fritz Stucky und Rudolf Meuli, 1957 – 60). In den fünf Blöcken des «Schräghochhauses» sind 25 Wohnungen untergebracht, nach dem System des Einfamilienhauses mit eigener Ver- und Entsorgung. auf freiem Feld abseits der Zentren der Fall – doch solche seits der Stadt an der Lorze, die erste genossenschaftliche Lagen sind schwer erreichbar. Abhilfe schuf im Kanton Zug Einfamilienhaussiedlung. die Strassenbahn, die seit 1910 bzw. 1913 mit Linien nach der Schönegg (Zugerbergbahn), Baar, Menzingen und Um 1960: Wohnen mit Aussicht Unterägeri den Raum erschloss und neue Baugebiete ver- Kaum ein anderer Schweizer Kanton hat seit dem Zweiten fügbar machte. Weltkrieg ein so starkes bauliches Wachstum erlebt wie Seit 1919 förderten soziale Unternehmer den Garten- Zug. Aus einem ländlich-katholischen Kleinkanton wurde stadtgedanken, vor allem die Industriefirma Landis & Gyr. einer der führenden Wirtschaftsstandorte des Landes. Die Reiheneinfamilienhäuser an der Hertistrasse bildeten den Bevölkerung verdoppelte sich von 1900 bis 1960 auf rund Auftakt für den Bau der «Gartenstadt», wo sich bis heute 52 000 Personen und bis 2000 noch einmal auf 100 000 Ein- kleine Mehrfamilienhäuser und Eigenheime vermischen. wohner – inzwischen sind mehr als 122 000 Menschen im Auch Unternehmerarchitekten wie Heinrich Peikert bauten Kanton zuhause. Das Wachstum war von Verstädterungs- um 1930 herum kleine Siedlungen mit Reihenhäusern, und schüben begleitet, die längst auch die Berggemeinden er- manchem besser gestellten Arbeiter war es möglich, sein reicht haben. eigenes Haus am Stadt- oder Dorfrand zu bauen. Mit der Mit der zunehmenden Verbreitung des Autos wurde es «Ammannsmatt» realisierte die «Heimstätte Zug» 1945, ab- nun möglich, an jedem beliebigen Ort im Kanton zu woh-

125 nen und zur Arbeit zu pendeln. Wer sich nach Sicht über bieten ein Gegengewicht zur häuslichen Enge. Das private den See oder nach Heuduft im Schlafzimmer und Spazier- Eigentum hat seinen Platz, aber es erschöpft sich nicht an wegen direkt vor dem Haus sehnte, hatte in den Jahrzehn- den engen Grenzen des eigenen Grundstücks, sondern hat ten der Hochkonjunktur jede Möglichkeit, auf dem Land zu Anteil an einem grösseren Ganzen. bauen. Zonenpläne, die der Baufreiheit Grenzen setzen, Im Kanton Zug gibt es eine ganze Anzahl solcher Sied- gab es noch nicht. Die sonnen- und aussichtsreichen Hänge lungen, wie etwa die «Prowoba» in Unterägeri (1972), die von Walchwil, Allenwinden oder Oberägeri spielten ihre Teppichsiedlung am Loretoweg in Zug von Rainer Peikert Anziehungskraft aus: Villen- und Einfamilienhausquartiere (1977) oder die bekannte Metron-Siedlung «Schauburg» in wuchsen hinter den Bauernscheunen empor, Kirschbäume Hünenberg (1987), deren einfache und äusserst preiswerte mussten breiten Quartierstrassen weichen. Architekten wie Häuser bis heute nur zur Miete erhältlich sind. Leo Hafner bauten für Kenner traumhafte Wohnhäuser mit Wohnformen dieser Art könnten in der heutigen Zeit, Blick in die Landschaft. in der Bauland immer knapper wird, eine Alternative zum Eine neue Gebäudetypologie wurde nicht zufällig in frei stehenden Haus wie zum Mehrfamilienhaus bieten und Zug erfunden: Das Terrassenhaus, seit 1957 vom Unterneh- mehr Menschen das Wohnen in den eigenen vier Wänden merarchitekten Fritz Stucky propagiert und realisiert, kom- ermöglichen. In der «Feldbreite» im luzernischen Emmen biniert die Vorteile von Einfamilienhaus und Block, Aussicht versucht die Schindler-Pensionskasse gegenwärtig, ein sol- und effizienter Erschliessung (z. B. Terrassenweg und Belle- ches Konzept mit holländischen Architekten zu realisieren. vueweg, Zug). Als «Schräg-Hochhaus» mit grossen Terras- sen ermöglicht es die ökonomische Nutzung der zahlreichen 2016: Das Einfamilienhaus als Rarität? Steilhänge mit schöner Aussicht. Früher als in der übrigen Schweiz scheint der Bau von Ein- familienhäusern im Kanton an seine Grenzen gestossen zu Um 1980: Verdichtetes Bauen sein. Seit dem letzten Höhepunkt im Jahr 2001 hat sich die Seinen Höhepunkt erreichte der Bau von Einfamilienhäu- Zahl der neu erbauten Privathäuser halbiert und dümpelt sern im Kanton Zug, wie überall in der Schweiz, in den seither bei 40 bis 50 pro Jahr. Diese Entwicklung steht im 1970er- Jahren: Allein in jenem Jahrzehnt hat sich ihre Zahl Kontrast zur übrigen Schweiz, wo im gleichen Zeitraum die im Kanton um 43 Prozent (rund 1200 Einheiten) auf 4050 grosse Mehrheit, nämlich 70 Prozent aller Neubauten Ein- Häuser vermehrt. In den folgenden zwanzig Jahren ent- familienhäuser waren. Sie steht auch im Widerspruch zur standen noch einmal 1200 neue Eigenheime. Ländliche Ort- starken Wohnbautätigkeit im Kanton, die sich seit dem Jahr schaften wie Oberägeri, Risch oder Hünenberg wuchsen 2001 mehr als verdoppelt hat. Die Chance, selbst zu bauen, um ein Vielfaches. ist heute so gering wie ein Sechser im Lotto: Auf tausend Zur gleichen Zeit wurden aber auch schon erste Zwei- Zugerinnen und Zuger wird pro Jahr weniger als ein Ein- fel am Glück im Einfamilienhaus laut. Raumplaner rechne- familienhaus neu gebaut. ten vor, dass jede Sekunde ein Quadratmeter freies Land Es zeigt sich, dass Bauland keine unerschöpfliche Res- neu überbaut werde, und sie warnten vor der drohenden source ist. Schon lange kann man Grundstücke mit See- Zersiedlung der Landschaft – 1987 setzte der erste Zuger anstoss fast nur noch erben, und inzwischen sind alle Arten Richtplan dem Siedlungsgebiet verbindliche Grenzen. Fin- von bebaubaren grünen Wiesen rar geworden. Die Siche- dige Architekten brachten in den 1970er- und 1980er-Jah- rung von Erholungs- und Landwirtschaftsflächen durch die ren eine neue, landsparende Wohnform ins Gespräch: das Raumplanung und Zonenpläne hat deutlich gemacht, dass «verdichtete Bauen». Damit meinten sie aber nicht Gross- bebaubares Land nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. überbauungen, sondern Einfamilienhaus-Siedlungen mit Planung sorgt dafür, dass wir das nicht erst merken, wenn geringem Flächenverbrauch. Gebaut wurden sie als Rei- die letzte Wiese überbaut ist. Das verbliebene Bauland henhaus- oder sogenannte Teppichsiedlungen mit manch- muss daher möglichst gut genutzt werden. Verdichtung ist mal winzigen Gärten oder Höfen. Gemeinschaftliche Frei- zwingend. Kann es sein, dass das Einfamilienhaus, eine Er- flächen, Aktionsräume, Tiefgaragen und manchmal sogar findung des 20. Jahrhunderts, im 21. Jahrhundert für den gemeinsame Musik- und Gästezimmer oder Hallenbäder Kanton Zug kein Zukunftsmodell mehr darstellt?

126 Das Haus Bernhart (Leo Hafner und Alfons Wiederkehr, 1961) liegt hoch über der Stadt Zug am aussichtsreichen Sonnenhang mit spektakulärem Seeblick.

Ein Haus der «Eigenheim-Colonie», die von Hans Neue Formen an der Weinrebenhalde in Hünenberg: Durch die Verdichtung Studer geplant wurde (1910/1911). erhält der Eigenheim-Teppich einen fast dörflichen Charakter (1979 – 1990).

127 i der rhhung der nh nräe e der nn die iishe sis er reiern und uh den idemren einen i im remium geähreisen 1967 – 1995

Gewinnoptimierung statt Gewinnmaximierung

Im konjunkturellen Auf und Ab gelang es der Bank, ihre führende Stellung zu behaupten. Die Fokussierung auf die Erfolgsposition der «Kundennähe» be- scherte ihr jedoch ein grosses Personalwachstum. Mit Selbstbedienungsauto- maten für einfache Dienstleistungen sollte dieser Trend abgebremst werden.

Der wirtschaftliche Aufschwung, den die Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte, hielt auch während der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre an. Es machten sich aber zunehmend Überhitzungstendenzen bemerkbar. Um die stürmische Wirtschaftsentwicklung etwas zu bremsen, erliess der Bund verschiedene Konjunkturdämpfungsmassnahmen. Dabei wirkte sich vor allem die im September 1969 zwischen den Schweizer Banken und der Schwei- zerischen Nationalbank (SNB) getroffene Vereinbarung über die Begrenzung der Kredit- ausweitung negativ auf den Geschäftsgang der Zuger Kantonalbank aus. Diese Kredit- restriktionen, die bis Ende Juli 1972 bestanden, zwangen die Zuger Kantonalbank, sich bei der Gewährung von Baukrediten sehr zurückzuhalten. Da diese Vereinbarung nicht die gewünschte Wirkung zeigte, ordnete der Bund im Dezember 1972 mit einem dringlichen Bundesbeschluss über Massnahmen auf dem Gebiete des Kreditwesens weitergehende Kreditrestriktionen an und beschränkte insbesondere die Zuwachsrate für Kredite auf jähr- lich 6 Prozent, mit rückwirkendem Beginn per Ende Juli 1972. Dies verursachte der Zuger Kantonalbank erhebliche Schwierigkeiten, da sie in falscher Erwartung einer Lockerung der Restriktionen ihre Kreditpraxis in Bezug auf dringliche Bau- vorhaben etwas gelockert und die ihr zustehende Quote um rund 7 Prozent überschritten hatte. Zum einen konnte sie deshalb 1973 neue Kredite nur noch im Umfang von Rückzah- lungen bestehender Kredite bewilligen. Zum andern musste sie als «Strafe» die Hälfte des Überschreitungsbetrages auf einem gesperrten Sonderkonto bei der SNB liegen lassen, bis der Überhang abgebaut war. Noch viel schmerzlicher war für die Bank aber, dass sie wegen der Kreditrestriktionen viele langjährige Kunden enttäuschen musste. Die ihr zuste- henden Kreditquoten reichten nicht einmal aus, um Kunden bereits zugesagte Kredite aus- zahlen zu können. Zum Teil waren davon auch bereits begonnene Bauvorhaben betroffen. Aufgrund der geänderten Konjunkturlage lockerte der Bund 1975 die Kreditbegrenzung zugunsten der Bauwirtschaft wieder.

Die Zügel gelockert Ausgelöst durch die Erdölpreiskrise von 1973 erlebte die Schweiz Mitte der 1970er-Jahre erstmals nach dem Krieg einen starken Konjunktureinbruch. Praktisch zeitgleich änderte sich das internationale Währungssystem, indem flexible Wechselkurse das bisherige Festkurssys- tem ablösten. Danach wertete sich der Schweizer Franken gegenüber den meisten anderen Währungen stark auf, was die Schweizer Wirtschaft zusätzlich herausforderte. Die Haupt- last dieser Krise hatten die ausländischen Arbeitnehmer zu tragen, deren Zahl zwischen

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1974 und 1977 um rund 250 000 zurückging. Die schweizerische Exportwirtschaft erholte sich danach relativ rasch wieder. Die Bauindustrie hingegen, die in der Nachkriegszeit einen überdurchschnittlichen Aufschwung erlebte hatte, litt bis gegen Ende des Jahrzehnts unter einem starken Nachfragerückgang vor allem beim Wohnungsbau. Das führte insbesondere im Bauhauptgewerbe zu einem erbitterten Preiskampf. Nach den konjunkturdämpfenden Massnahmen zu Beginn des Jahrzehnts initiierten Bund und Kantone nun Investitionspro- gramme zur Konjunkturbelebung. Mit dem gleichen Ziel gewährte die Zuger Kantonalbank ab 1975 zinsgünstige Renovationskredite und lancierte Anfang 1976 ein eigentliches Kon- junkturprogramm, mit welchem sie einerseits für 20 Mio. Franken zinsgünstige Kredite zur Stimulierung der Investitionsfreude bereitstellte und andererseits im gleichen Betrag eigene Bauvorhaben forcierte. Obwohl das Programm bis 1978 laufen sollte, war das Kontingent für die zinsgünstigen Kredite bereits Ende 1976 ausgeschöpft. Ab 1980 verbesserte sich die Wirtschaftslage wieder und entwickelte sich gegen Ende des Jahrzehnts erneut zu einer eigentlichen Hochkonjunktur, wobei nicht mehr so sehr die In- Exkurs 15 dustrie als vielmehr der Dienstleistungssektor zum Wachstum beitrug. Besonders markant war Konjunkturen in der Aufschwung im Kanton Zug, in dem schon damals die Dienstleistungsunternehmen stark der Raum- planung vertreten waren. Das förderte die Attraktivität von Zug als Wohn- und Arbeitsort und damit die S. 172 Nachfrage nach dem, trotz reger Bautätigkeit, schon bald wieder knapp werdenden Wohn- raum. Da die Nachfrage nach Boden, der für Wohn- und Geschäftsbauten nutzbar war,

Exkurs 12 schweizweit zunehmend das Angebot übertraf, stiegen die Baulandpreise rasch und erreich- Das Einfami- ten bald ein Niveau, das es auch dem Mittelstand stark erschwerte, Grundeigentum zu erwer- lienhaus – ein ben. Die günstigen Wirtschaftsaussichten und die tiefen Hypothekarzinsen verstärkten den Traum für wenige? Preisanstieg zusätzlich. Um trotz hohen Grundstückpreisen auch einkommensschwächeren S. 124 Kreisen den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen, bot die Zuger Kantonalbank als Novum eine Zinsstufenhypothek an, die in den ersten Jahren eine namhafte Zinsentlastung brachte. Andere Banken haben dieses Modell später in identischer oder ähnlicher Form übernommen. In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre begann auch der bis heute anhaltende Trend hin zu den zuvor in der Schweiz kaum bekannten Festhypotheken. Die früher weit verbreiteten va- riablen Hypotheken sind dagegen praktisch verschwunden. So betrug Ende September 2016 der Anteil der Festhypotheken am gesamten Hypothekarbestand der Bank satte 97,7 Prozent.

Heftige Erschütterungen durch Immobilienkrise Ende der 1980er-Jahre waren die Zeichen einer Überhitzung im Immobiliensektor deutlich sichtbar. Der Bund erliess 1989 bodenrechtliche Sofortmassnahmen, um die Bodenpreise zu stabilisieren und die Spekulation einzudämmen. Sie umfassten unter anderem eine fünf- jährige Sperrfrist für die Veräusserung von nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken und eine Belastungsgrenze für solche Liegenschaften. In der gleichen Zeitperiode erfuhren die Zinsen dramatische Ausschläge. Um die Folgen des Börsencrashs von 1987 zu mildern, senkte die SNB, wie andere Zentralbanken auch, vorerst die Zinsen. Wegen der Einführung des neuen elektronischen Zahlungsverkehrs in der Schweiz vergrösserte sich das Geldangebot zusätz- lich. Dazu kam eine aus Wettbewerbsgründen lockere Kreditvergabepolitik der Banken,

130 die nach grösseren Marktanteilen im Hypothekarmarkt strebten. Investitionen in Grund- eigentum galten im Gegensatz zu anderen Anlagekategorien als sicher. Das änderte sich alles schlagartig, als die Nationalbank zur Bekämpfung der anziehenden Teuerung den Diskontsatz ab Ende 1988 innert kurzer Zeit von 3 ½ auf 7 Prozent anhob, was die Zinssätze für bestehende 1. Hypotheken auf 7 und für Neuhypotheken auf 8 ¾ Prozent hochschnellen liess. Die Massnahmen des Bundes und der SNB führten ab 1990 zu nachgebenden Im- mobilienpreisen und anfänglich zu einer konjunkturellen Abkühlung. Vor allem der heftige Zinsanstieg mündete schliesslich in einer Immobilienkrise und einer schweren Rezession, die das ganze letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts überschattete. Die Länge und die Intensität der Immobilienkrise überraschten alle. Allein 1991 sanken die Immobilienpreise in der Schweiz um durchschnittlich nahezu 20 Prozent. Die Banken erlitten während der ganzen Krise Verluste von mehr als 40 Mrd. Franken. Zwischen 1990 und 2000 sank die Zahl der in der Schweiz ansässigen Banken von 495 auf 375. Die Krise machte auch vor den Kantonalbanken nicht halt. So übernahmen der Schweizerische Bank- verein die Solothurner und die Schweizerische Bankgesellschaft die Appenzell Ausserrho- dische Kantonalbank. Der Kanton Bern musste seine Kantonalbank mit erheblichen Mitteln sanieren. Auch die Zuger Kantonalbank als schwergewichtig im Hypothekargeschäft tätiges Ins- titut blieb von dieser Krise nicht verschont. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass sich seit den Achtzigerjahren der Wettbewerb unter den Schweizer Banken verschärfte, nachdem die durch Vermittlung der Schweizerischen Bankiervereinigung abgeschlossenen Kartell- absprachen («Konventionen») gefallen waren. Um die ertragsschmälernden Folgen der Deregulierung auszugleichen, versuchte auch die Zuger Kantonalbank, das Kreditvolumen auszuweiten, indem sie die Kreditvergabekriterien lockerte und vermehrt auch Immobilien ausserhalb des Kantons Zug finanzierte. Die Bank erlitt durch Kreditausfälle erhebliche Ver- luste und war bis zum Ende des Jahrzehnts damit beschäftigt, notleidende Kreditpositionen zu bereinigen. Die realisierten Verluste machten aber in der ganzen Periode pro Jahr nie mehr als 0,3 Prozent des gesamten Kreditvolumens der Bank aus, was im Branchenvergleich als eher tief galt. Wie viele andere Banken auch, musste die Zuger Kantonalbank im Rahmen von Zwangsverwertungen zahlreiche Grundstücke übernehmen, die sie danach vielfach nur mit Verlust weiterveräussern konnte. Dabei waren es weniger Eigenheime, die der Bank Sorge bereiteten, als vielmehr Renditeobjekte und Baulandparzellen. Auffallend war die überproportional grosse Zahl von ausserkantonal gelegenen und von der Bank finanzierten Objekten, die unter den Hammer kamen. Das zeigt, dass Hors-Rayon-Geschäfte von Banken besonders risikobehaftet sind. Bei der Bewältigung der Krise kam der Zuger Kantonalbank zustatten, dass der Kanton Zug aufgrund seiner stark diversifizierten Wirtschaft weniger unter der Rezession litt als eher strukturschwache Gegenden der Schweiz. Dadurch fielen hier die Preisrückgänge bei den Immobilien moderater aus. Der Bank gelang es zudem, dank besserer Zinsmarge und höhe- rer Erträge aus dem indifferenten Geschäft sowie durch zunehmende Produktivität im Ver- laufe des Jahrzehnts ihre Ertragskraft markant zu steigern. Dadurch konnte sie die Verluste

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der Erfolgsrechnung belasten und gleichzeitig die Risikovorsorge durch reichliche Dotierung der Rückstellungen verbessern. Im Verlaufe der Krise schuf die Bank auch die organisatori- schen Voraussetzungen, um die notleidenden Positionen in einem möglichst frühen Stadium erkennen, betreuen und danach effizient bereinigen zu können. Wegen der schlechten Erfahrungen mit ausserkantonalen Immobilienfinanzierungen ver- schärfte die Bank ab den 1990er-Jahren die Kriterien für die Bewilligung solcher Kredite. Generell richtete sie das Augenmerk vermehrt auf die Risiken und formulierte 1999 eine Ge- samtrisikopolitik, mit der sie anhand einer betriebswirtschaftlichen Eigenmittelzuordnung die im Bankbetrieb anfallenden Risiken überwachte, steuerte und limitierte. Ausserdem führte sie ein neues Rückstellungskonzept ein, das heute noch in Kraft ist. Damit beurteilt sie anhand ihrer Kreditdaten der letzten zehn Jahre rollend die zukünftigen Risiken und legt sie in einer Risikoquote fest. Aufgrund dieser Quote, und nicht wie früher entsprechend der tatsäch- lichen Risikoentwicklung, nimmt sie dann die Rückstellungen vor. Damit bildet die Bank nicht erst Rückstellungen, wenn Risiken festgestellt werden, sondern sorgt in wirtschaftlich guten Zeiten, in denen weniger Risiken anfallen, für schlechtere Zeiten vor.

Sprunghafter Anstieg von Bilanz und Gewinn Abgesehen von den konjunkturellen Ausschlägen war die Zeit zwischen 1967 und 1995 für die Zuger Kantonalbank geprägt von einer massiven Ausweitung des gesamten Geschäfts- volumens. Die Bilanzsumme stieg von 586 Mio. auf 7,5 Mrd. Franken, und der Jahresgewinn nahm von 2,1 Mio. auf 20,1 Mio. Franken zu. Die eigenen Mittel wuchsen von 27 Mio. auf 370 Mio. Franken, und die Dividende verdoppelte sich von 7 auf 14 Prozent. Besonders er- freulich entwickelte sich in diesem Zeitraum das indifferente Geschäft. Die Kommissionen aus dem Wertschriftengeschäft nahmen von 0,4 Mio. auf 13,3 Mio. Franken zu, womit die Bank ihre Abhängigkeit vom Zinsdifferenzgeschäft etwas reduzieren konnte. Die Mittelbeschaffung war in dieser Periode jedoch nicht ganz einfach. In den Hochzins- phasen, so insbesondere Anfang der 1990er-Jahre, verlagerten die Anleger ihre Mittel von den tiefer verzinslichen Sparheften und Konten in die deutlich besser verzinsten Festgelder. Ausserdem mussten in dieser Zeit die fällig werdenden langfristigen Anlagen, so auch die Kassenobligationen, zu massiv höheren Zinssätzen erneuert werden. Da sich die Bank aber auf der Einnahmenseite bei der Erhöhung der Hypothekarzinsen bewusst zurückhielt, ero- dierte der Zinsmargen-Ertrag. Bis Anfang der 1980er-Jahre beschaffte die Bank ihre langfristigen Fremdmittel ohne be- sondere Schwierigkeiten durch die Ausgabe von Kassenobligationen und die Aufnahme von Darlehen bei institutionellen Anlegern ausserhalb des Kantons. Nach Ansicht der Direktion waren dieser Art von Mittelbeschaffung Grenzen gesetzt, und sie machte daher beliebt, mit Rücksicht auf die Grössenordnung der Bank eine erste Obligationen-Anleihe auszugeben und damit sämtliche Privatanleger-Kreise in der ganzen Schweiz zu erschliessen. Bankvor- stand und Bankrat hiessen diesen Vorschlag gut, und die Zuger Kantonalbank begab im Au- gust 1983 erstmals eine Obligationen-Anleihe, und zwar über 40 Mio. Franken, ausgestattet mit einem Coupon von 4 ¾ Prozent und einer Laufzeit von 12 Jahren.

132 Etappierte Beschaffung von Eigenkapital Der starke Anstieg der Bilanzsumme der Bank zwischen 1967 und 1995 verlangte aufgrund der Anforderungen des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen nach einer entspre- chenden Verstärkung der Eigenmittelbasis. Obwohl die Zuger Kantonalbank die Reserven im Rahmen der Gewinnverteilung jährlich angemessen dotierte, vermochten die eigenen Mittel mit dem rasanten Anstieg des Geschäftsvolumens nicht Schritt zu halten. Die Bank erhöhte daher ihr Aktienkapital zwischen 1967 und 1994 in elf Schritten um insgesamt 85,8 Mio. Franken. Der Grund für die Erhöhung des Grundkapitals in kleinen Schritten lag einerseits darin, dass die Bank die mit der Kapitalerhöhung gewonnen Mittel zum Dividendensatz, plus Extrazuweisung an den Kanton, also zu einem sehr hohen Satz zu verzinsen hatte. Anderer- seits wollte sie den Betrag der einzelnen Kapitalerhöhung nicht zu hoch ansetzen, um die Bereitschaft der Aktionäre, neue Aktien zu zeichnen, nicht überzustrapazieren. Es fiel der Bank nicht immer leicht, die neu ausgegebenen Aktien zu platzieren. So auch bei der Kapitalerhöhung von 1970. Die Ausgangslage war insofern ungünstig, als wegen der damals geltenden Kreditrestriktionen die Anleger weniger Aktien auf Kredit zeichnen konnten. Erschwerend hinzu kam eine Tendenz, vermehrt flüssige Mittel statt Wertschriften zu halten. Die Direktion versuchte deshalb während der Zeichnungsfrist, Aktien bei befreun- deten Banken, einzelnen ausgewählten Kunden und verschiedenen Mitgliedern des Bank- rates zu platzieren. Trotzdem musste ein vor der Kapitalerhöhung gebildetes Konsortium, bestehend aus allen neun Bankräten, also auch aus den Kantonsvertretern im Bankrat, 346 nicht gezeichnete Aktien übernehmen. Die für die Liberierung dieser Titel nötigen Mittel

100 %

90 %

80 %

70 %

60 %

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

0 %

1892 1905 1915 1925 1935 1945 1955 1965 1975 1985 1995 2005 2015 1900 1910 1920 1930 1935 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

Aktienkapital (inkl. PS-Kapital) Reserven

Anteil des nominellen Aktienkapitals und der Reserven am Eigenkapital

133 1967 – 1995

Sparkässeli aus verschiedenen Epochen In den Anfängen dominieren massive Metallbehälter, später werden spielerische Formen verwendet.

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schoss die Bank dem Konsortium vor. Dieses hatte den Kredit zu den Vorzugskonditionen für das Personal zu verzinsen. Danach veräusserte das Konsortium die ihm verbliebenen Aktien nach und nach und führte mit dem Verkaufserlös den Bankkredit zurück. Aufgrund dieser Erfahrungen nahm sich die Bank für die Zukunft vor, die Kurspflege zu intensivieren und die Kotierung der Aktie an der Börse anzustreben. Nach der Totalrevision des Kantonalbankgesetzes von 1973 hatten die Privataktionäre bei Kapitalerhöhungen dasselbe Bezugsrecht wie der Kanton und damit Anspruch auf die Zuteilung der neu ausgegebenen Aktien im Verhältnis zum bisherigen Aktienbesitz, wäh- rend zuvor die Hälfte des Privataktionärsanteils zur freien Zeichnung reserviert war. Da der Kanton nach wie vor nicht bereit war, bei der Emission neuer Aktien ein Aufgeld zu zahlen, fiel bei den drei Kapitalerhöhungen zwischen 1975 und 1978 kein Agio an, das zur Stärkung der Reserven hätte verwendet werden können. Dies war umso bedauerlicher, als die Zuger Kantonalbank damals im Vergleich mit anderen Kantonalbanken im Verhältnis zur Bilanz- summe über die geringsten Eigenmittel verfügte. Für die im Frühjahr 1979 neu gebildete Direktion war somit klar, dass die nächste Kapital- erhöhung mit einem Agio erfolgen würde. Die Bank hätte nämlich Kapitalerhöhungen ohne Agio im bisherigen Rhythmus bei gleichbleibender Ertragskraft und Gewinnausschüttung nicht verkraften können, da sie das neu beschaffte Eigenkapital mit 12 bis 13 Prozent zu ver- zinsen hatte. Diese Rendite konnte sie mit dem Zusatz- Die Bank hätte weitere Kapitalerhöhun- kapital nicht erwirtschaften. Sondierungsgespräche mit dem kantonalen Finanzdirektor Dr. Georg Stucky gen ohne Agio im bisherigen Rhythmus zeigten, dass der Kanton aufgrund seiner guten Fi- bei gleichbleibender Ertragskraft und Ge- nanzlage nichts dagegen hatte, wenn die Bank bei der nächsten, für 1980 vorgesehenen Kapitalerhö- winnausschüttung nicht verkraften können. hung den Ausgabekurs auf 750 Franken pro Aktie und somit über dem Nennwert festsetzte. Dieser ers- ten Kapitalerhöhung seit 1913, bei welcher sowohl der Kanton wie auch die Privataktionäre beim Bezug neuer Aktien ein Agio zu zahlen hatten, war ein grosser Erfolg beschieden. Eine Änderung der Verordnung zum eidgenössischen Bankengesetz eröffnete 1981 eine weitere Möglichkeit, um zumindest rechnerisch zu eigenen Mitteln zu kommen. Danach wur- den nachrangige Verpflichtungen unter bestimmten Bedingungen als Eigenmittel anerkannt. Nachrangige Darlehen und Anleihen sind Finanzierungsinstrumente, die im Falle einer In- solvenz eines Unternehmens hinter die Forderungen anderer Gläubiger zurücktreten. Sie können von einer Bank zu viel günstigeren Konditionen beschafft werden als Aktienkapital. Der Bankrat beschloss deshalb 1981, versuchsweise nachrangige Darlehen über maximal 2 Mio. Franken aufzunehmen. Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) zögerte zu- nächst, diese nachrangigen Darlehen als eigene Mittel im Sinne der eidgenössischen Ban- kengesetzgebung anzuerkennen, gab dann aber im August 1981 grünes Licht. 1989 widerrief die EBK ihren Entscheid von 1981 mit der Begründung, die Garantie durch den Kanton lasse den Nachrang zur Fiktion werden, indem das nachrangige Darlehen sei- nen Charakter als Risikokapital vollständig verliere. Die Zuger Kantonalbank erhob gegen

136 diesen Entscheid Beschwerde beim Bundesgericht, konnte aber Mitte 1991 mit der EBK eine einvernehmliche Lösung finden. Danach gestattete die EBK der Zuger Kantonalbank, bis zu einem bestimmten Umfang ihr vom Kanton Zug gewährte Darlehen als eigene Mittel anzu- rechnen. Der Kanton und die Bank schlossen darauf einen Rahmenvertrag ab, wonach der Kanton der Bank bis zu einem Gesamtbetrag von 60 Mio. Franken nachrangige Darlehen gewährte. Die Bank stellte dem Kanton die zur Refinanzierung benötigten Mittel zur Ver- fügung. Da sich die Ertragskraft der Zuger Kantonalbank ab Mitte der 1990er-Jahre stark verbesserte, konnte sie zunehmend Eigenmittel durch die Dotierung der Reserven bilden, was es ihr erlaubte, bis 2005 alle nachrangigen Verpflichtungen zu tilgen.

Partizipationsscheine statt Aktien Da die Bilanzsumme weiterhin stark anstieg, blieb die Kadenz der Kapitalerhöhungen trotz verbesserter Dotierung der Reserven und Aufnahme nachrangiger Darlehen hoch. Aufgrund des Gesetzes über die Zuger Kantonalbank musste der Kanton bei jeder Kapitalerhöhung zwingend die Hälfte der neu ausgegebenen Aktien übernehmen. Hätte sich der Kanton aus irgendwelchen Gründen an einer Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen oder kön- nen, wäre diese unterblieben. Das hätte das Wachstum der Bank gehemmt. Um diese Ab- hängigkeit zu lockern, schuf das Kantonalbankgesetz nach einer Teilrevision von 1987 die Möglichkeit, Partizipationsscheine (PS) auszugeben. An einer solchen Emission musste sich der Kanton nicht beteiligen, da PS keine Mitgliedschaftsrechte vermitteln. Unmittelbar nach der Gesetzesrevision gab die Bank 1987 mit Erfolg erstmals PS aus, und zwar 120 000 mit einem Nennwert von 100 Franken. Um Eigenmittel in der ganzen Schweiz beschaffen zu können, hatte der Bankrat im Hin- blick auf die Ausgabe von PS beschlossen, die Aktie und den PS der Zuger Kantonalbank an der Vorbörse in Zürich zu kotieren. Am ersten Handelstag, dem 21. September 1987, notierte die Aktie mit 2425 Franken und der PS mit 365 Franken. Die Kotierung der Titel der Zuger Kantonalbank an der Hauptbörse erfolgte im Frühjahr 1988. Die Aktie der Zuger Kantonal- bank ist nach wie vor an der SIX Swiss Exchange kotiert. Die PS-Euphorie verebbte wenige Jahre später. Der stimmrechtslose PS diente ursprüng- lich der Überfremdungsabwehr, die sich aber ab Ende der Achtzigerjahre zunehmend auf Vinkulierungsbestimmungen bei Aktien stützte. Zudem sah die damals bevorstehende Aktien- rechtsreform eine Angleichung der Rechtsstellung der Partizipanten und der Aktionäre vor. Die Akzeptanz der PS im Markt nahm dadurch ab, und immer mehr Gesellschaften wandel- ten die PS in Aktien um. Diesen Schritt unternahm im August 1990 auch die Zuger Kantonal- bank. Bei dieser Umwandlung berechtigten fünf PS mit einem Nominalwert von je 100 Fran- ken zum Bezug einer neuen Aktie mit einem Nominalwert von 500 Franken. Da der Kanton aufgrund des Kantonalbankgesetzes die Hälfte der neu geschaffenen Aktien übernehmen musste, aber nicht die Hälfte der PS besass, musste er vor der Umwandlung mit Hilfe der Bank im Markt rund 39 000 PS erwerben. Die Ironie der Geschichte: Entgegen der bei der Schaffung der PS verfolgten Absicht musste der Kanton schliesslich doch die Hälfte des zwi- schenzeitlich durch die Ausgabe von PS geschaffenen Grundkapitals der Bank aufbringen.

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Die letzten fünf Kapitalerhöhungen, die der Bank zwischen 1994 und 2003 Aktienkapital von total gut 57,7 Mio. Franken und ein Agio von insgesamt 91,6 Mio. Franken einbrachten, gingen glatt über die Bühne. Seither verfügt die Zuger Kantonalbank aufgrund der stetigen Dotierung ihrer Reserven aus dem Erfolg über mehr als genügend Eigenmittel, um ihr Ge- schäftsvolumen kontinuierlich ausweiten zu können. Sie brauchte dafür seit 2003 nie mehr auf eine Kapitalerhöhung zurückzugreifen.

Neuorganisation der Direktion Zwischen 1892 und 1965, also während mehr als 70 Jahren, standen lediglich vier verschie- dene Bankpräsidenten an der Spitze der Zuger Kantonalbank. Danach wechselte das Bank- präsidium häufiger: Auf Dr. Rudolf Schmid folgte 1965 Dr. Augustin Lusser, Zug, den 1971 Konrad Hess, Zug, ablöste. Mit seinem Nachfolger, Regierungsrat Bonaventura Iten, Unter- ägeri, wählte der Bankrat 1975 erstmals einen Freisinnigen zum Bankpräsidenten. Alle drei vorgenannten Präsidenten des Bankrates waren einflussreiche kantonale und zum Teil auch eidgenössische Politiker. Ab 1979 bekleidete mit Dr. Erich Kalt, Buchdrucker, Zug, seit langem wieder ein Vertreter der Privataktionäre das Amt des Bankpräsidenten. Kalt, der dem Bank- rat seit 1967 angehörte, blieb während 14 Jahren an der Spitze der Bank und sorgte damit für Kontinuität in der Oberleitung des Institutes. Ihm folgte 1993 als Bankpräsident Josef M. Auf der Maur, lic. oec., ehemaliges Geschäftsleitungsmitglied der IBM Schweiz, Baar, der seit 1989 die Privataktionäre im Bankrat vertrat. 1979 löste Dr. Jost Grob, Zug, Josef Iten-Ziegler als Direktionspräsidenten ab. Ihm stan- den innerhalb der Dreier-Direktion Dr. Roland Oswald und Franz Hürlimann als Direktoren zur Seite. Jost Grob, Dr. iur. und Rechtsanwalt, trat 1960 als Direktionssekretär und Rechts- konsulent in die Bank ein und leitete später als Vizedirektor unter anderem die Hypothekar- abteilung. Er gehörte ab 1973 zunächst als stellvertretender Direktor der Direktion und somit der Geschäftsleitung an. Im Zusammenhang mit der Pensionierung von Direktor Franz Hürli- mann Ende April 1988 formte der Bankrat die Organisation der Direktion grundlegend um. Gemäss neuem Direktionsmodell bestand die Geschäftsleitung nun aus den drei Direktoren Dr. Jost Grob, Direktionspräsident, Dr. Roland Oswald und Walter Weber sowie den zwei stellvertretenden Direktoren Toni Luginbühl und Hans-Peter Müller. Ende April 1993 trat Dr. Jost Grob in den Ruhestand. Bankpräsident Dr. Erich Kalt wür- digte an der Generalversammlung 1993 dessen jahrzehntelanges Wirken für die Bank: «Mit diesen, seinen Mitarbeitern im Rücken verstand es Dr. Grob, die Zuger Kantonalbank im Zuger Volk noch solider zu verankern. In seine Aera als Direktionspräsident fallen die Er- öffnungen der Niederlassungen Hünenberg, Neuheim, Walchwil, Einkaufszentrum Zuger- land, Baar-Oberdorf und Zug-Neustadt. (…) Es wurden aber nicht nur Gebäude errichtet, die Bank wurde auch intern zeitgemäss ausgebaut und durch kluges Marketing populär gemacht. Innovative Kredit- und Sparformen waren und sind das Markenzeichen der Zuger Kantonalbank, und die meisten tragen die Handschrift von Dr. Grob.» Mit der Pensionierung von Dr. Jost Grob änderte der Bankrat die Organisation der Direktion erneut. Ihr gehörten nun folgende Personen an: Dr. Roland Oswald, Baar, als neuer Direktionspräsident sowie

138 Jubiläumssignet zum 75-Jahr-Jubiläum von Walter Haettenschweiler, 1967 die beiden Direktoren Walter Weber und Toni Luginbühl. Der Direktion unterstellt waren fünf stellvertretende Direktoren und ein Filialdirektor als zweite Führungsstufe, die aller- dings der Geschäftsleitung nicht angehörten. Der neu ernannte Direktionspräsident Roland Oswald, lic. oec. HSG und Dr. sc. ec., trat 1964 als Direktionssekretär in die Dienste der Bank und leitete ab 1968 als Vizedirektor den Bereich Logistik. Ab 1973 war er als Mitglied der geschäftsleitenden Direktion für mehrere Departemente zuständig.

Zunehmende Konkurrenz durch Grossbanken Die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) eröffnete 1937 am vormaligen Sitz der von ihr teil- weise übernommenen Bank in Zug an der Bahnhofstrasse ihre erste Filiale in Zug. Die als Nachfolgerin der SKA unterhält in dieser Liegenschaft auch heute noch eine Nie- derlassung. Da die zugerische Wirtschaft in der Nachkriegszeit stark wuchs und sich neben den bereits ansässigen noch namhafte weitere, insbesondere international tätige Firmen in Zug niederliessen, wollten ab den 1960er-Jahren auch die übrigen Schweizer Grossbanken

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auf dem Platz Zug vertreten sein und eröffneten sukzessive Filialen in der Stadt Zug und später vereinzelt auch in weiteren zugerischen Gemeinden. Der Schweizerische Bankverein (SBV) war 1965 die erste Grossbank, die nach dem Krieg in Zug eine Niederlassung eröff- nete. Als Novum für Zug verfügte die Filiale des SBV im Hause der Zürich Versicherung an der Alpenstrasse sogar über einen Autoschalter – eine Einrichtung, die sich in der Schweiz allerdings nicht durchzusetzen vermochte. Der SBV übersiedelte 1984 in sein neu erstell- tes markantes Bankgebäude am Bundesplatz. Diesen Sitz gab er nach der Fusion mit der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) im Jahre 1998 auf. 1971 eröffnete die SBG in ihrem neu errichteten Gebäude an der Bahnhofstrasse eine Filiale. Im Empfehlungsschreiben an die Zuger Kundschaft strich die SBG die umfassenden Kompetenzen einer Grossbank hervor und versuchte sich damit von der «nur» lokal tätigen Konkurrenz abzuheben: «Wir kommen nicht mit leeren Händen. Wir bringen mit uns die grosse Palette der Dienstleistungen der Bankgesellschaft mit deren weitreichenden Verbindungen im Inland und im Ausland. Eine Grossbank verfügt über viel Erfahrung, Wissen und Informationen, die wir Ihnen selbstver- ständlich gerne weitervermitteln.» 1995 zog die SBG in ihr neues, beim Einkaufszentrum Metalli gelegenes Bankgebäude um, wo sich heute der Sitz Zug der UBS AG befindet. Schliesslich wagte 1976 auch noch die vierte der damals fünf Schweizer Grossbanken, die Schweizerische Volksbank (SVB), den Sprung nach Zug. Sie übernahm die 1958 gegründete Anlagebank Zug und liess sich an deren Sitz an der Neugasse nieder. 1993 ging die SVB in- folge Fusion an die Credit Suisse Holding über, die dann den Sitz an der Neugasse aufgab. Solange die SKA die einzige Grossbank auf dem Platz war, herrschte zwischen ihr und der Kantonalbank eine gewisse Konkurrenz, aber der Markt war mehr oder weniger auf- geteilt. Die parteipolitisch eher konservativ orientierte Kundschaft und das breite Publikum bevorzugten die Kantonalbank, während die freisinnigen Kreise sich eher zur SKA hinge- zogen fühlten. Das änderte sich, als sich SBV und SBG in Zug niederliessen und den Kampf um Marktanteile aufnahmen. Naturgemäss geriet dabei die Zuger Kantonalbank, die bis anhin den grössten Marktanteil hatte, am meisten unter Druck. Um ihre Ziele zu erreichen, verfügten die Grossbankfilialen über eigentliche Kampfkontingente, die es ihnen erlaubten, den Kunden mit grosszügigen Konditionen entgegenzukommen. In eine sehr ungemütliche Lage geriet die Zuger Kantonalbank, als 1969 die Kreditrestriktionen in Kraft traten. Diese behinderten die Zuger Kantonalbank im Wettbewerb mit den Grossbanken massiv. In dieser Situation waren die auf dem Platz Zug vertretenen Grossbanken im Vorteil. Die Grossban- ken konnten Kreditquoten, die sie andernorts nicht ausschöpften, nach Zug transferieren und bauwilligen Zuger Kunden zur Verfügung stellen. Die Zuger Kantonalbank musste zusehen, wie langjährige, mit der Bank grundsätzlich sehr zufriedene Kunden zu den Grossbanken abwanderten, da diese ihnen die Kredite erteilten, die ihnen die Zuger Kantonalbank we- gen der Kreditrestriktionen verweigern musste. Damit verlor die Zuger Kantonalbank Kun- denvolumen an die Grossbanken. Ganz abgesehen vom Konkurrenzkampf auf dem Platz Zug bauten die Grossbanken ab 1970 das Retailgeschäft in der Schweiz stark aus. Mit gezielten Werbekampagnen und dem Ausbau der Filialnetze gelang es ihnen, im Zeitraum 1970 bis 2000 die Marktanteile

140 bei den Spargeldern von 15 auf 30 Prozent und bei den Hypotheken von 11 auf 35 Prozent zu erhöhen. Dieser Gewinn von Marktanteilen ging vor allem zu Lasten der Kantonalbanken sowie der Regionalbanken und Sparkassen.

Eigene Stärken ausspielen Statt zu versuchen, die Grossbanken mit deren Waffen zu schlagen, besann sich die Zuger Kantonalbank auf ihre eigenen Stärken: Kenntnis der lokalen Verhältnisse, gute Vernetzung der Verantwortungsträger im Kanton Zug, kurze Entscheidungswege, Ausweitung des Nie- derlassungsnetzes im Kanton Zug, Lancierung innovativer Produkte und kundenorientiertes Verhalten. Bei der Neuausrichtung ihrer Geschäftsstrategie verliess sich die Bank aber nicht nur auf ihre eigene Intuition, sondern stützte sich auch auf externes Fachwissen. Zu diesem Zweck liess sie 1972 von einem Marktforschungsinstitut eine Image-Studie erstellen. Darin zeigte sich, dass die Zuger Kantonalbank im Vergleich zur Konkurrenz auf dem Platz Zug in den meisten Geschäftsfeldern über ein gutes Image verfügte. Einzig bei der kommerziellen Kreditgewäh- Die grosse Herausforderung bestand rung sowie beim Ausland- und Börsengeschäft erach- teten die im Rahmen der Studie befragten Personen darin, die Mitarbeitenden von der Ver- die Zuger Kantonalbank als weniger kompetent als waltermentalität wegzubringen, damit die Grossbanken. Aufgrund der Untersuchungen sah die Studie die Chancen der Zuger Kantonalbank sie aktiv auf Kunden zugingen. beim Aufbau von Leistungen und individuellen Kun- dendiensten, wie sie von Grossbanken nicht geboten werden konnten. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Bank nach Ansicht der Experten die Vorstellungen und Wünsche der Kundschaft als Basis und als Massstab für ein zukünftiges Marketing in den Vordergrund stellen. Entsprechend diesen Empfehlungen richtete die Zuger Kantonalbank ihre Geschäfts- politik neu aus. Mit einem ausgesprochen kundenorientierten Verhalten gelang es der Bank, trotz der Konkurrenz in ihren angestammten Geschäftsbereichen, ihre führende Stellung zu be- haupten und die Marktanteile zum Teil sogar auszuweiten. Das war nur dank grosser An- strengungen der damaligen Bankleitung möglich, die Mentalität der Mitarbeitenden mit- tels Schulung und Training zu ändern und sie zur aktiven Marktbearbeitung zu motivieren. Dabei bestand die grosse Herausforderung darin, die Mitarbeiter wegzubringen von der Verwaltermentalität, wonach die Kunden kommen sollten, wenn sie etwas brauchten, und sie zur Kultur hinzuführen, dass man aktiv auf die Kunden zugeht, sich nach deren Bedürf- nissen erkundigt und sie entsprechend bedient. Um den Angestellten das kundenorientierte Verhalten zu erleichtern, entwickelte die Bank ein erstes Kontaktpersonenkonzept und teilte bedeutenden Kunden aus Gewerbe und Kommerz Kontaktpersonen zu. Jede Kontaktperson erhielt Vorgaben, wie häufig sie ihre Kunden zu kontaktieren hatte. Zudem musste sie über jeden Kontakt ein Protokoll erstellen. Dank der intensiven Bemühungen der Zuger Kantonal- bank, der zugerischen Bevölkerung und Wirtschaft möglichst umfassende Bankdienstleis- tungen zu erbringen, verzeichnete sie in den 1970er- und 1980er-Jahren im Vergleich zum

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Durchschnitt der Kantonalbanken in allen Sparten ein überdurchschnittliches Wachstum. Das war aber nur möglich, indem die Bank die Infrastruktur kräftig ausbaute und vor allem den Personalbestand massiv erhöhte. Damit verschlechterte sich die Ertragskraft der Bank. Der damals seit einigen Jahren anhaltende Trend, wonach der Aufwand stärker wuchs als der Ertrag, bereitete den Verantwortlichen erhebliche Sorgen. Trotzdem waren die Bank- behörden überzeugt, dass die von der Bank verfolgte Geschäftspolitik dem gesetzlichen Auftrag entsprach. Der damalige Bankpräsident, Dr. Erich Kalt, drückte die zu jener Zeit herrschende Haltung Ende 1985 an einer Sitzung des Bankrates wie folgt aus: «(…) dass wir ein Dienstleistungsbetrieb sind, der den Auftrag hat, der Öffentlichkeit des Kantons zu dienen, wobei nicht unbedingt der Gewinn im Vordergrund steht.»

Gewinnoptimierung statt Gewinnmaximierung Trotz dieser Relativierung des Gewinnstrebens blieb die Ertragslage der Bank für die Lei- tungsgremien ein ständiges Thema. Als ertragsverbessernde Massnahme regte die Direktion 1988 die Erarbeitung einer Strategie für die Bank an. Damit wollte die Geschäftsleitung die bisherige Geschäftspolitik der Bank kritisch überprüfen mit dem Ziel, dem Institut die Leis- tungskraft und Marktstärke zu sichern, die zur Bewältigung kommender Herausforderungen erforderlich waren. Vor Beginn der Strategiearbeiten liess die Direktion durch die Firma ATAG eine Personalbefragung durchführen. Deren Resultat zeigte, dass die Bank zufriedene Angestellte hatte, welche sich im Unternehmen wohlfühlten und sich mit ihm identifizierten. Als Schwachstellen bezeichneten die Befragten die Zusammenarbeit zwischen den Abtei- lungen sowie die Anstellungsbedingungen und die Aufstiegsmöglichkeiten. Die Direktion nahm das ernst und ergriff Massnahmen zur Beseitigung der Kritikpunkte. Die Erarbeitung der Strategie, die auf dem Konzept der strategischen Erfolgspositionen von HSG-Professor Cuno Pümpin basierte, zog sich über drei Jahre hin, da sich die verschie- denen Führungsebenen der Bank à fond damit beschäftigten. Damit die Kader aller Stu- fen sich mit der Strategie identifizieren konnten, erhielten sie Gelegenheit, an zweitägigen Seminaren auf der Rigi bei deren Erarbeitung mitzuwirken. Mit der 1991 verabschiedeten Strategie bündelte die Bank ihre Kräfte und konzentrier- te sich auf diejenigen Bereiche, wo sie schon bisher stark war oder wo sie glaubte, neue Stärken, namentlich auch beim Ertrag, aufbauen zu können. Diese Zielgruppen waren die Privatkunden, die Immobilienkunden, die Zuger Unternehmen und die Finanzkunden, also jene Kundensegmente, die sich nach Ansicht der leitenden Bankgremien ohnehin mit dem volkswirtschaftlichen Auftrag der Bank deckten und wo die Bank die erforderliche Leistungs- stärke auch langfristig mit einem vertretbaren Aufwand sicherstellen konnte. Auf Verlangen des Bankrates mass die Strategie aber auch dem Ertrag das nötige Gewicht bei. Der im Mehrjahresdurchschnitt im Minimum zu erzielende Cashflow musste in einem bestimmten Verhältnis zum erforderlichen Eigenkapital stehen. Dieses Ertragsziel war allerdings realis- tisch bemessen. Nach Ansicht des Bankpräsidenten wäre es unrichtig gewesen, «die Mess- latte höher anzusetzen, weil die Geschäftspolitik der Zuger Kantonalbank sich nicht auf eine Gewinnmaximierung, sondern Gewinnoptimierung auszurichten habe».

142 Kadertagung auf Rigi Kaltbad, 1980 Das Tenü für die seit 1974 jährlich im Januar und anfänglich auf der Rigi stattfindende Kadertagung war betont sportlich. Das trug zur lockeren Atmosphäre bei.

Kundenberatung, 1982 Die hohe Marktdurchdringung im Kanton Zug führte zu einem starken Personalwachstum.

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Mit dieser Strategie gab die Zuger Kantonalbank den Anspruch auf, als umfassende Universalbank allen potenziellen Kundenkreisen ein möglichst breites Dienstleistungsange- bot zu bieten und den dafür erforderlichen Geschäftsapparat bereitzustellen. Um die neue Strategie umzusetzen, gab sich die Bank eine zweidimensionale Organisationsstruktur, die neben der funktionalen eine Zielgruppenführungs-Ebene mit den vier Zielgruppen umfasste. Interessant ist, wie die Zuger Kantonalbank zum Zeitpunkt der Strategieerarbeitung im Markt positioniert war. Nach Aussagen der Direktion gegenüber dem Bankrat gewährte die Zuger Kantonalbank rund 60 Prozent sämtlicher Hypotheken im Kanton Zug – mit damals leicht abnehmender Tendenz. Gegen 90 Prozent der Zuger Unternehmer unterhielten eine Geschäftsbeziehung mit der Bank, wobei die allermeisten Gewerbetreibenden die Zuger Kantonalbank als Hauptbankverbindung betrachteten. Beim Privatkundensegment hielt die Zuger Kantonalbank gegen 60 Prozent des Sparvolumens des Kantons Zug, etwa 65 Pro- zent der Lohnkonten und die Mehrheit der Wertschriftendepots. Beim Finanzkundensegment schliesslich lag schätzungsweise die Hälfte des Anlagevolumens von etwa vier Milliarden Franken bei der Zuger Kantonalbank. Zur Umsetzung der Strategie verfeinerte die Bank ihr Kontaktpersonenkonzept und bau- te es zu einem Kundenbetreuungs- und Akquisitionskonzept aus. Damit erhielt ein weiterer Kreis von Kunden einen persönlichen Betreuer. Dieser hatte seine Kunden nicht nur persön- lich zu betreuen, sondern musste sie auch mit Bezug auf den Ertrag, den sie für die Bank generierten, sowie auf das Entwicklungspotenzial klassifizieren. Bei Kunden mit Entwick- lungspotenzial bestand das Problem vielfach darin, Zur Neuakquisition von Kunden stützte dass die Betreuer wohl einen sehr guten persönlichen Kontakt zu einem Kunden hatten, diesen aber wegen man sich auf Pressepublikationen, Mit- dessen Entwicklungspotenzial und der mangelnden gliederverzeichnisse von Vereinen und eigenen Befähigung nicht weiter betreuen durften – ein bis heute heikles Thema. Die bankeigene Informa- Neuzuzügerlisten der Gemeinden. tik unterstützte die Kundenbetreuer insbesondere bei der Terminplanung und der Protokollierung der Aktivi- täten. Zur Akquisition von Neukunden stützte man sich unter anderem auf Pressepublikatio- nen, Mitgliederlisten von Verbänden und Vereinen sowie Neuzuzügerlisten von Gemeinden. Im Leitbild, das sich die Bank im Rahmen der neuen Strategie erstmals gab, bezeich- nete sie sich als die führende Bank für den Kanton Zug und als ausgeprägt kundennah und innovativ. Sie bekannte sich als «mitverantwortlich für unseren Kanton als lebenswerte Wohn- und Arbeitsregion». Da eine Geschäftsstrategie nichts Statisches ist, hat die Zuger Kantonalbank Leitbild und Strategie seit 1991 mehrmals überarbeitet und dem sich ändern- den wirtschaftlichen und politischen Umfeld angepasst. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung des Leitbildes frischte die Zuger Kantonalbank ihr Erscheinungsbild in den Geschäftsstellen und den Druckerzeugnissen auf und übernahm dabei anstelle ihres seit 1956 verwendeten Signets neu das stilisierte «K» aller schweize- rischen Kantonalbanken. Damit wollte sie, wie sie im Geschäftsbericht 1991 schrieb, auch zum Ausdruck bringen, dass sie Teil einer Verbandsorganisation sei, die sich ihrer Meinung

144 nach für eine Kooperation in vielen Geschäftsfeldern anbiete. Tatsächlich haben aber die Kantonalbanken das Potenzial, das sich ihnen mit einer engeren Zusammenarbeit eröffnet hätte, bei weitem nicht ausgeschöpft.

Gemeinschaftswerke der Kantonalbanken Die Kantonalbanken sind, obwohl sie sich in der Rechtsform, der Grösse und der geographi- schen Lage unterscheiden, mehr oder weniger in denselben Geschäftsfeldern tätig und ha- ben daher mehrheitlich die gleichen Interessen. Sie wären eigentlich prädestiniert, in vielen Belangen zusammenzuarbeiten, um so ein grosses Synergiepotenzial zu nutzen. Die Kan- tonalbanken haben denn auch immer wieder versucht, über den Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB) oder im Rahmen von Ad-hoc-Gruppierungen zu kooperieren. Dabei erwies es sich häufig als nachteilig, dass die Kantonalbanken verschiedenen Eigentümern gehören und dadurch auf ihre Eigenständigkeit bedacht sind und nur ungern Kompetenzen an Dritte abgeben. Deshalb liess der VSKB 1995 in einer Studie die Schaffung einer Kanto- nalbank-Holding prüfen. Da die Kantone von dieser Studie erst durch deren vorzeitige Pub- likation in den Medien erfuhren, regte sich rasch politischer Widerstand gegen ein solches Vorhaben. Die Idee ist denn auch nicht weiterverfolgt worden. In letzter Zeit kommt hinzu, dass sich Kantonalbanken in verschiedenen Geschäftsfeldern auch konkurrenzieren. Aus diesen Gründen waren schliesslich nur wenige Kooperationsprojekte erfolgreich. Das weitaus beständigste Gemeinschaftswerk der Kantonalbanken ist die 1931 gegrün- dete Pfandbriefzentrale der schweizerischen Kantonalbanken AG, deren Geschäfte seit Be- ginn die Zürcher Kantonalbank als Beauftragte führt und an der auch die Zuger Kantonal- bank beteiligt ist. Die Pfandbriefzentrale dient den Kantonalbanken bis heute als wertvolles Refinanzierungsinstrument. Aktuell arbeiten die Kantonalbanken im Kreditkartenbereich mit der 1999 gegründeten Viseca Card Services SA zusammen, an der sie zusammen mit ande- ren inlandorientierten Banken auch beteiligt sind. Andere Kooperationsprojekte sind erfolg- reich angelaufen und dann im Laufe der Zeit aus unterschiedlichen Gründen aufgegeben worden. So haben die Kantonalbanken die lange Zeit im Leasinggeschäft erfolgreiche Lisca Leasing AG 1999 an den Finanzdienstleister GE Capital veräussert. Zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit kam es bei der beruflichen Vorsorge, die in der Schweiz lange freiwillig war. Das änderte sich als Volk und Stände 1972 das Obligato- rium der zweiten Säule in der Bundesverfassung verankerten. Es dauerte dann allerdings dreizehn Jahre, bis das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und In- validenvorsorge (BVG) in Kraft trat. Da absehbar war, dass mit dem Obligatorium der beruf- lichen Vorsorge immense Kapitalien angehäuft würden, gründeten die Kantonalbanken im Rahmen des VSKB und auf Empfehlung einer vom VSKB eingesetzten Arbeitsgruppe bereits 1973 die Prevista Anlagestiftung, bei welcher autonome Pensionskassen ihre Mittel anlegen konnten, und die Servisa Sammelstiftung, der sich Unternehmen ohne eigene Pensionskasse anschliessen konnten. Die Zuger Kantonalbank, deren damaliger stellvertretender Direktor Dr. Roland Oswald als Mitglied der VSKB-Arbeitsgruppe massgeblich beim Aufbau dieser Stiftungen mitgewirkt hatte, beteiligte sich vom Start weg an diesen Gemeinschaftswerken

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und gehörte schon in der Anfangsphase bei der Kundenakquisition für beide Stiftungen zu Exkurs 14 den aktivsten Promotoren. Sparen lohnt Die Zuger Kantonalbank hatte erkannt, dass sie die zu erwartenden Ausfälle beim frei- sich – oder doch nicht? willigen Sparen, einem ihrer Hauptgeschäftsfelder, mit der Ausweitung ihrer Dienstleistun- S. 170 gen auf das Vorsorgegeschäft kompensieren musste. Dabei kam ihr zustatten, dass sie für viele kleine und mittlere Unternehmen, für die sich eine eigene autonome Pensionskasse nicht lohnte, die Hausbank war und ihnen die für dieses Kundensegment geschaffenen Vorsorge- einrichtungen Servisa und Prevista empfehlen konnte. Daneben errichtete die Zuger Kanto- nalbank selber eine Freizügigkeitsstiftung für die Anlage von Freizügigkeitsguthaben, deren massive Zunahme abzusehen war, und eine Vorsorgestiftung «Sparen 3», die bis heute zur Anlage von Mitteln der gebundenen Selbstvorsorge dient. Später siedelten die Kantonalbanken die beiden Stiftungen Servisa und Prevista unter dem Dach der 1993 gegründeten Swisscanto Holding AG an, einem Gemeinschaftsunter- nehmen im Anlage- und Fondsgeschäft, das die Zürcher Kantonalbank 2014 übernahm. Die Servisa, heute Swisscanto Sammelstiftung, und die Prevista, heute Swisscanto Anlage- stiftungen, sind aber eigenständige juristische Personen geblieben, mit denen die Zuger Kantonalbank nach wie vor intensiv zusammenarbeitet. Die Swisscanto Holding AG ist zu unterscheiden von der namensgebenden Swiss Canto- bank (International), die wenig erfolgreich operierte. Damit sie die Auslandsgeschäfte ihrer Kunden nicht länger über die Grossbanken abwickeln mussten, wollten die Kantonalbanken in den 1980er-Jahren eine gemeinsame Auslandbank gründen und kauften 1985 zu diesem Zweck vom Financier Werner K. Rey die kleine Omnibank mit Sitz in Zug. Das Geschäfts- modell der Swiss Cantobank (International) bewährte sich aber nicht. Zum einen waren die Kantonalbanken nicht bereit, ihre Auslandsgeschäfte über die Swiss Cantobank (Internatio- nal) abzuwickeln, da sie von den Grossbanken für solche Geschäfte Gegenleistungen im Effekten- und Devisenhandel sowie Quoten bei Emissionen erhielten. Zum andern kamen die Eigenaktivitäten der Swiss Cantobank (International) im Markt nicht an. Die Swiss Canto- bank (International) ist schliesslich 2006 liquidiert worden.

Von der Handarbeit zur elektronischen Datenverarbeitung Bis weit in die 1960er-Jahre hinein erfolgte nicht nur bei der Zuger Kantonalbank, sondern generell bei allen Banken der Zahlungsverkehr, die Kontoführung, das Sparkassengeschäft, die Kreditverarbeitung und die Wertschriftenverwaltung auf manueller Basis, unterstützt durch verschiedene Maschinen. So verfügte die Zuger Kantonalbank 1966 über Schalter- quittungsmaschinen zur Erleichterung des Barverkehrs an den Schaltern, über eine Adres- sieranlage und über mehrere Buchungsmaschinen und Buchungsautomaten. Diese Adminis- trativarbeiten waren wegen der weitgehend fehlenden Automation sehr personalintensiv. Insbesondere die periodisch anfallenden Abschlussarbeiten banden grosse Personalres- sourcen und konnten nur dank Überzeitarbeit und Feriensperren einigermassen terminge- recht erledigt werden. Wegen der Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und der stürmischen Wirtschaftsentwicklung in den 1960er-Jahren nahmen die von der Bank zu er-

146 Lieferung der EDV-Anlage «NCR Century 100», 1970 Die Anlage übernahm zuvor manuell ausgeführte Arbeiten wie die Kontokorrentverwaltung. ledigenden Arbeiten massiv zu. Dies führte zwischen 1961 und 1966 zu einem Anstieg des Personalbestandes der Zuger Kantonalbank um rund 50 Prozent. Da in der Schweiz zu we- nig Fachpersonal mit einer Bankausbildung zur Verfügung stand, stellten die Finanzinstitute und so auch die Zuger Kantonalbank zunehmend Leute aus anderen Berufskategorien ein und bildeten diese für bankspezifische Tätigkeiten aus. Insbesondere die steigenden Personalkosten und der Mangel an geeigneten Fachkräften riefen nach neuen arbeitstechnischen Hilfsmitteln und einer Optimierung der Ablauforga- nisation. Die Bank beauftragte daher 1966 die Aktiengesellschaft «Institut für Automation, Zürich» mit einer Untersuchung «des Informationswesens unter besonderer Berücksichtigung der Anwendungsmöglichkeiten für ein elektronisches Datenverarbeitungs-System». Nach eingehenden Untersuchungen empfahl die Expertin der Bank die Anschaffung eines EDV- Systems mit externen Speichermedien, wie Magnetbändern oder Magnetplatten. Nach- dem eine eigens zu diesem Zweck geschaffene EDV-Kommission die nötigen Abklärungen getroffen hatte, beschloss der Bankrat im Juli 1967, den Bankbetrieb auf die elektronische Datenverarbeitung umzustellen und zu diesem Zweck eine «NCR Century 100»-Anlage zum Preis von 700 000 Franken zu kaufen. Die EDV-Anlage der Bank nahm 1970 mit der sukzessiven Übernahme der gesamten Sparkassen- und Kontokorrent-Verarbeitung den Betrieb auf und erledigte im Verlaufe der Zeit immer mehr zuvor manuell ausgeführte Arbeiten. Wie dem Protokoll der Bankvor- standssitzung vom 17. August 1970 zu entnehmen ist, war die EDV-Anlage aber offenbar ein Montagsmodell: «Wie der Direktor orientiert, haben wir bereits seit einigen Wochen Schwierigkeiten mit unserer EDV-Anlage NCR Century 100. Die maschinellen Installationen

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UNIVAC-System und Magnetbänder für externe Speicherung, 1980 Längere Unterbrüche sorgten für Ärger, so dass 1983 auf ein IBM-System umgestellt wurde.

befriedigen leider nicht vollumfänglich, so dass sich ständig Unterbrüche ergeben und oft- mals täglich die Service-Monteure angefordert werden müssen. Nachdem gemäss unseren Erkundigungen andere Anlagen des gleichen Typs zur vollen Zufriedenheit funktionieren, muss offenbar unsere Anlage gewisse Schwächen besitzen. Es wird versucht, durch Aus- wechslung wesentlicher Teile diese Schwierigkeiten zu beheben.» Da sich die Informatik-Technologie rasant entwickelte, wechselte die Bank ab 1978 die bisherige EDV-Anlage gegen ein UNIVAC-System aus, das insbesondere einen Online-Be- trieb ermöglichte, sofern es funktionierte. So sorgten längere Unterbrüche im Online-Betrieb im Sommer 1982 für beträchtlichen Ärger und Verzögerungen bei der Verarbeitung des Tagesgeschäftes. Im Rahmen des Ausbaus der Informatikinfrastruktur beschloss der Bankrat daher Ende 1983, die elektronische Datenverarbeitung auf ein IBM-System umzustellen.

148 Aus heutiger Sicht fällt auf, wie lange die Zuger Kantonalbank ihre Informatikprojekte weitgehend alleine und mit eigenen Fachleuten realisierte. Dies führte zu einer massiven personellen Aufstockung der Informatikabteilung, verbunden mit einem entsprechenden An- stieg der Personalkosten. Die Zuger Kantonalbank war aber bei weitem nicht die einzige Bank, die unter hohen IT-Kosten litt. Um diese Kosten auf mehrere Schultern verteilen zu können, schlossen sich verschiedene Kantonalbanken mit IBM-Anlagen, so auch die Zuger Kantonalbank, 1987 zur Arbeitsgemeinschaft für Informatik (AGI) zusammen, um gemeinsam eine IT-Plattform aufzubauen. Die AGI entwickelte sich dann aber nicht so, wie sich das die Zuger Kantonalbank vorgestellt hatte, weshalb sie bereits 1990 wieder aus der AGI austrat. Nach Ansicht der Zuger Kantonalbank wollte die AGI zu viele Projekte auf einmal realisie- ren, was zu zunehmenden Koordinations- und Führungsproblemen und erheblichen Kosten- steigerungen führte. Danach prüfte die Zuger Kantonalbank eine Informatik-Kooperation mit der Zürcher Kantonalbank, verwarf diese Idee aber rasch wieder, da die damalige Informatikinfrastruktur der Zürcher Kantonalbank qualitativ nicht den Anforderungen der Zuger Kantonalbank entsprach. Somit blieb die Zuger Kantonalbank bis zu Beginn unseres Jahrhunderts informatikmäs- sig auf sich allein gestellt. Das verlieh der Bank beim Ausbau ihrer IT-Infrastruktur eine ge- wisse Flexibilität. Andererseits litt sie unter den ständig steigenden Informatikkosten und dem fehlenden Erfahrungsaustausch.

Lohnkonten fördern den bargeldlosen Zahlungsverkehr Bis gegen Ende der 1960er-Jahre erhielten die meisten Schweizer Arbeitnehmer ihren Lohn in bar, meist in einem gelben «Zahltagssäcklein», und besorgten anschliessend mit dem Bargeld ihre Einkäufe oder beglichen die Rechnungen mittels Einzahlungsscheinen am Postschalter. Auch die Zuger Kantonalbank bezahlte die Löhne bar aus und liess sich den Empfang von den Angestellten unterschriftlich bestätigen. Über ein Zahlungsverkehrskonto bei einer Bank oder der Post verfügten damals die wenigsten Privatpersonen. Das änderte sich erst, als die Banken gegen Ende der 1960er-Jahre begannen, sich für die bargeldlose Lohnzahlung und, damit zusammenhängend, für den bargeldlosen Zahlungsverkehr stark zu machen. Die speziell dafür entwickelten Konten dienten in erster Linie dem Zahlungsverkehr. Die Kundenguthaben auf diesen Konten trugen aber auch Zinsen und waren den Banken als Passivgelder willkommen. Die Zuger Kantonalbank lancierte im Sommer 1969 solche «Lohnkonten» und stattete sie mit attraktiven Konditionen aus. So führte die Bank die Konten spesenfrei und verzinste die Guthaben bis 10 000 Franken mit 3 Prozent. Die Kunden konnten jederzeit über ihr gesamtes Guthaben verfügen und durften die Konten bis zur Höhe eines halben Monats- lohnes sogar während längstens drei Monaten überziehen. Die Lohnkonten erfreuten sich von Anfang an grosser Beliebtheit und erreichten schon ein Jahr nach ihrer Einführung einen wesentlichen Anteil am gesamten Bestand der Kontokorrente. Ohne die dank der elektronischen Datenverarbeitung mögliche Automation vieler Arbeiten hätten die Zuger Kantonalbank und auch die übrigen Banken das markant ansteigende Volumen des bar-

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zuger Kantonalbank, 1988

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geldlosen Zahlungsverkehrs nicht bewältigen können. An dieser Stelle ist auch der erste Exkurs 13 Bancomat zu erwähnen, den die Zuger Kantonalbank als Partnerin der ersten Stunde des Der Siegeszug Bancomat-Pools 1968 in ihrem Hauptsitz in Zug installierte. An diesem Apparat konnten die des Bancomats in der Schweiz Bankkunden mit einer speziellen Karte und ohne physischen Kontakt mit einem Angestell- S. 168 ten zu jeder Tages- und Nachtzeit Banknoten bis maximal 500 Franken pro Transaktion zu Lasten ihres Kontos beziehen. Negativ ins Gerede kamen die Lohnkonten der Zuger Kantonalbank rund 20 Jahre nach ihrer Einführung, als die Bank im Sommer 1989 entschied, für die Führung der bis anhin spesen- freien Konten eine monatliche Gebühr von 5 Franken zu erheben. Zum gleichen Zeitpunkt er- höhte sie wegen der allgemeinen Zinsentwicklung die Hypothekarzinsen, allerdings lediglich um ¼ Prozent und nicht wie die übrigen Banken um ½ Prozent, was wegen der damaligen Be- stimmungen über den Referenzzinssatz für Mietzinsanpassungen den Mietzinsanstieg dämpf- te. Die Bank kommunizierte offen, dass sie den ihr wegen der bescheideneren Anpassung des Hypozinses entstandenen Ertragsausfall zu etwa einem Drittel mit der Gebührenerhebung auf den Lohnkonten zu kompensieren hoffte. Deshalb hatte sie die ohnehin geplante Gebüh- renerhebung um ein halbes Jahr vorgezogen. Obwohl die Bank dies in ihrem Schreiben an die Kunden herausstrich und der damalige Direktionspräsident Dr. Jost Grob in zahlreichen Zeitungsinterviews die Vorteile dieses Massnahmenpaketes für die Mieter darlegte, gelang es kaum, den Kunden diesen Konnex klarzumachen. Der Bestand an Lohnkonten nahm jedenfalls wegen dieser Gebühr vorübergehend ab. Die Bank machte den «Fünfliber-Entscheid» bereits Ende 1992 wieder rückgängig und führte danach die Lohnkonten wieder spesenfrei. Das dürfte mit ein Grund gewesen sein, weshalb 1995 schon über 40 000 Kunden bei der Zuger Kantonalbank ein Lohnkonto, nun Privatkonto genannt, unterhielten. Ab den Siebzigerjahren baute die Zuger Kantonalbank die Anlageberatung und ge- nerell die Dienstleistungen im Wertschriftengeschäft aus und schaffte die personellen und organisatorischen Voraussetzungen, um auch eine anspruchsvolle Kundschaft kompetent beraten zu können. Etwas später begann sie zudem, die Verbreitung von Wertschriften- depots auch im Retailgeschäft zu fördern. Sie wollte damit die Sparer vermehrt für den Kauf von «soliden» Wertpapieren interessieren, «um damit ohne Preisgabe der Sicherheit die Rentabilität der eigenen Ersparnisse zu erhöhen», wie die Bank im Geschäftsbericht 1982 schrieb. Später bot die Bank zunehmend Strategiefonds an und ermöglichte damit auch Kunden mit geringerem Vermögen, je nach Risikofähigkeit und -bereitschaft diversifiziert in Aktien und Obligationen zu investieren. In den 1980er-Jahren nahm der Ertrag aus dem Wertschriftengeschäft denn auch kräftig zu, wobei der Börsencrash vom Oktober 1987 diesen Anstieg vorübergehend bremste. Ab 1976 konnte die Zuger Kantonalbank auch In- vestitionen in einen von ihr mitverwalteten Fonds anbieten, indem sie von der Handelsbank Zürich einen Anteil am Aktienkapital der AG für Fondsverwaltung in Zug erwarb. Die AG für Fondsverwaltung ist bis heute die Fondsleitungsgesellschaft des Immofonds, eines der führenden kotierten Immobilienfonds der Schweiz. Gleichzeitig entsendet die Bank seither Vertreter in den Verwaltungsrat der AG für Fondsverwaltung. Seit 1993 fungiert die Zuger Kantonalbank ausserdem als Depotbank des Immofonds.

152 Ausbau des Filialnetzes mit eigenen Liegenschaften Anfang der 1960er-Jahre unterhielt die Zuger Kantonalbank – neben dem Hauptsitz in Zug und Filialen in Baar, Cham und Unterägeri – in Menzingen und Rotkreuz Agenturen und in allen anderen Zuger Gemeinden sowie in Oberwil-Zug Einnehmereien. Wegen des starken Bevölkerungswachstums im Kanton Zug in der Nachkriegszeit begann die Bank, ihr Niederlassungsnetz zu verdichten und die Einnehmereien sukzessive in Agenturen oder Filialen umzuwandeln und die bestehenden Agenturen und Filialen wegen des steigenden Geschäftsvolumens baulich zu erweitern und an die sich wandelnden Kundenbedürfnisse anzupassen. Da die Leitungsgremien recht klare Vorstellungen darüber hatten, an welchen Orten in diesem Zusammenhang Handlungsbedarf bestand, kaufte die Bank ab 1960 in verschiedenen Gemeinden Liegenschaften, die sich aufgrund ihrer Lage und Grösse für den Bau eines künftigen Agentur- oder Filialgebäudes eigneten. So erwarb die Bank 1960 für den damals stolzen Quadratmeterpreis von 1000 Franken samt Architektur- und Hand- werkerverpflichtung ein Grundstück an der Ecke Baarerstrasse/Gubelstrasse in Zug und eröffnete dort im November 1962 die Stadtfiliale «Zug-Nord». Ein ähnliches Vorgehen wähl- te sie auch andernorts, bis sie 1983 mit der Eröffnung der Geschäftsstelle in Neuheim in allen zugerischen Gemeinden mit einer Filiale vertreten war. Im Laufe der Zeit verwarfen die Verantwortlichen aber weitere Standorte, die sie ursprünglich für eine Geschäftsstelle als geeignet erachtet hatten, wie Oberwil-Zug, wo die Bank sogar bereits ein Grundstück gekauft hatte, Inwil bei Baar, Weinberggebiet in Zug, Blickensdorf, Sihlbrugg, Hagendorn und Buonas. Die Filialen der Zuger Kantonalbank arbeiteten lange Zeit recht autonom und unter- schieden sich in ihren Dienstleistungen nicht wesentlich von denjenigen des Hauptsitzes. Sie hatten einen eigenen Kontonummern-Kreis, anhand dessen erkennbar war, welche Nie- derlassung das betreffende Konto führte. Die Filialen erledigten auch Backoffice-Arbeiten lange selbstständig. Aus Kostengründen konzentrierte die Bank dann ab den 1980er-Jahren viele bislang dezentral erledigte Arbeiten, wie Zahlungsverkehr, Sparkassenverwaltung, Kontodisposition etc., am Hauptsitz. Die Zuständigkeit der Geschäftsstellen beschränkte sich zunehmend auf den direkten Kundenkontakt und den Vertrieb von Bankprodukten. Die Leiter der Niederlassungen hatten an dieser Entwicklung anfänglich keine Freude, mussten sie doch Kompetenzen an den Hauptsitz abgeben. Mit der Eröffnung der Filiale Zug-Neustadt erreichte das Niederlassungsnetz der Zuger Kantonalbank 1992 mit 18 Geschäftsstellen die grösste Dichte. Heute ist die Bank nach wie vor in allen Zuger Gemeinden mit bedienten Geschäftsstellen vertreten, auch wenn diese aus Kostengründen nicht mehr alle ganztags geöffnet sind. Insgesamt verfügt die Zuger Kantonalbank aktuell über 14 bediente Geschäftsstellen, darunter allerdings kei- ne Einnehmereien mehr. Die beiden Letzten ihrer Art, in neuerer Zeit Agenturen genannt, sind 2002 in Allenwinden und 2001 in Oberwil-Zug eingegangen; letztere, die seit Jahr- zehnten der Posthalter von Oberwil geführt hatte, weil die Post aus Konkurrenzgründen neben der Postfinance keine weitere Finanzdienstleisterin in ihren Räumen mehr duldete. Das Geschäftsstellennetz ist für die Marktpräsenz einer Bank nach wie vor von grosser

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Aussenansicht der Filiale in Steinhausen, 1967, und Schalterraum im Provisorium der Filiale in Baar, 1971 Ab den 1960er-Jahren wurde das Niederlassungsnetz mit Agenturen und Filialen in bankeigenen Liegenschaften stark erweitert.

154 Bedeutung, wobei sich dessen Funktion grundlegend geändert hat. Früher dienten die Ge- schäftsstellen vorwiegend dem Bargeldbezug, während heute die Beratung der Kunden im Vordergrund steht. Neben dem Ausbau des Geschäftsstellennetzes stieg in den 1960er- und 1970er-Jahren auch der Raumbedarf am Hauptsitz unaufhaltsam. Nach und nach belegte die Bank alle zuvor an Dritte vermieteten Büroräumlichkeiten in ihrem Gebäude am Postplatz selber und erwarb, um den Platzbedarf zu befriedigen, ab 1970 weitere Grundstücke in Zug. Da die Verwaltungsabteilungen Ende der 1980er-Jahre an mehr als zehn verschiedenen Standorten untergebracht waren, prüften die Verantwortlichen die Errichtung eines Verwaltungsgebäu- des, in welchem alle Backoffice-Bereiche zusammengelegt werden konnten. Mit dem Kauf des Geschäftshauses Baarerstrasse 37 von der Marc Rich + Co. Holding AG im Jahre 1995 war diese Frage aber für Jahre vom Tisch.

Gaspistolen oder Gummiknüppel? Im Zusammenhang mit der Ausweitung des Filialnetzes darf nicht unerwähnt bleiben, dass Geschäftsstellen der Zuger Kantonalbank in den 1970er- und 1980er-Jahren auch Opfer von Banküberfällen wurden. Damals waren die Bankgebäude und insbesondere die Bank- schalter nicht sehr gut gesichert. Der Banküberfall, der am meisten mediale Beachtung fand, ereignete sich am Silvestermorgen 1975 in der Filiale Oberägeri, als zwei maskierte Bewaff- nete vor der Öffnung der Bank den Filialleiter niederschlugen und gut 270 000 Franken er- beuteten. Die Täter konnten nie ermittelt werden. Dieser und weitere Überfälle bewogen die Zuger Kantonalbank, ihre Gebäude besser zu sichern und ihre Mitarbeiter für das Verhalten bei Überfällen zu schulen. Mit Letzterem wollte die Bank vor allem verhindern, dass sich Angestellte mit unbedachten Handlungen selber gefährdeten. Denn Leben und Gesundheit der Angestellten und unbeteiligter Dritter hatten absoluten Vorrang. Das war eine gänzliche Abkehr vom früheren Sicherheitsdispositiv der Bank, das auf der Abwehr von Bankräubern durch den Einsatz von Schusswaffen basierte. Noch bis in die 1970er-Jahre hinein waren viele Bankarbeitsplätze an der Kundenfront mit Feuerwaffen ausgerüstet. Gemäss einem Inventar aus dem Jahre 1939 verfügte die Bank über 11 Kugel- pistolen und 7 Gaspistolen sowie über einen Munitionsvorrat von 125 Patronen. 1948 erkun- digte sich die Direktion im Rahmen einer Umfrage bei den Angestellten, «ob Sie die Haltung von Schiesswaffen bezw. Gaspistolen nach wie vor als zur allfälligen Abwehr erforder- lich, oder ob Sie an deren Stelle eventuell andere Verteidigungsmittel (z.B. Gummiknüppel) als notwendig oder nützlich erachten». Diese Umfrage zu Schusswaffen zeigte eindeutig, «dass deren Beibehaltung nicht nur aus Gründen einer wirksamen Abwehr gegen eventuelle Überfälle, sondern auch aus psychologischen Gründen zu befürworten ist». Die Direktion war sich aber auch bewusst, dass die Abwehr und Verteidigung zu organisieren und der Gebrauch der Waffen zu üben waren. Das Pflichtenheft der für die Schiessausbildung Ver- antwortlichen umfasste daher unter anderem das Organisieren und Üben der Verteidigung im Bankgebäude und die Vereinbarung von Signalzeichen sowie das Durchführen von min- destens zwei Schiessübungen pro Jahr im Schiessstand Kollermühle.

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156 Geschäftsstelle Zug-Neustadt nach dem Konzept «Futura 2000», 1992 Der Kunde soll einfache Bankdienstleistungen an Selbstbedienungsautomaten erledigen, so dass dem Berater mehr Zeit bleibt für individuelle Kundenkontakte in den diskreten Beratungsnischen.

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Mit «Futura 2000» in die Zukunft Im Oktober 1992 eröffnete die Zuger Kantonalbank in der Neustadtpassage in Zug eine komplett neu ausgestaltete Geschäftsstelle. «Zug-Neustadt ist nicht einfach eine weitere Bankfiliale, sondern der Startschuss zu ‹Futura 2000›, einem in dieser konsequenten Form für die Schweiz wohl einmaligen Geschäftsstellenkonzept.» So pries die Zuger Kantonalbank damals ihr neues Niederlassungs-Konzept Futura 2000 an, das auf folgender Grundidee basierte: Mehr Kundennähe durch mehr Zeit für individuelle, persönliche Beratung. Dieses Projekt war Teil der neuen Strategie der Bank, mit der sie ihre Tätigkeit auf vier Kunden- segmente fokussierte, darunter das Privatkundengeschäft. Für diesen Teil ihrer Kundschaft wollte die Bank mit einer effizienten Beratung und Betreuung massgeschneiderte Lösungen in Form von standardisierten Dienstleistungen anbieten. Dabei sollte der Kunde Geschäfte, welche er mit Vorteil selber und ohne persönliche Kontaktnahme mit einem Berater erledigen konnte, an Selbstbedienungsgeräten, die in der Geschäftsstelle zahlreich vorhanden waren, abwickeln. Für eine persönliche Beratung dagegen standen ihm speziell für diese Aufgabe ausgebildete Angestellte zur Verfügung, die sich in der Geschäftsstelle frei bewegten und offen auf die Kundschaft zugingen. Für diskrete Gespräche konnten sich Kunde und Berater in eine Beratungsnische zurückziehen.

Junge Kundin an einem «Mister Money»-Automat, 1993 Spielerische Annäherung an das Thema Geld und Sparen für Kinder.

158 Mit diesem Konzept, das sie während vier Jahren auch aufgrund von Erfahrungen ande- rer Banken im In- und Ausland entwickelt hatte, wollte die Bank die in ihrer neu entwickelten Strategie verankerten strategischen Erfolgspositionen, Kundennähe und Innovationskraft, zur Geltung bringen. Diesen Aufbruch unterstrich die gleichzeitig lancierte Byline «Da ist Zug drin!». Mit dem Projekt Futura 2000 beabsichtigte die Bank aber auch, ihr Personal mög- lichst effektiv einzusetzen und damit Kosten zu sparen. Durch die Förderung der Selbstbe- dienung bei gleichbleibender Servicequalität sollte kostenseitig der Spielraum geschaffen werden, um beratungsintensiven Kundenwünschen entsprechen zu können. Das massgeb- lich vom damaligen Leiter Marketing und Privatkunden, Albert Röthlin, entwickelte Konzept wollte die Bank bis zum Jahr 2000 in ihren sämtlichen Niederlassungen einführen. Auch wenn sie dieses Ziel erst 2005 erreichte, schmälert das den Erfolg des Projektes in keiner Weise. Dank dem Futura 2000 verbesserten sich die Beratungsqualität und damit auch die Kundenzufriedenheit merklich. Das Konzept ist seither weiterentwickelt und den sich verän- dernden Kundenbedürfnissen angepasst worden. Auch dank diesem Konzept hat die Zuger Kantonalbank heute im Vergleich mit anderen Banken eine sehr hohe Selbstbedienungs- quote bei Bargeldtransaktionen. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind zwei Geräte, die in der Filiale Zug-Neu- stadt erstmals zum Einsatz kamen. Da war zum einen «der nicht nur für die Schweiz ein- zigartige Beratungs- und Selbstbedienungsterminal KB-InfoVision», bei dem der Betrachter allein durch das Berühren der Bildschirmoberfläche aus einem grossen Angebot an bank- spezifischen Informationen und Beratung auswählen konnte. Zudem enthielt das Gerät eine Liste von Eigenheimen im Kanton Zug, die zu kaufen waren. Für die jüngsten Kunden gedacht war dagegen ein weiterer Automat mit dem Namen «Mister Money», bei welchem die Kinder zugunsten ihres Kontos Geld einzahlen konnten und dafür Überraschungsbilder und Sammelpunkte erhielten. Im Gegensatz zum KB-InfoVision-Gerät ist der «Mister Money»- Automat, wenn auch in modifizierter Form, immer noch im Einsatz. Eine der Funktionen von KB-InfoVision hat inzwischen das kostenlose Internet-Immobilienportal newhome.ch, ein Ge- meinschaftswerk von 17 Kantonalbanken, übernommen.

Neue Ausschüttungspraxis 1972 unterbreitete der Bankrat dem Regierungsrat einen Vorschlag für die Totalrevision des Gesetzes über die Zuger Kantonalbank von 1929. Im Gegensatz zur Gesetzesrevision von 1929, die die Stellung des Kantons gestärkt hatte, blieb bei dieser Revision das Kräftever- hältnis zwischen Kanton und Privataktionären unverändert. Für die Privataktionäre neu war, dass sie bei Kapitalerhöhungen im Verhältnis ihres Aktienbesitzes ein Recht zum Bezug neuer Aktien hatten, ihr Bezugsrecht also nicht mehr zugunsten von Neuaktionären eingeschränkt war. Im Rahmen dieser Gesetzesrevision wuchs die Zahl der Mitglieder des Bankrates von neun auf elf, wovon die Privataktionäre fünf und der Kanton sechs bestimmten. Damit wollte der Kanton die politische Basis bei den kantonalen Vertretern verbreitern und dabei neben den Konservativen und den Freisinnigen auch der dritten Regierungspartei, den Sozialde- mokraten, einen Sitz in diesem Gremium sichern. Schliesslich änderte sich mit dem neuen

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Gesetz auch die Dotierung der Reserven mit dem Ziel, der Bank zu mehr Eigenmitteln zu verhelfen. Nach der Verabschiedung durch den Kantonsrat Ende 1973 hiess auch die Ge- neralversammlung der Aktionäre vom 16. März 1974 die Gesetzesänderung diskussionslos und mit überwältigendem Mehr gut. Inzwischen ist das Bankgesetz von 1973 bereits wieder mehrfach revidiert worden. Mit der Teilrevision von 1994 vollzog das Kantonalbankgesetz die Aktienrechtsreform von 1992 nach. Die Änderungen betrafen somit vorwiegend organisatorische Belange. Nicht im Zei- chen der Aktienrechtsreform stand hingegen die Neuregelung der Gewinnverteilung. Die bisherige Regelung bevorzugte den Kanton gegenüber den Privataktionären und verhinder- te so eine für die Privataktionäre attraktive Dividendenpolitik der Bank. Vergleiche zeigten, dass die Zuger Kantonalbank unter dem Titel Dividende, Extrazuweisung und Steuern mehr an den Kanton ablieferte als der Durchschnitt aller übrigen Kantonalbanken an ihre Kan- tone. Der Grund dafür war die damalige Regelung der Extrazuweisung, mit welcher die Bank dem Kanton die Staatsgarantie entschädigte. Die Leitungsgremien der Bank wollten im Interesse einer aktionärsfreundlichen und marktgerechten Dividendenpolitik, die auch die Ausstattung der Bank mit ausreichenden Eigenmitteln gewährleistete, die Gewinnverteilung ändern. Der Kanton sollte neu eine Extrazuweisung in der Höhe von zehn Prozent der Divi- dende auf seinem gesetzlichen Anteil am Aktienkapital erhalten. Dadurch hätte allerdings die Extrazuweisung gegenüber den bisherigen Ausschüttungen an den Kanton abgenom- men. Geschäftsleitung und Bankrat waren indessen überzeugt, dass durch eine solche Neu- regelung die Dividende generell ansteigen und der Kanton somit auch davon profitieren würde. Zudem sollte diese Lösung eine vermehrte Dotierung der Reserven ermöglichen, da Dividendenerhöhungen in der Regel zu höheren Kursen führen und diese bei Kapitalerhö- hungen wiederum ein höheres Agio erlauben, das von Gesetzes wegen den Reserven zu- kommt. Damit würde sich das Garantierisiko des Kantons vermindern. Um den Ertragsausfall des Kantons abzufedern, sah der Vorschlag eine Übergangsregelung vor, die dem Kanton während dreier Jahre eine Mindestausschüttung von 7 Mio. Franken garantierte. Wegen der Schmälerung der Extrazuweisung hatte der Regierungsrat anfänglich Mühe, sich mit diesem Änderungsvorschlag abzufinden. Er liess sich dann aber vom Argument über- zeugen, dass eine erfolgsversprechende Entwicklung der Zuger Kantonalbank wesentlich von einer für die Privataktionäre attraktiven Dividendenpolitik abhing. Die Regierung und anschliessend auch der Kantonsrat genehmigten die beantragte Gesetzesrevision praktisch ohne Änderungen. Die Generalversammlung der Aktionäre stimmte dieser am 23. April 1994 diskussionslos und ohne Gegenstimme ebenfalls zu. Der seitherige Anstieg der Dividende, des Aktienkurses und der Reserven der Zuger Kantonalbank zeigen, dass die damaligen Annahmen zutreffend waren. Auch wenn die erfreuliche Entwicklung der Bank in den letzten gut 20 Jahren nicht allein auf diese Änderung der Gewinnverteilung zurückzuführen ist, so zeugt dieser Entscheid doch von grosser Weitsicht der damals Verantwortlichen. Die Kantonalbanken genossen im Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (BankG) bei dessen Erlass eine absolute Sonderstellung mit vielen Privilegien. Das änderte sich mit den Revisionen des BankG in den 1990er-Jahren. So oblag ab 1994 den Kantonen

160 die gleiche Aufsichtspflicht über ihre Kantonalbanken wie der Eidgenössischen Bankenkom- mission (EBK) bezüglich der privaten Banken. Das revidierte BankG ermöglichte aber die freiwillige Übertragung der bankengesetzlichen Aufsicht durch die Kantone an die EBK. Der Kanton Zug entschloss sich 1994 in Übereinstimmung mit dem Bankrat, die vollumfängliche Aufsicht über die Zuger Kantonalbank der EBK zu übertragen und schuf die nötige kan- tonalrechtliche Grundlage, indem er das Kantonalbankgesetz durch eine entsprechende Bestimmung ergänzte. Hätte der Kanton Zug nicht diesen Weg gewählt, wäre er verpflichtet gewesen, eine eigene kantonale Aufsichtsbehörde über die Zuger Kantonalbank mit der nötigen Infrastruktur, Fachkompetenz und Erfahrung zu schaffen.

Beinschinken lockt an die Generalversammlung Die Generalversammlungen der Zuger Kantonalbank fanden bis 1964 immer im Kantons- ratssaal im Regierungsgebäude in Zug und meistens an einem Samstagnachmittag statt. In der Regel nahmen kaum 100 Aktionäre an diesen Versammlungen teil, die normalerweise zwischen einer halben und einer ganzen Stunde dauerten. Nach der Generalversammlung 1958 lud der Bankrat die Aktionäre zur Besichtigung des praktisch fertiggestellten Neubaus am Postplatz und daran anschliessend erstmals zu einem Imbiss ein, und zwar ins Hotel Ochsen in Zug. Im folgenden Jahr beriet der Bankrat eingehend darüber, ob die Aktionäre nach der Generalversammlung wieder zu einem «Zabig» eingeladen werden sollten. Der Bankvorstand wollte davon absehen, obwohl er einem solchen Essen «eine gewisse pro- pagandistische Wirkung» nicht absprach. Er befürchtete aber: «Die Hypothekarschuldner, die auf Reduktion des Zinsfusses tendieren, könnten reklamieren: den Aktionären gebe man 6 Prozent Dividende und dazu noch ein opulentes Essen; und die Spareinleger wären auch leicht aufzuhetzen: statt die Einlagen höher zu verzinsen, füttere man die Aktionäre.» Und gab dann weiter zu bedenken: «Vor allem aber muss berücksichtigt werden, dass der Ak- tienbesitz sehr stark gestreut ist und dass darum immer mehr Aktionäre oder Vertreter von Aktionären sich einfinden könnten, so dass schliesslich der Saal im Ochsen oder im Löwen nicht mehr gross genug wäre und wir dann wie die Nestlé ins Casino ziehen müssten, und das wollen wir nicht.» Ab 1962, als die Bank das 70-Jahre-Jubiläum feierte, bürgerte sich dann aber ein Imbiss nach der Generalversammlung ein. Ist es Zufall, dass danach die Zahl der Teilnehmer kon- tinuierlich anstieg? 1965 hätte die Generalversammlung auch wieder im Kantonsratssaal stattfinden sollen. Wegen der grossen Zahl der bestellten Stimmrechtsausweise, verlegte der Bankrat den Anlass aber kurzfristig ins Theater Casino in Zug, wo er den Aktionären nach dem offiziellen Teil ohnehin einen Imbiss offerieren wollte. Auf Vorschlag des Casino- wirts bestellte der Bankvorstand folgenden Hauptgang: Heisser Beinschinken und Rindszun- ge, Bohnen gedämpft, Kartoffeln gebraten und Salat. Dieses Menü blieb danach jahrelang unverändert. Nach der Kapitalerhöhung von 1975 nahmen 1976 wesentlich mehr Aktionäre an der Generalversammlung teil als im Vorjahr. Da der Platz im Casino nicht mehr ausreich- te, um alle Teilnehmer zu verköstigen, hatte die Bank vorgesorgt: Angestellte begleiteten Aktionärsgruppen zum Mittagessen in die Hotels Ochsen und Guggital.

161 1967 – 1995

Generalversammlung im Casino, 1978, und in der Buseinstellhalle der ZVB, 1980

162 Generalversammlung im Eisstadion Herti, 1999, und in der Bossard Arena, 2015

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Wegen Umbauarbeiten war das Theater Casino ab 1979 während zweier Jahre für die Generalversammlung der Zuger Kantonalbank nicht verfügbar. Der Bankrat benützte diese Gelegenheit, «mit dem bisher üblichen Generalversammlungsablauf zu brechen und in der Übergangszeit nach neuen Formen zu suchen, um unsere Generalversammlung nicht zu einer immer grösser werdenden Massenveranstaltung werden zu lassen». Er lud die Ak- tionäre 1979 in die Buseinstellhalle der Zugerland Verkehrsbetriebe AG (ZVB) an der Aa in Zug zur Generalversammlung ein und offerierte den Teilnehmern anschliessend in derselben Halle einen Aperitif. 1981 nahmen bereits über 1300 Personen an der Jahresversammlung teil. Damit kam die ZVB-Halle an ihre Kapazitätsgrenze. Nach der Prüfung verschiedener Varianten beschloss der Bankrat, die Generalversammlung 1982 im Eisstadion Herti in Zug durchzuführen und zwar mit Konzertbestuhlung, anschliessendem Aperitif und Abgabe einer Flasche Zuger Kirsch als Aktionärsgeschenk. Obwohl es das erste Mal wegen des nasskalten Wetters in der unbeheizten Halle sehr kühl war, bewährte sich diese Art der GV-Durchführung. Die Zahl der Besucher wuchs kon- tinuierlich und erreichte 1999 mit über 3500 Aktionären den vorläufigen Höhepunkt. Damit ist die Generalversammlung der Zuger Kantonalbank zu einem Ereignis geworden, bei dem neben der Rechenschaftsablage durch die Verwaltungsorgane ebenso sehr das Gesell- schaftliche im Vordergrund steht. Hier treffen sich Familienmitglieder, die sich sonst kaum sehen, und halten ehemalige Schulklassen informelle Zusammenkünfte ab. Die Leitung der Bank hat auch längst die Furcht vor einer Massenveranstaltung verloren. Sie hat rasch er- kannt, dass eine derart gut besuchte Generalversammlung ein Marketinginstrument erster Güte ist. Seit 2011 findet die Generalversammlung in der dafür wesentlich besser geeigne- ten Bossard Arena statt, die das Eisstadion Herti ersetzt hat.

Zigarren, Uhren und «The Swinging Bankers» 1967 feierte die Zuger Kantonalbank das 75-jährige Bestehen. Nachdem die Bank 1942 den 50. Geburtstag wegen des Zweiten Weltkrieges nicht besonders zelebrierte, beging man das 75-Jahr-Jubiläum festlich. Der Jubiläums-Generalversammlung folgte aus Platz- gründen eine separate Jubiläumsfeier für Behörden und Gäste im Theater Casino in Zug. Lange Reden von Dr. Augustin Lusser, Bankpräsident, und von Josef Iten, Direktor, über die Bankgeschichte sowie von Dr. Hans Koch, Stadtbibliothekar von Zug, über das Gesche- hen im Kanton Zug in den letzten 75 Jahren prägten den offiziellen Teil. Daran schloss ein viergängiges Fest-Bankett aus der Casino-Küche von Kurt Bohny an. Zum Schluss rauchten die Herren – und es waren grossmehrheitlich Herren, die geladen waren – die bei jedem Gedeck aufliegenden Zigarren. Die Bank hatte eigens zum Jubiläum 1000 goldfarbene Zigarrenetuis mit Aufdruck anfertigen und diese mit zwei «Insulinde» und einer «Flor de Henry Brasil» füllen lassen. Aus Anlass des Jubiläums gab die Bank eine von Dr. Friedrich Wielandt, Karlsruhe, ver- fasste «Münz- und Geldgeschichte des Standes Zug» in einer Auflage von 3000 Exemplaren heraus. Die Bank zeigte sich aber auch in finanzieller Hinsicht sehr grosszügig. Die Aktionäre erhielten neben der ordentlichen Dividende von 7 Prozent noch eine Jubiläumsdividende von

164 Schiffstaufe durch Bankrätin Martha Hitz, 1992 Die Zuger Kantonalbank schenkte der Bevölkerung zu ihrem 100-Jahr-Jubiläum die «Rigi».

2 Prozent, und das Personal kam in den Genuss einer Jubiläumsgratifikation sowie einer Zu- wendung von 100 000 Franken in die Pensionsversicherung. Schliesslich richtete die Bank den beiden Stiftungen «Pro Juventute» und «Für das Alter» je 50 000 Franken aus und schenkte allen 1967 im Kanton Zug Geborenen einen Gutschein von 10 Franken, einlösbar bei der Eröffnung eines Sparheftes bei der Zuger Kantonalbank. 25 Jahre später feierte die Bank anlässlich ihres 100-Jahr-Jubiläums im März 1992 wie- der im Theater Casino, diesmal aber in einem gänzlich erneuerten Haus, das zudem über einen modernen Theatersaal mit zeitgemässer Bühnentechnik verfügte. Darin fand der eben- so originelle wie auch kurzweilige Festakt statt, dem ein Festessen im «alten» Casinosaal folgte. Die Frauen waren an dieser Feier beinahe so zahlreich vertreten wie die Männer. Der Abend endete denn auch nicht im Zigarrenrauch, sondern bei angeregter Unterhaltung in der Casino-Bar. Die bankeigene Big Band, die die Bank 1991 ins Leben gerufen hatte und die auch heute noch unter dem Namen «The Swinging Bankers» auftritt, eröffnete die Jubiläums-Ge- neralversammlung 1992 im Eisstadion Herti mit dem für das Jubiläum komponierten Marsch «Da ist Zug drin». Diese Aktionärsversammlung beschloss zusätzlich zur ordentlichen Aus- schüttung von 10 Prozent eine vom Bankrat beantragte Jubiläums-Dividende von 2 Prozent. Zudem erhielten alle Anwesenden nach ihrer Wahl eine der beiden von den Zuger Künstlern Walter Haettenschweiler und Elso Schiavo gestalteten Jubiläumsuhren.

165 1967 – 1995

Bereits an der Generalversammlung 1986 hatte die Bank die Aktionäre und die Öffent- lichkeit über ihre Absicht informiert, anlässlich ihres 100-Jahr-Jubiläums der Zuger Bevölke- Exkurs 20 rung ein drittes Zugerseeschiff zu schenken. In Anspielung auf die damaligen Kursschiffe, Mit Volldampf voraus deren schlechte Hydrodynamik für Ärger sorgte, versprach Bankpräsident Dr. Erich Kalt, S. 222 dass sich das neue Schiff mehr durch elegante Linienführung als durch harten Wellenschlag profilieren werde. Er hielt Wort. Die erste Bankrätin der Zuger Kantonalbank, Martha Hitz, taufte das elegante Schiff am Ostermontag 1992 auf den Namen «Rigi» und übergab es dem Betrieb, den es heute noch versieht.

Informiert mit «Goldvreneli» und «Chriesistei» Im Dezember 1971 erschien die erste Ausgabe der Hauszeitschrift der Zuger Kantonalbank in sehr bescheidener Aufmachung: sechs mit der Schreibmaschine verfasste Seiten, ver- vielfältigt und oben links mit einem Bostitch geheftet. Die Publikation ging auf die Initiative der Personalkommission zurück. Im Vorwort teilte die Redaktion den Lesern den Zweck der Publikation mit: «Information der Belegschaft über unser Institut und über die Belange unse- res Personals». Um für das Periodikum einen Namen zu finden, schrieb die Redaktion einen Wettbewerb aus. Dem Gewinner winkten 40 Franken. Aus den eingesandten Ideen erkor die Wettbewerbsjury «Goldvreneli» als Titel für die Zeitschrift. In der ersten Goldvreneli- Ausgabe wünschte die Direktion diesem ein gutes Gedeihen und hoffte, «dass möglichst viele Mitarbeiter nicht nur als stumme Leser, sondern auch als aktive Schreiber mitmachen». Die ersten Nummern der Hauszeitschrift enthielten Informationen unter anderem über den Arbeitsvertrag (drei Folgen), die Reka-Checks und die Aktivitäten der Sportgruppe sowie Personalnachrichten, Reiseberichte von Angestellten, Porträts von Abteilungen und Witze. Der Name der Hauszeitschrift änderte sich häufig: von «Goldvreneli» zu «Mosaik», «Optik», «inside» und schliesslich «Chriesistei». Mit dem Namen änderte sich auch das Layout des Blattes, das sich heute als gediegen gestaltetes Magazin präsentiert. Der Inhalt ist in vielem gleichgeblieben, allerdings hat sich das Gewicht in formeller Hinsicht stark vom Text hin zum Bild verschoben. Auffallend ist auch, dass die Geschäftsleitung sich heute viel mehr über die Hauszeitschrift an die Angestellten wendet als zu Beginn. Trotzdem wird die ursprüngliche Idee «Von den Angestellten für die Angestellten» nach wie vor hochgehalten. Auch etwas anderes hat sich nicht geändert: Die Herstellungskosten trägt die Bank.

166 Exkurse 13 bis 15

Anfangs musste nach zehn Geldbe- zügen bei der Bank ein neuer Papier- streifen mit entsprechender Stanzung bezogen werden.

13. Der Siegeszug des Bancomats in der Schweiz S. 168

Bei einem Zinssatz von null gibt es kein zweites Marshmallow, wenn man mit dem Konsum des ersten zuwartet.

14. Sparen lohnt sich – oder doch nicht? S. 170

In den 1980er-Jahren wurde im Kanton Zug viel, schnell und ohne grossen Be- zug zur Vergangenheit gebaut.

15. Konjunkturen in der Raumplanung S. 172 Exkurs 13 Der Siegeszug des Bancomats in der Schweiz

Heute sind wir es uns gewohnt, vom «Bancomat» rund keit, auch ausserhalb der Schalteröffnungszeiten und an um die Uhr Geld abzuheben. Bis Ende der 1960er- Bankfeiertagen Geld zu beziehen. Die Apparate funktio- Jahre war man für den Geldbezug noch auf die Schal- nierten autonom, die Aufzeichnung der Bezugsdaten er- teröffnungszeiten der Banken angewiesen. Erst mit der folgte im Automaten auf einer gestanzten Lochkarte. Diese Einführung eines Geldausgabeautomaten eröffneten wurde täglich eingesammelt, im Rechenzentrum einer Gross- sich neue Möglichkeiten für die Kundschaft. bank verarbeitet und die entsprechenden Beträge bei den Text: Matthias Wiesmann Kunden aller angeschlossenen Banken abgebucht. Nicht möglich war ein Zurückschreiben der Bezugsdaten auf die In den 1960er-Jahren kamen weltweit die ersten Geldaus- eingeführte Karte. gabe-Automaten auf den Markt, die mit einer Karte funktio- nierten. Die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) stellte Technische Schwächen beheben 1967 am Hauptsitz in Zürich als erste Bank in Kontinental- Die rudimentäre Technik öffnete Tür und Tor für Betrugsver- europa einen Automaten auf, bei dem mit einer bei der SBG suche, da in einem Automaten maximal zehn Karten durch bezogenen Bargeldkarte – einem länglichen Papierstreifen manuelle Eingabe gesperrt werden und sich die Automaten mit gestanzten Löchern – und dem Eintippen eines Codes nur die letzten zehn Karten «merken» konnten, um Mehrfach- rund um die Uhr 200 Franken abgehoben werden konnten. bezüge zu verhindern. Es fiel einem Betrüger deshalb leicht, Nach maximal zehn Bezügen musste bei der Bank ein neu- an Ostern 1975 bei einer «Tour de Suisse» mit mehreren Be- er Papierstreifen beschafft werden. Im gleichen Jahr ent- zugskarten einige Bancomaten vollständig zu plündern und schied sich eine Gruppe von Schweizer Banken (inkl. SBG), sich rechtzeitig ins Ausland abzusetzen. Die Fahndung via ein stark modifiziertes Geldausgabe-System grossflächig «Aktenzeichen XY» rückte die Sicherheitsmängel erst recht einzuführen – und zwar gemeinsam, um eine kosteninten- ins Scheinwerferlicht. Auch im Regelbetrieb war die techni- sive Konkurrenzierung zu vermeiden. Deshalb konnten al- sche Zuverlässigkeit zum Teil ungenügend. Zuweilen kam es le Banken im «Bancomat-Pool» mitmachen, sofern sie dem sogar vor, dass ein Bancomat plötzlich seinen ganzen Inhalt schweizerischen Bankenclearing angeschlossen waren. an Banknoten ausschüttete. Der vorbereitenden Kommission gehörten fünf Vertreter der Die Schwächen des Systems waren verantwortlich, Grossbanken und je ein Vertreter der Kantonalbanken und dass bei 84 verfügbaren ATM, wie die Automaten im eng- übrigen Banken an. lischen Sprachraum kurz genannt werden, die Pool-Banken Das erste Gerät wurde im März 1968 von der Zürcher nur 50 000 Karten ausgaben und 1978 eine zweite Gerä- Kantonalbank an der Bahnhofstrasse 9 in Betrieb genom- te-Generation eingeführt wurde. Dank Datenübertragung men. Ende 1969 waren schweizweit schon 35 Bankautoma- über das Telefonnetz konnte mehrmals am Tag von einem ten im Einsatz. Der Kartenbesitzer konnte mit dem Einführen zentralen Computer auf die Transaktions- und Betriebs- einer noch eher unhandlichen Bezugskarte mit fixer Codie- daten jedes Bancomaten zugegriffen und die Listen für ge- rung und nach Eingabe eines persönlichen PIN-Codes bis sperrte Karten aktualisiert werden. 1981 waren bereits 218 500 Franken beziehen. Die dauerhaft gültige Karte kostete Automaten installiert, und es wurden mehr als 3 Millionen

jährlich 20 Franken und war für alle Automaten zugelassen. Geldbezüge getätigt, bei 144 500 Kundenkarten. Die ver- Da die Ausgabegeräte an den Aussenfassaden der Banken kleinerten Plastik-Karten waren nun mit einem Magnetstrei- installiert waren, hatte der Kartenbesitzer nun die Möglich- fen versehen, auf der die Kunden- und Bezugsinformationen

168 abgespeichert waren. Zur Kundenidentifizierung muss- te weiterhin ein PIN-Code eingetippt werden. Nach dreimaligen Fehlversuchen wurde die Karte zur Sicher- heit eingezogen. Nach dem Geldbezug druckte der Automat automatisch einen Bezugsbeleg aus, was das Versenden separater Be- lastungsanzeigen durch die Banken obsolet machte. Ab 1985, mit der dritten Geräte- generation, war es möglich, mit der EC-direkt-Karte oder der Eurocard (Kreditkarte), die für die Bezahlung in Ge- Ein Kunde bezieht am ersten Geldausgabeautomaten der Schweiz mittels eines gestanzten Papier- schäften verwendet wurden, streifens 200 Franken. Filmstill aus einem Fernsehbeitrag von «Antenne» (SRF) am 1. November 1967. auch Geld abzuheben. Das Bancomat-System 90 (mit rund 2000 ATM im Einsatz) war einen Geldbezug an fremden Automaten, sind ab 2001 schliesslich komplett online und erlaubte Transaktionen mit auch einige Banken dazu übergegangen, von ihren Konto- verschiedenen inländischen und ausländischen Karten. inhabern eine Gebühr für die Transaktion am Apparat eines 1997 öffneten die Post und die Banken gegenseitig ihre bis- anderen Geldinstituts zu verlangen. her getrennten Bargeldautomatensysteme. Die Post hatte Das Thema Sicherheit blieb trotz technischer Aufrüstung den ersten Postomaten 1978 in Betrieb genommen und bei virulent, weil statt der Maschine nun der Mensch als ihren Poststellen ein zweites unabhängiges Netz aufgebaut. Schwachstelle ausgemacht wurde. So wurden beim «Skim- ming» mittels getarnter Kleinkameras oder vorpräparierter Gegenseitige Anerkennung aller Karten Tastatur die PIN-Codes der Kunden ausspioniert und mittels 2001 standen den Kunden über 5000 Geldautomaten im manipulierter Kartenschlitze die Daten auf dem Magnet- ganzen Land zur Verfügung, 2015 waren es gemäss SNB streifen ausgelesen. Dank der neuen Chip-Technologie ist schon 7000, mit weit über 130 Millionen Bezügen im Jahr dies in der Schweiz heute nicht mehr möglich. Dafür wird im Gesamtbetrag von knapp 30 Milliarden Franken. Zum neuerdings unzimperlich gleich der ganze Geldautomat ge- Geldbezug waren – neben ausländischen Karten – 10 Mio. sprengt. Doch auch hier beginnen die Gegenmassnahmen inländische Debitkarten (v. a. Maestro und Postcard) und der Geldinstitute und Hersteller zu wirken. So werden bei 6 Mio. inländische Kreditkarten im Umlauf. Während die unsachgemässer Öffnung des Geräts beispielsweise die Post in der Regel schon immer eine Gebühr verlangte für Noten eingefärbt und damit wertlos gemacht.

169 Exkurs 14 Sparen lohnt sich – oder doch nicht?

Negativzinsen haben den durch erzieherische Mass- tiger Ziele aufzuschieben. Das ist, was wir unseren Kindern nahmen gefestigten Sparimpuls abgeschwächt. Wan- mitgeben wollen, und deshalb leiten wir sie zum Sparen an. dert das Geld nun vom obligaten Sparkonto unter die Entwicklungspsychologisch sind Kinder zuerst Horter, Matratze oder steigen wir gar auf eine digitale Wäh- dann werden sie zu Sammlern und Sparern. Während der rung um? Eine Einschätzung. Text: Pius Freiburghaus Pubertät hauen sie zwar alles Geld auf den Kopf, das nicht in einem feuersicheren Tresor verwahrt ist. Wenn sie er- Ein vierjähriges Kind sitzt allein vor einem Marshmallow. wachsen sind, verhalten sie sich aber wieder so, wie sie es Man hat ihm gesagt, dass es, wenn es die Süssigkeit nicht in der Kindheit von ihren Eltern gelernt haben. sofort isst, ein zweites bekommt, sobald die Versuchsleiterin Gesellschaftspolitisch ist Sparen erwünscht. Eine gesun- zurückkommt. Das Kind wartet. Dann endlich die Erlösung. de Sparquote ist Ausdruck des Vertrauens in eine bessere Die Versuchsleiterin kommt zurück und bringt ein zweites Zukunft – im Gegensatz zum Horten «unter der Matratze», Marshmallow. Beide werden sofort verdrückt. Psycholo- was Ausdruck einer ängstlichen Haltung gegenüber der gisch braucht das Kind Impulskontrolle und Vertrauen, dass eigenen wirtschaftlichen Zukunft ist. Der Sparer und die die Belohnung auch wirklich kommt, um den Belohnungs- Sparerin glauben an den Staat und die Finanzindustrie. aufschub mental zu bewältigen. Der sogenannte «Marsh- Sie gehen davon aus, dass sie ihr Geld – vermehrt um die mallow-Test» ist eines der berühmtesten Experimente der Zinsen – wieder zurückbekommen, und freuen sich auf den Psychologie. Es wurde von Walter Mischel Ende der 1960er- zukünftigen grösseren Konsum aufgrund des momentanen Jahre an der Stanford-Universität durchgeführt. In Nach- Verzichts. studien an Heranwachsenden fand Mischel weiter heraus, dass Kinder, die länger auf die Belohnung gewartet hatten, Kurze Geschichte des Sparens bessere schulische und soziale Erfolge aufzuweisen hatten. Historisch gesehen waren die Zeiten nach dem Zweiten Was hat das Kind in der Sprache der Ökonomen ge- Weltkrieg bis zur Ölkrise der 1970er-Jahre in den westlichen macht? Es hat «seine Zeitpräferenz zugunsten der Gegen- Ländern die goldenen Zeiten des Sparens. Es waren auch wart auf Grund der Unsicherheit der Zukunft erfolgreich be- die Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs. Die Einführung der kämpft» und kann mit dem zweiten Sweetie die Belohnung, AHV in der Schweiz ermöglichte die Aussicht auf ein würdi- den «Zins», in Empfang nehmen. Es hat sparen gelernt. Eine ges Alter und das Sparen war Ausdruck der berechtigten Kulturtechnik. Hoffnung auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft. Mit der Stagflation der 1970er-Jahre wurde dieses Von Generation zu Generation Vertrauen erstmals enttäuscht. Plötzlich war es nicht mehr Als Eltern, Paten oder Grosseltern bestehen wir darauf, unse- sicher, dass das Angesparte seinen Wert vermehren oder ren Kindern das Sparen näherzubringen. Kinder ab dem auch nur behalten würde. 17. Jahrhundert bekamen von ihren Göttis und Gotten einen Im Aufschwung der 1980er-Jahre sank die private Spar- in einen Taufzettel gewickelten Batzen. Heute schenken Fa- quote, und wir erlebten den Anfang der Konsumgesell- milienmitglieder dem Kind ein Sparkässeli oder eröffnen ein schaft, in welcher der sofortige Konsum in den Mittelpunkt Jugendsparkonto mit kleiner Anfangsdotation. Wir haben gestellt wird. Die Einführung der obligatorischen beruflichen gelernt, dass es sich lohnt, unseren Kindern beizubringen, Vorsorge (BVG) gegen Ende der 1980er-Jahre machte das ihre gegenwärtigen Konsumwünsche zugunsten längerfris- private Sparen vermeintlich überflüssig.

170 Wie geht es also weiter mit dem Sparen? Wenn die Zinsen stark negativ werden, muss man damit rechnen, dass die Leute ihre Spargelder von den Banken abziehen werden und «unter die Matratze» legen. Das würde die Wirtschaft und das Finanzsystem in arge Schwierigkeiten bringen. Der Sparer würde sich deshalb am meisten freuen, wenn die Zinsen stark ansteigen würden. Das wäre aber dann für die Hausbesitzer mit ihren Hypotheken unangenehm – ganz zu schweigen von den grösseren Schuldnern wie Staaten und Unternehmen. Oder kommt etwas ganz Neues? Geld ist ja ein Medium des Tausches und als solches dem technologischen Wandel unterworfen. Die Währungsgeschichte ist voll von Beispie- len, in denen neue Technologien auch neue Währungssys- teme hervorgebracht haben. Die ersten bekannten Geld-

Taufzettel aus dem Kanton Bern von 1850. Darin eingewickelt formen waren Muscheln. Später kam das Gold in Münzform war ein Geldstück des Paten, der sogenannte «Göttibatzen». daher. Schon im Mittelalter wurden handelbare Wechsel als Vorläufer von Banknoten benutzt. Heute leben wir im Da nun der Staat für alle existenziellen Notfälle vor- digitalen Zeitalter. Wir benutzen aber immer noch analoges sorgte, wurde das Einkommen vollständig ausgegeben. Bar- oder Buchgeld, das allerdings in elektronischer Form Die sinkenden Zinsen und die negative Sparerfahrung der zur Verfügung steht. Wie eine frühe Banknote, deren Wert 1970er-Jahre führten dazu, dass neben dem verfügbaren durch hinterlegtes Edelmetall gedeckt war, hat auch elekt- Einkommen nun auch der Konsumkredit als Möglichkeit ge- ronisches Geld noch eine (theoretische) Deckung. Richtiges sehen wurde, den sofortigen Konsum zu maximieren. Man digitales Geld wären sogenannte Kryptowährungen. Sie konnte sich sicher sein, dass die Zentralbanken allfällige haben keine Deckung mehr durch eine ältere Geldform. Konjunkturdellen mit noch tieferen Zinsen beantworten wür- Die Kryptowährungen wie Bitcoins könnten mittelfristig den, und das würde wiederum die Bedienung der Schulden in Konkurrenz zu den staatlichen Währungen treten. Sie ha- vereinfachen. Und dies galt in den letzten 30 Jahren nicht ben alle traditionellen Eigenschaften von Geld: Zahlungs- nur für Private, sondern auch für Unternehmen und Staaten. und Wertaufbewahrungsmittel, Teilbarkeit und Anonymität. Das konnte solange gut gehen, bis die Zinsen den Satz von Und dies zu sehr niedrigen Transaktionskosten. Ausserdem null erreicht hatten. könnten sie im Gegensatz zu staatlichen Währungen nicht per Zentralbankentscheid entwertet werden. Aufgrund der Sparen heute und in Zukunft Risiken beispielsweise punkto Sicherheit überwiegt im Mo- Heute lohnt sich das Sparen nicht mehr. Bei einem Zinssatz ment noch Skepsis. von null gibt es kein zweites Marshmallow, wenn man mit Wir wissen nicht, wie es kommen wird. Aber es lohnt sich dem Konsum des ersten zuwartet. Es gibt keine Belohnung, auf jeden Fall, für die ungewisse Zukunft etwas Erspartes auf wenn man «der Zeitpräferenz für die Gegenwart» trotzt. der Seite zu haben.

171 Exkurs 15 Konjunkturen in der Raumplanung

Der Kanton Zug boomt seit Mitte der 1960er-Jahre: lich durch die Ölkrise: Die mit fossilen Brennstoffen ange- Mehr Menschen, mehr Wohnungen, mehr Autos und triebene Autostadt und die ungebremste Ausdehnung der mehr Stadtbahn. Siedlungen dehnen sich aus, und die Siedlungen in die Landschaft kamen unter Druck. Der Bun- Raumplanung lenkt, indem sie versucht, ruhige Orte desrat beschloss dringliche Massnahmen zur Raumplanung zu bewahren und dynamische Orte sich entwickeln zu und die Kantone Tabugebiete für Siedlungen. Der damalige lassen. Raumplanung bildet aktuelle gesellschaftliche Bundesrat Kurt Furgler hielt im ersten Kontrollbericht zwei Strömungen ab, gleichzeitig muss sie den Blick für die Jahre nach Inkraftsetzen fest: «Niemand bestreitet ernsthaft, Zukunft öffnen und neue Trends im Raum ausmachen. dass diese Massnahmen notwendig und dringlich waren.» Eine kleine Reise durch die Jahrzehnte der Raumpla- Bescheidenheit kehrte in die Raumplanung ein, auch im nung in der Schweiz und im Kanton Zug. Kanton Zug. Nur, der Zeitgeist der Boomjahre wirkte in den Text: René Hutter Zonenplänen nach: riesige Bauzonen in den Gemeinden, die für rund 180 000 Bewohner gedacht waren. Neu rech- Das waren noch Zeiten um 1970! Die Raum- und Stadtpla- nete man bis ins Jahr 2040 noch mit 124 000 Menschen im nung entwickelte Visionen für die Zukunft der Stadt. In den Kanton. Was also tun? Köpfen entstanden neue Wohnsiedlungen auf dem Walch- wilerberg (s. Abbildung) und der kantonale Verkehrsplan Auszonungen in den 1990er-Jahren von 1965 erinnerte an Los Angeles. Die autogerechte Stadt Die neue Bescheidenheit mündete im ersten Zuger Richtplan war geplant, mit einer Kantonsstrasse bis vor jede Haus- von 1987. Dieser sah grosse ehemalige Bauzonen als Ge- türe. Der Rock 'n' Roll fegte durch die Architekturbüros und biete mit zu prüfender Nutzung vor. Dies bedeutete, dass erfasste auch die Amtsstuben. Siedlungen entstanden, die die Gemeinden gemeinsam mit dem Kanton in ihren nächs- das neue, moderne Leben im Fokus hatten: Alpenblick in ten Planungen entschieden, ob sie diese Gebiete als Bau- Cham (Josef Stöckli 1968), die «Tobleroneblöcke» in Ober- zone belassen oder auszonen. Der Vergleich zweier Pläne wil (Stucky und Meuli 1962) oder die Studie Eichstätte in veranschaulicht diese Entwicklung. Ein Plan aus den Anfän- Zug (Hafner und Wiederkehr 1960). Die Architekten prägten gen der Zuger Regional- und Ortsplanung zeigt den Raum die offene, in die Höhe ausgerichtete Stadt. Dies zeigte sich Steinhausen – Baar – Zug (s. Abbildung). Die Lorzenebene ist auch in der Bildung: Die neue Kantonsschule in Zug oder grossräumig rot eingefärbt: Zum Überbauen freigegeben. das Lehrerinnenseminar in Menzingen atmen den auf die Ein Vergleich mit den rechtsgültigen Zonenplänen von 2015 Zukunft gerichteten Geist der Grosszügigkeit und Offenheit. zeigt: Die Lorzenebene, das Gebiet zwischen Baar und In- Dieser zeigte sich auch bei den Prognosen: 1965 lebten im wil und verschiedene Hänge des Zugerbergs blieben von Kanton Zug 65 000 Menschen. Die Raumplanung rechnete der Überbauung verschont. Der Richtplan von 1987 legte damals mit rund 110 000 Einwohnerinnen und Einwohner im somit bereits die ersten «Siedlungslinien» fest. Dieses Wort Jahr 2000 und 180 000 im Jahr 2040. Zum Vergleich: Heute hört sich technokratisch an, prägte aber die Zuger Raum- leben im Kanton Zug 122 000 Menschen. planung für die nächsten 20 bis 30 Jahre: Die Siedlungen Es war ein Buch, dass den Glauben an das stetige überschreiten diese Linien bis heute nicht. exponentielle Wachstum veränderte: «Die Grenzen des Mit dem neuen Raumplanungsgesetz des Bundes vom Wachstums» des Club of Rome von 1973 zeigte, dass 1. Januar 1980 und dem ersten Zuger Richtplan verscho- Wachstum begrenzt ist. Spürbar wurde dies dann eindrück- ben sich die Gewichte in der Raumplanung: Es waren nicht

172 Raumkonzepts des Kantons Zug. Der Regierungsrat analysierte die letzten 20 Jahre der Zuger Raumpla- nung und zeichnete sein Zukunftsbild des Kantons. Der Horizont war das Jahr 2020. Der Zuger Michael van Orsouw verfasste im Auftrag des Amts für Raum- planung drei Visionen für diesen Prozess. Die Titel sprechen für sich: «Pessi- mo»: Zug verarmt; «Realo»: Zug macht weiter wie bis- her; «Monaco»: Zug als Eli- tezentrum. Fünfzehn Jahre

Modell für «Pilzhäuser» auf dem Walchwilerberg (Aschwanden und Deiss 1969, nach Ideen von später ist die Lektüre der André M. Studer). Visionen erheiternd und er- leuchtend. Es ist keine der visionäre Leitbilder oder grossräumige architektonische Visionen gänzlich eingetroffen, aber verschiedene darin be- Stadtentwürfe, welche die politische Diskussion prägten, schriebene Tendenzen wurden real: «Um die eher sinkenden sondern Ortsplanrevisionen, Bauen ausserhalb der Bau- Steuereinnahmen und die zusätzlichen Zahlungen in den zone oder die räumlichen Anliegen des Umwelt-, Natur- Finanzausgleich aufzuwiegen, müsste die Staatsquote ge- und Landschaftsschutzes. Die Raumplanung verlegte sich drückt werden», heisst es im Szenario «Realo». Im Szenario auf die zweidimensionale Planung und die Architekten und «Pessimo» kommt der Autor aufgrund der Verarmungsten- Investoren entwickelten und bauten vermehrt auf der Einzel- denzen zum Schluss, dass «politisch gesehen, die Verteil- parzelle. Der wirtschaftliche Aufschwung prägte diese Ent- kämpfe bedeutend härter werden, das Politklima polarisier- wicklung stark, es gab in der Baubranche genug Arbeit für ter». Mit den stark ansteigenden Bodenpreisen und dem alle. Die Bautätigkeit im Kanton Zug ist in dieser Phase wohl hohen Siedlungsdruck «könnten sich Betriebe mit schwacher einmalig. Es wurde viel, schnell und ohne grossen Bezug zur Wertschöpfung nicht mehr in der Region Zug halten», sagt Vergangenheit gebaut. das Szenario «Monaco». Fünfzehn Jahre alte Texte, die heu- te aktueller denn je sind. Versuch des «Weitblicks» um die Jahrtausendwende Was geschah seit 1987? Was kommt auf den Kanton Zug Das Wagnis heute: Blick ins Jahr 2040 zu? Was für einen Kanton Zug wollen wir? Diese Fragen Heute bewegen uns Trends wie die Digitalisierung, die bildeten den roten Faden des im Jahr 2001 erarbeiteten Sharing Economy oder die Individualisierung. Wie wohnen

173 wir in 30 Jahren, wie bewegen wir uns, welche Werte sind Konstante ist das Tanklager: Es ist noch gleich gross wie uns wichtig und gibt es die heutige Gesellschaft noch in 1969, aber die Siedlungen von Rotkreuz umschliessen es, dieser Form? Eine schwierige Ausgangslage für räumliche was zu Risiken betreffend Störfällen führt. Weichenstellungen mit einem weiten Horizont bis ins Jahr Die Entwicklung lässt sich mit Zahlen belegen: Von 1969 2040. Ein japanisches Sprichwort sagt: «Sobald die Ziele bis 2013 wuchs Rotkreuz von rund 3200 auf über 10 000 Ein- für die nächsten Jahre festgelegt sind, lacht der Teufel.» Der wohnerinnen und Einwohner, und die Anzahl Erwerbstätige Regierungsrat wagt das Abenteuer trotzdem: Bis 2017 unter- stieg von einigen Hundert auf über 9000. Die neuen gesell- breitet er dem Kantonsrat neue Grundzüge der räumlichen schaftlichen Bedürfnisse nach Wohnen, Arbeiten, Mobilität Entwicklung. Der Kantonsrat wird die Leitplanken für die und Freizeit lassen sich in den Karten leicht ablesen. räumliche Entwicklung festlegen. Die Grundsätze für diesen Prozess zeichnen sich ab: Keine neuen Einzonungen in den Hände weg von der grünen Wiese elf Gemeinden, hohe Qualität beim Entwickeln der Siedlun- Raumplanung und Bauen bedeuteten in den letzten 50 Jah- gen nach innen, Verkehrslenkung und -steuerung, Stärken ren: Ausdehnung der Siedlungen auf die grüne Wiese und der unterschiedlichen Zuger Landschaften, Reduktion des Überbauen dieser Wiesen. Seit 1987 kennt die Zuger Raum- Flächenverbrauchs auch bei der Landwirtschaft. Der ameri- planung Siedlungsbegrenzungen. Dieses kleine «Flämm- kanischer Computerexperte Alain Klay denkt, «die beste Art, chen» aus den 1990er-Jahren gipfelte im Jahr 2013 in den die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu erfinden» Entscheid des Kantonsrats, für die nächsten 20 Jahre keine Die Raumplanung muss im Jahr 2016 den Mut haben, neuen Einzonungen zuzulassen. Somit spielt sich die bau- Entscheide zu fällen, mit denen die Zukunft des Kantons Zug liche Entwicklung des Kantons in den rechtskräftigen Bau- (neu) erfunden werden. Oder bescheidener: Den Rahmen zonen ab. Dies bedeutet für die Planenden und Behörden so setzen, dass innerhalb räumlicher Aussengrenzen viele von Kanton und Gemeinden neue Herausforderungen. Bau- Optionen möglich sind. ten orientieren sich stärker am Bestand. «Die bestehenden Stadtstrukturen weiterbauen», lautet das Credo. Die hohe Rasante Entwicklung in Rotkreuz Qualität der Aussenräume stärken Identität und Heimat für Die Entwicklung des Kantons Zug lässt sich in Rotkreuz ex- die Zugerinnen und Zuger. emplarisch ablesen. Die Landeskarte von 1969 zeigt das Der Druck auf die landwirtschaftlichen Gebiete nimmt damalige Eisenbahndorf (s. Abbildung). Die Strasse nach derweil zu: Wir wollen den Hund ausführen, den Drachen Cham überquert die SBB-Geleise mit Barrieren, und die SBB steigen lassen, picknicken und uns frei über Wiesen und brauchen noch keine Überwerfung der Geleise im Osten. Im durch Wälder bewegen. Die landwirtschaftsfremde Nut- Norden der SBB-Geleise entstehen erste Gewerbebauten zung des Bauernlandes bringt mehr Geld. Eine breit abge- und im Gebiet Chüntwil sind die Erschliessungen der ent- stützte Arbeitsgruppe verwarf vor ein paar Jahren einen stehenden Aussenquartiere ablesbar. Die Tanklager domi- neuen Volkspark in der Lorzenebene. Eine öffentlich frei zu- nieren die Umgebung des Dorfes. Hochstammbäume und gängliche Fläche statt landwirtschaftlicher Produktion war Weiler gliedern die Landschaft und lassen ein bäuerliches (noch) keine Option. Der generellen Problematik des Erho- Leben erahnen. Ausgeprägt im Gebiet Berchtwil, Allrüti, lungsdrucks aus den dichten Siedlungen kann sich die Land- Kathrinen- und Blegihof. wirtschaft nicht entziehen: Der Kantonsrat verankerte den Die Landeskarte von 2013 zeichnet ein anderes Bild: Ein Begriff «urbane Landwirtschaft» im Richtplan. Die Bauern in Autobahnanschluss, ein faktisch neu gebautes Strassennetz der Lorzenebene produzieren nicht nur Nahrungsmittel, und der grosse Ausbau der SBB-Anlagen stechen heraus. Im sondern nutzen die Chancen für die Anliegen der städti- Süden dehnen sich Wohnquartiere aus, im Norden Arbeits- schen Bevölkerung nach grünen Erholungsgebieten. Wie platzgebiete. Der neue Stadtteil «Suurstoffi» zwischen die Zusammenarbeit in diesen Fragen zwischen den Ge- Bahngleis und Gewerbegebiet fehlt noch auf der Landes- meinden und den Landwirten und Landwirtinnen aussieht, karte von 2013. Anstelle der Hochstammbäume zeigt die wird die Zukunft zeigen. Karte rechts oben den Golfplatz Holzhäusern und gross- flächige Sportanlagen südlich der SBB-Geleise. Die einzige

174 Orts- und Siedlungsplanung von 1977 und Zonenplan von 2015 (rot und rot schraffiert: zur Überbauung freigegeben). Deutlich zeigen sich hier die wieder ausgezonten Gebiete in der Lorzenebene, zwischen Baar und Inwil und oberhalb von Oberwil.

Die raumgreifende Siedlungsentwicklung von Rotkreuz wird bei einem Vergleich der Landeskarten von 1969 und 2013 deutlich sichtbar. Insbesondere die nördlichen Arbeitsplatzgebiete und die südlichen Wohngebiete sind stark gewachsen.

175 ie ührungsgreien erachteten en tanrt ei ahnh as iea a sich as eschtsentru n ug ier ehr in ieses eiet eragern ere 1996 – 2008

Der Umbau zur Vertriebs- und Beraterbank

Um die Ertragskraft zu stärken, baute die Bank in den 1990er-Jahren mittels Fluktuation und Frühpensionierungen Personal ab. Damit einher ging die Zent- ralisierung der Verwaltungsarbeiten und die Automatisierung mittels Informatik. Die Verschlankung führte auch zur Abschaffung des Bankvorstandes.

Am Ende des 20. Jahrhunderts überwand die Schweiz endlich die durch die Immobilienkrise verursachte Rezession, die die 1990er-Jahre überschattet hatte. Ab 1999 zog die Konjunktur merklich an, und schon bald stellte sich wieder ein Arbeitskräftemangel ein. Dann platzte im März 2000 die New-Economy-Blase, die auf den neuen Informations- und Kommuni- kationstechnologien basierte, was zusammen mit den wirtschaftlichen Folgen der Terror- anschläge vom September 2001 in den USA zu einem markanten Einbruch der Börsenmärkte führte. Wegen dieses weltpolitisch und wirtschaftlich schwierigen Umfeldes litt die Schweiz zwischen 2002 und 2006 unter einer schwachen Konjunktur mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Firmenkonkursen. Kaum hatte sich die Wirtschaft wieder etwas erholt, platzte im Som- mer 2007 die nächste Blase, diesmal die US-Immobilienblase und stürzte die Welt in die schwerste Finanzkrise seit den 1930er-Jahren. Das Platzen der beiden Blasen überstand die Zuger Kantonalbank wie die meisten Kan- tonal- und Regionalbanken unbeschadet. Hier kam ihr einerseits zugute, dass sie seit Jahren auf ein bankeigenes Wertschriftenportfolio verzichtet hatte. Andererseits profitierte sie von ihrer komfortablen Eigenmittelausstattung. Bei der Bewältigung der Finanzkrise zeigte sich einmal mehr, dass solide kapitalisierte Banken negative Entwicklungen wesentlich besser verdauen konnten. Um eine möglichst hohe Eigenkapitalrendite zu erzielen, hatten im Vor- feld der Finanzkrise viele, vor allem international tätige Banken einen Teil ihres Eigenkapitals an die Aktionäre zurückbezahlt und stattdessen Fremdmittel am Kapitalmarkt beschafft. Da 2005 eine Studie zum Schluss kam, die Kantonalbanken seien sehr gut kapitalisiert, ja sogar überkapitalisiert, zahlten auch einige Kantonalbanken ihren Besitzern Eigenkapital zurück. Die Zuger Kantonalbank hegte nie derartige Absichten, zumal auch der Kanton Zug als Hauptaktionär der Bank nie ein solches Begehren stellte.

Neugeldzufluss in der Finanzkrise Indirekt wirkten sich diese weltwirtschaftlichen Ereignisse und das durch sie verursachte konjunkturelle Auf und Ab natürlich auch auf die Zuger Kantonalbank aus. So lancierte die Bank in der Zeit des Arbeitskräftemangels ein Projekt, mit dem sie Frauen, die wegen der Kinderbetreuung ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben hatten, den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichterte und sie mit einem speziellen Schulungsprogramm zu Privat- kundenberaterinnen ausbildete. Mit dem vermehrten Angebot von Teilzeitarbeit kam sie überdies dem Wunsch vor allem von Mitarbeiterinnen nach flexiblen Arbeitszeiten nach. Heute sind rund 24 Prozent aller Angestellten der Zuger Kantonalbank teilzeitbeschäftigt.

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Zeppelin über Zug, 2003 Die Zuger Kantonalbank feiert ihr 111-Jahr-Jubiläum mit ausgefallenen Aktionen.

Unterwegs mit dem «hypothecar» Die Beraterinnen und Berater fuhren mit silbrig- blauen Autos zur Kundschaft im ganzen Kanton.

178 2005 lancierte die Zuger Kantonalbank zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im Kanton Zug ein Vierpunkteprogramm, mit welchem sie drei zusätzliche einjährige Prak- tikumsstellen schuf und anderen Unternehmen, die jungen Stellensuchenden einjährige Praktikumsstellen anboten, den Betrag von 10 000 Franken pro Praktikumsstelle zahlte. Zudem ermöglichte sie allen ihren Lernenden, nach der Lehre bei ihr zu bleiben, um wei- tere Berufserfahrung sammeln zu können. Dieses Programm fand in den Medien ein sehr positives Echo. Als Folge der Finanzkrise und vor allem im Herbst 2008, als der Bund und die Schweize- rische Nationalbank die UBS vor dem Konkurs retten mussten, flossen der Zuger Kantonal- bank erhebliche Gelder von Kunden der UBS und anderer Banken zu, die Sicherheit und Stabilität suchten. Auch deswegen stieg die Bilanzsumme der Bank Ende 2008 erstmals auf über 10 Mrd. Franken. Wie das schon früher bei ähnlichen Ereignissen der Fall war, haben viele dieser Kunden die zur Zuger Kantonalbank verschobenen Gelder nach dem Abflauen der Krise wieder zu den Gross- und Privatbanken zurücktransferiert. Die Zuger Kantonal- bank konnte die ihr anvertrauten Gelder trotz grosszügiger Kreditvergabe bei weitem nicht anlegen. Sie war daher gezwungen, die überschüssige Liquidität im Umfang von zeitweise mehr als einer Milliarde Franken im Interbankenmarkt zu platzieren. Aus Risikogründen ge- schah dies fast ausschliesslich auf dem gesicherten Schweizer Repo-Markt, wobei die Bank zugunsten geringerer Risiken bewusst tiefere Erträge in Kauf nahm. Früher liehen sich Banken in der Regel Gelder unbesichert aus. Schon vor der Finanzkrise nahm aber das Misstrauen zwischen den Banken derart zu, dass sie sich Gelder im Interbankenmarkt nur noch gegen erstklassige Deckung zur Verfügung stellten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Trotz der heftigen Konjunkturschwankungen und ungeachtet der Finanzkrise hat die Zuger Kantonalbank zwischen 1996 und 2008 sehr solide gearbeitet und vor allem den Ertrag massiv gesteigert. Der Bruttogewinn stieg in dieser Periode um 65 Prozent von 74,6 auf 123,4 Mio. Franken, während die Bilanzsumme lediglich um 30 Prozent von 7,7 auf 10 Mrd. Franken zunahm. Aus der Sicht der Bank besonders erfreulich war, dass sich der Kommissionsertrag aus dem Wertschriftengeschäft in diesem Zeitraum von 17,4 auf 38,8 Mio. Franken mehr als verdoppelte und dadurch wesentlich zum Geschäftserfolg beitrug. Der Erfolg aus dem Zinsengeschäft wuchs trotz tendenziell abnehmender Zinsmarge in die- ser Periode von 104,9 auf 154 Mio. Franken, wobei neben dem operationellen Geschäft vor allem das professionelle Management der Bilanzstruktur zu diesem Ergebnis beitrug. Mit dem Bilanzstruktur-Management stimmt die Bank die Fälligkeitsstruktur der Aktiven und Passiven ihrer Bilanz ab und steuert die damit verbundenen Zinsrisiken. Der Anteil des Bilanzstruktur-Managements am Zinserfolg hat seither noch zugenommen. Im Zinsdifferenz- geschäft führte der zunehmende Konkurrenzkampf bei der Zuger Kantonalbank zu einem eigentlichen Paradigmenwechsel. Stand bis anhin eine möglichst hohe Marktdurchdringung insbesondere bei den Immobilienfinanzierungen im Vordergrund, so zog die Bank nun eine nachhaltige Entwicklung im Hypothekargeschäft reinen Volumenzielen vor. Der damalige Präsident der Geschäftsleitung, Toni Luginbühl, drückte dies im Geschäftsbericht 2007 so aus: «Insbesondere das Festhalten an unserem immer noch beachtlichen Marktanteil von

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rund 50 Prozent bei den Immobilienfinanzierungen erachten wir dann als falsch, wenn dies nur über den Preis oder eine erhöhte Risikobereitschaft erfolgen kann.» Mitte der 1990er-Jahre reichten Sammelkläger in den USA verschiedene Klagen gegen Schweizer Banken ein. Sie warfen diesen unter anderem vor, Vermögenswerte von Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung zurückzuhalten. Die Parteien beendeten diese Verfah- ren 1998 mit einem kostspieligen Vergleich. Aufgrund der Vorwürfe begannen die Schweizer Banken und damit auch die Zuger Kantonalbank mit grossem Aufwand nach nachrichten- losen Vermögen aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft zu suchen. In diesem Zusammenhang mussten sich die Banken einer Untersuchung durch eine internationale Kom- mission unter dem Vorsitz des ehemaligen Fed-Chefs Paul Volcker unterziehen. Diese lieferte jedoch im Falle der Zuger Kantonalbank keinerlei Anhaltspunkte, wonach die Bank die ihr im untersuchten Zeitraum anvertrauten Vermögenswerte unrechtmässig behandelt hätte.

Zunehmende Ertragskraft durch Produktivitätssteigerung Ab Ende der 1980er-Jahre bemühte sich die Zuger Kantonalbank intensiv, ihre Ertragskraft zu stärken. Sorge bereitete den Verantwortlichen vor allem der grosse Geschäftsaufwand, der mit der überdurchschnittlichen Marktdurchdringung der Bank zusammenhing. Die Bank ging daher Anfang der 1990er-Jahre daran, die Kosten straffer zu bewirtschaften. Da die Personalkosten den weitaus grössten Kostenblock darstellten, waren hier die grössten Ein- sparungen möglich. Die Direktion kam aus diesem Grund nicht umhin, Personal abzubauen. Sie sensibilisierte die Führungskräfte an einer Klausurtagung für dieses heikle Thema und stattete sie danach mit «Richtlinien für das Vorgehen als verantwortungsbewusste Arbeit- geber im Zusammenhang mit unvermeidlichen Personalreduktionen» aus. Diese sahen einen Abbau vor allem im Rahmen der normalen Fluktuation durch den Verzicht auf die Neubeset- zung von Stellen bei Vakanzen und nur in unumgänglichen Fällen durch Entlassung vor, wo- bei Letzteres unter Wahrung der sozialen Verantwortung zu geschehen hatte. So reduzierte sich der Personalbestand zwischen 1991 und 2008 von 481 auf 384 Vollzeitstellen. Dieser Abbau war nur dank umfassenden Reorganisationsmassnahmen wie der Zentralisierung der gesamten Verarbeitung im Hauptsitz, Rationalisierung bzw. Automatisierung mithilfe der Informatik, internen Umbesetzungen und vereinzelten Frühpensionierungen von Mitarbei- tern zu erreichen. Das steigerte die Produktivität des Bankbetriebes erheblich, wodurch die Kosten trotz anhaltendem Wachstum der Bank nur noch unterproportional zunahmen. So verbesserte sich das Kosten-Ertrags-Verhältnis kontinuierlich von 62,8 Prozent im Jahre 1991 über 44,5 Prozent 1999 auf 41,6 Prozent 2008. Diese Steigerung der Ertragskraft erlaubte es der Bank, die Dotierung der Reserven zu Lasten des Erfolgs sukzessive zu erhöhen. Das ist der Hauptgrund, weshalb sich die eigenen Mittel zwischen 1991 und 2008 von 177,4 Mio. auf 942 Mio. Franken mehr als verfünf- fachten. Die in dieser Periode vorgenommenen Kapitalerhöhungen trugen dazu nur rund 149 Mio. Franken bei. Dieses imposante Wachstum der eigenen Mittel drückt sich ebenso deutlich in der Zunahme des Eigenmitteldeckungsgrades aus, also des Verhältnisses zwi- schen den anrechenbaren und den gemäss den regulatorischen Vorgaben erforderlichen

180 Eigenmitteln der Bank. Dieser Deckungsgrad verdoppelte sich zwischen 1991 und 2008 von 116,3 auf 254,5 Prozent. Damit mauserte sich die Zuger Kantonalbank innerhalb von 17 Jahren von einer eher schwach kapitalisierten zu einer mit Eigenmitteln reichlich aus- gestatteten Bank. Dank der höheren Produktivität und auch wegen der bei der Gesetzes- revision 1994 geänderten Gewinnverteilung hatte sich zur Freude der Aktionäre in diesem Zeitraum schliesslich auch die Dividende von 10 auf 35 Prozent mehr als verdreifacht.

Bankvorstand wird abgeschafft Die letzte grössere Revision des Kantonalbankgesetzes von 2000 regte wiederum der Bank- rat an. Seit der Gründung der Zuger Kantonalbank wählte der Bankrat aus seiner Mitte einen dreiköpfigen ständigen Ausschuss, den Bankvorstand. Dieser tagte in der Regel wö- chentlich und war aufgrund seiner Kompetenzen stark ins operative Geschäft der Bank ein- gebunden. Damit verfügten die Mitglieder des Bankvorstandes an den Bankratssitzungen über einen für die übrigen Mitglieder des Bankrates uneinholbaren Informationsvorsprung, was den Bankrat tendenziell zu einem Gremium werden liess, das lediglich noch über An- träge des Bankvorstandes zu beschliessen hatte. Und trotzdem waren alle Mitglieder für die vom Bankrat getroffenen Entscheide in gleicher Weise verantwortlich. Als Alternative zum damaligen Ist-Zustand prüfte der Bankvorstand eingehend verschie- dene Varianten und favorisierte schliesslich ein Modell, das eine Reduktion des Bankrates von elf auf sieben Mitglieder sowie den Wegfall des Bankvorstandes vorsah. Der Bankrat schloss sich nach einer anfänglich sehr kontrovers geführten Diskussion dem Vorschlag des Bankvorstandes an in der Meinung, damit die Steu- erungs-, Planungs- und Überwachungsfunktion des Bei der Nachfolgeplanung wird vermehrt Bankrates zu stärken und dadurch allen Mitgliedern des Bankrates eine anspruchsvolle und herausfor- darauf geachtet, dass im Bankrat die für dernde Tätigkeit zu bieten. Der Regierungsrat trug ein solches Gremium nötigen fachlichen diese Lösung mit, und anschliessend stimmten auch der kantonale Gesetzgeber und die Generalver- Kompetenzen vertreten sind. sammlung der Aktionäre der Gesetzesänderung zu. Seither besteht der Bankrat der Zuger Kantonalbank aus sieben Mitgliedern, wovon die Privataktionäre an der Generalversammlung drei und der Kanton vier bestimmen. Die vom Kanton zu wählenden Mitlieder haben seit dieser Gesetzesrevision zudem ein vom Regie- rungsrat erlassenes Anforderungsprofil zu erfüllen. Seit 2008 achtet der Bankrat bei seiner Nachfolgeplanung auch vermehrt darauf, dass die für ein solches Gremium nötigen fach- lichen Kompetenzen vertreten sind, und er erstellte in diesem Zusammenhang detaillierte Anforderungsprofile für seine Mitglieder. Keine Rolle mehr spielt hingegen seit Längerem die parteipolitische Zusammensetzung dieses Organes. Damit kommt der Bankrat auch den Vorgaben der Finma nach, die zunehmend höhere Anforderungen an die persönliche Inte- grität und die fachliche Eignung der Mitglieder der Oberleitungsorgane von Banken stellt. Überdies beurteilt der Bankrat seit einiger Zeit jährlich seine eigene Leistung und ergreift gegebenenfalls Massnahmen zu deren Verbesserung.

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Im Hinblick auf das Inkrafttreten der Gesetzesänderung von 2000 verfasste der Bank- rat auch das Geschäftsreglement und die Kompetenzordnung neu. Nach dem Wegfall des Bankvorstandes achtete er bei der Kompetenzausscheidung minutiös darauf, die Aufgaben und Kompetenzen der Geschäftsleitung, der die operative Geschäftsführung oblag, strik- te von den Aufgaben und Befugnissen des Bankrates, der für die Oberleitung der Bank zuständig war, zu trennen. So verfügt der Bankrat seither insbesondere über keine Kre- ditkompetenzen mehr. Er legt aber nach wie vor die Kreditpolitik fest. Wie bei anderen Bankverwaltungsräten auch, verfügt der Bankrat der Zuger Kantonalbank heute über zwei ständige Ausschüsse, nämlich den Prüfungs- und Risikoausschuss (Audit and Risk Committee) sowie den Entschädigungsausschuss (Compensation Committee). Der Bankrat hat für diese Ausschüsse Reglemente erlassen und darin deren Zusammensetzung, Aufgaben und Kom- petenzen sowie Arbeitsweise festgelegt. Da sich seit der letzten umfassenderen Revision des Kantonalbankgesetzes das Aktien- recht weiterentwickelt und die Regularien im Bankgeschäft massiv zugenommen haben, prüft der Bankrat derzeit in Zusammenarbeit mit der Finanzdirektion des Kantons Zug eine Revision des Gesetzes über die Zuger Kantonalbank.

Neuer Hauptsitz am Bahnhof Im Hinblick auf eine Renovation des Bankgebäudes am Postplatz entwarf die Direktion Anfang 1995 zuhanden des Bankrates folgende Vision: sanfte Renovation des Hauptsitz- gebäudes mit Auslagerung des gesamten Bankbetriebes während der Bauarbeiten, Suche nach einer strategischen Land- oder Baureserve in der Region Metalli/Grafenau für eine allfällige spätere Verlegung des Hauptsitzes und vorläufiger Verzicht auf die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes. Der Bankrat diskutierte diese Vision rege, wobei insbesondere der künftige Standort des Hauptsitzes zu reden gab. Dabei erachteten mehrere Mitglie- Exkurs 16 der des Bankrates aus stadtplanerischen Gründen und mit Rücksicht auf die gewachsenen Baarerstrasse 37: Stadtstrukturen den Standort Postplatz für die nächsten 20 Jahre als richtig. Nachdem der Kohle, Kirsch und Kommerz Bankrat diese Vision gutgeheissen hatte, begann die Direktion mit der Detailplanung. In S. 192 deren Verlauf ergab sich die Gelegenheit, das Gebäude der Marc Rich + Co. Holding AG an der Baarerstrasse 37 in Zug zu kaufen. Angesichts dieser einmaligen Chance beschloss der Bankrat, den Entscheid über den Erwerb der Marc-Rich-Liegenschaft zu fällen, bevor ein Nutzungskonzept für dieses sowie das Gebäude am Postplatz bestand. Direktion und Bankvorstand erachteten den Standort beim Bahnhof als ideal, da sich das Geschäftszent- rum von Zug immer mehr in dieses auch verkehrstechnisch günstigere Gebiet verlagern und der Postplatz bald nur noch am Rande des Zentrums liegen werde. Nach intensiver Diskus- sion beschloss der Bankrat einstimmig, im Sinne einer strategischen Standortsicherung das Marc-Rich-Grundstück zu kaufen und das Gebäude, das die Bank nun als «Sitz Bahnhof» bezeichnete, als Ausweichstandort während der sanften Renovation des Bankgebäudes am Postplatz zu nutzen. Gemäss dem Nutzungskonzept für die beiden Sitze Bahnhof und Postplatz, das die Direktion danach entwarf, sollte der Sitz Bahnhof die Geschäftsleitung, die Führungsstäbe

182 Neuer Hauptsitz an der Baarerstrasse beim Bahnhof Zug Das Gebäude diente der Zuger Kantonalbank von 1996 bis 2016 als Hauptsitz.

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und die Kundenabteilungen der Kredit- und der Anlagebereiche aufnehmen sowie im Erd- geschoss über eine Kundenberatungszone verfügen. Im renovierten Sitz Postplatz wollte die Geschäftsleitung die Verwaltungsabteilungen zusammenführen und die weiteren Verwal- tungsstandorte in der Stadt Zug aufgeben. Obwohl ein Jahr zuvor mehrere Mitglieder noch ernsthafte Bedenken gegen eine Aufgabe des Hauptsitzes am Postplatz geäussert hatten, war der Bankrat Anfang 1996 diskussionslos damit einverstanden, gleichzeitig mit dem Be- zug des Sitzes Bahnhof den Hauptsitz an die Baarerstrasse 37 zu verlegen. Bereits Ende August 1996 zog die Zuger Kantonalbank in ihren neuen Hauptsitz am Bahnhof ein. 1997 kehrte sie nach dessen Renovation ins Bankgebäude am Postplatz zurück und vereinigte damit alle ihre Hauptsitzabteilungen an den beiden Standorten Bahnhof und Postplatz. Im Rahmen eines Desinvestitionsprogrammes in der Grössenordnung von 80 Mio. Franken veräusserte die Bank danach zahlreiche zuvor von ihr belegte Liegenschaften in der Stadt Zug sowie ihr Bankgebäude in Baar, das sie seither nur noch als Mieterin nutzt. Damit trennte sie sich von Aktiven, die gemäss den Rechnungslegungsvorschriften für Banken sehr viele Eigenmittel banden.

Eigene Informatik-Plattform Infolge der ständig steigenden Informatikkosten beschloss die Zuger Kantonalbank 1996, erneut mit der von verschiedenen Kantonalbanken gegründeten Arbeitsgemeinschaft für Informatik (AGI) zusammenzuarbeiten. Bis 2001 wollte sie auf die AGI-Informatik-Plattform migrieren und damit alle AGI-Produkte und AGI-Applikationen übernehmen. Um den In- formatikbetrieb auch während der relativ langen Migrationsphase sicherzustellen, schloss die Geschäftsleitung 1999 mit der weltweit im IT-Bereich tätigen Firma CSC Ploenzke einen Service-Vertrag ab, in dessen Rahmen CSC Ploenzke praktisch alle Informatikmitarbeiter der Bank übernahm. Kurz darauf begann die Zuger Kantonalbank aber daran zu zweifeln, ob die AGI, die sich mit Kosten- und Strukturproblemen herumschlug, die richtige Kooperationspartnerin sei, und wandte sich schliesslich angesichts der zu erwartenden Migrationskosten von 76 Mio. Franken Anfang 2000 von dieser ab. Stattdessen entschied sie sich, ihre damalige IT-Plattform mithilfe von CSC Ploenzke in bescheidenem Umfang zu renovieren und dann ihre IT innerhalb von etwa fünf Jahren auf eine moderne Plattform zu migrieren. Bereits wenige Monate später zeigten Studien von CSC Ploenzke, dass eine neue Bankenplattform auf der Basis von SAP- Software machbar wäre. Die Bank beschloss deshalb, als Schweizer Pilotbank zusammen mit der Softwareherstellerin SAP und mit CSC Ploenzke eine offene modulare Banken-IT-Platt- form mit Gesamtkosten von 50 Mio. Franken zu realisieren. Im April 2002 ging die neue Platt- form ohne grössere Friktionen in Betrieb und funktionierte zur vollen Zufriedenheit der Bank. Auch die Betriebskosten lagen erfreulicherweise innerhalb der budgetierten Beträge. Wie von Anfang an vorgesehen, erweiterte die Zuger Kantonalbank zusammen mit SAP und CSC Ploenzke ab 2003 die IT-Plattform um eine Wertschriften- und eine Hypotheken-Applikation. Die derart komplettierte Plattform, nun als Swiss Banking Platform (SBP) bezeichnet, löste 2005 das bisherige Kernbankensystem der Zuger Kantonalbank endgültig ab.

184 CSC Ploenzke und SAP gingen anfänglich davon aus, dass weitere Banken auf die SBP migrierten. Diese Hoffnungen zerschlugen sich jedoch bald. Die Banken, die die SBP prüften, entschieden sich schliesslich für die Plattformen der Software-Häuser Finnova oder Avaloq, die damals frisch auf den Markt kamen. Negativ zu Buche schlugen für die SBP die Ungewissheit betreffend Marktpotenzial und Markterfolg sowie die fehlende «Swissness» und die Betriebskosten. Obwohl sich die SBP im Markt nicht behaupten konnte, waren die Geschäftsleitung und der Bankrat der Zuger Kantonalbank aufgrund der positiven Erfahrun- gen mit der SBP überzeugt, dass ihr Entscheid für diese IT-Plattform richtig war. Insbesondere waren die Leitungsgremien der Bank froh, dass sie sich Anfang 2000 gegen die AGI-Platt- form entschieden hatten. Hätte die Zuger Kantonalbank nämlich damals die AGI-Lösung gewählt, hätte sie 2005 gleich mit der nächsten Migration, diesmal auf Finnova oder Avaloq, beginnen müssen. Die bewährte SBP blieb bei der Zuger Kantonalbank bis zur Migration auf die Finnova-Plattform Mitte 2013 in Betrieb.

Strategische Positionierung als Vertriebsbank Die Zuger Kantonalbank gab bereits mit der Strategie von 1991 den Anspruch auf, eine Universalbank zu sein, und konzentrierte sich auf Kundensegmente und Dienstleistungen, bei denen sie die erforderliche Leistungsstärke auch langfristig mit einem vertretbaren Auf- wand sicherstellen konnte. 1998 überprüfte der Bankrat die Unternehmensstrategie und korrigierte diese in einigen Punkten. Insbesondere ergänzte er die Grundstrategie mit einer Aktionärspolitik, einer Multi-Channel-Vertriebsstrategie und einer E-Business-Strategie. Die Vertriebsstrategie sah folgende Vertriebskanäle vor: Geschäftsstellen, Sitze der Marktregionen, «Hypo- thecar»-Team für die Beratung von Privatpersonen Entwicklung und Herstellung der ange- bei Liegenschaftsfinanzierungen, Selbstbedienungs- botenen Finanzprodukte wurden zuneh- geräte, Call-Center und E-Business. Dabei galt mend den Netzwerkpartnern überlassen. grundsätzlich, dass die Kunden den Vertriebskanal frei wählen konnten und dass alle Kunden persönlich oder von einem Team betreut wurden. Im ebenfalls neu formulierten Leitbild bezeichnete sich die Zuger Kantonalbank nun nicht mehr nur als führende Bank für den Kanton Zug, sondern für die Region Zug, weil sie auch ausserkantonal gelegene Gebiete, die an den Kanton Zug angrenzen, zum Wirtschaftsraum Zug zählte. Bereits fünf Jahre später evaluierte der Bankrat die Unternehmensstrategie erneut und nahm in der Grundstrategie zwei wesentliche Änderungen vor. Bei den Ertragszielen woll- te die Bank den Anteil des Kommissionsgeschäftes am Gesamtertrag stärken und damit neben dem Zinsdifferenzgeschäft eine zweite Hauptertragsquelle erschliessen. Beim Ver- trieb brachte die Grundstrategie klar zum Ausdruck, dass sich die Zuger Kantonalbank zu einer Vertriebs- und Beraterbank entwickeln wolle, die die Entwicklung und Herstellung der angebotenen Finanzprodukte zunehmend ihren Netzwerkpartnern überliess. Damit führte die Bank ihre Bestrebungen weiter, die sie 1999 mit der Auslagerung der Informatik begonnen hatte. In diesem Zusammenhang entschied sich die Zuger Kantonalbank 2004

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Geschäftsberichte im Laufe der Zeit

186 auch, den Wertschriftenhandel und die Wertschriftenverwaltung sowie die Vermögensver- waltung zur Zürcher Privatbank Maerki Baumann & Co AG auszulagern. Die Neue Zürcher Zeitung kommentierte diese Zusammenarbeit geradezu euphorisch: «Diese ungewöhnliche Kooperationslösung nimmt sich für beide Parteien vielversprechend aus. Einerseits kann die ZKB durch das Outsourcing eines Teils der Wertschöpfungskette rund 20 Stellen in den rückwärtigen Bereichen sparen und nicht zu ihrem Kerngeschäft zählende Aktivitäten aus- lagern – kaum eine andere Kantonalbank würde einen solch mutigen Rationalisierungs- schritt wagen. Zum andern hofft sie, zum Vorteil ihrer Kunden vom Image und Know-how von Maerki Baumann zu profitieren. Ein eigentlicher Coup ist der Privatbank gelungen. In we- nigen Jahren hat sie das geschafft, was die beiden Grossbanken mit wenig Erfolg versucht haben: Sie hat als Ergänzung zu ihren traditionellen Geschäftsbereichen eine Transaktions- bank aufgebaut.» Die Entwicklung hin zur Vertriebsbank bewirkte, dass zwischen 1999 und 2009 der Anteil der Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt von 40 auf 65 Prozent anstieg. Getreu ihrem 2005 neu geschaffenen Leitsatz «Wir begleiten Sie im Leben.» legte die Bank zunehmend Wert auf eine ganzheitliche und bedürfnisorientierte Beratung der Kund- schaft, indem eine Ansprechperson die Kunden in allen finanziellen Lebensbereichen be- gleitete und bei Bedarf ausgewiesene Spezialisten zuzog. Um die Umsetzung der Strategie überwachen zu können, schuf die Bank ein Strategiecontrolling-Instrument, mit dem Bankrat und Geschäftsleitung periodisch die strategiekonforme Entwicklung der Bank überprüfen konnten.

Industrieller Ansatz bei der Führungsstruktur Ende April 1999 ging Dr. Roland Oswald in Pension. Bankpräsident Josef M. Auf der Maur dankte ihm an der Generalversammlung 1999 für sein langjähriges engagiertes Wirken zugunsten der Bank: «Während jeder Etappe seiner Laufbahn hat er die Entwicklung unse- rer Bank auf die ihm eigene Weise mitgeprägt und dabei dynamisch und initiativ stets Impulse eingebracht und Neues angepackt. Als Vorgesetzter war Dr. Roland Oswald ge- radlinig, visionär und bestimmt, aber immer sehr menschlich. Unsere Bank durfte während 35 Jahren von seiner Schaffenskraft, seinem Verhandlungsgeschick, seinem Durchsetzungs- vermögen und von seinem ausgeprägt strategischen Denken profitieren.» Gestützt auf die 1998 überarbeitete Unternehmensstrategie änderte der Bankrat die Organisations- und Führungsstruktur der Bank und gliederte die Geschäftsleitung statt wie bisher in vier neu in die drei Departemente Präsidial, Markt sowie Produktion und liess sich damit von einem industriellen Ansatz leiten. Gleichzeitig besetzte er im Hinblick auf die Pensionierung von Dr. Roland Oswald auch die Departementsspitzen wie folgt neu: Toni Luginbühl, Präsident der Geschäftsleitung, Josef Huwyler und Beat Mathys, Mitglieder der Geschäftsleitung. Toni Luginbühl, Cham, war 1970 als Mitarbeiter der Wertschriftenkasse in die Zuger Kan- tonalbank eingetreten und leitete ab 1979 als Vizedirektor die Kreditabteilung. Seit 1988 gehörte er der Geschäftsleitung an und führte verschiedene Departemente. Der bisherige Leiter des Finanzdepartements, Walter Weber, lic. iur., Rechtsanwalt, Zug, trat Ende 1998 aus der Geschäftsleitung zurück und wurde an der Generalversammlung 1999 als Vertreter

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der Privataktionäre in den Bankrat gewählt, den er anschliessend von 2001 bis 2005 als Nachfolger von Josef M. Auf der Maur präsidierte. Ihm folgte 2005 Prof. Dr. Beat Bernet, Professor für Bankmanagement und geschäftsführender Direktor des Bankeninstituts, Univer- sität St. Gallen/HSG, St. Gallen, als Bankpräsident, der seit 1997 als Vertreter des Kantons dem Bankrat angehörte.

Bankdienstleistungen via Internet Die Zuger Kantonalbank ist seit den Sechzigerjahren intensiv daran, mithilfe der Informa- tik und anderer Massnahmen, insbesondere der Auslagerung von Arbeiten, ihre Dienst- leistungen zu automatisieren und zu rationalisieren, um einerseits den Kundennutzen zu steigern und andererseits die Kosten zu senken. Obwohl die Bankdienstleistungen heute einen beachtlichen Stand an Automation erreicht haben, überprüft die Bank weiterhin alle ihre Dienstleistungen darauf, ob sie nicht noch effizienter und effektiver erbracht werden könnten. Die meisten Bankdienstleistungen, wie Zahlungsverkehr, Kontoführung, Wertschrif- tenverwaltung und Kreditabwicklung, laufen schon heute zum grössten Teil automatisiert ab. Bis in die 1990er-Jahre hinein haben die Banken den Kunden schriftlich Rechenschaft über Kontoführung, Wertschriften-Bewegungen und Kreditbeanspruchung abgelegt. Sie stellten ihnen periodisch Konto- und Depotauszüge und im Nachgang zu Transaktionen Be- lastungs- und Gutschriftsanzeigen bzw. Kaufs- und Verkaufsabrechnungen per Post zu. Auf Wunsch hielten sie die Korrespondenz banklagernd zur Verfügung oder erteilten auf tele- fonische Anfrage hin mündlich Auskunft. Ab 1997 bot die Zuger Kantonalbank ihren Kunden als eine der ersten Schweizer Banken die Möglichkeit, sich über das Internet über den Stand und die letzten Bewegungen ihres Kontos zu informieren. Damit einhergehend verfügte die Zuger Kantonalbank seit Ende 1996 über einen eigenen Internetauftritt. Ab 1998 konnten die Kunden mit dem «Mammut 2000»-System Zahlungsaufträge über ein Modem an die Bank übermitteln. Dieses Zahlungssystem nutzten vor allem Unternehmen. Ab 2000 weitete die Bank ihr elektronisches Dienstleistungsangebot über das Internet aus. Nun konnten die Kunden per E-Banking nebst Zahlungen aufgeben auch Börsenaufträge erteilen und sich über den Stand ihrer Bankpositionen informieren. Diese Dienstleistungen stellte die Bank im Rahmen ihrer Selbstbedienungsstrategie unentgeltlich zur Verfügung, war sie doch aus Kostengründen daran interessiert, dass möglichst viele sich dieses Sys- tems bedienten. Diese E-Banking-Lösung basierte auf einer Applikation der Zürcher Kan- tonalbank. Auf das Ende dieser Zusammenarbeit hin entwickelte die Zuger Kantonalbank als Pilotbank zusammen mit der Software-Herstellerin Mammut Soft Computing eine neue Internet-Banking-Software, die in der Testumgebung zwar fehlerfrei funktionierte, in der Pro- duktion dann aber an erheblichen Kinderkrankheiten litt. Um die Gemüter zu besänftigen, liess die Bank allen E-Banking-Kunden zusammen mit einem Entschuldigungsschreiben eine Tafel Schokolade zukommen. Nach der harzigen Anfangsphase von einigen Monaten lief das System endlich stabil. Mit der Migration auf die Finnova-Plattform übernahm die Zuger Kantonalbank 2013 ebenfalls deren Internet-Banking-Lösung. Seit 2015 bietet die Bank eine Mobile-Banking-App an, mit der Kunden jederzeit und überall Zugang zu ihren Konto- und

188 Depotwerten haben und Transaktionen auslösen können. Heute nehmen die Kunden gut 82 Prozent aller Zahlungen elektronisch über das E-Banking oder Mobile Banking vor und erteilen der Bank rund 20 Prozent aller Börsenaufträge auf diesem Wege. Seit 1968 hat die Zuger Kantonalbank das Bancomaten-Netz kräftig ausgebaut. Sie ver- fügt heute über 53 Geldautomaten der neusten Generation, die über den ganzen Kanton verteilt sind. Daneben bietet sie der Kundschaft weitere Selbstbedienungsgeräte für den Geldwechsel, den Bezug von Münzrollen, das Einzahlen von Münzen und den Ankauf von Fremdwährungen an mit dem Resultat, dass die Kunden heute 92 Prozent der Bargeldtrans- aktionen über Automaten und nur noch 8 Prozent am Schalter abwickeln.

Automation des Bankarbeitsplatzes Die Informatik beschleunigte nicht nur die Automatisierung der Bankdienstleistungen, son- dern auch die der Arbeitsplätze. Bis Anfang der Achtzigerjahre bildeten die elektrische Schreibmaschine, vorzugsweise mit Korrekturtaste, die Rechenmaschine und das Telefon die wesentlichen technischen Hilfsmittel eines normalen Arbeitsplatzes bei der Zuger Kantonalbank. Danach lösten zunächst Schreibautomaten die Schreibma- 1999 schaltete die Bank gegen Bedarfs- schinen ab. Sie speicherten den erfassten Text auf nachweis das E-mail und ab 2000 das Disketten und verfügten für die Nachverfolgung des Internet am Arbeitsplatz frei. Geschriebenen anfänglich über ein Display und spä- ter über einen Bildschirm. Diese Schreibsysteme hat- ten den grossen Vorteil, dass Texte bei Korrekturen nicht nochmals integral erfasst werden mussten. In dieser Hinsicht noch komfortabler waren die Personalcomputer (PC), die auf die Schreibautomaten folgten und unter anderem über ausgeklügelte Schreibprogramme sowie über einen grossen Bildschirm verfügten. Die Zuger Kantonalbank begann ab der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre, die Bankar- beitsplätze flächendeckend mit PCs auszustatten, die über die verschiedensten Programme verfügten und auch den Zugriff auf das Kernbankensystem ermöglichten. Damit verschwan- den die IBM-Terminals von den meisten Arbeitsplätzen. Mitte 1999 schaltete die Bank gegen Bedarfsnachweis das E-Mail und ab 2000 das Internet für alle Arbeitsplätze frei und etablierte im Herbst 2002 ein Intranet. Letzteres erleichterte den Informationsfluss innerhalb der Bank erheblich. Schliesslich erlaubte die Zuger Kantonalbank ab 2001 ausgewählten Mitarbeitern im Rahmen von «Homeworking» den externen Zugriff auf Bankdaten. Um die Betreuung der Kunden zu verbessern, erweiterte die Zuger Kantonalbank 2005 ihre Informatikplattform um einen elektronischen Beraterarbeitsplatz (BAP). Dieser unter- stützte die Kundenberater, indem er sie insbesondere durch den Kundeneröffnungsprozess führte, die in diesem Zusammenhang nötigen Dokumente erstellte und ihre Pendenzen ver- waltete. Dieser BAP ist nicht auf die Finnova-Plattform migriert worden. Die Bank ist derzeit daran, einen neuen rollen- und prozessorientierten BAP zu realisieren, der das Gesamt- engagement eines Kunden anzeigt und eine Übersicht aller Beraterpendenzen, Suchfunk- tionen und systemgeführte Partner- und Produkteröffnungsprozesse anbietet. Mit diesem

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Projekt will die Bank die vielen Prozesse rund um die Kundenbetreuung und Beratung verein- fachen. Der neue BAP soll 2017 in Betrieb gehen.

Höhere Anforderungen an das Bankpersonal Im Zeitraum zwischen 1996 und 2008 nahm der Personalbestand der Bank von 404 auf 384 Personen ab, der Personalaufwand aber stieg von 47,2 auf 59,4 Mio. Franken. Neben der Teuerung, die in dieser Periode insgesamt rund 12 Prozent betrug, ist diese Zunahme vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bank durch die Automation und die Auslagerung von Geschäftsbereichen Arbeitsplätze mit eher tiefer Entlöhnung abbaute und anderer- seits zahlreiche neue Stellen im oberen Gehaltssegment schuf. Letzteres war eine Folge der Zunahme sowohl der Komplexität wie auch der Regulierung des Bankgeschäftes, die zu steigenden Anforderungen an die berufliche Qualifikation der Bankangestellten führte. Das durchschnittliche Bruttogehalt pro Vollzeitstelle kletterte in der genannten Periode von 94 666 auf 127 909 Franken. Da die Personalkosten den grössten Aufwandposten in der Erfolgsrechnung einer Bank darstellen und feste Gehälter bei schlechtem Geschäftsgang nur schwerlich reduziert werden können, suchte die Bank nach einem Weg, um diese für sie negative Entwicklung zumindest abzuschwächen. Seit Anfang der 1970er-Jahre richtete die Zuger Kantonalbank den Angestellten eine Jahresabschlussgratifikation als freiwillige Leistung aus, deren Höhe sich abhängig vom Jahresergebnis zwischen 35 und 65 Prozent eines Monatsgehaltes bewegte. Ab 1992 ge- staltete die Bank die Gratifikation leistungsabhängig. Sie führte diese danach mit dem bis dahin separat ausgerichteten Kaderbonus zusammen und baute sie schliesslich zu einem leistungs- und gewinnabhängigen Bonus für grundsätzlich alle Angestellten aus. Ab der Jahrhundertwende ging die Zuger Kantonalbank nun dazu über, den Anteil der variablen Vergütung am Gesamtgehalt gegenüber dem Fixum zu erhöhen, um den Gesamtlohn besser auf das Geschäftsergebnis abstimmen zu können. Die Gewichtsverschiebung hin zur variab- len Komponente der Gesamtvergütung gestaltete der Bankrat insofern sozialverträglich, als er darauf achtete, dass der feste Lohnanteil in den niederen Gehaltsklassen höher war als bei den oberen Lohnsegmenten.

190 Exkurse 16 und 17

Das Grundstück beim Bahnhof war nacheinander Brache, Kohlenlager, Ort der Spirituosenproduktion, des Rohstoff- handels und des Bankgeschäfts.

16. Baarerstrasse 37: Kohle, Kirsch und Kommerz S. 192

Für das Seelenheil der zugezogenen Protestanten mussten eigene Gottes- häuser gebaut werden.

17. Bevölkerungsentwicklung und Mobilität in Zug S. 196

191 Exkurs 16 Baarerstrasse 37: Kohle, Kirsch und Kommerz

Das Stadtzuger Grundstück Nummer 558 hat es in engen, dunklen Räume an der Poststrasse 23 hält er nicht sich: Der Flecken an der Baarerstrasse 37 zwischen mehr für zeitgemäss. Er baut 1926 zusammen mit seinem Hauptstrasse und Bahnhof steht exemplarisch für den Bruder auf dem Grundstück 558 eine grosszügig dimensio- Wandel Zugs. Für über hundert Jahre Wirtschaftsge- nierte Produktion mit einer besonders augenfälligen Front- schichte. In rascher Abfolge wechseln sich hier Brache, seite zur Baarerstrasse hin: Der Schriftzug «Paul Etter Söhne, Kohlenlager, Industrie, Rohstoffhandel, Bankgeschäft Destillation Zuger Kirsch, gegr. 1870» geht von unten nach und Immobilienwirtschaft ab. Eine verblüffende Ge- oben und ist unübersehbar. Das kleinere Gebäude auf dem schichte in sechs Schritten. Text: Michael van Orsouw nördlichen Teil der Parzelle kaufen die Brüder ihrem Nach- bar Kaspar Stadlin-Waller ab, bauen es aus und lassen ihre Die Geschichte beginnt mit Kapitel eins und einer Brache in Angestellten darin wohnen. Für die beiden Bauvorhaben Zug-Nord. Der Bahnhof Zug kommt 1897 an die nördliche engagieren die Etters die damaligen Zuger Stararchitekten Spitze der Alpenstrasse. Das Grundstück Nr. 558, im Osten Dagobert Keiser junior und Richard Bracher. Manch ein Zu- der Geleise, ist zu diesem Zeitpunkt eine Art Restgebiet zwi- ger soll sich damals über den Mut und Investitionswillen der schen Bahnhof und Metallfabrik. Aber die Gartenflächen jungen Etter-Brüder gewundert haben. stellen so etwas wie ein städtisches Entwicklungsgebiet dar. Doch zu diesem Zeitpunkt, Mitte der 1920er-Jahre, ist Es ist vorhersehbar, dass hier auf den 2403 Quadratme- vieles im Aufbruch. Die Zeit der industriellen Produktion von tern bald etwas anderes als Salatköpfe, Kohl und Karotten landwirtschaftlichen Produkten setzt ein und weckt unter- spriessen wird. nehmerisches Interesse. Neben Kirschen destillieren die Das zweite Kapitel schreibt Kaspar Stadlin-Waller Etters auch Enzianwurzeln und Wacholderbeeren, «Crème (1876 – 1928). Im Jahre 1900 lässt er auf dem nördlichen Teil de Kirsch», «Gotthard-Chrüter», «Kloster-Likör», «Bitter», des Grundstücks 558 einen zweigeschossigen Bau mit Sat- «Kümmel» und «Pfeffermünz», und sie handeln mit Cognac, teldach erstellen, damit hier Leute wohnen können. Vielleicht Rhum, Malaga und Punsch. Später kommen andere Destil- sind es Stadlins Arbeiter oder Angestellte der gegenüber- late wie Zwetschgen, Pflümli und Williams dazu. Man kann liegenden Metallwarenfabrik. Auf dem südlichen Teil des sich gut vorstellen, dass man damals an der Baarerstrasse Grundstücks und direkt daneben, der späteren Baarerstras- die verschiedenen Früchte und Fruchtbrände riechen konnte. se 25, lagert er seine Kohlen. Die Liegenschaft heisst pas- Die Etter-Produkte finden zwar weltweit Anklang, doch die senderweise «Kohlenhof». Auf alten Fotos sind hohe Kohlen- Wertschöpfung ist über die Jahrzehnte zu wenig hoch. berge zu sehen. Es wird hier also gewohnt und deponiert. Die Stadt ist unterdessen Stück für Stück in Richtung Das ist ganz praktisch, so in direkter Nachbarschaft zum Norden gewachsen. Das Gebiet um den Bahnhof herum Bahnhof. gewinnt enorm an Wert. Die Firma Paul Etter Söhne AG, nun unter Leitung von Hans Etter-Queloz, plant die Verlegung Kirsch, «Gotthard-Chrüter» und Zukunftsglauben der Produktion an den Stadtrand, wo sein Vater schon in Das dritte Kapitel schlagen die Zuger Kirschbrenner Peter den 1930er-Jahren Land gekauft hatte. Und für das Grund- Josef Alfons Etter-Reichlin (1891 – 1962) und Johann Thomas stück 558 sieht er eine Neubebauung vor. Mit den Archi- Etter-Marbach (1889 – 1978) auf. Es ist mit «Industrielle Pro- tekten Derungs und Achleitner plant er ein grosses Büro- duktion» überschrieben. Johann ist nach Auslandaufent- gebäude. Doch die Baukrise mit Hypothekarzinsen von acht halten in Italien, Frankreich und Amerika tatendurstig. Die Prozent verändert die Absichten: Die Firma Etter realisiert

192 In der Bildmitte ist der noch unbebaute südliche Teil des Grundstücks 558 zu erkennen, rechts die langgezogene Metallwarenfabrik, in der Gleisspange der Bahnhof von Zug. (Flugaufnahme von Walter Mittelholzer, 1919)

Stattlicher Sitz der Firma Paul Etter Söhne AG an der Baarerstrasse 37. Im Hintergrund ist der Bahnhof zu erkennen.

193 nicht selber die Neubaupläne, sondern verkauft das Land Rampenlicht der Öffentlichkeit brachte. Bekannt und be- mit dem Bauprojekt dem Rohstoffhändler Marc Rich – das rüchtigt wurde Marc Rich nämlich, als er 1983 in den USA vierte Kapitel. Sie selber zügelt 1980 an die Chollerstrasse, der Steuerhinterziehung, der Falschaussage und des Han- in das neue Niemandsland zwischen Zug, Steinhausen und dels mit dem Feind angeklagt wurde. Staatsanwalt Rudolph Cham. Während 54 Jahren entstand hier an der Baarer- Giuliani, der spätere Bürgermeister von New York, bezeich- strasse die Zuger Spezialität Zuger Kirsch. nete Rich damals als «den grössten Steuerbetrüger in der Geschichte der USA». Rohstoffe, Dallas und andere Legenden Diese zweifelhafte Bezeichnung kam so zustande: Zur Der Protagonist des vierten Kapitels ist Marc Rich Zeit der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Tehe- (1934 – 2013) und stützt sich auf eine andere Zuger Speziali- ran untersagte der damalige US-Präsident Jimmy Carter tät, auf die der «Gemischten Gesellschaften». So werden in jegliche Handelskontakte mit dem Iran. Diesen Wirtschafts- der Steuersprache Schweizer Firmen bezeichnet, die grosse boykott unterlief jedoch Marc Rich, indem er den höchst luk- Umsätze im Ausland und kleine Umsätze im Inland erzielen. rativen Ölhandel aufrecht hielt. Schliesslich handle er, stell- Aufgrund dieser Umstände erhalten sie für die Auslands- te sich Rich auf den Standpunkt, als schweizerische Firma. aktivitäten die Steuerprivilegien einer Domizilgesellschaft Richs Firma unterlief zudem allein zwischen 1979 und 1988 und müssen den Inlandumsatz gewöhnlich wie eine andere mindestens 78-mal das Embargo, welches das Apartheid- Betriebsgesellschaft versteuern. Das klingt etwas umständ- regime in Südafrika schwächen sollte. Die Amerikaner sahen lich, ist aber für Rohstoffhandelsgesellschaften sehr attrak- deshalb in Rich die Personifizierung des Bösen und warfen tiv, weshalb solche Firmen, wie Philipp Brothers, Wintershall, ihm Steuerdelikte vor: Vor amerikanischen Gerichten wurde Gazprom oder eben Marc Rich + Co, nach Zug finden. Rich in Abwesenheit zu insgesamt 325 Jahren Haft verurteilt. Der sehr erfolgreiche, aber auch sehr umstrittene Roh- Eine Auslieferung kam allerdings nie zustande, weil stoffhändler Marc Rich zieht 1983 in das neu erstellte Büro- Marc Rich in der Schweiz wohnte, bereits im September gebäude an der Baarerstrasse 37. Aufgrund der bläulich 1982 auf die amerikanische Nationalität verzichtet hatte schimmernden Glasfassade heisst die neue Liegenschaft und sich in Spanien einbürgern liess, wo er zehn Jahre lang im Volksmund «Glaspalast» oder auch «Dallas-Haus», be- gelebt hatte, zudem hatte er noch den israelischen Pass. nannt nach der damals laufenden Fernsehserie «Dallas». Rich stand jahrelang auf der Liste der «Most Wanted» des Rich wählt beim Ausbau des Gebäudes die besten und teu- FBI. Doch der Konflikt schwellte jahrelang: Die Schweiz wur- ersten Materialien. 1974 hatte er die «Marc Rich + Co AG» de von Amerika unter Druck gesetzt, Rich an die USA aus- gegründet, die sich bald zum Global Player im Handel mit zuliefern. Aber die Schweiz liefert wegen Steuervergehen Rohstoffen wie Öl, Metallen und Agrarprodukten entwickel- niemanden aus, auch wenn er Rich heisst. In Zug gab es te. Die Rohstoffförderländer begannen damals, den Abbau verschiedene politische Debatten und Demonstrationen um von Zink, Blei, Kupfer, Nickel, Mangan, Chrom, Eisenerz, die Legalität und die Moral des Rohstoffhandels. Tonerde, Bauxit, Aluminium, Öl und so weiter zu rationali- So kam es, dass Marc Rich viel bekannter wurde, als sieren; die Trader in Zug kauften die Ware ab, waren für die es ihm lieb war. Schliesslich bezahlte die Marc Rich + Co Logistik zuständig, liessen die Ware verschiffen und verkauf- 170 Millionen Dollar, um sich von der Steuerbetrugsklage ten die Rohstoffe innert kürzester Zeit – natürlich mit grossen zu befreien – doch die Ausschreibung zur Verhaftung blieb Gewinnen. Weil man in der Stadt Zug von den Vorgängen bestehen. Schliesslich kam der Zuger Rohstoffhändler Rich dieses Geschäfts nichts mitbekam, kam es zu Legendenbil- 2001 in den Genuss einer Begnadigung durch Präsident Bill dungen, die sogar zwischen Buchdeckel fanden, wie etwa Clinton, notabene an dessen letztem Amtstag! Für Marc Rich bei Craig A. Copetas in der Biografie über Marc Rich: «Zug hatten sich einflussreiche Leute persönlich eingesetzt, unter ist ein Paradies für Freibeuter, ein Dodge City, wo die steck- anderem die israelischen Premierminister Shimon Peres und brieflich Gesuchten in Limousinen anstatt auf Pferden sitzen Ehud Barak. Mit Clintons Gnadenerlass wurde die Anklage und mit Fernschreibern anstatt mit Winchestern schiessen.» gegen Rich aufgehoben. Das war natürlich übertrieben und vor dem Hintergrund Doch zurück zum Grundstück Nr. 558. Marc Rich zieht zu verstehen, welcher Marc Rich unangenehmerweise ins sich 1994 aus der Marc Rich + Co zurück, worauf diese sich

194 1995 in Glencore International umbenennt – auch, um die ter Metalli. Dass sie nun in den 1990er-Jahren hierher zieht, etwas lästige Vergangenheit abzustreifen. Glencore zügelt folgt einer unternehmerischen Logik: Sie will schneller und mit ihren Angestellten in die Baarermatte (zwischen Zug und näher bei den Kunden sein. Im Sommer 2016 zieht die Bank Baar). Und macht den Weg frei für das fünfte Kapitel. allerdings wieder zurück an den renovierten Hauptsitz am Postplatz, behält aber den zentralen Standort am Bahnhof Geld, Pläne und der Drang nach Norden bei; ihre rückwärtigen Dienste ohne direkten Kundenkontakt In den Jahren 1996 und 1997 zieht die Zuger Kantonalbank sind nach Baar umgezogen. ein, welche das Grundstück mit dem «Glaspalast» kauft. So verwundert es nicht, dass die Zuger Kantonalbank Dass die Bank hierher zügelt, zeigt verschiedene Entwick- Umbau- und Bebauungspläne für die Liegenschaft an der lungen auf: Das Negativimage, welches Marc Rich mit sei- Baarerstrasse 37 wälzt. Der Ort, der nacheinander Brache, nen Affären verbreitet hatte und mit diesem Gebäude ver- Kohlenlager, Ort der Industrie, des Rohstoffhandels und bunden war, ist vergessen. Und das Stadtzentrum wächst des Bankgeschäfts war, bekommt eine neue Wendung der ständig weiter nach Norden: Denn der Hauptsitz der Zuger Geschichte verpasst: die des städtischen Grundstücks, bei Kantonalbank liegt an der Bahnhofstrasse 1, quasi an der dem eine möglichst optimale Ausnutzung angestrebt wird. städtebaulichen Nahtstelle zwischen dem alten und neuen Egal, welche Verwendung es dereinst haben wird – das Zug. Nun positioniert sich die Bank klar und unmissverständ- Grundstück 558 wird sicher nochmals um eine Geschichte lich im modernen Zug, zwischen Bahnhof und Einkaufscen- reicher.

Bau des neuen Bürogebäudes mit der charakteristischen Glasfassade, 1982/83. Im Volksmund wird das bläulich schimmernde Hoch- haus «Glaspalast» genannt, wohl nicht zuletzt aufgrund des Erbauers Marc Rich.

195 Exkurs 17 Bevölkerungsentwicklung und Mobilität in Zug

Die relativ homogene katholische Bevölkerung von formierte Kirchgemeinde des Kantons Zug mit Unterstützung Zug erlebte mit der Industrialisierung zuerst eine Zu- der Spinnereibesitzer in Baar 1867 für die rund 300 Gläu- wanderung protestantischer Miteidgenossen, bevor bigen gleich neben der Fabrik die erste Kirche. Es folgten ab 1945 katholische Südeuropäer die Lücken in den weitere protestantische Gotteshäuser, 1906 in Zug und 1915 Werkbänken füllten. Heute werden vor allem die eng- in Cham. lischsprachigen «Expats» stark wahrgenommen. In der Zwischenkriegszeit nahm die Zahl der Ausländer Text: Matthias Wiesmann aufgrund der politischen Abschottungstendenzen ab. Der Ausländeranteil sank bis 1941 auf 4,5 %. Ausserkantonale Der landwirtschaftlich geprägte Kanton mit einer dezentra- strömten jedoch weiterhin an den Zugersee, sodass die Bür- len Siedlungsstruktur und einer einheitlich katholischen Be- ger anderer Kantone um 1920 die Zuger Bürger anzahlmäs- völkerung erfuhr durch die Industrialisierung, welche 1830 in sig überholten. Die Krise der 1930er-Jahre verursachte dann Unterägeri einsetzte und ab 1850 ihre volle Wirkung auch einen leicht negativen Wanderungssaldo. Die wirtschaftli- in den Talgemeinden entfaltete (Spinnerei an der Lorze in che Annäherung an die Zwinglistadt Zürich und der offener Baar, Anglo-Swiss Condensed Milk in Cham) ein enormes gewordene Umgang mit den Protestanten bewirkte bis zum Bevölkerungswachstum. Zwar gab es einige kleinere Aus- Zweiten Weltkrieg eine weitere prozentuale Zunahme von wanderungsschübe aus den Berggemeinden Richtung Ame- Andersgläubigen auf rund 15 %. rika, doch dominierend waren eine Zuwanderungswelle aus anderen Kantonen (vor allem aus der Region Zürich) und Arbeitskräfterekrutierung in Südeuropa dem Ausland (insbesondere 1850 – 1880 und 1900 – 1914) In den Boomjahren nach 1945 wurden die Zuwanderungs- sowie ein markant ansteigender Geburtenüberschuss. Zu- raten aus dem Ausland aufgrund des Arbeitskräftemangels sätzlich bewirkte die Zuwanderung einen Anstieg der nicht- nun zweistellig. Neben Personen aus anderen Kantonen re- katholischen Bevölkerung. Dazu beigetragen hatte die krutierte man verstärkt Arbeitskräfte aus dem katholischen Stadt Zug, die ihren grossen Arbeitskräftebedarf für die ab Südeuropa. 1960 stellten die Italiener mit 60 % das deut- 1900 florierende Metall- und Maschinenindustrie zum Teil lich grösste Ausländerkontingent. Um ihre Reihen zu füllen, ebenfalls ausserhalb des Kantons rekrutieren musste. Bis schickten grosse Industriebetriebe wie die Landis & Gyr Rei-

1910 lebten im Kanton bereits 9 % Protestanten. Der kanto- sebusse in strukturschwache italienische Gegenden zur An- nale Ausländeranteil war von praktisch null auf knapp 11 % werbung von Personal. Die ehemalige Uhrenfabrik Inducta angestiegen, lag jedoch noch deutlich unter dem Schweizer wurde zu einem Heim für junge italienische Arbeiterinnen Schnitt (15 %). Der Hauptharst der Zuwanderer stammte aus umfunktioniert und bot bis zu 400 Frauen Platz. Italien und Deutschland. Verstärkt ab den 1960er-Jahren setzte nun auch die Zur Unterbringung der zugezogenen Fabrikarbei- Verschiebung der Beschäftigung vom zweiten industriellen terinnen und -arbeiter entstanden fabrikeigene Wohn- Sektor in den dritten Sektor ein, wobei der Grosshandel siedlungen, zum Beispiel auf einer kleinen Lorze-Insel bei (insbesondere Rohstoffe) und Finanzdienstleistungen eine Hagendorn und in der «Höll» in Baar. Für Ledige standen besondere Stellung einzunehmen begannen. Die Industrie geschlechtergetrennte Wohnheime zur Verfügung. Für das verschwand jedoch keineswegs. Firmen wie V-Zug und die

Seelenheil der Protestanten wurden weitere Infrastukturbau- aus einem Teil der Landis & Gyr hervorgegangene Siemens ten notwendig. So errichtete die neu ins Leben gerufene re- Building Technologies konnten sich behaupten, und hinzu

196 allem deutsche Zuwande- rer decken zudem Lücken im Gesundheitswesen und in der Gastronomie ab. Betrachtet man die Zah- len in der Publikation «Mig- ration im Kanton Zug» erge- ben sich Hinweise, dass im Vergleich zu den grösseren Nachbarkantonen etwas mehr «Expats» (gut ausge- bildete ausländische Fach- kräfte in international täti- gen Unternehmen und ihre Familien) in Zug leben: Die Italienische Gastarbeiterinnen vor dem Wohnheim der Landis & Gyr, betreut von zwei Schwestern, 1955. Ausländer in Zug sind mobi- ler, das heisst, sie leben im kamen Firmen der High-Tech-Branchen (Pharmazie, Medizi- Schnitt weniger lang in einer Gemeinde. Auffällig ist der im naltechnik und Elektronik). Vergleich zur Schweiz rund 15 % höhere Anteil an Ausländern Nach der konjunkturellen Delle Mitte der 1970er-Jahre, mit Tertiärausbildung (43 %). Die Arbeitslosenquote divergiert die neben den Überfremdungsdiskussionen die Zuwande- zwischen Inländern und Ausländern in Zug sehr viel gering- rung kurz stoppte, hat sich der Ausländeranteil von 1980 bis fügiger als im CH-Durschnitt, was auf die tendenziell bessere 2014 auf 26 % verdoppelt. Briten stellen mit 6 % (CH: 2 %) Ausbildung und auf die Mobilität jener Gruppe zurückzufüh- einen auffallend hohen Anteil. Entsprechend stark vertreten ren ist, die weltweit nach Stellen sucht und sie auch findet. ist im Kanton deshalb Englisch als Erstsprache. Dieser Be- Abzulesen ist die Expats-Dichte zudem an den hochpreisigen fund widerspiegelt sich bei der Einwanderung in den Kan- Wohnangeboten und der hohen Zahl an Privatschulen. ton, wo 2013 neben den Deutschen die Briten und die US- Der Eindruck einer starken Mobilität der Arbeitskräfte im Amerikaner an der Spitze waren. Kanton Zug wird durch die hohe Zahl der Pendler aus ande- Die Italiener mit 9 % (CH: 15 %) stellen wiederum einen ren Kantonen noch verstärkt. 2012 waren es über 35 000 vergleichsweise tiefen Teil der Ausländer. Die Anzahl Ita- Zupendler, das sind 30 % der gesamten Zuger Bevölkerung. liener sinkt sogar leicht, was auch mit Einbürgerungen der Anders als früher ist durch die gute Verkehrserschliessung schon länger hier wohnhaften Personen zu tun hat. Die auf die Wohnsitznahme auch in ausserkantonalen Gebieten die traditionelle Industrie und das Baugewerbe ausgerich- möglich. Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in teten Südeuropäer und die Flüchtlingsmigranten (aus Ex- boomenden Wirtschaftsregionen wie Zug bleibt aber eine jugoslawien etc.) wurden quasi von Zuwanderern anderer Herausforderung, wobei heute auf gemeinnützigen Woh- Nationen abgelöst, die sich in führenden Positionen und als nungsbau und eine generell forcierte Angebotsausweitung Fachkräfte in Handel, Finanz und Hightech betätigen. Vor gesetzt wird.

197 Augrun er streren eguierungsichte eschtigt ie echtsateiung heute rei ersnen ie sich ausschiessich it ragen er piance auseinanerseten 2009 – heute

Zwischen Regulierung und Marktorientierung

In Zeiten tiefer Zinserträge, hoher Regulierungsdichte und Konkurrenzierung durch Finanzdienstleister ohne Banklizenz ist die Bank bestrebt, mittels mass- geschneiderter Beratungstätigkeit und digitaler Technologien die Kundenbin- dung zu intensivieren sowie zwecks Effizienzgewinn stärker zu kooperieren.

Wegen der weltweiten Finanzkrise schwächte sich die Schweizer Wirtschaft 2009 kräftig ab, begann aber in den Folgejahren wieder zu wachsen und setzte diesen Trend, wenn auch in moderater Form, bis heute fort. Dieser Konjunkturverlauf widerspiegelt sich auch in der Arbeitslosenquote, die ab Mitte 2008 bis Ende 2009 von 2,3 auf 4,4 Prozent hoch- schnellte und sich danach mit saisonalen Schwankungen zwischen 3 und 3,6 Prozent ein- pendelte. Um die Folgen der Krise möglichst rasch zu bewältigen, versorgte die Schwei- zerische Nationalbank (SNB) wie alle Zentralbanken der Industrienationen die Märkte grosszügig mit Liquidität. Das führte einerseits zu rekordtiefen Zinsen und andererseits zu boomenden Aktienmärkten. Im Zusammenhang mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 ging die SNB noch einen Schritt weiter und führte auf den Girobeständen, welche die Banken bei ihr halten, Negativzinsen ein, was den Trend zu tiefen Zinsen noch verstärkte.

Stagnierendes Zinsgeschäft, hohe Wertschöpfung Dieses anspruchsvolle Umfeld wirkte sich auf den Geschäftsgang der Zuger Kantonalbank aus, obwohl es der Bank gelang, die negativen Auswirkungen der Zinssenkungen der SNB weitgehend aufzufangen, indem sie die Bilanz und ihre Liquidität aktiv bewirtschaftete. Nachdem der Bruttogewinn der Bank seit Mitte der 1990er-Jahre anhaltend kräftig gestie- gen war, ging er ab 2009 bis 2015 von einem Höchststand von 123,5 Mio. um gut 10 Prozent auf 110,8 Mio. zurück. Die Gründe für diese Entwicklung waren ein stagnierender Zinsmar- genertrag, den die Bank nur dank der Ausweitung des Kreditvolumens um gut einen Drittel und durch ein aktives Bilanzmanagement halten konnte, ein rückläufiger Kommissionsertrag und ein vorwiegend wegen steigender regulatorischer Anforderungen höherer Geschäfts- aufwand. Letzterer drückte sich in der Zunahme des Kosten-Ertrags-Verhältnisses von 42,5 auf 46,8 Prozent aus, womit die Zuger Kantonalbank im Branchenvergleich allerdings nach wie vor sehr gut dastand. Da sich die Wertberichtigungen, Rückstellungen und Verluste aus dem Kreditgeschäft auf erfreulich tiefem Niveau bewegten, wies die Bank trotz sinkenden Bruttogewinns und nach wie vor reichlicher Dotierung der Reserven in dieser Periode einen praktisch unveränderten Jahresgewinn von rund 61 Mio. Franken aus. Auch die Dividende blieb konstant bei 35 Prozent bzw. 175 Franken pro Aktie. Die Bilanzsumme nahm zwischen 2009 und 2016 um 37 Prozent von 10,4 auf 14,3 Mrd. Franken zu, und die eigenen Mittel wuchsen im gleichen Zeitraum um 18,5 Prozent von 985 auf 1168 Mio. Franken. Damit nahm das verfügbare regulatorische Kapital der Bank von 17,9 auf 17,1 Prozent leicht ab, übertraf

199 2009 – heute

aber die Vorgaben der Finma von 12,2 Prozent weiterhin deutlich. Damit gehört die Zuger Kantonalbank nach wie vor zu den am besten kapitalisierten Banken der Schweiz. Bei der Berichterstattung der Bank fällt auf, dass sie im Geschäftsbericht 2007 erstmals eine Wertschöpfungsrechnung und im Geschäftsbericht 2014 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichte. Die Wertschöpfung ist der von einem Unternehmen in einem Jahr geschaffe- ne Wertzuwachs und damit dessen Beitrag an das Sozialprodukt der Volkswirtschaft. Die Wertschöpfungsrechnung zeigt ergänzend zur traditionellen Jahresrechnung die wirtschaft- liche Leistungsfähigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit und Produktivität eines Unternehmens auf. Gemäss dieser Rechnung schuf die Zuger Kantonalbank 2007 einen Mehrwert von 156 Mio. Franken; davon wurden 36 Prozent den Mitarbeitern als Saläre ausbezahlt, 25 Prozent den Aktionären als Dividende ausgerichtet und 30 Prozent zur Stärkung der Substanz ver- wendet. Schliesslich partizipierte der Staat, abgesehen von der Stellung des Kantons als Aktionär der Bank, mit 8 Prozent am geschaffenen Mehrwert. Im Geschäftsbericht 2014 integrierte die Bank die Wertschöpfungsrechnung in den Nachhaltigkeitsbericht, der die Leistungen der Bank im Hinblick auf eine nachhaltige Ent- wicklung darlegt. Dieser Bericht greift die wichtigsten Themen der Nachhaltigkeit auf: Öko- nomie, Soziales und Ökologie. Im Nachhaltigkeitsbericht 2015 zeigt die Bank detailliert auf, inwiefern sie in der Berichtsperiode und darüber hinaus für ihre Geschäftstätigkeit, für die Exkurs 18 Gesellschaft, für die Mitarbeiter und für die Umwelt Verantwortung übernimmt. Im Zusam- 50 Jahre menhang mit den Leistungen der Bank für die Gesellschaft seien die freiwilligen Beiträge E-V-Z-K-B S. 218 und Vergabungen sowie die Sponsoring-Engagements herausgegriffen. Das Kantonalbank- gesetz sieht seit der Teilrevision von 1898 die Möglichkeit vor, einen Teil des Reingewinns Exkurs 19 für gemeinnützige und wohltätige Zwecke zu verwenden. 1901 richtete die Bank erstmals Auf dem Weg eine solche Zuwendung aus, und zwar 1000 Franken zugunsten des zugerischen Kinder- zum kulturellen Engagement sanatoriums in Unterägeri. Seither nahmen diese Vergabungen stark zu und betrugen 2015 S. 220 insgesamt 800 000 Franken, verteilt auf gut 700 Institutionen. Daneben geht die Bank seit einiger Zeit auch Sponsoring-Engagements ein, bei denen beide Partner leisten und pro- Exkurs 20 fitieren. 2015 hat die Zuger Kantonalbank ihre langjährigen Sponsoring-Partnerschaften Mit Volldampf voraus mit dem EVZ, der Theater- und Musikgesellschaft Zug und der Schifffahrtsgesellschaft Zug S. 222 fortgeführt sowie die Streethockey-Weltmeisterschaft in Zug und die Jubiläumsaktivitäten 700 Jahre Morgarten unterstützt. Die Zuger Kantonalbank hat sich aber in der Vergangen- heit zusammen mit ihren Mitarbeitern auch sonst in vielfältiger Weise für das Gemeinwohl engagiert, indem beispielsweise die Mitglieder der Sportgruppe der Bank Wanderwege instand stellten, Lehrlinge im ganzen Kanton Feuerstellen errichteten und die Bank sich 1989 an vorderster Front dafür einsetzte, das Berggasthaus Wildspitz für die Öffentlichkeit zu er- werben und als Stützpunkt für Wanderer zu erhalten.

«Frachtschiff» bleibt auf Kurs Mitte 2009 trat der Präsident der Geschäftsleitung, Toni Luginbühl, in den Ruhestand. Bank- präsident Beat Bernet würdigte an der Generalversammlung dessen Leistungen für die Bank: «Er hat immer gewusst, dass eine Bank nicht mit einer Rennyacht, sondern eher mit

200 Die Geschäftsleitung der Zuger Kantonalbank, 2016 Pascal Niquille (CEO), Theodor Keiser, Daniela Hausheer, Andreas Janett, Petra Kalt

einem Frachtschiff vergleichbar ist, dessen Kurs man nur langsam ändern kann. Das verlangt natürlich eine umso sorgfältigere Kursbestimmung. Er hat zusammen mit seinen Kollegen in der Geschäftsleitung das gesteckte Ziel stets kontinuierlich verfolgt und die einmal ein- geschlagene Richtung nicht wegen kurzfristiger Marktveränderungen wieder geändert. (...) Toni Luginbühl verabschiedet sich hier von den Aktionären mit Rekordzahlen und mit einem Aktienkurs, der trotz weltweitem Börsencrash auf einem nie erreichten Niveau steht.» Als Nachfolger wählte der Bankrat Pascal Niquille, lic. iur. HSG, wohnhaft und aufgewachsen in Oberwil-Zug, der bis anhin in verschiedenen Funktionen, zuletzt als Leiter des schweiz- weiten Corporate-Finance-Geschäfts, bei der UBS AG gearbeitet hatte. Damit übernahm erstmals seit 1920 wieder eine Person die Leitung des operativen Geschäfts der Bank, die ihre Berufslaufbahn nicht schwergewichtig bei der Zuger Kantonalbank absolviert hatte. Bei seinem Amtsantritt äusserte sich Niquille gegenüber der Neuen Zuger Zeitung zu seinen Absichten: «Veränderungen müssen und werden eine logische und nachvollziehbare Wei- terentwicklung der bisherigen erfolgreichen Strategie sein. (…) Ich möchte die Bank in Zu- kunft in die Richtung weiterentwickeln, die mein Vorgänger eingeschlagen hat.» Nach dem Amtsantritt von Pascal Niquille als Präsident der Geschäftsleitung ersetzte der Bankrat das Dreierdirektorium durch ein CEO-Modell, traf verschiedene Massnahmen zur Entlastung der Geschäftsleitung und erhöhte dabei insbesondere die Zahl der Geschäftsleitungsmitglieder von drei auf fünf. Diese stehen aktuell folgenden Departementen vor: Firmenkunden, Wealth

201 2009 – heute

Werbung mit Hinweis auf die wiederaufgebaute Kompetenz im Anlagegeschäft, 2011

202 Management, Marktregionen, Finanzen und Risiko sowie Services und Partnermanagement. Damit ist der Markt in der Geschäftsleitung besser vertreten, und die Mitglieder der Ge- schäftsleitung können vermehrt den Kontakt zu den Kunden pflegen. An der Generalversammlung 2010 trat Bankpräsident Prof. Dr. Beat Bernet aus dem Bankrat zurück. Der Bankrat wählte an seiner Stelle Bruno Bonati, lic. oec. HSG, aus Zug, Unternehmensberater und früheres Geschäftsleitungsmitglied der Credit Suisse, der zuvor an derselben Generalversammlung als Vertreter der Privataktionäre in den Bankrat gewählt worden war.

Reintegration der Vermögensverwaltung Mit der Auslagerung der Wertschriftenverarbeitung zur Zürcher Privatbank Maerki Bau- mann & Co AG (MBC) übertrug die Zuger Kantonalbank 2004 auch die Vermögensver- waltung an diese Bank. Damit erodierte das Fachwissen der Mitarbeiter der Zuger Kan- tonalbank in diesem Bereich. Das wollte die Mitte 2009 unter dem CEO Pascal Niquille neu angetretene Geschäftsleitung ändern und begann ab 2010 mit dem unabhängigen Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners Ltd. (W&P), das sich mit Fragen der Welt- wirtschaft und der Finanzmärkte beschäftigt, langfristig zusammenzuarbeiten. Im Rahmen dieser Kooperation entwickelten die beiden Partner zunächst eine neue Anlagephilosophie für die Zuger Kantonalbank. Zudem analysiert W&P bis heute für die Zuger Kantonalbank das makroökonomische Umfeld sowie die Finanzmärkte und erarbeitet Vorschläge für die strategische Vermögensallokation. Anhand dieser Grundlagen entwickelt ein bankeigenes Anlagekomitee die strategische und taktische Asset Allocation (Portfolio-Strukturierung) und erarbeitet eine Empfehlungsliste sowie eine offizielle Marktmeinung der Zuger Kantonal- bank. Ferner baute die Zuger Kantonalbank ein eigenes Investment Center auf, betreute ab Oktober 2010 sukzessive wieder alle, auch die zuvor von MBC geführten Vermögensverwal- tungsmandate selber und schuf im Private Banking zusätzliche Stellen. Mit diesen Massnah- men, in deren Rahmen sie auch die Zusammenarbeit mit MBC in der Vermögensverwaltung beendete, wollte die Zuger Kantonalbank wieder als Bank mit Anlagekompetenz wahrge- nommen werden und ganz generell das Anlagegeschäft als Standbein der Bank stärken. Der Bank gelang es, das Volumen der verwalteten Vermögen seit der Reintegration des Vermögensverwaltungsgeschäftes bis heute von rund 200 Mio. auf über eine Milliarde Franken zu verfünffachen und die Zahl der Mandate von 150 auf mehr als 1000 zu erhöhen. 2015 unterstrich die Zuger Kantonalbank ihre Kompetenz im Anlagegeschäft zusätzlich, in- dem sie zwei Strategiefonds sowie einen Fondssparplan lancierte. Da die Bank ihre Kunden ganzheitlich und bedürfnisorientiert betreut und ihr Beratungsangebot nicht nur die tradi- tionelle Anlageberatung, sondern auch weitere Dienstleistungen wie Finanzplanung sowie Beratung bei der Vorsorge und im Güter- und Erbrecht umfasst, firmiert das bisherige An- lagekundengeschäft seit Mitte 2015 unter dem neuen Namen Wealth Management. Gleich- zeitig stärkte die Bank das Wealth Management auch organisatorisch und brachte es in ein eigenständiges Departement ein. Trotz all dieser Bemühungen und obwohl der Bank jährlich ansehnliche Summen an Neugeldern zufliessen, ging der Ertrag aus dem Wertschriften- und

203 2009 – heute

Anlagegeschäft zwischen 2009 und 2015 von 36,5 auf 29,2 Mio. zurück. Das ist einerseits eine Folge des zurückhaltenden Marktverhaltens der Kunden, die im Nachgang zur Finanz- krise und aufgrund der nach wie vor unsicheren Wirtschaftslage weniger Börsengeschäfte abwickelten. Andererseits spürte die Bank die Umstellung auf retrozessionsfreie Produkte. Das zeigt, wie schwierig es ist, neben dem Zinsdifferenzgeschäft ein zweites solides Ertrags- standbein zu etablieren, insbesondere in Zeiten, da viele andere Banken ihr Heil ebenfalls vermehrt im Anlagegeschäft suchen. Im Zusammenhang mit Retrozessionen, also Vergütungen, die einem Vermögensverwal- ter oder einer Bank im Zusammenhang mit einem Vermögensverwaltungsauftrag von Dritten zukommen, hat das Bundesgericht 2012 einen früheren Entscheid bestätigt, wonach solche Vergütungen, insbesondere auch Entschädigungen von Fondsanbietern, grundsätzlich nicht dem Beauftragten, sondern dem Kunden zustehen. Dieses Urteil bezieht sich aber nur auf das Vermögensverwaltungsgeschäft und nicht auf Anlageberatungs- und «Execution on- ly»-Verhältnisse. Die Zuger Kantonalbank hat deshalb 2013 allen Vermögensverwaltungs- kunden, die aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Anspruch auf eine Rück- erstattung hatten, diese Retrozessionen samt Zinsen zukommen lassen und ab 2016 alle Vermögensverwaltungsmandate auf retrofrei umgestellt. Als Teilkompensation hat sie im Gegenzug die Honorare für diese Mandate angehoben. Die Zuger Kantonalbank trägt aber auch bei der Anlageberatung den veränderten Ver- hältnissen und Kundenbedürfnissen sowie der Ertragserosion Rechnung und richtet das An- lagegeschäft insofern neu aus, als sie sich weg von einem transaktionsorientierten und hin zu einem beratungsorientierten Geschäftsmodell bewegen und ab 2017 Beratungsmandate einführen will. Dabei werden die Kunden, basierend auf ihren individuellen Bedürfnissen, den Umfang an Beratung und Expertise bestimmen, die sie gegen Entgelt von der Bank beanspruchen möchten. Gleichzeitig wird die Bank auch den Beratungskunden allfällige Retrozessionen weiterleiten.

Kunden mit Wohnsitz im Ausland Die Zuger Kantonalbank hat nie Personen mit Wohnsitz im Ausland aktiv als Kunden akqui- riert. Sie hat auch nie aktiv um nicht deklarierte in- oder ausländische Vermögen geworben. Ebenso wenig hat sie ihren Kunden irgendwelche Massnahmen oder juristischen Konstruk- te zur Steuerumgehung empfohlen oder vermittelt. Die Kunden mit ausländischem Domizil machten deswegen schon immer einen sehr kleinen Teil der Gesamtkundschaft der Bank aus. Es handelte sich meist um Personen mit familiären oder geschäftlichen Beziehungen zu Zug oder um früher hier ansässige Personen, die ins Ausland wegzogen. Dieses Ver- halten hat sich bewährt. Denn Banken können nie ausschliessen, dass sich Kunden verein- zelt nicht an die für sie geltenden Vorschriften im Steuerbereich halten und dadurch auch die Bank in Steuerdelikte verwickeln. Wegen der sich ständig verschärfenden regulatori- schen Anforderungen im grenzüberschreitenden Geschäft begann die Zuger Kantonalbank ab 2010 Geschäftsbeziehungen mit Sitzgesellschaften aufzuheben, an denen im Ausland wohnhafte natürliche Personen wirtschaftlich berechtigt waren. Ab 2012 hatten ausserdem

204 Blick-Frontseite, 27. April 2012 Die verschärften Massnahmen gegen Steuerdelikte lösten schweizweit ein grosses Medienecho aus. alle im Ausland domizilierten Kunden schriftlich zu bestätigen, dass sie ihre bei der Zuger Kantonalbank gehaltenen Vermögenswerte ordentlich versteuerten und die Bank in- und ausländischen Behörden auf deren Ersuchen hin Auskünfte über die Geschäftsbeziehung erteilen darf. Sofern sich ein Kunde weigerte, diese Erklärung abzugeben, löste die Bank die Geschäftsbeziehung auf. Diese Massnahmen fanden wegen der medialen Berichterstattung schweizweit ein grosses Echo. Das regulatorische Umfeld für die Betreuung von Kunden im grenzüberschreitenden Bankgeschäft verschärfte sich in den letzten Jahren weiter. Im Vordergrund standen dabei nicht mehr primär Steuerfragen. Diese hatte die Zuger Kantonalbank mit der vorerwähnten Selbstdeklaration geklärt. Es ging vielmehr um Fragen des Anlegerschutzes, insbesondere bezüglich Sicherstellung der Angemessenheit und Eignung von angebotenen Dienstleistun- gen und Produkten, sowie ganz allgemein um die Einhaltung nationaler regulatorischer Vor- schriften. Angesichts der mit solchen Geschäften verbundenen Risiken und Kosten entschied die Bank 2014, zukünftig Kunden mit Domizil im Ausland grundsätzlich keine Dienstleistun- gen und Beratungen mehr anzubieten. Davon nicht betroffen sind Kunden ausländischer Nationalität, die in der Wirtschaftsregion Zug wohnen. Entscheidend ist mithin nicht die Nationalität, sondern ausschliesslich das Domizil einer Person. Von Kunden, die in der Schweiz wohnen, verlangt die Bank aktuell keine explizite Be- stätigung, dass sie die Steuervorschriften einhalten. Seit Anfang 2015 enthalten aber die

205 2009 – heute

Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank Bestimmungen, wonach der Kunde für die Einhaltung der auf ihn anwendbaren Gesetze und Regularien, einschliesslich steuerlicher Vorschriften, verantwortlich ist. Im vorliegenden Zusammenhang sind speziell die Kunden zu erwähnen, die eine steuer- lich relevante Beziehung zu den USA haben. Diese sogenannten US-Personen behandelte die Bank aufgrund des mit der amerikanischen Steuerbehörde IRS abgeschlossenen Quali- fied-Intermediary(QI)-Agreements seit 2001 entsprechend dieser Vereinbarung. Als die USA gegen die UBS AG ein Steuerverfahren anstrengten, entschied die Zuger Kantonalbank Ende 2008, Geschäftsbeziehungen mit US-Personen nur noch dann aufzunehmen bzw. aufrechtzuerhalten, wenn diese die Geschäftsbeziehung gegenüber dem IRS offenleg- ten. Obwohl die Bank das QI-Agreement genau einhielt und zusätzlich die vorerwähnten Massnahmen traf, war nicht auszuschliessen, dass einige aktuelle oder ehemalige Kunden möglicherweise ihre Steuerpflicht gegenüber den USA nicht ordnungsgemäss erfüllt hatten. Die Bank entschied deshalb, in der Kategorie 2 im US-Steuerprogramm zur Beilegung des Steuerstreits zwischen Schweizer Banken und den USA teilzunehmen. Damit musste sie im Zusammenhang mit US-Kunden umfassende Abklärungen und Analysen vornehmen und stellte in der Jahresrechnung 2013 8 Mio. Franken zurück, wovon alleine 4 Mio. Franken für den Abklärungsaufwand bestimmt waren. Im November 2015 schloss die Bank mit der US- Justizbehörde eine Vereinbarung zur Bereinigung der Steuerangelegenheiten ihrer Kunden mit US-Bezug ab und zahlte eine pauschale Busse von 3,8 Mio. Dollar. Damit stellte sie sicher, dass sie im Zusammenhang mit Steuern von den US-Behörden nicht weiter belangt wird.

Hohe Regulierungsdichte bindet Ressourcen und verursacht Kosten Das Bankgeschäft gehört seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (BankG) im Jahre 1935 zu den am meisten regulierten Branchen der Schweiz. Das BankG enthielt bei seinem Erlass vor allem Vorschriften zum Schutz der Gläubiger und der Aktionäre und übertrug die Aufsicht über die Banken der Eidgenössischen Bankenkom- mission. Seither nahm die Regulierung des Bankgeschäftes ständig zu. Vor allem ab den 1990er-Jahren verschärfte der Gesetzgeber die Bestimmungen des BankG und regelte mit separaten Erlassen immer weitere Rechtsgebiete, die Banken betreffen. So kamen auf Ge- setzesstufe unter anderem 1993 das Konsumkreditgesetz, 1995 das Börsengesetz, 1997 das Geldwäschereigesetz, 2006 das Kollektivanlagegesetz, 2007 das Finanzmarktaufsichts- gesetz, 2008 das Bucheffektengesetz und 2015 das Finanzmarktinfrastrukturgesetz hinzu. Viele dieser Gesetze haben inzwischen im Rahmen von Teilrevisionen Verschärfungen er- fahren. Zu diesen Erlassen hinzu kommen zahlreiche Verordnungen, Finma-Rundschreiben und Regularien des SIX Swiss Exchange. Nach der Finanzkrise haben sich ausserdem die regulatorischen Auflagen für die Banken insbesondere mit Bezug auf die Eigenmittelaus- stattung, die Risikovorsorge und die Liquiditätshaltung vervielfacht. In jüngerer Zeit folgten zudem zahlreiche Bestimmungen mit Bezug auf Steuern, wie das Abkommen mit der EU be- treffend die Zinsbesteuerung, die Abkommen mit Grossbritannien und Österreich über die

206 Werbung für die erstmals 1978 stattfindende Immobilienmesse der Zuger Kantonalbank, 2011

207 2009 – heute

Abgeltungssteuer, das Abkommen mit der EU zum automatischen Informationsaustausch (AIA) und die amerikanischen Fatca-Vorschriften. Schliesslich beschäftigt sich das eidge- nössische Parlament derzeit mit dem Finanzdienstleistungsgesetz und dem Finanzinstituts- gesetz, die beide demnächst in Kraft treten werden. Alle diese Regularien überbinden den Banken zusätzliche Aufgaben, die diese nur mit zusätzlichem Personal und erheblichen Investitionen in neue Systeme bewältigen können. Schliesslich darf die Wirkung der Recht- sprechung des Bundesgerichts im Bereich der Anlageberatung auf die Bankpraxis nicht übersehen werden. Da die meisten Vorschriften für alle Banken ungeachtet deren Grösse gelten, belastet deren Umsetzung kleinere Banken in organisatorischer und finanzieller Hinsicht überpro- portional. So beschäftigt die Zuger Kantonalbank in ihrer Rechtsabteilung heute drei Perso- nen, die sich ausschliesslich mit Fragen der Compliance und dabei schwergewichtig mit der Geldwäschereiprävention und den Steuerregularien beschäftigen. Vor 15 Jahren erledigten die zwei Mitarbeiter der Rechtsabteilung diese Aufgaben nebenbei. Weitere erhebliche Kosten entstehen den Banken durch die Entwicklung und den Unterhalt von Überwachungs- systemen, ohne die die Vorschriften gar nicht eingehalten werden könnten. Die Aussicht, zukünftig nicht mehr alleine neue Regularien umsetzen und die dafür nötigen Systeme selber entwickeln zu müssen, war einer der wesentlichen Gründe, weshalb sich die Zuger Kanto- nalbank 2012 entschloss, den IT-Alleingang aufzugeben und auf die Finnova-Plattform zu wechseln.

Finnova à la fin Die Zuger Kantonalbank unterhielt seit 2002 eine SAP-basierte Informatik-Plattform, deren Wertschriftenlösung seit 2004 aus der von der Zürcher Privatbank Maerki Baumann & Co AG bzw. deren Tochter InCore Bank AG betriebenen Applikation «Legando» bestand. Die Bank hatte auch die ganze Abwicklung des Wertschriftengeschäftes an die InCore Bank ausgelagert. Im Herbst 2011 teilte die InCore Bank der Zuger Kantonalbank mit, dass sie ihre IT-Lösung auf Anfang 2013, also sehr kurzfristig, von Legando zu Finnova wechsle. Da die SAP-Plattform über kein Wertschriftenmodul verfügte, musste die Zuger Kantonalbank deswegen sehr kurzfristig einen strategischen Entscheid von grosser Tragweite fällen. Nach einem umfassenden Evaluationsverfahren entschied sich die Zuger Kantonalbank für eine auf der Finnova-Software basierende IT-Bankenplattform, die die Entris Banking AG, eine Tochter der Swisscom IT Services AG, bis heute für die Bank betreibt. Diese Lösung hat für die Bank den Vorteil, dass sie auch die Abwicklung des Wertschriftengeschäftes umfasst und zudem in der Zukunft die Industrialisierung weiterer Bankprozesse erleichtert. Damit unterstützt diese bei kleinen und mittelgrossen Banken weit verbreitete Plattform die Strategie der Bank, sich noch ausgeprägter auf ihre Stärken in der Beratung und Betreuung der Kunden zu konzentrieren und die Fertigungstiefe im operativen Geschäft zu reduzieren. Mit dieser Lösung kann die Bank ausserdem künftige regulatorische Anforderungen ohne Zu- satzaufwand erfüllen. Der Wechsel auf die neue IT-Plattform erfolgte Mitte 2013 und verlief trotz hoher Komplexität reibungslos.

208 Herausforderung Digital Banking Grosse technologische Fortschritte bei den elektronischen Kommunikationsmitteln und das sich damit verändernde Kundenverhalten fordern die Banken nachhaltig heraus. Viele Bank- kunden sind praktisch jederzeit online, sehr gut informiert und bereit, ihre Käufermacht aus- zunutzen. Sie möchten zu jeder Zeit und von jedem Standort aus mit der Bank über sichere, effiziente, einfache und von ihnen gewählte Kanäle kommunizieren und Aufträge erteilen und erwarten von der Bank eine rasche Reaktion. Damit sind die Banken gezwungen, bei den digitalen Technologien aufzurüsten. Digital Banking umfasst nicht nur E-Banking, Zahlen über das Smartphone, Online-Hypotheken und digitales Anlegen. Darunter fallen vielmehr auch Entwicklungen wie die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit einer Bank mittels Videoi- dentifikation, digitale Finanzassistenten, digitale Marktplätze und neue Technologien wie Blockchain, eine dezentral verwaltete Datenbank in einem grossen Computernetz, über die digitale Transaktionen abgewickelt werden. Diese neuen Technologien werden die Abwick- lung von Finanzgeschäften revolutionieren. Mithilfe digitaler Entwicklungen konkurrenzieren ausserdem Nicht-Banken, vor allem «Fintech»-Unternehmen, die traditionellen Bankhäuser zunehmend in ihrem Kerngeschäft oder drängen sich in die Schnittstelle zwischen Bank und Kunde. Sie wollen die Bank nur noch als Abwicklerin einsetzen oder gänzlich eliminieren. Oder wie Bill Gates es etwas pointierter formulierte: «We need banking but we don't need

in Mio. CHF 14000 13000 12000 11000 10000 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000

0

1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

Bilanzsumme Obligationen-Anleihen, inkl. Pfandbriefdarl. Hypothekarforderungen Verpflicht. in Spar- und Anlageform / Spargelder Kassenobligationen Eigene Mittel: Aktienkapital (inkl. PS-Kapital) + Reserven

Entwicklung der Bilanzsumme und der wichtigsten Aktiven und Passiven

209 2009 – heute

anymore.» Die Folgen dieser neuartigen Konkurrenz sind Margenerosion, Kostendruck und eine abnehmende Kundenloyalität. Von diesem Wandel sind alle Banken betroffen, wobei vor allem das hohe Tempo der Veränderungen und die Schwierigkeit, den richtigen Zeitpunkt für die richtige Investition zu finden, besondere Herausforderungen darstellen. Die Zuger Kantonalbank als relativ kleine Bank kann nicht im Alleingang auf diese Ent- wicklung reagieren. Sie verfügt dazu weder über die nötigen personellen noch finanziellen Ressourcen. Sie kann sich diesen Herausforderungen nur in Zusammenarbeit mit anderen Banken oder technischen Dienstleistern stellen. Zusammen mit ihren Partnern muss sie die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen zeitnah verfolgen, analysieren und priorisieren und danach auf die richtigen Produkte setzen. Daher entwickelte die Zuger Kantonalbank 2016 eine Digital-Banking-Strategie, die einen integralen Bestandteil ihrer Grundstrategie und insbesondere der Omni-Channel- Vertriebsstrategie bildet. Gemäss dieser Strategie will die Bank mit der Digitalisierung einer- seits die bestehenden Kundenbeziehungen ausweiten und intensivieren und andererseits Neukunden gewinnen und dabei vor allem die Profitabilität steigern. Sodann ist sie bestrebt, die Effizienz zu verbessern und die Kosten zu senken, indem sie die Prozesse standardisiert und automatisiert und den Selbstbedienungsgrad der Kunden erhöht. Technische Hilfsmittel sollen die Kundenberater in ihrer Tätigkeit unterstützen und sie von administrativen Arbeiten entlasten. Schliesslich will die Zuger Kantonalbank mit der Digitalisierung die Kundenzufrie- denheit erhöhen und damit die Kundenbindung festigen sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Derzeit ist sie daran, diese Strategie umzusetzen. Wie rasch und wie tief die durch die technologische Entwicklung getriebenen Innovationen das Bankgeschäft verändern werden, wird erst die Zukunft zeigen.

Zurück an den Postplatz Rund zehn Jahre nach dem Bezug des Sitzes Bahnhof zeigte sich, dass dieses Gebäude innen wie aussen sanierungsbedürftig war, obwohl sein schlechter Zustand von aussen nicht sichtbar war und die Bevölkerung das Glashaus im Gegenteil als «modern» und gut erhalten beurteilte. Den Leitungsgremien der Bank wurde dabei erneut bewusst, dass die Bank 1995 nicht in erster Linie ein Gebäude, sondern einen Standort gekauft hatte. Zunächst beabsich- tigte die Geschäftsleitung, das Gebäude zu sanieren und auf elf Geschosse aufzustocken, verwarf diese Variante aber schon bald aus Kostengründen. Stattdessen entschied die Bank 2007 nach einer vertieften Analyse, den Sitz Bahnhof minimal zu sanieren und in etwa zehn Jahren abzubrechen und durch einen Neubau mit einer höchstmöglichen Ausnützung zu er- setzten. Dazu sollte der für dieses Gebiet bestehende Bebauungsplan überarbeitet werden. Während des Neubaus des Sitzes Bahnhof beabsichtigte die Bank die Mitarbeiter im Sitz Postplatz unterzubringen. Im Hinblick auf diesen Umzug entschied der Bankrat 2011, das Bankgebäude am Postplatz vorgängig umfassend zu renovieren und die in diesem Haus tätigen Mitarbeiter während des Umbaus umzuplatzieren. Die meisten konnten Mitte 2012 in gemieteten Räumlichkeiten im Geschäftshaus «VorZug» an der Oberneuhofstrasse in Baar neue Arbeitsplätze beziehen.

210 Brand im Kantonalbankgebäude am Postplatz, 17./18. Juli 2014 Die Flammen zerstörten das Attikageschoss, während das Löschwasser auch untere Gebäudeteile stark in Mitleiden- schaft zog. Der Brand verzögerte die Sanierungsarbeiten um rund ein Jahr.

211 Das umgebaute Kantonalbankgebäude am Postplatz nach der Wiedereröffnung im Sommer 2016

212 213 2009 – heute

Geschwungene Treppe ins erste Obergeschoss, im Hauptsitz am Postplatz, 1958 und 2016 Während 1958 Bankschalter beidseits der Treppe die Haupthalle dominieren, sind 2016 links Selbstbedienungsauto- maten und rechts diskrete Rückzugsmöglichkeiten für Beratungsgespräche zu erkennen.

214 Das markante Bankgebäude am Postplatz, das die Bevölkerung stark mit der Zuger Kantonalbank assoziiert, wollte die Bank nach dem Umbau zumindest vorübergehend als Hauptsitz und für das Anlage- und Firmenkunden-Geschäft nutzen. Ein im Juli 2014 während des Umbaus ausgebrochener Brand zerstörte das Attikageschoss des Gebäudes vollstän- dig und richtete wegen des Löschwassers auch in den unteren Stockwerken grosse Schäden an. Die Brandursache konnte trotz kriminaltechnischer Untersuchungen nicht eruiert werden. Aufgrund der nach wie vor intakten Bausubstanz entschied die Bank nach einer eingehen- den Analyse, den durch den Brand entstandenen Schaden zu beheben und das Gebäude wie geplant fertigzustellen. Wegen des Brandes verzögerte sich aber der Wiederbezug um ein gutes Jahr. Ende 2014 stellte das kantonale Amt für Denkmalpflege das Bankge- bäude am Postplatz als Baudenkmal von regionaler Bedeutung unter kantonalen Schutz. Dieser umfasst den Standort des Gebäudes, seine äussere Erscheinung, die Baustruktur sowie Boden- und Wandbeläge in den Publikumsräumen und die geschwungene Treppe im Eingangsbereich. Im Gegenzug beteiligte sich der Kanton mit rund 195 000 Franken an den Umbaukosten. Mitte 2016 konnte die Bank das im Innern umfassend erneuerte Gebäude wieder beziehen und verlegte ihren Hauptsitz zurück an die Bahnhofstrasse 1. Im Sitz Bahnhof führt die Bank nach wie vor eine Geschäftsstelle. Die mit dem Umzug ins Gebäude am Postplatz frei gewordenen Flächen hat sie für fünf Jahre vermietet. Nach Ab- lauf dieses Mietvertrages sollten die planerischen Voraussetzungen geschaffen sein, damit das bestehende Gebäude abgerissen und durch ein neues ersetzt werden kann. Dannzu- mal wird die Bank auch über die künftige Nutzung ihrer Gebäude Bahnhof und Postplatz sowie der im Gebäude «VorZug» gemieteten Räumlichkeiten entscheiden.

Die Zuger Kantonalbank: eine Erfolgsgeschichte? Hat sich das Modell Zuger Kantonalbank in den letzten 125 Jahren bewährt? Die Zuger Kantonalbank bewegte sich von Anfang an in zwei Spannungsfeldern von divergierenden Interessen. Zum einen war sie als gemischtwirtschaftliches Unternehmen quasi Dienerin zweier Herren, nämlich des Kantons und der Privataktionäre. Zum andern hatte sie seit ihrer Gründung Ziele zu verfolgen, die nur schwer unter einen Hut zu bringen waren. So hatte sie in erster Linie die Einlagen des sparenden Publikums möglichst hoch zu verzinsen, den Kreditsuchenden durch billige Zinsberechnung zu dienen und Gewerbe und Handel durch kulante Bedingungen zu unterstützen. Daneben sollte sie aber auch noch dem Kanton eine Einnahmequelle eröffnen. Zum ersten Spannungsfeld: Die gemischtwirtschaftliche Rechtsform der Zuger Kantonal- bank war schon bei ihrer Gründung und später vor allem im Zusammenhang mit der Staats- bankinitiative und der Totalrevision des Kantonalbankgesetzes von 1929 heftig umstritten. Die Anhänger einer Staatsbank warben unter anderem mit dem Slogan «Niemand kann zwei Herren dienen» für ihr Anliegen. Seither hat die Bank das Gegenteil bewiesen und die- sen Spagat erfolgreich gemeistert. Immer einfach war das nicht. Während des stürmischen Wachstums der Bank nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Interessen des Kantons und der Privataktionäre bei der Eigenmittelausstattung der Bank und bei der Gewinnverteilung

215 2009 – heute

auseinander. Doch in den 1980er- und 1990er-Jahren setzte sich die Einsicht durch, dass sich die Bank nur mit genügend Eigenmitteln erfolgreich weiterentwickeln könne. Der Kanton war danach bereit, bei Kapitalerhöhungen neben dem Nennwert des neu ausgegebenen Kapi- tals auch ein Agio zu leisten. Zudem machte er bei der Umwandlung von Partizipations- in Aktienkapital mit und stimmte zugunsten der Privataktionäre einer Änderung der Gewinnver- teilung zu, welche die Aktie der Bank für Privatanleger attraktiver machte. Damit verzichtete er wohl auf einen Teil der Abgeltung der Staatsgarantie, begünstigte aber die Bildung von eigenen Mitteln der Bank und minimierte dadurch sein Risiko als Garant. Das zeigt, dass aufgrund widersprüchlicher Interessen des Kantons und der Privaten vorübergehend auf- tretende Schwierigkeiten lösbar sind und das gemischtwirtschaftliche System bei Kantonal- banken durchaus zukunftsträchtig ist. Es erstaunt daher nicht, dass die gemischte Form in den letzten 30 Jahren bei Kantonalbanken immer beliebter wird. Die zugerische Variante dieses Systems, bei der sich der Kanton und die Privataktionäre als gleichberechtigte Partner eines Gesellschaftsvertrages auf Augenhöhe begegnen, ist allerdings einmalig. Bei den anderen Kantonalbanken mit Privatbeteiligung, sind die Privaten eigentlich nur Kapitalgeber, die ent- weder über kein Stimmrecht verfügen oder vom Kanton an der Generalversammlung in den meisten Fällen überstimmt werden können. Im zweiten Spannungsfeld der gegensätzlichen Interessen zwischen Anlegern, Kredit- nehmern und Aktionären kann sich eine Bank nur erfolgreich bewegen, wenn sie nicht das Interesse einer dieser Anspruchsgruppen bevorzugt. Auch das ist nicht immer einfach. Die Zu- ger Kantonalbank hat zum einen den gesetzlichen Leistungsauftrag zu erfüllen, zum andern kann aber auch sie sich den Kräften des Marktes nicht entziehen. In den letzten 125 Jahren hat die Bank die anspruchsvolle Balance zwischen gesetzlich eingefordertem Allgemeinwohl und adäquater Rendite des investierten Kapitals erfolgreich gehalten. Die solide Verankerung der Zuger Kantonalbank bei Kunden und Aktionären, ihre aktuelle betriebswirtschaftliche Verfassung und die von ihr verfolgte Strategie lassen zuversichtlich hoffen, dass ihr das auch in Zukunft gelingen wird.

216 Exkurse 18 bis 20

Die Zuger Kantonalbank stand mit Rat und Tat und finanziellem Entgegenkom- men zur Seite, als der EVZ in wirtschaft- liche Schräglage geraten war.

18. 50 Jahre E-V-Z-K-B S. 218

Volkstheater unter freiem Himmel ge- hörte neben der Kirchenmusik zu den raren Höhepunkten des Zuger «Kultur- lebens».

19. Auf dem Weg zum kulturellen Engagement S. 220

Der Zugersee ohne Dampfer? Das konnten sich die Einheimischen nicht vorstellen. 1897 wurde deshalb eine neue AG gegründet.

20. Mit Volldampf voraus S. 222 Exkurs 18 50 Jahre E-V-Z-K-B

Die Geschichte des Zuger Eishockeys beginnt in den welche die Anfänge der EVZ-Erfolgsgeschichte prägte. Ueli 1930er-Jahren in Baar. Der im Winter zugefrorene Lät- und Oskar auf dem Eis, Engelbert als Drahtzieher hinter den tich-Weiher lieferte der Brauerei das nötige Eis für die Kulissen. «EV Huber Zug» titelte die Schweizer Illustrierte, als Bierkühlung und den Eishockeypionieren von damals die nationalen Medien Anfang der 1970er-Jahre erstmals die Unterlage für ihre sportliche Freizeitbeschäftigung. auf den aufstrebenden Klub aus der Innerschweiz aufmerk- 1967 ist das Geburtsjahr des Eissportvereins Zug und sam wurden. Die Budgets waren zu jener Zeit noch über- der Zuger Kunsteisbahn. Die Zuger Kantonalbank und schaubar und konnten ohne grosse Sponsoren finanziert einige ihrer Exponenten haben die Entwicklung des werden. Im EV Huber Zug übernahm Patron Albert Huber die EVZ massgeblich beeinflusst. Text: Eugen Thalmann Rolle der Bank. Er überwies jeweils pro Saison 100 000 Fran- ken auf ein Kantonalbankkonto – als Darlehen natürlich, das Die gemeinsame Geschichte der Bank und des Eissportver- in der Regel auch zurückbezahlt wurde. Um die 7000 Fran- eins begann schon zehn Jahre vor der Gründung des EVZ. ken für Spielertrainer Walter Wipf aufzubringen, hatte der Die drei Banker Werner Camenzind, Jost Grob und Richard 22-jährige «TK-Chef» Engi Huber 1968 sogar sein persön- Hager bildeten am 12. Februar 1957 das Initiativkomitee für liches Sparkonto leergeräumt. Es war der erste einer Reihe den Bau einer Kunsteisbahn in der Stadt Zug und wurden von spektakulären Transfers (Stuppan, Rigolet, Probst, Jenni, damit zu Geburtshelfern der KEB und des EVZ. Jost Grob, Peltonen), dank denen der EVZ in den Siebzigerjahren immer der spätere Direktionspräsident der Zuger Kantonalbank, erfolgreicher und im März 1976 gefeierter NLA-Klub wurde. übernahm auch den Vorsitz der Gründungsversammlung der Zuger Kunsteisbahn AG (KEB) vom 24. Oktober 1966 Erst Absturz, dann Meisterschaft im Casino. Nach den fetten Jahren kamen die mageren. Sie begannen Damit war klar, dass der 1953 gegründete und – wenn 1977 mit dem unerwarteten Wiederabstieg in die NLB, das es genügend kalt war – auf dem gefrorenen Weiher im Lät- Ende mit Schrecken war der Absturz in die 1. Liga 1982. Die tich spielende Baarer Schlittschuhclub seinen Plan umsetzen neue Führungscrew um Kantonsspital-Chefarzt Georg Kei- konnte, den er schon länger im Kopf hatte: nach Zug umzu- ser, die den sportlich und finanziell angeschlagenen Verein ziehen und dort unter dem Namen Eissportverein Zug oder ein Jahr zuvor an einer ausserordentlichen GV übernommen einfach EVZ in einem Stadion zu spielen, das diesen Namen hatte, konnte wenigstens den Konkurs verhindern und in der auch verdiente. Zuvor musste der Drittliga-Klub seine Heim- Bevölkerung etwas vom verlorenen Goodwill zurückgewin- spiele bei zu warmer Witterung verschieben oder in die nen. Dem Neustart in der ersten Liga mit einem Budget von Halle nach Rapperswil ausweichen. einer halben Million Franken folgte nur ein Jahr später der Am 5. März 1967 fand im Hotel Lindenhof in Baar die Wiederaufstieg in die Nationalliga B. Und nach weiteren EVZ-Gründungsversammlung statt, am 25./26. November vier Jahren, am 2. März 1987, war der Wiederaufstieg in die 1967 wurde die Zuger Kunsteisbahn eröffnet. 3500 Fans NLA perfekt. Seither spielt der EVZ ununterbrochen in der feierten am Eröffnungsturnier die Siege des verstärkten EVZ höchsten Liga, als jüngster NLA-Klub notabene. gegen Arosa und den SC Bern – die einheimische Bevölke- Mediziner Georg Keiser hatte den EVZ aus dem Kran- rung war vom ersten Tag an mit dem Eishockeyvirus infiziert! kenstand befreit, sein Nachfolger, Macher, Manager und Die Zuger Kantonalbank war schon damals die Haus- Rohstoffhändler Fredy Egli, führte die Zuger mit konsequen- bank des EVZ – und auch der Garagisten-Familie Huber, ter Hand ganz nach oben. Nach zwei Finalniederlagen

218 vestitionen für Infrastruktur und Administration in der Grössenordnung von rund 6 Mio. Franken verbunden war. Roland Staerkle, nach Georg Keiser, Fredy Egli und Engelbert Huber in- zwischen der vierte Ehren- präsident in der Vereins- geschichte, sprach am 19. August 2008 von einem Geschenk des Himmels. Zuvor hatte er vor versam- melter Presse die frohe Bot- schaft verkündet: Die Zuger Kantonalbank schenkte dem EVZ einen A-fonds- Als Generalsponsorin ist die Zuger Kantonalbank auch prominent auf den Trikots des EVZ zu finden. perdu-Beitrag von 3 Mio. Franken und unterschrieb 1995 und 1997 feierte der EVZ mit Trainer Sean Simpson gleichzeitig einen Vertrag als neue Generalsponsorin bis am 11. April 1998 mit einem 5:2-Sieg in Davos den grössten 2015! Die nachhaltige Unterstützung des EVZ als Aushänge- Erfolg in seiner 50-jährigen Geschichte: den bisher einzigen schild für Spitzensport und Jugendförderung gehöre zu den Schweizermeistertitel. Aus dem Provinzklub von einst war im Firmenleitbild definierten Zielen, erklärte der damalige längst ein etablierter Spitzenklub geworden. Mit professio- Präsident der Geschäftsleitung, Toni Luginbühl. neller Infrastruktur, mit einem Millionenbudget, mit starken Roland Staerkle und der heutige CEO Pascal Niquille Sponsoring-Partnern wie der Zuger Kantonalbank, die in gaben am 12. September 2014 mit einer Puck-Übergabe in der Meistersaison 1997/1998 neu in den Rang eines Haupt- der ausverkauften Bossard Arena symbolträchtig die Ver- sponsors aufgestiegen war. längerung der Zusammenarbeit bis mindestens 2020 be- kannt. So kann auch die aktuelle EVZ-Führung um Präsident Ein willkommener «Check» Hans-Peter Strebel (seit 2015) und CEO Patrick Lengwiler auf Kein Unternehmen hat den EVZ länger und grosszügiger die emotionale Partnerschaft mit der Bank zählen, die weit unterstützt als die Zuger Kantonalbank. Sie stand mit Rat übers Sponsoring hinausgeht. Seit der Gründung des Ver- und Tat und finanziellem Entgegenkommen zur Seite, als der eins sind Exponenten der Zuger Kantonalbank mit dem EVZ EVZ in wirtschaftliche Schräglage geraten war, wie zu Be- verbunden. Als Gönner, als Fans, als freiwillige Helfer. Da ginn der 1980er- und der 2000er-Jahre. Doch nie war der wird nicht nur Geld, sondern viel Herzblut investiert – für Support grösser und wichtiger als beim Bau der im August den Spitzensport und vor allem auch für den Nachwuchs. 2010 eröffneten Bossard Arena, der für den EVZ mit Eigenin- Hopp E-V-Z-K-B!

219 Exkurs 19 Auf dem Weg zum kulturellen Engagement

Nach zarten Anfängen sorgten einige einflussreiche konnten ihre kulturellen Tätigkeiten aus dem Vermögen der Familien im Zuge der Aufklärung für eine Belebung Familie finanzieren. Dies galt auch für den «Kulturschaffen- der kulturellen Aktivitäten in Zug. Insbesondere die den» Karl Kaspar Kolin, den Sohn des Politikers und späte- Familie Bossard engagierte sich für die Theater- und ren Priesters Leodegar Anton Kolin. 1756 gründete er mit Musikgesellschaft Zug und beförderte schliesslich auch seinem Bruder Franz Anton Leodegar und Karl Franz Roos die enge Verbindung zur Zuger Kantonalbank. ein Seidenhandelsgeschäft in Zug. Nach schwierigen An- Text: Christian Raschle fangsjahren warf das Unternehmen Gewinn ab, was Kolin erlaubte, sich vermehrt seinen Neigungen und Interessen Das «Kulturleben» von Zug im Mittelalter gründete vornehm- zu widmen. Als Mitglied der überkonfessionellen «Helve- lich auf den von den Klöstern ausgehenden gregorianischen tischen Gesellschaft» pflegte er Kontakte zur geistigen Gesängen und den weltlich orientierten Minnesängern, die Elite der untergehenden Eidgenossenschaft. 1785/1786 mit Musik, Tanz, «Gauklerspielen» und Lesungen zu unter- publizierte er auf eigene Kosten das erste Zuger Neujahrs- halten wussten. blatt. Musik und Theater bedeuteten ihm ebenfalls sehr In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts schuf der in viel, er spielte selbst Violine. 1783 gehörte er deshalb zu Zug wirkende Johannes Mahler mit geistlichen Spielen zu den Initianten, die unweit seines Wohnhauses, am heuti- St. Oswald, St. Stanislaus und Bruder Klaus eine Verbin- gen Stadtstandort der Zuger Polizei am Kolinplatz, in der dung zwischen der geistlichen und weltlichen Kultur. Die- Alten Metzg, einen Theaterraum einrichteten. Karl Kaspar se Werke entstanden im Licht der Gegenreformation. Nur Kolin förderte die Aufführung verschiedener Theaterstü- wenige Jahrzehnte später veröffentlichte Johann Caspar cke und spielte in einigen Werken selbst die Hauptrolle. Weissenbach (1633 – 1678) mehrere lyrische und dramati- Im militärischen Drama «Graf von Waltron» des deutschen sche Werke, in denen sich seine jesuitische Grundbildung Schauspielers und Schriftstellers Heinrich Ferdinand Möller und das barocke Zeitverständnis widerspiegelten. Am meis- spielte er nicht nur bei den beiden Aufführungen in Zug im ten Beachtung fand das «Eidgenössische Contrafeth», ein Januar 1783 die Titelfigur, sondern veranlasste auf eigene Monumentalwerk über die wechselvolle Geschichte des Kosten den Druck eines Programmheftes. Für feierliche Mu- eidgenössischen Bundes. Das aufwendige Stück wurde am sik in den Kirchen St. Michael und St. Oswald beschaffte 14./15. September 1672 auf einer Bühne auf dem Ochsen- und finanzierte er zudem Musikalien. platz aufgeführt. Der Stadtrat sei von der Aufführung derart begeistert gewesen, dass er den Verfasser mit einer Ehren- Die Nachkommen Kolins tragen das Erbe weiter gabe von 50 Louis d'or beschenkt habe. Von 1485 bis 1782 1801 starb Karl Kaspar Kolin in Zug. Das von ihm aufgebau- wurden in der Stadt Zug mindestens 17 religiös inspirierte te Seidenhandelsgeschäft (später: Eisenhandel) wurde von Sing- und Schauspiele aufgeführt. seinem Schwiegersohn Franz Kaspar Bossard und dessen Partner Franz Moos weitergeführt. 1808/09 gehörten beide Frühe Spuren des Mäzenatentums in Zug zu den Gründern der Theater- und Musikgesellschaft Zug Im ausgehenden Barockzeitalter wurden die Einflüsse der (TMGZ). Franz Moos wurde erster Präsident der neuen Ver- von Frankreich ausgehenden Aufklärung auch in Zug spür- einigung. Aus den nachfolgenden Generationen der Familie barer. Vertreter bedeutender Zuger Familien, wie Kolin, Bossard war stets ein Mitglied in der TMGZ vertreten, man- Zurlauben und Landtwing, betätigten sich literarisch. Sie che übernahmen in diesem Verein leitende Stellungen.

220 Eine engere Verbindung zwischen der Kantonal- bank und der theater- und musikaffinen Familie Boss- ard ergab sich 1919, als Carl Bossard-Scherer, von 1899 bis 1932 Präsident der TMGZ, in den Bankrat der Zuger Kantonalbank ge- wählt wurde. Sein Sohn Carl gehörte dem Vorstand der TMGZ von 1948 bis zu sei- nem Tod 1968 an und wirkte viele Jahre als Programm- chef. Dr. Jost Grob-Bossard Bühnenbild von Johann Caspar Weissenbachs barockem Drama «Contrafeth auff- & abnehmender trat 1962 auf Anfrage seines Jungfrauen Helvetiae», das 1672 in Zug an zwei Tagen vor über 3000 Zuschauern aufgeführt wurde. Verwandten Carl Bossard (Reprint aus der Druckausgabe von 1673) in den Vorstand der TMGZ ein. Als Kassier zeigte er sich Ungeachtet verschiedener Rückschläge entwickelte sich dafür verantwortlich, dass das Rechnungswesen der TMGZ die Theater- und Musikgesellschaft positiv und präsentier- 1967 auf eine neue Basis gestellt wurde. Nach seiner Wahl te der Zuger Bevölkerung regelmässig eigene Programme. zum Direktionspräsidenten der Zuger Kantonalbank ver- Es gehört zum Selbstverständnis der Vereinigung, dass von stärkte Jost Grob das finanzielle Engagement zugunsten der Anfang an Frauen geschlechterspezifische Rollen spielten, TMGZ, nachdem er 1975 das Präsidium der Gesellschaft wenn auch mehrmals von Seite katholischer Priester diese übernommen hatte. Sein Nachfolger wurde ein weiterer Di- Haltung gerügt wurde. Die Motivation der theaterspiel- rektionspräsident der Zuger Kantonalbank: Ab 2001 stand enden Zuger widerspiegelt sich darin, dass man mitten in Toni Luginbühl an der Spitze der TMGZ. 2008 übernahm der politisch ungewissen Zeit von Spannungen zwischen Daniela Hausheer-Unternährer, das erste weibliche Mit- konservativen und liberalen Bevölkerungsteilen ein eigenes glied der Kantonalbank-Geschäftsleitung, das Präsidium, Haus für das städtische Theater erbaute. Das Theater am das sie bis 2013 führte. Postplatz wurde am Neujahrstag 1843 eröffnet. 1904 verbot Das persönliche Engagement gewichtiger Exponenten der Stadtrat von Zug als Folge des baulich schlechten Zu- der Zuger Kantonalbank für die TMGZ war stets auch be- stands des Gebäudes die weitere Verwendung. 1907 legten gleitet von einem finanziellen Engagement der Bank. Die die beiden Zuger Architekten Dagobert Keiser und Richard langjährige Verbundenheit führte schliesslich dazu, dass die Bracher die Pläne vor, die 1909 in der Eröffnung des Thea- Zuger Kantonalbank seit vielen Jahren als exklusive Haupt- ter Casino an der Artherstrasse gipfelten. 1981 wurde das sponsorin der TMGZ auftritt und so das Kulturleben des Stammhaus durch einen Anbau ergänzt und erweitert. Kantons massgeblich unterstützt.

221 Exkurs 20 Mit Volldampf voraus

Eine Schifffahrt auf dem Zugersee ist wie Ferien. Die noch mehr Leute an und auf den Zugersee, und so war die Heimat aus neuer Perspektive betrachtend, lässt sich Inbetriebnahme des zweiten Raddampfers Stadt Zug schon der Fahrgast über das Wasser gleiten, verbunden mit bald unumgänglich. einer erholsamen Auszeit, einem kulinarischen Ausflug 1875 sorgte die neu eröffnete Arth-Rigi-Bahn für einen oder einer geschäftlichen Besprechung. Auswärtige weiteren Höhepunkt in der Geschichte der Zugersee-Schiff- Gäste sind immer wieder erstaunt über die landschaft- fahrt. Die Rigi-Bahnen bestellten dazu ein eigenes Schiff liche Schönheit und die abwechslungsreichen Ausbli- und den Zugern gelang es, noch während des Baus auch cke. Die Zuger Kantonalbank engagierte sich nachhal- diese Einheit in ihre Flotte aufzunehmen. 1876 nahm dieser tig für die Zugersee-Schifffahrt; sie unterstützte den Zweideck-Raddampfer Helvetia seinen Betrieb auf. Er war Bau der Schiffe Rigi, Schwyz und Zug seit 1991 mit der einzige Salonraddampfer in der Geschichte des Zuger- namhaften Finanzbeiträgen. Text: Heinz Amstad sees. Bis zu drei Dampfschiffe standen jetzt im Einsatz, um den unbändigen Boom der Rigi-Reisenden aufzunehmen. Der Zugersee ist lieblich eingebettet zwischen Mittelland und Voralpen, getrennt durch die Halbinsel Chiemen. Mit Die Eisenbahn als Konkurrenz seiner Fläche von rund 38 km2 zählt er zu den zehn grössten Die Eröffnung der Gotthardbahn Basel–Luzern–Arth- Schweizer Seen. In der Geschichte der Zugersee-Schifffahrt Goldau–Mailand brachte 1882 einen Frequenzeinbruch, wird immer wieder um passende Angebote und um Finan- denn die Gäste wählten fortan den schnelleren Weg oh- zen gerungen, heute wie vor 165 Jahren. Gesellschaftliche ne Schiffspassage, um auf die Rigi zu gelangen. Das Geld Rahmenbedingungen ändern sich und haben einen starken ging aus, und DS Rigi wurde ausrangiert. Am 23. März Einfluss auf die Schifffahrt. Sich in diesem stetig wechseln- 1884, nach 33 Jahren, wurde die Gesellschaft liquidiert den Umfeld zu behaupten, hat die Zugersee-Schifffahrt seit und die zwei verbleibenden Schiffe, die Landungsbrücken jeher herausgefordert. Allen Schwierigkeiten zum Trotz: Die und Materialvorräte wurden an die Dampfschifffahrts- Zuger Bevölkerung liebt ihren Zugersee und die Schiffe. gesellschaft Vierwaldstättersee (DGV) verkauft. Trotz einer bisher nicht erreichten Beliebtheit mit einer Jahresfrequenz Der Anfang der Dampfschifffahrt von 87 600 Fahrgästen gab die DGV den Betrieb 1896 auf. Nachdem 1835 und 1837 auf den Seen von Zürich und Sie befürchtete, dass die bevorstehende Eröffnung des Luzern die Dampfschifffahrt Einzug gehalten hatte, regte Gotthardbahnzubringers Zürich–Arth-Goldau die Schiff- 1851 der Stadtrat von Zug die Gründung einer Aktienge- fahrt endgültig unrentabel machen würde. Das beste Schiff, sellschaft zum Betrieb eines Dampfschifffahrtsunterneh- die Helvetia, dislozierte nach Luzern, wo es unter dem Na- mens an und übernahm auch gleich 52 Prozent des Aktien- men Winkelried bis 1955 weiterfuhr. kapitals. Bereits im ersten Betriebsjahr transportierte der Der Zugersee ohne Dampfer? Das konnten sich die Ein- Glattdeckdampfer Rigi ab dem 13. Juni 1852 über 21 400 heimischen nicht vorstellen. Am 18. Mai 1897 wurde des- Personen. Das erste Morgenschiff verliess Zug um 5.45 Uhr. halb die Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Zugersee Drei Stunden davor hatte die Arbeit des Heizers begonnen, AG gegründet. Sie kaufte von der DGV das übrig gebliebe- damit beim Start genug Druck im Kessel war. Die Eröffnung ne Schiff Stadt Zug zurück. 1904 ermöglichte eine Erhöhung der Bahnlinie Zürich–Luzern zusammen mit der Fertigstel- des Aktienkapitals – mit Überzeichnung – die Anschaffung lung des ersten Zuger Bahnhofs am 1. Juni 1864 brachte des Schraubendampfers Rigi (II). Ein Jahr darauf fand der

222 Die Bordgastronomie konnte nun ausgebaut werden, und die Fre- quenzen verdoppelten sich innerhalb von le- diglich zwei Jahren. Die Schiffe waren aber laut und wiesen einen billigen Ausbaustandard auf. Die Idee zum Bau eines komfortableren Schiffes entstand – wie so vieles im Zuger Gesellschafts- leben – am Stierenmarkt, und zwar 1985, als der VR-Präsident der Schiff- fahrtsgesellschaft Alois Der Schraubendampfer Rigi am Landungssteg in Immensee, 1916. Hürlimann mit Erich Kalt, Bankpräsident der Zuger letzte Raddampfer des Zugersees, die «Stadt Zug», auf dem Kantonalbank, und Direktionspräsident Jost Grob unter der Schrottplatz sein Ende. Bedingung, bessere Schiffe zu erhalten, ein zukünftiges Engagement der Zuger Kantonalbank beschlossen. Ein Di- Volksabstimmung für neue Schiffe rektionswechsel bei der ZVB ermöglichte 1989 schliesslich Während des Ersten Weltkrieges fuhr die «Rigi» wegen Koh- die Umsetzung der Pläne, die Flotte um ein drittes Schiff lenmangels nur an den Sonntagen. Gegenüber der Absicht, zu erweitern. Und so fährt seit 1992 die «Rigi» (III) auf dem das 1921 erworbene MS Schwan und die beliebte «Rigi» Zugersee. nach vielen Betriebsjahren durch zwei neue Schiffe zu er- Die notwendig gewordene Kapazitätserweiterung führ- setzen, gab es 1975 Opposition. Einige Zuger wollten die te 1997 zum Kauf der «Schwyz» (II). Die alte «Schwyz» wur- «Rigi» erhalten, indem sie die Neubauten zu verhindern de zum Schul- und Lagerschiff Yellow umgebaut. 2001 bot suchten. Sie engagierten sich mit einem Referendum gegen sich die Möglichkeit für den Erwerb eines Nostalgieschiffes: den Kantonsratsbeschluss, zwei neue Schiffe zu finanzieren. Das Brienzersee-Schiff Harder kam nach seiner Ausran- Diesen intensiv geführten Abstimmungskampf («Schlacht um gierung auf den Zugersee und wurde zur «Schwan» (II). den Zugersee») gewannen die Befürworter der neuen Schif- Nach bloss 25 Jahren verschwand auch das zweite 1978er- fe. Am 12. Mai 1978 kam die «Schwyz» und am 19. August Schiff vom See, die «Zug». Das neue Schiff gleichen Namens desselben Jahres die «Zug» in Betrieb. Die «Schwan» wurde überzeugt seit 2003 mit seiner schönen Ausstattung und nach Frankreich verkauft, die formschöne «Rigi» am 21. März seiner Laufruhe. Manfred Hubers Gestaltung gewann den 1979 unter Protest abgewrackt. international begehrten «iF design award».

223 Anhang

Bankpräsidenten der Zuger Kantonalbank

1892 – 1930 1930 – 1941 1941 – 1954 1954 – 1965 Josef Hildebrand Dr. Alois Müller Carl Oesch-Weiss Dr. Rudolf Schmid Ständerat, Zug Ständerat, Baar Kaufmann, Zug Regierungsrat, Baar K K P K/P

1965 – 1971 1971 – 1975 1975 – 1979 1979 – 1993 Dr. Augustin Lusser Konrad Hess Bonaventura Iten Dr. Erich Kalt Ständerat, Zug Landwirt, Zug Regierungsrat, Unterägeri Buchdrucker, Zug K K K P

224 1993 – 2001 2001 – 2005 2005 – 2010 2010 – heute Josef Auf der Maur Walter Weber Prof. Dr. Beat Bernet Bruno Bonati lic. oec., Baar lic. iur., Rechtsanwalt, Zug Universitätsprofessor, lic. oec., Unternehmens- P P St. Gallen berater, Zug K P

K = Kantonsvertreter P = Vertreter der Privataktionäre

225 Anhang

Direktoren* der Zuger Kantonalbank

1892 – 1920 1920 – 1931 1931 – 1945 1946 – 1963 Severin Koch-Hess Eugen Rimli Josef Iten-Kerckhoffs Emil Gut

1963 – 1979 1979 – 1993 1993 – 1999 1999 – 2009 Josef Iten-Ziegler Dr. Jost Grob Dr. Roland Oswald Toni Luginbühl

2009 – heute *spätere Bezeichnungen: Pascal Niquille Direktionspräsident, Präsident der Geschäftsleitung

226 227 Anhang

Entwicklung Filialnetz

1892

Steinhausen Neuheim Baar Cham Hünenberg Menzingen Zug ugersee

Oberägeri Risch Unterägeri gerisee

Walchwil

1937

Steinhausen Neuheim BaarBaar Cham Hünenberg Menzingen Zug ugersee Allenwinden

Oberägeri Rotkreuz Unterägeri gerisee

Walchwil

Hauptsitz Filiale Agentur Einnehmerei Geschäftsstelle

228 1983

Steinhausen Neuheim Baar Cham Hünenberg Menzingen Zug ugersee Allenwinden Oberwil Oberägeri Rotkreuz Unterägeri gerisee

Walchwil

2016

Steinhausen Neuheim Baar Cham Hünenberg Menzingen Zug ugersee

Oberägeri Rotkreuz Unterägeri gerisee

Walchwil

Marktregionen (gebildet 1999): Zug Berg Lorze Ennetsee

229 Anhang

Quellen/Literatur

Haupttext Cassis, Youssef; Tanner, Jakob (Hg.): Banken und Kredit in der Schweiz (1850–1930), Zürich 1993. Quellen Die Schweizerische Nationalbank 1907–2007, Schweizeri- Archiv der Zuger Kantonalbank sche Nationalbank (Hg.), Zürich 2007. Bibliothek Zug Egli, Karl: Schweizer Heereskunde, 2. Auflage, Zürich 1916. Staatsarchiv des Kantons Zug Halbeisen, Patrick; Müller, Margrit; Veyrassat, Béatrice: Stadtarchiv Zug Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert, Privatarchiv Annelies Wiederkehr-Meier, Zug Basel 2012. Privatarchiv Wiederkehr Krummenacher Architektur AG, Zug Hartmann, Alfred: Der Konkurrenzkampf zwischen den Handelsregister des Kantons Zug schweizerischen Grossbanken und Kantonalbanken, Zü- Fachstelle Statistik des Kantons Zug rich 1947. Strassenverkehrsamt des Kantons Zug Matter, Albert: Denkschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken 1907–1957, Literatur Basel 1957. Zuger Kantonalbank Müller, Andrew P.: Von der «Ersparniskasse» zur «Bank in Die Zuger Kantonalbank und die Region Ennetsee, Zuger Zug», in: Zuger Neujahrsblatt 1998, S. 77–81. Kantonalbank (Hg.), Zug 1979. Strasser, Othmar: Artikel 3a, in: Rolf Watter et al. (Hg.): Bas- Grob, Jost: Zum Abschied von Herrn Direktionspräsident ler Kommentar Bankengesetz, Basel 2005. Josef Iten, Zug 1979. Verband Schweizerischer Kantonalbanken 1907–2007, Ver- Grob, Jost: 100 Jahre Zuger Kantonalbank 1892–1992. Im band Schweizerischer Kantonalbanken (Hg.), Basel 2007. Dienste der Zuger Volkswirtschaft, Zug 1992. Wetter, Ernst: Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Grob, Jost: 100 Jahre Zuger Kantonalbank, in: Zuger Neu- Jahre in der Schweiz, Zürich 1918. jahrsblatt 1993, S. 152–153 Wiget, Josef: Die SKA Schwyz und ihre Vorgeschichte. Von Iten, Josef: 75 Jahre Zuger Kantonalbank 1892–1967, in: 75. aristokratischen Banquiers und wirtschaftlicher Verant- Geschäftsbericht der Zuger Kantonalbank 1966, S. 47–57. wortung, Schwyz 1993. Jubiläumsfeier 75 Jahre Zuger Kantonalbank, Zuger Kanto- Wipf, Matthias: Bedrohte Grenzregion. Die schweizerische nalbank (Hg.), Zug 1967. Evakuationspolitik 1938–1945 am Beispiel von Schaffhau- Zumbach, Ernst; Pfluger, Franz; Iten, Josef: Zuger Kantonal- sen, Zürich 2005. bank, Denkschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum 1891– ZG – Ein Heimatbuch, Direktion für Bildung und Kultur des 1941, Zug 1942. Kantons Zug (Hg.), Zug 1999. Zug erkunden. Bildessays und historische Beiträge zu 16 weitere Literatur Zuger Schauplätzen, Staatsarchiv Zug (Hg.), Zug 2002. Beeli, Hans: Das öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmen am Beispiel der Luzerner und Zuger Kanto- nalbank, Luzern 1989. Bergier, Jean-François: 200 Jahre Zuger Wirtschaft, in: Zu- ger Neujahrsblatt 1992, S. 21–38. Brandenberg, Rolf: Die Wirtschafts- und Bevölkerungsent- wicklung des Kantons Zug 1850–1960, Zürich 1969.

230 Exkurse (ausgewählte Quellen und Literatur) Kamm-Kyburz, Christine: Zug. Architektur und Städtebau Exkurs 1 1850–1920, Bern 2004 (Sonderpublikation aus INSA- Hartmann, Alfred: Der Konkurrenzkampf zwischen den Bd. 10). schweizerischen Grossbanken und Kantonalbanken, Zü- rich 1947. Exkurs 5 Matter, Alfred: Denkschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Kurz, Hermann: Die Schweizer Effektenbörsen, Zürich 1931. Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken 1907–1957, Lüscher-Burckhardt, Rudolf: Die Schweizerischen Börsen, Basel 1957. Zürich 1914. Wolf, Julius: Börsenreform in der Schweiz, Zürich 1895. Exkurs 2 Handelsregister des Kantons Zug (StAZG, G 616). Exkurs 6 Statistiken zu den schweizerischen Sparkassen 1852–1882, Akten Zugerland Verkehrsbetriebe und Elektrische Strassen- Schweizerische Statistik, 6., 21. und 74. Lieferung, Bern bahnen im Kt. Zug (StAZG P 124). 1864, 1875 und 1889. Civelli, Ignaz: «Die bessere Verbindung von Berg und Thal». Statuten der Ersparniskasse im Kanton Zug und anderer Zur Geschichte der Verkehrsplanung und -erschliessung Banken und Sparkassen. der Zuger Bergregion. Zug 1987 (Beiträge zur Zuger Ge- Zumbach, Ernst; Pfluger, Franz; Iten, Josef: Zuger Kantonal- schichte, Bd. 7). bank. Denkschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum 1891– Etter, Philipp; Zürcher, Albert: Festschrift zur Eröffnung der 1941. Zug 1942 (insbesondere S. 13–17). Elektrischen Strassenbahnen im Kanton Zug. Zug 1913. Geschäftsberichte der Zuger Kantonalbank 1913–1955. Exkurs 3 Baltensberger, Ernst: Der Schweizer Franken. Eine Erfolgsge- Exkurs 7 schichte. Die Währung der Schweiz im 19. und 20. Jahr- Leutenegger, Hajo: 1892–1992. 100 Jahre Aktiengesell- hundert, 3. überarb. Aufl., Zürich 2016. schaft Wasserwerke Zug, Zug 1992. Richter, Jürg; Kunzmann, Ruedi: Die Banknoten der Schweiz, Utinger, Albert: Festschrift zum 50. Jahrestage der Eröffnung Regenstauf 2003. der Wasserversorgung in Zug 1878–1928, Zug 1929. Völlmy, Hans-Ulrich: Zur Geschichte des schweizerischen Wissler, Albert: Die Organisationsformen der öffentlichen Papiergelds, Basel 1967. Unternehmungen in der Schweiz, in: Moderne Organisa- tionsformen der öffentlichen Unternehmung (Dritter Teil: Exkurs 4 Ausland), Julius Landmann (Hg.), München und Leipzig Birchler, Linus: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, 2. 1931, S. 95–141. Halbband, Die Kunstdenkmäler von Zug-Stadt, Basel 1935. Exkurs 8 Hoppe, Peter: Der Rat der Stadt Zug im 18. Jahrhundert in Archiv der Schweizerischen Nationalbank: Bankrat-, Bank- seiner personellen Zusammensetzung und sozialen Struk- ausschuss- und Direktoriumsprotokolle und Dossier tur, in: Tugium 11/1995, S. 97–129. 7.3/7091: Verteidigungsfall, Organisation, I. Weltkrieg. Iten, Albert; Meyer, Wilhelm Joseph; Zumbach, Ernst: Wap- Guex, Sébastien: La politique monétaire et financière de la penbuch des Kantons Zug, Zug 1938. Confédération suisse 1900–1920, Lausanne 1993.

231 Anhang

Roberts, Richard: Saving the City. The Great Financial Crisis Erhalten und Gestalten. 100 Jahre Schweizer Heimatschutz, of 1914, Oxford 2013. Madlaina Bundi (Hg.), Baden 2005. Ruoss, Eveline: Die Geldpolitik der Schweizerischen Natio- Kurz, Daniel: Die Disziplinierung der Stadt. Moderner nalbank 1907–1929. Grundlagen, Ziele und Instrumente, Städtebau in Zürich 1900–1940, Zürich 2008. Zürich 1992. Zuger Bautenführer 1902–2012, Bauforum Zug (Hg.), Luzern 2013. Exkurs 9 Diverse Unterlagen zum Asyl Baar (Archiv der Bürgerge- Exkurs 13 meinde Baar). Der erste Bankomat in der Schweiz, Bericht im Schweizer Glauser, Thomas: Gelebte Fürsorge. Der Bau des Bürger- Fernsehen am 1. November 1967 in der Sendung «Anten- asyls. In: Bürger Buch Baar, Bürgergemeinde Baar (Hg.), ne» (greifbar unter: https://youtu.be/QYfBczC1FrU). Baar 2011, S. 42–51. Hanke, Fritz: Die Entwicklung des landesweiten Geldaus- Hotz, Franz: Das Krankenasyl Baar, Baar 1956. gabeautomaten-Systems der Schweiz, in: Bank und Wyss, Josef: Vom Krankenasyl zum Spital- und Pflegezent- Markt, Heft 1 (1982), S. 22–25. rum Baar. Festschrift zur Einweihung des Spital- und Pfle- SIX Card Solutions: 35 Jahre Bancomat – Geldausga- gezentrums Baar 29. Oktober 1977, Zug 1977. beautomaten sind aus dem Alltag nicht mehr weg- zudenken (erschienen online am 11.12.2003 unter: Exkurs 10 www.presseportal.ch/de/pm/100005099/100470130). Alt Landammann Otto Henggeler in Unterägeri, in: Zuger Volksblatt, 5. Januar 1948. Exkurs 14 Morosoli, Renato; Sablonier, Roger; Furrer, Benno: Ägerital Casey, Michael; Vigna, Paul: Cryptocurrency. Wie virtuelles – seine Geschichte, Baar 2003. Geld unsere Gesellschaft verändert, München 2015. Otto Henggeler. Nachruf, in: Zuger Nachrichten, 2.1.1948. Mayer, Thomas: Die neue Ordnung des Geldes, München Van Orsouw, Michael: Das vermeintliche Paradies. Eine his- 2014. torische Analyse der Anziehungskraft der Zuger Steuer- Mischel, Walter: The Marshmallow Test. Why Self-Control gesetze, Zürich 1995. Is the Engine of Success, New York 2015. Nash, John: Ideal Money, in: Southern Economic Journal, E xk urs 11 Nr. 69(1), 2002, S. 4–11. Brunner, Josef; Hafner, Leo: Das neue Kantonalbankgebäu- de, in: Zuger Neujahrsblatt 1959, S. 63–69. Exkurs 15 Kamm-Kyburz, Christine: Zug. Architektur und Städtebau Kantonaler Richtplan. Das Herz der schweizerischen Raum- 1850–1920, Bern 2004 (Sonderpublikation aus INSA- planung, Schweizerische Kantonsplanerkonferenz (Hg.), Bd. 10). Bern 2016. Zuger Bautenführer 1902–2012, Bauforum Zug (Hg.), Luzern Raumordnungskonzept des Kantons Zug, Hg. Baudirektion 2013. des Kantons Zug, Zug 2001. Zuger Bautenführer 1902–2012, Bauforum Zug (Hg.), Luzern Exkurs 12 2013. Bau- und Wohnungswesen 2014, Bundesamt für Statistik Zuger Landschaften, Zürich 2015 (Themenheft von Hochpar- (Hg.), Neuchâtel 2016. terre).

232 Exkurs 16 Exkurs 20 Ammann, Daniel: King of Oil. Marc Rich. Vom mächtigsten Amstad, Heinz: Neues Flaggschiff für den Zugersee, in: Rohstoffhändler der Welt zum Gejagten der USA, Zürich Dampferzeitung 3/2003, S. 12–17. 2010. Oswald, Gerhard: Es begann mit einer Pioniertat. 100 Jahre Copetas, Craig A.: Marc Rich – Handelsgenie oder Geset- öffentlicher Agglomerationsverkehr im Kanton Zug, Zug zesbrecher? Eine unerwünschte Biographie, Zürich 1986. 2004. Kamm-Kyburz, Christine: Zug. Architektur und Städtebau Räber, Anton: 125 Jahre Dampfschiffahrt. 80 Jahre Schiff- 1850–1920, Bern 2004 (Sonderpublikation aus INSA- fahrtsgesellschaft auf dem Zugersee, in: Dampferzeitung Bd. 10). 1/1977, S. 11–19. Kleeb, Ueli et al.: Zuger Chriesibuch, Zug 2017 (in Bearbei- Van Orsouw, Michael: Sonne, Molke, Parfümwolke, Zug tung). 1997.

Exkurs 17 Für einen ersten Überblick zu verschiedenen Themen Brandenberg, Rolf: Die Wirtschafts- und Bevölkerungsent- der Schweizer und Zuger Geschichte empfiehlt sich das wicklung des Kantons Zug 1850–1960, Zürich 1969. «Historische Lexikon der Schweiz», das auch die Autorinnen Migration im Kanton Zug. Eine Übersicht in Tabellen und und Autoren rege benutzten. Die zahlreichen Lemmata, die Grafiken (Erste Ausgabe 2015), Amt für Raumplanung des für den Haupttext und für die Exkurse konsultiert wurden, Kantons Zug (Hg.), Zug 2015. werden nicht separat aufgeführt. Alle Lexikoneinträge sind ZG – Ein Heimatbuch, Direktion für Bildung und Kultur des online abrufbar unter: www.hls.ch. Ebenso wird eine Wort- Kantons Zug (Hg.), Zug 1999. suche über das gesamte Lexikon angeboten.

Exkurs 18 Für einzelne Ereignisse wurden auch Berichte aus lokalen Thalmann, Eugen: Geschichte einer Leidenschaft. 30 Jahre Zeitungen als Informationsquelle herangezogen. EVZ, Zug 1997. Thalmann, Eugen: Vom Baarer Schlittschuhclub zum EVZ. Zuger Markenzeichen mit Baarer Wurzeln, in: Baarer Heimatbuch 2001/2002, Baar 2002, S. 78–82.

Exkurs 19 150 Jahre Theater- und Musikgesellschaft Zug 1809–1959, Theater- und Musikgesellschaft Zug (Hg.), Zug 1959. Raschle, Christian: Bossard-Kolin. Wirtschaft, Politik und Kul- tur in Zug, Luzern 2014. Wickart, Anton: Neujahrsblatt der Theater- & Musik-Gesell- schaft Zug zur Erinnerung an deren 50jähriges Jubiläum seit Eröffnung des Stadt-Theaters im Jahre 1843, Zug 1893.

233 Anhang

Autorinnen und Autoren

Haupttext Philippe Bart (9) lic. phil., Historiker und Bürgergemeindearchivar Baar, Risch Guido Speck und Neuheim lic. iur., RA, ehemaliger Leiter der Abteilung Recht und Com- pliance sowie Bankratssekretär der Zuger Kantonalbank Michael van Orsouw (10, 16) Dr. phil., Historiker, Autor und Ausstellungsmacher

Exkurse (Nr.) Georg Frey (11) Dipl. Architekt ETH, ehemaliger Denkmalpfleger des Matthias Wiesmann (1, 3, 7, 13, 17) Kantons Zug lic. phil., Wirtschaftshistoriker, Projektleiter bei der Nestro AG in Zug Daniel Kurz (12) Dr. phil., Historiker und Chefredaktor der Zeitschrift Renato Morosoli (2) «werk, bauen+wohnen» Dr. phil., Historiker und Archivar im Staatsarchiv des Kantons Zug Pius Freiburghaus (14) lic. phil., freier Ausstellungsmacher Jürg Richter (3) Numismatiker und Geschäftsführer der Sincona AG René Hutter (15) (Swiss International Coin Auction AG) in Zürich Leiter Amt für Raumplanung Kanton Zug

Thomas Glauser (4) Eugen Thalmann (18) lic. phil., Leiter Stadtarchiv Zug Autor von Publikationen für und über den EVZ und Inhaber der Thalmann Communication AG Zug Willi Loepfe (5) Dr. phil., Historiker und freier Autor Christian Raschle (19) Dr. phil., ehemaliger Stadtarchivar von Zug und Kantons- Ignaz Civelli (6) schullehrer Dr. phil., Staatsarchivar des Kantons Zug Heinz Amstad (20) Patrick Halbeisen (8) Leiter Amt für Brückenangebote Zug und Gründer der Dr. phil., Vizedirektor und Leiter Archiv der Schweizerischen Schiffs-Agentur Schweiz Nationalbank

Dominique Baumann (8) lic. phil., MPA, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Archiv der Schweizerischen Nationalbank

234 Bildnachweis

Die Abbildungen stammen mehrheitlich aus dem Archiv der Sammlung Erna Zumstein-Reinhard, Sarnen Zuger Kantonalbank. Folgende Abbildungen stammen aus 97 anderen Quellen (fett: Seitenzahl): Ortskundliche Sammlung der Bibliothek Ägerital 103 Archiv Wiederkehr Krummenacher Architekten AG aus: Schweizer Schule, Heft 16, Bd. 43 (1956) Cover, 110, 112, 113, 121, 123, 214 oben 115 Zugerland Verkehrsbetriebe AG, Archiv Foto: Foto-Optik Grau AG, Zug 6 (Autonr. modifiziert) 125 aus: Nebelspalter, Heft 36, Bd. 5 (1879) Foto: Peter Ammon 15 127 oben aus: Zuger Neujahrsblatt 1922 Foto: Andi Zai 17 127 links unten Staatsarchiv des Kantons Zug Foto: Guido Baselgia 19, 61 127 rechts unten Stadtarchiv Zug Schweizer Radio und Fernsehen, Dokumentation und Archive 24, 43 169 Bibliothek Zug Stiftung Berner Taufzettel, Sammlungen Bärtschi und Bieri, 32, 51 c/o Museum Münsingen aus: Richter, Jürg; Kunzmann, Ruedi: Die Banknoten der 171 Schweiz, Regenstauf 2003. Amt für Raumplanung, Kanton Zug 41 173, 175 oben Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug Landeskarte, reproduziert mit Bewilligung von swisstopo 46, 195 (BA 160191) Sammlung Verein Industriepfad Lorze, Zug 175 unten 52, 193 unten ETH-Bibliothek Zürich, Stiftung Luftbild Schweiz Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel 193 oben 57 Firmenarchiv Landis & Gyr (greifbar in: Archiv für Zeitge- Freunde Historischer Wertpapiere, Wolfenbüttel schichte, Zürich) 59 197 aus: Etter, Philipp; Zürcher, Albert: Festschrift zur Eröffnung Freiwillige Feuerwehr der Stadt Zug der Elektrischen Strassenbahnen im Kanton Zug. Zug 1913. 211 oben 63 Gebäudeversicherung Zug aus: Utinger, Albert: Festschrift zum 50. Jahrestage der Eröff- 211 unten nung der Wasserversorgung in Zug 1878–1928, Zug 1929. Foto: Felix Klaus, EVZ 65 219 aus: Chronik der Stadt Zürich, 8.8.1914 (Nr. 32) aus: Wickart, Anton: Neujahrsblatt der Theater- & Musik-Ge- 81 sellschaft Zug zur Erinnerung an deren 50jähriges Jubiläum Einwohnergemeindearchiv Baar seit Eröffnung des Stadt-Theaters im Jahre 1843, Zug 1893. 83 221

235 Anhang

Sammlung Erich Liechti, Wimmis 223 Sammlung Dr. Franz Lusser, Zug 224 (Lusser) Sammlung Marlies Iten, Zug 224 (Iten)

Dank

Guido Speck (Autor Haupttext) und Matthias Wiesmann (Redaktion und Projektleitung) be- danken sich bei den Autorinnen und Autoren der Exkurse, bei allen Personen und Institutio- nen für das Zurverfügungstellen von Schriftstücken und Abbildungen, für die Auskünfte der aktiven und ehemaligen Mitarbeitenden der Zuger Kantonalbank, bei Lukas Müller und Anja Hartmann für die grafische Umsetzung und bei allen jenen Personen im Hintergrund, die zum Gelingen diese Buchs beigetragen haben.

Impressum

Herausgeberin: Zuger Kantonalbank Verfasser Hauptext: Guido Speck Projektleitung und Redaktion: Nestro AG (Matthias Wiesmann) Gestaltung und Produktion: Nestro AG (Lukas Müller, Anja Hartmann, Dieter Müller) Korrektorat: Mirjam Weiss, Zug Druck: Kalt Medien AG, Zug Zug 2017

Die Jubiläumsschrift der Zuger Kantonalbank ist klimaneutral gedruckt.

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