Ohmmündung Am Cölber
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Wo sich Dynamik und Trägheit treffen Ohmmündung am Cölber Eck Unterschiedliche Flusscharaktere Dynamische Entwicklung eines Zusammenflusses Die Lahn ist, aus dem Rothaargebirge kommend, bis zum Cölber Eck ein typischer Mittelgebirgsfluss. Flache Ufer mit ausgeprägten Gleit- und Prallhängen, grobes Substrat und ein verzweigter Ge- wässerlauf sind charakteristi- sche Merkmale. Das Gefälle ist stark. Die damit einhergehende hohe Fließgeschwindigkeit be- dingt vielfältige Substratumla- gerungen und unterschiedliche Strukturen im Gewässerbett. Es entstehen Kiesbänke für den © R. Schneider, ASV Marburg Flussregenpfeifer und Abbruch- kanten, in denen Eisvögel ihre Brutröhren anlegen können. Die Schwankungen zwischen Niedrig- und Hochwasser sind sehr hoch. Ein völlig anderes Gewässer ist die Ohm. Obwohl auch sie im Mit- telgebirge entspringt, hat sie ab Schweinsberg eher Unterlaufcha- rakter: das Gefälle ist deutlich geringer als das der Lahn, im Foto: Walper, ASV Marburg Wasserkörper sind Strömung und Turbulenzen kaum sichtbar. San- dig-lehmige Sedimente lagern sich an den Ufern in dicken Schichten ab. Ausgedehnte Schilfzonen bestimmten früher die Aue. Die Wasserführung ist ausgeglichener als die der Lahn. Ab dem Zusammenfluss am Cölber Eck verlieren beide Flüsse etwas von ihrem jeweiligen Charakter und gleichen sich an. Entstehung und Ziele des Projekts Eingriff - Ausgleich - Ersatz - Der Landschaftsknoten Cölber Eck Kompensation - Was ist das? Das Cölber Eck ist eine landschaftliche Besonderheit. Hier stoßen Die an der Ohmmündung vom ASV Marburg durchgeführten Maß- nicht nur so unterschiedliche Fließgewässer wie Lahn, Wetschaft, nahmen sind ein Ausgleich für Eingriffe in unsere Landschaft. Ohm und Rotes Wasser zusammen, sondern auch vier völlig ver- Durch den Bau der Umgehungsstraße von Biedenkopf-Wallau wurde schiedene Naturräume: das obere Lahntal, das Marburger Lahntal, die dortige Lahnaue in Anspruch genommen, und wer ‚Natur‘ ver- der Burgwald und das Amöneburger Becken. Doch auch schon in braucht oder durch Baumaßnahmen beeinträchtigt, muss an ande- grauer Vorzeit, als unsere Landschaft noch im Entstehen war, be- rer Stelle beeinträchtigte Funktionen verbessern oder wieder her- saß das Cölber Eck eine besondere Bedeutung. Hier knickte die stellen. Wie diese Wiedergutmachung (Ausgleich, Ersatz bzw. Kom- Lahn zunächst nicht nach Süden ab, wie wir es heute kennen, son- pensation) durchzuführen ist, wird durch Gesetze und Verordnun- dern floss weiter nach Nordosten, um Kirchhain herum und dann gen geregelt. zusammen mit der prähistorischen Ohm durch den Ebsdorfer Straßen wirken beein- Grund. Das war vor etwa 5 Millionen Jahren. Erst später suchte trächtigend auf Natur und sich die Lahn mit einem Durchbruch an der Eibenhardt ihren Weg Landschaft. Indem Boden nach Süden, die Ohm folgte ihr. durch Asphalt versiegelt Ab Mitte des 19. Jahrhunderts fanden vielfältige Veränderungen wird, werden Lebensräu- nicht nur am Cölber Eck statt: Regulierung der Gewässer, Abtren- me für Pflanzen und Tiere nung von Flussschlingen zugunsten einer schnelleren Wasserabfüh- vollständig zerstört. Auch rung, Beanspruchung der Aue durch Siedlungen und Straßen, Bau die außerhalb des eigent- der Eisenbahn und des Eibenhardtwehres, Ausbau der Ohm, 4- lichen Asphaltbandes lie- spuriger Ausbau der B 3, Bau des Straßenknotens B3 / B62 u.a.. Foto: Kranz/Ortmüller, ASV Marburg genden Anteile einer Diese Veränderungen schränkten die natürliche Dynamik des Zu- Straße, wie Böschungen, sammenflusses von Lahn und Ohm erheblich ein. Zu- und Abfahrten, Anschnitte und Aufschüttungen etc. führen zu Veränderungen der vorher vorhandenen Eigenschaften und Nutzun- Es entstand seitens der Straßenbauverwaltung (ASV Marburg) daher gen der Landschaft auf mehreren hundert Meter rechts und links die Idee, eine eigenständige Entwicklung der jeweiligen Flusscha- der Fahrbahn. Ehemals ruhige Bereiche werden verlärmt, so dass raktere durch Renaturierungsmaßnahmen im Mündungsbereich der manche Vögel den Balzgesang ihrer Partner nicht mehr hören kön- Ohm anzustoßen und so den Gewässern wieder etwas von ihrer ur- nen und mangels Paarfindung die Fortpflanzung unterbleibt. Stra- sprünglichen Naturnähe zurückzugeben. Die Maßnahme sollte als ßen zerschneiden Lebensräume und Wanderwege, trennen Nah- Wiedergutmachung für den Neubau der Umgehungsstraße in Bie- rungsareale von Brutplätzen ab und verkleinern generell das Netz denkopf dienen und den stark durch Siedlungsspuren beeinträch- nutzbarer unzerschnittener Räume. tigten Bereich am Cölber Eck aufwerten. Viele Wagenladungen Auenlehm Dynamik des fließenden Wassers Die Maßnahmen im Einzelnen Sedimentation, Erosion, Laufverlagerung Das Konzept für die Umgestaltung der Ohmmündung wurde bereits Über 7 Jahre sind nun seit Abschluss der Baumaßnahmen vergan- 1992 vom ASV Marburg erstellt. Die Umsetzung begann 1999/2000 gen. Wie hat sich das Gebiet entwickelt? Sind die ursprünglichen mit einer fächerförmigen Aufweitung der Lahn, durch Abgrabungen Ziele erreicht worden? Vergleicht man die Planungskarte aus 1992 der Aue bis auf das Niveau der Gewässersohle und der Gestaltung mit den tatsächlichen Verhältnissen 2005, so wird eine große Über- unregelmäßiger Uferlinien. Auch das Gewässerbett der Ohm wurde einstimmung bis an die westlich angrenzenden Gärten auf Sohlenniveau aufge- sichtbar. Planung 1992 weitet. Es entstand eine ‚Tiefaue‘, ein Raum, in dem die beiden Die ursprüngli- Gewässer ihren Zusammenfluss selbst gestalten können. Auf ca. 3 chen Gewässer- ha Fläche und etwa 700 m Länge wurde zudem ein Retentions- betten von Lahn raum geschaffen, der Hochwasser zurückhält und so Cölbe und und Ohm sind Marburg besser vor Hochwasserschäden schützt. weitgehend auf- © R.Schneider, ASV Nicht alles konnte je- gelöst. In nur we- doch der gestalteri- nigen Jahren ha- Entwicklungszustand 2005 schen Dynamik des ben sich die Wassers überlassen Hauptstromstriche werden. Die Brücken- (im unteren Bild pfeiler der B 62 muss- blau markiert) ten gesichert werden, deutlich verla- ©2007 Google Earth, © 2007 Europa Technologies, Image © 2007 Aero West ebenso das Ufer ent- Foto: Diehl gert. Kies- und lang der Kleingärten. Sandbänke entstanden, Inseln bildeten sich heraus. Einige dieser Die zur Ufersicherung in früheren Jahren eingebauten Wasserbau- Inseln begrünten sich schnell, andere wurden durch Hochwasser steine wurden herausgebrochen und für Ablenkungsriegel und lo- bereits wieder umgestaltet. Es entwickelten sich vielfältige Struk- ckere Buhnenschüttungen verwandt. Diese sollen die Strömung turen, die Lebensräume für unterschiedliche auentypische Tier- auffächern, vorsichtig lenken und so trotz zahlreicher Zwangspunk- und Pflanzenarten bieten. Luftbilder der letzten Jahre zeigen ein te das Einsetzen eigendynamischer Prozesse unterstützen. Das sich ständig veränderndes Bild dieses Zusammenflusses. Und es durch die Ausbildung der Tiefaue anfallende Erdmaterial von ca. darf anhand der Bilder auch die Frage gestellt werden: Wer mün- 60.000 m³ Erde diente zur Rekultivierung der Kiesgrube in Bürgeln. det in wen? Die nächsten Jahre werden neue Veränderungen brin- Auf kleiner Fläche erfolgte die Pflanzung eines artenreichen Stiel- gen. Sie zu beobachten ist spannend und lehrreich für andere Re- eichen-Hainbuchen-Waldes. dynamisierungsmaßnahmen. Dynamik des fließenden Wassers Ein neuer Lebensraum entsteht Kiesbänke Tiere und Pflanzen Natürliche Kiesbänke sind ein besonderer Lebensraum, über den Obwohl nur wenige Untersuchungen über die floristische und fau- wir noch viel zu wenig wissen. Bei winterlichen Hochwassern abge- nistische Entwicklung des Gebietes vorliegen, deutet doch das Auf- lagert, im Sommer längere treten gewässertypischer Vogelarten, die als Indikatoren dienen, Foto: S. Jaehnig Zeit trocken gefallen und auf den Erfolg des Projektes hin. Foto: Terrien durch die Sonne aufge- Bereits kurz nach Fertigstellung der Bau- heizt, werden sie mit der maßnahmen balzten Flussuferläufer auf aufkommenden Vegetation den Kies- und Schlammbänken. Zwei Rei- durch neue Hochwässer herentenpaare zogen neun Junge groß. Im schon wieder weggespült. Winterhalbjahr nutzten Zwergtaucher die Dieser Wechsel ist aber eisfreien Abschnitte zur Überwinterung, und auch der Lahn ab- notwendiger Standortfak- wärts brütende Eisvogel stattete dem tor für typische Kiesbewohner. Foto: Limberger, pixelio.de Gebiet gelegentlich einen Besuch ab. Im Winter sind flach überströmte Kiesbänke weitgehend eisfrei, so Die in den angrenzenden Wäldern brü- dass vor allem Enten hier Nahrung finden. Kiesbänke bieten Brut- tenden Graureiher nutzten das flache plätze für Flussregenpfeifer und Wasser zur Nahrungsaufnahme, selbst Flussuferläufer und im angren- die Nilgans, ein Neubürger, der wenig zenden Flachwasser Laichplätze wählerisch bei der Brutplatzauswahl für Kieslaicher. Neben einem ist, zog schon bald 6 Junge groß. Heer von Insekten und Spinnen, Flussregenpfeifer und Flussuferläufer die auf Kiesbänken eine meist können ebenso wie der Graureiher in kurzfristige, speziell angepasste jedem Jahr beobachtet werden. Wei- Lebensgemeinschaft bilden, fin- Foto: Diehl tere Arten wie Gebirgsstelze, Höcker- det man an heißen Sommerta- schwan, Stockente, Blässhuhn und gen zahlreiche Bienen, die hier zur Tränke kommen. Kormoran sind ständig zu sehen. Foto: Dotzler, pixelio.de Das ‚Nest‘ des Flussregenpfeifers, besteht aus einer Mulde im Uferschwalben, die in höheren Uferabbrüchen ihre Brutröhren gra- Kies, Nistmaterial fehlt. Die offen liegenden Eier sind gesprenkelt ben, statten dem Gebiet jedoch nur selten einen