Wie Soll Die Wigger in Der Region Zofingen in Zukunft Gestaltet Werden?
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Wie soll die Wigger in der Region Zofingen in Zukunft gestaltet werden? Sozialräumliche Optimierung des planerischen Leitbilds durch eine Bevölkerungsbefragung Stefanie Müller, Matthias Buchecker, Raphael Gaus, Tobias Buser, Martina Bestel, Sebastian Hackl, Daniela Bächli, Norbert Kräuchi abgegebenen Stimmen angenommen. Nutzung von Gelegenheiten, die sich im Zusammenfassung Durch die Annahme ist der Kanton auf Zuge anderer Projekte (Strassenbau, Die Planung von Revitalisierungen von Verfassungsstufe verpflichtet, mindestens Neubauten usw.) ergeben, wird die Um- Fliessgewässern umfasst die kom- 1 % der Kantonsfläche dem Auenschutz setzung unter Einbezug der verschiedens- plexe Aufgabe, die unterschiedlichen zur Verfügung zu stellen (Schelbert 2015). ten Stakeholder vorangetrieben, wie eine Interessen des Hochwasserschutzes, Bereits im 2003 erschienenen Leit- Vielzahl von Revitalisierungsprojekten an der Ökologie und der Naherholung zu bild der Fliessgewässer Schweiz wurde der Surb, Bünz oder Wigger belegen. vereinen. Die Ausprägung dieser zum die Forderung aufgestellt, den Flüssen und Trotz teils gegenläufigen Interes- Teil konträren Interessen ist nicht nur Bächen wieder mehr natürliche, räumliche sen von Ökologie und Naherholung wird abhängig von technischen und gesetz- und zeitliche Entwicklungen zuzugestehen bei Wasserbauprojekten stets darauf ge- lichen Rahmenbedingungen, sondern (BUWAL/BWG 2003). Mit der Revision der achtet, für beide Aspekte einen Mehrwert auch von der Akzeptanz der lokalen eidgenössischen Gewässerschutzgesetz- zu erzielen. Denn wie verschiedene For- Bevölkerung. Um die Wahrnehmung gebung (Gewässerschutzgesetz, GSchG, schungsprojekte zeigen, werden Naherho- und die Bedürfnisse der Bevölkerung und Gewässerschutzverordnung, GSchV) lungsgebiete am Wasser von der Bevölke- der Region Zofingen über bereits re- wurden auf Bundesebene neue Rahmen- rung besonders geschätzt (Buchecker et al. alisierte und zukünftige Revitalisie- bedingungen erlassen, welche die Ent- 2013, Irngartinger et al. 2010, Kienast et al. rungsmassnahmen an der Wigger in wicklungsziele «ausreichender Gewäs- 2012, Junker und Buchecker 2008). Dieser die Planung zu integrieren, wurde eine serraum» und «ausreichende Wasser- Tatsache tragen im Kanton Aargau auch Bevölkerungsbefragung durchgeführt. führung» verfolgen und gleichzeitig einen die Agglomerationspärke Rechnung. Mit Die Ergebnisse der Befragung zeichnen positiven Effekt auf das Ziel «ausreichende den im kantonalen Richtplan als Zwischen- ein zustimmendes, aber auch durchaus Wasserqualität» haben (Blank et al. 2014). ergebnis eingetragenen Agglomerations- räumlich differenziertes Bild. Dazu gehört die Sicherung gewässerty- pärken wird die Möglichkeit geschaffen, pischer Funktionen hinsichtlich Ökolo- siedlungsnahe attraktive Parklandschaften 1. Lebendige Fliessgewässer gie, Habitate und Gewässermorphologie für Naherholung, Freizeit, Kultur und Natur im Kanton Aargau sowie Raum zur Erholung der Bevölkerung zu errichten (Kanton Aargau 2012). Alle fünf Hinsichtlich Revitalisierungen ist der Kan- und zur Wahrnehmung und Identifikation ausgewiesenen Gebiete erstrecken sich ton Aargau schon seit mehr als 20 Jah- mit der Kulturlandschaft. Basierend auf der entlang einem Gewässer – seien es Lim- ren aktiv. Bereits im Jahr 1993 wurde die strategischen Planung des Kantons Aar- mat, Rhein, Aare oder Wigger. Sie sollen als Volks initiative zur Schaffung des Auen- gau zur Revitalisierung der Fliessgewässer Ausgleichsräume zur dichten Besiedlung in 2 schutzparks mit etwas mehr als /3 der (Blank et al. 2014) und der synergetischen den Agglomerationsräumen dienen. Bild 1. Begradigte und dicht bestockte Wigger bei Zofingen Bild 2. Kanalisierte Wigger zwischen Autobahn und Siedlungs- (Stefanie Müller, 8. September 2015). gebiet (Beat Wyler ARUM GmbH, 5. Januar 2017). «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden 181 1.1 Das Wiggertal im tionspärken, die siedlungsnahe Land- sche Bedeutung, und für die wachsende Wandel der Zeit schaft in der Region Zofingen–Olten, für Bevölkerung im Wiggertal ist es ein Ort der Das Einzugsgebiet der Wigger reicht vom die Erholungsnutzung in Wert gesetzt Alltagserholung. Napf im Süden bis zur Aare im Norden und werden. Die Entwicklungsziele des Land- Heutige Wasserbauprojekte sind umfasst eine Fläche von knapp 400 km2. schaftsraums sind im Konzeptbericht massgeblich von der überarbeiteten und Die Wigger durchfliesst die Kantone Lu- «Wiggertalpark: Freiflächen als grüne In- im Jahr 2011 in Kraft getretenen Gewäs- zern und Aargau in Süd-Nord-Richtung frastruktur» festgehalten (BVU 2007). Als serschutzgesetzgebung geprägt. Das re- und mündet nach rund 41 km bei Aarburg erste sicht- und erlebbare Aufwertung vidierte Gewässerschutzgesetz (GSchG) (Campingplatz Wiggerspitz) in die Aare der Naherholungslandschaft im Wigger- verpflichtet die Kantone zur Revitalisie- (Flussbau AG 2014). Ihre wichtigsten Zu- tal wurde der Aarelandweg eingerichtet. rungsplanung, zur Festlegung des Gewäs- flüsse sind die Buechwigger und die See- Der Wander- und Veloweg führt entlang serraums sowie zur Sanierung der Fisch- wag bei Willisau, die Rot und die Ron bei der Aare und der Wigger von Aarau über gängigkeit, des Geschiebehaushalts und Schötz sowie die Luthern bei Nebikon Olten und Zofingen bis ins luzernische von Schwall und Sunk. Zur Sicherstellung (Flussbau AG 2014). Dagmarsellen und macht auf Kultur- und des Gewässerraums wurde im Kanton Bereits im 15. Jahrhundert wurden Naturwerte sowie Eigenart der Region auf- Aargau das kantonale Baugesetz entspre- die Wigger und ihr Umland landwirtschaft- merksam. chend überarbeitet, damit in kommenden lich, gewerblich und industriell genutzt und kommunalen Nutzungsplanrevisionen der ihr natürlicher Lauf kontinuierlich begra- 1.2 Angestrebter Zustand Gewässerraum rechtsverbindlich umge- digt und ausgebaut (Hörsch 2015, Kulli der Wigger setzt werden kann (Burger und Kräuchi, et al. 2013). Im Kanton Aargau wurde die Seit der letzten Wigger-Korrektion hat 2016). Wigger letztmalig in den 1970ern im Zuge sich das gesellschaftliche Idealbild eines des Autobahnbaus gemäss dem damali- Fliessgewässers stark geändert. Die ver- 1.3 Was wünscht sich die gen Stand der Technik korrigiert (Kulli et schiedenen Interessen wurden im Leitbild Bevölkerung? al. 2013). In den folgenden Jahrzehnten der Wigger (Kulli et al. 2013) zusammen- Die übergeordneten Anforderungen an die zeigte sich zunehmend, dass der gewählte gefasst. Neben dem Hochwasserschutz künftige Wigger sind über diverse gesetz- Ausbaustandard bzgl. Hochwasserab- haben Themen wie Ökologie und Naher- liche Vorgaben bekannt, was sich die Be- fluss den heutigen Schutzanforderungen holung viel mehr Bedeutung als noch vor völkerung vor Ort wünscht, dagegen noch nicht mehr entspricht, wie die Hochwas- 30 Jahren. Aufgrund der in den letzten kaum. An der Wigger wurden in den letzten serereignisse von 2005 und 2007 deutlich Jahrhunderten wesentlich intensivierten Jahren die beiden Abschnitte in Brittnau im zeigten (Hackl 2015). Das streng geometri- Nutzung des Wiggertals durch Landwirt- Zuge des Hochwasserschutzes (Ende der sche Trapezprofil verhindert zudem eigen- schaft und Siedlungsentwicklung, aber Hauptbauarbeiten 2010) und in Aarburg als dynamische Prozesse der Wigger, und die auch durch Verkehrsinfrastrukturen wie Ausgleichsmassnahme für den 6-Streifen- Naherholungsfunktion sowie die Erlebbar- der parallel zur Wigger verlaufenden Au- Ausbau der Autobahn zwischen Härkingen keit des Gewässers sind durch die steilen tobahn ist es undenkbar, den ursprünglich und Rothrist (Ende der Hauptbauarbeiten und dicht bestockten Böschungen stark frei mäandrierenden Gewässerverlauf wie- 2015) erfolgreich aufgewertet (Bilder 3 und beeinträchtigt (Hackl 2015) (Bilder 1 und 2). derherzustellen. 4). Damit besitzt die Wigger sowohl kanali- Der kantonale Richtplan weist im An ein Gewässer wie die Wigger sierte als auch revitalisierte Abschnitte un- Wiggertal sowohl einen wirtschaftlichen und seine künstlichen Bauten werden terschiedlichen Alters. An sich eine ideale Entwicklungsschwerpunkt von kantona- heute jedoch erheblich mehr Anforde- Situation, um zu analysieren, inwieweit die ler Bedeutung als auch zwei Wohnschwer- rungen gestellt als der reine Schutz vor Revitalisierungen von der Bevölkerung an- punkte aus. Dies gründet auf der zentra- Hochwasser und die Entwässerung des genommen werden und ob sie trotz der an- len Lage im Mittelland und der sehr guten angrenzenden Talbodens. Das Gewässer grenzenden Autobahn für die Naherholung verkehrlichen Erschliessung. Parallel soll ist anerkannter vielfältiger Lebensraum für nutzbringend sind. mit dem «Wiggertalpark», einem von fünf Tiere und Pflanzen. Die Schleusen, Wehre Um diese gesellschaftlichen As- im Richtplan eingetragenen Agglomera- und Kanäle haben teilweise kulturhistori- pekte der Wigger-Revitalisierung in Er- Bild 3. Revitalisierter Abschnitt der Wigger bei Aarburg-Rothrist Bild 4. Revitalisierter Abschnitt der Wigger bei Brittnau (Stefanie (Stefanie Müller, 8. September 2015). Müller, 8. September 2015). 182 «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden fahrung zu bringen, wurde die Eidgenös- sische Forschungsanstalt WSL – als un- abhängige Institution – mit der Aufgabe betraut, im Herbst 2015 in den betroffenen Gemeinden Aarburg, Brittnau, Oftringen, Rothrist, Strengelbach und Zofingen eine standardisierte Befragung durchzuführen. Mit dieser Erhebung sollten die folgenden drei Fragestellungen beantwortet werden: • Wie werden der