der Technischen Fachhochschule Berlin

Prof. Dr.-Ing. Reinhard Thümer Präsident

Prof. Dr. Gudrun Görlitz Vizepräsidentin für Forschung und Entwicklung

Impressum

Forschungsassistenz IV der Technischen Fachhochschule Berlin

Herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. Reinhard Thümer und Prof. Dr. Gudrun Görlitz

Technische Fachhochschule Berlin Luxemburger Str. 10 13353 Berlin www.tfh-berlin.de

Redaktionelle Bearbeitung Dipl.-Geogr. Sabine Wortmann M.A., Minire Ahmeti und Elisabeth Pape

Kontakt Pressestelle der TFH Berlin E-Mail: [email protected]

Satz, Layout und Titelgestaltung Markus Weiß | www.typogo.de

Druck und Bindung Druckhaus Berlin-Mitte GmbH

1. Auflage Oktober 2008

ISBN 978-3-938576-11-3

Vorwort

Industriekooperationen durch Forschungsassistenz IV

Wir freuen uns sehr, Ihnen den wissenschaftlichen Abschluss- Markt. Zudem dienen bestehende Forschungsassistenzen bericht des ESF-geförderten Projektes „Forschungsassistenz der Anbahnung weiterer Kooperationen und generieren Sy- IV“ zu präsentieren. Mit dem vierten Durchgang der Koope- nergien zwischen verschiedenen Forschungsprojekten der rationsinitiative Forschungsassistenz konnten an der TFH TFH. Mit dem Projekt der Forschungsassistenz erweist sich Berlin erneut innovative Forschungsideen in Kooperationen die TFH Berlin somit erneut als leistungsstarker Partner der mit kleineren und mittleren Unternehmen realisiert werden. Wirtschaft.

Während der 18-monatigen Forschungsassistenz haben die In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre betreuenden Professorinnen und Professoren mit „ihren“ und bedanke mich bei allen Akteuren, die an der erfolgrei- Forschungsassistentinnen und -assistenten gemeinsam mit chen Umsetzung der Forschungsassistenz IV beteiligt waren. Unternehmen die Gelegenheit genutzt, Forschungsprojekte Ein besonderer Dank geht an die Berliner Senatsverwaltung umzusetzen, nachhaltige Kontakte zu etablieren und die für Wirtschaft, Technologie und Frauen, wo wir bei der in- Drittmittelfähigkeit der TFH Berlin zu stärken. Im Mittelpunkt haltlichen Ausgestaltung des Projektes und bei der organi- stand dabei die Mitarbeit an etablierten Forschungs- und satorisch-technischen Umsetzung wiederum eine Entwicklungsprojekten sowie die Konzeptarbeit an Neuent- zuverlässige Unterstützung fanden. wicklungen in den so genannten Berliner Wachstumsbran- chen Biotechnologie, Verkehrstechnik und Informations- und Kommunikationstechnik.

Auf den folgenden Seiten können Sie sich nun selbst von den exzellenten Forschungs- und Entwicklungsprojekten der Forschungsassistentinnen und Forschungsassistenten über- zeugen. Informieren Sie sich über effektive Industriekoope- rationen im Rahmen der Forschungsassistenz, welche durch die intensive themenbezogene Zusammenarbeit sowohl den Unternehmen als auch den Wissenschaftlern und Wissen- schaftlerinnen entscheidende Vorteile bieten. Der wechsel- seitige Know-how-Transfer dient der Weiterqualifizierung von Forschungsassistenten/innen als zukünftige Mitarbei- ter/innen der Unternehmen und eröffnet den Kooperations- Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr. Gudrun Görlitz partnern und ihren Produkten beste Chancen auf dem Reinhard Thümer Vizepräsidentin für Forschung Präsident und Entwicklung

5 Inhaltsverzeichnis

Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften E-Logistik: Optimierung von Wertschöpfungsketten unter Einsatz von RFID und EPC ...... 8 Dipl.-Kfm. (FH) Frank Behr, Prof. Dr.-Ing. Werner Ullmann

E-Learning-Standards für Lehrmaterialien in der BWL ...... 12 Dipl. Inf. (FH) Claudia Pritzkow, Prof. Dr. rer. pol. Hans Schmitz

Datenfluss zwischen Engineering und Logistik bei variantenreicher Fertigung ...... 16 Dipl.-Ing. Oliver Rüdiger, Prof. Dr. rer. oec. Klaus Helbig

Gründungen aus Hochschulen ...... 21 Dipl.-Soz. Viktoria Trosien, Prof. Dr. rer. pol. Heiner Brockmann

Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie Synthese neuer Siderophore ...... 24 Dipl.-Ing. (FH) Rafael Burghardt, Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Trowitzsch-Kienast

Entwicklungen zur analogen und digitalen Holographie ...... 27 Dipl.-Ing. (FH) Sven Plöger, Prof. Dr. rer. nat. habil. Jürgen Eichler, Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Vollmann

Simulation und Auralisation von Schallfeldern ...... 31 Dipl.-Ing. Michael Stütz, Prof. Dr.-Ing. Martin Ochmann

Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen FE- und GIS-basierte Holzvorratsabschätzung ...... 34 M.Sc. René Kaiser, M.Sc. Nicole Schubbe, Prof. Dr. rer. nat. Bernd Meissner

Frostinduzierte Schädigungen an Betonen und deren zerstörungsfreie Charakterisierung ...... 38 Dipl.-Ing. Olaf Linde, Prof. Dipl.-Ing. Jürgen Berger

Modellversuche zur Entwicklung von Bemessungsregeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen ...... 42 M. Eng. Dipl.-Ing. Dennis Morauf, Prof. Dr.-Ing. Bernd Lutz, Dipl.-Ing. Hubert Figoluschka

Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik Entwicklung einer CAFM-gestützten Raumverwaltung mit Einbindung einer Einzelraumregelung ...... 45 Dipl.-Ing. Jörg Albin, Prof. Dr. rer. nat. Mathias Fraaß

Entwicklung eines neuen Brennwertgerätes mit einem erhöhten Wasserdampfanteil im Brennraum und Entwicklung beheizbarer Möbel mit Latentwärmespeicherkissen ...... 48 Dipl.-Ing. Thomas Beyer, Prof. Dr.-Ing. Elfriede Herzog

Innovative Betriebsmethoden für Tier- und Freizeitanlagen ...... 52 Dipl.-Ing. (FH) Anja Hirsch, Prof. Dipl.-Ing. Katja Biek-Czarny

Hygienesicherer Betrieb von Trinkwassersystemen in der Gebäudetechnik ...... 57 Dipl.-Ing. (FH) Kai Michel, Prof. Dipl.-Ing. Klaus Rudat

E-Learning „eaST – Elementares architektonisches Seh-Training“ ...... 60 Dipl.-Ing. Dirk Müller, Prof. Dr.-Ing. Susanne Junker

6 Inhaltsverzeichnis

Fachbereich V Life Sciences and Technology Modulare Leitfäden für die Stadtentwicklung ...... 63 Dipl.-Ing. (FH) Thomas Amtage, Prof. Dr.-Ing. Theodor Hoffjann

Proteomics – Anreicherung von phosphorylierten Proteinen. Methoden in der biomedizinischen Analyse ...... 67 Dr. Kunigunde Stephani-Kosin, Prof. Dr.-Ing. Roza Maria Kamp

Moderne Grünkonzepte für Freizeitanlagen ...... 72 Dipl.-Ing. Wolf Sasse, Prof. Dr. habil. Hartmut Balder

Akklimatisierungspotenzial von Raumbegrünungspflanzen ...... 77 Dipl.-Ing. Julia Schönfeld, Prof. Dr. rer. hort. Karl-Heinz Strauch

Einfluss von erhöhtem Sauerstoffeintrag bei der Gewinnung thermostabiler ␣-Amylase und Protease mittels Bacillus caldolyticus ...... 80 Dipl.-Ing. (FH) Martin Senz, Prof. Dr.-Ing. Milan Popovic

Fachbereich VI Informatik und Medien Einsatz von embedded Objektdatenbanken im mobile Computing für Web 2.0 konforme Anwendungen ...... 83 B. Sc. Daniel Oltmanns, Prof. Dr.-Ing. Stefan Edlich

Entwicklung einer „Bionischen Hand“ ...... 87 Dipl.-Ing. (FH) Turgay Sezgin, Prof. Dr.-Ing. Alfred Rozˇek

Fachbereich VII Elektrotechnik und Feinwerktechnik Echtzeit-Multicast-Übertragung MPEG-4 AAC-kodierter Audiodaten ...... 91 Dipl.-Ing. (FH) Paul Henrik Fronius, Prof. Dr.-Ing. Marcus Purat

Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik i-mech: Untersuchung der intelligenten Mechanik von Fischflossen mit Hilfe von FSI-Simulation ...... 94 Dipl.-Ing. Bardo Krebber, Prof. Dr.-Ing. Hans-Dieter Kleinschrodt

Prozessketten mit Rapid Prototyping-Technologien (3DP) ...... 98 Dipl.-Ing. (FH) Birgit Lautner, Prof. Dr.-Ing. Manfred Paasch, Dipl.-Ing. Bernhard Bienia

Hydrierung PVC-haltiger Kunststoffabfälle bei niedrigem Druck ...... 102 Dipl.-Ing. (FH) Manfred Marks, Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Geike

Akademisches Auslandsamt Entwicklung der Auslandsaufenthalte von TFH-Studierenden im Pflichtpraktikum und im Erasmus-Programm . . . . . 107 André Lausch, M.A., Prof. Dr. Gudrun Görlitz, Dr. Karlheinz Borchert in Zusammenarbeit mit dem Akademischen Auslandsamt

Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, TechnologieTransfer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den ESF-geförderten Forschungsprojekten der TFH Berlin ...... 111 Isabelle Bareither, Elisabeth Pape, M.A., Monika Jansen, M.A., Dipl.-Hdl. Harald Joneleit, Prof. Dr. Gudrun Görlitz

Arbeitsgebiete der Forschungsassistent/innen als Übersicht ...... 118

7 E-Logistik: Optimierung von Wertschöpfungsketten unter Einsatz von RFID und EPC

E-Logistik: Optimierung von Wertschöpfungsketten unter Einsatz von RFID und EPC Dipl.-Kfm. (FH) Frank Behr, Prof. Dr.-Ing. Werner Ullmann Kooperationspartner: Cronon AG Berlin

Das Forschungsvorhaben befasste sich in der Anfangsphase mit generellen Fragen bei der Konzeption und Implementie- rung von Lösungen zur RFID-Erfassung von EPC-Daten und deren weiterer Verarbeitung. Unter Einsatz des im Forschungs- labor vorhandenen RFID-Readers war es möglich, unterschiedliche Anwendungsszenarien zu erproben. Aus den dabei abgeleiteten Erkenntnissen ist die Idee entstanden, eine empirische Marktstudie zur RFID-Technologie in den Bundeslän- dern Berlin und Brandenburg durchzuführen.

In cooperation with their project partner Cronon AG, the University of Applied Sciences Research Lab explored the feasibi- lity and value of applying radio-frequency identification technology for item-level tagging. The goal was to evaluate diffe- rent scenarios by using a RFID-Reader supplied by the lab. Based on these preliminary findings, the idea was developed to carry out an empirical market analysis of RFID-Technology and its relevance in the two Federal States Berlin and Bran- denburg.

1. Einleitung dien (FB VI) und Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelt- Was ist eigentlich an der RFID-Technologie so besonders? technik (FB VIII) konnten im Labor für „Förder- und Getrie be - RFID erfasst Daten zu Objekten nahezu in Echtzeit. Damit technik“ der TFH Berlin erstmals Untersuchungen zur Be- gewinnt ein Unternehmen Informationen zu einzelnen Pro- stimmung des Erkennungsfeldes und zum Verhalten beweg- zessen bis hin zu kompletten Prozessketten. Eine Analyse ter Transponder durchgeführt und ausgewertet werden. dieser Daten kann zu einer Optimierung von Prozessen füh- ren. Besonders interessant sind die Prozessketten, die über 2.1. Versuchsaufbau zum Einsatz der RFID-Technologie an das Unternehmen hinaus gehen. Dieser unternehmens- einer Kreisförderanlage übergreifende Ansatz ermöglicht es, sämtliche an der Wert- Der Versuchsaufbau setzt sich aus einer Kreisförderanlage schöpfungskette beteiligte Unternehmen hinsichtlich der des Fachbereichs VIII, welche im Labor für „Förder- und Ge- Einsatzfähigkeit von RFID zu untersuchen. Dafür ist ein triebetechnik“ installiert ist, und der vorhandenen RFID- hoher Bedarf an Forschung, Entwicklung und Tests der Tech- Technologie aus dem Fachbereich I zusammen. Die Anlage nologie zur Abstimmung und Machbarkeitsanalyse für un- besteht aus einer Reihe Förderbänder und Förderrollen aus terschiedliche Anwendungen und deren spezifischen Proble- Metall, welche im Stande sind, ein Fördergut zu transpor- me notwendig. tieren und dieses je nach Gewicht über eine andere Strecke In vielen Branchen und Anwendungsbereichen sind auf An- zu leiten. Die Regelung erfolgt durch eine Speicherprogram- wenderebene erfolgreiche Projekte nach wie vor rar. Bis- mierbare Steuerung (SPS) vom Typ S7-300. (siehe Abb. 1) herige Anwendungsbeispiele zeigen jedoch: RFID ist eine Schlüsseltechnologie mit einer großen Erwartungshaltung, Abläufe in Industrie, Handel und im Dienstleistungssektor zu revolutionieren. Dabei werden konkret die Ziele Kosten- senkung, Produktsicherheit und Verbesserung der Ge- schäftsprozesse verfolgt. Mit einer erstmals am Wirtschaftsstandort Berlin-Branden- burg durchgeführten Unternehmensbefragung auf Anwen- derebene leistete das Forschungsprojekt einen Beitrag zur branchenübergreifenden Bewertung der RFID-Technologie in diesen beiden Bundesländern.

2. Experimentelle Untersuchungen im Labor für För- der- und Getriebetechnik Durch eine Zusammenarbeit der Fachbereiche Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften (FB I), Informatik und Me- Abb. 1: Labor „Förder- und Getriebetechnik“ Fachbereich VIII

8 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

Abb. 2: RFID-Komponenten des Fachbereichs I Abb. 3: Feldausdehnung GP-ANTU-Patch 03 Antenne

Zu den verwendeten RFID-Komponenten des Fachbereichs I davon ausgegangen werden, dass die vertikalen mit den ho- gehören ein Reader, zwei Antennen sowie verschiedene rizontalen Abmessungen übereinstimmen. Der gesamte Ver- Transponder auf UHF-Basis. (siehe Abb. 2) suchsaufbau und dessen Durchführung ist unter [Wet07] im Literaturverzeichnis dokumentiert. Technische Details der RFID-Komponenten: Antenne: GP-ANTU-Patch 03 circular Die Ergebnisse zur Bestimmung des Erkennungsfeldes beim Firma: Meshed Systems GmbH untersuchten Transponder zeigen: Mit einer in die Länge von Frequenzbereich: UHF 860 – 930 MHz fast zwei Metern und in die Breite von ca. einem Meter er- folgreich gerichteten Messung können unter den genannten Reader/Lesegerät: MP9320 v2.8 UHF Reader Versuchsbedingungen die beschriebenen Transponder Firma: SAMSys Technologies, Inc. (Class 1 Gen 2, 96bit EPC) erkannt und ausgelesen werden. Dabei sollte Berücksichtigung finden, dass bei den Versu- Transponder: KSW-NN-Monza-Excalibur868 chen nur eine der zwei vorhandenen Antennen verwendet Arbeitsfrequenz: 868 MHz, EPC Class 1 Gen2 wurde. Eine Installation der zweiten Antenne, bspw. auf der anderen Seite des Förderbandes, könnte die Auslesefähig- 2.2. Ergebnisse zur Bestimmung des Erkennungsfeldes keit und -genauigkeit eines an einem Objekt angebrachten In einem ersten Versuch sollte das Erkennungsfeld eines Transponders noch verstärken. Hierbei würde das auf dem Transponders vom Typ KSW-NN-Monza-Excalibur868 bestimmt Förderband befindliche Objekt horizontal von zwei Seiten er- werden. Die Messung erfolgte ausschließlich horizontal. fasst. Dabei wurde der Raum vor der Antenne abgesteckt, mit Glie- dermaßstäben versehen und mit Hilfe von rechten Winkeln 2.3. Ausblick zum Einsatz der RFID-Technologie am Ring- ausgerichtet. förderer Parallel zu den durchgeführten Untersuchungen hat sich Der Abbildung 3 kann das Ergebnis zur Bestimmung des Er- eine auf Dauer ausgerichtete Zusammenarbeit der beteilig- kennungsfeldes entnommen werden. Die Antenne, mit den ten Fachbereiche ergeben. Ein Ergebnis dieser Zusammenar- Abmaßen von H: 20cm und B: 20cm, befindet sich im Mittel- beit stellt eine fachübergreifende und in Bearbeitung be- punkt der Y-Achse und am linken Rand der X-Achse. Die er- findliche Masterarbeit dar. Das Ziel dieser Arbeit ist der Auf- zielten Messwerte beziehen sich auf den Abstand zur bau eines Szenarios „RFID-Einsatz in der Automatisierungs- Mittellinie der Antenne. Die Messung der Ergebnisse er- technik“ am Beispiel der im Labor für Getriebe- und För- folgte in einer Entfernung von: 5cm, 10cm, 25cm, 50cm, dertechnik vorhandenen Kreisförderanlage. 75cm, 100cm, usw. 3. Unternehmensbefragung zur RFID-Technologie in Der Bereich innerhalb der interpolierten Linien stellt ein der Region Berlin-Brandenburg hundertprozentiges Erkennen des verwendeten Transpon- Bei einem im Frühjahr 2007 veranstalteten RFID-Round- ders dar. Zwar wurde der Transponder auch außerhalb die- Table, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von For- ses Bereichs erkannt, jedoch sind diese ermittelten Mess- schung, Wirtschaft und Politik, zeigte sich der Bedarf an ergebnisse aufgrund ihres sporadischen Charakters nicht einer empirischen Befragung zu den Einsatzmöglichkeiten berücksichtigt. Aufgrund ausgewählter Stichproben kann der RFID-Technologie für den Wirtschaftsstandort Berlin-

9 E-Logistik: Optimierung von Wertschöpfungsketten unter Einsatz von RFID und EPC

Brandenburg. Parallel zu den erkannten Möglichkeiten der Die gesamte Studie ist im Literaturverzeichnis unter [Ull07b] Technologie im Labor verfolgte diese Initiative die Absicht, dokumentiert und kann über die Autoren bestellt werden. die Potentiale von RFID, welche sich in der Praxis ergeben können, von Unternehmen bewerten zu lassen. I. Bewertung von Aussagen zu den Möglichkeiten von RFID Die befragten Unternehmen stimmten den vorgegebenen 3.1 Durchführung der Unternehmensbefragung Aussagen zu den Möglichkeiten, die RFID bieten kann, mit Mit der Unternehmensbefragung sollten Erkenntnisse zum mehr als zwei Dritteln zu. Den höchsten Zustimmungsgrad Einsatz und derzeitigen Stand der RFID-Technologie in den besitzt die Aussage: RFID führt zu einer Beschleunigung des Bundesländern Berlin und Brandenburg gewonnen werden. Produkt- und Warenflusses (91%). (siehe Abb. 4) Aus diesem Hauptziel sind folgende Unterziele abgeleitet Aus der relativ ausgeglichenen Beurteilung der Möglichkei - worden: Ermittlung des Bekanntheitsgrads von RFID in der ten von RFID kann als eine allgemeine Erkenntnis abgeleitet Region, Bewertung der Leistungsmerkmale und Einsatzmög - werden, dass das Hauptpotential von RFID in der Optimie- lichkeiten, eine Analyse der Hindernisse, die bisher einer In- rung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse zu vestition in diese Technologie entgegenstehen sowie eine finden ist. Hier führt RFID zu einer Verknüpfung von Waren- Beurteilung von unterschiedlichen Aussagen zu logistischen und Informationsfluss und verbessert die Qualität der erho- Prozessen im Unternehmen. Bei der vertiefenden Ausarbei- benen Daten sowie die Transparenz und Steuerbarkeit der tung der Fragestellungen konnte auf eine Unternehmensbe - Prozesse. fragung zum Einsatz von RFID in der Baulogistik zurückge- griffen werden [Ull07a]. II. Planungsaktivitäten zum Einsatz von RFID Die Durchführung der Unternehmensbefragung sowie eine Die Frage nach einem zukünftigen Einsatz von RFID beant- parallele Schaltung von Hinweisen in Print- und Online-Pu- worteten 43% der Befragungsteilnehmer mit Ja. Davon pla- blikationen unterschiedlicher Institutionen erfolgte im 3. nen je 30%, RFID in einem bzw. in drei Jahren einzusetzen. Quartal 2007. Neben der gezielten Ansprache von Unter- Bei der Betrachtung des Gesamtprozesses zur Planung von nehmen sind zusätzlich Hinweise auf zahlreichen Websei- RFID im Unternehmen zeigt sich, dass mittelfristig knapp ten, in E-Mail-Newslettern sowie in bekannten themenbezo- 80% der mit Ja antwortenden Unternehmen planen, diese genen Fachzeitschriften platziert worden. Zur Beschrän kung Technologie in den nächsten drei Jahren einzuführen. (siehe Abb. 5) des Aufwandes der Befragungsteilnehmer wurde die kom- Wird zusätzlich der Umstand berücksichtigt, dass in dieser plette Erhebung online durchgeführt. Die Auswertung ist im Zeit die technologische Entwicklung weiter fortschreitet und November 2007 abgeschlossen worden. damit in den Blickwinkel heute noch unentschlossener Un- ternehmen rückt, kann unabhängig von den bisherigen Pla- 3.2 Ergebnisse der Unternehmensbefragung nungsaktivitäten von einer Zunahme der RFID-Anwendungen An der Studie nahmen insgesamt 100 Unternehmen aus den im deutschen Wirtschaftsraum bis zum Jahre 2010 und da- Bereichen Verarbeitendes Gewerbe, Handel, Dienstleistun- rüber hinaus ausgegangen werden. gen und öffentliche Einrichtungen der Region Berlin und Insgesamt sind die Ergebnisse der Unternehmensbefragung Brandenburg teil. Auszugsweise werden in diesem Bericht zum Thema RFID nicht weiter verwunderlich. Den Schritt aus die Ergebnisse zu zwei Themenbereichen wiedergegeben. den Fachzeitschriften heraus hat die RFID-Technologie längst

Planungaktivitäten zum Einsatz von RFID im Unternehmen Ja Nein n

Planen Sie, RFID in Zukunft einzusetzen? 43% 57% 100

Wenn Ja, wann haben Sie vor, die RFID-Technologie einzusetzen?

30% 30% 19% 21%

1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre >3 Jahre

Legende: n - Anzahl Befragungsteilnehmer

Abb. 4: Bewertung der Möglichkeiten von RFID

10 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

Bewertung der Möglichkeiten von RFID (--) (-) (+) (++) ¦ n (); )(

Beschleunigung des Produkt- und Warenflusses 0% 9% 41% 50% 91% 86

Rückverfolgung von Produkten und Waren 4% 8% 39% 49% 88% 85

Verwaltung von Waren und Anlagegütern 2% 17% 41% 40% 80% 86

Informations- und Dokumentenmanagement 1% 23% 42% 34% 76% 88

Auslastung vorhandener Kapazitäten 4% 25% 45% 26% 71% 84

Abb. 5: Planungsaktivitäten zur Einführung von RFID geschafft und ist nunmehr durch verschiedene Initiativen Weitere Impulse sind aus dem vom BMBF im Rahmen des aus Wirtschaft und Politik einem breiteren Publikum be- ForMaT-Programms geförderten Vorhabens „Innovative kannt geworden. Anwendungsszenarien werden nunmehr RFID-Anwendungen“ zu erwarten, das derzeit an der TFH nicht nur pilotiert und in Fachbeiträgen diskutiert, sondern Berlin unter Beteiligung der Fachbereiche I, VI und VIII ge- auch in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt. Vor diesem startet wird. Hintergrund belegen die Antworten, dass sich zusätzlich zum Interesse an RFID auch die Bereitschaft der Befragungs- teilnehmer zeigt, diese Technologie in ihrem Unternehmen Literatur einsetzen zu wollen. [Ull07a] Ullmann, Werner; Axmann, Roswitha; Doberstein, Daniel (2007): Einsatz von RFID in der Baulogistik: Er- 4. Zusammenfassung gebnisse einer Unternehmensbefragung. Der Einsatz von RFID wird zur Zeit intensiv diskutiert. Die [Ull07b] Ullmann, Werner; Behr, Frank; Tombrink, Alexander Technologie wird dabei häufig als die Möglichkeit darge - (2007): Marktstudie RFID in Berlin Brandenburg, Fachbe- stellt, die Effizienz von Unternehmensprozessen zu steigern. reich I TFH Berlin, ISBN 3-938576-09-0. Durch eine umfassende Identifizierung von Objekten mit [Wet07] Wetzel, Thilo; Carl, Christopher (2007): RFID Pro- RFID – so die Erwartungen – könnten Unternehmen zum jekt: Bewegte Transponder, Fachbereich VI TFH Berlin. einen ihre Kosten senken und zum anderen eine Service- gradsteigerung erzielen. Ob diese Ziele wirklich umgesetzt werden können, bzw. ob sich eine Investition lohnt, bleibt Kontakt abzuwarten. Die momentane Konsolidierung des RFID-Mark- Prof. Dr.-Ing. Werner Ullmann tes trägt dazu bei, dass sich die gesamte Euphorie um die Technische Fachhochschule Berlin Technologie wieder etwas gelegt hat und nunmehr realisti- FB I - Haus Gauß, Raum B 530 sche Anwendungen genauer untersucht und bewertet wer- Luxemburger Straße 10 den können. 13353 Berlin Tel.: (030) 4504-2327 5. Ausblick E-Mail: [email protected] Mit Hilfe der Erkenntnisse aus der bisherigen Forschungsar- beit an der TFH Berlin und den Ergebnissen aus der Unter- nehmensbefragung soll in Zukunft eine verstärkte Zusam - Kooperationspartner menarbeit mit Unternehmen der Region Berlin-Brandenburg Cronon AG angestrebt werden. Um mögliche Anwendungsfelder zu ex- Professional IT-Services trahieren, könnten durchzuführende Praxisbeispiele in aus- Pascalstraße 10 gewählten Unternehmen dazu beitragen, Anregungen für 10587 Berlin Wirtschaftlichkeitsanalysen zu geben, bzw. den Nutzen von Tel.: (030) 39802-0 RFID explizit aufzuzeigen. www.cronon.net

11 E-Learning-Standards für Lehrmaterialien in der BWL

E-Learning-Standards für Lehrmaterialien in der BWL Dipl. Inf. (FH) Claudia Pritzkow, Prof. Dr. rer. pol. Hans Schmitz Kooperationspartner: Technik und Medien GmbH

Die Informationstechnologie gewinnt in der Aus- und Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Die Vernetzung und die Entwicklung von Lernraumsystemen und multimedialen Wissensbeständen ermöglichen flexible Lernformen. An der Tech- nischen Fachhochschule werden diese Potenziale durch den Einsatz neuer Lerntechnologien erschlossen, der auch das An- gebot vollständiger Online-Studiengänge umfasst. Das Forschungsprojekt untersuchte, wie der Einsatz durch die Nutzung von E-Learning-Standards unterstützt werden kann. Im Ergebnis wurde ein Umsetzungskonzept erarbeitet und ein Anwen- dungsmodell für die praktische Nutzung entwickelt.

Information technology becomes increasingly important in the world of education and continuous training. The develop- ment and integration of learning management systems and multimedia knowledge bases enable flexible ways of learning. By introducing new learning technologies, the University of Applied Sciences, Berlin puts these opportunities into effect. The research project analyzed how e-learning standards can support those activities. As a result a specific concept was de- signed and a software solution was implemented.

1. Defizite bei der Umsetzung von E-Learning- Das Forschungsprojekt setzte an diesem Defizit an und ana- Standards lysierte den Nutzen von E-Learning-Standards für E-Learning- Durch E-Learning können Lernende auf Lerninhalte und Auf- Produkte mit betriebswirtschaftlichem Inhalt, grenzte ent- gaben mittels Informationstechnologie zugreifen. Die Mate- sprechende Anwendungsszenarien ab und entwickelte da- rialien können zeit- und ortsunabhängig, entsprechend dem rauf basierend ein standardkonformes Anwendungsmodell. individuellen Lerntempo und persönlicher Bedürfnisse ge- Die Neuartigkeit des Projekts ergibt sich unter anderem aus nutzt werden. Der Einsatz von E-Learning-Technologien bie- der Untersuchung eines komplexen konkreten Anwendungs- tet sowohl Lernenden als auch Lehrenden erweiterte Kom- beispiels – der TFH Berlin im Verbund der Virtuellen Fach- munikations- und Kontaktmöglichkeiten. Die Lehre kann hochschule. In diesem Bericht werden ausgewählte Ergeb- durch das Angebot von E-Learning-Materialien unterstützt, nisse des Projekts vorgestellt. die Qualität der Lehre verbessert werden. In diesem Kontext werden E-Learning-Standards grundsätz- 2. Grundlegende Potenziale von E-Learning- lich als wichtig, bzw. als sehr wichtig eingestuft. Seitens der Standards Anbieter ist dabei die Austauschbarkeit von Lernmaterialien Standards und Spezifikationen für den Bereich des E-Lear- zwischen unterschiedlichen Institutionen und die dadurch nings spielen bei der Entwicklung von Lerninhalten und vor gewährleistete Sicherstellung der Konkurrenzfähigkeit allem bei der institutions- und projektübergreifenden Nut- durch Kostenreduktion relevant. „The development costs zung eine immer wichtigere Rolle. Sie werden als Basis für can be reduced by keeping in mind the possibilities of reu- die Entwicklung von Verwaltungs- und Verwertungsmodellen sing learning contents…“ [EP06]. Aus Nutzersicht entstehen angesehen. Auf ihrer Grundlage sollen Anbieter und Nach- durch die Umsetzung von Standards Möglichkeiten zur Stei- frager in Zukunft in Tauschbörsen, institutionsübergreifen- gerung der eigenen Kompetenz und flexiblere Spielräume den Kooperationen, spezifischen Datenbanken und Bil- bei der Auswahl von Produkten oder Anbietern. dungsservern E-Learning-Ressourcen zusammentragen und finden [BK02]. Durch Standardisierungsbemühungen kön- Trotz dieser grundsätzlichen Vorteile der Standardisierung nen Lernkomponenten an individuelle und organisa torische erfolgt die Umsetzung von E-Learning-Standards bisher nur Gegebenheiten angepasst werden. Als relevante Ziele wer- in sehr geringem Umfang. Eine Studie der Universität Bern den u.a. folgende Punkte genannt [Mon04]: zeigt, dass ein wesentliches Hindernis für die Anwendung von E-Learning-Standards darin besteht, dass der aktuelle · Accessibility und Discoverability: E-Learning-Materia- Stand der Entwicklung unübersichtlich ist und Ressourcen lien sollen von verschiedenen Orten aus aufrufbar sein. fehlen, bei der Entwicklung von E-Learning-Produkten Stan- Die Inhalte sollen näher beschreibbar und katalogisier- dards zu berücksichtigen. „Als weitere Gründe wurde vor bar sein, um eine systematische Suche zu ermöglichen. allem die Konzentration auf die Entwicklung von Inhalten ge- · Durability: Bereits erstellte E-Learning-Materialien sol- nannt …“ [Mon04]. len bei technischen Neuerungen, z.B. bei einem Versi-

12 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

onswechsel des LMS, möglichst einfach weiter bearbei- nächst ist das Fachwissen in Textform aufbereitet in den tet und verwendet werden können. Lerneinheiten vorhanden. Vielfach sind die Informationen · Interoperability: Existierende E-Learning-Materialien auch in gesprochener Form abrufbar, da entsprechende Au- sollen in unterschiedlichen LMS ohne Informationsver- diodateien hinterlegt sind. lust und Funktionseinschränkungen erkannt und verar- beitet werden können. · Reusability: Mehrmalige Verwendung von Lernobjek- ten, die auch in unterschiedlichen Kombinationen zu- sammengesetzt werden können, soll möglich sein.

Es wurde das gesamte Spektrum der derzeit vorliegenden E- Learning-Standards analysiert [Pri08]. Als relevanter Stan- dard für die praktische Umsetzung wurde der Quasistandard SCORM (Sharable Content Object Reference Model) 2004 identifiziert. Bei SCORM 2004 handelt es sich um eine Sammlung von Spezifikationen und verschiedenster Stan- dards, die kompakt zusammengeführt wurden. Entwickelt Abb. 1: Grundlegende Elemente einer Lerneinheit wurde dieser von der ADL (Advanced Distributed Learning)- Initiative. Ebenfalls in Textform sind unterschiedlich umfangreiche Bei- spiele in die Lerneinheiten integriert. Diese Beispiele dienen SCORM besteht aus vier Büchern, die eigenständig versio- der praktischen Verdeutlichung der vorher allgemein vorge- niert werden. Der allgemeine Teil – Overview – gibt einen stellten Sachverhalte und bilden zum Teil die Grundlage von Überblick über die anderen Bücher und beschreibt die Ge- Übungsaufgaben. Die entsprechenden Aufgaben werden schichte und Ziele des Standards. Im CAM (Content Aggre- teilweise ebenfalls in Textform präsentiert und sind mit Mus- gation Model)-Buch werden grundsätzliche Konzepte terlösungen verknüpft. beschrieben. Weiterhin werden Konzepte für das Zusam- menstellen von SCO’s (Sharable Content Objects), die Aus- Animationen und interaktive Aufgaben sind Elemente von zeichnung bzw. Beschreibung dieser Objekte und die Regeln Lerneinheiten, die auf die Möglichkeiten des Computers zu- zur Ablaufsteuerung der Komponenten beschrieben. Im RTE rückgreifen, einfache Formen der Interaktion zwischen Ler- (Runtime Environment)-Buch werden die Kommunikations- nenden und Materialien zu unterstützen. Ebenfalls wege und -abläufe zwischen den SCO und dem LMS be- interaktiven Charakter weisen die Tests auf, bei denen die schrieben. Seit SCORM 2004 ist das SN (Sequencing and Auswertung der Antworten unmittelbar innerhalb der Lern- Navigation)-Buch neuer Bestandteil bei SCORM. In ihm wird einheiten erfolgt und die Lernenden eine Rückmeldung er- beschrieben, wie SCORM-konformer Lerninhalt entspre- halten. chend lerner- und/oder systeminitiierter Navigationsereig- Die einzelnen Elemente werden zu einer Einheit zusammen- nisse durchlaufen werden kann. gefasst, die dann eine logisch in sich abgeschlossene Lern- einheit darstellt. Mehrere Lerneinheiten bilden ein Lern- 3. Anforderungen an E-Learning-Standards aus modul, das im Regelfall einem Studienfach eines Studien- Hochschulsicht gangs entspricht. Die Grundlage für die Anforderungsanalyse bildeten die Controlling-Module im Bachelorstudiengang Wirtschaftsin- Ausgehend von einer Analyse der Wiederverwendungs- genieurwesen, den die TFH Berlin im Verbund „Virtuelle szenarien, die sich an der TFH Berlin im Zusammenhang mit Fachhochschule“ anbietet. Durch die Betrachtung betriebs- Online-Studiengängen und Weiterbildungsangeboten erge- wirtschaftlicher Lehrmaterialien werden auch Besonderhei- ben, wurden vier Dimensionen der Wiederverwendung abge- ten dieses Fachgebiets berücksichtigt. Wesentliche Ergeb- leitet [Pri08]. Wie in Abbildung 2 dargestellt, werden die nisse lassen sich auch auf andere Fachgebiete übertragen. Wiederverwendung im Zeitablauf, die Wiederverwendung durch andere Lehrpersonen, auf Basis anderer Technologien Gegenstand der Wiederverwendung sind Lernmodule oder und in anderen fachlich-inhaltlichen Zusammenhängen un- Lerneinheiten zu einem Fachgebiet. Die Lerneinheiten sind terschieden. Diese Zusammenstellung gibt die spezifische intern noch weiter untergliedert, wobei die Navigation in Sicht des Anwendungsfalls wieder, wobei sich die bereits den Materialien frei möglich ist. Die grundlegenden Ele- angesprochenen allgemeinen Ziele mit diesen Dimensionen mente einer Lerneinheit sind in Abbildung 1 aufgeführt. Zu- verknüpfen lassen.

13 E-Learning-Standards für Lehrmaterialien in der BWL

daktischer Szenarien, die sich in den Standards finden, wer- den aufgrund des Detaillierungsgrads der Darstellung nicht weiter aufgegriffen.

Um die Wiederverwendung durch andere Lehrpersonen und in anderen fachlich-inhaltlichen Zusammenhängen auch praktisch zu ermöglichen und die reale Nutzung in Learning- Management-Systemen zu demonstrieren, wurde die Ent- wicklung eines entsprechenden Anwendungsmodells voran- getrieben.

4. Erstellung eines Anwendungsmodells Ausgehend von der Frage der Praxisrelevanz von E-Learning- Standards im Kontext der Technischen Fachhochschule Ber- Abb. 2: Dimensionen der Wiederverwendung im Hochschulkontext lin wurde ein SCORM 2004-konformes Anwendungsmodell entwickelt. Für die vier angesprochenen Dimensionen lassen sich die wichtigsten Anforderungen für den Anwendungsfall der TFH Das Modell besteht aus mehreren Komponenten. Aus dem Berlin folgendermaßen zusammenfassen: LMS (Moodle) heraus besteht die Möglichkeit, nach relevan- ten Lernobjekten zu suchen und diese in den eigenen Kurs Wiederverwendung im Zeitablauf zu integrieren. Die Integration erfolgt mittels Verlinkungen · Transparente Verwaltung der Lerneinheiten im Hinblick zum Repository. Dies bietet den Vorteil, dass durchgeführte auf die Wartung Aktualisierungen bzw. Überarbeitungen am Lernobjekt un- · Versionsverwaltung der Materialien mittelbar wahrgenommen werden können. Somit kann in · Erfassung und Verwaltung von Fehlermeldungen und Kursen auf bereits existierendes Lernmaterial zugegriffen, Änderungswünschen dieses aber auch durch selbst erstellte Lernobjekte ergänzt Wiederverwendung durch andere Lehrpersonen werden. Wie in Abbildung 3 dargestellt, werden für diesen · Beschreibung der Inhalte und der didaktischen Kon- Zweck zwei Schnittstellen zur Verfügung gestellt. Zum einen zepte für Lehrpersonen wurde ein Tool (Metadatenreader) entwickelt, mit dessen · Anpassbarkeit an persönliche Wünsche oder unter- Hilfe eine Datenbank durchsucht wird, die alle Metadaten schiedliche Lehrmeinungen (mindestens individuelle der Lernobjekte enthält. Die Dozenten/Dozentinnen können Auswahl und Zusammenstellung von Lerneinheiten zu über eine einfache Eingabemaske nach Keywords, Titeln Kursen) oder Fachgebieten suchen und erhalten eine entsprechend Wiederverwendung in anderen fachlich-inhaltlichen Zu- eingegrenzte Zusammenstellung an Lernobjekten. Durch sammenhängen Auswahl des in Frage kommenden Objekts wird eine spezifi- · Anpassbarkeit an unterschiedliche Zielgruppen sche Beschreibung, die sog. Metadaten, angezeigt. An die- · Anpassbarkeit an unterschiedliche Branchenbezüge ser Stelle kann nun die Integration in den Kurs erfolgen, · Differenzierte inhaltliche Suche in den Lehrmaterialien Wiederverwendung auf Basis anderer Technologien · Transferierbarkeit auf unterschiedliche Learning-Ma- nagement-Systeme

Aus den Anforderungen ergeben sich Schwerpunkte bei der Adaption von E-Learning-Standards an der TFH Berlin. Im Vordergrund steht zunächst der gezielte Einsatz von Meta- daten, um die Wiederverwendung im Zeitablauf, durch an- dere Lehrpersonen und in anderen fachlich-inhaltlichen Zusammenhängen zu unterstützen. Gerade für die beiden letztgenannten Dimensionen wurde die Notwendigkeit er- kannt, durch die Entwicklung geeigneter Taxonomien die in- haltliche Beschreibung der Materialien im Rahmen der Metadaten zu verbessern. Die Ansätze zur Beschreibung di- Abb. 3: Repository für Lernobjekte

14 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

welches die zweite Schnittstelle darstellt, oder wieder zu- die informationstechnologische Realisierung in Form des be- rück zur Auswahlliste gesprungen werden. schriebenen Anwendungsmodells. Die Umsetzung wird durch eine entsprechende fachspezifische Taxonomie für die Als weiteres Tool wurde der imsManifestParser entwickelt. Betriebswirtschaftslehre unterstützt. Dies ist ein auf JAVA basierendes System, das die einzelnen Lernobjekte nach der Manifest-Datei (imsmanifest.xml) durchsucht. Jedes Lernobjekt wird in der imsmanifest.xml Literatur durch Metadaten beschrieben, die Organisationsstruktur [Bre02] Bremer, C.; Kindt, M. (2002): Vorwort im Reader zum wird dargestellt und es besteht die Möglichkeit, anzugeben, Workshop Standardisierung im eLearning. wie die Navigation und der Ablauf zu steuern sind. Der ims- [Ehl06] Ehlers, U.-D.; Pawlowski, J.M. (2006): Handbook on ManifestParser sucht explizit nach der Manifest-Datei und Quality and Standardisation in E-Learning. Heidelberg: liest die dort angegebenen Metadaten in eine Datenbank Springer. ein. [Mon04] Montandon, C. (2004): Standardisierung im e-Learning. Eine empirische Untersuchung an Schweizer Dem Produktionsbereich steht ein weiteres Tool, der Meta- Hochschulen. Arbeitsbericht Nr. 161, Institut für Wirt- dateneditor, zur Verfügung. Dieser bietet die Möglichkeit, schaftsinformatik der Universität Bern. jedem Lernobjekt Metadaten zu übergeben und diese aus- [Mon06] Montandon, C. (2006): Adoption von Standar- zulesen. Die Grundlage des Editors bietet der in SCORM disierung im e-Learning – Eine Umfrage bei e-Learning- 2004 integrierte LOM (Learning Object Management)-Stan- Projekten an Hochschulen im deutschen Sprachraum; dard. Durch die Anbindung einer Taxonomie Datenbank wird Arbeitsbericht Nr. 180, Institut für Wirtschaftsinformatik die Möglichkeit der Klassifizierung der einzelnen Lernob- der Universität Bern. jekte erleichtert und verallgemeinert. Nach Einfügen der [Pri08] Pritzkow, C.; Schmitz, H.: Einsatz von E-Learning- Daten, bzw. nach Aktualisierung dieser wird entweder auto- Standards zur Wiederverwendung im Hochschulkontext. matisiert oder per Hand die Aktualisierung des Index-Repo- Arbeitsbericht; erscheint in der Reihe Berichte aus dem sitory angestoßen. Das Anwendungsmodell leistet somit die Fachbereich I, Wirtschafts- und Gesellschaftswissen- praktische Umsetzung des E-Learning-Quasistandards schaften, Technische Fachhochschule Berlin. SCORM 2004.

5. Zusammenfassung Kontakt Seit Beginn des Jahres 2007 wurden die für den Bereich E- Prof. Dr. Hans Schmitz Learning relevanten Quasi-Standards ausgewertet und hin- Technische Fachhochschule Berlin sichtlich der vorliegenden Online-Materialien an der Tech- FB I - Haus Gauß, Raum 251 nischen Fachhochschule auf ihre Eignung untersucht. So- Luxemburger Straße 10 wohl die Produktionsabläufe bei der Erstellung von digitali- 13353 Berlin sierten Lernmaterialien im Labor Online-Learning an der Tel.: (030) 4504-5261 Technischen Fachhochschule Berlin, als auch die des Koope- E-Mail: [email protected] rationspartners wurden betrachtet und ausgewertet. Das prof.tfh-berlin.de/schmitz Material des Online-Studiengangs Wirtschaftsingenieurwe- sen wurde untersucht und im Hinblick auf die Umsetzung von Standards im Bereich E-Learning ein Leitfaden zur Er- Kooperationspartner stellung von digitalen Lerninhalten konzipiert. Technik und Medien GmbH Gneisenaustraße 70 Im nächsten Schritt wurden aus vorhandenen Lernmateria- 10961 Berlin lien standardkonforme (SCORM-kompatible) Lernobjekte Tel.: (030) 695090-59 abgeleitet. Eine wichtige Rolle bei der standardkonformen E-Mail: [email protected] Erstellung spielt dabei die inhaltliche Beschreibung der www.tm-online.de Lernobjekte im Rahmen des SCORM-Standards, so dass diese gesucht, gefunden und in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden können. Entsprechend den Anforderun- gen an der Technischen Fachhochschule Berlin, wurde ein Szenario zur Suche, zum Auffinden und zur Nutzung von Lernobjekten entwickelt. In mehreren Teilschritten erfolgte

15 Datenfluss zwischen Engineering und Logistik bei variantenreicher Fertigung

Datenfluss zwischen Engineering und Logistik bei variantenreicher Fertigung Dipl.-Ing. Oliver Rüdiger, Prof. Dr. rer. oec. Klaus Helbig Kooperationspartner: InMediasP GmbH, Hennigsdorf

Die Varianz eines Produktes spiegelt sich in dessen Produkt- und Produktionsbeschreibung wider. Im folgenden Text wird die Problematik des Flusses dieser Daten zwischen der Konstruktion und der Produktion beschrieben. Drei Industriebei- spiele vertiefen den Einblick und zeigen Lösungsansätze. Abschließend werden die diesbezüglich vorhandenen Möglich- keiten der Software SAP ERP und die Vorgehensweise bei der Dokumentation erläutert.

Product variance is being reflected in the description of the product and its production. This essay describes the problems of data the stream between engineering and production. Three industrial examples deepen the insight into problems and provide solutions. At the end, the options of SAP software and the documentation procedure will be explained.

1. Einleitung Im Zusammenhang mit dem Thema Varianten wird oft das Modell T von Ford („Tin Lizzy“) genannt: das Automobil wurde mit der Umstellung der Produktion auf die Fließband- fertigung aufgrund der Kostenersparnis nur noch in einer Farbvariante gebaut – schwarz. Die nachlassenden Absatz- zahlen zwangen aber nach zehn Jahren, auf die Kundenwün- sche bei der Farbgebung einzugehen. So gering die anfäng- liche Auswahl an Farben auch war, so breit gefächert war da- gegen die Auswahl an Aufbauten auf dem immer gleichen Fahrgestell. Abb. 1: ILEP-Logo.

Gegenstand der Forschungen ist die Prozessschnittstelle SAP ERP konnte durch Hinzuziehen von Beratern unterstützt zwischen den Engineering- und den Logistikabläufen in In- werden, die in den Räumlichkeiten der InMediasP GmbH mo- dustrieunternehmen bei variantenreicher Fertigung. Es wer- dulspezifische Vorträge und Workshops präsentierten. Nach den insbesondere die Prozess- und Systemanforderungen außen präsentierten sich die Forschungsbeteiligten gemein- eingehend betrachtet, die sich aus dem hohen Individuali- sam unter dem Logo des ILEP (Integration of Logistic and En- sierungsgrad der Produkte aufgrund der Variantenvielfalt er- gineering Processes): s. Abbildung 1. geben. Die Forschungsarbeit stützt sich auf drei Säulen:

· Theoretische Untersuchung der Themenkomplexe Vari- Als Ergebnis der Forschungsarbeit sollen Demonstratoren anten, Datenfluss zwischen Konstruktion und Produk- zur Darstellung ausgewählter Prozessszenarien als Wissens- tion und die Zusammenführung der genannten Themen speicher für Kundenpräsentationen beim Forschungspartner · Praktische Beispiele aus der Industrie verifizieren die und Lehrveranstaltungen an der TFH Berlin dienen. Zusam- theoretischen Ansätze und liefern Impulse für Erweite- men mit den Erkenntnissen aus den theoretischen Untersu- rungen des Theorieteils chungen und dem Praxisabgleich bilden diese Demonstra - · Systemseitige Integration der Erkenntnisse mit den tionsszenarien die Grundlage für ein Beratungskonzept zur Softwarelösungen der SAP AG. Integration in das Dienstleistungsprogramm der InMediasP GmbH. Die InMediasP GmbH war in allen drei Bereichen ein hilfrei- cher Kooperationspartner: Als Consulting-Unternehmen für 2. Theoretische Betrachtungen virtuelle Produktentstehung existiert ein umfassendes Wis- Der Titel des Forschungsprojektes legt die Betrachtung von sen im Bereich des Produktdatenmanagements. Dank ande- zwei großen Themenkomplexen nahe. Zum einen soll das rer Projekte konnte der Kontakt zu Industrieunternehmen Thema der variantenreichen Fertigung beleuchtet werden. hergestellt werden, die sich durch variantenreiche Fertigung Zum anderen ist der Datenfluss zwischen der Konstruktion von komplexen Produkten auszeichnen. Die Arbeit mit dem eines Produktes und dessen Fertigung von Interesse. Im

16 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

dritten Abschnitt werden diese beiden Themenbereiche zu- 2.2 Datenfluss zwischen Engineering und Logistik sammengeführt. Der Druck des Marktes bewirkt in vielen Unternehmen eine mehr oder minder gut kontrollierte Diversifikation der Pro- 2.1 Varianten duktpalette. Gepaart mit einer ganzheitlichen Betrachtungs- Es gibt eine Vielzahl von Ursachen für die Entstehung von weise der Lieferkette (Supply Chain Management, SCM) Varianten eines Produktes: Der steigende Druck aufgrund führt dies zu einem Anstieg der Informationsmenge, die komplexer Kundenwünsche in einem Käufermarkt ist ebenso gleichzeitig an mehr Stellen im Unternehmen benötigt und eine Ursache, die von außen auf die Gestaltung der Produkt- durch vielfältige Anforderungen beeinflusst wird [Schuh05: palette eines Unternehmens einwirkt, wie die Änderungen 233ff.]. Im Folgenden soll der Abschnitt des Produktlebens- von Vorschriften und Standards und die Entwicklung von zyklus zwischen Konstruktion und Fertigung bzw. Montage Technologien. Daneben gibt es Ursachen für die Bildung von eines Produktes von besonderem Interesse sein. Die Kon- Varianten, die innerhalb eines Unternehmens zu suchen struktion erstellt die Daten eines vollständigen und den An- sind, z.B. ein historisch gewachsenes Produktspektrum oder forderungen des Kunden genügenden Produktes. Dann eine gewollte Unternehmensstrategie der Produktdiversifi- müssen die Produktdaten so ergänzt und umstrukturiert kation, aber auch Mängel in der Kommunikation und Koordi- werden, dass der sich anschließenden Fertigung und Mon- nation oder bei der Bewertung der Relation von Nutzen und tage alle benötigten Daten des Produktes und dessen Pro- Aufwand [Fra02: 26ff.]. duktion zur Verfügung stehen.

Die Vorteile neuer Kaufanreize für den Kunden und höherer Daten zur Beschreibung eines Produktes sind die Informa- Angebotspreise werden teuer erkauft, wenn man die er- tionen zu den benötigten Komponenten, deren Lage im Pro- höhte Komplexität und die damit verbundene Erhöhung der dukt, Mengen und Mengenverhältnisse. Daten, die vor allem Auftragsabwicklungszeiten, die Erschwernis im Qualitätsma- für die Produktion von Bedeutung sind, finden üblicher- nagement und die fehlende Transparenz der Kosten berück- weise in Arbeitsplänen Ausdruck: Vorgänge, deren Reihen- sichtigt. Eine unkontrollierte Vermehrung der Varianten folge, Komponentenzuordnungen, Arbeitsplätze, benötigte eines Produktes führt somit zu einem Kostenzuwachs bei Hilfsmittel und Vorgabezeiten. Bei den Darstellungsformen gleichzeitigem Zeit- und Qualitätsverlust. Im schlimmsten für die Produktstruktur kommt besonders den Stücklisten Fall nimmt der Kunde das breitere Angebot nicht mehr als eine besondere Bedeutung zu. Stücklisten führen analytisch Nutzen wahr, sondern wird durch die Vielzahl an Möglich - die Bestandteile eines Materials auf [Schul05: 377ff.]. Die keiten verwirrt. Abbildung 2 zeigt die drei Grundtypen für das gleiche End- produkt. Die Mengenstückliste verzichtet auf die Darstel- Für das Management von Varianten lassen sich vier grundle- lung der Produktstruktur und listet jede verwendete Kom- gende Handlungsweisen ableiten. Die zu produzierenden ponente mit der benötigten Gesamtmenge nur einmal auf. Varianten eines Produktes sollten gezielt geplant werden, Strukturstücklisten spiegeln die Struktur eines Erzeugnisses um eine in Anbetracht der Kosten und des daraus gewon - wider, indem Baugruppen zusammengefasst und deren nenen Nutzens optimale Vielfalt zu erzielen. Ferner gilt es, Komponenten – gekennzeichnet durch eine Ordnungszahl – unrentable Varianten zu vermeiden. Die umzusetzenden Va- aufgeführt werden. Eine Baukastenstückliste ähnelt der rianten sollen dagegen sicher beherrscht werden. Um den Strukturstückliste, da auch sie das Enderzeugnis in Bau- optimierten Zustand langfristig aufrecht zu erhalten, ist ein gruppen gliedert, jedoch wird für jede Baugruppe eine neue Variantencontrolling nötig. Im Folgenden soll insbesondere Baukastenstückliste eingeführt. So entstehen Vorteile bei die Beherrschung der Varianten eine Rolle spielen. Für den Bereich der Variantenbeherrschung können wiederum vier Blöcke von Methoden identifiziert werden [Men01: 4]. So müssen für die vollständige Beherrschung einer varianten- reichen Fertigung die Produktstruktur, die Arbeits- und Pro- zessorganisation, die Planung und Steuerung sowie das Pro- duktionssystem bewusst gestaltet werden. Das anfänglich genannte Beispiel des Ford Modell T zeigt allein schon die Umsetzung von zwei Handlungsweisen: Einerseits wurde auf Farbvarianz verzichtet, weil so auf weitere Lackierstraßen verzichtet werden konnte und andererseits wurden die un- terschiedlichsten Fahrzeugtypen angeboten, die alle auf der Abb. 2: Grundtypen von Materialstücklisten und deren grafische Inter- gleichen Plattform basierten. pretation.

17 Datenfluss zwischen Engineering und Logistik bei variantenreicher Fertigung

der Einarbeitung von Änderungen, da ein Baukasten mehr- zur Variantenstückliste, indem sie die Informationen für ver- fach verwendet werden kann, die Daten aber nur einmal ge- schiedene Varianten einer Baugruppe aufnimmt. Mögliche ändert werden müssen. Umsetzungen sind bspw. eine Gleichteilestückliste, die je nach Wahl der Variante mit einer entsprechenden Ergän- Ein wesentliches Problem des Datenflusses stellen die un- zungsstückliste erweitert wird oder die Vereinigung aller Va- terschiedlichen Sichtweisen der oben genannten Parteien rianten in einer Maximalstückliste, deren benötigte Kompo- auf dasselbe Produkt dar. Wenn bspw. in der Konstruktion nenten je nach Variante aktiviert werden. Analog zu den das Fertigerzeugnis nach seinen Funktionskomponenten Stücklisten können diese Methoden auch auf die Produkti- zergliedert wird, so ist diese Struktur nicht immer in der onsdaten übertragen werden. Montage zu verwenden. Hier ist die Reihenfolge des Zusam- menbaus von Bedeutung. Eine Funktionsbaugruppe des Zur Aktivierung der Komponenten einer Maximalstückliste Produktes muss dann zu mehreren Fertigungsbaugruppen oder eines Maximalarbeitsplanes können Produktmerkmale umstrukturiert werden. genutzt werden. So werden die Wahlmöglichkeiten auf wahrnehmbare Eigenschaften eines Produktes reduziert. Ein 2.3 Synthese der Themen Varianz und Datenfluss Beziehungswissen verbindet die Auswahl eines Merkmal- Aus der Synthese der beiden vorgenannten Themenkom- wertes mit uneingeschränkt vielen Änderungen und Aktivie - plexe Varianz und Datenfluss entsteht eine neue Proble- rungen von Komponenten der Maximalstruktur. matik, wobei unter anderem folgende Einflussgrößen eine Rolle spielen: 3. Industrielle Beispiele Die Häufigkeit der Leistungswiederholungen im Produkti- Für Vorträge über die Vorgänge des Datenflusses zwischen onsprozess, also die Art der Fertigung mit den Extrema Ein- Konstruktion und Produktion konnten Referenten aus dem malfertigung und Massenfertigung, bestimmt die Gestal- Luft-, Nutz- und Schienenfahrzeugbau gewonnen werden. tung des Fertigungsablaufs, die Möglichkeit der Vorberei- Insbesondere der letztgenannte Industriezweig wurde im tung und den Automatisierungsgrad. Rahmen einer Diplomarbeit eingehender betrachtet. Es konnte ein Einblick in verschiedene Lösungsansätze und Der Entkopplungspunkt bzw. Order-Penetration-Point stellt Einflussfaktoren vermittelt werden. die Grenze zwischen einer auftragsneutralen Vorratsproduk- tion von Standardkomponenten und einer kundenspezifi- Für die Luftfahrtindustrie ist zu bemerken, dass aufgrund schen Fertigung dar. Damit im Zusammenhang ist der Vari - von internationalen Vereinbarungen die Produktstruktur antenentstehungszeitpunkt zu sehen. Er kann bspw. durch eines Flugzeugs in den obersten Ebenen genormt ist und Marktforschung sehr früh im Produkterstellungsprozess lie- einem einheitlichen Nummerierungssystem folgt. Erst in den gen, wenn so die ideale Variantenvielfalt gefunden wird. Ebenen unter der vorgegebenen Struktur können die kon- Sämtliche Eventualitäten des Produktes und der Produktion kreten individuellen Teile und Baugruppen aufgeführt wer- können bereits vor der konkreten Fertigung bedacht wer- den. Beim untersuchten Beispiel eines international pro- den. Andererseits können die Wünsche des Kunden so un- duzierenden Luftfahrzeugbauers wird in der Konstruktion vorhersehbar sein, dass die Planung einer Variante in ein spezielles PDM-Programm (PDM = Produktdatenmana- keinem Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen gement) genutzt, das die Speicherung von Maximalstruktu- Umsetzung der Produktion steht. ren und deren Konfigurierbarkeit nutzt, so dass die Wieder- verwendung von Teilen und Baugruppen bei gleichzeitiger Die Komplexität eines Produktes, die im Wesentlichen durch Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit ermöglicht wird. Für die Gesamtanzahl der benötigten Teile und der Anzahl der individuelle Kundenwünsche werden die vorhandenen unterschiedlichen Teile geprägt ist, steht im direkten Zusam- Strukturen ergänzt. Zur Ausführung der Produktion gelangt menhang mit der Komplexität der Produktion und somit des allerdings keine Maximaldokumentation, hier werden für je- Aufwandes der Arbeitsvorbereitung. weils ein Flugzeug die benötigten Daten in ein ERP-System (ERP = Enterprise Resource Planning) der Firma SAP über- Es ist nahezu die Regel, dass Unternehmen im Bereich der nommen. Konstruktion und der Produktion unterschiedliche Software- lösungen zum Einsatz bringen. Somit muss auch die Proble- Das betrachtete Unternehmen des Nutzfahrzeugbaus prakti- matik der Softwareschnittstellen betrachtet werden. ziert konzernweit mehrere Strategien der Variantenentwick- Um den Fluss der Daten bei variantenreicher Fertigung zu lung. Die Vorträge und Untersuchungen wurden auf eine der gewährleisten, muss die Struktur der Produkt- und Produkti- Marken beschränkt, deren Produkte in einem Variantenbau- onsdaten überdacht werden. Eine Baukastenstückliste wird kasten mit nachgelagerter individueller Zusatzentwicklung

18 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

am Markt angeboten werden. Die Komponenten sind durch ein umfassendes Beziehungswissen untereinander ver- knüpft und schließen sich gegenseitig ein oder aus. Es liegt also eine intensiv vorausgeplante Produktvarianz vor, wobei eine konkrete Konfiguration erst nach ihrer Entstehung auf Plausibilität geprüft und durch weitere Komponenten er- gänzt wird.

Der Schienenfahrzeugbau ist besonders im untersuchten Bereich der Triebzüge ein vom Kunden beherrschter Markt. Die Wünsche der Auftraggeber sind höchst individuell und die Konstruktionsphase zieht sich weit in die Bauphase hi- nein. Eine Besonderheit des untersuchten Unternehmens ist eine konzernweite Konstruktion der Fahrzeuge und die Spei- cherung der Daten in einem einheitlichen PDM-Programm, Abb. 3: Notationsform der SAP-Demonstrationsprozesse. die dann an den jeweiligen Produktionsstandorten in teil- weise höchst unterschiedliche ERP-Programme überführt verzweigt auf drei untergeordnete Ebenen, die nacheinander werden. Es existieren zu keinem Zeitpunkt Variantenstruktu- an die grundlegende und von der speziellen Software unab- ren, wie sie in den beiden vorigen Industriebeispielen darge- hängige Problematik des jeweiligen Abschnitts heranführen. stellt wurden. Jedes Fahrzeug erhält eine komplett eigene Das zweite Dokument erläutert durch Bildschirmausdrucke Produktstruktur, bei der in den unteren Ebenen auf die Wie- und Skizzen die Vorgänge, die dann im dritten Dokument als derverwendung von Komponenten und Baugruppen geach- systematisch aufgebaute Arbeitsanleitung umgesetzt wer- tet wird. den (Abb. 3).

4. Umsetzung der Kenntnisse im SAP ERP Nicht nur eine einheitliche und geplante Gestaltung der De- Dieser Abschnitt stellt zeitlich betrachtet den aufwändigsten monstratoren soll den Einstieg in die Ergebnisse des For- Block des Forschungsprojektes dar. Die ausführlichen Ergeb- schungsprojektes erleichtern. Es wurde für die folgenden nisse sollen Interessierten an anderer Stelle zur Verfügung Dokumentationen ein künstliches – aber realistisch herstell- gestellt werden. Da die TFH Berlin dem SAP Hochschulkom- bares – Produkt („HuU“) erdacht, dessen Bestandteile und petenzzentrum (HCC) Magdeburg der Otto-von-Guericke Fertigungsschritte sich als roter Faden durch alle demons - Universität in Magdeburg angeschlossen ist, stand für die trierten Möglichkeiten der Software ziehen. So werden die Untersuchungen ein SAP ERP mit zentralen Komponenten in einzelnen Abschnitte vergleichbar und das zu erstellende der Version 5.0 zur Verfügung. Produkt lenkt nicht von der eigentlichen Thematik ab.

4.1 Wissensaufbau und Wissensspeicherung 4.2 Ergebnisse und Wissensstand Um das Thema Datenfluss bei variantenreicher Fertigung auf Als Ergebnis des Wissensaufbaus werden den Interessierten die Möglichkeiten der Softwarelösungen von SAP anzuwen- mehrere Pakete der beschriebenen Demonstratoren zur Ver- den, musste zuerst ein breitgefächertes Wissen über die zu fügung gestellt. Sie bauen größtenteils aufeinander auf bzw. untersuchenden Module aufgebaut werden. Vor allem Fach- erstellen das identische variantenreiche Produkt mit Hilfe literatur, die anhand einfacher Demonstrationsbeispiele den von drei Möglichkeiten der zur Verfügung stehenden Soft- Umgang erklärt, Demonstrationsprozesse des HCC und der ware. dort veröffentlichten Arbeitspapiere anderer Hochschulen sowie Vorträge und Workshops von Beraterinnen und Bera- Um sich mit der Produktion zu beschäftigen, wird zuerst tern ermöglichten das Lernen des Umgangs mit der Soft- eine Produktstruktur benötigt, die es ermöglicht, durch ware. Merkmalsbewertung die gewünschten Komponenten aus einer Maximalstruktur zu wählen. Dieser Demonstrations- Zur Speicherung des erlangten Wissens wurde eine eigene prozess endet mit der Simulation einer Konfiguration. Ein di- Notationsform entwickelt, die es einerseits Einsteigerinnen rekt darauf aufbauender Demonstrator erklärt die Produk- und Einsteigern ermöglicht, Zugang zu den Softwarelösun- tion dieses Fertigerzeugnisses durch einen variantenreichen gen der SAP AG zu gewinnen, andererseits aber auch fortge- Arbeitsplan. Ein Arbeitsplan als klassisches Instrument zur schrittenen Nutzerinnen und Nutzern einen schnellen Erstellung eines Produktes oder einer Baugruppe ist ge- Überblick der Lösungen verschafft: Ein Sammeldokument nauso einem Erzeugnis zugeordnet wie dessen Bestandteile

19 Phthalocyanine und Biotransformationen

durch die Stückliste. Eine Verbindung der Komponenten zu den hier genannten Themenbereichen des Forschungspro- den einzelnen Vorgängen erfolgt manuell und beinhaltet jektes folgen. keine Automatismen im Falle von Änderungen. Abschlie- ßend wird durch einen Kundenauftrag zur Fertigung die auf- Gerade die in Kapitel 4.2 zuletzt genannte Softwarelösung gebaute Produkt- und Produktionsstruktur getestet. des integrierten Produkt- und Prozess-Engineerings birgt ein Im Gegensatz zum Arbeitsplan, dessen detaillierte und beträchtliches Potential für weitere Untersuchungen, da es starre Angaben sich vor allem bei Fertigung in großer Auf- im Gegensatz zu den beiden Produktionsformen Arbeitsplan lage rentieren, steht das Projektsystem im SAP ERP. Ein Pro- und Projektsystem das Thema Varianten und differierende jekt zeichnet sich zumeist durch seine zeitliche Begrenzung, Datensicht verschiedener Bereiche eines Unternehmens Neuartigkeit und einen komplexen Umfang aus. Es ist mög- grundlegend neu aufgreift. Hier schränkt leider eine Restrik- lich, in einem Projekt ein oder mehrere Produkte zu erzeu- tion der Softwarenutzbarkeit den derzeitigen Ergebnisum- gen: Es werden nicht wie beim Arbeitsplan die Vorgänge fang ein. einem Erzeugnis zugeordnet, sondern es wird ein sog. Netz- plan aufgebaut [Fra07: 46ff.], dem die Erzeugnisse und deren Komponenten manuell zugeordnet werden. Auch die Literatur Vorgänge des Netzplanes können zu deren Aktivierung in [Fra02] Franke, Hans-Joachim; Hesselbach, Jürgen; Huch, Verbindung mit Merkmalswerten gebracht werden. Burkhard; Firchau, Norman (2002): Variantenmanage- ment in der Einzel- und Kleinserienfertigung, Carl Hanser Einen völlig neuen Weg geht das integrierte Produkt- und Verlag, München Wien. Prozess-Engineering (iPPE) von SAP. Die Produktstruktur [Fra07] Franz, Mario (2007): Projektmanagement mit SAP muss in diesem eigenständigen System neu aufgebaut wer- Projektsystem, Galileo Press, Bonn. den. Das iPPE soll es ermöglichen, dass Produkt-, Prozess- [Koh05] Kohlhoff, Stephan (2005): Produktentwicklung mit und Fabrikstruktur miteinander vereint in einem gemeinsa- SAP in der Automobilindustrie, Galileo Press, Bonn. men Modell dokumentiert werden [Koh05: 227ff.]. Die Vari- [Men01] Menge, Marc (2001): Ein Beitrag zur Beherrschung anz eines Produktes und dessen Produktion sind hier fester der Variantenvielfalt in der auftragsbezogenen Einzel- Bestandteil der Softwarelösung. Leider sind die Möglichkei- und Kleinserienfertigung komplexer Produkte, Schriften- ten des zur Verfügung stehenden Softwaresystems auf die reihe des IWF, Technische Universität Braunschweig, Vul- Produktvariantenstruktur begrenzt, so dass die Demonstra- kan Verlag, Essen. tion eines vollständigen Fertigungsprozesses nicht möglich [Schuh05] Schuh, Günther (2005): Produktkomplexität ist. managen, Carl Hanser Verlag, München Wien. [Schul05] Schulte, Christof (2005): Logistik – Wege zur 5. Zusammenfassung Optimierung der Supply Chain, Verlag Franz Vahlen, Die erhältliche Literatur behandelt ausführlich das Thema München. Varianten, wobei das Planen des optimalen Variantenpro- gramms und das Erkennen unrentabler Varianten die größte Kontakt Bedeutung haben. Informationen zum Übergang der Daten Prof. Dr. rer. oec. Klaus Helbig von der Konstruktion zur Produktion bei einer variantenrei- Technische Fachhochschule Berlin chen Fertigung sind dagegen eine Seltenheit. Aufgrund der FB I - Haus Gauß, Raum 253 Individualität des Produktes und der Produktion wird klar, Luxemburger Straße 10 dass es keine universelle Lösung geben kann. 13353 Berlin Tel.: (030) 4504-2821 Als Ergebnis der Forschungsarbeit sollen die Demonstrati- E-Mail: [email protected] onsprozesse zum Heranführen an die Problematik dienen. Es werden dadurch auch Lösungsansätze für eine kleine Auswahl an Möglichkeiten gegeben. Es ist beabsichtigt, die Kooperationspartner Demonstratoren auf den Internetseiten des HCC zu veröf- InMediasP GmbH fentlichen, um sie so auch anderen angeschlossenen Hoch- Neuendorfstraße 18a schulen zugänglich zu machen. Mit der dreigeglie der ten 16761 Hennigsdorf Vorlagenstruktur ist eine Grundlage für weitere Demonstra- Tel.: (03302) 559-420 tionsprozesse – auch aus anderen Themenbereichen – mit E-Mail: [email protected] dem SAP ERP geschaffen worden. Um auf einzelne Details einzugehen, werden voraussichtlich Veröffentlichungen zu

20 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

Gründungen aus Hochschulen Dipl.-Soz. Viktoria Trosien, Prof. Dr. rer. pol. Heiner Brockmann Kooperationspartner: FINANCE – Das Finanzmagazin für Unternehmer, Frankfurt am Main

Eine Befragung von TFH-Studierenden höherer Semester (Spätphase) zeigt einen hohen Anteil von Gründungsinteressier- ten. Die Nachfrage nach Veranstaltungen mit gründerspezifischen Inhalten fällt jedoch vergleichsweise gering aus. Im Rahmen der Spätphasen-Befragung wird erstmals unterschieden, ob sich das Gründungsinteresse auf Vollerwerbs- oder Nebenerwerbsgründungen bezieht.

A survey among examinees of the University of Applied Sciences, Berlin reveals a high share of students who are interes- ted in setting up their own business. The demand for courses with entrepreneurial contents, however, turns out to be rela- tively low. The survey differentiates between intended full time or part time self-employment.

Einleitung Ergebnisse der Spätphasen-Umfrage Seit Ende der 90er Jahre finden Gründungen aus Hochschu - Inhaltlich bestätigen die Ergebnisse der Spätphasen-Um- len in stärkerem Maße Beachtung bei der Ausgestaltung der frage die Ergebnisse anderer Studien zum Gründungspoten- staatlichen Förderpolitik. Das Interesse der Studierenden an zial an Hochschulen [Bro08]: Das Interesse der Studie- einer selbständigen Tätigkeit ist in den vergangen Jahren im renden an der Selbständigkeit als beruflicher Alternative ist Rahmen verschiedener Befragungen untersucht worden. groß. Im Rahmen der Spätphasenbefragung gaben 57% der Alle Befragungen zeigen ein großes Interesse der Studieren- Studierenden an, später selbständig tätig sein zu wollen. den an der Selbständigkeit als beruflicher Alternative. Im Jeder zehnte Befragte kann als potenzieller Gründer angese- Einzelnen weichen die Ergebnisse und Methoden jedoch hen werden. voneinander ab. Motive für und gegen die Selbständigkeit Im Rahmen des Forschungsprojektes „Gründungen aus Die Argumente, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, Hochschulen“ wurden diese Studien ausgewertet und ein werden von Gründungsinteressierten ähnlich bewertet wie Tool zur Erforschung des Gründerpotenzials entwickelt. Die- von anderen Studierenden: Die Verwirklichung eigener ses Tool umfasst Befragungen auf drei Stufen, nämlich einer Ideen und die Unabhängigkeit werden durchweg als wich- Befragung von Drittsemestern (Frühphase), Studierenden tigste Vorteile gesehen. Am Ende der Rangskala findet sich höherer Semester (Spätphase) und Alumni. das Argument „hohes gesellschaftliches Ansehen“. Auch die Einkommensperspektiven werden von den Studierenden Die Forschungsassistenz IV knüpft an die Arbeiten der For- nicht als wesentliches Argument für die Selbständigkeit ge- schungsassistenz III an. Im Rahmen der FA III wurde die sehen, höher bewertet wird noch das Kriterium „eigene Leis- Frühphasen-Umfrage durchgeführt, ausgewertet und die tungsfähigkeit unter Beweis stellen“. In den offenen Ant- Ergebnisse in Form eines Berichts veröffentlicht [Bro06]. worten werden zudem die flexible Arbeitszeiteinteilung und Außerdem wurde die Spätphasen-Umfrage durchgeführt. Im die Vielseitigkeit (wechselnde Auftraggeber), aber auch die Mittelpunkt der Forschungsassistenz IV standen somit die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Vorteile ge- Auswertung der Spätphasen-Umfrage sowie die Konzeption nannt. und die Durchführung der Alumni-Befragung. Das wichtigste Argument gegen die Selbständigkeit ist für fast alle Studierenden das hohe Risiko. Auf den weiteren Plätzen folgen der zu hohe Leistungsdruck, die mangelnde 182 Alle Teilnehmer 100% Trennung von Privatleben und Beruf und die unregelmäßige

103 Gründungsinteressierte 56,6% Arbeitszeit. In den offenen Antworten wird zudem auch die schlechte Zahlungsmoral als Argument gegen eine selbstän- 18 9,9% = potenzielle Gründer dige Tätigkeit angeführt. Als nicht zutreffend werden dage- gen von den Studierenden aller Gruppen die Argumente 15 8,2% = pot. Gründer, die bereits selbständig tätig sind (4,4%) oder „Berufswunsch schließt Selbständigkeit aus“, „geringes ge- waren (3,8%) sellschaftliches Ansehen“ und „schlechte Erfahrung mit Abb. 1: Gründungspotenzial an der TFH Berlin Selbständigen“ gesehen.

21 Gründungen aus Hochschulen

Abb. 2: Argumente für die Selbständigkeit Abb. 3: Argumente gegen die Selbständigkeit

Hinderungsgründe für die Selbständigkeit So gaben 23% der Gründungsinteressierten an, ausschließ- Als wichtigste Hürden für die Gründung werden von allen lich eine selbständige Tätigkeit anzustreben, und 34% der Gruppen der Gründungsinteressierten die Beschaffung des Gründungsinteressierten, später sowohl selbständig als erforderlichen Kapitals und die unsichere persönliche Ein- auch abhängig beschäftigt tätig sein zu wollen. Erstere wer- kommenssituation genannt. Von nicht wesentlich geringerer den im Folgenden als Interessierte an einer Vollerwerbs- Bedeutung sind die Argumente „kein Kontakt zu poten ziel - gründung betrachtet, letztere als Interessierte an einer len Geschäftspartnern“ sowie „zu hohe bzw. schwer kalku- Nebenerwerbsgründung. lierbare Risiken“ und „Überwindung des bürokratischen Aufwands“. Alumni-Umfrage – Durchführung und erste Ergebnisse Nachfrage nach gründerspezifischem Wissen Die Fragebögen der Früh- und Spätphase wurden auf die Die Umfrageergebnisse zeigen – in Übereinstimmung mit an- Zielgruppe der Alumni angepasst. Dazu wurden Fragen er- deren Studien – eine große Kluft zwischen dem Interesse an gänzt, beispielsweise um Informationen über die durch dem Thema „Existenzgründung/Selbständigkeit“ und dem Alumni gegründeten Unternehmen zu erhalten. Anders als Besuch von Lehrveranstaltungen mit gründerspezifischen die Früh- und Spätphasen-Umfrage wurde die Alumni-Befra- Lehrinhalten: Im Rahmen der Spätphasen-Umfrage geben gung als Online-Umfrage konzipiert und realisiert. Die Rück- nur 30% der Gründungsinteressierten an, wenigstens eine laufquote war mit ca. 18% sehr gut für eine Online-Umfrage Lehrveranstaltung zum Thema Gründung belegt zu haben. und tendenziell sogar höher als die vorherigen Briefumfra- Bemerkenswert ist insbesondere, dass 55% der Gründungs- gen. Erste Ergebnisse: Unter den Alumni findet man neben interessierten, die direkt nach dem Studium zu gründen be- 17% bereits selbständig Tätigen noch 40% Gründungsinte- absichtigen, keine Lehrveranstaltung belegt haben. Diese ressierte und 26% potentielle Gründer. Ergebnisse legen nahe, das Veranstaltungsangebot besser zu bewerben bzw. zu präsentieren, aber auch, die Studieren- Zusammenfassung und Ausblick den zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit dem Thema Die Selbständigkeit ist für viele Studierende eine interes- zu motivieren. sante berufliche Alternative. Immer mehr Hochschulen stel- len sich darauf mit einem entsprechenden Angebot von Differenzierung zwischen Vollerwerb und Nebenerwerb Lehrveranstaltungen und Förderangeboten ein. Trotz erster In methodischer Hinsicht wurde im Zusammenhang mit der Studien zum Gründungspotenzial an Hochschulen ist der Er- Spätphasen-Umfrage ein wichtiger Aspekt deutlich: das kenntnisstand noch nicht sehr weit entwickelt. Gründungsinteresse der Studierenden kann sich auf eine Selbständigkeit im Voll- oder Nebenerwerb beziehen. Eine Hinsichtlich weiterer Forschungsarbeiten legen die Ergeb- solche Differenzierung erfolgte in den bisherigen Umfragen nisse der Spätphasen-Umfrage nahe, bei der Analyse des nicht (dies gilt auch für die Frühphasen-Umfrage). Erfolgt Gründungspotenzials an Hochschulen zwischen Vollerwerbs- also die Abschätzung von Gründungsinteresse und Grün- und Nebenerwerbsgründungen zu unterscheiden. Eine sol- dungspotenzial an Hochschulen mit Blick auf zukünftige che Differenzierung ist nicht nur angezeigt, um die volks- Wertschöpfung und Beschäftigung, erscheint eine Differen- wirtschaftlichen Wirkungen (Beschäftigung, Innovation, zierung zwischen Vollerwerbs- und Nebenerwerbsgründun- Wertschöpfung) von Gründungen aus Hochschulen ange- gen jedoch angezeigt. Im Rahmen der Spätphasen-Umfrage messener abschätzen zu können. Auch liegt es nahe, das wird erstmals eine solche Unterscheidung vorgenommen. Angebot an Lehre und Förderung für Gründungen an Hoch-

22 Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

schulen bezüglich der beiden Zielgruppen unterschiedlich Kontakt auszugestalten. Prof. Dr. rer. pol. Heiner Brockmann Sinnvoll erscheint es desweiteren, Umfragen zum Gründer- Technische Fachhochschule Berlin potenzial als Längsschnittanalysen zu konzipieren, um auf FB I - Haus Gauß, Raum 249 diese Weise die Entwicklung des Gründungsinteresses von Luxemburger Straße 10 Studierenden im Zeitablauf untersuchen zu können und 13353 Berlin Rückschlüsse für das Angebot an Lehrveranstaltungen und Tel.: (030) 4504-5259 Förderung zu gewinnen. E-Mail: [email protected]

Literatur Kooperationspartner [BMBF02] Bundesministerium für Bildung und Forschung FINANCE – Das Finanzmagazin für Unternehmer (BMBF) (Hg.)(2002): Studierende und Selbständigkeit. Er- c/o F.A.Z-Institut gebnisse der Exist-Studierendenbefragung. Bonn. Mainzer Landstraße 199 [Bro06] Brockmann, Heiner; Greaney, Patrick Kevin 60326 Frankfurt am Main (2006): „Gründungen aus Hochschulen. Ergebnisse und Tel.: (069) 75912494 Implikationen einer Befragung von Drittsemestern der TFH Berlin“. Berichte aus dem Fachbereich I, Nr. 4/2006. [Bro08] Brockmann, Heiner; Greaney, Patrick Kevin (2008): „Gründungen aus Hochschulen – Ergebnisse und Implikationen einer Befragung von Studierenden höherer Semester der TFH Berlin“. Berichte aus dem Fachbereich I, Nr. 1/2008. [Isf03] Isfan, Katrin; Moog, Petra (2003): Deutsche Hochschulen als Gründungsinkubatoren. Schriften zur Mittelstandsforschung des IfM Bonn. Wiesbaden.

23 Synthese neuer Siderophore

Synthese neuer Siderophore Dipl.-Ing. (FH) Rafael Burghardt, Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Trowitzsch-Kienast Kooperationspartner: Dr. Michael Meyer (Revotar AG Hennigsdorf), Priv.-Doz. Dr. Susanne Häußler, Dr. Victor Wray; Dr. Florenz Sasse, Dr. Kurt Dittmar (alle Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig), Prof. Dr. Rolf D. Walter (Bernhard-Nocht-Institut Hamburg)

Siderophore sind niedermolekulare Liganden, die in der Natur von Mikroorganismen und Pflanzen synthetisiert werden, um die Aufnahme von Eisen-Ionen ins Zellinnere zu ermöglichen. So lässt sich z.B. das Wachstum bei Mycobakterien, das stark von der Eisenaufnahme abhängig ist, durch Zugabe von geeigneten Siderophoren beschleunigen. Siderophore über- winden die Zellmembran von Mikroorganismen über aktive Transportwege, damit können sie als Drug-Delivery-Systeme zur Einschleusung verschiedener, z.B. an sie gebundener Antibiotika, dienen. Unser Projekt beschäftigt sich mit der Syn- these neuartiger Siderophore vom Catechol-Typ. Daten zu diversen biologischen Aktivitäten der Syntheseprodukte liegen zum Teil vor und sind vielversprechend.

Siderophores are natural, low molecular weight compounds synthezised by microorganisms and plants for iron intake. For example, the addition of suitable siderophores to culture media of mycobacteria can speed up their growth. Siderophores make use of active transport systems in microorganisms; hence they can be used as drug delivery systems. Conjugates with antibiotic active compounds may be useful for treatment of infections by pathogenic bacteria. Our project deals with the synthesis of new catechol-type siderophores. Some data regarding their various biological activities are already availa- ble and are very encouraging.

1. Einleitung Im Folgenden wird gezeigt, wie die Eigenschaften der Side- Physiologisch verwertbares Eisen ist ein essentielles Spuren- rophore durch eine gezielte Variation der Grundstrukturen element, also für das Wachstum fast aller Lebewesen dieser auf verschiedene Einsatzmöglichkeiten hin optimiert wurden. Erde, auch für Mikroorganismen, unverzichtbar. Für einen uneingeschränkten Metabolismus benötigen Mikroorganis- 2.1 Siderophore für die medizinische Diagnostik men Eisenkonzentrationen von 10-6 mol/L. Die maximal mög- Siderophore, deren Grundstrukturen sich an natürlich vor- liche Konzentration von gelösten Fe3+-Ionen im Erdboden kommenden Strukturen orientieren, können in der medizini- liegt bei einem physiologischen pH-Wert von 7–8 jedoch nur schen Diagnostik an pathogene Keime verfüttert werden. bei 10-18 mol/L. Ähnlich geringe Konzentrationen an frei vor- Diese wachsen und vermehren sich dadurch schneller. Für liegenden Fe3+-Ionen existieren in höheren Organismen wie möglicherweise infizierte Patienten kann dies eine Verkür- z.B. im menschlichen Körper. Mikroorganismen und Pflanzen zung der Wartezeit mit sich bringen, in der nach einem Ab- mussten also einen Weg finden, um das Eisen für sich biolo- strichtest pathogene Mikroorganismen in der Körperflüssig- gisch verfügbar zu machen. Die Lösung hierzu heißt: Sidero- keit nachgewiesen werden. Das ist vor allem wichtig bei der phore. Es sind kleine, Eisen komplexierende Moleküle, die in Untersuchung von sehr langsam wachsenden Bakterien wie der Natur von Mikroorganismen und Pflanzen synthetisiert z.B. Mycobacterium tuberculosis. Die Untersuchung auf die- werden [DRE97]. Sie sind in der Lage Fe3+-Ionen zu komple- sen Erreger der Tuberkulose dauert normalerweise 5–6 Wo- xieren und sie in gut lösliche Eisen-Sidero phorkom plexe zu chen. In einem früherem Projekt ist es gelungen, das Pyri- überführen [MEY04]. Frühere Untersuchungen zeigten, dass auch die Zugabe von synthetisch hergestellten Sideropho- ren das Wachstum von Zellkulturen beschleunigt [ABM98].

2. Einsatzmöglichkeiten synthetischer Siderophore Die Eigenschaften der Siderophore eröffnen im Kampf gegen Krankheiten neue Möglichkeiten. Biologische Tests bewiesen, dass sich in Abhängigkeit von der Struktur sowie in Abhängig- keit von eingeführten Asymmetrie-Zentren die biologische Aktivität dieser Siderophore dirigieren lässt. In unserem Pro- jekt wurde eine Vielzahl von Siderophoren mit Dihydroxy- benzoesäure (Catecholat) als Ligandensystem synthetisiert. Abb. 1: Die Leitstruktur Pyridinochelin (Lead)

24 Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie

dinochelin zu synthetisieren und zu belegen, dass dieser säure-Grundgerüsten basierende Siderophore in ausreichen- Siderophor das Wachstum von Mycobakterien beschleunigt den Mengen zu synthetisieren. Durch die Kopplung mit fluo- (s. Abb. 1) [MEY01]. reszierenden Substanzen wird gerade die Möglichkeit unter- sucht, diese Siderophore zur Analytik von pathogenen Bak- Als Siderophorgrundgerüst dienen Diamine (hier das 2,6- terien z.B. Mycobacterium tuberculosis einzusetzen. So ließen Bis-methylamino-Pyridin) die zu tetra-dentaten Chelaten sich als fluorophore Gruppen z.B. NBD, die N-Methylanthra- aufgebaut werden. Auf Basis der Leitstruktur des Pyridino- nilsäure und das Fluorescein einbauen (s. Abb. 3). chelins wurden weitere Siderophore synthetisiert. Einige der Auch Siderophorgrundgerüste mit freien Hydroxyl-Funktio- neu hergestellten Derivate konnten die Wachstumsge- nen sind für unterschiedliche Anwendungen relevant. So schwindigkeit bei pathogenen Pseudomonaden (Stamm war es uns durch die Ankopplung von langkettigen Fettsäu- PAO-1) verdoppeln bis verdreifachen (unveröffentlicht). ren an freie Hydroxylgruppen einiger Siderophore möglich, die Lipophilie dieser Verbindungen extrem zu erhöhen. Da 2.2 Siderophore für den Wirkstofftransport die Fettsäure mit der Hydroxylgruppe einen Ester bildet, be- Die aktive Aufnahme durch Mikroorganismen lässt Sidero- steht hier die spätere Möglichkeit der in-vivo-Spaltung mit- phore auch als mögliche Wirkstofftransporteure gegen pa- tels Esterasen. thogene Mikroorganismen viel versprechend erscheinen. So können an das Siderophorgrundgerüst geknüpfte Medika- 2.4 Siderophore bei Eisenüberschusskrankheiten mente, wie Antibiotika, direkt in Bakterien eingeschleust Siderophore können auch als Eisenkonzentrationen verrin- werden. Der Siderophor wirkt dann als Drug-Delivery-System. gernde Medikamente eingesetzt werden. Ein Siderophor, Solchen Systemen kommt die Bedeutung eines Trojanischen das Desferrioxamin B (DesferalTM), findet seit langem An- Pferdes zu. Ein Vertreter dieser Klasse ist das Myxochelin- wendung bei einer Erbkrankheit, die als ␤-Thallassämie Monobactam-Addukt (s. Abb. 2). Es ist wirksam gegen multi- bekannt ist. Es kommt bei dieser Krankheit zu einer abnor- resistente Pseudomonaden (Krankenhauskeime). Als Side- mal großen Anhäufung von Fe3+-Ionen im Blut. Für eine rophorgrundgerüst diente hier die Aminosäure Lysin, an die notwendige Austragung dieser Ionen aus der Körperflüs- das Ligandensystem angeknüpft ist. An der Carboxylgruppe sigkeit sollten jedoch Eisen komplexierende Verbindungen ist zusätzlich das Monobactam als antibiotisch wirksame zum Einsatz kommen, die im Gegensatz zu den zuvor genan- Komponente befestigt [AMB99]. nten nicht in der Lage sind, Bakterien und hier vor allem pathogene mit Eisen zu versorgen. Sie sollten also keine Ähnliche Verbindungen konnten auch mit den neuen Sidero- siderophore Wirkung zeigen. Zudem sollten sie möglichst phoren hergestellt werden, diese befinden sich ebenfalls oral wirksam sein. Beides trifft für den Marktführer, das Des- noch im biologischen Testverfahren feral, nicht zu. Frühere Untersuchungen zu der Verbindungsklasse der Myx- 2.3 Siderophore als Fluoreszenz-Sonden zur Identifikation ocheline zeigten, dass diese Vorraussetzung durch eine Chi- von Mikroorganismen ralitätsänderung des Siderophors erreicht werden kann Auf Aminosäuren basierende Grundgerüste haben im Ver- [AMB99]. Solche modifizierten Verbindungen haben zwar die gleich zur Leitstruktur des Pyridinochelins den Vorteil weite- gleiche Struktur, und damit auch die gleiche Summenformel, rer freier Bindungsstellen z.B. in Form von Amino- oder verhalten sich jedoch wie Bild und Spiegelbild zueinander. Carboxylgruppen. Es ist uns gelungen, auch solche auf Amino- Ein Beispiel hierfür sind die Enantiomere des Myxochelin C. Während das S-konfigurierte Myxochelin C sehr wohl in der Lage ist Salmonella thyphimurium mit Eisen zu versorgen, zeigt das R-konfigurierte Myxochelin C keine siderophore Wirkung gegen diesen Salmonellenstamm. Dieses Phänomen konnten wir bereits bei einigen weiteren Verbindungen am Bakterienstamm Pseudomonas aeruginosa (PAO-1) beob- achten.

2.5 Siderophore im Kampf gegen Malaria Seit langem ist bekannt, dass Siderophore auch erfolgreich zur unterstützenden Bekämpfung von Malaria eingesetzt werden können. Plasmodien, die Verursacher von Malaria, Abb. 2: Bis-DHB-D-Lys-Monobactam-Addukt, wirksam gegen multiresis- benötigen ebenfalls Fe3+-Ionen. Der Zugriff von Plasmodien tente Pseudomonas aeruginosa auf diese Ionen wird durch die Gabe von Eisen komplex-

25 Synthese neuer Siderophore

NBD-Derivat Fluorescein- N-Methylanthranilsäure-Derivat Derivat

Abb. 3: An Siderophore gekoppelte fluorophore Gruppen für die Anwendung als Fluoreszenzmarker im analytischen Bereich, Sid = Siderophor

ierenden Verbindungen erschwert. Von R. J. Bergeron Jr. ist [AMB98] Ambrosi, H.-D., Hartmann, V., Pistorius, D., Reiss- aktuell hierzu im letzten Jahr eine Patentanmeldung erfolgt, brodt, R., Trowitzsch-Kienast, W., Myxochelins B, C, D, E die Siderophore vom Hydroxamat-Typ gegen die Malaria be- and F: A New Structural Principle for Powerful Sidero pho- ansprucht [BER07]. Auch die im Rahmen dieser Forschungs- res Imitating Nature, Eur. J. Org. Chem., 541–55, 1998. tätigkeit beschriebenen Verbindungen zeigten Aktivitäten [AMB99] Internat. Patentanmeldung, WO 97 49 669 A1, gegenüber einem Plasmodium-Stamm. Weitere Tests hierzu Ambrosi, H.-D., Bindseil, K.-U., Jas, G., Müller-Kuhrt, L., werden zurzeit am Bernhard-Nocht-Institut durchgeführt. Reissbrodt, R., Trowitzsch-kienast, W., Compounds wich can form compalexes with metals, angemeldet: 2.6 Siderophore als Rostlöser 24.02.98, offengelegt 09.09.99. Siderophore können in der Technik zur schonenden Entros- [BER07] US Patentanmeldung, 2070232664, Bergeron R. J. tung eingesetzt werden. Rost besteht hauptsächlich aus Jr., Iron binding agents, angemeldet: 17.10.2006, offen- Fe2O3-Molekülen, in denen Eisen dreiwertig vorliegt. Diese gelegt: 04.10.2007. schwerlöslichen Eisenoxide können mit Hilfe von Sideropho- [MEY01] Meyer, M., Schnurre, R., Reissbrodt, R., Trowitzsch- ren in gut lösliche Eisen-Siderophor-Komplexe umgewandelt Kienast, W., Computer-Aided Design of Novel Sideropho- werden. Diese können dann einfach mit Wasser abgewaschen res: Pyridinochelin, Z. Naturforsch. 56c, 540–546, 2001. werden, um so auf ganz natürliche und schonende Art Rost- [MEY04] Meyer, M., Trowitzsch-Kienast, W. Theoretical and schichten abzutragen. Hierfür kommen vor allem Verbindun - experimental studies of siderophore structure and gen in Frage, die einfach und preiswert herzustellen sind function, Recent Res. Devel. Physical Chem., 7, 127–149, bzw. solche, die als Nebenprodukte bei der Synthese hoch- 2004. wertiger Siderophore anfallen. Letzteres ist bei zwei der durch uns synthetisierten Siderophore der Fall. Bei Ihrer groß- technischen Produktion könnten die Nebenprodukte zu Ent- Kontakt rostungszwecken eingesetzt werden, was eine hohe Effizienz Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Trowitzsch-Kienast der Synthese zur Folge hätte. Technische Fachhochschule Berlin FB II - Haus Beuth, Raum A 240 3. Zusammenfassung Luxemburger Straße 10 Die von uns hergestellten Siderophore mit neuem Grund- 13353 Berlin gerüst weisen eine Vielfalt an biologischer Wirksamkeit auf. Tel.: (030) 4504-2738 Speziell die Einsatzmöglichkeit von Siderophoren als ana- E-Mail: [email protected] lytische Tools zur Identifikation von pathogenen Bakterien durch Fluoreszenz-Markierung erscheint vielversprechend. Dipl.-Ing. (FH) Rafael Burghardt Ebenso interessant ist die wachstumsfördernde Wirkung bei E-Mail: [email protected] pathogenen Bakterien einiger Siderophore. Die ersten posi- tiven Ergebnisse zur Aktivität gegen Plasmodien geben zu weiteren Experimenten berechtigten Anlass. Kooperationspartner REVOTAR Biopharmaceuticals AG Neuendorfstrasse 24a Literatur 16761 Hennigsdorf [DRE97] Drechsel, H., Winkelmann, G., Iron Chelation and Tel.: (03302) 2025010 Siderophores, 1 – 39, Transition Metals in Microbial Me- E-Mail: [email protected] tabolism, Taylor & Francis Ltd, 1997. www.revotar.de

26 Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie

Entwicklungen zur analogen und digitalen Holographie Dipl.-Ing. (FH) Sven Plöger, Prof. Dr. rer. nat. habil. Jürgen Eichler, Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Vollmann Kooperationspartner: HOLOEYE Photonics AG, Berlin

Auf Flüssigkristalltechnik basierende Mikrodisplays können als dynamische optische Elemente zur Implementierung von Bildern oder anderen optischen Funktionen in holographischen Masteringsystemen integriert werden. Solche Systeme fin- den beispielsweise in der Sicherheitstechnik zur Herstellung von individuellen, holographischen Merkmalen Verwendung (z.B. Markenschutz, Personaldokumente u.ä.). Gezeigt werden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten zur Nutzung sowie die Leistungsfähigkeit solcher Mikrodisplays.

Microdisplays based on liquid crystal technology can be integrated in holographic mastering setups. These displays can dynamically encode image, text or other optical functions. This technology is already being used in holographic security applications (e.g. product security, identity cards) as well as in commercial and display holography. We demonstrate the implementation and performance of such microdisplay systems.

1. Mikrodisplays als Lichtmodulatoren Der große Vorteil liegt dabei in der Möglichkeit, Muster dy- Die Firma Holoeye entwickelt und verkauft Mikrodisplays für namisch mit bis zu 60Hz auszugeben. Das verwendete Dis- diverse technische Anwendungen darunter auch für hologra- play besitzt eine Auflösung von 1280x768 Pixel bei einer phische und lithographische Implementierungen. Die Ko- Pixelgröße von 20μm. Solche Mikrodisplays sind dadurch operation mit der TFH Berlin eröffnete die Möglichkeit, unter Nutzung des seit Jahren erfolgreich betriebenen Holographie- labors der TFH, die Möglichkeiten und Performance der LCD- Technologie in verschiedenen Masteringsystemen zu unter- suchen.

Unter Mikrodisplays versteht man z.B. LCD (Liquid Crystal Display) oder LCoS Bildschirme mit einer Bilddiagonale von einem Zoll und weniger. LCoS steht dabei für „Liquid Crystal on Silicon“. Der Unterschied zur LCD-Technik liegt haupt- sächlich darin, dass LCoS-Displays mit Reflexion und nicht mit Transmission von Licht arbeiten. Während bei LCDs die Ansteuerelektronik neben den einzelnen Flüssigkristall- zellen untergebracht werden muss, um die Transmission von Licht zu ermöglichen, wird bei der LCoS-Technik die Elektro- nik hinter einer Reflexionsschicht untergebracht. Auf dieser sitzen wiederum die einzelnen Flüssigkristallzellen. So ist es möglich, den Füllfaktor, d.h. die für Flüssigkristallzellen und nicht für die Ansteuerelektronik genutzte Fläche, gegenüber LCDs deutlich zu erhöhen.

Im Rahmen der Kooperation wurden verschiedene Aufbau- ten für ein holographisches Mastersystem realisiert. Dabei wird ein Mikrodisplay verwendet, das als Objekt für eine analoge holographische Aufnahme dient. Hauptbestandteil war dabei der räumliche Lichtmodulator HEO-720 der Firma HOLOEYE (Abb.1 ). Dabei handelt es sich um ein Mikrodisplay- system, das auf LCoS-Technik basiert. Solche Displays kön- nen beliebige zweidimensionale Objektinformationen (z.B. Bilder, Text, sicherheitstechnische Merkmale aber auch ho- lographische Muster) mit bis zu 256 Graustufen darstel len. Abb. 1: HEO-720 Lichtmodulator

27 Entwicklungen zur analogen und digitalen Holographie

ideal als Masterobjekte und können Anwendungen sowohl in der Sicherheitstechnik als auch in der kommerziellen oder Displayholographie finden. Der Lichtmodulator lässt sich einfach über die DVI-Schnittstelle einer Grafikkarte an einen PC anschließen und wie ein zweiter Monitor verwenden. Unterschieden werden zwei Arbeitsmodi. Im Amplitudenmo- dus wird die Polarisationsrichtung von einfallendem, linear polarisiertem Licht vom HEO-720 Lichtmodulator je nach Adressierung der einzelnen Pixel gedreht. Ein Polarisations- filter hinter dem Display lässt das reflektierte Licht dann in Abb. 2: Einstrahlaufbau für Reflexionshologramme Abhängigkeit von der Polarisationsrichtung passieren. Der adressierte Inhalt (Bilder, Text o.ä.) kann dann z.B. mit einer Lampe, Sonnenlicht), wobei sich die besten Ergebnisse mit Linse auf einem Schirm abgebildet werden bzw. in einen ho- einer Punktlichtquelle oder mit parallelem Licht erreichen lographischen Aufbau eingekoppelt werden. lassen. Mit dem richtigen Einfallswinkel lässt sich dann das Hologramm beobachten. Da die Flüssigkristalle doppelbrechend sind, kann das Dis- play auch im Phasenmodus betrieben werden. Dabei wird, 2.2 Lithografischer Aufbau entsprechend in Abhängigkeit von der Adressierung der ein- Entfernt man den Spiegel aus dem in Abbildung 2 gezeigten zelnen Pixel, die Phase des Lichts moduliert. So darge stellte Aufbau, erhält man eine Art von lithografischen Aufbau, mit Phasenobjekte können z.B. Phasenhologramme oder dif- dem man computergenerierte Hologramme (CGH), die auf fraktive Linsen sein. Somit können optische Komponenten dem Display adressiert sind, in die fotoempfindliche Schicht dynamisch codiert werden und führen zu erhöhter Flexibili- überträgt. Da es keinen Referenzstrahl gibt, kann man hier- tät der holographischen Masteringsysteme. bei nicht von einem holographischen Aufbau sprechen. Stattdessen erhält man nach dem Entwickeln und Bleichen 2. Lichtmodulatoren als holographische Master- ein diffraktives optisches Element (DOE) bzw. ein CGH. Be- objekte leuchtet man es mit einem konvergierenden Laserstrahl, Im Rahmen der Kooperation sind mehrere Anordnungen ent- wird die Rekonstruktion des CGH in der Fokusebene sichtbar standen, in denen der Lichtmodulator als Objekt für die Auf- (Abb. 3). nahme von analogen Hologrammen dient, wobei je nach Aufbau sowohl Laser-Transmissionshologramme als auch Weißlichthologramme entstanden. Für die Durchführung der Hologrammaufnahmen wurde ein frequenzverdoppelter Nd:YAG-Laser verwendet, der eine Leistung von 150 mW bei einer Wellenlänge von 532 nm emittiert. Bei dem verwende- ten holographischen Material handelt es sich um AGFA HO- Abb. 3: links: auf dem Display adressiertes computergeneriertes Holo- LOTEST 8E56. Nach der Aufnahme wurden die Hologram me gramm (CGH); mitte: Beleuchtung der entwickelten und gebleichten Fo- entwickelt und gebleicht. Es können natürlich auch Laser toplatte mit Laserlicht; rechts: rekonstruiertes Bild mit anderen Wellenlängen und entsprechendes holographi- sches Material verwendet werden.

2.1 Single-Beam-Hologramme Eine holographische Aufnahme bei der der Referenzstrahl und der Objektstrahl aus entgegengesetzten Richtungen einfallen, erzeugt ein so genanntes Denisyuk-Hologramm [Sax03, Abr81]. Bei einem Einstrahlaufbau wird dies mit Hilfe eines Spiegels hinter dem Hologramm realisiert (Abb. 2). Solche Hologramme sind sehr beliebt für die Displayholo- graphie, aber auch in Sicherheitsanwendungen. Das aufge - nommene Interferenzmuster kann dabei als Überlagerung der Interferenzmuster der einzelnen Pixel betrachtet wer- den. Für die Rekonstruktion solch eines Hologramms be- nötigt man nur eine Weißlichtquelle (d.h. herkömmliche Abb. 4: Zweistrahlaufbau für Laser-Transmissionshologramme

28 Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie

2.3 Zweistrahlaufbau für Transmissionshologramme In der konventionellen Holographie wird üblicherweise ein Zweistrahlaufbau genutzt [Sax03, Abr81, Ack07]. Wie in Ab- bildung 4 zu sehen ist, treffen dabei der Objektstrahl und der Referenzstrahl von der selben Seite auf das Hologramm, wo das bei der Überlagerung der beiden Strahlen entste- hende Interferenzmuster gespeichert wird. Abb. 5: links: Bitmap des adressierten Bildes; rechts: Rekonstruktion des Bildebenenhologramms Bildebenenhologramm (Weißlichthologramm, focused- image-Hologramm) Wird für die Aufnahme der holographische Film in die Bild- ebene der Linse hinter dem Display platziert, so dass die Re- konstruktionsebene in der Hologrammplatte liegt, spricht man von einem Bildebenenhologramm [Ack07]. Das entwickelte Hologramm kann dann mit Weißlicht rekonstruiert werden (Abb. 5).

Laser-Transmissionshologramm Im Gegensatz zum Bildebenenhologramm liegt die Holo- Abb. 6: Fotoaufnahmen von einem Projektionsschirm; grammebene vor der Bildebene der Linse [Ack07]. Somit oben: abgebildetes Display; unten: rekonstruiertes Hologramm; links: Testbild für Kontrast; mitte: Logo; rechts: Bild mit typischen liegt die Rekonstruktionsebene hinter dem Hologramm. Auf Sicherheitsmerkmalen diese Weise lässt sich gut der Kontrast und die Auflösung sowohl vom Originalobjekt, als auch vom rekonstruierten Bild bestimmen. Beim entwickelten Hologramm handelt es sich um ein Laser-Transmissionshologramm, das heißt, dass zur Rekonstruktion Laserlicht benötigt wird (Abb. 6).

Zur Kontrastmessung wurden die großen weißen und schwarzen Flächen des in Abbildung 6 abgebildeten Testbil- des verwendet. Gemessen wurde mit einem Leistungsmess- gerät, das Kontrastverhältnis des Originalbildes lag dabei bei 455:1, während das rekonstruierte Hologramm ein Kon- trastverhältnis von etwa 100:1 aufweist. Auf dem Testbild sind auch Linienpaare mit verschiedenen Pixelgrößen hinun- Abb. 7: links: Testbild Auflösung; die Linien haben eine Breite von 8 ter bis zu Linien aus nur einem Pixel Breite. In Abbildung 7 Pixel (oben links), 4 Pixel (unten links), 2 Pixel (oben rechts) und 1 Pixel (unten rechts); rechts: CCD-Bild des rekonstruierten Bildes rechts ist eine CCD-Aufnahme des rekonstruierten Holo- gramms zu sehen. Es sind auch die Linien, die auf dem Dis- play aus nur einem Pixel Breite bestanden, noch gut zu Gitterstrukturen, CGHs oder auch phasencodierte Objekte in erkennen. einen analogen holographischen Aufbau integrieren. Mit einer Auflösung von bis zu 2 Mio. Pixel und einer Pixelgröße 2.4 Multi-exposure-Hologramme von weniger als 10 μm, lassen sich sehr komplexe Bilder und Die Möglichkeit der dynamischen Adressierung ist eine inte- optische Funktionen adressieren. Es konnte ein Kontrastver- ressante Möglichkeit, um so genannte multi-exposure-Holo- hältnis von 100:1 für Laser-Transmissionshologramme ge- gramme aufzuzeichnen. Dabei werden zum Beispiel nach- messen werden bei einer gleichzeitigen pixelgenauen Re- einander verschiedene Bilder auf dem Display adressiert, konstruktion. Außerdem lassen die Ergebnisse auch Rück- wobei jedes mal der Winkel zum holographischen Film leicht schlüsse auf andere Lichtmodulatormodelle zu. verändert wird. Beim entwickelten Hologramm können die verschiedenen Bilder dann unter ihren entsprechenden Be- Die im Rahmen der Kooperation gewonnenen Erkenntnisse trachtungswinkeln wieder beobachtet werden. wurden in Form eines Whitepapers von der Firma Holoeye veröffentlicht und werden im Sales-Bereich und im Rahmen 3. Zusammenfassung der Kundenkommunikation genutzt. Verschiedene Kunden Mikrodisplays sind eine digitale Schnittstelle für holographi- verwenden bereits hier gezeigte oder ähnliche Aufbauten. sche Mastersysteme. Sie können dynamische Bildinhalte,

29 Entwicklungen zur analogen und digitalen Holographie

Danksagung Kontakt Wir danken Dipl.-Ing. Sebastian Chruscicki für die Zusam- Prof. Dr. rer. nat. habil. Jürgen Eichler menarbeit. Technische Fachhochschule Berlin FB II - Forum Seestraße, Raum FS 239 Seestraße 64 Literatur 13347 Berlin [Abr81] Abramson, N. (1981): The Making and Evaluation of Tel.: (030) 4504-3917 Holograms, Academic Press London. E-Mail: [email protected] [Ack07] G.K. Ackermann, J. Eichler (2007): Holography, Wiley-VCH Weinheim. [Sax03] Saxby, G. (2003): Practical Holography, Taylor and Kooperationspartner Francis, Bristol. HOLOEYE Photonics AG Albert-Einstein-Straße 14 12489 Berlin Tel.: (030) 63923660 E-Mail: [email protected]

30 Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie

Simulation und Auralisation von Schallfeldern Dipl.-Ing. Michael Stütz, Prof. Dr.-Ing. Martin Ochmann Kooperationspartner: Gesellschaft für Strukturanalyse in Forschung und Entwicklung mbH

Mit Hilfe der Randelementmethode (BEM) kann die Schallabstrahlung von schwingenden Strukturen berechnet werden. BEM-Berechnungen werden üblicherweise im Frequenzbereich ausgeführt, d.h. jede Frequenz muss einzeln berechnet werden. Es wurde ein BEM-Rechenmodul entwickelt, welches die Berechnungen im Zeitbereich durchführt und somit Er- gebnisse über ein ganzes Spektrum von Frequenzen liefert. Die Eigenschaften dieser Methode wurden eingehend unter- sucht und mit Ergebnissen anderer Methoden verglichen.

Acoustic radiation of moving surfaces can be calculated by the Boundary Element Method (BEM). Current BEM calculates the radiation of a single frequency. A transient BEM model was developed that provides results for a range of frequencies directly. The properties of this method were investigated and compared with other methods.

1. Einleitung sche Modelle und Algorithmen entwickelt werden. Mit Hilfe Das Problem der Fahrzeugaußengeräusche gewinnt neben der Auralisation (d.h. Hörbarmachung) ist es möglich, die den Innengeräuschen in der Fahrzeugindustrie immer grö- Schallemissionen bereits in der Planungsphase „anzu- ßere Bedeutung. Besondere Aktualität erfährt diese Thema- hören“. Damit gibt die Auralisation der Akustikerin und dem tik durch die Norm-Entwürfe DIN ISO 362 und DIN ISO 5130, Akustiker die Möglichkeit, erste Schritte in Richtung eines in denen neue Anforderungen an das Außengeräusch eines optimierten Sound-Designs zu gehen. Fahrzeuges gestellt werden. Aber nicht nur die Einhaltung Kooperationspartner ist die Gesellschaft für Strukturanalyse der zulässigen Geräuschemission ist hierbei relevant. Zu- in Forschung und Entwicklung mbH (http://www.sfe-ber- nehmend stehen neben der Bestimmung von Beiträgen ein- lin.de/). Diese ist seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet der zelner Geräuschquellen auch Aspekte der aktiven Gestal- Akustiksimulation mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) tung des Gesamtgeräusches und der Geräuschqualität im tätig und bietet Ingenieur- und Beratungsleistungen auf den Fokus. Dabei wird die Möglichkeit der Geräuschqualitäts- Feldern der Produktentwicklung und der Strukturoptimie- verbesserung und Minimierung des Außengeräusches mehr rung mit Hilfe numerischer Simulationsmethoden an. und mehr als wettbewerbsrelevantes Kriterium erkannt. Es ist somit auch aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich, die 2. Das numerische Modell zu erwartende Lärmentwicklung schon im Entwurfsstadium Nach einer ausführlichen Literaturrecherche fiel die Wahl da- rechnerisch abschätzen zu können. Daher finden Techniken rauf, das numerisches Verfahren der Boundary-Element-Me- und Methoden zur Simulation verstärkt Eingang in die Fahr- thode (BEM, auch: Randelemente-Methode) im Zeitbereich zeugentwicklung. zu entwickeln. Die Grundlagen für die Zeitbereichs-BEM Die Verknüpfung der Schwingungssimulation mit Hilfe der wurden schon 1960 von Friedman und Shaw [Fri60] und spä- Finite-Elemente-Methode (FEM) und die Berechnung der ter 1968 von Cruse und Rizzo [Cru68] veröffentlicht. Erste akustischen Abstrahlung unter Zuhilfenahme der Randele- Anwendungen auf die Wellengleichung erfolgten jedoch erst mentmethode (BEM) ist hierfür ein viel versprechender nu- 1983 von Mansur [Man83] mit zunehmender Verbreitung merischer Ansatz, der es erlaubt, Prototypenentwicklung leistungsfähiger Rechner. Seitdem wird diese Methode kon- schneller, effizienter und somit Kosten sparender durch- tinuierlich weiterentwickelt, wobei jedoch die Frequenzbe- zuführen. reichsalgorithmen einen deutlichen Entwicklungsvorsprung aufweisen. Insbesondere das Problem, dass bei zu kleinen Ziel ist es, Schallfelder auf numerische Weise simulieren zu Zeitschrittweiten der Zeitschrittalgorithmus instabil werden können, die durch schwingende Strukturen wie z. B. durch kann, ist ein aktuelles Forschungsthema. die Karosserie, den Motorblock oder durch Getriebegehäuse hervorgerufen werden und diese hörbar zu machen (zu aura- Als erstes galt es, die der TD-BEM zugrunde liegende Inte- lisieren). Zu diesem Zweck müssen geeignete mathemati- gralgleichung

31 Simulation und Auralisation von Schallfeldern

mit Hilfe geeigneter Ansätze für Raum und Zeit zu diskreti - sieren. p ist der Schalldruck, q der Schallfluss, c die Schall- geschwindigkeit, ⌫ die Oberfläche und n die Oberflächen- normale der Struktur. E beschreibt den inneren Raumanteil und r = |x – y| den Abstand des Quell- und Beobachtungspunk- tes. Eine detaillierte Herleitung der obigen Randintegralglei- chung kann z.B. in Araujo et al. [Ara00] oder Meise [Mei90] gefunden werden.

Um ein numerisches Modell zu erhalten, muss die Randinte- gralgleichung diskretisiert wer- den. Bei diskreten Modellen werden statt kontinuierlicher Abb. 1: Schallabstrahlung einer Kugel bei unterschiedlicher Zeitschritt- Variablen für Zeit und Raum diskrete weite analytisch und numerisch berechnet. Variablen für die Zustandsgrößen verwendet. Die Zeit t wird in

äquidistante Zeitschritte geteilt und die Oberfläche der Struktur in N planare Elemente mit einer gleichförmigen Druckverteilung zerlegt. Mit folgenden Ansatzfunktionen ergibt sich die diskretisierte Randintegralgleichung im Zeit- bereich zu Abb. 2: Schallleistungsdichte der H3/HD Flamme gemessen und berechnet.

Mit der Kollokationsmethode erhält man ein Gleichungssys- frequenzen auf die simulierte Schallabstrahlung (siehe Abb. 1). tem, welches es zu lösen gilt. Im Gegensatz zur BEM im Fre- Weiterhin ist eine starke Abhängigkeit vom Verhältnis der quenzbereich ist die zu lösende Systemmatrix nur sehr dünn Zeitschrittweite ⌬t zur durchschnittlichen Elementgröße h besetzt, so dass der Einsatz einer iterativen Methode vorteil- der Struktur zu erkennen. Dieses Verhältniss wird folgender- haft ist. Das Verfahren der konjugierten Gradienten und die maßen definiert . LSQR–Methode lieferten gute Resultate. Weiterhin wurden Tests durchgeführt, um die Rechenergeb- 3. Ergebnisse nisse der BEM im Zeitbereich mit Ergebnissen von Rechnun- Die Entwicklung und Umsetzung des in Kapitel 2 beschriebe- gen der konventionellen BEM im Frequenzbereich zu ver- nen BEM Modells wurde unter MATLAB vollzogen. Dies ist gleichen. Hierfür standen Daten und Rechenergebnisse des eine interaktive Umgebung für die Algorithmenentwicklung Forschungsprojektes „Modellierung der Schallabstrahlung und die Visualisierung und Analyse von Daten. von Flammen mit akustischen Ersatzstrahlern“ zur Verfü- Im Mai 2007 gab es das erste lauffähige Rechenmodul, mit gung. Für den Vergleich der transienten BEM mit den Daten dem anhand analytischer Beispiele die Fehlerfreiheit, Funk- aus dem Frequenzbereich werden die Zeitergebnisse mittels tionstüchtigkeit und Stabilität der Theorie überprüft werden FFT in den Frequenzbereich überführt. Die Ergebnisse für konnte. zwei unterschiedliche Flammentypen sind in Abb. 2 dar- gestellt. Der Vergleich der TD-BEM mit der FD-BEM zeigt Die Stabilität der TD-BEM wurde u.a. am Beispiel der Schall- recht gute Übereinstimmung der Rechenergebnisse im Fre- abstrahlung einer Kugel in den Außenraum untersucht. Die quenzbereich zwischen 400–3000 Hz. Messergebnisse und Ergebnisse zeigen einen deutlichen Einfluss der Innenraum- Simulationsergebnisse stimmen bei der HD-Flamme gut

32 Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie

überein, bei der H3-Flamme kommt es jedoch zu starken Ab- ton-Miller approach, Journal of the Acoustical Society of weichungen. Bei diesem Projekt lag das Interesse jedoch America 106 (5), 1999. hauptsächlich im Vergleich der Zeitbereichs- und der Fre- [Man83] Mansur, W. J., A Time-Stepping technique to solve quenzbereichsmethode. wave propagation problems using the boundary Element Method, PhD thesis, University of Southampton, 1983. 4. Präsentationen und Veröffentlichungen [Mei90] Meise T. BEM calculation of scalar wave propagation Am 17.04.2007 wurde im Rahmen der Ringvorlesungsreihe in 3-D frequency and time domain (in German). PhD The- der Forschungsassistenten der TFH Berlin das Forschungs- sis, Technical Reports Nr.90-6, Fakultät für Bauinge- projekt vorgestellt. Die ersten Ergebnisse wurden auf dem nieurwesen, Ruhr-Universität, Bochum, Germany; 1990. 19. International Congress on Acoustics (ICA) im September [Fri60] M. Friedmann, R. Shaw; Diffraction of pulses by 2007 in Madrid präsentiert [Stue07]. Eine abschließende cylindical Obstacles of Arbitrary cross Section, J. Appl. Präsentation der Ergebnisse ist für die 34. Deutsche Jahres- Mech.,Vol. 29, 1962, S.40–46. tagung für Akustik DAGA im März 2008 in Dresden geplant. [Stue07] M.Stütz, M.Ochmann: Calculation of the acoustic Hierfür wurde der Fachvortrag [Stue08] auf Einladung für die radiation of an open turbulent flame with a transient strukturierte Sitzung „Neue Entwicklungen in der Boundary- boundary element method, Kongress-Bericht des Inter- Elemente-Methode“ angemeldet. national Congress on Acoustics in Madrid (ICA), 2007. [Stue08] M.Stütz, M.Ochmann: Stabilitätsverhalten und 5. Zusammenfassung und Ausblick Ergebnisse der transienten Randelementmethode für Die TD-BEM ist ein viel versprechendes Hilfsmittel für die Si- akustische Außenraumprobleme, Jahrestagung für Akus- mulation transienter Schallabstrahlung. Bereits in der mo- tik DAGA, März 2008. mentan vorliegenden Form lassen sich gute Simulations- [Wan07] H. Wang, D.J. Henwood, P.J. Harris, R. Chakrabarti: ergebnisse erzielen, wie das Beispiel der Schallabstrahlung Concerning the cause of instability in time-stepping von Flammen zeigt. Eine Verifizierung an weiteren praxisna- boundary element methods applied to the exterior hen Anwendungsbeispielen ist nötig, um mehr Erfahrung acoustic problem, Journal of Sound and Vibration 305 , über die Stärken und Schwächen der TD-BEM zu erhalten. 2007, S. 289–297. Das Theoriemodell und die numerische Implementierung müssen weiterentwickelt und geeignete Methoden gefun- den werden, die die Regularisierung der Eigenfrequenzen Kontakt garantieren. Prof. Dr.-Ing. Martin Ochmann Technische Fachhochschule Berlin Das Problem der Eigenfrequenzen ist bei der FD-BEM einge- FB II - Haus Beuth, Raum 132b hend bekannt und wird mit Hilfe der Chief-Methode oder der Luxemburger Straße 10 Burton-Miller-Methode gelöst. Erste Lösungsansätze für die 13353 Berlin TD-BEM, die in der Literatur zu finden sind, beruhen auf dem Tel.: (030) 4504-2931 Prinzip der Burton-Miller-Methode und wurden von Ergin et E-Mail: [email protected] al. [Erg99] und Wang et al. [Wan07] veröffentlicht. Diesen oder einen ähnlichen Lösungsansatz gilt es, in die Methode zu integrieren. Kooperationspartner SFE GmbH Voltastraße 5 Literatur 13355 Berlin [Ara00] Araujo FC, Mansur WJ, Carrer JAM. Time-domain Tel.: (030) 467767-0 three dimensional analysis. In: Wu TW, editor. Boundary E-Mail: [email protected] element acoustics. Fundamentals and computer codes. London: Computational Mechanics Publications; 2000. p. 159–216. [Cru68] T.A. Cruse, F.J. Rizzo; A direct formulation and nume- rical solution of the general transient elastodynamic pro- blem I, J. Math. Analysis and Applic., Vol.22, 1968, S. 244–259. [Erg99] A.A. Ergin, B. Shanker, E. Michielssen, Analysis of transient wave scattering from rigid bodies using a Bur-

33 FE- und GIS-basierte Holzvorratsabschätzung

FE- und GIS-basierte Holzvorratsabschätzung M.Sc. René Kaiser, M.Sc. Nicole Schubbe, Prof. Dr. rer. nat. Bernd Meissner Kooperationspartner: Fundación Monte Mediterráneo, EURONATUR, Teusan Forest Consult, GTZ

Die klimaneutrale Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holzbiomasse gewinnt immer mehr an Bedeu- tung. Aus diesem Grund war die effiziente Nutzung regenerativer Ressourcen Thema der Forschungsassistenz IV der Tech- nischen Fachhochschule (TFH) Berlin. Zusammen mit verschiedenen Kooperationspartnern hat das geo3 begonnen, Methoden zu entwickeln, Holzvorräte abzuschätzen, die vor allem in dezentralen Gebieten zur Energiegewinnung genutzt werden können.

Climate-neutral generation of energy from sustainable resources such as wood biomass becomes increasingly important. Based on this fact the efficient use of regenerative resources was the topic of the research assistance IV of the University of Applied Sciences, Berlin. In cooperation with partners, methods have been developed to evaluate wood reserves which can be used for the generation of energy especially in decentralised areas.

Einleitung Art und Umfang der Kooperation Eine schonende (nachhaltige) Bewirtschaftung vorausge- Kooperationen wurden in mehrfacher Hinsicht genutzt. Im setzt, können Wald- und Gehölzbestände als nachwachsen- mongolischen Untersuchungsgebiet war die enge Zusam- der Rohstoff klimaneutral genutzt werden [Ost92: S.29]. menarbeit mit dem GTZ-Projekt „Nachhaltige Bewirtschaf- Eine wirtschaftliche Nutzung setzt eine Abschätzung der zu tung der natürlichen Ressourcen der Mongolei“ sehr erwartenden Holz- bzw. Biomassenvorräte voraus. Hierbei fruchtbar, da hier eine intensive logistische Unterstützung sind klassische Forstinventuren oft zu kostenintensiv. Der erfolgte. Die Untersuchungen konzentrieren sich mit der Einsatz von Satellitenbildern in Kombination mit selektiver Teusan Forest Consult, Karlsruhe auf die Energieversorgung Geländeerfassung ermöglicht in unterschiedlichen Maß- der Bevölkerung von entlegenen Sum-Zentren durch Holz- stabsbereichen eine Holzvorratsabschätzung mit Hilfe von schnitzel. GIS-Techniken. Die Forschungen in der Mongolei, in der Lau- Im spanischen Untersuchungsgebiet lief die Kooperation sitz (Brandenburg) und in Spanien zeigen, dass die Metho- über die Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR) mit den zur Holzvorratsabschätzung in abgewandelter Form bei der Fundación Monte Mediterráneo auf der Dehesa San unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten Anwendung Francisco, Santa Olalla. Bei dem dort jährlich anfallenden finden können. Beschnitt der Stein- und Korkeichen sowie der notwendigen Pflege des Unterholzes wird die Biomasse inzwischen zur Beschreibung des Forschungsgegenstands Gewinnung von thermischer Energie verwendet. Die Grundidee des Forschungsprojektes besteht darin, ohne- hin anfallende Biomasse als Energieträger zum Beispiel zur Für das Untersuchungsgebiet in der Lausitz, das sich vorwie- Warmwasserversorgung und Stromerzeugung zu nutzen. Im gend auf Kieferaufforstungen im Braunkohletagebau kon- Rahmen dieser Forschungsassistenz soll dazu anfallende zentriert, wurde mit dem ehemaligen Eigner, der Vattenfall Biomasse mit Hilfe von Fernerkundungsdaten ermittelt wer- AG und dem Landesforstamt Eberswalde sowie der Firma den. Nach einer beispielhaften Biomasseerfassung in einem Biolistic Berlin zusammen gearbeitet. Hier konnten verlässli- spanischen Gelände wurde die Methodik zur Biomasseerfas- che Abschätzungen der aus verschiedenen Gründen anfal- sung aus Ikonos-Bilddaten untersucht, um eine ähnliche lenden Abfallholzmenge vorgenommen werden. Energieversorgung in abgelegenen Teilen der Mongolei an- zustreben. Genese der Forschungsidee Ziel der Untersuchungen ist dabei, regional angepasste Ver- Die Forschungsidee basiert auf den Ergebnissen von Unter- fahren zur Abschätzung des Holz- bzw. des Biomassenvor- suchungen der Ausbreitung von Wurzelschwamm (For- rats zu entwickeln. Hierbei sollen ausgehend von Wald- schungsassistenz II) und die Zusammenarbeit in einem referenzgebieten Erfassungsgebiete in der Lausitz, in Spa- GTZ-Projekt zum Waldmonitoring in der Mongolei. nien und der Mongolei untersucht werden. Holz- und Ge- Mit Hilfe von Satellitenbildern des Landsat 7 ETM+ wurde hölzabfälle, die z.B. in kleinen dezentralen Kraftwerken die wirtschaftlich nutzbare Fläche des Waldes von vier Ai- bzw. Heizungssystemen anfallen, sollen ökologisch und mags im Norden der Mongolei ermittelt. Folgende Waldklas- ökonomisch genutzt werden. sen wurden gebildet:

34 Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen

· Not Usable Forest > Wald: Nutzung verboten (bis 5 km Baumdichte zu bestimmen, aus der dann mit Hilfe von Erfah- Entfernung von Flüssen, bis 1 km Entfernung von rungswerten die anfallende Biomasse bestimmt werden asphaltierten Straßen) kann. Wenn im Rahmen der Waldpflege dünnere Bäume ab- · Usable Forest > Wald: Nutzung möglich (max. 2 km geholzt werden, um dickeren mehr Platz zu verschaffen, von Straßen/Wegen entfernt) dient dies (durch die Reduktion von Brennmaterial) nicht nur · Forest > sonstiger Wald dem Feuerschutz, sondern sorgt auch für regelmäßig anfal- lendes Bau- und Brennholz, welches anderenfalls im Wald verrotten würde. Bedingt durch das weitmaschige Energie- versorgungsnetz in der Mongolei sind viele Sum-Zentren auf eine unabhängige Energieversorgung durch Öl- oder Kohle- kraftwerke angewiesen. Im Norden der Mongolei böte sich durch den Waldbestand, ähnlich den Zielsetzungen in Spa- nien, die Möglichkeit, Biomassekraftwerke zu errichten und so nachwachsende Rohstoffe klimaneutral und kostengüns- tig zu verwerten.

Forschungsgegenstand Abb. 1: Pixelbasierte Klassifizierung mit Puffern Es wurde versucht, die in der Mongolei entwickelte Idee auch für Spanien nutzbar zu machen. Die Realisierung erfolgte mit pixelbasierter Klassifizierung und Puffern. Im Ergebnis erhält man die wirtschaftlich nutz- Die Dehesa San Francisco betreibt eine nachhaltig-ökolo- bare Fläche, die tatsächlich zugänglich ist. Für die vier unter- gisch Bewirtschaftung in der besonders degradationsge- suchten Aimags mit einer Gesamtwaldfläche von 11,7 Mio. ha fährdeten Landschaftsform Dehesa. Die Finca ist durch die ergeben sich für oben genannte Klassen folgende Werte: Fundación Monte Mediterráneo in Andalusien/Spanien ins Etwa 1 Mio. ha dürfen nicht genutzt werden und 4,3 Mio. ha Leben gerufen worden. Die ökologische Haltung brachte die sind erreichbar und für die Nutzung freigegeben. Abbildung Idee auf, anfallende Biomasse zu nutzen, um das Hauptge- 1 zeigt für einen Ausschnitt des Untersuchungsgebietes Se- bäude der Finca mit Energie zu versorgen. Es galt zu klären, lenge die wirtschaftlich nutzbaren Flächen. inwieweit die Biomasse der Finca für diesen Zweck ausreicht und ob andere Energieträger wie zum Beispiel Olivenkerne, Diese Angaben sind aufgrund der Bodenauflösung von 30m die als Abfallprodukt anderer Fincas anfallen, hinzu gekauft nur bedingt hilfreich, so dass die Bestandserfassung und werden müssen. Besonderes Interesse lag hierbei auf der damit die Erfassung von Biomasse weiterentwickelte Metho- Holzbiomasse, die durch Beschnitt und durch Sturmschäden den fordern. Die kommerzielle Holzwirtschaft in der Mongo- entsteht, so dass ausschließlich anfallende Holzrestpro- lei kann ebenso einen Beitrag zur Versorgung solcher de- dukte zur Energieerzeugung genutzt werden. Circa ein Drit- zentralen Biomassekraftwerke leisten. Die bei Holzeinschlag tel der Gesamtbiomasse wurde von Fincamitarbeitern als anfallenden Holzabfallprodukte bleiben in der Regel im Wald Abfallprodukt deklariert. Pro Hektar gibt es auf der Finca liegen und erhöhen die Zerstörungskraft von Waldbränden. durchschnittlich 50 Bäume, beim Beschnitt fallen rund zehn Diese könnten jedoch zur Energiegewinnung genutzt wer- Tonnen an Holzbiomasse pro Hektar an. Bei einer Gesamt- den, wenn sie Kraftwerken zugeführt würden. Im Rahmen größe der Finca von 700 ha fallen insgesamt 7000 t Holzbio- einer Forschungsarbeit [vgl. Kai04] wurde bereits versucht, masse an. Die Beschneidung der Bäume wird alle zehn Jahre in dicht bewaldeten Gebieten eine Aussage über die Korrela- durchgeführt, so dass jährlich von einer durchschnittlichen tion von Kronengröße und Brusthöhendurchmesser mit Hilfe Menge von 700 t ausgegangen werden kann. Da es sich bei hochauflösender Satellitenbilddaten zu treffen. Mit dieser dem Beschnitt um dünne Äste bzw. Zweige handelt und der Methodik sollte von der Kronengröße der Brusthöhendurch- Rindenanteil höher als bei großen Ästen ist, wird die Ener- messer abgeleitet und somit eine Aussage zum für die Holz- gieausbeute mit diesem Beschnittmaterial wahrscheinlich wirtschaft relevanten Holzvolumen getroffen werden. geringer als beispielsweise mit Hackschnitzeln oder Holzpel- lets sein. Dies war jedoch aufgrund der Walddichte und dem damit verbundenen begrenzten Platzangebot nicht möglich. Im Heizenergetisch nutzbar ist auch die Holzbiomasse, die bei Rahmen der Forschungsassistenz wurde eine ähnliche Me- der Säuberung der Strauchschicht anfällt. Eine genaue Men- thodik mit einem anderen Ziel angestrebt. Diese sieht vor, genangabe gestaltet sich jedoch schwierig, da der Zeitraum den Wald zu klassifizieren und für jede Klasse im Feld eine zwischen den Säuberungen stark variiert. In jedem Fall ist

35 FE- und GIS-basierte Holzvorratsabschätzung

die Zerkleinerung und ausreichende Trocknung der Holz- masse notwendig, bevor diese dem Verbrennungskreislauf zugeführt werden kann. Diese Form der Energieerzeugung läuft kohlendioxidneutral ab, da nur soviel CO2 an die Luft abgegeben wird, wie zuvor von der Pflanze aufgenommen wurde. Dies ergänzt sich mit den ökologischen und umwelt- freundlichen Gedanken der Fincaleitung.

Im Zeitraum vom 10.06.2007 bis 18.06.2007 wurde im Rah- men einer Feldbegehung auf dem Gelände der Finca der komplette Waldbestand nach der Baumdichte klassifiziert. Grundlage für die Baumdichteklassifizierung bildete ein pan- chromatisches Satellitenbild vom Satelliten OrbView. Auf- Abb. 3: Verhältnis vom Kronendurchmesser zu Kronenhöhe ist 2:1. grund der Erfahrungswerte durch den Aufenthalt im Gelände konnten die verschiedenen Baumdichten in 4 Oberklassen tigung von Korkernten und unterschiedlichen Bedürfnissen (baumlos, offener Baumbewuchs, dichter Baumbewuchs, beim Beschnitt. Totholz) eingeteilt werden. Eine weitere Unterteilung erfolgte unter Berücksichtigung des Unterholzes und kompletter Während der Feldarbeit wurden Testgebiete auf Baumarten oder teilweiser Kronenschlüsse. Die weiteren Arbeitsabläufe untersucht, mit Global-Positioning-Systems (GPS) erfasst konzentrieren sich auf diejenigen Waldgebiete ohne Kronen- und in Arbeitskarten kartiert. Im Anschluss wurde eine ob- schluss, so dass die einzelnen Bäume erfasst werden können. jektbasierte Klassifizierung auf Grundlage von multispektra- len Ikonos-Daten durchgeführt. In diesem Verfahren werden Zur Abschätzung der Biomasse wurden die Baumindividuen die Bilddaten segmentiert und mit Hilfe der Segmente über in einem repräsentativen Untersuchungsgebiet auf dem Ge- Form und spektrale Eigenschaften klassifiziert. lände der Finca erfasst. Die Einzelbaumerfassung wurde durch eine nachbearbeitete Segmentierung eines Ikonos- Ziel dieser segmentbasierten Klassifizierung ist die Unter- Satellitenbildes erreicht. In einigen Gebieten mussten ein- scheidung von Kork- und Steineichen anhand ihrer spektra- zelne Segmente manuell zu einer Baumkrone zusammen- len Reflexionseigenschaften, um auch die bei der Korkernte gefasst werden (vgl. Abb. 2). anfallenden Abfälle zu berechnen. Drei Hauptklassen wur- den unterschieden: Korkeichen, Steineichen und Kronen- schatten. Sonstiges wurde zwar ebenfalls klassifiziert, jedoch zum Zwecke des Ausschlusses aus den anderen Klas- sen genutzt.

Mit Hilfe der Segmente sind für jede Klasse Trainingsgebiete definiert worden. Für die Differenzierung zwischen Kork- und Steineichen sind solche Kronensegmente gewählt worden, die in einer Geländeuntersuchung eindeutig der jeweiligen Abb. 2: Rechts das Ergebnis der Segmentierung; Links nach der Zusam- Baumart zugeordnet wurden. Dass die Unterscheidung von menfassung der Baumkronensegmente. Kork- und Steineichen anhand ihrer unterschiedlichen Refle- xionseigenschaften theoretisch möglich ist, zeigt die Grau- Aus den Segmentierungen der Kronenflächen konnte der wertverteilung der Trainingsgebiete. In der Praxis liegt die Umfang der Kronen bzw. der Kronendurchmesser bestimmt Zuordnungsquote bisher unter 60%, das heißt, nur 60% der werden. Im Feld wurde ein mittleres Verhältnis von Kronen- klassifizierten Bäume entsprechen tatsächlich der klassifi- durchmesser zu Kronenhöhe von 2 zu 1 ermittelt (vgl. Abb. 3). zierten Baumart. Wechselnde Lichtverhältnisse erschweren Aus diesem Verhältnis lässt sich das Volumen der Krone be- die Klassifizierung erheblich. Über die Einbeziehung der rechnen. Von diesem berechneten Volumen kann ein Anteil Lage (Nord- und Südhang) könnte die Klassifizierung der von ca. 30% als Beschnitt deklariert werden und ist somit Baumkronen vervollständigt und verfeinert werden, da für die Energiegewinnung nutzbar. Steineichen robuster sind und eher auf trockeneren bzw. sonnigeren Südhängen und Korkeichen eher auf Nordhän- Eine Unterscheidung der Baumarten ist für die Gewinnung gen wachsen. von Biomasse nebensächlich, erlaubt jedoch die Berücksich-

36 Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen

Anwendung in der Lausitz Literatur In der Lausitz ist der Wurzelschwamm – ein Pilz, der Baum- [Kai04] Kaiser, René (2004): Erfassung von Baumarten in wurzeln bevorzugt auf mageren Böden befällt – in den Wie- Mischwaldbeständen unter Anwendung von Fernerkun- deraufforstungsgebieten der ehemaligen Braunkohlereviere dung und GIS – unveröffentlichte Diplomarbeit am FB III zu finden. Mit Hilfe von Fernerkundungsmethoden wurden der TFH Berlin. die vom Befall betroffenen Flächen im Rahmen von For- [Mei05] Meissner, Bernd; Richter, Marcus & Sebstian Dolp schungsarbeiten ermittelt [vgl. Mei05; Sch05]. In der Lau- (2005): FE-basiertes Wurzelschwamm-Monitoring in der sitz fällt Biomasse durch Totholz und durch kreisförmige Wiederaufforstung der Lausitzer Tagebau-Folgeland- Rodungen (Fehmellöcher) an. Das Anlegen von Fehmellö- schaft. – online im Internet: www.tfh-berlin.de/ chern hat die Intention, die Monokultur Kiefer (pinus silve- forschungsassistent/fa2/Marcus_Richter.. stris) durch die Pflanzung einzelner Laubbäume zu durch- [Sch05] Schafrik, Wladimir (2005): Forstmonitoring von brechen, welche in der Folge die Ausbreitung des Pilzes ver- Rekultivierungsflächen mit Hilfe von FE- und GIS-Metho- hindern. Pro Kiefer ergibt sich eine heizenergetisch nutzbare den am Beispiel des ehemaligen Tagebaus Schlaben- Biomasse von durchschnittlich 0,31m3. Diese hat ein Brenn- dorf/Lausitz – unveröffentlichte Diplomarbeit am FB III wert von 2300 KW/h pro Kubikmeter. Für die Gesamtheit der der TFH Berlin. 2004 berechneten Fehmellöcher ergibt sich ein Brennwert [Ost92] Osteroth, Dieter (1992): Biomasse. Rückkehr zum von 140,5 MW/h. ökologischen Gleichgewicht. Springer-Verlag Berlin, Hei- delberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Die oben beschriebenen Methoden zur Holzvolumenbestim- Barcelona, Budapest. mung sollten auch in der Mongolei angewendet werden. Somit kann die benötigte Menge an Holz, die im Wald ver- fügbar ist, für eine dezentrale, klimaneutrale Energieversor- Kontakt gung ermittelt werden. Prof. Dr. rer. nat. Bernd Meissner Technische Fachhochschule Berlin Ausblick FB III - Haus Bauwesen, Raum D 450 Die in Spanien, der Mongolei und der Lausitz angewendeten Luxemburger Straße 10 Methoden eröffnen auch in Äthiopien Möglichkeiten, Bio- 13353 Berlin masse effektiv, kontrolliert und klimaneutral zu nutzen. Tel.: (030) 4505-2606 Durch die Einführung einfacher Öfen könnte Energieerzeu- E-Mail: [email protected] gung gegenüber offenen Feuern maßgeblich gesteigert wer- den. Bewirtschaftete Wälder gibt es in Äthiopien kaum noch, umso wichtiger ist es, diese bestmöglich zu nutzen und Kooperationspartner auch kleineres Geäst, das sich zum Hüttenbau nicht eignet, Teusan Forest Consult zu verwerten. Im Hochland Äthiopiens sind die Siedlungen Pfinstalstraße 90 von schnell wachsenden Eukalyptusbaumreihen umgeben, 76227 Karlsruhe die zum einen Erosionsschutz bieten, zum anderen aber E-Mail: [email protected] auch den Holzbedarf stillen sollen. Auch hier lassen sich mit den erprobten Methoden der Bestand und in Abstimmung mit der lokalen Bevölkerung der Bedarf bestimmen. Für grö- ßere Gebiete können mit Hilfe der Fernerkundungsmetho- den Planungen für Neuanpflanzungen entsprechend des Bedarfs durchgeführt werden. Speziell im Hochland Äthio- piens könnte so die Nutzung von Holz als Bau- und Brenn- material und eine klimaneutrale Nutzung dieser nachwach- senden Ressource sichergestellt werden. Dadurch würde nicht nur eine effektive Energieversorgung gewährleistet, sondern auch der fortschreitenden Erosion entgegenge - wirkt. Zurzeit wird die Methodik bei äthiopischen und inter- nationalen Organisationen vorgestellt.

37 Frostinduzierte Schädigungen an Betonen und deren zerstörungsfreie Charakterisierung

Frostinduzierte Schädigungen an Betonen und deren zerstörungsfreie Charakterisierung Dipl.-Ing. Olaf Linde, Prof. Dipl.-Ing. Jürgen Berger Kooperationspartner: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Prof. Dr. rer. nat. Birgit Meng, Dr.-Ing. Frank Weise, Dipl.-Ing. Bärbel Maier

Frostbeanspruchte Betone erfahren zwei unterschiedliche Schädigungsmechanismen: äußere Abwitterungen und innere Gefügeschädigungen. Um die Ergebnisse aus Laboruntersuchungen auf reale Schädigungen an Bauwerken übertragen zu können, ist zukünftig eine Erweiterung des Einsatzes zerstörungsfreier Prüfverfahren erforderlich. In diesem Zusammen- hang wurden photogrammetrische Aufnahmetechniken zur Bestimmung der Abwitterung erprobt und akustische Verfah- ren für die Bestimmung der inneren Schädigungen optimiert.

Two different types of damage mechanisms occur when concrete freezes and thaws: scaling of the surface of the concrete as well as internal structural damage. A broadening of non-destructive testing in the future will be necessary in order to transfer results from laboratory tests to real damage in construction. In this context photogrammetric techniques have been tested for identifying scaled material and acoustic methods have been optimized for identifying internal damage.

1. Zielstellungen der Forschungsassistenz In den zeitlich und inhaltlich getrennten zwei Phasen stan- den folgende Aufgabenstellungen im Vordergrund:

· Untersuchungen zu Einsatzmöglichkeiten neuer zerstö- rungsfreier Prüfmethoden für die Charakterisierung in- nerer Gefügeschädigungen und äußerer Abwitterungen an Betonen infolge von Frosteinwirkungen · Entwicklung verfahrensspezifischer Erfassungs- und Auswertesoftware Abb. 1: Ablauf CDF/CIF-Test [SET06] · Praxisnahe Erprobung hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse mit konventionellen Verfahren und Im Rahmen der Untersuchungen wurden nach bestehenden für einen Einsatz im Rahmen einer Bauwerksdiagnose Vorschriften Probekörper hergestellt. Die Oberflächen der Proben wurden vor Beginn der Frostbelastung zu definierten Phase 1: Einsatz eines photogrammetrischen Verfahrens zur Zwischenterminen und am Ende photogrammetrisch erfasst Bestimmung der Oberflächenabwitterung beim (Abb. 2 und 3). Für die Digitalisierung der Oberflächen- CDF-Verfahren beschaffenheit der Probekörper wurde in der TFH Berlin ein Phase 2: Applikation akustischer Verfahren für die Bestim- Streifenlichtscanner (QT Sculptor/Polygon Technology) ein- mung der inneren Gefügeschädigungen beim CIF- gesetzt (Abb. 5). Verfahren

Frost-Tausalz-Prüfung Frost-Tau-Prüfung 2. Optische Erfassung der Oberflächenabwitterung Die oberflächlichen Abwitterungen an Betonen infolge einer 1 2 Frostbeanspruchung werden nach den aktuellen Regelwer- . CDF . CIF Capillary suction of Capillary suction, ken [R11796, R17604, BAW04] gemäß Abb. 1 gravimetrisch Deicing and Freeze Internal damage and durch Abfiltern, Trocknen und Wiegen der Abwitterungen be- thaw test Freeze thaw test stimmt.

Durch eine Substitution der gravimetrischen Bestimmung primär äußere Schädigungen primär innere durch zerstörungsfreie, berührungslose optische Verfahren (Abwitterungen) Gefügeschädigungen sollte ein alternatives Laborverfahren erprobt werden, wel- ches zukünftig auch einen Einsatz unmittelbar am Bauwerk im Rahmen einer Bauwerksdiagnose ermöglichen soll. Abb. 2: Vergleich CDF/CIF-Test

38 Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen

Abb. 3: Befrostete Betonoberfläche Abb. 4: Einsatz eines Streifenlichtscanner Abb. 5: Streifenlichtscanner (Foto: Linde) (Foto: Linde) (Foto: Linde)

Dabei wurde durch Stereo-Videoaufnahmen ein 3D-Bild der Probekörper erstellt.

Über die digitalisierten Oberflächen konnten unter Einsatz spezifizierter Auswertesoftware die Volumina der abgewit- terten Betonschichten bestimmt werden (Abb. 6 und 7). Für einen Vergleich der Einflüsse von unterschiedlichen Markern und variierenden Randbedingungen wurden zeitgleich Un- tersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Labor für Photo- grammetrie an der TFH Berlin und der BAM durchgeführt. Anfängliche messtechnische Probleme bei der Zuordnung Abb. 6: Digitalisierte Probenoberfläche von Höhenmarkierungen und Farbunterschieden der Proben konnten durch Optimierung der Versuchs- und Auswerteal- gorithmen überwunden werden.

Die bisherigen Ergebnisse lassen erkennen, dass die Resul- tate aus den photogrammetrischen Bestimmungen über denen der gravimetrischen liegen (Abb. 8). Bei Proben mit sehr geringen Abwitterungen ist schnell die Grenze der opti- schen Auflösung erreicht. Interessant ist hier zu sehen, dass bei unterschiedlichen Markern und unterschiedlichen opti- schen Bestimmungsmethoden die gleichen Tendenzen zu er- kennen sind. Abb. 7: Digitalisierte Volumendarstellung

Die Ursachen für diese Abweichungen müssen in weiterfüh- renden Untersuchungen genauer determiniert werden. Nach bisherigen Erkenntnissen zählen hierzu:

· konstante Maßstabsfehler · Einfluss der durch die Abwitterung freigelegten, ober- flächennahen Poren · Streuungen bei der Dichte der Abwitterungen, resultie- rend aus unterschiedlichen Anteilen der Zement- steinmatrix und Gesteinskörnungen

Ein weiteres Optimierungspotential für die Verfahren liegt darüber hinaus in einer Verbesserung der geometrischen Ausbildung der für die Auswertung erforderlichen Höhen- Abb. 8: Darstellung der photogrammetrisch und gravimetrisch ermittel- marker. ten Abwitterungen

39 Frostinduzierte Schädigungen an Betonen und deren zerstörungsfreie Charakterisierung

3. Untersuchungen zu inneren Gefügeschädigungen In der zweiten Hälfte der Forschungsassistenz stand die Be- stimmung der inneren Gefügeschädigungen infolge einer Frostbeanspruchung im Mittelpunkt. Hierbei sollten unter- schiedliche akustische sowie an die Eigenschwingung ge- koppelte Messverfahren unter dem Aspekt eines differen- zierten Nachweises der Schädigungsverläufe verglichen werden.

Mit dem derzeitigen Referenzverfahren wird die innere Scha- densentwicklung als Abfall des relativen dynamischen E-Mo- duls über die Prüfung der Ultraschalllaufzeit durch den Probekörper in Durchschallungstechnik bestimmt. Abb. 9: Pundit Ultraschalllaufzeitmessung (Foto: Linde)

Diese Verfahrensweise wurde durch angepasste Ultraschall- Messtechniken überprüft und mit anderen Messgrößen (Am- plitudenabfall) ergänzt und optimiert. Die erforderlichen Messperipherien zum Einsatz der US-Geräte bei diesen An- wendungen wurden eigens für diese Untersuchungen ange- fertigt (Abb. 9 und 10).

Die Untersuchungen fanden an Probekörpern mit unter- schiedlichen Geometrien statt. Platten repräsentierten dabei die Standardlaborprüfung, Bohrkerne die Proben aus Bau- werken. Abb. 10: USPC 3041 Ultraschalllaufzeit- und Intensitätsmessung (Foto: Darüber hinaus sollte bei diesen Untersuchungen auch ge- Linde) klärt werden, ob eine Miniaturisierung von Probekörpern, die für z.B. computertomographische Erfassungen in der zwischen den Verläufen der dynamischen E-Moduln der un- BAM nötig ist, schädigungsrelevante Auswirkungen im terschiedlichen Messverfahren vorhanden sind (Abb. 11). Beton hervorrufen kann. Stark weichen die Schädigungsverläufe der an die Eigen- Die ersten Ergebnisse zeigen, dass deutliche Unterschiede schwingung gekoppelten Methode von den Prüfergebnissen

Abb. 11: Verlauf der relativen dynamischen E-Moduln bei verschiedenen Probekörpergeometrien

40 Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen

ab, die über die Messung der Ultraschalllaufzeit gewonnen Kontakt wurden. Die Ursachen liegen in den unterschiedlichen Ver- Prof. Dipl.-Ing. Jürgen Berger fahrensprinzipien. Beim Ultraschallverfahren wird im Gegen- Technische Fachhochschule Berlin satz zur Bestimmung der Eigenschwingung nur in einer FB III - Haus Bauwesen, Raum E 48 mittleren Ebene gemessen. Die im Versuchsverlauf stattfin- Luxemburger Straße 10 dende Oberflächenabwitterung hat allerdings durch ihre 13353 Berlin Veränderung der Geometrie der Probe beim zweiten Verfah- Tel.: (030) 4504-2521 ren einen Einfluss auf die erfassten Schädigungsverläufe. E-Mail: [email protected]

Dies müsste sich auch in unterschiedlichen Versagenskrite- rien für beide Varianten im aktuellen Regelwerk widerspiegeln. Kooperationspartner Hier besteht zweifelsohne weiterer Untersuchungsbedarf. Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Unter den Eichen 87 Auch beim direkten Vergleich der eingesetzten unterschied- 12205 Berlin lichen Ultraschall-Messtechniken waren zum Teil erhebliche Tel.: (030) 81043237 Unterschiede feststellbar.

Mit der neuen US-Prüftechnik USPC 3041 ist eine Optimie- rung der Prüfparameter in Abhängigkeit vom Schädigungs- verlauf möglich. Im Gegensatz zum standardmäßig ein- gesetzten Verfahren war mit dieser Technik nach den bisher vorliegenden Ergebnissen ein geringerer Abfall des relativen dynamischen E-Moduls erkennbar.

Darüber hinaus deuten sich Erweiterungen der Einsatzmög- lichkeiten durch die Einbeziehung der Impulsintensität als Messgröße an. Durch die komplexere Datenerfassung und den logarithmischen Abfall der Messgröße im Versuchsab- lauf könnten sich kritische Schadensverläufe an Betonen in- folge einer Frostbeanspruchung ggf. zielgerichteter ver- folgen lassen.

Literatur: [BAW04] Bundesanstalt für Wasserbau; Merkblatt Frost- prüfung von Beton (2004). [R11796] RILEM 117; CDF-Test - Prüfverfahren des Frost-Tau- Widerstands von Beton - Prüfung mit Taumittel-Lösung; Übersetzung Setzer (1996). [R17604] RILEM 176; CIF-Test – Capillary Suction, Internal damage and Freeze thaw Test. Referenze method and al- ternative methods A and B; Übersetzung Setzer (2004). [SET06] Setzer, M.J.; Palecki, S.: Beiträge zur 6. CDF/CIF Fachtagung, Cuvillier Verlag Göttingen (2006).

41 Modellversuche zur Entwicklung von Bemessungsregeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen

Modellversuche zur Entwicklung von Bemessungsregeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen M. Eng. Dipl.-Ing. Dennis Morauf, Prof. Dr.-Ing. Bernd Lutz, Dipl.-Ing. Hubert Figoluschka Kooperationspartner: GuD Geotechnik und Dynamik Consult GmbH

Die Erarbeitung von zutreffenden Bemessungsverfahren für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen als optimierte Grün- dungsform bei schwierigen Gründungsverhältnissen ist weltweit im Gange. Ziel ist dabei, praxistaugliche Verfahren zu entwickeln, die einen effizienten Entwurf derartiger Gründungen ermöglicht. Die hier vorgestellten Modellversuche und numerischen Berechnungen sollen zu diesen Entwicklungen beitragen. Im Rahmen des Projektes Forschungsassistenz IV (FA IV) konnten wesentliche Fortschritte in der Versuchstechnik und der Nachrechnung der Versuchsergebnisse erzielt werden.

The development of design-rules for piled raft foundations is a worldwide process. The goal is to develop handy tools for daily practice. Results of 1g model tests and numerical calculations are presented in principle in this brief report. The in- vestigation which is promoted by the FA IV-program enabled fundamental progress in the model techniques and the nume- rical back calculation.

1. Einleitung haben soll auch weiterhin eng mit der Lehre verknüpft wer- Wie bereits im Forschungsbericht 2006 [6] zu diesem Thema den. Die bisher in diesem Zusammenhang bearbeiteten Di- ausgeführt wurde, sollten die bereits im Jahr 2005 gestarte- plomarbeiten sind im Literaturverzeichnis angegeben [1], [2] ten Versuchsreihen im Rahmen der FA IV an der TFH Berlin und [3]. fortgesetzt werden. Diese neuen Modellversuche wurden mit einer erweiterten Belastungs- und Messeinrichtung so- 2. Weiterentwicklung der Versuchstechnik und der wie mit, wie gezeigt werden konnte, besser geeignetem Mo- Versuchsergebnisse dellboden durchgeführt. Die hier vorgestellten Ergebnisse von 1g Modellversuchen an verschiedenen Gründungskör- 2.1 Beschreibung der Versuchsanlage pern ermöglicht die wissenschaftliche Untersuchung des Die im Rahmen dieses Forschungsvorhabens erstmals ein- Tragverhaltens sowohl im Bruch- als auch im Gebrauchszu- gesetzte pneumatische Belastungseinrichtung ermöglicht stand. die computergesteuerte, in Stufen aufgeteilte Belastung der Modelle (Abb. 1 und 2). Es können beliebig viele Laststufen mit Mit diesen Ergebnissen wird eine Parameterstudie durchge- unterschiedlichen Lastinkrementen gefahren werden. Der führt, die die Grundlage für die Entwicklung handhabbarer Kolbenhub des Belastungszylinders wird mit einem Messge- Bemessungsregeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründun- ber überwacht. gen bildet. Parallel zu den Modellversuchen wurden numeri- sche Berechnungen durchgeführt, mit denen unter Anwen- Die erweiterte digitale Messeinrichtung ermittelt die wäh- dung nichtlinearer elastisch-plastischer Stoffgesetze das rend des Modellversuchs tatsächlich auftretende Modellbe- Tragverhalten der Gründungen nachvollzogen wird. Das Vor- lastung und erfasst die auftretenden Setzungen. Die Kräfte werden über eine Kraftmessdose, die zwischen dem Belas- tungszylinder und dem Modell platziert ist, gemessen. Die Setzungen werden über die auf dem Gründungsmodell posi- tionierten Wegaufnehmer erfasst.

Abb. 1: Versuchseinrichtung Abb. 2: Mess- und Steuerungsschema

42 Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen

Abb. 3: Modellboden Abb. 5a: Ergebnisse der FE-Berechnung

2.2 Beschreibung des Modellbodens Die Versuchsergebnisse zeigen, dass die bisher im Rahmen Die im Hinblick auf eine quantitative Auswertung zu hohe von Beobachtungen an Prototypen erhaltenen Erfahrungen Streuung bei den Versuchsergebnissen bei den Vorversu- im Rahmen von Modellversuchen nachvollzogen werden chen in erdfeuchtem Sand erforderte die Verwendung eines können. Zusätzlich ermöglichen diese Modellversuche die neuen, trockenen Modellbodens. Gewählt wurde Korund mit Beobachtung des Bruchzustandes, was im Zusammenhang einem Korndurchmesser von 0,125 bis 0,25 mm. Die boden- mit Messungen an Prototypen nicht möglich ist. Daher sind mechanischen Kennwerte dieses granularen Materials sind die Modellversuchsergebnisse insbesondere für eine Varia- nachfolgend angegeben. tion der Systemdaten und der zugehörigen Modellbildung von erheblichem Wert. Bodenmechanische Kennwerte: (Laborwerte) Stoffdichte: ρs = 3,90 g/cm3 3. Numerische Berechnungen max. n / min. n = 0,526 / 0,417 Zur Interpretation der Messwerte sind Nachrechnungen des Wichte max. γd = 22,74 kN/m3 Tragverhaltens notwendig. Diese Berechnungen werden hier Proctordichte ρpr = 2,14 g/cm3 mit dem Finiten Element Programm PLAXIS 3D Foundation Reibungswinkel ϕ = 31° durchgeführt. Dieses Programm ermöglicht die Anwendung von diversen linearen und nichtlinearen Stoffgesetzen. Ex- 2.3 Widerstands-Setzungskurven emplarische Ergebnisse der bisherigen numerischen Unter- Die Versuchskörper wurden jeweils bis zum Bruch belastet suchungen sind in Abbildung 5 dargestellt. und das Widerstands-Setzungsverhalten aufgezeichnet. Ex- emplarische Versuchsergebnisse der Versuchsreihen für 4. Zusammenfassung und Ausblick Flach- und Einzelpfahlgründungen zeigt Abbildung 4. Prinzipiell konnte mit der bisherigen Forschung gezeigt wer- den, dass Modellversuche zu quantifizierbaren Ergebnissen führen, die reproduzierbar und damit vertrauenswürdig sind.

Abb. 4: Versuchsergebnisse

43 Modellversuche zur Entwicklung von Bemessungsregeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen

[7] Lutz, B., El-Mossallamy, Y., Richter, Th., Ein einfaches, für die Handrechnung geeignetes Berechnungsverfahren zur Abschätzung des globalen Last-Setzungsverhaltens von Kombinierten Pfahl-Plattengründungen, Bauinge- nieur 2/2006. [8] El-Mossallamy, Y., Lutz, B., Richter, Th., Innovative Appli- cation of Piled Raft Foundation to optimize the design of high-risebuildings and bridge foundations, 10th interna- tional Conference on Piling and Deep Foundations, 31st May – 2nd June 2006, Amsterdam, pp. 269–278.

Kontakt Abb. 5b: Ergebnisse der FE-Berechnung Prof. Dr.-Ing. Bernd Lutz Technische Fachhochschule Berlin Zudem kann durch numerische Berechnungen mit aus bo- FB III - Haus Bauwesen, Raum E 23 denmechanischer Sicht vergleichsweise einfachen Stoffge- Luxemburger Straße 10 setzen eine sinnvolle Modellierung erfolgen. 13353 Berlin Tel.: (030) 4504-2509 Im Rahmen dieser Versuchsreihen und Modellberechnungen E-Mail: [email protected] entsteht eine Erweiterung der Datenbasis, auf deren Grund- lage allgemeine Konstruktionsprinzipien für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen ableitbar werden. Kooperationspartner GuD Geotechnik und Dynamik Consult GmbH Die Versuchsreihen an dem Flachgründungsmodell und dem Dudenstraße 78 Einzelpfahl sind abgeschlossen. Die Forschung wird zur Zeit 10965 Berlin mit Versuchen an einem Pfahlgruppenmodell und an einem E-Mail: [email protected] erweiterten Kombinierten Pfahl-Plattenmodell weitergeführt. www.gudconsult.de Die Formulierung von Bemessungsregeln erfolgt in Erweite- rung des bisherigen Kenntnisstandes [4], [5], [7] und [8].

Literatur [1] Diplomarbeit Morauf, Dennis, Methoden und Berech- nungsergebnisse bei der geotechnischen Berechnung von Pfahl-Plattengründungen – Systematisierte Über- sicht zu Fallbeispielen und Gegenüberstellung mit den Ergebnissen einer vereinfachten Berechnungsmethode, TFH Berlin, 2005. [2] Diplomarbeit Rohrlach, Simone, Tragverhalten ver schiedener Gründungsformen – Modellversuche und Berechnungen, TFH Berlin, 2006. [3] Diplomarbeit Wendt, Florian, Tragverhalten einer Pfahlgründung im Fels, TFH Berlin, 2006. [4] Hanisch, J., Katzenbach, R., König, G., Kombinierte Pfahl- Plattengründungen, Ernst & Sohn, 2002. [5] Poulos, H.G., Simplified Design Procedure for Piled Raft Foundations, Deep Foundations 2002, Geotechnical spe- cial Publication No. 116, Vol. 1, pp. 441–458, ASCE 2002. [6] Lutz, B., Modellversuche zur Entwicklung von Bemes- sungsregeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen, Forschungsbericht 2006, TFH Berlin.

44 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Entwicklung einer CAFM-gestützten Raumverwaltung mit Einbindung einer Einzelraumregelung Dipl.-Ing. Jörg Albin, Prof. Dr. rer. nat. Mathias Fraaß Kooperationspartner: Axentris Informationssysteme GmbH

Das Ziel dieser Forschungstätigkeit ist die Verknüpfung einer CAFM-gestützten Raumverwaltung mit einer Einzelraumrege- lung. Die Notwendigkeit solch integrierter Systeme wird in Zeiten mit steigenden Energiekosten, verbunden mit wachsen- dem Umweltbewusstsein, schon jetzt unterstrichen. Ein Augenmerk lag dabei auf der Entwicklung von Raumcontrollern, die sich in eine Raumverwaltung einbinden lassen. Innerhalb der Raumverwaltung begrenzt handelsübliche Office-Soft- ware den Kostenaufwand auf ein Minimum.

The objective of this research … is the specific link between a CAFM based room administration and an individual room control. In times of rising energy costs and growing environmental awareness, the need for such integrated systems is al- ready obvious. The development of specific room controllers which can be combined with the room administration was em- phasized. Within the room administration common office software minimizes the costs.

1. Einleitung Nutzungsprofile der Räume hinterlegt werden, um eine be- Die Raumverwaltung kann insbesondere an öffentlichen Ge- darfsgerechte Temperaturregelung zu gewährleisten. bäuden, wie z.B. Schulen und Universitäten, einen beachtli- chen Aufwand verursachen. Rechnergestützte Systeme sind 2. CAFM-gestützte Raumverwaltung und meist unabdingbar. Allerdings beschränken sie sich oft nur Einzelraumregelung auf Tabellen, da professionelle Software für das Facility Ma- Die Grundlage für die visualisierte Raumverwaltung bildet nagement mit hohen finanziellen Kosten verbunden ist. Der das Office-Programm Microsoft Visio. Auf den ersten Blick Einsatz von gängigen Office-Programmen ist deshalb an die- ähnelt Visio mehr einem gewöhnlichen Zeichnungsprogramm, ser Stelle vorgesehen, um vorhandene Datensätze für die mit dem z.B. Geschäftsabläufe oder Softwarebeschreibun- Planung weiter zu verwenden. Damit der Ablauf der Pla- nungsphase zusätzlich vereinfacht wird, empfiehlt es sich, visualisierte Methoden einzusetzen. Die Planung erfolgt über einen Grundriss des Gebäudes mit den eingezeichne- ten Räumen, wobei zu jedem Raum ein Datensatz mit Infor- mationen hinterlegt ist. Ein Vorteil dieses Systems ist es, dass sich alle Raumdaten, wie z.B. die Kabelarten oder das Inventar, auf einen Blick grafisch darstellen lassen.

In dieser Form geschieht die Raumverwaltung noch weitge- hend losgelöst vom tatsächlichen Geschehen in einem Ge- bäude. Fortschritte bringt die Kopplung mit Automatisie- rungssystemen zur Erfassung von Meß- und Zählwerten. Ein großes Potenzial bietet insbesondere die Einzelraumrege- lung. Hierbei geht es nicht nur um die Erfassung von Zustän- den, sondern auch um die Reduzierung des Mehrverbrauchs, der durch Überheizung des Gebäudes entsteht. Sogenannte Energiesparpartnerschaften in öffentlichen Gebäuden bele- gen, dass sich mit zielgerichteten Massnahmen bis zu 20 Prozent an Energiekosten einsparen lassen. Die Erfassung und Regelung der aktuellen Raumtemperatur erfolgt über so genannte Raumcontroller, die in jedem Raum eines Gebäu- des installiert sind. Alle Raumcontroller sind über ein Bus- system mit der Leitwarte verbunden, in der die Prozessdaten zusammengetragen werden. Über die Leitwarte können u.a. Abb. 1: Bodenbeläge eines Gebäudes

45 Entwicklung einer CAFM-gestützten Raumverwaltung mit Einbindung einer Einzelraumregelung

gen dargestellt werden. Allerdings wird Visio auch mehr und mehr für CAFM-Lösungen eingesetzt. Üblicherweise unter- stützt Visio gängige Dateiformate von professionellen CAD- Programmen. Dadurch ist es möglich, vorhandene Gebäude- zeichnungen in Visio zu importieren. Im Anschluss werden alle signifikanten Objekte wie Räume, Einrichtungsgegen- stände usw. als sog. Visio-Shapes ausgebildet.

Ein Shape ist nicht, wie der Name besagt, lediglich eine Form, sondern ein Objekt, das sich umfassend automatisie- ren und in eine Automatisierungsumgebung einbinden läßt. Jedes Objekt besitzt eine große Anzahl von Parametern, wie Abb. 2: Raumcontroller z.B. die Hintergrundfarbe, Größe und die Koordinaten inner- halb der Zeichnung. Ein Mechanismus zum Ändern dieser Ei- genschaften ist die direkte Verknüpfung mit einer Datenbank, im einfachsten Fall eine Exceltabelle. Ein vorstellbares Sze- nario ist in Abbildung 1 dargestellt, in der die unterschied- lichsten Bodenbeläge farblich gekennzeichnet sind.

Durch diese Maßnahme kann man z.B. leicht und schnell die Reinigungskosten überschlagen. Eine weitere Möglichkeit, den Ablauf innerhalb von Visio-Dokumenten zu beeinflus- sen, ist das direkte Programmieren in Visual Basic, das ja auch in den anderen Microsoft Office-Programmen verfügbar ist. Somit ist es möglich, die genaue Fläche von Räumen über die Shape-Koordinaten zu berechnen. Denkbarer Ein- satz für die Raumverwaltung ist, neben dem Reinigungsma- nagement, die Inventarisierung und räumliche Zuordnung von Objekten. Abb. 3: Benutzerinterface Alle diese Anwendungen entstehen in einer Verknüpfung mit einer Datenbank, deren Inhalt vom Benutzer gepflegt wird. In Abbildung 2 und 3 sind der Raumcontroller und das Be- Das ist jedoch eine statische Verfahrensweise. Die volle Leis- nutzerinterface dargestellt. tungsfähigkeit eines solchen Systems zeigt sich jedoch erst dann, wenn die Daten von einem Erfassungssystem aufbe- Das Herzstück des Raumcontrollers bildet ein 8-Bit Mikro- reitet und dynamisch gepflegt werden. Das geschieht z.B. in- controller ATMega128 der Firma Atmel. Er verfügt über einen nerhalb der Einzelraumregelung, wenn ein Raumcontroller 128 kByte großen Programmspeicher und bietet darüber hi- die aktuellen Raumdaten wie Temperatur oder Fensterstel- naus genügend Leistungsreserven für zukünftige Entwick- lung aufbereitet und sie an das CAFM-System weiterleitet. lungen.

Innerhalb der Einzelraumregelung ist ein Redesign von als Softwareseitig ist folgende Grundfunktionalität realisiert: Prototypen vorhandenen Raumcontrollern erfolgt, das in · Einlesen aller Sensoren und Eingänge weiten Teilen den Charakter einer Neuentwicklung trägt. Die · Glätten der Temperaturmesswerte Geräte haben folgende Hardwaremerkmale: · Verwalten und Optimieren der Nutzungszeiten · 6 Eingänge für Temperatursensoren · Auswertung des Benutzerinterfaces · 1 Eingang für Fensterkontakte (durch Reihenschaltung · Weiterverarbeiten von Kommunikationsanfragen der Fensterkontakte erweiterbar) · Ansteuerung der Heizkörperstellventile · Ansteuerung von bis zu 8 Heizkörperstellventilen · Kommunikationsinterface Darüber hinaus muss der Raumcontroller die Möglichkeit · Benutzerinterface besitzen, jederzeit neu programmiert zu werden. Dieser Me- · Echtzeituhr chanismus wird mit Hilfe eines eigenen Bootloaderbereiches · Galvanische Trennung der Ein- und Ausgänge auf dem Mikrocontroller realisiert. Dieser fragt bei jedem

46 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Neustart des Raumcontrollers nach, ob ein Programmup- Kontakt date vollzogen werden soll. Die Entwicklung des Betriebs- Prof. Dr. rer. nat. Mathias Fraaß systems sowie des Bootloaders erfolgte in der Program- Technische Fachhochschule Berlin miersprache C. FB IV - Haus Bauwesen, Raum D 127 Luxemburger Straße 10 Um den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kos- 13353 Berlin ten zu senken, bedarf es eines weitergehenden Eingriffs in Tel: (030) 4504-2533 die Heizungsanlage. Heutige Heizungsanlagen arbeiten E-Mail: [email protected] überwiegend witterungsgeführt. Das bedeutet, sie bilden aus der Außenlufttemperatur einen Sollwert der Vorlauftem- peratur im Heizkreis. Dieses System hat jedoch den Nach- Kooperationspartner teil, dass ein unnötig hohes Energieangebot bereit gestellt Axentris Informationssysteme GmbH wird. Die Erfahrungen mit solchen Systemen belegen, daß Hohenzollerndamm 152 dieses Überangebot zu einem nicht unerheblichen Teil auch 14199 Berlin abgerufen wird. Die Folge sind überheizte Räume, die dann E-Mail: [email protected] wieder vom Nutzer durch Fensterlüftung gekühlt werden. Um das zu vermeiden, muss zusätzlich für jeden Heizkreis ein Heizkreiscontroller installiert werden. Der Heiz- kreiscontroller verfügt über eine direkte Verbindung zum Mi- scher. Außerdem ist er mit dem Bussystem verbunden und kann somit Informationen mit den Raumcontrollern austau- schen. Eine interessante Regelstrategie ist die zentrale Raumtemperaturregelung mit wechselndem Pilotraum. In der ersten Realisierungsphase wird der Heizkreiscontroller zunächst nur auf einem PC simuliert.

3. Zusammenfassung und Ausblick Das Hauptziel dieser Forschungstätigkeit war die Kopplung der Raumverwaltung an die Einzelraumregelung. Die Raum- verwaltung wurde dabei mit gängiger Office-Software reali- siert, wodurch der Aufwand und auch die Kosten gering gehalten wurden. Ein weiterer Abschnitt war die Entwicklung eines Raumcontrollers, der innerhalb der Einzelraumrege- lung zum Einsatz kommt. Alle Raumcontroller sind dann über ein Bussystem mit der Raumverwaltung verbunden, damit Informationen ausgetauscht werden können. Zusätz- lich wird, um Energiekosten weiter zu reduzieren, ein Heiz- kreiscontroller benötigt. Dieser wird jedoch aktuell nur auf einem PC simuliert. Die komplette Raumverwaltung mit Ein- zelraumregelung umfasst somit drei Themenschwerpunkte, deren Weiterentwicklung auch zukünftig verfolgt wird. Her- vorzuheben ist hier als erstes der Heizkreiscontroller, der noch in Hardware umzusetzen ist.

47 Entwicklung eines neuen Brennwertgerätes mit einem erhöhten Wasserdampfanteil im Brennraum und Entwicklung beheizbarer Möbel

Entwicklung eines neuen Brennwertgerätes mit einem erhöhten Wasser- dampfanteil im Brennraum und Entwicklung beheizbarer Möbel mit Latentwärmespeicherkissen Dipl.-Ing. Thomas Beyer, Prof. Dr.-Ing. Elfriede Herzog Kooperationspartner: BST Solutions GmbH, Ratingen

Umweltschutz und sorgsamer Umgang mit Ressourcen gewinnen angesichts knapper und somit kostenintensiver werden- der Rohstoffe in der Heizungstechnik zunehmend an Bedeutung. Hierbei liegt das Augenmerk vor allem auf einer Effizienz- steigerung verbunden mit einer Reduzierung der betriebsbedingten Emissionen. Die Forschung im Labor für Heiztechnik der TFH Berlin zielt auf die Erschließung materieller und energetischer Einsparpotentiale, welche die Veränderung einzel- ner herkömmlicher Brennerkomponenten bedingt.

Environmental protection and the economical use of raw materials are getting more and more important, especially in hea- ting engineering because of the decreasing resources and increasing costs. Therefore it is most important to raise the effi- ciency and to reduce the operation-linked emissions. The research in the laboratory of heating engineering at the University of Applied Sciences Berlin (TFH) explores the potential of material and energetic savings focusing on conventio- nal burner components.

1. Teilprojekt I: Entwicklung eines neuen Brennwert- fordernissen des innovativen Brennwertsystems gerecht gerätes mit einem erhöhten Wasserdampfanteil im wird und gleichzeitig die notwendigen Sicherheitsstandards Brennraum erfüllt sowie die übliche Automatisierung des Verbrennungs- prozesses sicherstellt. Aus dem zuvor beschriebenen neuen 1.1 Einleitung Brennwertsystem ergeben sich für die Inbetriebnahme mit- Die Entwicklung konventioneller Brennwertgeräte ging in tels eines Feuerungsautomaten die zusätzlichen Schritte: den vergangenen Jahren einher mit dem erhöhten Einsatz das Befüllen des Wasserbettes, das Überprüfen der notwen- kostenintensiver Materialien für Brennerplatten und/oder digen Höhe des Wasserbettes und das Entleeren beim Aus- Wärmetauscher. Im Labor für Heiztechnik des FB IV der TFH schalten des Brenners. Berlin wird seit mehreren Jahren an einem neuen Konzept für ein innovatives Brennwertsystem gearbeitet, mit dem der Für die Realisierung der Automatisierung wurden als geeig- Einsatz kosten- und energieintensiver Materialien und Ferti- nete Steuerungsgeräte die LOGO-Module der Firma Siemens gungsprozesse reduziert werden kann [1–6]. Eine Analyse ausgewählt. Diese SPS-Bausteine zeichnen sich durch hohe der am Markt üblichen Brennwertsysteme ergab, dass eine Flexibilität, Erweiterbarkeit sowie anwenderfreundliche Pro- erhebliche Materialeinsparung und Weiterentwicklung an grammierung mittels grafischer Programmieroberfläche aus. zwei Stellen möglich ist: an der Brennerplatte und am Wär- Die Module besitzen insgesamt 34 verschiedene Funktio- metauscher. Auf Grundlage der Analyse konnten ein neues nen, welche durch individuelle Verknüpfung der jeweils zu Brennwertsystem entwickelt werden.1 Zunächst wurde die realisierenden Steuerfunktion angepasst werden können. Brennerplatte durch ein Wasserbett ersetzt, auf dessen Die Funktionstüchtigkeit der zu verwendenden Bauteile Oberfläche das voll vorgemischte Gas-Luft-Gemisch ver- wurde geprüft und der Eingangs- bzw. Ausgangsseite zuge- brennt. Mit der Verbrennung des Erdgases auf einer Wasser- ordnet. Die Funktionalität der so erstellten Schaltung wurde oberfläche kann eine schadgasarme Verbrennung sicher- im Simulationsmodus des Programms überprüft und an- gestellt werden, deren Emissionswerte weit unter den ge- schließend auf die Module übertragen. setzlichen Vorgaben und unter denen von Strahlungsbren- nern liegen, wobei eine größere Flächenbelastung möglich ist. Problematisch gestaltete sich die Anbindung des Flammen- fühlers an die Steuerung, da das übliche Ausgangsignal des 1.2 Entwicklung eines variablen Feuerungsautomaten Fühlers nicht als Eingangsignal für die Steuerung zu verwen- In einem weiteren Schritt musste ein neuer, variabler Feue- den war. Hier wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Ko- rungsautomat entwickelt und aufgebaut werden, der den Er- operationspartner und Hersteller des Flammenfühlers2 eine

1 Europäisches Patent EP 813 029; Verfahren zum Verbrennen eines gasförmigen Brennstoff-Luft-Gemisches ; 1998; DE 10109895B4; Verfahren zum Verbrennen eines Gas-Luft-Gemisches, das durch Wasser hindurchgeführt wird, 2004. 2 BST Solutions GmbH, Eggerscheidter Str. 57, 40883 Ratingen, Germany.

48 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Abb. 1: Rendering3 eines Modells eines Abb. 2: Schaltbelegung Eingänge der Steuerung des Feuerungsautomaten Wasserbettbrenners mit konventionel- lem Wärmetauscher

Vorschaltung entwickelt und realisiert, welche das Fühler- wasserführenden Rotationseinheiten zum Einsatz. Alle Mes- signal in verwertbare digitale EIN- und AUS-Signale wandelt. sungen zeigen, dass ein direkter Wärmeübertrager die An- Mit dem neu entwickelten und aufgebauten Feuerungsauto- forderungen, die sich aus dem Vergleich mit den konven- mat können nun variable Programmabläufe realisiert wer- tionellen stofftrennenden Wärmeübertrager ergeben, erfüllt. den. Durch eine Erweiterung mit einem Zusatzmodul können weitere 8 Eingänge sowie 4 Ausgänge bereitgestellt werden, Die Messergebnisse zeigen, dass die Drehzahl einen ent- so dass problemlos weitere Bauteile und Funktionen inte- scheidenden Einfluss auf die Wärmeübertragungskapazität griert werden können. ausübt. Die Temperatur des Abgases fällt linear mit steigen- der Drehzahl. Dieser Einfluss zeigt sich jedoch nicht bei der 1.3 Direkter Wärmetauscher Kondensation des im Abgas vorhandenen Wassers. Trotz Infolge der Verbrennung des Gases an einer Wasseroberflä- Steigerns der Drehzahl nimmt die Kondensationsrate zu- che erhöht sich der Wasserdampfanteil um ca. 20 % im nächst nicht und dann mäßig ab. Mit weiter steigender Dreh- Abgas, was zu einer schnelleren Kondensation in den kon- zahl steigt der Wasserdampfgehalt wieder an, was mit hoher ventionellen Wärmetauscherflächen führt und dabei je nach Wahrscheinlichkeit durch Tröpfchenaustrag verursacht wird. konstruktiver Ausführung zu Druckschwankungen und Der im Abgas verteilte Wasservolumenstrom bei konstanter selbsterregten Schwingungen führen kann. Drehzahl führt zunächst zu einem linearen Absinken der Temperatur und des Wasserdampfgehaltes des Abgases. Da bereits ein erhöhter Wasserdampfanteil im Brennraum Dann läuft die Wärmeübertragungskapazität jedoch einem vorhanden ist, wurde in einem weiteren Entwicklungsschritt Grenzwert zu, da mit höherem Wasservolumenstrom keine der konventionelle Wärmetauscher durch einen direkten entsprechende Leistung der Wärmeübertragung erreicht Wärmetauscher ersetzt. Neben der damit einhergehenden wird. Somit liegt eine limitierende Situation vor, die bisher Materialeinsparung kann so auch die Wärmeübertragung in- durch weitere Messungen nicht weiter identifiziert werden tensiviert werden. Dazu werden Wassertropfen unterschied- konnte. licher Größe mittels eines rotierenden Körpers über den gesamten Strömungsquerschnitt des Abgasweges verteilt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt sich der begrenzende Bei Untersuchungen mit heißen Abgasen konnte bei einer Faktor aus dem Zusammenspiel der vorherrschenden Strö- ausreichenden Tröpfchenverteilung und einer mittleren mungsverhältnisse in Verbindung mit den darin vorhande- Heizmitteltemperatur von bis zu 40 °C ein höherer Grad an nen Wärmeübertragerflächen (Wassertröpfchen). Eine Kondensation des im Abgas enthaltenden Wasserdampfes Arbeitsthese lautet, dass sich durch die über dem Abgas- erreicht werden, als mit konventionellen Brennwertgeräten. strom angeordnete schnell drehende Rotationseinheit ein In den Untersuchungen der letzten 12 Monate kamen ver- Wirbel im Abgasstrom ausbildet, der ein Wärmeübertra- schiedene Einbauten und konstruktive Ausführungen von gungsgebiet erst im Randbereich des Brennerkörpers aus- bildet, d.h. dessen Volumen deutlich kleiner ist als das 3 Rendering von Dipl.-Ing. Christoph Maggioni, München 1999 theoretisch zur Verfügung stehende Volumen.

49 Entwicklung eines neuen Brennwertgerätes mit einem erhöhten Wasserdampfanteil im Brennraum und Entwicklung beheizbarer Möbel

Abb. 3: Messauswertung Direktwärmetauscher Abb. 4: Messauswertung Direktwärmetauscher

1. 4 Ausblick Analyse der Zusammensetzung der Abgase, wobei jeweils Für eine erste Überprüfung der These wäre eine Strömungs- bei geringster und größter Leistungsstufe der Geräte gemes- sichtbarmachung hilfreich, indem die Strömungsverhält- sen wird. nisse unter Einhaltung der geometrischen und reynolds- schen Ähnlichkeit in Wasser nachgebildet werden. Sollte 2.3 Erläuterung der Untersuchung am Beispiel des Terras- sich die These bestätigen, so besteht noch ein großes Po- senstrahlers Cosystand tenzial zur Verkleinerung des jetzigen Modellaufbaus. Zunächst soll die Leistungsermittlung näher betrachtet wer- den. Die Berechnung erfolgt auf Grundlage des Gewichtsver- 2. Teilprojekt II: Entwicklung beheizbarer Möbel mit lustes der Gasflasche sowie der zugehörigen Messzeit. Aus Latentwärmespeicherkissen den einzelnen Messwerten wird dann ein zeitlich gewichte- 2.1 Einleitung ter Mittelwert errechnet. Ziel des Forschungsprojektes ist die Entwicklung neuer Pro- dukte, welche eine zielgerichtete sowie effizientere Wärme- Des Weiteren soll der Energieverlust, welcher durch das Ab- übertragung im Bereich der Außenheizung ermöglicht. Ein strömen heißer Abgase verursacht wird, abgeschätzt wer- erster Schritt ist die Analyse der am Markt befindlichen Ge- den. Mit Hilfe einer Nebelmaschine kann die Abgasströmung räte. Die Auswertung einer im Labor durchgeführten Mess- unterhalb des Strahlungsschirmes sichtbar gemacht wer- reihe dient hauptsächlich der Abschätzung der Anteile der den. Es zeigt sich, dass sich unmittelbar unter dem Schirm Wärmestrahlung und der konvektiven Verluste handelsübli- eine Abgaswolke ausbildet, welche dann über den Schirm- cher Terrassenstrahler zur Beheizung von Freiflächen. In die- rand nach oben entweicht. sem Artikel wird beispielhaft die Untersuchung eines gas- betriebenen Terrassenstrahlers Cosystand vorgestellt. Die die Analyse der Zusammensetzung der Abgase erfolgt mittels eines rbr-Abgasanalysegerätes. Ein besonderes Au- 2.2 Messanordnung genmerk liegt dabei auf dem Anteil an O2, da sich damit bei Zur Ermittlung der von den Strahlern emittierten und im Ab- bekannter Abgastemperatur die Verluste nach den in der stand R auftreffenden Strahlungsleistung wurde eine Emp- BImSchV festgelegten Gleichungen berechnen lassen. fängerplatte aus 5 Temperaturfühlern (PT 100) und einem Strahlungssensor konstruiert. Die Problematik besteht nun darin, einen geeigneten Mess- punkt festzulegen, an dem das Rauchgas noch nicht durch Zur Ermittlung konvektiver Verluste dienen Temperaturmes- die umgebenden Luft versetzt ist, es jedoch keinen Beitrag sungen des abströmenden Abgases. Zudem erfolgt eine zur Strahlungsausbeute durch konvektive Wärmeübertra-

Durchsatz Brennerleistung Abgastemperatur Sauerstoffgehalt Abgasverlust Abstrahlung m [kg/h] P [kW] TA [°C] O2 [%] qA [%] ES [kW]

Qmin 0,205 2,64 254 15,9 30,7 1,83

Qmax 0,755 9,72 440 8,2 24,0 7,38

Tabelle 1: Brennerleistung und Abgasverlust des Terrassenstrahlers bei kleinster und größter Einstellung

50 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

deren Brenner in durchschnittlich 2m Höhe angeordnet sind, wird eine Situation geschaffen, die von vielen als ther- misch unbehaglich empfunden wird. Ursache ist eine hohe Strahlungsintensität im Kopf- und keine im Fußbereich. Mit der Forderung nach vielen kleinen Strahlungsflächen kann auch eine Verbesserung der Behaglichkeit erreicht werden, indem die einzelnen Strahlungsflächen flexibel in Höhe, Ausrichtung und Winkel eingestellt werden können.

Literaturverzeichnis [1] Losleben, Bernd; Aufbau und Simulation eines Feuerungs- automaten für einen Brennwert-Wasserbrenner; Diplom- arbeit 8/2004. [2] Riemann, Thomas; Entwicklung eines Kesselwärmetau schers mit direkter Wärmeübertragung; Diplomarbeit 3/2006. [3] DIN EN 298 „Feuerungsautomaten für Gasbrenner und Gasgeräte mit und ohne Gebläse“, 2003. [4] DIN EN 676 „Automatische Brenner mit Gebläse für Gas- förmige Brennstoffe“, 2003. Abb. 5: Verluste des Terrassenstrahlers Cosystand [5] DIN 4702-6 „Heizkessel, Brennwertkessel für gasförmige Brennstoffe“, 1990. gung an den Reflektorschirm leisten kann. Die Temperatur [6] Siemens, LOGO Handbuch, 02.2005. des gewählten Messpunktes sowie die Ergebnisse der Ab- [7] Glück, Bernd; Strahlungsheizung Theorie und Praxis; gasanalyse ergaben Abgasverluste in der Größenordnung Karlsruhe 1982. [8] von 24 % für Qmax und 31 % bei Qmin (vgl. Tabelle 1). Siegel R., Howel J. R., Lohrengel J.; Wärmeübertragung durch Strahlung; Band 1 und Band 2; Berlin, Heidelberg Die in der Tabelle 1 aufgeführte Strahlungsleistung errech- 1991 / 1993. net sich aus der zuvor ermittelten Brennerleistung und dem [9] Gebhardt Hj., Müller B. H.; Bewertung von Strahlungs- Abgasverlust. Ein weiterer Energieverlust ist aufgrund der heizungen; Dortmund, Berlin, Dresden 2005. Abstrahlung der Schirmoberfläche nach oben zu bilanzieren. [10] Maggioni, Christoph; Rendering, München 1999. Anhand der Messauswertung beziffern sich diese auf ca. 5% bei Qmax und 10 % bei Qmin jeweils bezogen auf die ermit- telte Brennerleistung. Kontakt Prof. Dr.-Ing. Elfriede Herzog 2.4 Ausblick Technische Fachhochschule Berlin Beobachtet man auf Freiflächen von Gaststätten betriebene FB IV - Haus Bauwesen, Raum D 307 Terrassenstrahler, so arbeiten diese zumeist mit kleinster Luxemburger Straße 10 Brennereinstellung. Hierbei treten jedoch, wie die Messun- 13353 Berlin gen zeigen, die höchsten konvektiven Verluste der Terras- Tel.: (030) 4504-2565 senstrahler auf. E-Mail: [email protected]

Auf der Basis der Messergebnisse können nun konkrete An- forderungen an optimierte Strahlungsbrenner für die Außen- Kooperationspartner aufstellung formuliert werden: BST Solutions GmbH Eberhard Röllecke Da die Wärmeübertragung durch Strahlung umso leistungs- Eggerscheidter Str. 57 fähiger und effizienter ist, je höher der Temperaturunter- 40883 Ratingen schied zwischen der strahlenden Oberfläche und der Umge- bung ist, sollte ein Terrassenstrahler einzelne einstellbare Strahlungsflächen aufweisen. Mit den Terrassenstrahlern,

51 Innovative Betriebsmethoden für Tier- und Freizeitanlagen

Innovative Betriebsmethoden für Tier- und Freizeitanlagen Dipl.-Ing. (FH) Anja Hirsch, Prof. Dipl.-Ing. Katja Biek-Czarny Kooperationspartner: Axima GmbH, NL Dresden

Tier- und Freizeitanlagen übernehmen in der Gesellschaft eine entscheidende Rolle als Bildungs- und Erholungsstätten. Das Betreiben von Freizeitanlagen ist kostenintensiv; hohe Energie- und Erhaltungskosten für das Bauwerk sind oftmals Ursache für die Schließung vieler Bildungsstätten. Mit ansteigenden Kosten werden für den dauerhaften Erhalt dieser Ein- richtungen wirtschaftlich effektive Betreiberkonzepte immer entscheidender. Bereits in der Planungsphase von Neubauten und Sanierungen bestehender Bauten muss Aspekten wie energieeffizientem Bauen große Beachtung geschenkt werden.

Zoos and leisure parks play a decisive role as educational and recovering sites. The operation of leisure parks is cost-inten- sive; high energy and maintenance costs are the main reason for the closing of most educational sites. Due to increasing costs, it is most important to have an economically effective operations concept, in order to guarantee a lasting mainten- ance of the site. It is necessary to consider aspects such as energy efficient construction already during the planning of new buildings as well as in the reconstruction of old buildings.

1. Einleitung Insbesondere Planungs- und Ausführungsfehler am Ge- Beim Betreiben von Freizeitanlagen stehen neben der Be- bäude können fatale Folgen für die Bausubstanz und dem- treuung von Besucherinnen und Besuchern sowohl die re- zufolge für den Wärmeschutz nach sich ziehen. gelmäßige Wartung von technischen Anlagen wie auch die Bauphysikalische Mängel an der Gebäudehülle haben meist Erhaltung des Bauwerkes im Vordergrund. Es ist besonders schwerwiegende Auswirkungen. Oftmals kommt es zur darauf zu achten, dass es sich hierbei um Sonderbauten Durchfeuchtung von Baumaterialien, zur Schimmelpilzbil- handelt mit individuellen Anforderungen an die klimatischen dung, insbesondere in Räumen mit hohen relativen Luft- Raumluftbedingungen. Das erforderliche Klima innerhalb feuchten und zur Steigerung des Energieaufwandes zur des Gebäudes bestimmt die Eigenschaften der baulichen Wärmeerzeugung. Gebäudehülle und die Nutzung von raumlufttechnischen An- Lösungsansätze, die beim Bau und der Sanierung von Tro- lagen. penhallen, Bibliotheken und Museen zum Einsatz kommen können, wurden in diesem Forschungsprojekt näher unter- Damit die Nutzungsdauer der Gebäude von Freizeitanlagen sucht. Es wurde insbesondere der Einsatz von Baumateria- gesteigert und der Energieeinsatz für die Wärmeerzeugung lien bei bestimmten klimatischen Raumluftbedingungen im Gebäude minimiert wird, sind insbesondere in der Pla- betrachtet. nung und Ausführung von Bauwerken die bauphysikalischen Eigenschaften gemäß den geltenden DIN-Normen und dem 3. Untersuchung allgemeinen Stand der Technik zu berücksichtigen. Daher Während des Forschungsprojektes wurden Untersuchungen wurde in diesem Forschungsprojekt mit der Unterstützung zu den bauphysikalischen Gebäudeeigenschaften von Be- des Kooperationspartners Axima GmbH, NL Dresden in den standsgebäuden in zoologischen Gärten durchgeführt. Be- Untersuchungen speziell auf bauphysikalische Gebäude- gehungen und fachliche Führungen mit den technischen schwächen und auf Reinigungszyklen raumlufttechnischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlicher zoolo- Anlagen unter Berücksichtigung der klimatischen Raumluft- gischer Gärten ergaben insbesondere in Tropenhallen einen anforderungen eingegangen. flächigen Befall mit Mikroorganismen auf den Wandoberflä- chen innerhalb des Gebäudes. Dies verdeutlichte die Aus- 2. Problemstellung maße der vorhandenen Schimmelpilzbelastung und die In Abhängigkeit zur Gebäudenutzung unterliegen Tier- und Bedeutsamkeit der Untersuchungen. Freizeitanlagen unterschiedlichen klimatischen Anforderun- gen. In Tropenhäusern von zoologischen Gärten wird für die 3.1 Voruntersuchung optimalen Lebensbedingungen der Tiere und das Wachstum In den Voruntersuchungen wurden vier unterschiedliche Tro- von Pflanzen mit technischem Aufwand ein tropisch feucht- penhallen miteinander verglichen. Hierbei wurden Gebäude warmes Klima erzeugt. In Bibliotheken und Museen hinge- verschiedener Baujahre und unterschiedlicher Baumateria- gen ist auf ein trockenes konstantes Klima zu achten, um lien gegenübergestellt (Tabelle 1). Die Begehungen der Tro- den Erhalt der Bücher und Kunstgegenstände zu ermöglichen. penhallen zeigen, dass nutzungsbedingt hohe Raumluft-

52 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Tabelle 1: Tropenhallen im Vergleich temperaturen und relative Luftfeuchtigkeiten innerhalb der flächen der Baumaterialien neben Algen und Hefen zu einem Gebäude vorherrschen. In Tropenhäusern herrschen hohe großen Anteil aus Schimmelpilzen besteht. Raumlufttemperaturen von 25–30° C und relative Luftfeuch- Weiterführende bauphysikalische Untersuchungen liefern tigkeiten von über 70 %. Es wird deutlich, dass die Oberflä- Aufschluss über die vorherrschenden Lebensbedingungen chen des Mauerwerkes und Betons stark mit flächigem der Schimmelpilze. Neben Messungen der Raumlufttempe- Bewuchs befallen sind. Auf den Baumaterialien Glas und ratur und relativen Luftfeuchte wurden Oberflächentempera- ETFE-Folie hingegen ist optisch kein Befall mit Schimmelpil- turen und Wärmebrücken mit Hilfe von thermographischen zen zu erkennen. Aufnahmen ermittelt.

Als Forschungsgrundlage wurden vorerst die Lebensvoraus- setzungen von Schimmelpilzen ermittelt. Die meisten Arten bevorzugen Lebensbereiche, in denen sowohl große Nähr- stoffangebote wie auch Raumlufttemperaturen von 25–30°C und relative Luftfeuchtigkeiten von 80–85 % vorherrschen. Schimmelpilze finden in Tropenhallen ausreichend organi- sche Nährstoffe durch verwesende Pflanzenreste, Pflanz- erde, Federn und Staub. Vergleicht man die optimalen Lebensbedingungen der Schimmelpilze und die klimatischen Raumluftverhältnisse in Tropenhallen miteinander, so wird deutlich, dass für die Entwicklung und Vermehrung von Schimmelpilzen in Tropenhallen ein ideales Klima vorherrscht. Abb. 1: Thermographie – Wärmebrücke Bei diesen Verhältnissen besteht eine große Gefährdung durch Schimmelpilzbildung auf den Bauteiloberflächen. Die Ansiedlung von Schimmelpilzen auf den Baumaterialien und die Sporenbelastung in der Raumluft stellen neben der Zer- störung der Bausubstanz auch eine Gefahr für Tierpfleger und Tier dar. Der dauerhafte Aufenthalt in den belasteten Bereichen kann zu Allergien und zum Befall innerer Organe führen.

3.2 Analysen des Oberflächenbefalls Nach den optischen Begutachtungen wurde ein Gebäude näher untersucht. Um genaue Auskunft über die Zusammen- setzung des mikrobiellen Befalls auf den Bauteiloberflächen zu erhalten, wurden Abklatschproben, gemäß [Hir08] an Abb. 2: Realbild – Mikroorganismen im Bereich der Wärmebrücke verschiedenen Stellen im Gebäude genommen. Bei den Pro- benahmen wurden Nährmedien auf die Oberfläche gedrückt, Betrachtet man die thermographische Aufnahme der Ober- auf welchen Sporen anhaften, die direkt im Brutschrank bei flächen näher, so sind Temperaturen zwischen 21°C und 30° C kultiviert werden konnten. Infolge der Kultivierung 19° C zu erkennen. Infolge der abgekühlten Wandoberflä- wurde ersichtlich, dass der mikrobielle Befall auf den Ober- chen im Gebäudeinneren kommt es zum Tauwasserausfall.

53 Innovative Betriebsmethoden für Tier- und Freizeitanlagen

Die warme Raumluft kühlt sich ab und Wasser wird aus der Tragende Holzkonstruktionen oder Holzwerkstoffe sind cel- Luft freigesetzt. Je schlechter die Wärmedurchgangskoeffi- lulosehaltig. Die Cellulose wird von Schimmelpilzen abge- zienten der Außenbauteile, desto stärker erfolgt die Abküh- baut. Durch die Ausscheidung von Pigmenten beim lung der Wandflächen und es kommt zur Ansammlung von Celluloseabbau kommt es zu Verfärbungen im Holz, diese Tauwasser auf den Bauteiloberflächen. Die Untersuchungen sind insbesondere bei Kunstexponaten zu vermeiden. In- zeigen, dass sich infolge der hohen Luftfeuchtigkeiten und folge des Abbaues erfolgt weiterhin eine Reduzierung der niedrigen Temperaturen der Wandoberfläche Feuchtigkeit Festigkeit. Die Hyphen der Schimmelpilze wachsen maximal auf den Baumaterialien bildet, die ins Innere des Bauteils 1mm ins Holz hinein, da der Holzkern nur sehr geringe Men- eindringen kann und den Schimmelpilzen auf den Wand- gen an Wasser speichert [Rei98]. Kommt es jedoch zu Rissen oberflächen eine Lebensgrundlage liefert. im Holzgefüge, so kann Feuchtigkeit bis ins Innere eindrin- gen und Schimmelpilze hätten ausreichend Wasser zur Ver- 4. Ergebnisse fügung. Hierbei ist zu beachten, dass die Cellulose ebenso In Tropenhallen von Tieranlagen sind hohe relative Luft- im Inneren abgebaut werden kann und die Tragfähigkeit des feuchtigkeiten die Grundlage für das Wohlbefinden der Tiere Bauteiles gefährdet ist. und Pflanzen. Hier sind die optimalen Raumluftbedingungen Eine weitere Materialeigenschaft, die die Ansiedlung von dauerhaft zu gewährleisten. Lösungsansätze für die Mini- Schimmelpilzen fördert, sind porige und rissige Materialien, mierung von Schimmelpilzen auf Bauteiloberflächen findet in die Feuchtigkeit eindringen kann. Dauerhafte Feuchtigkeit man beim Einsatz von Baumaterialien unter Berücksichti- im Baumaterial kann direkt das Materialgefüge zerstören gung des Wärmeschutzes. und bietet des Weiteren den Schimmelpilzen eine Lebens- Im Wohnungsbau ist die Ansiedlung und Vermehrung von grundlage. Schimmelpilze können bei rissigen und porigen Schimmelpilzen bereits umfangreich untersucht worden. Zur Baustoffen ins Innere eindringen und weitere Bestandteile Minimierung des Schimmelpilzbefalles in Wohnräumen des Baustoffes abbauen. Auch hier muss der Standsicher- wurde insbesondere die Senkung der relativen Luftfeuchtig- heit des Bauwerkes Beachtung geschenkt werden. keit empfohlen. Dieser Lösungsansatz ist in Tropenhallen in- folge der speziellen klimatischen Anforderungen nicht Tropenhallen anwendbar. Jedoch sollte bereits bei der Planung von Tro- Schimmelpilze benötigen als Lebensgrundlage Feuchtigkeit. penhallen ein klimatischer Bereich festgelegt werden, bei Daher muss bei Gebäuden darauf Acht gegeben werden, denen Tiere und Pflanzen optimal überleben können. Da die dass die Bausubstanz keiner dauerhaft anhaltenden Feuch- Tiere in der Natur hohen Temperaturschwankungen ausge- tigkeitseinwirkung ausgesetzt wird. Weiterhin kann es bei setzt sind, sollte darauf geachtet werden, dass die vorherr- durchfeuchteten Baumaterialien insbesondere innerhalb der schenden Temperaturbereiche so niedrig wie möglich Frostperiode zu Frostabsprengungen kommen. Bei Freiflug- eingestellt werden, so kann der Tauwasseranfall an den Bau- hallen kann das Eindringen der Feuchtigkeit durch den Ein- teiloberflächen, wie in Tabelle 2 ersichtlich, deutlich mini- satz von diffusionsdichten Schichten vermindert werden. miert werden. Besser eignen sich hier jedoch Materialien wie ETFE-Folien, die neben wasserabweisenden Eigenschaften ebenso opti- 4.1 Baumaterialien mal lichtdurchlässig sind. Ein weiterer Vorteil dieser Mate- Für den Bau und die Sanierung von Gebäuden stehen eine rialien ist, dass sich kaum Verschmutzungen auf den Reihe unterschiedlicher Baumaterialien zur Verfügung. In Oberflächen absetzen können und somit den Schimmelpil- Abhängigkeit zur Gebäudenutzung und deren klimatische zen Nährstoffe auf den Bauteiloberflächen entzogen wer- Raumluftbedingungen sind verschiedene Materialien an- den. Nachteilig jedoch sind erhöhte Wärmedurchgangs- wendbar. Eine Ursache für die Besiedlung von Schimmelpil- koeffizienten dieser Baumaterialien, somit kommt es ver- zen auf Baumaterialien sind deren Inhaltsstoffe, die als mehrt zum Tauwasserausfall im Gebäude. Das Tauwasser ist Nährstoffquelle verbraucht werden. gezielt abzuleiten, damit folgenschwere Feuchtigkeitsschä- den vermieden werden können. Um den Wärmeschutz zu verbessern, sind Konstruktionen mit 5 Lagen ETFE-Folie empfehlenswert.

Des Weiteren ist beim Bau von Tropenhallen auf einige Ma- terialien vollständig zu verzichten. Holzwerkstoffe bieten Schimmelpilzen organisches Material als Nahrungsquelle. Tabelle 2: Taupunkttemperaturen in Abhängigkeit zur Raumluftfeuchte Holz wird befallen und die Mikroorganismen können sich da- und Raumlufttemperatur [Sch06 abgewandelt] rauf weiter vermehren.

54 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Zu vermeiden sind wasserdampfdiffusionsoffene Baumate- 4.2 Bauphysikalische Eigenschaften rialien aus Gips und Lehm, da diese Materialien schnell In engem Zusammenhang mit dem Einsatz von Baumateria- Feuchtigkeit aufnehmen und bei andauernder Feuchtigkeit lien stehen die Anforderungen an den Wärme- und Feuchte- nicht austrocknen können. schutz. Die Einhaltung von Wärmedurchlasskoeffizienten gemäß gültiger Regelwerke und DIN-Normen sind von gro- Jedoch sind nicht nur bautechnische Aspekte in Tropenhal- ßer Bedeutung. So werden hohe Energieverluste nach len zu berücksichtigen. Einen weiteren entscheidenden Fak- außen und die Bildung von Tauwasser auf der Bauteilober- tor bilden die Pflanzen, die zum Teil dicht an der Gebäude fläche gemindert. Wärmere Oberflächentemperaturen im In- hülle angepflanzt sind. Infolge der engen Bepflanzung neren der Gebäude vermeiden, dass Feuchtigkeit aus der kommt es zu einem geminderten Luftwechsel im Wandbe- Luft auf der Bauteiloberfläche ausfällt und den Schimmelpil- reich. Feuchtigkeiten auf den Materialoberflächen können zen als Lebensgrundlage zur Verfügung steht. so nur schwer abtrocknen. Eine große Schwachstelle stellen hier geometrische und Bibliotheken und Museen konstruktive Wärmebrücken dar. Diese Bauteilflächen wei- Beim Bau von Bibliotheken und Museen hingegen muss auf sen bei mangelhafter Ausführung kältere Oberflächentem- andere Parameter in der Planung eingegangen werden. Hier- peraturen auf. Insbesondere in diesen Bereichen muss auf bei ist zu beachten, dass die Exponate sehr empfindlich auf eine geeignete Bauausführung geachtet werden, da hier kleinste Schwankungen des Raumklimas reagieren. Insbe- eine große Gefahr des Tauwasserausfalles besteht. sondere Temperaturschwankungen und die Aufnahme von Feuchtigkeit können zu Spannungen im Materialgefüge füh- 4.3 Reinigungszyklen von Filtern ren und Risse im Material können die Folge sein. Daher Die Konzentration an Schimmelpilzen im Gebäude kann wei- muss speziell bei der Planung darauf geachtet werden, dass terhin von den raumlufttechnischen Anlagen bestimmt wer- raumluftregulierende Baumaterialien eingesetzt werden. den. Infolge mangelhafter Betreiberkonzepte können Keime Dazu zählen u.a. wasserdampfdiffusionsoffene Beschich- über die Anlage in die Räume geleitet werden, daher sind re- tungen auf Mauerwerk, gipshaltige Baumaterialien und gelmäßige Reinigungsintervalle zu beachten. Da die Reini- Lehm. Diese Materialien nehmen Feuchtigkeit aus der Luft gungszyklen von Luftfiltern in Abhängigkeit zur Nutzung und auf bis sich eine Gleichgewichtsfeuchte zwischen Raumluft zur Keimkonzentration stehen, können keine allgemeinen und Material eingestellt hat. Erfolgt nun eine Minderung der Anforderungen empfohlen werden. In der DIN EN 14779 und Raumluftfeuchte, so gibt das Material Feuchtigkeit an die VDI 6022 sind Wechselintervalle der Luftfilter für Raumluft- Luft ab und das Gleichgewicht stellt sich erneut ein. So wird technische Anlagen vorgeschrieben. Demnach sind die Luft- das Raumluftklima auf einem konstanten Feuchteniveau ge- filter der 1. Filterstufe nach max. 1 Jahr und die der 2. Filter- halten. stufe nach maximal 2 Jahren auszutauschen. Je nach der Stärke der Filterverschmutzung müssen zum Teil individuell In Museen werden die Wände der Ausstellungsräume oft- für jedes Gebäude kürzere Filterstandzeiten festgelegt wer- mals mit Stoffbahnen aus pflanzlichen Rohstoffen wie den. Baumwollfasern oder Leinen bespannt. Hierbei ist beson- ders darauf zu achten, dass sich unterhalb der Textilbahnen Jedoch ist beim Betreiben von raumlufttechnischen Anlagen keine diffusionsdichten Wandbeschichtungen befinden, da nicht nur auf die Verschmutzung von Filtern zu achten, son- es so zur Anreicherung von Feuchtigkeit auf der Wandober- dern regelmäßige Hygienekontrollen/-inspektionen sind fläche kommen würde, die nicht ins Mauerwerk eindringen gemäß VDI 6022 durchzuführen. Hierbei sind der Zustand kann. Die Feuchtigkeit würde direkt von den Textilfasern und der technischen Anlage und der Befall mit Mikroorganismen der Unterkonstruktion aus Holz aufgenommen werden. In regelmäßig in festgelegten Zeiträumen zu überprüfen. der Folge bieten sowohl die Stoffbahnen als auch die Holz- Diese hohen Anforderungen an die Hygiene von raumluft- unterkonstruktion neben der angereicherten Materialfeuchte technischen Anlagen liefern die Grundlage für eine gesunde ausreichend Nährstoffe, die den Schimmelpilzen zur Verfü- Raumluft innerhalb der Gebäude. gung stehen. Wie bei den Tropenhallen ist auch beim Betreiben von Bi- 5. Ausblick bliotheken und Museen auf Einrichtungshinweise zu achten. Zur Bildung und Vermehrung von Schimmelpilzen auf Bau- Regale und Ausstellungsexponate sollten mit einem be- materialien und in raumlufttechnischen Anlagen sind bereits stimmten Abstand zu den Wänden aufgestellt werden, da unterschiedliche Studien betrieben worden. Es existieren sonst die notwendige Luftzirkulation auf den Wandoberflä- derzeit kaum Forschungsergebnisse zum Einfluss der Strö- chen nicht gewährleistet werden kann. mungsgeschwindigkeiten innerhalb der Anlagen auf die Ent-

55 Innovative Betriebsmethoden für Tier- und Freizeitanlagen

wicklung von Schimmelpilzen. Berit Müller [Mül99] bezog Literatur sich u.a. auf wissenschaftliche Studien von Reckzeh, G., DIN EN 14779 „Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allge- Dontenwill, W. und Elixmann, J.H., die den Zusammenhang meine Grundlagen und Anforderungen an Lüftungs- und der Entwicklung von Schimmelpilzen auf Luftfiltern und der Klimaanlagen“ Mai 2005. relativen Luftfeuchtigkeit unabhängig von Luftströmungen [Hir08] Hirsch, Anja (2008): Schimmelpilze in Freizeitan- untersuchten. Eigene Analysen von Berit Müller ergaben lagen, Dokumentation zum Forschungsprojekt Innova- eine geminderte Keimkonzentration auf dem Filtermaterial tive Betriebsmethoden für Tier- und Freizeitanlagen an bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Zur Ausbreitung der Technischen Fachhochschule Berlin. von Mikroorganismen auf Luftfiltern in Abhängigkeit zur [Mül99] Müller, Berit (1999): Das Überlebensverhalten von Strömungsgeschwindigkeit unter Berücksichtigung erhöhter Mikroorganismen auf Luftfiltern raumlufttechnischer An- relativer Luftfeuchtigkeiten besteht weiterhin Forschungspo- lagen unter besonderer Berücksichtigung des Arten- tenzial. spektrums von Pilzen, Dissertation zur Erlangung des Doktors für Veterinärmedizin an der Freien Universität Es fehlen weiterhin umfangreiche Kenntnisse bezüglich der Berlin. Zerstörung von Baumaterialien im Bauteilinneren. Dieser As- [Rei98] Reiss, Jürgen (1998): Schimmelpilze – Lebensweise, pekt ist näher zu untersuchen, da diese grundlegenden Er- Nutzen, Schaden, Bekämpfung, 2. Auflage, Springer-Ver- kenntnisse Auskunft über die Betreibungsdauer und die lag Berlin Heidelberg. Verkehrssicherheit von Gebäuden liefern würde. [Sch06] Schneider, Klaus Jürgen, Hrsg. (2006): Bautabellen für Ingenieure, 17. Auflage, Werner Verlag. 6. Veröffentlichung VDI 6022 „Hygiene – Anforderungen an Raumlufttechnische Teilergebnisse des Forschungsprojektes wurden bereits auf Anlagen und Geräte“ Blatt 1 und 2, April 2006. Tagungen und Messen vorgestellt.

6.1 Publikationen Kontakt Festschrift „75 Jahre Ingenieurausbildung im Studiengang Prof. Dipl.-Ing. Katja Biek-Czarny Versorgungs-/Gebäude- und Energietechnik“ Technische Technische Fachhochschule Berlin Fachhochschule Berlin, 2. November 2007, Beitrag „Innova- FB IV - Haus Bauwesen, Raum D 304 tive Methoden und Verfahren für den Bau und Betrieb von Luxemburger Straße 10 Tieranlagen“ S. 69–74, ISBN 978-3-938576-03-8. 13353 Berlin Tel.: (030) 4504-2535 6.2 Konferenzen und Messen E-Mail: [email protected] EZG-Tagung in Zürich, Mitarbeit am Vortrag „Innovative me- thods and procedures for building and operating animal fa- cilities – Air conditioning and water treatment in zoo Kooperationspartner exhibits“, Mai 2007. Axima GmbH, Niederlassung Dresden Altenberger Straße 48/1 IZW-conference in Berlin; Poster „Bau und Betrieb von Tier- 01277 Dresden anlagen“, Oktober 2007. Tel.: (0351) 2533665

Lange Nacht der Wissenschaften. Thema: Wasser als natürli- che Ressource und regenerative Aspekte von Energie, „Kann ein Fahrrad Wasser zum Kochen bringen?“, Juni 2007.

Bautec, Messe; Mitarbeit am Vortrag „Methoden und Ver- fahren für den Betrieb von Tieranlagen“, Berlin, Februar 2008.

ZooZukunft-Tagung „Bauen für Tiere“ in Karlsruhe, Mitarbeit am Vortrag „BAER-Projekt – Angewandte Forschung für Bau und Betrieb von Zooanlagen“, Februar 2008.

56 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Hygienesicherer Betrieb von Trinkwassersystemen in der Gebäudetechnik Dipl.-Ing. (FH) Kai Michel, Prof. Dipl.-Ing. Klaus Rudat Kooperationspartner: Viega GmbH & Co. KG

Um in Trinkwassersystemen an den Entnahmearmaturen relativ schnell erwärmtes Trinkwasser mit der gewünschten Tem- peratur und hygienisch einwandfrei – also ohne nachweisbare Kontaminationen mit Legionellen – entnehmen zu können, muss in Anlagen mit zentraler Trinkwassererwärmung die Temperatur auf einem gewünschten Niveau gehalten werden. Eine Möglichkeit ist die ständige Zirkulation des erwärmten Trinkwassers, wobei zentral im Wassererwärmer nachgeheizt wird, um die Wärmeverluste der Umlaufleitungen zu decken und die Einregulierung des Systems mit Hilfe von thermostati- schen Zirkulationsregulierventilen. Deren Verhalten ist durch Variation der relevanten Einflussparameter im Labor für Sanitärtechnik der TFH Berlin experi- mentell untersucht worden. Im Ergebnis konnten die für die Funktion wichtigen Verläufe der Kennlinien dargestellt und in- terpretiert werden.

In order to get drinking water quickly heated and in a hygienic condition – without contamination with legionella – the water temperature has to be kept at a certain level. Special central heating facilities are used to guarantee this function. While warm drinking water is kept in constant circulation, the loss of heat has to be permanently compensated. This is pro- vided by special thermostatic valves. These valves have been experimentally tested, using a variation of relevant parame- ters in the laboratory of sanitary technique of the University of Applied Sciences, Berlin. As a result characteristic curves that help to understand and optimize the function of the thermostatic system are presented and interpreted.

1. Einleitung Für die Aufnahme der Kenn- Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden Erkenntnisse linie werden folgende Vor- über die Sicherstellung der notwendigen Temperaturen und gaben eingestellt: der hygienischen Qualität nach DVGW Arbeitsblatt W551 [1] in Zirkulationssystemen unter Einsatz spezieller thermosta- · Differenzdruck über das tischer Zirkulationsregulierventile gewonnen. thermostatische Ventil (100 mbar–500 mbar) Hierfür wurde im Rahmen einer Diplomarbeit ein Prüfstand · Solltemperatur des um- entwickelt und gebaut. Dieser ermöglicht einerseits die Si- laufenden Wassers mulation einer größeren Warmwasserverteilungsanlage und (40° C–80°C) andererseits die Prüfung der technischen Anforderungen von speziell entwickelten thermostatischen Regulierventi- Es werden folgende Mess- Abb. 1: Bedienerprogramm 1 len, die auch in der Lage sind, einen für die Hygiene manch- werte gespeichert: mal notwendigen Desinfektionsbetrieb ohne großen manuellen Aufwand zu realisieren. · Differenzdruck am Ventil (mbar) Die Bedienung des Prüfstands erfolgt mit Hilfe eines PCs · Ventiltemperatur (°C) und der Anwendungssoftware „LabVIEW 8.0“. · Volumenstrom am Ventil (l/h) Um die Simulierung durchführen zu können, wurden als ers- tes die erforderlichen Bedienelemente programmiert. Bedienerprogramm 2 Alle Vorgaben der Prüfnorm VP 554 [2] sind eingehalten wor- Das zweite Programm soll der Simulation unterschiedlicher den, so dass auch eine spätere Zertifizierung als Prüflabor Lastfälle in Warmwasser- und Zirkulationssystemen dienen. möglich ist. Hier sollen verschiedene Trinkwassererwärmungssysteme, wie beispielsweise das im DVGW Arbeitsblatt W553 [3] do- 2. Prüfstandsbedienoberfläche kumentierte System, aber auch weit verzweigte Leitungs- Bedienerprogramm 1 netze untersucht werden. Das Bedienerprogramm 1 ist fertig gestellt, so dass die Kennlinien aller thermostatischen Zirkulationsventile aufge- Das Bedienerprogramm 2 wurde im Sommer 2007 fertig ge- nommen und mit den Vorgaben der Prüfnorm VP 554 vergli- stellt und ist hinsichtlich der Bedienung sowie der Einstell- chen werden können. möglichkeiten umfangreicher.

57 Hygienesicherer Betrieb von Trinkwassersystemen in der Gebäudetechnik

Für die Simulation können folgende Vorgaben eingestellt den grundverschiedenen Systemkennlinien soll der sichere werden: Betrieb von Zirkulationssystemen gesichert werden, wobei · Volumenströme in den jeweiligen Strängen A – D insbesondere interessant sind: · Differenzdruck über die thermostatischen Ventile in den jeweiligen Strängen · die Steigung der Kennlinie im Regelbereich zwischen · Solltemperatur des umlaufenden Wassers 45°C und 57°C. · Wärmeverluste der jeweiligen Teilstrecken und Stränge · die Hysterese der Öffnungs- und Schließkennlinie · die unterschiedlichen Kennlinienverläufe ab einer Ventil- Es können je nach Bedarf folgende Messwerte gespeichert temperatur von 65°C. werden: · Differenzdruck an den Ventilen 4. Zusammenfassung · Temperaturen an den Ventilen und an verschiedenen Die Software für die Bedienung des Prüfstands ist fertig ge- Teilen des Systems stellt worden, wobei die derzeit vorhandenen Vorgaben der · Volumenströme in den Strängen sowie im Gesamtsystem Prüfnorm VP 554 [2] eingehalten werden. Einer Zertifizierung als Prüflabor für das thermische Verhalten von thermostati- 3. Messergebnisse schen Zirkulationsventilen steht technisch nichts entgegen. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen typische Öffnungs- und Zu klären ist noch, in welcher Form (durch weitere Prüf- Schließkennlinien verschiedener thermostatischer Zirkulati- stände in der TFH) die anderen Anforderungen an die Ventile onsventile, wie sie mit dem Prüfstand aufgenommen werden nach der VP geprüft werden können. können. Die Untersuchungen der verschiedenen Kennlinien werden Mit zunehmender Temperatur verändert sich der Volumen- weitergeführt. Besonderes Augenmerk wird hier auf die tem- strom. Zwischen 45°C und 57°C schließen beide Ventile, bis peraturabhängige Ausprägung der Hysterese und das Ver- sie den Mindestvolumenstrom erreicht haben. halten der Ventile in der Gesamtanlage gerichtet. Bei dem Ventil 1 ist ein deutlich stärkerer Abfall der Kennli- nie im Vergleich mit dem Ventil 2 zu erkennen. Das lässt eine bessere Regelgenauigkeit vermuten.

Sehr gut zu erkennen ist auch die Abweichung der Öffnungs- von der Schließkennlinie (die sog. Hysterese).

Das Ventil der Abbildung 3 hat eine Hysterese von durch- schnittlich 2 Kelvin, beim Ventil 2 vergrößert sich die Hyste- rese nochmals auf ca. 2,3 Kelvin.

Auch die unterschiedlichen Kennlinien ab einer Temperatur von 65°C sind wichtige Betriebsparameter der Ventile. Mit

Abb. 3: Ventilkennlinie 1

Abb. 2: Bedienerprogramm 2 Abb. 4: Ventilkennlinie 2

58 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Literatur Kontakt [1] DVGW W 551: Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasser Prof. Dipl.-Ing. Klaus Rudat leitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminde- Technische Fachhochschule Berlin rung des Legionellenwachstums; Planung, Errichtung, FB IV - Haus Bauwesen, Raum 303 Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen. Luxemburger Straße 10 Bonn: DVGW, 2004. 13353 Berlin [2] DVGW VP 554: Thermostatische Zirkulationsregulier- Tel.: (030) 4504-2564 ventile für den hydraulischen Abgleich in Warmwasser- E-Mail: [email protected] Trinkwassersystemen – Vorläufige Prüfgrundlage. Bonn: DVGW, 2003. [3] DVGW W 553: Bemessung von Zirkulationssystemen in Kooperationspartner zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen. Bonn: DVGW, Viega GmbH & Co. KG 1998. Ennester Weg 9 57439 Attendorn Tel.: (02722) 61-0 E-Mail: [email protected]

59 E-Learning „eaST – Elementares architektonisches Seh-Training“

E-Learning „eaST – Elementares architektonisches Seh-Training“ Prof. Dr.-Ing. Susanne Junker, Dipl.-Ing. Dirk Müller Kooperationspartner: Dreispringer Mediengestaltung

Das Projekt „eaST“ erarbeitet Module zur Steigerung der visuellen Wahrnehmung von Räumen mittels konzeptioneller Verwendung digitaler Medien, einsetzbar in den Arbeitsfeldern Architektur und Interior-Design als computer-supported cooperative learning (CSCL). Das Ziel ist es, den Studierenden durch einen „spielerischen Umgang“ mit den wesentlichen Gestaltelementen (Formen, Körper, Raum, Proportion) eine Basis für den Entwurfsprozess zu vermitteln, die Wahrnehmung zu trainieren und neue digitale Medien einzuführen. Ein wichtiger Exkurs behandelt den Aspekt der Bewegung in der archi- tektonischen Wahrnehmung im Sinne von Le Corbusiers „promenade architecturale“.

The research project “eaST” concentrates on modules for enhancing our visual perception of architectural spaces through conceptual usage of media software, for application in architecture and interior design in form of computer-supported co- operative learning (CSCL). The aim of the research project is to provide students with the opportunity of "playful interac- tion" with essential design elements (forms, solids, space and proportion). At the same time the project is to train students to shape their perception of space through exercises and to introduce them to new media. A significant excursion deals with movement in the perception of architecture as proposed by Le Corbusier's "promenade architecturale".

1. Einleitung Der Hauptteil enthält die einzelnen Übungen zu den Primär- Claude-Nicolas Ledoux’s Radierung des „allsehenden Auges“ elementen Punkte, Linien und Flächen. Diese zweidimensio- von 1775 gilt seit nunmehr 200 Jahren als Icon in der Archi- nalen Elemente, die im Sinne von Euklid und Kandinsky auf tektur- und Kunsttheorie, da es die enge Interaktion zwi- ihre Charakteristika sowie auf Regeln, Übereinstimmungen schen visueller Wahrnehmung und architektonisch gestal- und Unterschiede untersucht werden, werden dann um die teter Umwelt illustriert. Ledoux bezieht sich auf das „innere dritte Dimension erweitert zu den Platonischen Körpern Auge“, also die Imagination, die die Grundlage für jeglichen Kugel, Kubus und Pyramide bzw. Kegel. Fortschreitend über Designprozess bildet. Kompositionsprinzipien wie Addition, Subtraktion und Transformation folgen räumliche Probleme wie Proportion „eaST“ steht für „elementares architektonisches Seh-Trai- und menschlicher Maßstab, Raumbegrenzungen wie Ecken ning“ und behandelt das Sehen in der Architektur im Sinne und Kanten bis zu Raumzusammenhängen. von Wahrnehmen, Erfassen, Verstehen, um schließlich wie- der über Imagination zum Anwenden im architektonischen So werden z.B. zum Thema Linie drei Module durchgespielt, Entwurfsprozess zu führen. die gerade, schräge und gebogene Linien differenzieren. Als erster Schritt ist jeweils zwischen einer Addition von Punk- 2. „E-Learning-Module“ ten, einer Linie mit definierten Endpunkten, einer gestrichel- Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte, von denen der erste ten Linie oder einer durchgezogenen und deshalb unendlich als Einleitung architekturtheoretische Aspekte wie den o.g. wirkenden Linie zu wählen. Auf den ersten Blick erscheint vorstellt. 1926 veröffentlichte Wassily Kandinsky als Band 9 dies noch sehr einfach, doch über das Zusammenspiel von der Bauhaus-Bücher „Punkt und Linie zu Fläche“. Kandin- Längen, Kombination mit anderen Linien und weiteren Para- skys Überlegungen zum Wesen eines Kunstwerks lesen sich metern wird das geometrische Aktionsfeld erweitert und nicht nur als Grundlehre, sondern insbesondere als Versuch, sichtbar. über die Wahrnehmungsfähigkeit grundlegende und wieder- kehrende Elemente zu analysieren und zu definieren. Ausge- Im Sinne des „Sehens“ wird auf weitere textliche Ausführun- hend vom „Punkt“ als sogenanntes „Urelement der Malerei“ gen zu den Modulinhalten verzichtet zugunsten einer Aus- entsteht durch Addition von Bewegung eine Linie, welche in wahl von beispielhaften Screenshots. verschiedensten Arten als „Gerade“ und „Kurve“ bis zu Lini- enkomplexen systematisch zur Beschäftigung mit Flächen Die Module sind zwar linear, d.h. in ihrer Komplexität stei- führt. Durch den morphologischen Eingriff der dritten Di- gernd geordnet, doch ist das Vor- und Rückspringen mittels mension entsteht wiederum aus der Fläche ein Volumen als Mausklick möglich und erwünscht. Die jeweiligen Lösungen definierter Raum, der architektonisch bearbeitet werden sind ausdruckbar und in einem anderen vom Modul unab- kann. hängigen Dateiformat speicherbar, um sie mit in den semi-

60 Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Abb. 1 – 12: „eaST“-Interface technisch umgesetzt von Ben Renner, Architekturbeispiele von Studierenden des Studiengangs Architektur an der TFH Berlin. naristischen Unterricht zu bringen oder in den Vorlesungen gang Architektur der TFH Berlin, um den Studienanfängern zur Diskussion zu stellen. E-Learning soll also als ort- und in einer Art Galerie das Leistungsniveau ihrer Kommilitonen zeitunabhängige Unterstützung der herkömmlichen Lehre aufzuzeigen und sie gleichzeitig zielgerichtet zu motivieren. dienen. Alle Bilder dieses theoretischen Teils sind derart ge- Im dritten Teil werden als Abspann inhaltliche und techni- rendert, dass sie Arbeitsmodellen aus grauem Karton äh- sche Quellen aufgelistet sowie Literaturempfehlungen als neln. Sie sollen nämlich die Studenten anregen, den jeweili- weitere crossmediale Ergänzung. gen Arbeits- bzw. Lernschritt sozusagen wortwörtlich cross- medial vom Bildschirm in die Modellbauwerkstatt zu tragen 3. „technische Umsetzung“ und dort mit Pappe nachzubauen. Der Nutzer – Studienanfänger ebenso wie fortgeschrittener Master-Student – erhält eine CD-ROM, auf der ein vollständi- Zur Illustration der engen Interaktion zwischen visueller ges lauffähiges und selbststartendes System installiert ist, Wahrnehmung und architektonisch gestalteter Umwelt wer- welches nahezu selbsterklärend und intuitiv bedienbar ist. den zu jedem Modul Architekturbeispiele gezeigt. In diesem Die Anforderungen an Softwarekenntnisse sind deshalb aus praxisnahen Teil werden Auszüge aus Entwurfsarbeiten als didaktischer Sicht absichtlich sehr gering. Anwendungstech- Analogien entweder assoziativ oder vergleichend hinzuge- nisch ist es vergleichbar mit einer Website mit zugrunde lie- fügt und kommentiert. Diese Beispielabbildungen stammen gender dynamischer Datenbank. Diese Datenbank bleibt ausschließlich von studentischen Arbeiten aus dem Studien- verdeckt und nicht zugänglich, damit die Konzentration sich

61 E-Learning „eaST – Elementares architektonisches Seh-Training“

ganz und gar auf das Lernen richtet und keinesfalls auf das Kontakt Programmieren oder andere Software-Eigenschaften. Prof. Dr. Susanne Junker „eaST“ hat inzwischen als Version 4.0 gekennzeichnet den Technische Fachhochschule Berlin 4. Überarbeitungsstand erreicht, der sich sowohl software- FB IV - Haus Bauwesen, Raum 229/230 technisch auf die Befehls-Struktur als auch inhaltlich auf die Luxemburger Straße 10 Lernschritte und die Anzahl der funktionsfähigen Module be- 13353 Berlin zieht. Tel.: (030) 4504-2562 E-Mail: [email protected] 4. Zusammenfassung Als Ziele dieses Forschungsprojekts lassen sich folgende Punkte definieren: Kooperationspartner Dreispringer Mediengestaltung · gezieltes Demonstrieren und Erfassen von räumlichen Kurfüsternstraße 33 und gestalterischen Zusammenhängen 10785 Berlin · Trainieren des „inneren Auges“, also der Imagination, Tel. (030) 2575860 die die Grundlage für jeglichen Design-Prozess bildet E-Mail: [email protected] · Möglichkeit zum freien und spielerischen Experimentieren www.dreispringer.de · Eingewöhnung an digitale Entwurfswerkzeuge · Aufzeigen und kritisches Erfassen der Charakteristika (Unterschiede, Vorteile, Nachteile, Schwächen) von tra- ditionellen und digitalen Entwurfswerkzeugen · Erleichterung des Lehrens und Lernens durch didaktisch sinnvolle Zerlegung komplexer entwurflicher Zusammen- hänge in einzelne und kleinere Einheiten

Weiterführende Literatur Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, erste deutsche Fassung Frankfurt am Main, 1955, Frankfurt am Main 1963 (Aufl. 1988 mit revidierten Texten) Kandinsky, Wassily: Punkt und Linie zu Fläche, Nachdruck Bern, 1963 Le Corbusier: An die Studenten, Die Charte d'Athènes, Reinbek bei Hamburg, 1962 Maar, Christa, Burda, Hubert (Hg.): Iconic Turn – Die neue Macht der Bilder, Köln, 2004 Rötzer, Florian (Hg): Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt, 1991

62 Fachbereich V Life Sciences and Technology

Modulare Leitfäden für die Stadtentwicklung Dipl.-Ing. (FH) Thomas Amtage, Prof. Dr.-Ing. Theodor Hoffjann Kooperationspartner: UVP-Gesellschaft e.V./Universität Hannover

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/42/EG wurde das EAG Bau mit dem 20.07.2004 rechtskräftig, damit ergibt sich die Pflicht zur Umweltprüfung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens. Somit wurde ein wirkungsvolles Instrument zur Um- weltvorsorge und umweltbezogenen Nachhaltigkeit geschaffen, welches die bisherige Lücke zwischen UVP-pflichtigen Projekten und der Bauleitplanung schließt. Effektive modulare Arbeitshilfen zur Umweltprüfung dienen einer effektiven, praktikablen, rechtssicheren Anwendung und schaffen Transparenz für die Planer, Behörden, Verbände, Politik und nicht zuletzt für die Öffentlichkeit.

On the 20th July 2004 the EAG BAU became legally binding through the realization of the EU directive 2001/42/EG, resul- ting in the obligation of an environmental investigation within the urban land-use planning. Consequently, an effective tool for precautionary environmental protection as well as sustainability with regard to the environment has been implemented which closes the previous gap between those projects liable to environmental impact assessment and the common urban land-use planning. Effective modular tools for environmental investigation serve to a workable, legally binding and com- prehensible application and create transparency in the planning process.

1. Einleitung sich somit verbessert. Es beschäftigen sich zunehmend ver- Das EAG Bau wurde mit dem 20.07.2004 rechtskräftig, schiedene, den neuen Anforderungen aufgeschlossene, damit ergibt sich formell die Pflicht zum Umweltbericht. Um- Kommunen selbst mit der praktikablen Umsetzung und der weltprüfung und Umweltbericht sind nicht vollkommen neu, Erstellung von Arbeitshilfen. denn die Regelungen stellen im Kern die Weiterentwicklung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die frühzeitigen Pla- Die Ziele, welche mit dem Forschungsprojekt verknüpft wer- nungsschritte und zunächst alle Bauleitpläne (Flächennut- den, sind insbesondere Sammlung, Recherche, Analyse und zungsplan und Bebauungsplan) dar. Jedoch ist es nicht Evaluierung durchgeführter Umweltprüfungen, einschließ- sinnvoll, Standards und Verfahrensweisen der Umweltver- lich des derzeitigen Umsetzungszustands und der Umset- träglichkeitsprüfung auf oft weniger komplizierte Bebau- zungstiefe anhand einer Auswahl von Bauleitplänen, Eruie- ungspläne einfach zu übertragen. Hieraus ergeben sich rung neuer Planungsaufgaben, -verfahren und Methoden, rechtlich und praktisch neue Aufgaben. welche sich aus dem neuen Baugesetzbuch zwingend erge- ben. Dazu wurden über 15 Städte und Gemeinden in das In den letzten Jahren haben Städte und Gemeinden begon- Vorhaben dahingehend einbezogen, dass sie ihre aufgestell- nen, die neuen, gesetzlich zwingenden Anforderungen sehr ten oder im Verfahren befindlichen Bebbauungspläne ein- unterschiedlich umzusetzen. Es bestehen oft sehr unter- schließlich der Umweltprüfungen zur Verfügung stellten. schiedliche praktische Erfahrungen mit der Umsetzung. Weiterhin stellte die UVP-Gesellschaft e.V. ihr Fachwissen Empfehlungen zur praktikablen Anwendung sind zwar zahl- zur Erarbeitung der Kriterien und modularen Bausteine zur reich vorhanden, jedoch oft unpraktikabel für den Anwen- Verfügung. der, da teilweise sehr kompliziert verfasst und sehr einseitig problembezogen. Dies erschwert die Nachvollziehbarkeit 2. Untersuchungsvorhaben vor allem für Politik und Öffentlichkeit. Erst nach und nach Der Umweltbericht ist das zentrale Instrument der Plan-UP wird sich inhaltlich mit den neuen Richtlinien auseinander- (Strategischen Umweltprüfung SUP). In einem gesonderten gesetzt. Bei den verantwortlichen Behörden und Planungs- Teil der Begründung werden darin die ermittelten und be- trägern herrschen offensichtlich große Unsicherheiten über werteten Belange des Umweltschutzes im Rahmen der Um- die Aufstellung der Umweltberichte. Dies ist nicht verwun- weltprüfung schriftlich dargestellt. „Das BauGB stellt in § 2a derlich, alles Neue ist ungewohnt und erfordert einen gewis- heraus, dass die Begründung und der Umweltbericht Teil sen „Mut“ und auch erweitertes Wissen, um den neuen des Aufstellungsverfahrens sind“ [Bun05: 10]. Somit sind Anforderungen zu entsprechen. die darzustellenden Belange in der Anlage 1 zum BauGB festgelegt und geregelt. Es ist zu erwarten, dass der Kenntnisstand über die Umset- Grundsätzlich besteht bei allen Bauleitplänen die Pflicht zur zung der gesetzlichen Anforderungen stetig zunimmt und Durchführung einer Umweltprüfung und damit zur Aufstel-

63 Modulare Leitfäden für die Stadtentwicklung

lung eines Umweltberichtes. Eine Ausnahme hierzu bildet Dieser Mustergliederungsvorschlag unterteilt sich in eine das vereinfachte Verfahren (vgl. § 13 Abs. 3 BauGB), wobei Einleitung, eine Beschreibung und Bewertung der Umwelt- allerdings über § 1 Absatz 5, 6 Nr. 7 BauGB alle Belange ab- auswirkungen, welche in der Umweltprüfung ermittelt wur- zuwägen sind. Dies geht nicht ohne Ermittlung, Bewertung den und zusätzlichen Angaben. Die vorgegebene Gliederung und Bilanzierung der relevanten Belange. ist keine verbindliche Vorgabe im Hinblick auf die Reihen- folge der Darstellung und die Gliederungsstruktur des Um- Da der Umweltbericht, als Teil der Begründung zum Bauleit- weltberichts, soweit die geforderten Inhalte vollständig plan bzw. dessen Entwurf, öffentlich ausgelegt wird, ist es übernommen oder ergänzt werden [Kus04: 479]. Rechtliche zwingend erforderlich, dass der Umfang und die fachlichen Konsequenzen einer von den Vorgaben der Anlage abwei- Inhalte so gestaltet sind, dass auch dem nicht fachlich oder chenden Reihenfolge ergeben sich daher nicht, solange die einschlägig vorgebildeten Personenkreis (Öffentlichkeit, Po- Vollständigkeit des Umweltberichtes gewährleistet ist (vgl. litik, Investoren, Fachbehörden, Träger öffentlicher Belange) § 214 BauGB). eine gute Lesbarkeit und Verständlichkeit gewährleistet wird. Unnötige, nicht relevante Ausführungen sind zu ver- Nach den Vorgaben des Gesetzes wird die Darstellung der meiden. Gutachten und anderweitige Untersuchungen, wel- Umweltauswirkungen eines Bauleitplans im Umweltbericht che zur Klärung von Umweltauswirkungen der Planung in vier folgende Elemente systematisch unterteilt: erstellt wurden, gehören letztendlich als eine Art „Samm- lung“ nicht in den Umweltbericht. Viel mehr sollen die Er- · Bestandsaufnahme des derzeitigen Umweltzustands, gebnisse der erstellten Fachgutachten verständlich in den einschließlich der Umweltmerkmale der Gebiete, wel- Umweltbericht eingearbeitet werden. Hierzu kann es sach- che voraussichtlich erheblich und nachhaltig beein- gerecht und hilfreich sein, die bereits an anderer Stelle der trächtigt werden Begründung getroffenen Aussagen lediglich kurz zusam- · Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des menzufassen und im Detail auf einen anderen Teil der Be- Umweltzustands, sowohl bei der Durchführung, als gründung zu verweisen [Kus04: 484f.]. Ebenso ist eine kurze auch bei Nichtdurchführung der Planung Beschreibung der verwendeten Methoden und Bewertungs- · Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung und zum verfahren vorzunehmen sowie auf verbleibende technische Ausgleich negativer Umweltauswirkungen Lücken, Schwierigkeiten, verwendete Methoden und Fach- · in Betracht kommende alternative Planungsmöglichkei- gutachten hinzuweisen. ten unter Berücksichtigung der Ziele und des geogra- phischen Geltungsbereiches des Bauleitplans. Im Umweltbericht müssen die wesentlichen erheblichen Auswirkungen deutlich erkennbar sein. An dem Umfang, der Ebenfalls muss sich die Beschreibung der Umweltauswir- Detaillierung und Gewichtung der Umweltprüfung sollte sich kungen auf die sich in § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB aufge- der Umweltbericht orientieren. Bereiche, in denen keine er- führten Umweltbelange beziehen. Diese lassen sich in heblichen Umweltauswirkungen erwartet werden und die folgende vier Punkte bündeln: daher auch keiner Prüfung bedürfen, können im Umweltbe- richt kurz erwähnt werden. · Naturhaushalt und Landschaft mit den einzelnen in § 1 Abs. 6 Nr. 7b BauGB aufgeführten Bestandteilen Trotzdem muss die Vollständigkeit und inhaltliche Tiefe des · Mensch und Gesundheit sowie die Bevölkerung insge- Umweltberichtes zum Bauleitplan gewährleistet sein. Eine samt Unvollständigkeit des Umweltberichtes hat unmittelbare · Kultur- und Sachgüter rechtliche Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Bau- · Wechselwirkungen [Bun05: 104]. leitplans. Nur wenn der Umweltbericht in „wenigen unwe- sentlichen Punkten unvollständig und in den wesentlichen Bei der Aufstellung des Umweltberichts ist besonders auf Punkten vollständig ist, ist seine Rechtssicherheit gewähr- eine nachvollziehbare Darstellung zu achten, da auch nicht leistet“ (vgl. § 214 BauGB). fachlich vorgebildete Personen diesen einsehen können. Die frühzeitige transparente Beteiligung ist ein sehr hohes Gut Ein möglicher Aufbau des Umweltberichts wird seitens des und muss stets gewährleistet werden. Bei einer guten Ver- Gesetzgebers in der Anlage zu den §§ 2 Abs. 4 und 2a ständlichkeit lassen sich die Maßnahmen zum notwendigen BauGB vorgeschlagen, dieser stellt sich jedoch bei genauer Umweltschutz, der Abwägungsprozess und die Ziele des Betrachtung als ungenügend dar. Intention dazu ist, den An- Bauleitplans besser nachvollziehen. So steigt sowohl die wendern lediglich einen Anhaltspunkt zur möglichen Abfas- Qualität der Planung als auch die Akzeptanz in der Bevölke- sung von Umweltberichten zu geben. rung.

64 Fachbereich V Life Sciences and Technology

3. Methodik und Ergebnisse diese kaum verständlich und nachvollziehbar sind. Die not- Für die zu untersuchenden Umweltberichte wurde ein Krite- wendige Transparenz ist dadurch nicht gegeben. Auf welche rienkatalog und Musterumweltbericht erarbeitet, welcher Grundlagen und Ziele sich die Umweltprüfung und der Um- sich am gegenwärtigen Stand der Rechtssprechung und an weltbericht beziehen, ist nicht oder kaum ersichtlich. Auf den neuen Planungsaufgaben orientiert. Grund mangelnden Wissens werden einzelne vom Gesetzge- Von den beteiligten Städten wurden insgesamt 25 Bebau- ber her zwingend vorgeschriebene Anforderungen nicht ungspläne und 3 eigene Arbeitshilfen analysiert und mit oder nur unzureichend erfüllt. Dies geschieht nicht vorsätz- dem Musterumweltbericht verglichen. lich, zeigt jedoch die Unwissenheit bei der Erstellung eines Umweltberichtes im Verlauf der Bauleitplanung. Insgesamt sind bei der Betrachtung der analysierten Um- Bei einer rechtlichen Überprüfung würden die Umweltbe- weltberichte große inhaltliche Unterschiede festzustellen. richte zum großen Teil sicherlich als rechtsungültig erklärt Die Umweltberichte weisen teilweise erhebliche Unter- werden. Oft sind sie nicht effektiv, praxisbezogen und schiede zu dem im Forschungsvorhaben erstellten Muster- rechtssicher erstellt. Dadurch erfüllen sie nur in groben umweltbericht auf, diese lassen jedoch weitere Ergän zungs - Zügen die Anforderungen des Gesetzgebers. möglichkeiten erkennen. So werden z.B. in einigen Umwelt- berichten Angaben zur Kriminalprävention oder zur Kinder- 4. Bilanz freundlichkeit der Planung getätigt. Die Untersuchungen zeigen, dass fast drei viertel der Um- Die größten Unterschiede treten bei folgenden Aspekten weltberichte den gesetzlichen Anforderungen im Wesentli- auf, bzw. diese Aspekte sind in den überprüften Umweltbe- chen genügen. Jedoch sind insbesondere bei der Öffent- richten nicht vorhanden: lichkeitsbeteiligung, der Transparenz des Planungsprozes- ses und der allgemeinverständlichen Zusammenfassung De- · die explizite Darlegung der rechtlichen Grundlagen des fizite zu erkennen. Auf veränderte soziologische, rechtliche, Umweltberichts (vgl. § 2a Nr. 2 BauGB) ökonomische und ökologische Veränderungen kann mit der · Inhalte und Ziele des Bebauungsplans mit Umwelt- vorhandenen Arbeitsweise nur ungenügend reagiert wer- relevanz den. Durch eine zum Teil ungenügende Öffentlichkeitsbetei- · Darstellung anderweitiger Planungsmöglichen ligung wird die Akzeptanz der Planung durch die Bevölkerung (Alternativen/Varianten) oft nicht gewährleistet. · Aspekte, die ggf. indirekt oder direkt die Gesundheit des Menschen betreffen Positiv ist hervorzuheben, dass die meisten Stadtplanungs- · Ziele einschlägiger Fachgesetze und anderweitiger ämter über ein hohes fachliches Niveau und große prakti- Planungsmöglichkeiten (Alternativen) sche Erfahrung verfügen, dass sie sehr gute Umweltprü- · Kompensationen und umweltbezogene Ausgleichsmaß- fungen durchführen und die Planungen den neuen Anforde- nahmen durch Planungsalternativen rungen anpassen bzw. modifizieren. Dies bedeutet vor · historische Entwicklung des Planungs- und Wirkraums allem, dass Belange (wie z.B. Kinderfreundlichkeit, Kriminal- und die aktuelle Realnutzungsstruktur prävention), welche nicht zwingend in der Anlage 1 zum · Beschreibung der durchgeführten Methodik zur Um- BauGB erwähnt werden, in das Planungsverfahren mit auf- weltprüfung genommen werden. · angewandte Untersuchungs- und Bewertungs- methoden 5. Ausblick für die Zukunft · Beschreibung voraussichtlicher Wirkfaktoren Eine effektive, an der Praxis orientierte und rechtssichere · Prognose der 0-Variante im best und worst case Umweltprüfung in der verbindlichen Bauleitplanung ist mög- · nachvollziehbare Bilanz der Vergleiche zur Beurteilung lich. Dazu ist es jedoch zwingend notwendig, die Umweltbe- · Überwachung (Monitoring) richte den neuen Anforderungen, welche sich aus dem · Interpretation des Umweltberichts in der Begründung BauGB 2004 ergeben, anzupassen. Dazu empfiehlt es sich, zum Bauleitplan den Umweltbericht modular aufzubauen, so dass ein Zu- · nachvollziehbare Zusammenfassung zum Umwelt- schnitt auf die jeweiligen Planungen mit den oft sehr diffe- bericht. renzierten Bedingungen erfolgen kann. Mit dieser For- schungsarbeit wurden die ersten wesentlichen Arbeits- Auch bei weiteren Punkten sind deutliche Defizite bzw. Un- schritte dafür getätigt. Als kommende Aufgaben bleiben die terschiede zu erkennen, so sind beispielsweise die Ergeb- Praxiseinführung des modularen Umweltberichts und die nisse der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Evaluierung der Ergebnisse seiner Umsetzung bezogen auf einigen Umweltberichten so eingearbeitet worden, dass Effektivität, Praktikabilität und Rechtssicherheit.

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Literatur Kontakt [Bau07] Baugesetzbuch, 10. Auflage, (Rechtsstand Januar Prof. Dr.-Ing. Theodor Hoffjann 2007). Technische Fachhochschule Berlin [Bun05] A. Bunzel (2005), Umweltprüfung in der Bauleitpla FB V - Haus Beuth, Raum A 138a nung, S.10, 104, Berlin. Luxemburger Straße 10 [Kus04] U. Kuschnerus (2004), Der sachgerechte Bebau 13353 Berlin ungsplan, 3. Aufl., Rn. 484 f., 479; ARGEBAU; Musterei- Tel.: (030) 4504-2056 führungserlass, Bonn. E-Mail: [email protected]

Kooperationspartner UVP-Gesellschaft e.V. Sachsenweg 9 59073 Hamm

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Proteomics – Anreicherung von phosphorylierten Proteinen. Methoden in der biomedizinischen Analyse Dr. Kunigunde Stephani-Kosin, Prof. Dr.-Ing. Roza Maria Kamp Kooperationspartner: Proteome Factory AG

Viele Krankheiten basieren auf Defekten im Erbmaterial oder auf dessen fehlerhafter Übersetzung in Proteine. Nicht selten ist dabei der posttranslationale Modifizierungsprozess der Proteine betroffen. Auf die Proteomforschung richtet sich mehr und mehr die Hoffnung, innovative Medikamente und verlässliche Biomarker für die Diagnose und die Therapie von Krank- heiten zu finden. Sie bietet die Möglichkeit eines sehr umfassenden Vergleichs der Proteine einer gesunden mit einer kranken Zelle. Um aus der Komplexität des Proteoms nur bestimmte, posttranslational modifizierte Proteine zu analysie- ren, ist eine selektive und spezifische Anreicherung notwendig. Die Weiterentwicklung und Optimierung einer entspre- chenden Methode für phosphorylierte Proteine steht im Vordergrund unseres Forschungsprojektes, da den Phosphopro - teinen als Signalschalter in der Zelle eine besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus richtet sich unser Forschungs- vorhaben auf die Untersuchung der Muskeldystrophie Typ Duchénne auf Proteomebene mit Fokus auf die phosphorylier- ten Proteine.

Various diseases are often based on gene defects or are results of failures during gene expression or protein biosynthesis. Additionally incorrect posttranslational modifications of proteins may lead to dysfunctions within the cell. Therefore pro- teome analyses are unalterable for developing innovative drugs and reliable biomarkers for diagnostics and therapy by comparing all proteins in healthy and diseased cells. Using proteomic techniques it is possible to selectively identify pro- teins being either directly responsible for or indirectly involved in the development of different diseases. Because thou- sands of proteins can be found in living cells, it is important to reduce their complexity. To analyze posttranslational modifications, such as phosphorylations selective and specific methods are required. Especially phosphorylated proteins, which participate in signal transduction or signal transmission, are essential for many diseases. Therefore this project is aimed at developing and optimizing a fast, efficient and reliable method to isolate and enrich phosphorylated proteins. Beyond this the proteomic analysis of the Duchénne Muscle Dystrophy disease with focus on phosphorylated proteins is part of our investigations.

1. Einleitung und Zielsetzung stellen sie auch das direkte molekulare Ziel für die meisten Der Begriff „Proteomics“ ist analog zum Begriff „Genomics“ Wirkstoffe dar. Das Verständnis ihrer Funktionen, der Art entstanden, ist in seiner Semantik jedoch sehr viel kompli- ihrer Wechselwirkungen untereinander und der Mechanis- zierter als der des Genomics. Während das Genom eine eher mus der Signalübertragung ist grundlegend für die Entwick- statische Einheit darstellt, ist das Proteom von Zelle zu Zelle lung von Wirkstoffen, die direkt an den krankheitsauslösen- unterschiedlich und ändert sich laufend durch seine bioche- den Molekülen angreifen. mischen Wechselwirkungen mit dem Genom und der Um- welt. Zum einen ist die Proteinbiosynthese zell- oder ge- Die Proteomanalyse ermöglicht die Entwicklung von Biomar- websspezifisch, zum anderen sind äußere Einflüsse wie kern, die die Diagnose oder eine Prognose des Krankheits- Temperatur, Stress, Tageszeit, Ernährung etc. maßgebend verlaufs und eine daran angepasste Therapie ermöglichen. dafür, welche Proteine gebildet werden. Diese enorme Viel- Sie bietet den Vorteil der globalen Vorgehensweise. Eine falt wird auch durch posttranskriptionale und posttranslatio- Strategie zur Lösung biomedizinischer Fragestellungen ist nale Veränderungen hervorgerufen. Ein einzelnes Gen der subtraktive Ansatz. Man kann die in Proteinmustern ent- produziert im Schnitt fünf bis zehn Proteine, in manchen Fäl- haltene Information ausnutzen und verschiedene definierte len noch mehr. Unter anderem beruhen einige Veränderun- Zustände einer Zelle vergleichen (wie z.B. gesunde und gen auf Modifikationen mit funktionellen Gruppen wie z.B. kranke Zellen). Bis zu 10000 Proteine könnten mittels 2D- Zucker-, Phosphat- oder Acetylreste, um nur einige wenige Gelelektrophorese sichtbar gemacht werden, aber es ist bei- zu nennen. Das Proteom ist somit die Gesamtheit an Protei- spielsweise kompliziert, seltene oder niedrig konzentrierte nen, die man zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer be- Proteine darzustellen. Dazu gehören auch die phosphory- stimmten Zelle findet. Proteomics beinhaltet Methoden, die lierten Proteine, die nur einen Prozentsatz vom Gesamtpro- sich mit der Untersuchung des Proteoms beschäftigen. teom ausmachen. Ca. 50 % aller humanen Proteine sind Da die Proteine die Hauptfunktionen in einer Zelle erfüllen, phosphoryliert, allerdings viele von ihnen nur transient, so

67 Proteomics – Anreicherung von phosphorylierten Proteinen

dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Menge an Phos- terschiedlichen pH-Werten ähnlich gute Ausbeuten erziel- phoproteinen zwischen 1 bis 10 % vorliegt [Rei05]. Die Phos- ten. Jedoch begünstigt jeder Puffer die Elution von unter- phorylierung von Proteinen ist die am meisten untersuchte schiedlichen phosphorylierten Proteinen von der Matrix. und am besten verstandene posttranslationale Modifizie- Daher ist es sinnvoll, beide Puffer sukzessiv zu benutzen, rung [Dam07], die an biologischen Prozessen in der Zelle be- um eine bessere Ausbeute an phosphorylierten Proteinen zu teiligt ist [Paw97], [Hun00]. Viele Transkriptionsfaktoren erhalten. Die beiden Puffer beeinflussen offensichtlich die werden auf diesem Weg über Signaltransduktionskaskaden Elution von unterschiedlichen Gruppen an Proteinen, wie die aktiviert [Mur07], Enzymaktivität und Substratspezifität Anreicherung von Phosphoproteinen aus einem Hefepro- wird moduliert [You07] oder Proteinabbau reguliert [Bec01], teinextrakt zeigt (Abb. 1 und 2). Im Binde- und Waschpuffer [Her98]. Viele Erkrankungen beruhen auf Disfunktionen im wurden saure, proteinogene Aminosäuren zugesetzt, die Phosphorylierungs-Prozess. eine unspezifische Bindung von sauren Proteinen aus der Probe verhindern sollen. Bei den Versuchen mit den Stan- Daher ist in der Proteomforschung gerade die Analyse die- dardproteinen BSA und ß-Casein war eine deutlich höhere ser Proteine von großer medizinischer Bedeutung. Die Ent- Konzentration an sauren Aminosäuren im Puffer notwendig, wicklung von Anreicherungsmethoden steht im Mittelpunkt um beide Proteine von einander zu trennen. Für die Protein- einiger Forschungsprojekte und ist auch Gegenstand unse- extrakte aus Hefe wurde deutlich, dass eine geringere Kon- res aktuellen Vorhabens. Einige der Methoden nutzen die Af- zentration notwendig ist, um die Ausbeute an phosphory- finität zu Metall-Ionen, die im Chelatkomplex gebunden sind lierten Proteinen zu erhöhen. In Abbildung 2 ist eine opti- [Fen07], [Nda06], [Fic02] andere nutzen die Immunopräzipi- mierte Anreicherung von phosphorylierten Proteinen aus tation mit spezifischen Antikörpern [Pan00] oder spezifische Hefe dargestellt. Anhand der Fluoreszenzfärbung ist zu er- chemische Modifikationsstrategien [Zho01], [Oda01]. kennen, dass Phosphoproteine nur in kleinen %-Mengen in Das hier in Entwicklung befindliche Verfahren zielt darauf der Ausgangsprobe (Spur 1) vorhanden sind, die in den spä- ab, phosphorylierte Proteine aus komplexen Gemischen, wie teren Eluaten (Spur 3 und 4) deutlich konzentriert vorkom- Zellextrakten von unterschiedlichen Organismen spezifisch men, während in der Fraktion der ungebundenen Proteine aufzureinigen und zu konzentrieren. Spezielle Matrices, die (Spur 2) kaum noch Fluoreszenz zu detektieren ist und damit zur Entfernung von Phosphaten benutzt werden, erwiesen nur geringe Verluste an Phosphoproteinen zu vermerken sich als geeignet, auch Phosphoproteine zu binden, wie in sind. den vorangegangenen Forschungsassistenzen festgestellt wurde [Leh05], [Wei06]. Nach der erfolgreichen Anwendung Um eine bedienerfreundliche und einfache Handhabung zu an Standardproteinen soll nun die Methode an natürlichen erzielen, wurden Filterzentrifugeneinheiten eingesetzt. Die Zellextrakten von verschiedenen Organismen getestet wer- Adsorbermatrix kann so als Schicht über eine durchlässige den und eine Feinjustierung der Bedingungen vorgenommen werden.

Ein weiteres Vorhaben ist die Identifizierung von Muskelpro- teinen, die eine Rolle bei der Muskeldystrophie Typ Du- chénne spielen. Es handelt sich hierbei um die am häufig- sten lethal verlaufende erbliche Krankheit bei Jungen REF. Dafür ist der Vergleich des Proteoms von gesunden Muskel- zellen mit kranken Muskelzellen (Zellkultur von humanen Myoblasten) vorgesehen, wobei Unterschiede gefunden werden sollen.

Die genaue Charakterisierung von ausgewählten Proteinen erfolgt dann mittels micro-HPLC und Massenspektrometrie (LC-ESI-MS/MS und ICP-MS), die bei der „Proteome Factory AG“ durchgeführt werden. Abb. 1: Eindimensionale SDS-Gelelektrophorese nach Anreicherung von Phosphoproteinen aus Hefe Sacharomycces cerevisiae. In A und B ist 2. Ergebnisse dasselbe Gel nach unterschiedlichen Färbungen dargestellt. Spur 1: Pro- teinprobe; Spur 2: ungebundene Proteine; Spur 3: erstes Eluat; Spur 4: Aus den Optimierungsversuchen mit Standardproteinen zweites Eluat; Spur 5: Molekulargewichtsmarker. Die Fluoreszenzfär- [Leh05], [Wei06] ging hervor, dass zwei unterschiedliche Elu- bung zeigt, dass die Anreicherung von phosphorylierten Proteinen ge- tionspuffer mit unterschiedlicher Zusammensetzung und un- lungen ist.

68 Fachbereich V Life Sciences and Technology

trische Messungen zeigen, dass es sich nicht ganz vermei- den lässt, neben phosphorylierten Proteinen auch nicht- phosphorylierte saure Proteine zu binden. Wie bei allen Me- thoden, die sich mit der Anreicherung von phosphorylierten Proteinen beschäftigen, ist es leider noch nicht möglich, sämtliche in der Zelle auftretenden phosphorylierten Pro- teine anzureichern. Es gelingt im Grunde immer nur eine Teilmenge der Phosphoproteine zu binden [Man02].

Mithilfe einer Krebszelllinie (HeLa) wurde das hier beschrie- bene System auch an humanen Zellkulturextrakten getestet. Eine weitere Versuchsreihe wurde auch mit Extrakten aus Zellkulturen mesenchymaler Stammzellen von Ratten durch- geführt. In beiden Fällen konnten Phosphoproteine angerei- chert werden, jedoch zunächst in geringer Konzentration. Es stellte sich heraus, dass nur wenige Proteine an die Matrix gebunden hatten, was offensichtlich an dem veränderten pH- Wert bei der Zugabe der Extrakte lag und damit vermut- lich an der Extraktionsmethode. Durch Veränderung der Pro- teinextraktionsbedingungen sowie Anpassung der Protein- ausgangsmenge konnte eine bessere Ausbeute erreicht wer- den. Sicherlich besteht an dieser Stelle noch Verbesserungs- potential betreffend der Binde- und Elutionsbedingungen.

Für die Untersuchung der Muskeldystrophie Typ Duchénne auf Proteinebene wurden Gesamtproteinextrakte von gesun- den Muskelzellen mit kranken Muskelzellen (Zellkultur von humanen Myoblasten) zum Vergleich herangezogen. Um möglichst Unterschiede durch individuelle Varianzen von Pa- tienten auszuschließen, bedarf es der Analyse von möglichst vielen gesunden und kranken Kindern. Bisher konnten je 3 Abb. 2: Zweidimensionale Gelelektrophorese der zwei Eluatfraktionen Zellextrakte von 4 gesunden und je 2 Zellextrakte von 2 nach der Anreicherung von phosphorylierten Proteinen aus Hefe Sacha- kranken Individuen in der 2D-Gelelektrophorese getrennt romycces cerevisiae. Dargestellt sind die Gele nach der spezifischen Fluoreszenzfärbung der Phosphoproteine. Es ist zu erkennen, dass in werden. Die Gele wurden sowohl einer phosphoprotein-spe- den beiden Eluaten gleiche aber auch unterschiedliche Proteine vor- zifischen Färbung als auch gesamtprotein-spezifischen Fär- kommen. bung unterzogen und die Bilder dokumentiert.

Die Auswertung wurde zunächst auf einen Ausschnitt mit Membrane aufgetragen werden. Damit wird verhindert, dass sehr guter Auftrennung begrenzt. Unter Anwendung der 2D- Schwebstoffe der Affinitätsmatrix in die Probe gelangen. Zu- Gel Auswertesoftware Proteomweaver 3.0 wurden ca. 300 nächst wurden solche Zentrifugenfiltereinheiten von ver- Spots (Proteinpunkte) detektiert. Die Übereinstimmung zwi- schiedenen Herstellern getestet, um die geeignete Membran schen den gesunden Individuen ist als sehr gut einzuschät- für den Adsorber zu finden. Eine Polyethersulfon-Membran zen und liegt bei 94% bei den kranken bei 96 %, da hier hat sich als optimal herausgestellt. vorläufig nur eine geringere Anzahl an Gelen vorhanden sind. Der Vergleich gesund gegen krank ist noch nicht voll- Im Vergleich mit einem kommerziell erhältlichen System er- ständig abgeschlossen, jedoch konnten schon zwei sehr weist sich die optimierte Methode trotz vieler kleiner Ar- auffällige Spots gefunden werden (siehe Abbildung 3). Die beitsschritte als schneller und wesentlich preiswerter. Es phospho-spezifische Färbung deutet darauf hin, dass es konnten doppelt so viele Phosphoproteine gereinigt wer- sich um phosphorylierte Proteine handelt. Derzeit wird von den, wie mit einer kommerziell erhältlichen Methode. Der diesen Spots eine massenspektrometrische Analyse zur Nachweis von Phosphoproteinen erfolgte zunächst über Identifizierung durchgeführt. einen spezifischen Fluoreszenzfarbstoff. Massenspektrome-

69 Proteomics – Anreicherung von phosphorylierten Proteinen

chromatography for specific enrichment of phosphopep- tides in phosphoproteome analysis. Mol Cell Proteomics, 2007. 6(9):1656–1665. [Fic02] Ficarro, S.B., et al., Phosphoproteome analysis by mass spectrometry and its application to Saccharomyces cerevisiae. Nat Biotechnol, 2002. 20(3): p. 301-305. [Her98] Hershko, A. and A. Ciechanover, The ubiquitin sys tem. Annu Rev Biochem, 1998. 67: p. 425–479. Abb. 3: Ausschnitte aus Coomassiegefärbten 2D-Gelen mit zwei sich un- [Hun00] Hunter, T., Signaling-2000 and beyond. Cell, 2000. terscheiden Proteinspots (siehe Pfeile). A: Kontrolle (gesund); B: Dys- 100(1): p. 113-127. trophin negative (krank). [Leh05] Lehmann, K. and R.M. Kamp, Proteomics - Anreiche rung von Phosphoproteinen. 2005, Forschungsberichte 3. Zusammenfassung und Ausblick der Technische Fachhochschule Berlin. p. 114–116. Die durchgeführten Versuche weisen darauf hin, dass das [Man02] Mann, M., et al., Analysis of protein phosphoryla Anreicherungs-System auch auf andere Zellextrakte an- tion using mass spectrometry: deciphering the phospho- wendbar ist. Allerdings muss die Methode für jede Art von proteome. Trends Biotechnol, 2002. 20(6): p. 261–268. Zellen modifiziert werden, um eine bestmögliche Anreiche- [Mur07] Moorhead, G.B., L. Trinkle-Mulcahy, and A. Ulke- rung von phosphorylierten Proteinen zu erhalten. Lemee, Emerging roles of nuclear protein phosphatases. Nat Rev Mol Cell Biol, 2007. 8(3): p. 234–244. Diese Methode soll eine breite Anwendung in der Grundla- [Nda06] Ndassa, Y.M., et al., Improved immobilized metal af genforschung und medizinischen Forschung finden. Für die finity chromatography for large-scale phosphoproteo- Vorgehensweise wurde ein übersichtliches Durchführungs- mics applications. J Proteome Res, 2006. 5(10): p. protokoll erstellt, so dass die Matrix verschiedenen Labora- 2789–2799. torien für Testversuche zur Verfügung gestellt werden kann. [Oda01] Oda, Y., T. Nagasu, and B.T. Chait, Enrichment analy Um die Selektivität der Methode genauer zu untersuchen, sis of phosphorylated proteins as a tool for probing the sollte von möglichst allen Proteinen, die angereichert wur- phosphoproteome. Nat Biotechnol, 2001. 19(4): p. den, eine massenspektrometrische Untersuchung gemacht 379–382. werden, bei der auch bestimmt werden kann, ob und wie [Pan00] Pandey, A., et al., Analysis of receptor signaling hoch die Anzahl der Phosphatreste ist. pathways by mass spectrometry: identification of vav-2 Der Einsatz der Methode bei der Analyse der Muskeldystro- as a substrate of the epidermal and platelet-derived phie Typ Duchénne war bisher nur eingeschränkt möglich, growth factor receptors. Proc Natl Acad Sci U S A, 2000. da die Bereitstellung von ausreichendem Zellmaterial ge- 97(1): p. 179–184. rade von kranken Muskelzellen sehr langwierig ist. Hier [Paw97] Pawson, T. and J.D. Scott, Signaling through scaf sollte in Erwägung gezogen werden, die Klein-Gel-Technik, fold, anchoring, and adaptor proteins. Science, 1997. die mit weniger Proteinprobe auskommt, einzusetzen. Sie 278(5346): p. 2075–2080. wird derzeit im Labor während einer Diplomarbeit etabliert. [Rei05] Reinders, J. and A. Sickmann, State-of-the-art in Die bisher geschaffene Datenbank an 2D-Bildern vom Mus- phosphoproteomics. Proteomics, 2005. 5(16): p. kelproteom sollte durch weitere ergänzt werden, um eine 4052–4061. umfassendere und statistisch besser abgesicherte Auswer- [Wei06] Weiss, D. and R.M. Kamp, Proteomik – Medizinische tung zu ermöglichen. Diagnostik. 2006, Forschungsbericht: Forschungsassis- tenz III der Technischen Fachhochschule Berlin. p. 63–65. Literatur [You07] Youngren, J.F., Regulation of insulin receptor [Bec01] Bech-Otschir, D., et al., COP9 signalosome-specific function. Cell Mol Life Sci, 2007. 64(7-8): p. 873-891. phosphorylation targets p53 to degradation by the ubi- [Zho01] Zhou, H., J.D. Watts, and R. Aebersold, A systematic quitin system. Embo J, 2001. 20(7): p. 1630–1639. approach to the analysis of protein phosphorylation. Nat Biotechnol, 2001. 19(4): p. 375–378. [Dam07] D'Ambrosio, C., et al., Analytical methodologies for the detection and structural characterization of phos- phorylated proteins. J Chromatogr B Analyt Technol Bio- med Life Sci, 2007. 849(1–2): p. 163–180. [Fen07] Feng, S., et al., Immobilized zirconium ion affinity

70 Fachbereich V Life Sciences and Technology

Kontakt Prof. Dr.-Ing. Roza Maria Kamp Technische Fachhochschule Berlin FBV - Forum Seestraße, Raum FS 547 Seestrasse 64 13347 Berlin Tel: (030) 4504-3923 Fax: (030) 4504-3983 E-Mail: [email protected]

Kooperationspartner Proteome Factory AG Dorotheenstraße 94 10117 Berlin Tel.: (030) 450578848 Fax: (030) 20616267 E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Astrid Speer Technische Fachhochschule Berlin FBV - Forum Seestraße, Raum FS 546 Seestrasse 64 13347 Berlin Tel.: (030) 4504-3940 Fax: (030) 4504-3983 E-Mail: [email protected]

71 Moderne Grünkonzepte für Freizeitanlagen

Moderne Grünkonzepte für Freizeitanlagen Dipl.-Ing. Wolf Sasse, Prof. Dr. habil. Hartmut Balder Kooperationspartner: H. Lorberg Baumschulerzeugnisse GmbH

Die Besucherinnen und Besucher von heute stellen hohe Erwartungen an Freizeitanlagen. Die Gestaltung von Grünflächen und die damit verbundenen Anforderungen an die Betreiber werden mit zunehmender Themenorientierung und Differen- zierung der Anlagen wesentlich anspruchsvoller und komplexer. Vielschichtige wirtschaftliche, rechtliche sowie ökologi- sche Wechselbeziehungen bzw. Prozessabläufe beim Bau und Betrieb von Freizeitanlagen stellen Anforderungen, die weit über das Berufsbild der klassischen Gärtnerin bzw. des Gärtners oder der Grünplanerin bzw. des Grünplaners hinausgehen. Welche Methoden können eine adäquate Lösung dieser Aufgaben in Zukunft ermöglichen?

Today's visitors of recreational parks have high expectations. As the theme-orientation and the degree of differentiation in green spaces increases, the design goals and gardening requirements become more demanding and complex. The multi- layered financial, legal and ecological interrelations that arise during the parks' construction and operational processes exceed the traditional profile of a gardener or landscape planner and oblige him or her to act as a 'green manager'. Which methods could enable him or her to meet these challenges in the future?

1. Einleitung Safaripark, Wildgehege', 'Auto- und Freilichtkino'. Bedeutung von Freizeitanlagen Bezüglich ihres Angebotes werden Freizeitanlagen in the- „Weder die Finanz- und Börsenkrise noch steigende Energie- menorientierte und nichtthemenorientierte Parks unter- und Lebenshaltungskosten können die Reiselust der Deut- schieden. Das Prinzip des Themenparks dominiert den schen bremsen.“ Dabei sind insbesondere Kurzreisen in Markt. Themenorientierte Einrichtungen weisen stets ein Deutschland überproportional stark gefragt: „Kurz-nah-weg“ übergeordnetes Leitmotiv auf, das in der Regel die Gliede- – das stellt die aktuelle 24. Deutsche Tourismusanalyse rung in einzelne Unterthemen erfährt. Sie werden in räum- 2008 der BAT Stiftung für Zukunftsfragen fest. Jeder dritte lich abgegrenzten Bereichen umgesetzt. Zur Kategorie Deutsche verreiste 2007 in Deutschland, Tendenz steigend ‚Freizeitpark‘ zählen u.a. Märchen- und Erlebnisparks, Film- [DSFT08]. studioparks, Natur-Themenparks, Safari-, Tierparks und Zoos sowie ‚Brand-Parks‘, die Firmen oder Produkte in den Die größten deutschen Freizeitparks nehmen sich mit 50 – Vordergrund stellen, z.B. Legoland, Ravensburger Spiele- 100 ha im internationalen Vergleich bescheiden aus. Zu den land, VW Autostadt. größten Anlagen in Europa gehört Disneyland Resort Paris mit 2.100 ha. Die weltweit größten Parks Walt Disney World 2.2 Häufig festgestellte Defizite und Mängel an Grünanlagen und DubaiLand nehmen bis zu 15.000 ha Fläche ein. Der un- · Vegetationsschäden durch Bau und Betrieb gebrochene Wachstumstrend veranlasst die Betreiber dazu, Innerhalb der Anlagen finden sich häufig Vegetations- jährlich neue Attraktionen anzubieten und sich ständig zu schäden an Bäumen und Pflanzflächen, die durch Bau- vergrößern. fahrzeuge und Lieferverkehr (Fremdfirmen) verursacht worden sind. Die Schäden treten als Folge von ungenü- Die Freizeitwirtschaft gehört zu den stabilsten Wachstums- gend abgesicherten Baustraßen oder Zufahrtswegen auf branchen und ist Deutschlands größter Arbeitgeber. Der und zeigen sich z.B. in Form von Bodenverdichtung, An- Wunsch nach Lebensqualität und einem besseren Leben fahrschäden an Bäumen, Stammverletzungen, beschä- lässt den Menschen erlebnisorientierten Freizeitkonsum als digten Wegekanten und Bauwerksteilen. Kontrast zum Alltag in den eigenen vier Wänden empfinden [OPAS06]. · Hoher Pflegeaufwand Zeitweise vernachlässigte Grünpflege oder unzweckmä- 2. Hauptteil ßige Pflanzenauswahl ziehen häufig unnötig hohe Be- 2.1 Was ist eine Freizeitanlage? triebskosten nach sich. Werden z.B. zur Eröffnung einer Als Freizeitanlage wird eine Fläche mit Bauwerken und Ein- Anlage schnellwüchsige Gehölze gepflanzt, ist danach richtungen, die zur Freizeitgestaltung bestimmt sind, be- jahrelanger Rückschnitt nötig, um den Zuwachs zu be- zeichnet. Freizeitanlagen umfassen 'Freilichttheater', grenzen. Nicht fachgerechter Gehölzschnitt an Hecken, 'Freilichtmuseum', 'Schwimmbad, Freibad', 'Zoo', 'Freizeit-, Solitärsträuchern und Bäumen sowie zu dichter Pflan-

72 Fachbereich V Life Sciences and Technology

zenbestand, der nicht ausgelichtet wird, begünstigt die 2.3 Ziel und Methodik Ausbreitung von Schädlingen und Krankheiten. Ziel dieser Forschungsarbeit ist die Ausarbeitung von Me- thoden des urbanen Gartenbaus, mit deren Hilfe der Bau · Ungenutzte Potentiale und Betrieb von Freizeitanlagen effizient und qualitätssi- Wichtige Funktionsbereiche, wie z.B. Eingangsbereiche chernd gestaltet und somit die Aufenthaltsqualität insge- einer Anlage, wirken oft provisorisch, erscheinen un- samt gesteigert werden kann. übersichtlich und überfüllt durch Werbeposter, Merchan- dising-Angebote, Kiosk, Imbissbude oder Eisstand. Der Im Rahmen dieser Untersuchung wurden insgesamt 42 Frei- erste und letzte Eindruck beim Besuch einer Anlage, zeitanlagen betrachtet, davon 18 Freizeit- und Vergnügungs- seine möglichst unverwechselbare „Visitenkarte“, ge- parks und 24 Zoos, 25 im In- und 17 im Ausland. Es wurden hört mit zu den wichtigsten Werbeträgern. Es ist das überwiegend diejenigen Einrichtungen untersucht, bei „Gesicht“, der „Charakter“, das Markenzeichen. Die denen der Grüngestaltung eine wesentliche Rolle in der Ge- Marke ist eine Art Kapital, das unbedingt gepflegt und in samtkonzeption zukommt. Für die Analyse wurden im We- bestmöglichem Zustand gehalten werden sollte. sentlichen Ergebnisse einer Internetrecherche und Literatur- auswertungen für allgemeine Betrachtungen herangezogen. · Defizite in der Konzeption und Planung Die differenzierte Betrachtung erfolgte auf der Grundlage Unterstellt man den involvierten Planerinnen und Pla- von Besuchen, Gesprächen und Bestandsaufnahmen, vor- nern gärtnerischen Sachverstand, so rühren die Fehlent- rangig in Zoos und Tieranlagen. Sowohl für Zoos als auch für wicklungen in den Grünanlagen von ungenügender Tiergärten ist das enge Verhältnis zwischen Tierpräsentation Kenntnis oder falscher Einschätzung der Rahmenbedin- und Grünflächenanteil sowie Gestaltung charakteristisch. gungen, d.h. der örtlichen Gegebenheiten sowie der spä- Für 10 Anlagen wurden vor Ort eine Bestandsbewertung und teren Bedürfnisse im Betrieb der Anlage her. eine Fotodokumentation der Grünflächen erstellt. Der Stand der Grünplanung in Freizeitanlagen wird häu- fig nachrangig angesehen. Er wird bei Planungsprozes- 2.4 Grün in Freizeitanlagen sen häufig erst relativ spät oder überhaupt nicht in die Im Fokus dieser Arbeit steht der ‚Grün-Anteil‘ von Freizeitan- Planung und Konzeption einer Neubau- oder Umbaupla- lagen. Die häufigsten Gliederungselemente einer Freizeitan- nung eingebunden. Besonders in dieser Phase werden lage sind originär landschaftsplanerisch angelegte Bereiche entscheidende Grundlagen und Rahmenbedingungen für wie Eingänge, Plätze, Haupt- und Nebenwege, Spielplätze den späteren Unterhalts-Aufwand und die laufenden Be- sowie Wasser- und Grünflächen. triebskosten einer Anlage festgelegt. Grünanlagen in Freizeitparks dienen in erster Linie zur Glie- derung der Anlage. Sie schaffen Räume, in denen Attraktio- nen angeboten werden. Gleichzeitig bilden sie das Umfeld einer Anlage und unterstützen die Themen-Inszenierung. Häufig bilden sie die Eingangssituation und tragen im bes- ten Fall zum Wiedererkennungswert des Parks bei. Neben ihrem Gestaltungswert für eine Anlage bestimmt insbeson- dere die Qualität der Grünflächen – das Erscheinungsbild – als emotionaler Faktor das Wohlbefinden der Besucherinnen und Besucher.

Die Qualität und die Kosten einer Grünfläche werden be- stimmt durch die Qualität und Nachhaltigkeit ihrer Planung, Ausführung und Pflege. Faktoren wie Neuartigkeit und Größe einer Attraktion treiben Betreiber von Erlebnis- und Vergnügungsparks zu immer ausgefalleneren Konzepten. Auf die Funktion und Bedeutung der Grünflächen hat das je- doch unterschiedliche Auswirkungen. Ein Freizeitpark ohne ansprechende Grüngestaltung wirkt steril und unfertig. Überwiegend wird eine thematisch stimmige ‚Dekoration‘ Abb 1: Deutliche Vegetationsschäden im Eingangsbereich Legoland- konstruiert, wie man sie aus Zoos, Tiergärten und Bäder- Billund, Dänemark, 2005 (Hartmut Balder) Freizeitanlagen kennt. Zudem besteht der Anspruch, ganze

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Öko-Systeme darzustellen, wie beispielsweise im ,Bio- mit einem hohen Technisierungsgrad stellen inzwischen sphäre-Projekt’ in Wales/ England oder im ‚Madagaskar-Tro- große Anforderungen an die Organisation und den Betrieb penhaus’ im Zoo Zürich. von Freizeitanlagen, was ökologische bzw. umweltschonen- de Arbeitsweisen sowie Investmentstrategien und Markt- 2.5 Exkurs: Besucherinnen und Besucher – anspruchsvolle analysen betrifft. Auch Faktoren wie die gestiegene Erwar- Wesen tungshaltung und ein großer Konkurrenzdruck lassen her- Die Besucherinnen und Besucher von heute sind informiert kömmliche Strukturen ob der Fülle von komplexen Anforde- und mobil. Sie verschaffen sich einen Überblick der angebo- rungen an ihre Grenzen stoßen. tenen Attraktionen, Leistungen, Services und Eintrittspreise. Eine Vielzahl von Freizeitpark-Testerinnen und -Testern eva- 2.7 Moderne Grünkonzepte luieren Freizeiteinrichtungen aller Art und berichten darüber. Moderne Grünkonzepte sind nicht nur eine Frage neuer oder Es werden detaillierte Wertungskataloge aufgestellt, z.B. thematisch ausgefeilter Gestaltungskonzepte, sondern sie Theming1/Parkgestaltung (Pflanzen, Blumen, Wege, Schat- stellen die Synthese von altbewährten gärtnerischen Grund- tenplätze, Sitzplätze, Wetterschutz), Sauberkeit (Grünanla- sätzen und integrierten Managementsystemen dar. gen, Gewässer), Eignung für Kinder, Personal und Gastro- Der Unterschied liegt in der Methodik: Nachhaltigkeitsma- nomie. In Deutschland unternehmen Familien mit Kindern nagement, Qualitätsmanagement, Umweltmanagement, überdurchschnittlich viele Tagesausflüge und zählen zu den Ressourcenmanagement, Ökobilanzen, Risikomanagement. häufigsten Freizeitparkbesuchern. „Der Bedarf an Unterhal- Die Managementsysteme sorgen für Qualität. Umwelt und tung wächst, weil Senioren für sich und ihre Enkel viel Zeit Nachhaltigkeit sind abteilungs- und prozessorientiert. Mit und Geld haben“ [TUMA07]. Effizienz und Transparenz sollen wiederkehrende Arbeitsab- läufe geregelt werden. Verantwortungen sind klar festzule- Es ist weniger die einzelne Attraktion als der Gesamtein- gen, der Informationsfluss an internen und externen druck, welcher das Urteil der Besucher prägt und somit über Schnittstellen ist zu organisieren und Prüfungen zur Siche- den wirtschaftlichen Erfolg der Anlage entscheidet. Dabei rung der Qualität von Arbeitsschritten sind durchzuführen. spielen Image und Charakter eine wichtige Rolle. Jede Frei- zeitanlage braucht ein Profil – ihr Leitbild, das sie von ande- Ein Freizeitpark stellt eine in sich geschlossene Prozessein- ren Anlagen unterscheidet und für das sie bekannt ist heit dar, die ein Produkt herstellen und möglichst erfolgreich [FALK08]. vermarkten will. Jede Anlage benötigt eine optimal abge- stimmte effiziente Logistik und Infrastruktur. Konzeption, 2.6 Grünstruktur als integraler Bestandteil von Freizeitan- Bau und Betrieb von Freizeitanlagen sind klar strukturierbar. lagen Dabei kann ein vorstrukturierter Arbeitsablauf alle relevan- Der Bau und Betrieb von Freizeitanlagen unterliegt den glei- ten Aufgabenfelder in einer Art Checkliste erfassen und die chen marktwirtschaftlichen Zwängen wie jeder andere Wirt- systematische Bearbeitung sichern. Nicht die Qualität an schaftsbetrieb. Dennoch wurde bei der Konzeption oder sich wird ‚genormt‘, sondern der Weg zur Qualität. Dieser Ar- Erweiterung einer Anlage der Aspekt einer nachhaltigen Ent- beitsablauf – die Methodik – ist auf alle Anlagen universell wicklung und Pflege der Grünflächen als integralem Be- anwendbar und muss je nach Leitbild speziell angepasste standteil von Freizeitanlagen bisher nur wenig Aufmerksam- Lösungen und Kontrollmöglichkeiten erarbeiten. keit geschenkt. Konzeptionelle Schwächen in der Grünstruk- tur etwa bei der Auswahl standortgerechter Gehölze oder Nachhaltige Lösungsansätze durchziehen vom Bau bis hin der Bodenvorbereitung und Pflanzung können zu Schäden zum laufenden Unterhalt alle Phasen der Konzeption einer an Bauwerken durch Wurzelwachstum, gestörtem Pflanzen- Anlage. Sie beginnen mit der Unternehmens- und Organisa- wachstum, Probleme mit der Verkehrssicherheit durch Bäume tionsanalyse mittels unterschiedlicher Selbstbewertungs- sowie zu aufwändigen Schnitt- und Pflegemaßnahmen füh- methoden und -instrumente. Der Status Quo wird erkannt, ren. Bekannte Grundsätze in der Pflege und Unterhaltung Stärken und Verbesserungspotentiale identifiziert und da- von Grünanlagen werden unterbewertet oder von der Pro- rauf aufbauend werden die notwendigen Maßnahmen ge- jekt- und Bauleitung nur unzureichend angewendet. Dies plant. führt zu unbefriedigenden Ergebnissen und langfristig unnö- tig hohen Unterhaltungskosten. Stetig wachsende Anlagen · Was will man erreichen? Entwicklung eines Leitbildes. · Welche Methoden sind erfolgsversprechend? Ein ge- 1 „Theming“: nicht das Einzelmerkmal steht im Vordergrund, sondern die normter Prozessablauf besteht aus Elementen, deren aufeinander abgestimmte Kombination/Mischung/Vielfalt und Präsentation Umsetzung eine Interpretation und Anwendung auf die von Attraktion und Umgebung/Umfeld/Rahmengrün. eigene Zielsetzung erfordert.

74 Fachbereich V Life Sciences and Technology

· Wie kann die Umsetzung sichergestellt werden? Eine periodische Zustandserfassung und die Festlegung von Handlungsfeldern (erforderliche Maßnahmen im Einzel- nen, Kontrolle der Bewirtschaftung des abgelaufenen Zeitraums) sind essentiell.

Eine Handlungsanleitung auf diesem Weg stellen die ISO- Normen ISO 9001 : 2000 und ISO 14001 : 2004 dar. Beide Normen entwickeln ein integriertes System Planen-Ausfüh- ren-Kontrollieren-Optimieren. Die ISO 9001 ist eine Qualitäts-Managementnorm zur pro- zessorientierten Steuerung, kontinuierlichen Bewertung und Verbesserung der Qualität. Die ISO 14001 stellt Prinzipien dar, die den Umgang mit der Abb 2: „Bootsfahrt in Afrika“ im Zoo Hannover 2007 (Wolf Sasse) Umwelt und die Vermeidung von Umweltverschmutzung re- geln. Daraus abgeleitet können Ziele, Aktivitäten und Kon- trollmechanismen für Nachhaltigkeit, wie z.B. Öko-Audit, betriebliche Umweltpolitik, Verminderung fossiler CO2-Emis- sion, Biodiversität und Öko-Tourismus [WZAN05] entwickelt werden.

2.8 Moderne Grünkonzepte in Zoos und Tieranlagen „Most visitors come to the zoo with animals on their mind, but plants are the first thing they see.“ [VIRG08]

Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 10 Tieranlagen ausgewählt und eingehend auf zukunftsweisende Ansätze hin untersucht. Angesichts der geänderten Europäischen Tierhaltungsrichtlinie und unter dem Druck des Wettbe- werbs bemühen sich viele deutsche Zoos im Trend der Zeit geographische Themenwelten zu entwickeln: vom zoologi- schen Garten zum „Geo-Zoo“. Sie vollziehen damit eine ähn- liche Entwicklung, wie sie bei Freizeitparks schon seit zwei Jahrzehnten zu beobachten ist. Hier einige Beispiele: Der Zoo Zürich versteht sich als Naturschutzzentrum mit dem Schwerpunkt Schutz von Ökosystemen und Arten- schutz. Er hat mit dem Bau der Masoala-Regenwaldhalle Abb 3: „ Dschungelpalast“ - Tierpräsentation im Zoo Hannover 2007 Neuland betreten, indem versucht wurde, ein Stück tropi- (Wolf Sasse) schen Regenwald aus Madagaskar mit einer Vielzahl ende- mischer Arten nachzuempfinden. eine Mischung von Tierpräsentation mit Schaufütterungen und „klassische“ Freizeitpark-Angebote wie die Gliederung Für den Zoo Leipzig wurde ein neues Leitbild „Zoo der Zu- in Themenwelten, Shows, Bootsfahrten auf künstlich ange- kunft“ entworfen. Die bestehende klassische zoologische legten Gewässern, inszenierte Landschaften, Kulissen-Archi- Ordnung und Präsentation der Tiere ist zugunsten einer the- tektur und Restaurantangebote. menorientierten Inszenierung von Tier und Pflanze mit „lan- destypischer Kulissenarchitektur“ umgestaltet worden. Hier Die ZOOM-Erlebniswelt Gelsenkirchen stellt die Gliederung nimmt die Nachbildung von Lebensräumen die zentrale Be- in die drei Erlebniswelten Afrika, Alaska, und Asien in den deutung ein. Vordergrund. Im Gegensatz zu den meisten Freizeitanlagen findet sich hier keine netzartige Wegestruktur mit Haupt- Der Zoo Hannover hat sich in seiner historischen Entwick- und Nebenwegen, sondern die Besucherinnen und Besucher lung vom Stadtpark über den städtischen Zoo bis hin zum können unter drei festgelegten Themen-Routen auswählen. Erlebnis-Zoo gewandelt. Seine Betreiber setzten dabei auf Die Themen sind drehbuchartig inszeniert, so dass eine fest-

75 Moderne Grünkonzepte für Freizeitanlagen

gelegte Reihenfolge von Attraktionen zu erleben ist. Sowohl Um die Kundenzufriedenheit zu steigern, ist die Entwicklung in der Gehegegestaltung als auch im Rahmengrün zählen und Einhaltung solcher Standards von enormer Bedeutung. Pflanzen zum wichtigen Bestandteil der Anlagen. Nur auf diese Weise kann das Qualitätsniveau der Anlagen Zu den Vorreitern einer nachhaltigen Bewirtschaftung von bei gleichzeitiger Kosten-Optimierung verbessert werden. Freizeitanlagen gehören z.B. die Zoos Aalborg – Dänemark, Ziel ist es daher, modulare Planungs- und Pflegekonzepte zu North Carolina Zoo – USA und der Wildpark Langenberg – entwickeln und zur Verfügung zu stellen, die je nach Bedarf Schweiz, die 2003 ISO 14001 zertifiziert wurden. Der Natio- bzw. Konzeption einer Freizeitanlage miteinander kombiniert nalzoo Kuala Lumpur, Malaysia ist ISO 9001: 2000 zertifiziert werden können und zu hoch effizienten, ästhetisch an- worden. spruchsvollen Anlagen mit individuellem Charakter im öf- fentlichen und privaten Bereich führen. 3. Zusammenfassung und Ausblick Es lässt sich beobachten, dass die klassischen Grenzen der Übergänge zwischen Freizeitanlagen und zoologischen Gär- Literatur ten fließend werden und verwischen. Immer häufiger entwi- [DSFT08] Deutsche Tourismusanalyse (TA), Deutsches Semi- ckeln Freizeitanlagen Miniatur- und Phantasie-Landschaften, nar für Tourismus Berlin (Hrsg.), Eigenverlag, Berlin, greifen auf das klassische gärtnerische Repertoire zurück 2008, S. 2–4. und kombinieren es mit technischen Attraktionen in völlig [FALK08] Falk, Dr. John H., „Der Gast – das (un)bekannte neuen Zusammenhängen. Tieranlagen versuchen Abwechs- Wesen“ in: EuroAmusementProfessional, Internationale lung und Aufwertung zu bieten, indem sie Fahrgeschäfte Fachzeitschrift für die Fach- und Führungskräfte der Frei- einstreuen und Tier-Attraktionen im Rahmen von Themen- zeitwirtschaft, Nr. 1/ 2008, S.42–46, G.P. Probst Verlag Kulissen präsentieren. Beide Typen von Freizeitanlagen nä- GmbH, Lichtenau, 2008, S. 36 ff. hern sich ökologischen Themen und stellen in der Konzeption [OPAS06] Opaschowski, Horst W.; Pries, Michael; Reinhardt, entweder den Erlebnisfaktor oder den Bildungswert und For- Ulrich: Freizeitwirtschaft. Die Leitökonomie der Zukunft., schungscharakter in den Vordergrund. LIT-Verlag, Münster, 2006, S. 36 ff. [TUMA07] Tuma, Thomas: „Die Kraft der Kleinen“ in: Der Die Umsetzung jeder Vision setzt einen hohen Grad an gärt- Spiegel, 21/ 2007, S. 84f. nerischem Sachverstand voraus. Erprobte Pflanzensorti- [VIRG08] Horticulture, http://www.virginiazoo.org/ mente und Pflegetechniken sowie die fundierte Kenntnis pressroom/horticulture.php, 1.02.2008. über das Auftreten von Pflanzenkrankheiten bzw. die Ver- [WAZA05] „Nachhaltigkeit“, in: Zoos und Aquarien für Natur- breitung von Schädlingen müssen die Basis eines jeden schutz – Die Welt-Zoo- und Aquarium-Naturschutzstrategie, Konzepts bilden. Lückenlos nachvollziehbare Handelswege Weltverband der Zoos und Aquarien WAZA (Hrsg.), Eigenver- und Produkt-Herkünfte von Saatgut und Pflanzen, d.h. deren lag, Bern, 2005, S. 55–58. Produktion und Handel bis zum „Endverbraucher“, dem Gar- ten- und Landschaftsbau, Tier- und Freizeitparks sowie Na- turschutzreservate sind unverzichtbare Bausteine eines Kontakt neuen Qualitätsmanagements. Prof. Dr. habil. Hartmut Balder Technische Fachhochschule Berlin Bisher fehlt ein branchenübergreifender Leitfaden zum Bau Haus Bauwesen, Raum 209 und Betrieb von Freizeit-, Grün- und Tieranlagen. Für eine Luxemburger Str. 10 solche Standardisierung sind folgende Anwendungsbei- 13353 Berlin spiele zu nennen: Stärken-Schwächen-Analyse (Bench- Tel.: (030) 4504-2081 marks), datenbankgestützte Pflegekonzepte, Baumkataster, Fax.: (030) 4504-5408 Grünflächen-Management, Test neuer Pflanzensortimente, E-Mail: [email protected] Einsatz und Erfahrung neuer Produkte oder Pflegesysteme (z.B. Schutzvliese, Boden-Substrate und -Hilfsstoffe), inte- Kooperationspartner grierter Pflanzenschutz, gärtnerische, gestalterische, wirt- Baumschulerzeugnisse GmbH & Co. KG schaftliche, rechtliche Anforderungen und Aufgaben in Zachower Straße 4 Betrieb, Dokumentation, Kontroll- und Berichtwesen, an- 14641 Tremmen wenderfreundliche, anpassungsfähige und lernfähige Netz- Tel.: (033233) 84142 werk-Strukturen zur Unterstützung der Pflege, Weiterent- Fax.: (033233) 84122 wicklung und Schulung.

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Akklimatisierungspotenzial von Raumbegrünungspflanzen Dipl.-Ing. Julia Schönfeld, Prof. Dr. rer. hort. Karl-Heinz Strauch Kooperationspartner: Kusche & Partner Berlin

Reduziertes Lichtangebot ist der wesentliche wachstumsbegrenzende Faktor an Pflanzenstandorten im umbauten Raum. Die Optimierung der Belichtung mit photosynthetisch aktiver Strahlung (PAR) setzt neben der Standortanalyse Kenntnisse über den Strahlungsbedarf der verwendeten Pflanzenarten voraus. Verfügbare Informationen über den Strahlungsbedarf sind meist von Wachstumsbedingungen des Herkunftsortes oder aus optimierten Produktionsbedingungen abgeleitet. Diese Informationen sind als Planungsgrundlagen unzureichend. Die Projektergebnisse werden eine wichtige Grundlage für die nachhaltige Planung, Ausführung und Betreuung von Pflanzen in der Raumbegrünung bieten.

Reduced availability of light is the fundamental factor for limited growth in interior landscaping. To optimise quality and quantity of photosynthetic active radiation (PAR), planers need to analyse local conditions as well as they should have pre- cise knowledge of the plants´ light aspiration. But available information regarding optimal radiation is often adapted from optimized conditions of greenhouse production or from natural conditions in their original habitat. This information is ina- dequate for the currently used plant assortment. The outcome of this project will form an important basis for a lasting de- sign, realization and maintenance of interior landscaping projects.

1. Einleitung Die Belichtung erfolgte mit Leuchtstofflampen vom Typ Wachstum und Entwicklung von Pflanzen werden durch kli- Osram Cool White 39 Watt. Die Differenzbehandlung fand im matische und nicht klimatische Faktoren bestimmt. Jede Zeitraum von Februar 2007 bis März 2008 statt. Pflanzenart verfügt über eine genetisch festgelegte Anpas- sungsfähigkeit an diese Faktoren. Bei der Pflanzenverwen- Die Datenerfassung umfasste folgende Parameter: dung im umbauten Raum werden die klimatischen Wachs- · Zuwachs- und Verlustraten der Pflanzensubstanz tumsfaktoren gegenüber den optimierten Produktionsbedin- · Mangelsymptome gungen erheblich verändert. Insbesondere das geringere · Veränderungen des Pflanzenhabitus Angebot an photosynthetisch aktiver Strahlung (PAR) ist der · Internodienlänge entscheidende wachstumsbegrenzende Faktor. Gegenstand · Blattfläche dieser Untersuchung ist die Erforschung des Akklimatisie- · Blattmorphologie rungspotenzials von vier Pflanzengattungen unter reduzier- · Chlorophyllgehalt tem Strahlungsangebot. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Wirkung der Strahlungssumme [Loc00]. Der Einfluss der Differenzbehandlung wurde weiterhin mit Hilfe von Lichtreaktionskurven untersucht. 2. Material und Methode Mit Hilfe von Gaswechselmessungen wurden neben der Pho- Die Untersuchung wurde mit folgenden vier Pflanzenarten tosyntheseleistung der Pflanze weitere Parameter wie Tran- aus dem aktuellen Sortiment durchgeführt, die in der Raum- spirationsrate und stomatäre Leitfähigkeit erfasst. begrünung verbreitet Verwendung finden: 3. Ergebnisse Ficus binnendijkii ’Alii’ Die vier untersuchten Gattungen zeigen deutliche Reaktio- Dracaena deremensis ’Janet Craig Compacta’ nen auf die Differenzbehandlung. Schefflera arboricola ‘Mini Compacta’ Die gestufte Strahlungsintensität/Strahlungssumme hat er- Codiaeum variegatum ‘Petra’ heblichen Einfluss auf die Pflanzenentwicklung und auf den Habitus. Die Pflanzen wurden im Anschluss an optimale Produktions- bedingungen einem gestuften Strahlungsangebot (PAR) aus- 3.1 Veränderungen des Pflanzenhabitus am Beispiel gesetzt. In der Kombination von drei Bestrahlungsstärken Schefflera arboricola (7, 14, und 22 μmol/s1m2) mit jeweils drei verschiedenen Abb.1 zeigt exemplarisch drei Varianten von Schefflera arbo- täglichen Belichtungsphasen wurde der Faktor Strahlungs- ricola. Die nebeneinander gestellten Behandlungsstufen menge in neun Stufen angeboten. Die Untersuchung fand in verfügten zu Versuchsbeginn über eine vergleichbare Blatt- zwei klimatisierten Räumen ohne Tageslichteinfluss statt. zahl. Der Zuwachs der Pflanze mit der geringsten Strah-

77 Akklimatisierungspotenzial von Raumbegrünungspflanzen

Strahlungsintensität: 7,4 μmol 14,7 μmol 22 μmol Belichtungsdauer [h/d] 8 14 20

Abb 1: Schefflera arboricola. Einfluss eines gestuften Strahlungsangebotes auf den Pflanzenaufbau (Strahlungsintensität: PPFD [μmol s-1 m-2]; tägli- che Belichtungsdauer [h/d]. (Foto: Schönfeld)

lungssumme liegt bei 27 Blättern, während die Pflanze der 3.3 Blattdicken mittleren Behandlungsstufe 57 Blätter und die Pflanze der Die Differenzbehandlung beeinflusst auch die Blattmorpho- höchsten Behandlungsstufe 87 Blätter bildete [Lar93]. logie.

3.2 Blattzuwachs in Abhängigkeit von der Strahlungs- Am Beispiel von Ficus binnendijkii zeigt sich (Abb. 3), dass die summe neu gebildeten Blätter der Behandlungsstufen durchschnitt- Die Unterschiede des Erscheinungsbildes (Abb. 1) spiegeln lich geringere Blattdicken aufweisen. Es ist die Tendenz zu sich in der unterschiedlichen Blattbildungsrate (Abb. 2) wider. beobachten, dass sich mit steigender Strahlungssumme die Der Verlauf des Blattzuwachses ist im Beobachtungszeit- Dicke der Blätter, welche während der Differenzbehandlung raum nahezu konstant [Poo91]. entwickelt wurden, der Blattdicke der Ausgangssituation an- nähert. Dieser Zusammenhang wird durch das Verhalten der Pflanzen unter Gewächshaubedingungen unterstrichen (Vari- ante GH, Abb. 3) [Ste05].

Abb. 3: Ficus binnendijkii. Einfluss des zunehmenden Strahlungsange- Abb. 2: Anzahl Blätter an Schefflera arboricola (Zuwachs, absolut) pro botes auf die Dicke der unter Versuchsbedingungen entwickelten Blät- Pflanze im Beobachtungszeitraum. ter. Dargestellt ist die Abweichung der Blattdicken „Neu“ – „Alt“.

78 Fachbereich V Life Sciences and Technology

können nach abgeschlossenen Laborarbeiten zusätzliche In- formationen über morphologische Modifikationen abgelei- tet werden, die während des Akklimatisierungsprozesses entstehen.

Literatur [Hal93] D.O. Hall; J.M.O. Scurlock; H.R. Bolhàr - Norden kampf; R.C. Leegood; S.P.Long (1993): Photosynthesis and production in a changing Environment, A field and laboratory manual, Chapman & Hall, London. [Lar93] Walter Larcher (2001): Physiologicial Plant Ecologie, Springer Verlag Berlin/Heidelberg/New York. [Loc00] L. Lockwood Seignot (2000): Interior Landscaping, Gower Publishing Limited. [Poo91] R.T.Poole; C.A. Conover (1991): Acclimatization of Brassaia actinophylla and Schefflera arboricola, Univer- Abb. 4: Nettophotosyntheserate bei Ficus binnendijkii in Abhängigkeit sity of Florida, Central Florida research and education von der Photonenstromdichte (PAR-Spektralbereich). Vergleich der Centre – Apopka, CFREC-A Research Report RH-93-8. Lichtreaktionskurven neuer Blätter (Differenzbehandlung) und alter [Ste05] K. Steinkamp; C.A. Conover; R.T.Poole (2005): Blätter. Acclimatization of Ficus benjamina: A Review, University of Florida, Central Florida research and education Centre 3.5 Lichtreaktionskurven und Chlorophyllgehalt – Apopka, CFREC-A Research report RH-91-5. Aus den Lichtreaktionskurven ist zu erkennen, dass die Dif- [Tar07] I.I Tartachnyk; M.M. Blanke (2007): Photosynthesis ferenzbehandlung einen Einfluss auf die Photosyntheseleis- and transpiration of tomato and CO2 fluxes in a green- tung der unter Versuchsbedingungen gebildeten Blätter hat. house under changing environmental conditions in win- Es ist erkennbar, dass das neu gebildete Laub unter dem ter, Institute of Crop Sciences and Resource Conser- Einfluss einer Strahlungsintensität von 7,4 μmol s1 m2 unab- vation – INRES, Department of Horticulture, University hängig von der Strahlungssumme eine geringere Photosyn- of Bonn. theseleistung hat. Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass sich dieses Verhalten mit zunehmender Strahlungsintensität ändert. Hier deutet sich an, dass das unter Versuchsbedin- Kontakt gungen gebildete Laub eine höhere Leistungsfähigkeit Prof. Dr. rer. hort. Karl-Heinz Strauch haben kann [Hal93; Tar07]. Technische Fachhochschule Berlin Erster Vizepräsident 4. Zusammenfassung Präsidialgebäude, Raum P 110 Die Differenzbehandlung bewirkt eine Änderung morpholo- Luxemburger Straße 10 gischer Parameter wie Blattspreite, Blattzahl und Zuwachs- 13353 Berlin rate. Weiterhin dokumentiert sich eine Akklimatisierung in Tel.: (030) 4504-2336 einer veränderten Ausprägung der Photosyntheseleistung in E-Mail: [email protected] Abhängigkeit von der Strahlungsintensität.

5. Ausblick Kooperationspartner Im weiteren Verlauf des Forschungsprojekts werden genaue Kusche & Partner Empfehlungen für die Planung und Ausführung von Objekt- Berliner Baumdienst GmbH begrünungen erarbeitet. Weiteres Ziel ist die Auswertung Heidereuter Str. 33 der Wurzel- und Blattmasse-Differenzen. Außerdem folgt 13597 Berlin eine umfassende Blattflächenanalyse der Versuchspflanzen. Tel: (030) 3312081 Die bereits abgeschlossenen Messungen der Blattdicken Fax: (030) 3328884 werden durch Herstellung von Blattquerschnitten unter- E-Mail: [email protected] stützt. Hierzu werden Blätter von Versuchspflanzen in meh- reren Schritten zu Dauerpräparaten angefertigt. Aus ihnen

79 Einfluss von erhöhtem Sauerstoffeintrag bei der Gewinnung thermostabiler ␣-Amylase und Protease mittels Bacillus caldolyticus

Einfluss von erhöhtem Sauerstoffeintrag bei der Gewinnung thermo- stabiler ␣-Amylase und Protease mittels Bacillus caldolyticus Dipl.-Ing. (FH) Martin Senz, Prof. Dr.-Ing. Milan Popovic Kooperationspartner: Dr. rer. nat. Christian Scheler – Proteome Factory AG

Zur Steigerung der Ausbeute an ␣-Amylase und Protease aus Bacillus caldolyticus DSM 405 wurde der Einfluss von ver- bessertem Sauerstoffeintrag in das Kulturmedium durch die Erhöhung des Betriebsdrucks untersucht. Ein erhöhter Sauer- stoffeintrag (Überdruck von 1000 mbar) führte zu einer 2,5-fachen Erhöhung der max. Amylasekonzentration und 1,7-fachen Erhöhung der max. Proteasekonzentration. Weiter wurde die Akkumulation von unerwünschten Metaboliten wie Acetat weitgehend reduziert.

This research presents the influence of an elevated oxygen transfer rate into the fermentation during the production of - amylase and protease by Bacillus caldolyticus DSM 405. The results of fermentation under oxygen depletion, atmospheric pressure and overpressure (1000 mbar) are being compared. Maximum concentrations of ␣-amylase and protease ob- tained in the pressurized reactor were 2.5-times and 1.7-times respectively higher than under oxygen depletion. The accu- mulation of unwelcome metabolites like acetate is widely reduced.

1. Einleitung Amylasen und Proteasen gehören mit einem weltweiten Marktanteil von ca. 30 % bezogen auf ␣-Amylasen und 60 % bezogen auf Proteasen der Enzym-Jahresproduktion zu den wirtschaftlich wichtigsten Enzymen [Rao98; Hak03]. Amylasen bauen Stärke zu Dextrinen und Glucose ab, Pro- teasen spalten Proteine zu Peptiden und Aminosäuren. Für viele industrielle Bereiche sind diese Abbauschritte unter er- höhten Temperaturen von Relevanz, so dass ein Bedarf an In den Gln. 1 und 2 sind: Sauerstoffeintragsrate (OTR; oxy- thermostabilen Enzymen besteht. Thermostabile Amylasen gen transfer rate), Stoffübergangskoeffizient (kLa), maxi- werden bspw. in der Stärkeindustrie zur Stärkeverflüssigung male Sauerstofflöslichkeit (cO2*), aktuelle Gelöstsauerstoff- bei 105° C angewandt [Maa02]. Weiter finden beide Enzym- konzentration (cO2), molarer Sauerstoffanteil der Zuluft klassen u.a. in der Waschmittel-, Lebensmittel-, Textil- und (XO2), Betriebsdruck (P), Molarität des Wassers (⌺ci) und Papierindustrie ihren Einsatz. Henrykonstante (H). Der hier verwendete Bakterienstamm Bacillus caldolyticus (B. caldolyticus) ist ein Produzent thermostabiler ␣-Amylase Durch Änderung der Begasungsart – oberflächlich (kLa redu- und Protease und sekretiert diese in das Kulturmedium. B. ziert) bzw. submers (kLa erhöht) – sowie des Betriebsdrucks caldolyticus wurde erstmals aus heißen Quellen im Yellow- –cO2* wird erhöht – kann man die Sauerstoffseintragsrate stone-Nationalpark isoliert [Hei72]. Da die Temperatur des steigern bzw. reduzieren. Diese Arbeit untersucht den Ein- natürlichen Habitats nahe am Siedepunkt liegt, war auf- fluss der Begasungsart und des Betriebsdrucks auf die Aus- grund der temperaturbedingten stark herabgesetzten Sau- beute an ␣-Amylase und Protease. erstofflöslichkeit davon auszugehen, dass es sich bei dem Bakterium um einen mikroaeroben bis anaeroben Organis- 2. Material und Methoden mus handelt. Umso überraschender war die Beobachtung, Für die Kultivierung von B. caldolyticus DSM 405 wurden dass B. caldolyticus bei erhöhter Gelöstsauerstoffkonzentra- Fermenter des Typs BIOSTAT E (Oberflächen- bzw. Submers- tion besser gedeiht und zu einer gesteigerten Ausbeute an begasung) und ED (Druckbegasung) der Firma Sartorius Enzymen fähig ist [Bad06]. Stedim Biotech GmbH verwendet, wobei letzterer mit einer Druckregulierungsvorrichtung ausgestattet ist. Dementsprechend wurden von den Gesetzmäßigkeiten für die Sauerstoffeintragsrate (Gln.1; OTR) und der Sauerstoff- Das verwendete Medium enthielt pro Liter 2g Pepton aus löslichkeit (Gln.2; cO2*) ausgehend, Untersuchungen unter Casein, 0,05g KH2PO4 x 2H2O, 0,25g MgSO4 x 7H2O, 0,03g reduziertem Stoffübergangskoeffizient (kLa) bzw. unter er- FeSO4 x 7H2O, 0,00157g MnCl2 x 4H2O, 0,1g CaCl2 x 2H2O höhtem Betriebsdruck (P) gelegt. und 1g Zulkowsky-Stärke. Die Amylaseaktivität wurde mit

80 Fachbereich V Life Sciences and Technology

einer modifizierten Methode nach Manning und Campbell Synchron zu dem Verlauf der cO2 ist eine Änderung des Re- [Man61] mit Stärke als Substrat bestimmt und wird in Units doxpotentials sichtbar. Insgesamt änderte sich der Redox- pro mL (U/mL) angegeben. Die Proteaseaktivität wurde mit wert stärker, was auf eine größere Empfindlichkeit der einer modifizierten Methode nach Strydom [Str86] mit Azo- Redoxsonde hinweist. Diese Tatsache ist bei erhöhten Tem- Casein als Substrat bestimmt und wird ebenfalls in U/mL an- peraturen dort von besonderem Interesse, wo die Empfind- gegeben. Das Zellwachstum wurde durch Messung der lichkeit der Gelöstsauerstoffsonde stark herabgesetzt ist. Optischen Dichte bei 600 nm verfolgt. Acetat wurde über Zudem weist eine Redoxsonde eine geringere Störanfällig- einen UV-Test-Kit (R-Biopharm AG) bestimmt. Für die Mes- keit gegenüber Druckschwankungen auf. sung des pH-Wertes, des Gelöstsauerstoffs und des Redox- potentials wurden entsprechende Sonden (Mettler-Toledo Die Produktbildungen von ␣-Amylase und Protease zeigten GmbH) verwendet. ähnliche Verläufe wie die Wachstumskurve (Abb.1). In der log. Wachstumsphase zwischen der 5. und 7. Std. nahmen die je- Fermentiert wurde im Batch-Verfahren unter atmosphäri- weiligen Enzymaktivitäten deutlich zu und fielen in der da- schem Druck und Oberflächenbegasung (Tab.1, Fermentation a), rauf folgenden Absterbephase ab. atmosphärischem Druck und standardmäßiger Submersbe- gasung (Tab. 1, Fermentation b) und mit einem Betriebsüber- druck von 1000 mbar bei Submersbegasung (Tab. 1, Fermen- tationen c und d). Weiter wurde mit einem Arbeitsvolumen von 4,4 L, einer Belüftungsrate von 1 vvm, einer Rührerdrehzahl von 500 rpm, einer Temperatur von 70° C und einem regu- liertem pH-Wert von 7,0 kultiviert.

3. Ergebnisse und Diskussion In Abbildung1 ist der zeitliche Verlauf einer Batch-Fermenta- tion unter atmosphärischem Druck und Submersbegasung dargestellt. Nach einer anfänglichen Adaptionsphase bis zu Abb. 1: Zeitlicher Verlauf einer Batch-Fermentation von B. caldolyticus der 4. Std. der Fermentation stieg die optische Dichte bis zu unter atmosphärischem Druck und Submersbegasung. einem max. Wert von 10,4 nach 7,3 Std. (logarithmische Wachstumsphase). Darauf folgte eine Stagnation des Noch drastischer waren die Verläufe der Gelöstsauerstoff- Wachstums. konzentration während der Oberflächenbegasung bzw. wäh- rend der Druckbegasung. In ersterer sank die cO2 innerhalb Die cO2 nahm in der Wachstumsphase der Mikroorganismen der ersten 2 Std. auf ein Nullniveau und blieb bis zum Fer- rapide ab, erreichte ein Minimum von 0 % und stieg darauf mentationsende unverändert. Das Wachstum war dadurch folgend steil an, was auf ein Ende des Fermentationsprozes- stark reduziert und verzögert. Dies ist auf einen herabge- ses hindeutet. setzten kLa-Wert bzw. OTR-Wert (Gln.1; Tab.1) zurückzuführen.

Tab. 1: Gegenüberstellung unterschiedlicher Batch-Fermentationen.

81 Einfluss von erhöhtem Sauerstoffeintrag bei der Gewinnung thermostabiler ␣-Amylase und Protease mittels Bacillus caldolyticus

Weiter führte dies zu Einbrüchen der Enzymausbeuten (Tab.1). ture-dependent substrate specificity of two extremely Während der Fermentation bei Druckbegasung (1000 mbar) thermophilic bacteria; Arch. Mikrobiol. 76; 2–17. lag zum größten Teil eine Sauerstoffsättigung vor, die durch [Maa02] Van der Maarel, M.J.E.C.; Van der Veen, B.; Uitde eine erhöhte Sauerstofflöslichkeit cO2* (Gln.2; Tab.1) bedingt haag, J.C.M.; Leemhuis,H.; Dijkhuizen, L. (2002): Proper- wurde. Das Wachstum war dadurch stark erhöht, wodurch ties and applications of starch-converting enzymes of das Fermentationsende nach 4,1 bzw. 4,3 Std. eintrat. Das the Amylase family; J. Biotech. 94, 137–155. reiche Angebot an Sauerstoff führte dabei zu einem deutli- [Man61] Manning, G.B.; Campbell, L.L. ( 1961): Thermosta chen Anstieg beider Enzymausbeuten (Tab.1). bile ␣-amylase of Bacillus stearothermophilus I. Crystali- sation and some general properties; J. Biol. Chem. 236; Der Tab.1 ist zu entnehmen, dass die maximale ␣-Amylase- 2952–2957. Aktivität unter erhöhtem Druck mit jeweils 17,6 bzw. 14,5 [Rao98] Rao, M.B.; Tanksale, A.M.; Ghatge, M.S.; U/mL deutlich über den erhaltenen Aktivitäten unter atmo- Deshpande, V.V. (1998): Molecular and Biotechnological sphärischem Druck mit 7,0 bzw. 7,6 U/mL lagen. Die jeweili- Aspects of Microbial Proteases; Microbiol. Mol. Biol. Rev. gen Kultivierungszeiten lagen bei Überdruck mit 4,3 und 4,1 62; 597–635. Std. weit unter den 8,0 und 7,3 Std., die bei atmosphärischem [Str86] Strydom, E.; Mackie, R.I.; Woods, D.R. (1986): De Druck benötigt wurden. Für den Kultivierungsprozess erga- tection and characterization of extracellular proteases in ben sich daher unter Überdruck Raum-Zeit-Ausbeuten (RZA) Butyrivibrio fibrisolvens H17c; Appl. Microbiol. Biotech- von 4109 und 3532 Units pro Gesamtzeit und Liter (UTotal/ nol. 24; 214–217. tTotal/L). Dagegen lagen die Werte unter atm. Druck mit 882 und 1042 ca. um den Faktor 4 niedriger. Kontakt Für die gebildete Protease konnte mit 29,9 gegenüber Prof. Dr.-Ing. Milan Popovic 17,2 U/mL eine um den Faktor 1,7 höhere Aktivität bei Über- Technische Fachhochschule Berlin druck ermittelt werden. Die RZA lag dabei mit 3641 gegen- FB V - Forum Seestrasse, Raum FS 264 über 2359 UTotal/tTotal/L ca. 1,5-fach höher. Letztendlich Seestrasse 64 wirkte sich der gesteigerte Sauerstoffeintrag positiv auf die 13347 Berlin Reduzierung des unerwünschten Nebenprodukts – Acetat – Tel.: (030) 4504-3924 aus (Tab.1). Bekanntlich reduziert ein Überschuss an intrazel- E-Mail: [email protected] lulär gebildetem Acetat Wachstum und Produktbildung.

4. Zusammenfassung Kooperationspartner In den untersuchten Batch-Fermentationen von B. caldolyti- Proteome Factory AG cus führte eine Steigerung des Sauerstoffeintrags zu einer Dorotheenstraße 94 Reduzierung der Fermentationsdauer und einer Erhöhung 10117 Berlin der Enzymausbeuten von ␣-Amylase und Protease. Dadurch Tel.: (030) 84592534 konnte die Raum-Zeit-Ausbeute für die Gewinnung von ␣- E-Mail: [email protected] Amylase um das 4-fache und von Protease um das 1,5-fache gesteigert werden. Für die Fermentationsüberwachung er- wies sich die Verwendung einer Redoxpotential-Sonde als sehr geeignet.

Literatur [Bad06] Bader, J.; Neumann, B.; Schwab, K.; Popovic, M.K.; Scheler, C.; Bajpai, R. (2006): ␣-Amylase Production in Fed Batch Cultivation of Bacillus caldolyticus: An Inter- pretation of Fermentation Course Using 2-D Gel Electro- phoresis; Chem. Biochem. Eng. Q. 20; 413–420. [Hak03] Haki, G.D.; Rakshit, S.K. (2003): Developments in in dustrially important thermostable enzymes: a review; Bioresource Technology 89; 17–34 . [Hei71] Heinen, W. (1971): Growth conditions and tempera

82 Fachbereich VI Informatik und Medien

Einsatz von embedded Objektdatenbanken im mobile Computing für Web 2.0-konforme Anwendungen B.Sc. Daniel Oltmanns, Prof. Dr.-Ing. Stefan Edlich Kooperationspartner: Biting Bit GmbH

Für die Entwicklung einer Handy-Anwendung ist die Umsetzung mit Java Micro Edition die beste Möglichkeit. Verschiedene Handy-Hersteller setzen Java Specification Requests nicht immer richtig um. Dadurch und weil Handys extrem unter- schiedliche Hardware-Ressourcen mitbringen, verhält sich ein und dasselbe Programm auf verschiedenen Handys unter- schiedlich. Das Ziel des hier vorgestellten Forschungsvorhabens ist es, Anwendungen zu entwickeln, die alle vorhandenen Geräte-In- formationen über mobile Endgeräte bereits während der Entwicklung anzeigen.

For the development of an application for mobile phones the implementation of Java Micro Edition is currently the best choice. Unfortunately, many mobile phone manufacturers do not always implement the Java Specification Requests cor- rectly. Today’s mobile phones differ extremely in terms of hardware resources and thus, one and the same application be- haves differently on different mobile phones. The paper presents a network of tools that indicates mobile device infor- mation data during the development process.

1. Einleitung mit dem Ziel, eine Lösung für das Problem der unterschiedli- Um eine Anwendung auf Handys umzusetzen und dabei chen Ergebnisse auf unterschiedlichen Handys zu finden. möglichst eine breite Masse abzudecken, ist die Umsetzung Das Netzwerk umfasst dabei ein Internetportal, eine Handy- auf Basis von Java Micro Edition (J2ME) die Möglichkeit, mit Applikation sowie ein Plugin für Entwicklungsumgebungen der die meisten Handys erfasst werden können. [Q1] Leider (IDE). Dabei kommt auch ein im Rahmen des Forschungspro- setzen verschiedene Handy-Hersteller die dazu gemachten jekts entwickeltes Framework zum Einsatz. Java Specification Requests (JSR 030, JSR 037 und JSR 082) nicht immer richtig um. Dadurch – und weil Handys extrem Als grundlegende Technologien werden Java Frameworks, unterschiedliche Hardware-Ressourcen mitbringen – verhält unterstützt durch das Framework Spring, und die Objektda- sich ein und dasselbe Programm auf verschiedenen Handys tenbank (ODB) db4o herangezogen. Für alle Web 2.0-Kom- unterschiedlich. Diese Hürden zu überwinden ist eine der ponenten im Speziellen kommen ferner diverse JavaScript größten Herausforderungen der heutigen Programmierung Frameworks zum Einsatz. multimedialer mobiler Anwendungen [mak07]. Um sicher zu stellen, dass sich die programmierte Anwen- 3. Das Internetportal dung auf möglichst vielen Handys gleich verhält, muss das Das Projekt „Bugfinder“ stellt allen Entwicklern mobiler An- Programm zur Zeit noch für jedes einzelne Handy optimiert wendungen ein Web 2.0-Portal bereit, das ähnlich wie ein werden. Dazu muss das Programm auf das Handy geladen Wiki mit Informationen bezüglich auftretender Fehler gefüllt und ausprobiert werden. Das macht den Debugging-Prozess werden kann. Die Benutzer geben dabei vor allem Auskunft nicht nur kostspielig, sondern auch sehr zeitaufwendig [Bre06]. Das Forschungsvorhaben entwickelte Anwendungen, die Fehler und Hardware-Voraussetzungen von Handys erfas- sen. Die Fehler können ins Internet übertragen und dort ka- tegorisiert werden. Zur Unterstützung einer effizienten Handy-Programmierung wird ein Plug-In entwickelt, das alle vorhandenen Informationen über mobile Endgeräte bereits während der Entwicklung anzeigt.

2. Das Forschungsprojekt Im Rahmen der Arbeit dieses Forschungsvorhabens wurde unter anderem ein Netzwerk von Anwendungen errichtet, Abb. 1: Startseite des Bugfinders

83 Einsatz von embedded Objektdatenbanken im mobile Computing für Web 2.0-konforme Anwendungen

über Fehlerart, das Gerät auf dem der Fehler aufgetreten ist tals. Dabei werden auch Hinweise zu den Geräten gegeben, und – sofern bekannt – die Fehlerursache und -behebung. auf denen der Code ein unerwünschtes Verhalten verursa- Das Portal hat als primäre Zielgruppe Entwickler von J2ME- chen kann und es wird gegebenenfalls auf Lösungen bezie- Anwendungen, ist aber so programmiert, dass später auch hungsweise Lösungsansätze hingewiesen. Fehler beliebiger Laufzeitumgebungen für beliebige Pro- grammier- bzw. Skriptsprachen in gleicher Weise erfasst Der Debugging-Prozess kann so nicht ersetzt werden, er werden können. wird jedoch erheblich optimiert.

Bei den zu erfassenden Daten werden jeweils registrierte 5. Das Web 2.0-Framework Daten von nicht registrierten Daten unterschieden. Jede Das Internetportal setzt auf ein Framework mit dem Namen User-Eingabe ist zunächst unregistriert und kann durch eine Ajajajava (www.ajajajava.org), das ebenfalls Teil dieser For- erfolgreiche Validierung seitens eines Administrators zu schungsarbeit ist. Ajajajava ermöglicht die Umsetzung einer einem registrierten Eintrag werden. Zusätzlich kann jeder Webanwendung auf AJAX-Basis. Dazu werden die JavaScript- Fehler und jede Lösung in seiner Wichtigkeit eingestuft, ge- Frameworks prototype und RSH mit der Spring-Basis-API tagged und (von anderen Usern) bewertet werden. Dadurch und der JSON-API so kombiniert, dass der Anwender von lässt sich eine bessere Sensibilisierung bei der Anzeige außen lediglich Basiskonfigurationen in einer XML-Datei au- eines Fehlers während der Programmierung erreichen. ßerhalb dieser Frameworks vornehmen muss.

Eine Übersicht des gesamten Datenmodells zeigt das nach- Viele Elemente einer Internet-Applikation dienen der Koordi- folgende Klassendiagramm: nation von URLs zur Darstellung, verteilt auf mehrere Inter- netseiten. Diese Koordination wird dann hinfällig, wenn

Abb. 3: Startseite des Ajajajava-Internetauftritts

Abb. 2: Das Datenmodell des Bugfinders

4. Das Plugin Alle von der Community eingegebenen Daten werden in einer Objektdatenbank (db4o) gesammelt, aus der dann nicht nur die Informationen über das Portal selbst abrufbar sind. Dieselbe db4o-Datenbank bildet auch die Grundlage für ein vom Portal zur Verfügung gestelltes Plugin für die Eclipse-IDE (andere IDEs mögen folgen).

Das Plugin markiert den Code mit Warnungen und Fehlern entsprechend den Angaben der Community des Web-Por- Abb. 4: Ajajajava beim Start der Applikation

84 Fachbereich VI Informatik und Medien

statische Inhalte nur einmal in den Browser geladen und alle sistenz geben, da das System den Einsatz von Objektdaten- anderen Inhalte dynamisch via Ajax auf ein und derselben banken direkt auf dem Mobiltelefon ermöglicht [Rose07]. Seite ausgetauscht werden. Ajajajava unterstützt diese Koordination mit einer Metho- den-Annotation @RequestMe. So können für jede Anfrage Veröffentlichungen mehrere Methoden gekennzeichnet werden, die beispiels- Artikel: Datenbank Spektrum, 7. Jahrgang, Heft 22, August weise Datenmodelle passend zur Anfrage setzen. Die Zu- 2007, Seite 20 ff., „db4o im Spiegel von JPA/EJB und Hi- sammenstellung der dynamischen Inhalte geschieht dabei bernate“, ISSN 1618-2162, dpunkt.verlag, Heidelberg. ausschließlich anhand von Injektionen. Buch: „Spring 2 für Grünschnäbel“, Dezember 2007, ISBN 978-3833-4994-32, Books on Demand GmbH, Norder- stedt. Internetseite/Framwork: Ajajajava, www.ajajajava.org und Ajajajava-Wiki: www.knurt.de/wikis/ajajajava Programmiertool: ant2db4o , siehe http://agileodb.com/resources.html Artikel: .NET-Magazin, Heft 3, März 2007, „Die Neuerungen der Objektdatenbank db4o 6.0“

Vorträge Object Database Conference 2008, 13. und 14. März 2008, Berlin, Deutschland. Electronic Imaging 2008, 27. bis 31. Januar 2008, San Jose, Kalifornien, USA.

Literatur Abb. 5: Übersicht des Anwendung-Netzwerkes [anw07] vgl. anw in: „Vorabversion des Software Develop ment Kit für Googles Android verfügbar“, heise open, 13. 6. Zusammenfassung November 2007, gefunden am 8. November 2007, Im Kern besteht die Forschungsarbeit aus dem Bugfinder, www.heise.de/open/news/meldung/98865/from/rss09. der sich in zwei Bereiche aufteilt: Der Bereich, der direkt auf [Bre06] vgl. Breymann, Ulrich und Modemann, Heiko in: Mobiltelefonen ausgeführt wird und das Internet-Portal. „JAVA ME Anwendungentwicklung für Handys, PDA und Grundlage beider Elemente ist das Framework Ajajajava. Co.“, HANSER, München, Wien, 2006, 1. Ausgabe, Seite 343. Aussichten [Jao06] vgl. Jaokar, Ajit and Fish, Tony in: „Mobile Web Am 13. November hat das Softwareunternehmen Google 2.0“, futuretext, London, 2006, 1. Ausgabe, Seite 99 ff. Entwicklern von Handy-Applikationen eine Beta-Version der [mak07] vgl. mak in: „Das große Ganze als Programm“, freien Software-Plattform „Android“ zur Verfügung gestellt Spiegel ONLINE, 6. November 2007, gefunden am [anw07]. Android hat zum Ziel, die bisherigen Hürden, die 8. November 2007, durch unterschiedliche Umsetzungen der Java-Spezifikatio- www.spiegel.de/netzwelt/mobil/0,1518,515684,00.. nen entstehen, durch ein einheitliches Betriebssystem auf [Ros07] vgl. Carl Rosenberg in: „Why Android will start the allen Handys zu beseitigen. Inwiefern sich das System auch mobile Tornado“, db4o Developer Community, 19. No- bei Handyherstellern und -verbrauchern durchsetzen wird, vember 2007, gefunden am 19. November 2007. bleibt abzuwarten. http://developer.db4o.com/blogs/carl/archive/2007/11 Für die Zukunft des Forschungsprojekts heißt das – sofern /19/why-android-will-start-the-mobile-tornado.aspx. sich „Android“ durchsetzt – es müssten lediglich solche Pro- [Sch04] vgl. Schmatz, Klaus-Dieter in: „Java 2 Micro Edi bleme in der Entwicklung erfasst werden, die hardwarespe- tion“, dpunkt.verlag, Heidelberg, 2004, 1. Ausgabe, zifisch sind. Aber auch für die konkrete Umsetzung eines Seite 1. Plugins, das diese Hürden direkt auf dem Handy erfasst und versendet, stellt „Android“ eine geeignete Plattform dar. Internetseiten, Grafiken und Abbildungen von Daniel Olt- Hier wird es neue Möglichkeiten auch in bezug auf die Per- manns

85 Einsatz von embedded Objektdatenbanken im mobile Computing für Web 2.0 konforme Anwendungen

Kontakt Prof. Dr.-Ing. Stefan Edlich Technische Fachhochschule Berlin FB VI - Haus Bauwesen, Raum E 44 Luxemburger Straße 10 13353 Berlin E-Mail: [email protected]

Kooperationspartner Biting Bit GmbH Hönower Str. 35 10318 Berlin

86 Fachbereich VI Informatik und Medien

Entwicklung einer „Bionischen Hand“ Dipl.-Ing. (FH) Turgay Sezgin, Prof. Dr.-Ing. Alfred Rozˇek Kooperationspartner: Nanotron Technologies GmbH - Berlin

Im Rahmen dieses ESF-geförderten Forschungsprojektes der Forschungsassistenz IV soll eine künstliche Hand entwickelt werden. Ziel des Projektes ist eine Handprothese, die mit einem Minimum an Technik und Kosten die Funktionalität einer fehlenden Hand weitgehend übernehmen kann.

Within the framework of a research project funded by the European Union it is the aim to develop a bionic hand. It is in- tended to realize a prosthetic hand that will take over the functions of a human hand with minimal technique and costs in- volved

1. Einleitung vorgang involviert, spricht man vom Pinzettengriff (Abbildung In den letzten Jahren konnte die Forschung auf dem Gebiet 2.1). Damit ein Handgriff vollzogen werden kann, ist es erfor- der künstlichen Hände rasante Fortschritte verzeichnen. Viele derlich, dass die Finger einer Hand mit Gelenken versehen Prothesen-Hersteller und Wissenschaftler arbeiten an neuar- sind. tigen künstlichen Händen, die durch komplexe Greifmuster immer mehr Freiheiten bieten und zugleich durch die Ver- Die Natur sieht zu diesem Zweck ein „Scharnier“ vor, wel- wendung von neuartigen Silikonen und Kunsthaaren zuneh- ches aus einer Walze an dem einen Segment-Ende und mend leichter werden und dabei täuschend echt aussehen. ihrem Gegenstück am anderen Segment besteht. Das Ge- lenk erhält durch Seitenbänder seine Stabilität. Aufgrund In Abbildung 1 sind weitere Disziplinen dieses Projektes auf- dieser Kombination kann die Hand präzise Bewegungen geführt, die bei der Umsetzung der künstlichen Hand nach ausführen. Die Realisierungen von Kunsthänden orientieren dem biologischen Vorbild untersucht und bearbeitet worden sich immer an dem natürlichen Vorbild, denn dessen „Nach- sind. bau“ ist das angestrebte und erklärte Ziel.

2. Realisierung von Handmodellen im Rahmen des Forschungsprojekts FA IV 2.1 Kunsthand 1 – Erster Ansatz aus Aluminiumprofil Das primäre Ziel bei der Konstruktion einer Kunsthand ist die zuverlässige Funktionalität. Abb. 1: Mind-Map-Darstellung der Aufgaben Darüber hinaus soll das System unkompliziert, leicht und Allgemein gilt, dass der Komplexitätsgrad proportional zum bezahlbar sein. Diese Eigenschaften sind die elementaren geforderten Funktionsumfang einer Kunsthand steigt. Des- Voraussetzungen dafür, dass das Modell von Patienten als halb wird stets versucht, die Waage zwischen einem hohen Handprothese angenommen wird. Für die ersten kinemati- Funktionsumfang und einer geringen Komplexität zu halten. schen Untersuchungen wurde ein Funktionsmodell aus Pa- Eine Kunsthand stellt somit immer das Ergebnis eines Kom- pier aufgebaut. Die Servo-Hand (Kunsthand 1), welche unser promisses zwischen dem technisch Machbaren und dem erstes Funktionsmodell aus Metall darstellt, wurde vollstän- praktisch Sinnvollen dar. Die Realisierung des Daumens ist dig aus leichtem Aluminiumprofil aufgebaut. Dieses Modell die größte Herausforderung. Im Gegensatz zu den vier Fin- dient als Grundlage für die Tests von möglichen Ansätzen für gern, ist ein Daumen in der Lage, einen großen Schwenk-Be- die Aktuatorik und Sensorik. reich zu überstreichen. Ohne den Daumen ist es kaum möglich, Gegenstände sicher zu greifen. Ein Griff, bei dem der Daumen in Reihe mit den Fingern gestellt ist, ermöglicht den Hakengriff. Wird jedoch der Daumen in Opposition zu den Fingern gebracht, kann der Zylindergriff ausgeführt wer- den. Dabei sind in der Regel alle Finger beteiligt. Sind aber lediglich nur der Zeigefinger und der Daumen in den Greif- Abb. 2: Konstruktionszeichnung Ringfinger (3 Fingersegmente)

87 Entwicklung einer „Bionischen Hand“

Abb. 2.1: Pinzettengriff Abb. 2.2: Greifen eines Balles Abb. 2.3: Kugelgelenk

2.1.1 Details zur Realisierung der Mechanik Muskeln durch Servomotoren und die Sehnen durch ein ein- Alle Fingersegmente wurden einzeln aus handelsüblichen faches Textilband (Abbildung 2.4) ersetzt. Die Stahlfedern, die Aluminium U-Profil-Leisten (zwei ineinanderpassende Brei- in jedem Fingergelenk in der Knickachse angebracht sind, ten) entsprechend Abbildung 2 gefertigt. sorgen für die nötige Rückstellkraft der Fingersegmente. Die ausgeklügelte mechanische Anordnung der Fingersegmente Der Daumen der menschlichen Hand stellt eine Besonder- zueinander ermöglicht eine realitätsnahe und kontinuier- heit dar. Er verfügt über ein Sattelgelenk in der Handwurzel liche Fingerbewegung. (CMC = carpo-metacarpal). Dieses Gelenk wurde hier als ein Kugelgelenk realisiert (Abbildung 2.3). Wie im Bild zu sehen, sorgt der Motor 1 für den horizontalen Schwenk des Dau- mens, der Motor 3 für den vertikalen Schwenk. Das Knicken der Segmente des Daumens wird vom Motor 2 erledigt. Erst dieses Gelenk ermöglicht die vielfältigen Griffmöglichkeiten, wie z.B. den Pinzettengriff (Abbildung 2.1) oder das Greifen eines Balls (Abbildung 2.2).

Die Finger der menschlichen Hand werden über Sehnen von einem extrinsischen (von außen kommend) Muskelapparat im Unterarm bewegt. In diesem Versuchsmodell wurden die Abb. 2.5: Anbindung der Kunsthand an einen PC

2.1.2 Details zur Realisierung der Elektronik Mit Ausnahme des Zeigefingers und des Daumens, wird jeder Finger von nur einem Motor angetrieben. Um die Ab- duktion (Spreizen) des Fingers zu realisieren, wurde der Zei- gefinger mit einem zusätzlichen Motor ausgestattet. Der Daumen verfügt über eine besondere Funktionalität, welche durch 3 Motoren realisiert wird (Abbildung 2.3). Wegen der Einfachheit, der Baugröße, der schnellen Verfügbarkeit und der geringen Kosten haben wir anstelle von Gleichstrommo- toren Servomotoren aus dem Modellbau eingesetzt. Diese bieten zusätzlich den Vorteil, dass die Positionierung eines Fingers keine aufwendige Sensorerfassung verlangt. Die An- steuerung erfolgt durch die direkte Vorgabe der gewünsch- ten Position (Winkelvorgabe), welche vom Servomotor selbständig angefahren wird. Die von uns entwickelte Bioni- sche-Servo-Hand verfügt insgesamt über 8 Servomotoren, Abb. 2.4: Textilbänder als „Sehnen“ hat also einen Freiheitsgrad von 8 DOFs (Degrees of Free-

88 Fachbereich VI Informatik und Medien

dom). Diese werden mittels eines 21-kanaligen Servotreiber- angetrieben wird). Zu dem ist bei diesem Modell auf Grund moduls, welches direkt im Handrücken platziert ist, ange- der robusteren Konstruktion mit viel weniger Materialermü- steuert. Die Ankopplung an den PC (mit LabVIEW Applika- dung zu rechnen. Das runde Material der Finger ähnelt stär- tion der Firma National Instruments) erfolgt über einen USB ker dem natürlichen Vorbild. zu I2C Konverter entsprechend Abbildung 2.5. Mittels dieser einfachen Konstellation ist das direkte Ansprechen der ein- 2.2.1 Details zur Realisierung des Kunsthand 2 – Mechanik zelnen Finger, sowohl über eine GUI (Graphical User Inter- Die Fingerelemente sind aus Aluminiumvollmaterial (14 mm face), als auch über einen Datenhandschuh via PC möglich. Rundstab) ausgefräst, welche in Hülsen aus Aluminiumrohr Ferner ist es mithilfe eines kurzen Programms, welches direkt (16 mm Rundprofil) hineingesetzt werden. Die Hülsen sind in im EPROM des Servotreibermoduls (PICAXE-18X Mikrokon- Längsrichtung beweglich, wodurch die einzelnen Fingerge- troller) abgelegt wird, möglich, die Finger autonom (d.h. lenke für einen Knick blockiert oder freigegeben werden ohne PC Anbindung) mit Bewegungsmustern zu versorgen. können. Der Daumen entspricht vom Funktionsprinzip her fast vollständig dem Vorgängermodell. Die Aktoren sind im 2.2 Zweiter Konstruktionsansatz der Kunsthand – Unterschied zum Vorgängermodell nicht mehr auf dem Kunsthand 2 Handrücken platziert. Mit Ausnahme der drei Motoren für Dieses Modell bietet entscheidende Vorteile gegenüber dem den Daumen sind alle anderen Motoren im Unterarm unter- Vorgängermodell. Dadurch, dass bei dieser Hand Vollmate- gebracht. Wegen der bereits angesprochenen Vorteile han- rial benutzt wurde, ist sie rein mechanisch in der Lage, viel delt es sich um kräftige Servomotoren. kräftiger als bisher zu greifen. Wie kräftig gegriffen wird, ist allein von den Motoren und der Steuerung abhängig. Ein 2.2.2 Details zur Realisierung der Kunsthand 2 – Elektronik weiterer Vorteil dieser Konstruktion ist, dass die Fingerseg- Auch dieses Modell wird mit der grafischen Programmier- mente wegen der beweglichen Hülsen (Abbildung 2.6) einzeln sprache LabVIEW der Firma National Instruments (Abbildung arretiert oder geknickt werden können (unter der Vorausset- 2.7) programmiert. Wir haben uns für diese Firma entschie- zung, dass jedes Fingersegment von einem eigenen Motor den, weil die Software sich sehr übersichtlich programmieren lässt und sehr viele schon fertige Funktionen und Beispiele für die Steuerung von Motoren anbietet. Ausschlaggebend war auch der Umstand, dass die Firma zudem die passende Hardware für die Echtzeitsteuerung der Motoren anbietet. Bei der von uns eingesetzten Hardware handelt es sich um ein NI CompactRIO Echtzeit System (reconfigurable embed- ded System) (Abbildung 2.8). Der Controller bietet mit Hilfe des „FPGA Programmier Moduls“ den äußerst effizienten Zugang zu der hochmodernen FPGA (Field Programmable Gate Array)-Programmierung. Der elektrische Anschluss der Motoren erfolgt über Servo-Motor-Treibermodule (NI-9505).

Abb. 2.6: Konstruktionszeichnung - Kunsthand 2 3. Zusammenfassung und Ausblick Durch die vorliegenden realen Handmodelle wurde eine aus- gezeichnete Plattform geschaffen, die weitere wichtige Un- tersuchungen hinsichtlich der Sensorik (Tastsinn), Aktuatorik (Motoren mit Spindelantrieb und Piezomotoren) sowie der Signalverarbeitung (z.B. auch neuronale Netze) ermöglicht. Im Projektzeitraum war es leider nicht möglich, sich noch in-

Abb. 2.7: LabView Programmieroberfläche Abb. 2.8: CompactRIO Echtzeitsystem

89 Entwicklung einer „Bionischen Hand“

tensiver mit den Gebieten der Sensorik und Signalübertra- 4. Weiterführende Literatur gung, zur Steuerung der Hand zu beschäftigen. Gerade an [StH04] Stefan Hesse (2004): Robotergreifer, Funktion, der Schnittstelle Mensch – Maschine, wird die Forschung in Gestaltung und Anwendung industrieller Greiftechnik, den letzten Jahren verstärkt gefördert (Innovationsmotoren Hanser Fachbuchverlag München sind das Militär sowie die weltweite Spiele-Industrie). Es ist [WoG07] Wolfgang Georgi, Ergun Metin (2007): Einführung heute bereits möglich, mit Hilfe der EEG-Technologie, die in LabVIEW, Hanser Fachbuchverlag München, Fach- Gehirnströme mittels eines Stirnbandes direkt am Kopf ab- buchverlag Leipzig zunehmen und damit die Bewegungen eines einfachen Fahr- [BoH07] Bodo Heimann, Wilfried Gerth, Karl Popp (2007): zeuges (z.B. Rollstuhl) oder einer Figur auf dem Computer- Mechatronik–Komponenten–Methoden–Beispiele, bildschirm zu steuern. Diese Art der Abnahme der Steuersig- Hanser Fachbuchverlag München, Fachbuchverlag nale wäre auch ohne weiteres bei unseren Modellhänden Leipzig denkbar. Eine weitere Idee zur Versorgung der Modellhand mit Steuersignalen liefert die Nano-Funktechnologie. Unser Kooperationspartner, die Firma Nanotron Technologies GmbH, Kontakt ist führend auf diesem Gebiet. Ein Miniempfänger in der Mo- Prof. Dr.-Ing. Alfred Roˇzek dellhand würde seine Steuersignale von einem direkt im Technische Fachhochschule Berlin Armstumpf (unter der Haut direkt an den Nervenenden) im- FB VI - Haus Gauß, Raum B 343 plantierten Nanosender bekommen. Das hätte auch den Luxemburger Straße 10 Vorteil, dass der Patient keine offene Wunde mehr am Arm- 13353 Berlin stumpf hätte. Das Prinzip der Signalentnahme direkt an den Tel.: (030) 4504-2364/-2361 Nervenenden bietet den Vorteil, dass der Elektronik dadurch E-Mail: [email protected] mehr Signalkanäle (→ mehr Freiheitsgrade) zur Steuerung www.tfh-berlin.de/~rozek der Motoren der Prothese zur Verfügung stehen, als bei der einfachen myoelektrischen Signalabnahme an der Haut- Dipl.-Ing. (FH) Turgay Sezgin oberfläche. Dass dennoch eher die myoelektrische Methode Technische Fachhochschule Berlin verbreitet ist, hat den einfachen Grund, dass sich viele Pa- FB VI - Haus Gauß, Raum B352 tienten lieber mit weniger Freiheitsgraden der Kunsthand zu- Luxemburger Straße 10 frieden geben, als eine ständig offene Wunde (diese Metho- 13353 Berlin de ist gegenwärtig leider nur so möglich) am Unterarm zu Tel. (030)4504-2363 haben. Ein weiterer wichtiger Grund besteht darin, dass die E-Mail: [email protected] Medizin es bis dato nicht geschafft hat, die Nervenenden langfristig vor dem Absterben zu bewahren, wenn diese einen direkten Berührungskontakt mit einer Elektrode Kooperationspartner haben. Hier lässt der Durchbruch wohl noch auf sich warten. Nanotron Technologies GmbH Als ein besonders ernstzunehmendes Problem unserer Ar- Alt-Moabit 60 beit stellte sich die Materialermüdung dar. Um eine mög- 10555 Berlin lichst lange Wiederholbarkeit der Bewegungen der Finger E-Mail: [email protected] gewährleisten kann, ist es sehr wichtig, qualitativ hochwer- www.nanotron.com tige Materialien zu verwenden. Hierzu sind weitere Untersu- chungen von Materialien mit naturähnlichem Verhalten, wie sie derzeit im klinischen Bereich als Gelenksersatz einge- setzt werden, durchzuführen. Da die biologisch nachgebil- dete Hand allein aus Gewichtsgründen kein starres System (wie beispielsweise ein Roboterarm) sein kann, muss hin- sichtlich der sich ergebenden Elastizität regelungstechnisch entgegengewirkt werden. Nur mit einer hoch entwickelten Steuerung lassen sich einerseits hohe Traglasten und ande- rerseits hohe Positioniergenauigkeiten erreichen.

90 Fachbereich VII Elektrotechnik und Feinwerktechnik

Echtzeit-Multicast-Übertragung MPEG-4 AAC-kodierter Audiodaten Dipl.-Ing. (FH) Paul Henrik Fronius, Prof. Dr.-Ing. Marcus Purat Kooperationspartner: DSPecialists Audio- und Messsysteme GmbH, Berlin

Im Rahmen des Projekts wurde in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner (DSPecialists GmbH, Berlin) ein System entwi- ckelt, das die Übertragung von mehreren Stereo-Audio-Datenströmen über ein lokales Netzwerk realisiert. Das System be- steht aus einer PC- oder DSP-basierten Sendeeinheit, einer Anzahl von DSP-basierten Empfangseinheiten – eine für jedes Lautsprecherpaar – und einer handelsüblichen Ethernet-Verdrahtung. Die Audiodaten werden in Echtzeit als MPEG-4 AAC komprimierter Datenstrom via Multicast im IP-Netz übertragen.

In collaboration with our project partner (DSPecialists GmbH, Berlin) a transmission system has been developed which distributes multiple stereo audio data streams via a local area network (Ethernet). The system consists of a PC or DSP based audio server which can be accessed in real time by numerous DSP based receiver units using IP multicast technol- ogy. To increase the number of possible programs the audio-data are efficiently coded using the MPEG-4 AAC data format.

1. Einleitung Effizienz verbessert und mit neuen Verfahren (so genannten Die Qualität eines Audiosignals, äquivalent zu CD-Qualität, „tools“) ergänzt: So werden zum Beispiel tonale und rausch- ist durch eine Abtastfrequenz von 44,1 kHz und 16 Bit Quan- artige Elemente im Eingangssignal effektiver erkannt und tisierungsbreite, Zwei-Kanal Stereo und einen Bandbreitebe- kodiert und das Pre-Echo-Problem wurde zudem verbessert. darf von ca. 1,4 Million Bits pro Sekunde gekennzeichnet. Formale Hörtests der MPEG-Gruppe haben ergeben, dass Um also ein Audiosignal in CD-Qualität zu übertragen, benö- AAC bei 96 kBit/s eine höhere Audioqualität bietet, als MP3 tigt man mindestens 1.4 MBit/s an Bandbreite. Um ein Lied bei 128 kBit/s und MP2 bei 192 kBit/s. MPEG-4 AAC ent- mit vier Minuten Länge zu speichern, werden mehr als 40 spricht momentan dem aktuellsten Audio Codierungsstan- MByte Festplattenspeicher benötigt. Deshalb ist das Thema dard und enthält neben den in MPEG-2 AAC bereits verwen- Audiokomprimierung in Bezug auf die Übertragung von Au- deten Komprimierungstools weitere zur Verringerung der Bi- diosignalen über bandbegrenzte Netzwerke (z.B. Internet) trate bei gleichzeitig erhöhter Qualität [2]. oder die Speicherung auf Datenträgern mit geringem Volu- men von großer Bedeutung. Für die Sende- und Empfangseinheiten wurden in diesem Projekt Entwicklungsplatinen der Firma Analog Devices ein- In letzter Zeit wurden neue digitale Audiocodierungstechno- gesetzt, in denen bereits ein Analog/Digital-Umsetzer zum logien entwickelt, die das ursprüngliche Audiosignal stark Digitalisieren der empfangenen Audiodaten, ein digitaler komprimieren können und im Bereich Netzwerk, Internet, Signalprozessor (DSP) zum Kodieren und Dekodieren der Multimedia und PC-Systeme Anwendung finden. MPEG-2 Audiodaten, eine Ethernet-Schnittstelle und ein Digital/ Advanced Audio Coding (AAC) gilt als Weiterentwicklung von Analog-Umsetzer zur analogen Ausgabe der Daten an die MPEG-1 Layer 1-3 (MP1-3). Bei der Entwicklung des Codecs Lautsprecher enthalten sind. wurden Schwächen des MP3-Verfahrens beseitigt, dessen

Abb. 1: Experimentieraufbau mit Entwicklungsplatinen BF537 EZ-KIT LITE (l.) und BF537 STAMP (r.)

91 Echtzeit-Multicast-Übertragung MPEG-4 AAC-kodierter Audiodaten

Abb. 2: Blockschaltbild des Multicast-Audio-Systems Abb. 3 : Embedded System Software-Komponenten

Für eine effiziente Nutzung des Systems werden die Audio- satz eines Kernels unabdingbar [1], [3]. In diesem Projekt daten an mehrere Empfänger gleichzeitig mittels IP-Multi- wurden beide Betriebssysteme eingesetzt. Nur der uClinux- cast-Technologie gesendet. Um die verfügbare Bandbreite Kernel erlaubte jedoch eine Multicast-Übertragung. des Netzwerks möglichst gut auszuschöpfen, werden die Audiodaten im MPEG-4 AAC-Format komprimiert übertra- 2.2 AAC Audio Codec gen. Mit Hilfe einer Abtastratenumsetzung (engl. Sample Auf Grund der Komplexität und des Umfangs des MPEG-4 Rate Conversion) kann die Empfangseinheit AAC-Daten mit AAC Codecs wurde kein eigener kompletter Quellcode für unterschiedlicher Abtastfrequenz fehlerfrei und ohne Unter- die Kodierung und Dekodierung entwickelt. Die Internetseite brechungen abspielen. Abbildung 2 zeigt ein Blockschaltbild www.audiocoding.com bietet einen sehr ausgereiften Quell- des Systems. code (faac 1.25 und faad 2.5) als Open Source, d.h. zur freien aber nicht wirtschaftlichen Verwendung. Der Codec 2. Elemente des Multicast-Audiocast-Systems konnte erfolgreich als DSP-Applikationssoftware in das ge- 2.1 Kernel samte Programm eingebettet werden, jedoch war die Re- Die Software, die in typischen „embedded“ Mikroprozessor- chenkapazität danach vollkommen ausgeschöpft, so dass Systemen verwendet wird, besteht grundsätzlich aus 2 ge- eine echtzeitfähige Umgestaltung des Programms zunächst nerellen Komponenten: der Applikationssoftware und der unmöglich war. Die Code-Optimierung des AAC Codecs von C Systemsoftware. In diesem Projekt bestand die Applikati- in die maschinennahe Sprache Assembler und daraus resul- onssoftware aus den Encoder- bzw. Decoderalgorithmen tierend eine Erhöhung der Codeeffizienz und Rechenperfor- und der Abtastratenumsetzung. Die Systemsoftware ist für mance war demnach die Hauptaufgabe dieses Projekts. die Koordinierung der Systemressourcen der Applikations- Dafür notwendig waren ein Verständnis der mathematischen software zuständig. Systemressourcen beinhalten auch die Funktionen und Algorithmen, um eine effiziente Verbesse- Hardware-Bauteile auf der Baugruppe des Mikroprozessors. rung zu erreichen. Im Projekt steuerte die Systemsoftware sowohl die analoge Ausgabe als auch die Kommunikation über das Ethernet. 2.3 Abtastratenumsetzung In der digitalen Audiotechnik haben sich verschiedene Ab- In üblichen, einfachen Systemen besteht die Systemsoft- tastraten etabliert. Da sind der Hörfunkbereich mit einer Ab- ware aus einfacher Hardwareinitialisierung, Peripheriezu- tastrate von 32 kHz, der professionelle Studiobereich mit 48 griffsfunktionen und Interrupt Service Routinen. Weitaus kHz und der Consumerbereich mit 44,1 kHz (Abtastrate einer komplexere Systeme benötigen einen „Scheduler“, um herkömmlichen Musik-CD). Neben diesen Standard-Abtast- einen korrekten Ablauf mehrerer gleichzeitig stattfindender raten sind auch ganzzahlige Vielfache davon üblich. Bei der Applikationen zu garantieren. Um die unterschiedlichen Verbindung mit Systemen mit unterschiedlichen Abtastraten Hardwareressourcen für den DSP, dem externen Speicher, muss eine Abtastratenumsetzung durchgeführt werden. den I/O-Schnittstellen usw., zu koordinieren, ist der Schedu- In diesem Projekt verfügen die Empfangseinheiten über ler von sehr großer Bedeutung. Für diese Zwecke ist ein Be- einen Digital/Analog-Wandler mit 48 kHz Abtastrate. Dieser triebssystem/Kernel, wie der von Analog Devices zur Ver- D/A-Umsetzer wandelt die dekodierten digitalen Werte in fügung gestellte VisualDSP++ Kernel (VDK) oder der Open ein analoges und damit am Lautsprecher hörbares Signal Source Kernel Blackfin/uClinux sehr gut geeignet. Um eine um. Wird ein am Eingang liegendes Signal mit einer Abtast- Ethernetübertragung überhaupt zu ermöglichen, ist der Ein- frequenz von 44,1 kHz mit 48 kHz Abtastfrequenz wiederum

92 Fachbereich VII Elektrotechnik und Feinwerktechnik

ausgegeben, so ergibt sich zwangsläufig irgendwann ein Literatur Synchronisationsproblem zwischen beiden Systemen. [1] Linux On The Blackfin Processor, Hörbar wird dies z.B. durch eine in konstanten Abständen http://blackfin.uclinux.org. auftretende Unterbrechung des abgepielten Musikstücks. [2] Bosi, Goldberg: Introduction to Digital Audio Coding and Standards, Springer, 2002. Die Abtastratenumsetzung besteht aus den grundlegenden [3] Visual DSP++ 4.5 Kernel (VDK) User’s Guide, Rev. 1.0, Operationen der Auf- und Abwärtstastung und der zugehöri- Analog Devices Inc. gen Anti-Imaging und Anti-Aliasing-Filterung. Das beste- hende Programm wurde zunächst mit einem Abtastraten- umsetzer für 32 kHz und 44,1 kHz erweitert. Kontakt Prof. Dr.-Ing. Marcus Purat 2.4 Muxen des Bitstreams (MPEG-2 Transport Stream) Technische Fachhochschule Berlin Bei der Übertragung von Audio- und Videodaten über das FB VII - Haus Gauß, Raum B 430 Netzwerk wird häufig das MPEG-TS (Transport Stream) For- Luxemburger Straße 10 mat (ISO/IEC 13818-1) eingesetzt, welches Datenströme in 13353 Berlin 188-Byte große Pakete gliedert. Um die Empfangseinheiten Tel.: (030)4504-2380 auch für andere Media Server (z.B. VLC, Shoutcast, etc.) E-Mail: [email protected] kompatibel zu machen, muss der AAC-Bitstrom beim Sender mit MPEG-TS Informationen zusätzlich spezifiziert werden und der Empfänger muss in der Lage sein, aus dem Bitstrom Kooperationspartner die AAC-Informationen zurückzugewinnen. DSPecialists Audio- und Messsysteme GmbH Kaiserin-Augusta-Allee 10–11 3. Zusammenfassung und Fazit 10553 Berlin Das enwickelte System, bestehend aus zwei DSP-Boards Tel.: (030)467805-0 (Sender/Empfänger), erlaubt die Multicast-Übertragung E-Mail: [email protected] AAC-kodierter Audiodaten. Eine Echtzeitimplementierung eines AAC-Encoders sowie -Decoders auf einem fixed-point- DSP konnte Dank der Optimierung eines vorhandenen Quell- codes von C nach Assembler erzielt werden.

Es wurde angesprochen, dass als Betriebssystem (Kernel) sowohl das von der Firma Analog Devices hergestellte VDK als auch das auf Linux aufbauende uClinux genutzt wurde. Die vorhandene Treibersoftware für die Ethernetschnittstelle bei VDK unterstützt bis jetzt nicht die Übertragung über Mul- ticast. uClinux stellt dagegen einen weitaus umfassenderen Treiber für Ethernet zur Verfügung und damit auch Multicast. Als nachteilig oder umständlich erweist sich uClinux bei der Programmierung in Assembler, welches häufig für zeitkriti- sche Signalverarbeitungsalgorithmen verwendet wird. Die- ser wichtige Aspekt der maschinennahen Programmierung von DSPs zeigte sich bei der Portierung des AAC-Codecs wie oben beschrieben. Mit Hilfe der VisualDSP++ Entwicklungs- umgebung und dessen Debugger lassen sich auftretende Fehler schnell auffinden und korrigieren. Freilich bietet die Blackfin Toolchain (GNU) auch das Debuggen der Pro- gramme mit Assembler, jedoch deutlich unkomfortabler als VisualDSP++. Um dieses Dilemma dennoch zu lösen, lässt sich der mit VisualDSP++ geschriebene Assembler-Code unter Einhaltung gewisser Regeln in uClinux portieren. Somit ließ sich ein funktions- und echtzeitfähiges Multicast- Audio-System auf beiden Betriebssystemen entwickeln.

93 i-mech: Untersuchung der intelligenten Mechanik von Fischflossen mit Hilfe von FSI-Simulation

i-mech: Untersuchung der intelligenten Mechanik von Fischflossen mit Hilfe von FSI-Simulation Dipl.-Ing. Bardo Krebber, Prof. Dr.-Ing. Hans-Dieter Kleinschrodt Kooperationspartner: Friendship-Systems GmbH, Potsdam

Als Beispiel für intelligente Mechanik wurde im Projekt „i-mech“ die Wirkungsweise von Fischflossen mit Hilfe von Simula- tionen der Fluid-Struktur-Interaktion untersucht. Aus der Analyse des biologischen Systems gingen zwei mechanische Ef- fekte hervor, die die passive Dynamik der Flosse dominieren. Ein vereinfachter Membran-Ansatz führte zunächst zu einer zweidimensionalen autoadaptiven Tragfläche, die durch die Kombination der beiden hauptsächlichen mechanischen Ef- fekte der Flosse zu einer dreidimensionalen, flexiblen Turbinenschaufel erweitert wurde.

As an example for intelligent mechanics the effectiveness of fish flukes was investigated in the research Project "i-mech" with the help of fluid-structure-interaction simulations. The analysis of the biological system showed two mechanical ef- fects that dominate the passive dynamics of the fluke. A simple-membrane approach led to a two-dimensional auto-adap- tive wing which was then extended to a three-dimensional, flexible turbine blade combining both mechanical effects.

1. Einleitung Ziel des Projekts „i-mech“ ist das Auffinden solcher intelli- Den Sprung einer Raubkatze im Angriff, der kunstvolle Flug genter Mechaniken in der belebten Natur, die Extraktion von der Möwen, die faszinierende Manövrierfähigkeit einer Fo- Gestaltungsprinzipien und deren Übertragung auf die Tech- relle – all das empfinden wir als hoch elegant. Betrachtun- nik. Im beschriebenen Projekt geht es um Verformungen von gen, nach denen alle Bewegungen dabei aktiv gesteuert Körpern unter Strömungsbeaufschlagung in Fluiden. Biolo- werden, verlieren angesichts der erschlagenden Komplexität gisches Vorbild sind Fischflossen. der kinematischen Vorgänge schnell an Glaubwürdigkeit. Wie sich in der jüngsten Forschung immer deutlicher heraus- 2. Ausgangspunkt stellt, liegt es auch nicht in der „Strategie“ der Natur, alle Ausgangspunkt des Projektes war das energetisch effiziente Bewegungen exakt zu beherrschen, sondern Gleichge- Schwimmverhalten von Fischen in turbulenten Gewässern wichtsphänomene und Eigenmoden von Strukturen zu nut- [Lia03]. Diese Leistung ist zum einen auf eine gute Orientie- zen, um Bewegungen weitgehend autonom ausführen zu rung der Lebewesen im Wasser zurückzuführen, anderer- lassen (intelligente Kinematik). Gliedmassen werden nicht seits aber auch auf die Konstruktion der Flossen selbst, die genau positioniert, sondern mit Hilfe der Muskelspannung als stark flexible Elemente sensibel auf Druckunterschiede in einen anderen Gleichgewichtszustand gebracht, der die reagieren und damit ein eigenes dynamisches Gleichgewicht gewünschte Position oder den Bewegungsmodus beinhal- mit der Umgebung herstellen. Die anliegende Strömung tet. Das dynamische Gleichgewicht des Systems in der wird dabei auch bei von außen aufgeprägten schnell aufei- Wechselwirkung mit der Umwelt wird so zum Bestandteil nander folgenden Richtungswechseln stets nur so stark be- jeder Bewegung. Bewegungssysteme sind darüber hinaus lastet, dass sie nicht ablöst. Der Fisch hat damit nicht nur zu so gestaltet, dass sie auf Änderungen in der Umwelt mit mi- jeder Zeit und unter allen Bedingungen einen effizienten, nimalem Kontrollaufwand adaptiv reagieren können. Viele sondern auch einen fast geräuschlosen Antrieb. Ausgleichsbewegungen laufen sogar vollständig passiv ab. Dadurch reduziert sich der erforderliche Kontrollaufwand für 3. Systemanalyse den Organismus erheblich (morphological computation) 3.1 Anforderungen an Flossen in der Umwelt [Pfe07]. Flossen von Fischen sind grundsätzlich so gestaltet, dass sie für das Bestehen des Fisches in der jeweiligen ökologischen Systeme und Strukturen, die durch ihre Gestaltung in für Nische bestens geeignet sind. Die Vielzahl von Formen, die das Gesamtsystem vorteilhafter Weise reagieren, werden in in der Natur vorkommen, lässt ahnen, wie viele widerstrei- dieser Arbeit als „intelligente Mechanik“ bezeichnet. Bei- tende Kriterien es für die „optimale“ Flosse gibt. Eigenschaf- spiele dafür finden sich überall in der belebten Natur: Von ten wie Effizienz, Beschleunigungsvermögen, Manövrier- flexiblen Sehnen im Bewegungsapparat des Menschen über fähigkeit, Geräuscharmut, Fehlertoleranz oder Robustheit Strömungskontrolle durch flexible Federn beim Vogelflug bis sind nicht vollständig miteinander vereinbar. Sollen Flossen hin zu Grashalmen, die sich durch Biegung einer Überlas- als Vorbild für technische Tragflügel herangezogen werden, tung entziehen. ist es daher mit einer schlichten Kopie nicht getan. Vielmehr

94 Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

ist es nötig, die kinematischen Prinzipien zu ergründen und Programm ICEM-CFD verwendet. Zur Prozesssteuerung und sie den technischen Anforderungen entsprechend neu zu Optimierung wird der FRIENDSHIP-Optimizer eingesetzt (Ab- kombinieren. bildung 2).

3.2 Fin-Ray-Effekt Dieser Effekt der einzelnen Flossenstrahlen bewirkt, dass sich die Flosse entlang der Strahlen bei fluidischer Beauf- schlagung hohl ausformt. Dafür verantwortlich ist der paa- rige Aufbau der Strahlen. Die außen liegenden Gurte sind mit Stegen untereinander verbunden (Abbildung 1). Eine sol- che Verformung wird durch die Auftriebsströmung an der Flosse unterstützt. Gleichzeitig ist der Flossenstrahl flexibel und kann bei entsprechender Belastung auch ausweichen.

Abb. 2: Prozessaufbau und beteiligte Programme

4.1 Einfache Membran in Kanalströmung Als erste Annäherung an das Problem Flosse wurden zu- nächst Membranen in einem abgeschlossenen Kanal simu- Abb. 1: Flossenstrahlen vollziehen auf Grund ihrer inneren Struktur unter liert. Diese sind an den Seiten eingespannt und erhalten zur Belastung eine Gegenbewegung Stabilisierung der Vorderkante eine Stahleinlage. Bei kon- stanter Geschwindigkeit wird in Anlehnung an den zykli- 3.3 Membran-Effekt schen Verlauf der Strömungssituation am biologischen Durch die Hautverbindungen zwischen den Flossenstrahlen Vorbild Fisch der Winkel der Anströmung gleitend auf 20° er- erhält die Flosse zudem die Eigenschaft einer flexiblen Mem- höht. Diese Membranen zeigen bei genügend starker An- bran, die in einer Richtung verstärkt ist. Auch eine zwischen strömung eine Ausformung, die sich der Strömung anpasst zwei Verstärkungen aufgespannte flexible Membran formt und damit in der Lage ist, die Ablösung auf der Oberseite zu unter Anströmung ein Profil aus. Die genannten Effekte ver- reduzieren. Die Verformungen sind dort am größten, wo die stärken sich in der integralen Konstruktion und führen damit zu den spezifischen Eigenschaften der Flosse.

4. Simulationen Als Werkzeuge für die Untersuchung stark flexibler Körper in der Strömung stoßen die bekannten Untersuchungsmetho- den der Strömungs- und Struktursimulation an ihre Grenzen. Die nun zur Verfügung stehende, bilaterale Kopplung zwi- schen den Simulationsmethoden der Computational Fluid Dynamics (CFD) und der Finite Elemente Methode (FEM) im kommerziellen Programmsystem ANSYS/CFX eröffnet die Möglichkeit, ein echtes Verformungsgleichgewicht in der Strömung zu simulieren. Bei diesem Verfahren werden zu- nächst die Druckwirkungen des Strömungsfeldes als Rand- bedingungen auf die Oberfläche des Strukturmodells interpoliert. Die sich daraufhin in der FEM-Analyse einstel- lende Verformung des Körpers ändert wiederum die geome- trischen Bedingungen für das Strömungsfeld, so dass das dynamische Gleichgewicht der Struktur in mehreren Iterati- onsschritten bestimmt werden muss. Zur parametrischen Geometrieerstellung wird das FRIEND- SHIP- Framework [Har98] und zur Erstellung der Gitter das Abb. 3: dicke (oben) und dünne (unten) Membran bei 15° Anströmung

95 i-mech: Untersuchung der intelligenten Mechanik von Fischflossen mit Hilfe von FSI-Simulation

Strömung stark umgeleitet wird und damit große Druckun- werden kann. Interessant ist, dass schon eine einfache An- terschiede zwischen Ober- und Unterseite induziert. Die Ant- ordnung mit gleich verteilten Federsteifigkeiten zu einem wort der Membran ist lokaler Art. Die Strömung steht im richtungsweisenden Ergebnis führt. Eine elastisch gelagerte, Gleichgewicht mit den örtlichen Rückstellkräften. So zieht biegsame Tragfläche besitzt die Tendenz, sich der Strömung die Membran zum Beispiel die Hinterkante bei anliegender anzuformen, minimiert damit fast zwangsläufig die Ablö- Strömung „zu“, da die größten Druckunterschiede in der sung und sorgt für einen effizienten Energieumsatz. Ein Bei- Nähe der Anströmkante liegen und mit zunehmender Lauf- spiel ist in Abbildung 5 dargestellt. länge abnehmen. Bei Überlastung der Fläche (Überziehen) öffnet die Hinterkante. Der Mittelschnitt der Membran ergibt dabei stets ein strömungsgünstiges Profil ähnlich dem von Tragflächen (Abbildung 3).

In weiteren Untersuchungen wurden Parameter wie Längen/ Breiten- Verhältnis und Dickenverteilung variiert. Im Gleich- gewicht mit der Strömung bewirkt zum Beispiel ein kleineres Längen/Breiten-Verhältnis eine Verschiebung der Dicken- rücklage in Richtung Hinterkante, wie auch eine Verjüngung der Membran zur Hinterkante hin (Abbildung 4).

Aufgrund der Einspannung an den Seiten kann eine Ablö- sung der Strömung dort nicht verhindert werden. Technisch Abb. 5: Gelenkkette in Tragflächenform nach Abbildung 4 bei 5°, 10° und wünschenswert wäre eine Tragfläche, die auf der gesamten 20° Anströmung Breite des Kanals die Eigenschaften des Mittelschnitts der Membran aufweist (Abbildung 4). 4.2 Autoadaptive Turbinenschaufel Als Motivation und Testfall für eine technische Anwendung dient die Schaufel der Turbine einer Wellenkraftanlage, wie sie im „Labor für konventionelle und erneuerbare Energien“ an der TFH Berlin aufgebaut ist. Durch eine Kammer am Ende eines Wellenkanals wird durch die einlaufende Welle ein periodisch wechselnder Luftstrom erzeugt. In diesem Luftstrom ist eine Turbine installiert, die mit wechselnder Beaufschlagung arbeiten muss, jedoch stets die gleiche Drehzahl und Richtung halten soll. Die in solchen Kraftwer- ken eingesetzten „Wellsturbinen“ arbeiten mit starren, sym- metrischen Schaufeln. Eine adaptive Schaufel könnte im Gegensatz zu einem starren Profil über die gesamte Wellen- periode auch bei unregelmäßigen Wellen eine optimale Strömungsumlenkung gewährleisten und damit den Wir- kungsgrad der Anlage erhöhen. Gleichzeitig stellt die An- wendung als Schaufel im rotierenden System mit sehr starker Verformung einen extremen Fall dar, der die Leis- tungsfähigkeit des Mechanismus auf die Probe stellen kann.

Für diese Aufgabe muss der zweidimensionale Flügel zu Abb. 4: Membran mit Mittelschnitt (oben) und kinematisch symmetri- einer gestreckten Schaufel erweitert werden. Das Blatt wird sches Ersatzmodell des Mittelschnitts dabei flexibel aus Gummi modelliert. Die erforderlichen Rückstellkräfte werden von Feder-Hebel-Systemen nach der Vor dem Hintergrund dieser Überlegung wurde aus dem 2D- Wirkungsweise der Flossenstrahlen in das Schaufelblatt ein- Ersatzsystem eine Gelenkkette mit einer Tragflächenform in gebracht. Die Vorderkante ist drehbar gelagert. Eine so ge- ANSYS formuliert. Die Federsteifigkeiten und die Fußpunkte staltete flexible Schaufel weist in Umfangsrichtung ähnliche der Federn bilden hier einen Pool von Parametern, mit dem Eigenschaften wie der zweidimensionale Flügel auf. Die die Tragfläche auf den gewünschten Lastbereich optimiert Schaufel reagiert dabei selbstständig und ohne äußere

96 Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

Hilfe. Die Adaption ist nur auf Anordnung und Auslegung zu- Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse ein Modell einer rückzuführen. autoadaptiven Turbinenschaufel entworfen und deren Wech- selwirkung mit der Strömung simuliert. Es konnte gezeigt Das Prinzip kann ebenso als vorgeformte Leitschaufel ver- werden, dass sich abhängig von der Wahl der Steifigkeiten wendet werden und könnte axialen Strömungsmaschinen zu der Struktur die gewünschte adaptive Verformung einstellt. einem breiteren optimalen Betriebsbereich verhelfen. Die Konditionierung der Strömung durch eine adaptive Schaufel könnte den Betriebsbereich von Strömungsmaschi- nen vergrößern und so zu einem besseren Wirkungsgrad führen.

Literatur [Har98] Harries, Stefan (1998): Parametric design and hy drodynamic optimization of ship hull forms, Mensch & Buch Verlag, Berlin. [Lia03] Liao, J.C.; Beal, D.; Lauder, G.; Triantayllou, M. (2003): Fish Exploting Vortices Decrease Muscle Activity, Science 2003, S. 1566-1569. AAAS. [Pfei07] Pfeiffer, Rolf; Bongard, Josh (2007): How the body shapes the way we think, The MIT Press, Cambridge.

Abb. 6: Feder-Hebel-System nach dem Vorbild der Mechanik der Flos- senstrahlen und Modell des autoadaptiven Tragflügels aus Federstahl Weiterführende Literatur und Gummi

Triantafyllou, M. (1995): Effizienter Flossenantrieb für Schwimmroboter, Spektrum der Wissenschaft 08-1995, S. 66 –73, Wissenschaft-Verlagsgesellschaft mbH, Heidel- berg. French, M. (1994): Invention and Evolution, Design in nature and engineering, Cambridge University Press, Cambridge. Mattheck, C. (1997): Design in der Natur, Rombach Verlag, Abb. 7: Ausformung der Schaufel in der Turbine Freiburg. Nachtigall, Werner; Blüchel, Kurt (2000): Das große Buch 5. Zusammenfassung der Bionik, Deutsche Verlags Anstalt, Stuttgart. Im Projekt i-mech wurde, ausgehend vom effizienten Schwimmverhalten von Fischen in turbulenten Gewässern, das kinematische System von flexiblen Flossen näher unter- Kontakt sucht. Prof. Dr.-Ing. Hans-Dieter Kleinschrodt Technische Fachhochschule Berlin Das Verformungsverhalten unter Belastung lässt sich auf FV VIII - Haus Beuth, Raum A 1d zwei kinematische Mechanismen, den so genannten „Fin- Luxemburger Straße 10 Ray-Effekt“ und den Membraneffekt der aufgespannten 13353 Berlin Flossenhaut zurückführen. Mit Hilfe von Simulation der Tel.: (030) 4504-2937 Fluid-Struktur-Wechselwirkung mit ANSYS/CFX konnte ge- E-Mail: [email protected] zeigt werden, dass auch sehr stark vereinfachte Modelle wie eine eingespannte Membran in der Strömung ein für Flossen typisches Verformungsmuster besitzen. Sie sind damit in der Kooperationspartner Lage, die Auftriebsströmung an der Flosse so zu konditionie- Friendship-Systems GmbH ren, dass sowohl im gesamten Zyklus des Flossenschlages Benzstraße 2 als auch unter ungünstigen (off design) Bedingungen eine 14482 Potsdam effiziente und geräuscharme Energieübertragung gewähr- Tel.: (0331) 967660 leistet ist. Im weiteren Verlauf des Projektes wurde auf der E-Mail: [email protected]

97 Prozessketten mit Rapid Prototyping-Technologien (3DP)

Prozessketten mit Rapid Prototyping-Technologien (3DP) Dipl.-Ing. (FH) Birgit Lautner, Prof. Dr.-Ing. Manfred Paasch, Dipl.-Ing. Bernhard Bienia Kooperationspartner: 4D-Concepts GmbH, Groß-Gerau

Ziel der Prototypenherstellung ist in vielen Fällen ein metallisches Funktionsbauteil. Der 3D-Drucker Z310 von Z-Corpora- tion erzeugt Modelle aus gipsartigem Material, welche nicht nur Anschauungsmodelle sein müssen: In Verbindung mit Folgetechniken können Funktionsbauteile aus metallischen oder polymeren Werkstoffen erzeugt werden. Es wird das di- rekte Gießen in eine gedruckte Negativform dargestellt, das Herstellen eines flexiblen Prototyps und das Feingießen mit verlorenem Modell.

Often it is the aim of manufacturing prototypes to get a metallic prototype with functional properties. The 3DPrinter Z310 from Z-Corporation creates models of material similar to plaster. They could be more than design models. Based on this 3D-Printing method, we developed a few processes for metallic and polymeric prototypes with functional properties. We will demonstrate direct casting in printed moulds, the manufacturing of a flexible prototype and the investment casting with lost models.

1. Einleitung sen vermuten, dass so erzeugte Prototypen im Feingusspro- Wenn Entwicklungszeiten immer kürzer werden, gelangen zess in metallische Prototypen überführt werden können. klassische Fertigungsmethoden schnell an ihre Grenzen. Aus diesem Grund hat das Rapid Prototyping in den letzten Jah- Da viele mittelständische Betriebe inzwischen 3D-Drucker ren stark an Popularität gewonnen. Es können Strukturen er- besitzen, können die Forschungsergebnisse den Anwen- zeugt werden, die mit klassischen Verfahren nicht oder nur dungsumfang solcher Geräte erheblich erweitern. Das Po- mit großem Aufwand hergestellt werden können. Die Proto- tential von gedruckten Negativformen für die verschiedenen typen entstehen direkt aus dem CAD-Daten-File durch gene- Gießtechnologien scheint ebenfalls noch nicht ausge- rierende Verfahren. Leider liefern die meisten Verfahren des schöpft. Rapid Prototyping nur Anschauungsmodelle. Einbaufähige Bauteile entstehen in der Regel erst durch Folgetechniken. 2. Rapid Prototyping Inzwischen sind viele verschiedene Verfahren des Rapid Pro- Jedes Bauteil bietet spezifische Probleme im Herstellungs- totyping auf dem Markt. Dabei entstehen Modelle aus sehr prozess. Folgende Fallbeispiele zeigen unkonventionelle unterschiedlichen Materialien und mit entsprechend unter- Wege auf, um Prototypen mit anspruchsvoller Geometrie schiedlichen Eigenschaften [1, 2, 3]. und unterschiedlichen Materialien herzustellen.

Der 3D-Drucker im Labor für Produktionstechnik erzeugt An- 2.1 Fallbeispiel: Gussformen aus dem 3D-Druckprozess schauungsmodelle aus einer gipsartigen pulverförmigen Abgaskrümmer kommen im Fahrzeugbau in den unter- Einsatzmasse. Zur Herstellung flexibler gummiartiger Proto- schiedlichsten Variationen vor. Ein solches Bauteil wird in typen bietet der Hersteller ein Pulver auf organischer Basis der industriellen Fertigung mit einer zeit- und kostenauf- an [4]. Erste Erkundungsversuche mit diesem Material las- wändigen Form- und Kerntechnik hergestellt. Für den Pro-

Abb. 1: CAD-Modell eines Abgaskrümmers Abb. 2: CAD-Modell einer Gussformhälfte des Abb. 3: Druckersoftware stellt Bauraum dar mit Abgaskrümmers gestapelten 3D-Modellen und einer Schicht des Druckes

98 Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

Abb. 4: Gedruckte Gussformhälfte des Abgas- Abb. 5: Gedruckte Gussformhälfte des Abgas- Abb. 6: Gussform mit Steiger und Bandage krümmers wird entnommen krümmers mit Kern

Abb. 7: Gussform mit Steiger wird in Sand gebettet Abb. 8: Legierung wird gegossen Abb. 9: Gegossener Prototyp eines Abgaskrümmers

duktentwicklungsprozess werden Prototypen benötigt, die · Die Negativformen sollten möglichst dünnwandig sein, sich in kürzester Zeit herstellen und nahezu beliebig verän- dies erspart Pulvermaterial und Druckzeit. Das Formen- dern lassen. Verfahren, wie das direkte Laserschmelzen von material kann beim Tempern besser ausgasen, wo- Metallpulver, sind auf Grund der Anlagen- und Pulverkosten durch Poren beim Gießprozess weitgehend vermieden sehr teuer. werden. · Aufgrund der begrenzten mechanischen Festigkeit der 3D-Drucker nach dem Inkjet-Prinzip sind recht preiswert und gedruckten Negativform ist der Gießdruck durch kon- inzwischen weit verbreitet. In Verbindung mit entsprechen- struktive Maßnahmen (Rippen und Stege) und durch ver- den Folgetechniken lassen sich so metallische Prototypen fahrenstechnische Maßnahmen (Verkleben, Bandagieren innerhalb von 48 Stunden herstellen [7, 8]. Ein weiterer Vor- und Einbetten in Kies oder Stahlkies) aufzunehmen. zug ist, die Idee im eigenen Hause zu realisieren, so dass das Knowhow des Unternehmens geschützt bleibt. Die Bil- 2.2 Fallbeispiel: Gießform für flexible Prototypen der zeigen einen beispielhaften Prozess: Während im ersten Fallbeispiel der Prototyp mit einem CAD- System entworfen wurde, wird in diesem Fallbeispiel eine Aus den systematischen Untersuchungen ergeben sich fol- Prozesskette entwickelt, die von Scan-Daten ausgeht, die gende Richtlinien für die Erzeugung von gedruckten Negativ- mit einem taktilen 3D-Scanner erzeugt wurden. Diese Daten formen für die Gießereitechnik: wurden dann in ein CAD-System aufgenommen und weiter · Der hydrostatische Gießdruck ist durch einen verlän- verarbeitet. Die gedruckte Negativform diente hierbei als gerten Einguss zu erhöhen, das erfolgt vorteilhafter- Gießform für eine Schuhsohle aus Silikonkautschukmasse. weise durch das Einkleben eines keramischen Der dabei verwendete (sehr preiswerte) taktile 3D-Scanner Isolierspeisers. lieferte auch bei dem Scanobjekt aus einem weichen Plasti- · Bei der Verwendung von Z-cast 501 als Druckpulver ist lin hervorragende Werte, so dass in diesem Fall neben dem die gedruckte Negativform zweifach thermisch zu be- Einsatz eines 3D-Druckers mit sehr einfachen Mitteln ein handeln. In der ersten Stufe zur Erhöhung der mechani- Prototyp erzeugt werden konnte. schen Festigkeit werden die Formteile 4 h bei 220° C im Umluftofen behandelt. Danach werden lose Formstoff- 2.3 Fallbeispiel: Verlorenes Modell für den Feinguss teile durch Druckluft entfernt. Die zweite Stufe dient Anspruchsvolle Bauteile aus hochschmelzenden Metallen dem Austreiben der restlichen Lösungsmittel und er- werden häufig im Feingussverfahren hergestellt. Hierzu wird folgt unmittelbar vor dem Gießprozess 2 h bei 200° C. eine keramische Form benötigt, die durch Ausschmelzen

99 Prozessketten mit Rapid Prototyping-Technologien (3DP)

Abb. 10: Fußabdruck in Plastilin Abb. 11: Taktiles Scannen Abb. 12: Gedruckte Negativform, Oberfläche be- handelt

Abb. 13: Einfüllen der Silikonkautschukmasse Abb. 14: Entnahme der Schuhsohle Abb. 15: Flexibler Prototyp

oder Ausbrennen eines verlorenen Modells entsteht [5, 6]. der gedruckten Formen und Modelle ist die geringe mecha- Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass sich hiermit jedes nische Festigkeit und die verfahrensbedingte Oberflächen- gießbare Metall (auch Titanlegierungen) verarbeiten lässt. rauhigkeit. Zur Anwendung der Folgetechniken werden Das CAD-Modell eines Verdichterrades wurde in Stärke ge- Oberflächen mit speziellen Eigenschaften benötigt. Neben druckt, mit Wachs infiltriert und mitsamt eines Angusses in der Rauheit ist auch die Trennwirkung zu anderen Stoffen Keramikmasse eingebettet. Anschließend wurde das Stärke- von größter Bedeutung. Hierzu wurden erste Untersuchun- modell verbrannt und das flüssige Metall (Bronze) in den so gen durchgeführt. entstandenen Formhohlraum eingefüllt. 4. Qualifizierungsmaßnahmen/Aktivitäten 3. Zusammenfassung und Ausblick · Teilnahme an einem Einführungskurs Rapid-Form 3D-Drucker eignen sich nicht nur zur Herstellung von An- XOR/XOV zur Beherrschung der Durchgängigkeit der schauungsmodellen. Durch die Erzeugung von Negativfor- Prozesse beim Reverse Engineering. men (unter Verwendung eines speziellen Pulvers) können · Messebesuche: Rapid Prototyping Messe Erfurt 2007, Funktionsbauteile aus Metall gegossen werden. Ein weiteres Euromold 2007. Anwendungsbeispiel von gedruckten Negativformen ist die · Datengewinnung aus berührungslosen und taktilen Herstellung von flexiblen Prototypen, wie am Beispiel einer Scanverfahren, deren Aufbereitung und Verarbeitung Schuhsohle aufgezeigt wurde. Durch die Möglichkeit, Fein- im Rapid-Prototyping-Prozess. gussmodelle aus Stärkepulver zu drucken, werden auch die Anwenderinnen und Anwender der preiswerten 3D-Druck- 5. Fotos und Abbildungen technik in die Lage versetzt, die Vorteile der Feingusstech- Alle Fotos von Prof. Dr.-Ing. Manfred Paasch, alle rechnerge- nologie zu nutzen. Ein zentrales Problem bei der Nutzung nerierten Abbildungen von Dipl.-Ing. (FH) Birgit Lautner.

Abb. 16: In Stärke gedrucktes Verdichterrad Abb. 17: Mit Wachs infiltriert mit Anguss Abb. 18: In Keramikmasse eingebettet

100 Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

Abb. 19: Nach dem Ausbrennen Abb. 20: Entformt mit Anguss Abb. 21: In Bronze gegossener Prototyp

6. Zusammenarbeit Kontakt · Feingießerei Spremberg, Dipl.-Ing. (FH) Peter Zeidler, Prof. Dr.-Ing. Manfred Paasch Produktionsleiter. Technische Fachhochschule Berlin · Fa. 4D-Concepts (Vertreiber von 3D-Printern in Deutsch- FB VIII - Haus Beuth, Raum 32 land und Dienstleister für Rapid Prototyping, Modell- Luxemburger Straße 10 und Formenbau), Peter Volz. 13353 Berlin · Uni Erlangen-Nürnberg, Bereich Materialwissenschaf- Tel.: (030) 4504-2756 ten, Dipl.-Ing. Bertholt Melcher (Entwicklung von hoch- E-Mail: [email protected] hitzebeständigen keramischen Negativformen).

Kooperationspartner Literatur 4D-Concepts GmbH [1] Sandguss ohne Modell. Informationsblatt der Fa. Gießerei Frankfurter Straße 74 Blöcher zur Fachmesse Euromold 2007 64521 Gross-Gerau [2] MCP Tooling Technologies. Firmenschrift der MCP-Group E-Mail: [email protected] zur Fachmesse Euromold und Gießverfahren 2007 www.4dconcepts.de [3] CAD/CAM-Lösungen und Gießverfahren für das Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing in der Gussferti- gung und dem Modell- und Formenbau. Konstruieren + Gießen 31 (2006) Nr. 1 [4] ZTM 310plus 3D Drucker. Firmenschrift der Fa. 4D-Concepts 2007 [5] Hartmann, V.; Paasch, M.: Prozesskette beim Rapid Prototyping unter Einbeziehung der Hochgeschwindig- keitsbearbeitung und des Feingießens. Forschungsbe- richt 2005 der TFH Berlin, S. 194 [6] Hoch, M.; Paasch, M.; Wieneke, B.: Prozesskette zum Reverse Engineering am Beispiel der Kleinplastik des P.C.W. Beuth. Forschung für die Praxis – Forschungsbe- richt 2003/2004 der TFH Berlin, S. 35 [7] Borchers, B.: Rapid Manufacturing – Der schnelle Weg von der Idee zum Produkt. Ein Film über ein Projekt zum Rapid Prototyping im Masterstudiengang Produktions- systeme der TFH, TFH Berlin 2006, Technische Beratung: Dipl.-Ing. Bernhard Bienia, Prof. Dr.-Ing. Manfred Paasch, Prof. Gert Stallmann [8] Paasch, M.; Bienia, B.: Erweiterung des Anwendungsum- fanges eines 3D-Druckers. Vortrag auf der 5. Anwender- konferenz der Fa. 4D-Conepts, Groß-Gerau 2006

101 Hydrierung PVC-haltiger Kunststoffabfälle bei niedrigem Druck

Hydrierung PVC-haltiger Kunststoffabfälle bei niedrigem Druck Dipl.-Ing. (FH) Manfred Marks, Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Geike Kooperationspartner: uve GmbH für Managementberatung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Grundlagen der Entwicklung eines Verfahrens für das rohstoffliche Recyc- ling von PVC-haltigen Kunststoffabfällen mittels Hydrierung bei niedrigem Druck. Neben der Projektierung einer Miniplant werden die Versuchsplanung und die Vorbereitung der begleitenden Analytik beschrieben.

In this research the basics for a process of feedstock recycling of PVC containing plastic waste using hydrogenation at low pressure was developed. In addition to mini-plant planning the design of experiments and the preparation of associated analytics are described.

1. Einleitung marktes andererseits lassen ein rohstoffliches Verflüssi- Trotz aller Anstrengungen im Hinblick auf das durch das gungsverfahren wirtschaftlich konkurrenzfähig erscheinen. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz postulierte Ziel der Abfallvermeidung stieg im Zeitraum von 1994 bis 2005 in Darauf aufbauend besteht das Ziel eines aus Mitteln des Deutschland die Kunststoffabfallmenge um 57 % von 2,8 Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanzier- auf 4,4 Mio. t. Wie aus Abb. 1 hervorgeht, dominiert der Ver- ten Verbundprojektes mit der uve GmbH für Managementbe- packungsabfall mit einem Anteil von 57,5 % deutlich den ratung in der Schaffung der Grundlagen für ein kommerziel- Kunststoffabfallstrom [CON06]. Der größte Anteil aus Sortie- les Verfahren zur hydrierenden Spaltung gemischter Kunst- rungen von Kunststoffabfällen aus dem Verpackungssektor – stoffabfälle mit gewissen Anteilen chlorhaltiger Kunststoffe nämlich ca. zwei Drittel – besteht aus gemischten und ver- (<15 % PVC). Die Polymergemische sollen bei niedrigen Drück- unreinigten Kunststoffen, der sogenannten Mischfraktion. en (<20 bar) und Temperaturen bis 420 °C in Anwesenheit Diese ist kaum oder nur wenig hochwertig verwertbar [DKR01]. von Methanol und Katalysatoren zu raffineriegängigen Che- mierohstoffen umgesetzt werden. Methanol dient dabei nicht als Lösungsmittel, sondern als Wasserstofflieferant. Die Wasserstoffdarbringung über die Methanol-Zersetzung nach

(1)

und die Folgereaktion des Kohlenmonoxids nach

(2)

Abb.1: Zusammensetzung des Kunststoffabfalls aus dem Post-Consumer- liefert bei Reaktionsbedingungen reaktiven Wasserstoff Bereich nach Einsatzfeldern [CON06] („in statu nascendi“). Damit kann auf die sonst üblichen Hochdruckbedingungen der Hydrierung verzichtet werden. Basierend auf den Vorgaben der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) dürfen seit dem 01.06.2005 in Neben den Vorteilen bei den Investitions- und Betriebskos- Deutschland keine unbehandelten organischen Abfälle mehr ten können unter diesen Reaktionsbedingungen auch halo- deponiert werden. Somit scheidet dieser Beseitigungsweg genhaltige Kunststoffmischungen verarbeitet werden, da für Kunststoffabfälle in Zukunft aus. Heteroatome wie z.B. Chlor sicher aus dem System entfernt Zudem haben sich die Rohstoffpreise in der Vergangenheit und einer stofflichen Verwertung zugeführt werden können. stark entwickelt. So stieg der Preis für eine Tonne des wich- Zudem ist die Bildung von chlororganischen human- und tigsten Chemierohstoffs, des Rohbenzins (Naphta), von 406 ökotoxischen Verbindungen unter den reduzierenden Bedin- Euro im vierten Quartal 2006 auf 490 Euro im dritten Quartal gungen dieser milden Hydrierung weitgehend auszuschlie- 2007 [CHE07]. ßen. Als Zielprodukt entstehen schwermetallfreie, alipha- tische Ölfraktionen mit Chlorgehalten <10 ppm, die z.B. als Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen einerseits und Feed im Steam- bzw. im FC-Cracker genutzt werden können. die gegenwärtige Entwicklung des Rohstoff- und Energie- Erste Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet wurden durch

102 Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

den Kooperationspartner bereits zu Beginn der 90er Jahre · Erstellung des R&I-Fließbildes nach DIN EN ISO 10628 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden damals in einem For- · Ermittlung und Beurteilung der Explosionsgefahren nach schungsbericht [KÖN93] veröffentlicht und das Verfahrens- § 3 BetrSichV. prinzip in der Patentschrift DE19547259A1 offengelegt. Im Rahmen der Forschungsassistenz soll darauf aufbauend Als Ergebnis der Arbeiten entstand ein Pflichtenheft in Form eine Versuchsanlage (Miniplant) entwickelt, gebaut und im einer Anforderungsliste, die den Anlagenbauern als Grund- kontinuierlichen Betrieb getestet werden. lage für die Angebotserstellung dienen sollte.

2. Stand der Projektbearbeitung Im Entwurf des Verfahrensfließbildes (siehe Abb. 2) sind als Die früheren Untersuchungen des Kooperationspartners zur Hauptkomponenten der einstufigen Anlage ein Extruder zum milden Hydrierung von Kunststoffabfällen wurden überwie- Dosieren der Kunststoffschmelze, der druckfeste Rührreak- gend diskontinuierlich in 50 ml-Laborautoklaven durchge- tor und die Kondensationsstrecke dargestellt. Die Kapazität führt. Die mit dieser Methodik erzielbaren Ergebnisse haben der Miniplant wurde mit 1,0 bis 4,5 kg/h Kunststoffdurch- meist nur beschreibenden Charakter. Ohne kontinuierlichen satz so gewählt, dass einerseits eine vollständige Erfassung Betrieb, ohne Gewährleistung von Durchmischung und Iso- und Charakterisierung der Reaktionsprodukte möglich ist, thermie können kaum belastbare Aussagen in Bezug auf um eine geschlossene und reproduzierbare Massenbilanz Ausbeute und Produktqualität gewonnen werden. Somit erstellen zu können. Anderseits sollte der Labormaßstab sind eine wirtschaftliche Betrachtung und ein scale-up nicht nicht überschritten werden, um logistische Probleme bei der möglich. Um die Grundlage für ein technisches Verfahren zu Handhabung von Einsatzstoffen und Reaktionsprodukten zu legen, das wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig betrie- vermeiden. Mit dem Rührreaktor als Kernstück der Miniplant ben werden kann, wurden die Projektierung und der Aufbau wurde ein scale-up-fähiger Reaktortyp gewählt, der annä- einer Miniplant durchgeführt. Als Ergebnisse einer intensi- hernd isotherm – sowohl kontinuierlich als auch diskontinu- ven Literatur- und Patentrecherche ergaben sich wichtige In- ierlich – betrieben werden kann. formationen zur Umsetzung des Vorhabens. Durch den aus dem PVC-Eintrag frei werdenden Chlorwas- serstoff und in geringerem Maße durch das Chloridion kann Da das Verbundprojekt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung es zu Spannungsrisskorrosionen an den Anlagenteilen kom- dieses Berichts noch nicht abgeschlossen ist und viele Pla- men [KIR03]. Deshalb wurde für den Rührreaktor ein Molyb- nungsunterlagen aus schutzrechtlichen Gründen der Ge- dänstahl (Werkstoff-Nummer 1.4571) ausgewählt, der sich heimhaltung unterliegen, kann an dieser Stelle nur ein durch erhöhte Beständigkeit gegen Korrosion und Lochfraß grober Überblick über Inhalt und Ablauf der Projektierung auszeichnet. gegeben werden.

2.1 Auslegungs- und Entwurfsplanung Einen Schwerpunkt im Rahmen der Verfahrensentwicklung stellte die Auslegungs- und Entwurfsplanung der Miniplant dar. Dabei nahmen die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Auswahl und der Beauftragung eines geeigneten Anla- genbauers breiten Raum ein. Die Koordination und die wis- senschaftlich-technische Beratung sowohl des Koopera- tionspartners als auch des Anlagenbauers waren weitere wichtige Aufgaben. Abb. 2: Verfahrensfließbild der Miniplant In einem ersten Schritt wurden die Zielbedingungen der Ver- fahrensentwicklung abgesteckt und daraus die verfahrens- Ein sehr wichtiger Punkt für die definierte und kontrollierte technischen Anforderungen an die Miniplant abgeleitet. Umsetzung von Polymeren ist der Wärmeintrag in die Schmel- Inhalte dieser Arbeiten im Sinne eines basic engineering ze, die per se einen schlechten Wärmeleiter darstellt. Mit waren u.a.: dem gewählten Rührsystem ist eine gute Durchmischung · Abschätzung der wichtigsten stoffstromspezifischen Ver- der Polymerschmelze mit dem Feststoffkatalysator und den fahrensparameter Zuschlagstoffen (z.B. Chlorfänger) realisierbar. Eine wärme- · Auswahl der verfahrens- und sicherheitstechnischen Ap- transportlimitierte Reaktion und in der Folge störende Ver- parate und Armaturen kokungsreaktionen an der Innenwand des Reaktors werden · Werkstoffauswahl weitestgehend vermieden.

103 Hydrierung PVC-haltiger Kunststoffabfälle bei niedrigem Druck

Zum Einsatz kommt ein Wendelrührer, der über einen Rühr- Weiterhin wurden, auf der Basis des Aufstellungsplanes der verschluss mit doppelter Gleitringdichtung mit dem Rühran- Miniplant, die baulichen und technischen Anforderungen an trieb verbunden ist. Somit ist die Übertragung auch großer den Aufstellungsort (TFH Berlin, Labor A050) definiert und Antriebsmomente (bis zu 80 Nm) möglich. Dieses Drehmo- anschließend in entsprechenden Baumaßnahmen umge- ment ist durch die hohe Viskosität der Polymerschmelze be- setzt. dingt, die beim Polyethylen bei 450° C ca. 34 Pas beträgt und bei Temperaturabsenkung auf 350°C auf 54 bis 281 Pas an- 2.2 Versuchsplanung und Vorbereitung der Produktanalytik steigt [SCH04]. So ist z.B. bei einer angenommenen Viskosi- Zeitgleich mit der Auslegungs- und Entwurfsplanung er- tät von 100 Pas und einer Rührerdrehzahl von 2 U/s bereits folgte die Versuchsplanung und die Vorbereitung der Pro- ein Drehmoment von 83 Nm und eine Antriebsleistung von duktanalytik. Im Rahmen dieser Themenkomplexe wurden 1050 Watt erforderlich [STE07]. Um die hohen Viskositäten folgende Arbeiten ausgeführt: zu beherrschen, ist zumindest in der Anfahrphase der Mini- plant der Einsatz eines Trägeröls vorgesehen. Nach Ansprin- · Entwicklung einer Methodik zur Versuchsdurchführung gen der Spaltreaktion wird durch die intensive Produktgasent- (Versuchsfahrten) wicklung eine zusätzliche Durchmischung im Reaktor erwartet. · Entwicklung einer Methodik zur analytischen Aufarbei- tung der Reaktionsprodukte. Im Hinblick auf die Einhaltung des Arbeits- und Gesund- heitsschutzes und der Betriebssicherheit beim Betrieb der Nach der Inbetriebnahme der Anlage erfolgt die Durchfüh- Miniplant wurden die Explosionsgefahren in enger Zusam- rung von ersten kurzen Testuntersuchungen im kontinuierli- menarbeit mit den Sicherheitsingenieuren des Kooperati- chen Versuchsbetrieb mit einfach zu handhabenden reinen onspartners und der TFH Berlin tätigkeitsbezogen ermittelt Kunststoffgranulaten (ohne PVC). Dabei soll die Funktionsfä- und beurteilt. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen sind in higkeit der Anlage geprüft werden. Gegebenenfalls müssen einer Explosionsschutzbeurteilung dokumentiert. Diese bereits hier konstruktive Modifizierungen an der Anlage vor- lässt den Schluss zu, dass unter Beachtung der gewählten genommen werden. Maßnahmen (z.B. Einhausung und Objektabsaugung der ge- samten Miniplant, Einsatz von stationären und mobilen Gas- Die Experimente an der Miniplant gestalten sich komplex warngeräten für brennbare Gase) die Bildung einer gefähr- und sehr zeitaufwändig. So beträgt nach internen Berech- lichen explosionsfähigen Atmosphäre sicher verhindert nungen, unter Zugrundelegung der projektierten Heizleis- wird. Somit muss keine Zoneneinteilung vorgenommen wer- tung von 2 kW, die Aufheizzeit des Rührreaktors auf Soll- den, welche die explosionsgeschützte Auslegung der Anla- temperatur bis zu vier Stunden. Deshalb soll der Betrieb der genkomponenten und der Laboreinrichtungen erforderlich Miniplant während der drei geplanten mehrtägigen Ver- machen würde. suchsfahrten durch den Einsatz von studentischen Hilfskräf- ten im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr sichergestellt Im weiteren Verlauf der Projektierung wurden geeignete An- werden. Das Recruitment des Betriebspersonals in Vorberei- lagenbauer kontaktiert und zur Abgabe eines Angebotes tung der Personaleinsatzplanung wurde erfolgreich abge- aufgefordert. Die Auswahl der Anlagenbauer gestaltete sich schlossen. schwieriger als erwartet, da sich nach ersten Gesprächen herauskristallisierte, dass bundesweit nur sehr wenige Fir- In der ersten Versuchsreihe sind drei mehrtägige Versuchs- men über die erforderlichen Erfahrungen und Spezialkennt- fahrten im kontinuierlichen Betrieb geplant. Dabei sollen nisse im wissenschaftlich-technischen Apparate- und Temperatur, Druck, Katalysator und Durchsatz variiert wer- Gerätebau verfügen. Die von den angefragten Anlagenbau- den. Zum Einsatz kommt eine Mischung reiner Kunststoffe ern erstellten Angebote wurden in Hinblick auf technische (z.B. PE, PP, PS, PET) ohne PVC. Plausibilität geprüft und gegenüber dem Kooperationspart- ner eine Empfehlung für die Beauftragung ausgesprochen. In der zweiten Versuchsreihe sind ebenfalls drei mehrtägige Somit konnte der im Projektantrag definierte Kostenrahmen Versuchsfahrten mit definierten Mischungen verschiedener für den Bau der Miniplant eingehalten werden. reiner Kunststoffe mit unterschiedlichen PVC-Anteilen unter den bereits optimierten Verfahrensparametern geplant. Die Nach der Auftragsvergabe wurde mit der Auslegungspla- PVC-Anteile werden voraussichtlich im Bereich von 1 bis 15 % nung der Miniplant im Sinne eines detail engineering begon- variiert. Zur Absorption des bei der Reaktion entstehenden nen. Dabei war es besonders hilfreich, Synergieeffekte, die Chlorwasserstoffs wird gebrannter Kalk (CaO) zugesetzt. sich aus der Zusammenarbeit mit dem beauftragten Anla- Dieser wird vor den einzelnen Versuchen mit dem Kunststof- genbauer ergaben, zu nutzen. feinsatz gut vermengt und mit ihm gemeinsam über den Ex-

104 Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

truder in den Reaktor befördert. Da die Reaktion von Chlor- line mittels selbstansaugendem Micro-GC der Fa. SLS Micro wasserstoff mit CaO zu CaCl2 nicht stöchiometrisch verläuft, Technology GmbH (siehe Abb. 4). Dieser vollwertige Gas- muss mit einem ca. 2,5-fachen molaren Überschuss gearbei- chromatograph ist mit einem automatischen Probenahme- tet werden [KIR03]. ventil, einer gepackten Carbosphere-Säule und einem Wärme- leitfähigkeitsdetektor ausgestattet. Durch die konsequente In der dritten und letzten Versuchsreihe werden schließlich Verwendung von Bauteilen der Mikrosystemtechnik konnte drei mehrtägige Versuchsfahrten mit authentischen PVC-hal- mit diesem Gerät die Dauer der Analysezyklen auf <60 s ver- tigen Kunststoffabfallgemischen unterschiedlicher Herkunft kürzt und der Trägergasverbrauch auf <150μl/min minimiert durchgeführt. Hierbei wird u.a. untersucht, ob der favori- werden. Die Identifizierung und Kalibrierung der einzelnen sierte Katalysator über die erforderliche Langzeitaktivität Gaskomponenten erfolgte über die Retentionszeiten mit verfügt. Hilfe von Prüfgasen. Die Software gestattet die Anzeige der Konzentrationen der gemessenen Gaskomponenten aus der Um überprüfen zu können, ob sich das Zersetzungsverhal- Langzeitmessung in einem Trendverlauf über die Zeit. ten und damit die Produktverteilung und die Zusammenset- zung während der Versuchsfahrten ändert, wird die gesamte Versuchsreihe in mehrere kurze Messperioden und längere Zwischenperioden eingeteilt. Die entstehenden Produkte der Messperioden werden analysiert. Die Zwischenperioden dienen dazu, einen lückenlosen zeitlichen Verlauf des Pro- duktanfalls aufzunehmen. Die während dieser Zeit anfallen- den Produkte werden nicht weiter analysiert.

Da die analytische Aufarbeitung der Produktproben in erster Linie an Labore innerhalb der TFH Berlin vergeben werden soll, wurden die betreffenden Fachbereiche in die Entwick- lung der Methodik einbezogen. Abb. 4: Messaufbau Micro-GC (Foto: Marks 2008) Die bei der Kunststoffspaltung entstehenden Produkte liegen bei Raumtemperatur in drei Phasen (gasförmig, flüssig, fest) Schirmer [SCH04] fand bei seinen Untersuchungen zur Spal- vor. Dabei handelt es sich um ein Produktgas (Gasfraktion), tung von Polyolefinen einen Zusammenhang zwischen dem ein Kopfprodukt (Ölfraktion mit Siedetemperatur <420 °C) Ethangehalt des Produktgases und der Aktivität des Kataly- und ein Sumpfprodukt (Rückstandsfraktion). Die Produkte sators. Der Ethangehalt nimmt mit zunehmendem Deaktivie- und Edukte werden nach dem in Abb. 3 dargestellten Schema rungsgrad des Katalysators zu. Somit besteht mit der online- erfasst und aufgearbeitet. GC-Messung eine einfache Möglichkeit, den Zustand des Ka- talysators während der Versuchsfahrten zeitnah zu beurteilen. Die Analyse des Produktgases auf die Komponenten H2, CH4, CO, CO2 und C2- bis C4-Kohlenwasserstoffe erfolgt on- Die Verwendung cadmium- und bleihaltiger Stabilisatoren in PVC-Produkten (meistens aus dem Baubereich) führt, zu- sätzlich zum Chloreintrag, zu einem erheblichen Schwerme- talleintrag in das Reaktionssystem. Hier muss durch die Analytik der Verbleib abgeklärt werden, um die im ersten Ka- pitel dieser Arbeit postulierte Produktqualität der Ölfraktion sicherzustellen.

Die aliphatischen Verbindungen in dem Produktöl werden identifiziert und in Gruppen entsprechend ihrer Kohlenstoff- anzahl zusammengefasst. Die Gruppe C5 bis C20 entspricht einem Siedebereich von ca. 30°C bis 300°C und repräsen- tiert die Zielfraktion der aliphatischen Öle.

Im Produktöl wird die Identifizierung für die Produktqualität Abb: 3: Produkterfassungs- und Analytikschema wichtiger Stoffgruppen und Individuen (z.B. cyclische und

105 Hydrierung PVC-haltiger Kunststoffabfälle bei niedrigem Druck

nicht-cyclische aliphatische Kohlenwasserstoffe, Aromaten, suchsparametern mittels Pyrolyse-GC/MS. – Online im In- Alkane und Alkene, chlororganische Verbindungen) durchge- ternet: www.chemie.uni-ham- führt und deren Anteile quantifiziert. Die aromatischen Ver- burg.de/bibliothek/diss2003.htm [Stand 2008-03-04]. bindungen im Produktöl werden in BTX-Aromaten (Benzol, [KÖN93] König, Michael; Marks, Manfred (1993): Katalytische Toluol, Xylol) und Styrol sowie in übrige aromatische Verbin- Druckhydrierung von organischen Abfallstoffen in Gegen- dungen inklusive Styrololigomere unterteilt. wart von Methanol. – unveröffentlichter Abschlußbericht zum Forschungsvorhaben AIF Nr. D-257 und DGMK Nr. 3. Zusammenfassung 471, Berlin. Im Rahmen des Verbundprojektes mit dem Kooperations- [SCH04] Schirmer, Johannes (2004): Katalytisches Recycling partner konnten mit der Auslegungs- und Entwurfsplanung von polyolefinischen Kunststoffen. – 1. Aufl., München. der Miniplant und mit der Versuchs- und Analytikplanung [STE07] Stelzer Rührtechnik International GmbH: persönliche wichtige Arbeitspakete fristgerecht abgeschlossen werden. Mitteilung vom 29.11.2007. Während der Projektierung der Miniplant stellte sich heraus, dass aufgrund der erhöhten weltweiten Nachfrage, insbe- sondere nach Stahl und Stahlerzeugnissen, gegenüber den Kontakt ursprünglichen Planungen mit erheblich längeren Lieferzei- Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Geike ten zu rechnen ist. In der Folge werden die Inbetriebnahme Technische Fachhochschule Berlin der Miniplant und die ersten Testuntersuchungen – abwei- FB VIII - Haus Beuth, Raum A 53 chend von früheren Planungen – erst im Mai 2008 erfolgen. Luxemburger Straße 10 Somit konnte das letzte Projektziel, die Durchführung der 13353 Berlin Versuchsfahrten, leider nicht mehr erreicht werden. Tel.: (030) 4504-2936 E-Mail: [email protected] Auf den ersten Blick erscheint der Aufwand im Zusammen- hang mit dem Bau der Miniplant hoch. Es ist jedoch zu be- denken, dass der Einsatz einer Versuchsanlage auch während Kooperationspartner des Betriebes kommerzieller Anlagen unabdingbar ist. So uve GmbH für Managementberatung kann z.B. kurzfristig mit Testuntersuchungen auf Änderun- Kalckreuthstraße 4 gen bei der Zusammensetzung des Kunststoffabfalls rea- 10777 Berlin giert werden. Tel.: (030) 31582440

Förderung Das Verbundprojekt „Hydrierung von PVC-haltigen Kunst- stoffabfällen bei niedrigem Druck“ wird von der Europäi- schen Union kofinanziert (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung).

Literatur [CHE07] Chemie.de Informationsservice (2007): Chemie- Rohstoffe: Öldruck steigt. – Online im Internet: www.chemie.de/news/d/74322 [Stand 2008-03-04]. [CON06] Consultic Marketing & Industrieberatung GmbH (2006): Produktion, Verarbeitung und Verwertung von Kunststoffen in Deutschland 2005, Kurzfassung. – Online im Internet: www.bkv-gmbh.de/site/index.php?artID=24 [Stand 2008-03-04]. [DKR01] Deutsche Gesellschaft für Kunststoffrecycling mbH (2001): Geschäftsbericht 2000. – Köln. [KIR03] Kirsten, André (2003): Chemisches Recycling von PVC-haltigen gemischten Polyolefinabfällen sowie COC- Materialien durch Pyrolyse und Optimierung von Ver-

106 Akademisches Auslandsamt

Entwicklung der Auslandsaufenthalte von TFH-Studierenden im Pflichtpraktikum und im Erasmus-Programm André Lausch, M.A., Prof. Dr. Gudrun Görlitz, Dr. Karlheinz Borchert in Zusammenarbeit mit dem Akademischen Auslandsamt

Die Entwicklung der Anzahl der Auslandsaufenthalte von Studierenden der Technischen Fachhochschule Berlin (TFH) er- gibt kein einheitliches Bild. Die internationale Mobilität der Studierenden ist dabei fachspezifisch, wobei Frauen häufiger ins Ausland gehen als Männer. Es zeichnet sich dabei die Frage ab, ob die Umstellungen auf Bachelor-/Masterstudien- gänge Auswirkungen auf die Mobilität der TFH-Studierenden hat. Hierzu kann derzeit nur ansatzweise eine Antwort gege- ben werden.

The development of the international mobility of the students at the University of Applied Sciences, Berlin is not consis- tent. The will to take part in such a mobility program during the graduate studies depends on the subject of study. It is also noticeable that women take part more often than male students. A topic that arises is the question of how the change to the Bachelor and Master courses affects the number of students going abroad. Only the beginning of an answer can be given at this time.

1. Einleitung Auslandserfahrungen wesentlich höher, als die hier erfasste. Den Studierenden der Technischen Fachhochschule Berlin Im Folgenden werden beide Bereiche nebeneinander be- (TFH) bieten sich im Rahmen ihres Studiums drei wesentli- trachtet. che Möglichkeiten eines Aufenthaltes im Ausland an. Sie können ein oder zwei Semester an einer ausländischen 2. Gesamtentwicklung der Anzahl der TFH-Erasmus- Hochschule studieren, ein Praktikum bei einem ausländi- Studierenden und Pflichtpraktika im Ausland schen Arbeitgeber absolvieren oder ihre Abschlussarbeit in Es ist festzustellen, dass die Anzahl der Studierenden, die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Arbeitgeber oder am Erasmus-Programm teilgenommen haben, und die An- Forschungsinstitut erstellen. zahl der Studierenden, die ein Auslandssemester absolvie- ren, nicht entsprechend der Gesamtstudierendenzahl im Die vorliegende Analyse entstand im Rahmen der Forschungs- Betrachtungszeitraum angestiegen sind. Längerfristig be- assistenz im Akademischen Auslandsamt und versteht sich trachtet ergibt sich im Erasmus-Programm für den Zeitraum als Beitrag zu dem Ziel, die Arbeit der Auslandsbeauftragten vom Akademischen Jahr 2000/2001 bis zum Akademischen besser zu vernetzten und die Arbeit des Auslandsamtes Jahr 2006/2007 eine leichte Zunahme, wobei im ersten Jahr sowie der Partnerschaften zu optimieren. Ziel ist eine Be- mit 29 die geringste Teilnehmeranzahl verzeichnet werden standsaufnahme der derzeitigen Auslandsmobilität von TFH- konnten. Die höchste Anzahl gab es 2005/2006 mit 38 Teil- Studierenden. Aufgrund der Datenlage beschränkt sich die nehmer und Teilnehmerinnen. Bei dieser Entwicklung muss Betrachtung auf zwei Bereiche: den Studierendenaustausch beachtet werden, dass die Anzahl der Stipendien für das im Rahmen des Erasmus-Programms und Auslandsaufent- Programm begrenzt ist und nicht jedes Jahr in gleicher Höhe halte im Rahmen der Pflichtpraktika. Dabei werden im We- durch den Deutschen Akademischen Auslands Dienst (DAAD) sentlichen die vergangenen drei abgeschlossenen akade - bewilligt wird. mischen Jahre betrachtet. Bei den Zahlen der Auslandspraktika wurden für 2004/05 Die beiden herausgegriffenen Bereiche repräsentieren ledig- 114 erfasst. 2005/06 waren es 118 und 2006/07 112. Sowohl lich zwei Möglichkeiten des Studierendenaustausches. Das für Auslandspraktika als auch für Auslandsstudienaufent- Erasmus-Programm beschränkt sich auf Länder der EU sowie halte über das Erasmus-Programm kann somit festgestellt Liechtenstein, Norwegen, Island und Türkei. Studierende werden, dass 2005/06 die höchste Anzahl an Studierenden gehen aber auch im Rahmen anderer Partnerschaften und erfasst wurde. Eine These hierfür ist, dass Studierende der Austauschprogramme für einen Studienaufenthalt ins Aus- auslaufenden Diplomstudiengänge die Möglichkeit für einen land. Für die Auslandspraktika gilt, dass Studierende über Auslandsaufenthalt verstärkt wahrgenommen haben, wäh- die in den Studienordnungen festgeschrieben Pflichtprak- rend 2006/07 die Umstellung auf die Bachelor- und Master- tika praktische Erfahrungen außerhalb Deutschlands sam- studiengänge zunächst einen Rückgang an Auslandsaufent - meln. Somit ist die Gesamtanzahl der TFH-Studierenden mit halten bewirkte.

107 Entwicklung der Auslandsaufenthalte von TFH-Studierenden im Pflichtpraktikum und im Erasmus-Programm

Die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) hat im Auf- Fachbereich 2004/05 2005/06 2006/07 trag des DAAD und des Bundesministeriums für Bildung und I: Wirtschaft- und absolut 6 8 13 Gesellschaftswissen. relativ 0,49 0,64 1,11 Forschung (BMBF) eine Studierendenbefragung zum Thema II: Mathematik - Physik - absolut 9 11 15 der internationalen Mobilität durchgeführt. In dieser Studie Chemie relativ 0,94 1,09 1,68 zeigte sich, dass Studierende in Bachelorstudiengängen an III: Bauingenieur- und absolut 17 16 14 Geoinformationswesen relativ 1,74 1,65 1,56 Fachhochschulen weniger Auslandserfahrungen haben als IV: Architektur und absolut 11 16 18 Studierende in Diplomstudiengängen (9% gegenüber 21%). Gebäudetechnik relativ 0,80 1,17 1,44 Die Autoren geben aber zu bedenken, dass die Befragten in V: Life Sience and absolut 21 26 16 Technology relativ 1,41 1,61 1,02 den Bachelorstudiengängen sich wesentlich häufiger im ers- VI: Informatik und absolut 21 26 16 ten Studienjahr befanden als die Befragten in den Diplom- Medien relativ 1,05 0,74 0,61 studiengängen und die Auslandsaufenthalte zumeist im VII: Elektro- und absolut 7 13 8 Feinwerktechnik relativ 0,47 0,84 0,53 späteren Studienabschnitt erfolgen [Heu07a: 6]. VIII: Maschinenbau, Verfah- absolut 22 13 16 rens- und Umwelttechnik relativ 1,16 0,65 0,83 3. Betrachtung nach Fachbereichen absolut Gesamt: 114 118 112 In den Tabellen 1 und 2 sind die TFH-Studierenden im Eras- Tabelle 2: Studierende der TFH im Auslandspraktikum nach Fachberei- mus-Programm und im Auslandspraktikum nach Fachberei- chen. Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen chen dargestellt. Neben der absoluten Zahl ist für die Ver- gleichbarkeit auch eine relative aufgeführt. Für diese wurde land, während aus dem Fachbereich VII wenige Studierende der prozentuale Anteil am Erasmus-Programm bzw. der Ge- zum Praktikum ins Ausland gingen. Im Vergleich von Eras- samtheit der Auslandspraktika des jeweiligen Fachbereichs mus-Programm und Auslandspraktika fällt auf, dass die in Relation zum Gesamtanteil an der Studierendenschaft der Streuung der relativen Werte für Erasmus wesentlich höher TFH gesetzt. Dabei drückt ein Wert gleich 1 aus, dass der An- ist als für die Praktika (0–2,51 gegenüber 0,47–1,74). Durch teil der Teilnehmerinnen dem Anteil an der Gesamtstudie- eine genauere Betrachtung einzelner Studiengänge soll er- rendenschaft entspricht, bei kleiner als 1 nehmen weniger mittelt werden, welche Faktoren diese unterschiedliche rela- teil und bei einem Wert größer als 1 mehr. tive Teilnahme der Studierenden der einzelnen Fachbereiche erklären können. Fachbereich 2004/05 2005/06 2006/07 I: Wirtschaft- und absolut 2 10 5 4. Betrachtung ausgewählter Studiengänge Gesellschaftswissen. relativ 0,76 2,51 1,51 II: Mathematik - Physik - absolut 3 2 5 Dass Studierende aus verschiedenen Studiengängen unter- Chemie relativ 1,45 0,62 1,98 schiedlich stark am Erasmus-Programm teilnehmen, könnte III: Bauingenieur- und absolut 0 1 2 Geoinformationswesen relativ 0,00 0,33 0,79 an der differierenden Attraktivität möglicher Partnerhoch- IV: Architektur und absolut 6 10 7 schulen liegen. Die Partnerschaften werden für bestimmte Gebäudetechnik relativ 2,02 2,31 1,98 Studiengänge und mit einer bestimmten Zahl an Austausch- V: Life Sience and absolut 2 6 3 Technology relativ 0,62 1,17 0,68 plätzen geschlossen. Beispielhaft werden die größten Studien- VI: Informatik und absolut 8 6 2 gänge der Fachbereiche III und IV betrachtet: Bauingenieur- Medien relativ 1,86 0,93 0,36 wesen und Architektur. VII: Elektro- und absolut 2 2 6 Feinwerktechnik relativ 0,63 0,41 1,41 VIII: Maschinenbau, Verfah- absolut 2 1 2 Im Studiengang Architektur sind in allen drei untersuchten rens- und Umwelttechnik relativ 0,49 0,16 0,06 Jahren mehr als fünf Studierende über das Erasmus-Programm absolut Gesamt: 25 38 32 ins Ausland gegangen, von den Studierenden des Faches Tabelle 1: Erasmus-Studierende der TFH nach Fachbereichen. Bauingenieurwesen waren es dagegen zusammengenom - Quelle: Abschlussberichte, eigene Berechnungen men nur drei. Für Letztere gibt es zurzeit neun Partnerschaf- ten in fünf Ländern mit insgesamt 18 Plätzen, für die Archi- Die Tabelle 1 zeigt, dass der Fachbereich IV in allen Jahren tekten nur sechs Partnerschaften in fünf Ländern mit 15 Plät- eine große Anzahl seiner Studierenden über das Erasmus- zen. Das Angebot hat sich dabei im Betrachtungszeitraum Programm ins Ausland schickte und damit immer deutlich unter dieser Perspektive unwesentlich verändert. Somit neh- über dem TFH-Durchschnitt lag, während die Fachbereiche men Bauingenieure trotz des größeren und vielfältigeren An- III und VIII stets unterdurchschnittlich am Erasmus-Pro- gebotes seltener am Erasmus-Programm teil. Die Attraktivi- gramm partizipierten. Für die Auslandspraktika ergibt sich tät des Angebotes selbst ist demzufolge nicht allein aus- jedoch ein anderes Bild (Tabelle 2). schlaggebend, da die Auslandsbeauftragten beider Fachbe- Aus den Fachbereichen III und V absolvieren stets über- reiche über Auslandsaufenthalte mit ähnlichen Maßnahmen durchschnittlich viele Studierende ein Praktikum im Aus- und Material informieren.

108 Akademisches Auslandsamt

Akademisches A: Studierende im B: Studierende im 4. A in Prozent Jahr Auslandspraktikum bzw. 5. Fachsemester von B 2004/05 12 28 42,86% 2005/06 10 26 38,46% 2006/07 10 49 20,41%

Tabelle 3: Studierende der Kartographie im Auslandspraktikum. Quelle: Offizielle Studierendenstatistik, eigene Erhebungen

Im Bereich der Praktika absolvierten im Studiengang Karto- Studierende gegangen. Bis auf Frankreich erzielen die ge- graphie besonders viele Studierende innerhalb von Projek- nannten Länder dabei auch für jedes Jahr eine Auslastung ten im Ausland ihr Pflichtpraktikum. Zwischen dem Winter- der vertraglich geregelten Plätze von vierzig und mehr Pro- semester 2004/05 und dem Sommersemester 2007 gingen zent. Der Großteil der Erasmus-Studierenden wählt dem- 32 Studierende für ihr Pflichtpraktikum ins Ausland, der Re- nach das westeuropäische Ausland. lationswert (Anteil an der Gesamtstudierendenschaft zum Anteil an den Praktikanten) liegt für die drei Jahre zwischen Bei den Praktika sind die Studierenden der TFH auf allen 5,3 und 6,7. Sie sind also überdurchschnittlich stark vertre- Kontinenten unterwegs. Europa führt diese Liste deutlich ten. Die Studienordnungen des Bachelor- und des Diplom- mit mehr als vierzig Prozent an. In den anderen fünf Regio- studienganges in Kartographie sehen eine Praxisphase vor, nen: Nordamerika, Lateinamerika (inkl. Mittelamerika), die erstere im vierten und die zweite im fünften Fachsemes- Afrika, Asien und Australien (inkl. Neuseeland), haben je- ter. Die Tabelle 3 zeigt die Gesamtzahl der Studierenden im weils fünf bis zwanzig Studierende im Jahr ihr Praktikum ab- 4. und 5. Fachsemestern im Vergleich zur Anzahl der Studie- solviert. Im Jahr 2004/05 war die Anzahl mit ca. zehn Stu- renden im Auslandspraktikum (Tabelle 3). dierenden je Kontinent relativ gleichmäßig verteilt. 2006/07 gingen dagegen je 19 Studierende nach Nordamerika und Im Studienjahr 2006/07 gab es sowohl Bachelor- als auch Asien, nach Afrika dagegen nur fünf. Bei einer genaueren Diplom-Studierende. Daraus resultiert die gestiegene Ge- Betrachtung der europäischen Länder fällt im Besonderen samtstudierendenanzahl im 4. und 5. Studiensemester. Die für 2006/07 die Schweiz auf, welche mit 14 Praktikanten Anzahl der Studierenden, die ein Auslandspraktikum absol- und Praktikantinnen das beliebteste Zielland war. Häufig ge- vierte, stieg jedoch nicht adäquat an. Eine Ursache könnte wählt wurden auch Irland und Großbritannien, die romani- sein, dass die Studienordnung des Diplomstudiengangs ein schen Länder und die Benelux-Staaten. Ost- und Südost- ganzes Semester für die Praxisphase reserviert, während europa wird beim Praktikum im Gegensatz zum Erasmus- der Bachelorstudiengang 10 Wochen vorsieht. Die kürzere Studium ebenfalls ausgewählt. Ein klarer Trend lässt sich Phase könnte dazu geführt haben, dass Studierende den aus der dreijährigen Statistik nicht ableiten. Aufwand scheuen, sich für eine so kurze Zeitdauer im Aus- land eine Stelle zu suchen. Ebenso muss berücksichtigt wer- Betrachtet man den englischen Sprachraum (Nordamerika, den, dass viele Förderprogramme von einer Mindestdauer die britischen Inseln, Australien und Neuseeland), so fällt von drei Monaten ausgehen und auch, dass viele Arbeit- auf, dass ca. 1/3 aller Studierenden dort ihr Praktikum ab- geber nicht unter diesem Zeitraum Praktikanten beschäf- solvieren. Damit liegt dieser Sprachraum vor dem romani- tigen. schen und deutschen. Darüber hinaus ist Englisch in vielen anderen Ländern auch Arbeitssprache. Die für das Prakti- 5. Betrachtung nach Zielregionen und -ländern kum ermittelten Werte zu den Zielregionen ähneln denen, Für das Erasmus-Programm gibt es derzeit über 50 Partner- die Heublein und Hutzsch in ihrer Befragung ermittelt haben schaften und 101 vertraglich geregelte Austauschplätze in 18 [Heu07a: 4]. Ländern. Die Anzahl der Plätze und Partnerschaften und somit das Angebot nahm dabei innerhalb des Betrachtungs- 6. Betrachtung nach Geschlecht zeitraumes zu, dies gilt nicht für den Umfang der zur Verfü- Der Anteil der weiblichen Studierenden an der Gesamtheit gung stehenden Stipendienmittel. Bis auf einen Studenten, liegt an der TFH bei ca. 27 Prozent im gesamten Betrach- der ein Semester in Tallin studierte, wurde das Angebot in tungszeitraum. Der Anteil im Bezug auf das Erasmuspro- den osteuropäischen Ländern nicht wahrgenommen, ge- gramm ist stärker schwankend. Von 2000/01 bis 2006/07 nauso wenig für Österreich. Griechenland wurde wie Estland lag er zwischen 27,6 und 66,7 Prozent, in den letzten drei nur einmal gewählt. Nach Frankreich, Großbritannien, Irland, Jahren zwischen 31,3 und 36,0 Prozent. Er lag damit stets den Niederlanden sowie Spanien sind jeweils zwei und mehr höher, als der Anteil der Studentinnen vermuten ließ. Die

109 Entwicklung der Auslandsaufenthalte von TFH-Studierenden im Pflichtpraktikum und im Erasmus-Programm

großen Schwankungen erklären sich durch die relativ ge- aufenthaltes durch bessere finanzielle Unterstützung erhöht ringe Anzahl. werden. Die TFH arbeitet daran hierfür die Rahmenbedin- gungen zub schaffen und das Programm aktiv zu bewerben. Für die Praktika lag der Anteil der Studentinnen im selben Die Tatsache, dass bereits jetzt mehr Studierende ein Zeitraum zwischen 36,8 und 44,5 Prozent und somit noch Pflichtpraktikum im EU-Ausland absolvieren als am Eras- stärker über dem TFH-Gesamtwert als beim Erasmus-Pro- mus-Studierendenaustausch teilnehmen, spricht für ein po- gramm. Beide Bereiche bestätigen die Aussagen der 18. So- tenziell hohes Interesse an dieser Förderung. Bei der zialerhebung des Deutschen Studentenwerks, dass Frauen Bewerbung dieses Programms und von Auslandsaufenthal- häufiger ins Ausland gehen als Männer [Iss07: 166]. ten allgemein muss eine fachspezifische Ansprache gefun- den werden. 7. Weitere Faktoren Neben den fachspezifischen Besonderheiten, wie zum Bei- Bevor die Daten einer abschließenden Auswertung unterzo- spiel bei der Kartographie, gilt es herauszufinden, unter wel- gen werden, sollen wesentliche Faktoren aus der Literatur chen anderen Vorraussetzungen einige Fachbereiche einen genannt werden. Diese beziehen sich somit nicht direkt auf höheren Anteil an Absolventen mit Auslandserfahrungen die TFH, treten hier aber sicherlich in ähnlicher Art und haben als andere und wie diese Bedingungen im Sinne Weise auf. In der Umfrage des HIS ist die Fächergruppe der eines Best-Practice-Modells übertragbar sind. Hierfür bedarf Ingenieurwissenschaften diejenige mit dem geringsten An- es weiterer Untersuchungen. teil an Studierenden, die einen studienbezogenen Auslands- aufenthalt durchgeführt haben [Heu07a: 6]. Ebenfalls ist es die Fächergruppe mit den geringsten Fremdsprachenkennt- Literatur nissen [Heu07b: 15]. Die Sprachkenntnisse zu vertiefen, ist [Heu07a] Heublein, Ulrich und Hutzsch, Christopher: Unter- eine der häufigsten Motivationen für einen Auslandsaufent- suchungsergebnisse im Überblick: Internationale Mobili- halt, nach „neue Erfahrungen sammeln“ und „eine andere tät im Studium. Studienbezogene Aufenthalte deutscher Kultur kennenlernen“ [Heu07a: 7]. Somit stellt sich die Frage, Studierender in anderen Ländern; www.his.de, 2007. ob Studierende der Ingenieurwissenschaften weniger Inte- [Heu07b] Heublein, Ulrich/Özkilic, Murat und Sommer, resse an Fremdsprachen sowie anderen Kulturen mitbringen, Dieter: Aspekte der Internationalität deutscher Hoch- als Studierende anderer Fächergruppen und durch welche schulen. Internationale Erfahrungen deutscher Studieren- Maßnahmen das Interesse geweckt werden kann. der an ihren heimischen Hochschulen; Bonn 2007. [Iss07] Isserstedt, Wolfgang/Middendorff, Elke/Fabian, Der wichtigste Faktor hinsichtlich des Nichtzustandekom- Gregor und Wolter, Andrä: Die wirtschaftliche und soziale mens von Auslandsaufenthalten und des Nichtinteresses an Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutsch- solchen ist finanzieller Natur [Heu07a: 11f]. So haben bei- land 2006: 18. Sozialerhebung des Deutschen Studenten- spielsweise zwei Studentinnen der TFH im laufenden Jahr werks; Berlin, Bonn 2007. Abstand vom Erasmus-Aufenthalt genommen, weil die Aus- lands-BAföG-Bewilligung nicht zeitnah erfolgen konnte. Auch deckt die Erasmus-Förderung zumeist nur unzureichend Kontakt die entstehenden Mehrkosten ab. Ein weiterer wichtiger Fak- Prof. Dr. Gudrun Görlitz tor ist die zeitliche Vereinbarkeit mit dem Studium und die Technische Fachhochschule Berlin Anrechenbarkeit der Leistungen. Vizepräsidentin für Forschung und Entwicklung Präsidialgebaäude, Raum P001 8. Schlussfolgerung Luxemburger Straße 10 Mit der vorliegenden Untersuchung wird eine erste Analyse 13353 Berlin der Auslandsmobilität von TFH-Studierenden vorgelegt. In Tel.: (030) 4504-2333 den vergangenen drei Jahren ist es zu keinem wesentlichen E-Mail: [email protected] Anstieg der Teilnehmerzahlen am Erasmus-Programm oder bei den Auslandspraktika gekommen. Verkürzte Praxispha- Dr. Karlheinz Borchert sen bei der Umstellung auf Bachelor-/Masterstudiengänge Technische Fachhochschule Berlin könnten dazu geführt haben, dass es für die Studierenden AA - Haus Bauwesen, Raum D K31 schwieriger war einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium zu Luxemburger Straße 10 integrieren. 13353 Berlin Durch die neuen Förderinstrumente für Auslandspraktika im Tel.: (030) 4504-2768 Erasmus-Programm kann die Attraktivität eines Auslands- E-Mail: [email protected]

110 Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, TechnologieTransfer

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den ESF-geförderten Forschungs- projekten der TFH Berlin Dipl.-Psych. Isabelle Bareither, Elisabeth Pape, M.A., Monika Jansen, M.A., Dipl.-Hdl. Harald Joneleit, Prof. Dr. Gudrun Görlitz

Für die Technische Fachhochschule Berlin ist qualifiziertes Forschungsmanagement von essenzieller Bedeutung. Die ver- mehrte interne und externe Vermittlung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten ist ein wichtiges Ziel, welches im Rahmen des Forschungsassistenz-Projektes durch journalistische Querschnittsstellen gefördert werden soll. Im Fokus des Forschungs- und Wissensmanagements steht die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Presse- und Öffentlichkeitsar- beit für den Bereich Forschung und Entwicklung sowie des TechnologieTransfers. Dies beinhaltet konzeptionelle Arbeiten zur Präsentation von F&E-Ergebnissen bzw. die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zu eben diesem Zweck. Im vorliegenden Bericht werden die Möglichkeiten eines erweiterten Forschungsmanagements innerhalb der Quer- schnittsstellen an der TFH Berlin erörtert.

Professional Research Management is of essential importance to the University of Applied Sciences in Berlin (TFH). In this sense, increased communication of research and development is an important goal, which is to be stimulated through the Science-Assistant Program and the implementation of two cross-sectional employments. The design and expansion of acti- vities by the press- as well as Technology Transfer-office have been put in the spotlight of Research Management activities. Prominent activities include presentations of research- and development within the TFH as well as the organisation of press- and technology-related events. In the present paper, the possibilities of advanced Research Management as imple- mented by the Science-Assistant Program will be discussed.

1. Einleitung terne Medien. Einen wichtigen Bestandteil bildt dabei die Effektives Forschungsmanagement ist für Hochschulen un- Pflege und Ausgestaltung des Informationsangebots zu den abdingbar und beinhaltet die Erfassung der Forschungs- und Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkten im Internet in Entwicklungsprojekte sowie deren Präsentation in der Öf- engem Kontakt zum Bereich TechnologieTransfer. fentlichkeit [ARN 06]. In diesem Sinne widmet sich die Pres- sestelle der Technischen Fachhochschule Berlin (TFH) der Die Serviceeinrichtung TechnologieTransfer bietet sowohl in- systematischen Gestaltung und Pflege der Beziehungen zwi- nerhalb der Hochschule als auch im Austausch mit der Wirt- schen Hochschule zur Öffentlichkeit. Der TechnologieTrans- schaft Beratung und Unterstützung im Bereich des Wissens- fer (TT) fungiert im Sinne einer zentralen Schnittstelle und TechnologieTransfers. Das Leistungsangebot beinhaltet zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und forschungsfördern- sowohl die individuelle Beratung der Hochschulmitglieder den Institutionen. zu Themen der Forschungsförderung als auch die fachspezi- fische Bearbeitung von Unternehmensanfragen und Förde- Im Rahmen dieser Forschungsassistenz soll in Zusammenar- rung von Unternehmensgründungen. Kooperationen beit mit der Pressestelle und dem TechnologieTransfer die zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und der daraus resul- Präsentation der Forschungskompetenz und -aktivitäten der tierende Know-how-Transfer beleben die Forschungskultur TFH Berlin intern und extern verstärkt werden. Ziel ist es, und garantieren den Praxisbezug der Lehre an der TFH Berlin. das Profil der TFH Berlin innerhalb der nationalen Hochschul- landschaft zu schärfen sowie neue Kooperationspartner für Um die Pressearbeit der TFH Berlin im Allgemeinen und im den Forschungstransfer in die Wirtschaft zu gewinnen. Speziellen des TechnologieTransfers zu intensivieren, schien es sinnvoll, die Forschungsassistenzstelle zu teilen. Frau Ba- Im Fokus des Projekts steht die Wahrnehmung journalistischer reither ist in ihrer Arbeit direkt der Pressestelle zugeordnet, Querschnittsaufgaben zu Forschungs- und Entwicklungser- während Frau Pape für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gebnissen (F&E). Dies beinhaltet konzeptionelle Arbeiten (PR) im Bereich des TechnologieTransfers verantwortlich ist. zur Präsentation von F&E-Ergebnissen sowie die Organisa- Beide Forschungsassistentinnen bereiten Forschungsarbei- tion und Durchführung von Veranstaltungen zu diesem Zweck. ten zur Veröffentlichung auf. Im Fokus ihrer Arbeit stehen Ziel ist die Herstellung und Beförderung von Kontakten zu Presseinformationen und Berichte für die Campuszeitung, Journalistinnen und Journalisten sowie redaktionellen Arbei- die eine Auflage von 5000 Stück hat und online abgerufen ten für Corporate Media, Forschungspublikationen und ex- werden kann.

111 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den ESF-geförderten Forschungsprojekten der TFH Berlin

2. State of the art Insbesondere in den ESF-Projekten wie der Forschungsassis- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Bestand- tenz, ist die projektbezogene PR Bestandteil der Förderung teil wissenschaftlicher Arbeit. Die Präsentation von For- durch den Bologna-Prozess. Dieser Pflicht wird etwa im zen- schungsergebnissen bildet die Grundlage für den Wissen- tralen Drittmittelprojekt Forschungsassistenz in Form von schaftsaustausch zwischen Hochschule und Wirtschaft und Abschlussberichten, Ringvorlesungen sowie Pressemittei- ist Fundament des Wissensmanagements [BEL07]. lungen und Artikeln bezüglich der Forschungshighlights nachgekommen. Vor allem im Zuge der Bologna-Erklärung und dem daraus resultierenden Bologna-Prozess, welcher die Internationali- Um die Veränderungsprozesse für sich zu nutzen und den sierung des praxisnahen Hochschulstudiums zum Ziel hat, Anforderungen einer globalen Wirtschaft zu entsprechen, wird die Pressearbeit der TFH Berlin kontinuierlich intensi- will die TFH Berlin sich in der Öffentlichkeit mit ihren Ergeb- viert um die Transparenz ihrer Leistungen auf dem Gebiet nissen aus F&E stärker präsentieren. Aus diesem Grund wur- der anwendungsorientierten Forschung zu erhöhen. den die Querschnittstellen zur Verstärkung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geschaffen, um die Arbeit guter wissen- Die umfassenden Reformen des Bologna-Prozesses bedeu- schaftlicher Publikationen öffentlichkeitswirksam zu fördern. ten für Hochschulen neue Instrumente zur Qualitätssiche- rung, welche sowohl den Institutionen selbst als auch den 3. Pressearbeit an der Hochschule Studierenden und der Wirtschaft eine optimierte Orientie- Unter der Leitung von Pressereferentin Monika Jansen be- rung hinsichtlich der Studienprogramme bieten. steht die Aufgabe der Pressestelle an der TFH Berlin in der optimalen Präsentation der Hochschule, d.h. der systemati- Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Forschung schen Gestaltung und Pflege der Beziehungen der Institu- und Lehre zu sichern, hat die TFH Berlin diese Herausforde- tion zur Öffentlichkeit. Die Pressestelle setzt Kommunika- rung angenommen und ihre Studiengänge grundlegend um- tionsmittel gezielt und effizient ein, um eine bestmögliche strukturiert. Im Studienjahr 2005/2006 wurde das komplette Medienpräsenz zu erlangen, welche der Profilierung der Studienangebot auf die neuen zweistufigen Studienab- Hochschule gegenüber Wettbewerbern dient und öffentli- schlüsse Bachelor und Master umgestellt. Ziel der 72 Bache- ches Interesse an ihrer Forschung weckt. lor- und Masterstudiengänge ist eine inhaltliche Reform der Studienangebote, welche nach den Anforderungen der Wirt- Die Pressestelle ist verantwortlich für die interne und ex- schaft und Wissenschaft ausgerichtet wurde. terne Kommunikation, die Campus-Zeitung, Presseinforma- tionen, Pressekonferenzen, Veranstaltungskonzeption sowie Daraus ergeben sich sowohl für die Studierenden als auch Werbemaßnahmen. Außerdem ist sie Anlaufstelle für Alumni, für Unternehmen entscheidende Vorteile: Studierende profi- verantwortlich für Merchandisingprodukte, ISBN/ISSN-Ver- tieren von der Verringerung der Studiendauer und erlangen gabe und Amtliche Mitteilungen, Studiengangsflyer, Bro- durch international anerkannte Studienabschlüsse auch im schüren, Plakate, Programme, Visitenkarten sowie den Ausland aussichtsreiche Berufsperspektiven. Ein weiterer Pressespiegel. Vorzug der neuen Masterstudiengänge bzw. Masterarbeiten besteht in einer Optimierung der Zusammenarbeit mit den Nur die Leiterin der Pressestelle beschäftigt sich direkt mit regionalen Klein- und Mittelständischen Unternehmen der Pressearbeit an der Hochschule. Mittels der Verstärkung (KMU). Den Unternehmen bieten sich eine größere Vielfalt durch die Forschungsassistentinnen soll im Rahmen des an Qualifikationsstufen und passgenau qualifizierte Fach- Wissensmanagements die Publikation von Forschungser- kräfte. gebnissen sowie zusätzlichen Pressemitteilungen und Pres- setexten intensiviert werden. Um diese positive Entwicklung des Bologna-Prozesses aktiv mitzugestalten, ist es von großer Bedeutung, den Dialog 3.1. Beschreibung des Arbeitsgebietes zwischen Wissenschaft und Wirtschaft auszubauen, d.h. Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts besteht in der Un- Leistung und Bedarf zu kommunizieren. Wissenschaftliche terstützung der Pressestelle. Durch gezielte Maßnahmen Veröffentlichungen unterstützen die Ziele des Bologna-Pro- der Forschungs-PR kann die Corporate Identity der Hoch- zesses insofern als sie das Forschungsprofil der TFH trans- schule gestärkt werden. Als Corporate Identity bezeichnet parent und gleichzeitig im europäischen Kontext vergleich- man die spezifische, unverwechselbare Identität einer Ein- bar machen. Dies gewährleistet die nationale und interna- richtung, welche auf den Grundsätzen bzw. Zielsetzungen tionale Anerkennung der Forschung und somit die Steige- der Institution basiert [SEE05]. Mithilfe der Forschungsassis- rung der Wettbewerbsfähigkeit. tentinnen sollen die F&E-Ergebnisse der TFH Berlin vermehrt

112 Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, TechnologieTransfer

dazu beitragen, dass die Mitglieder der Hochschule die sondere Ereignisse im Rahmen der Hochschulkommunika- Identität mit der TFH verstärkt nach außen tragen. Um die- tion schaffen das Fundament für ein Vertrauen, welches un- ses Ziel zu verwirklichen, werden geeignete Kommunikati- erlässliche Basis für die effektive Kooperation zwischen onsmaßnahmen umgesetzt, die sich sowohl auf Printmedien Hochschule und Partnern aus der Wirtschaft ist. Innerhalb als auch auf das Internet, TV- und Hörfunkanstalten bezie- des Projektzeitraums konnten diesbezüglich erfolgreiche hen. So werden Pressemitteilungen an einen spezifischen Veranstaltungen zu dem Drittmittelprojekt ExzellenzTandem TFH-Verteiler gesendet und erreichen so über den Informati- („Workshop ExzellenzTandem in der Praxis“ am 12.10.2007 onsdienst Wissenschaft (idw) gezielt Fachjournalis- in der TFH Berlin) und zu High-Tech-Gründungen („Meine ten. Auf diese Weise erlangen Medienvertreter einen einfa- Idee, mein Unternehmen, mein Erfolg. Ich gründe ein High- chen und direkten Zugang zu Informationen und kompeten- Tech-Unternehmen“ am 6.11.2007 in der TFH Berlin) erfolg- ten Ansprechpartnern. Das Ziel besteht vor allem darin, die reich organisiert und mittels Pressemitteilungen und Hochschule attraktiv zu vermarkten und die Profilierung der Artikeln medial begleitet werden. eigenen Institution gegenüber Wettbewerbern zu stärken. Mit der Darstellung nach außen nimmt die TFH Berlin ihre In- Auch Pressekonferenzen dienen der Face-to-Face-Kommuni- teressen wahr, indem sie ihre Forschungskompetenz einer kation, in welcher der Kontakt direkt und persönlich zwi- breiten Öffentlichkeit präsentiert. schen Hochschule und Medienvertretern stattfindet. Her- vorzuheben ist diesbezüglich die äußerst erfolgreiche Pres- Zum einen dient dies der Ansprache von lokalen Entschei- sekonferenz zum Thema „Hochschule des Spitzensports“ dungsträgern und ansässigen Unternehmen, zum anderen am 30. Januar 2008 in der TFH Berlin, welche ein enormes der des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zu diesem Zweck Presse-Echo nach sich zog. Durch den Aufbau von Kontakten wurden im Rahmen der Hochschule ausgewählte Forschungs- zu Medienvertretern konnte im Rahmen des Projekts über- beiträge sowohl in Form von Pressemitteilungen, als auch dies ein Interview mit dem Berliner Mittelstandsmagazin Artikeln für die TFH-Presse bekannt gemacht. So wurde von „Berlin Maximal“ initiiert werden (In: Berlin Maximal 01/08). Frau Bareither das RESUM-Projekt „Eine Intervention zur Im Rahmen einer erfolgreichen Kommunikation ist eine be- Stressbewältigung bei gering qualifizierten Männern und ständige Erfassung des Presse-Echos auf Mitteilungen und Frauen unter der Projektleiterin Prof. Dr. Antje Ducki bear- Artikel der TFH Berlin in einem Pressespiegel unerlässlich. beitet. Frau Pape publizierte unter anderem zum Thema „E- Bisher wurde der Pressespiegel manuell erstellt und bean- Learning in der Architektur“ unter der Projektleiterin Prof. spruchte die Kapazitäten mehrerer Mitarbeiter der Presse- Dr. Ing. Susanne Junker (In: www.hausbau.de; www.ibau.de; stelle für durchschnittlich neun Stunden/Woche. Durch den www.bauzentrale.com ). Einsatz eines externen Medienmonitoring-Dienstes können die Personalressourcen effektiver genutzt und gleichzeitig Auch die Veröffentlichung von Pressemitteilungen und Arti- die Rechercheergebnisse ausgeweitet werden. Aus diesem keln in Fachzeitschriften sind in dieser Hinsicht von essen- Grund wurde im Rahmen dieser Forschungsassistenz eine zieller Bedeutung. Auf diese Weise können fachspezifische wissenschaftliche Untersuchung zur Möglichkeit des Einsat- Interessenten angesprochen und wertvolle Synergien zwi- zes eines Medienmonitoring-Dienstes innerhalb der TFH- schen verschiedenen Forschungsprojekten ermöglicht wer- Pressestelle vorgenommen. Zum fundierten Vergleich wur- den. So wird mit dem Kommunikationsinstrument der Cam- den nach vorheriger Recherche vier für die TFH Berlin in puszeitschrift „TFH-Presse“ nicht nur die Zielgruppe der Mit- Frage kommende Medienmonitoring-Dienste ausgewählt arbeiterinnen und Mitarbeiter und Studierendenden ange- und ein zweiwöchiger Testlauf gestartet. Nach Abschluss sprochen. dieses Testlaufs wurden die Dienste auf Kosten und Nutzen verglichen. Im Anschluss wurde ein Medienmonitoring- Die TFH-Presse präsentiert Artikel zu Forschungshighlights Dienst ausgewählt und vertraglich gebunden. Der ausge- und Innovationen und stellt Projekte sowie ihre Akteure vor. wählte Anbieter wird auch die bislang kaum beachtete, aber Ferner werden Veranstaltungen angekündigt. Dies dient deutlich relevante Print- und Online-Fachpresse erfassen, dazu, die Identifikation von Hochschullehrerinnen und -leh- was zu einem erhöhten Mehrwert an wichtigen Informatio- rern, Studierenden und (potenziellen) Kooperationspartne- nen für die TFH beiträgt. Insgesamt sucht der Mediendienst rinnen und -partnern mit der Hochschule zu fördern sowie in über 5000 Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Zeitschrif- Interesse für die Leistungen und Angebote der TFH Berlin zu ten und Anzeigenblättern sowie in über 2300 Internet-Me- wecken. dien und Weblogs. Der Radius der Publikationsrecherche vergrößert sich dadurch um ein Vielfaches und ermöglicht Um persönliche Kontakte zu den Zielgruppen zu schaffen, der Pressestelle, ihre Kommunikation optimal auszurichten. dienen auch Veranstaltungen als Kommunikationsmittel. Be- Nach dem Monitoring vier ausgewählter Medienbeobach-

113 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den ESF-geförderten Forschungsprojekten der TFH Berlin

tungsdienste möchte sich die Pressestelle für die Nutzung auf Wunsch das Trefferwort in den Printartikeln (etwa „Tech- des Mediendienstes 1 aussprechen. Die Vorteile dieses Pres- nische Fachhochschule Berlin“), was den Zeitaufwand bei sedienstes liegen bei der höchsten positiven Trefferquote der Bearbeitung deutlich verringert. Insgesamt ist das Preis- bzw. der geringsten Negativ-Quote. Bei allen Pressediens- Leistungs-Verhältnis bei Mediendienst 1 deutlich besser als ten, ausgenommen Mediendienst 2, müssen auch die nega- bei den getesteten Konkurrenten. Durch die Möglichkeit tiven Treffer bezahlt werden. Daher ist es von Vorteil, diese einer detaillierten, deutschlandweiten Internetbeobachtung so gering wie möglich zu halten. Außerdem beansprucht konnte die Resonanz auf Pressemitteilungen auch in den Mediendienst 1 bei einem Jahresvertrag die geringste Grund- Fachmedien gut gesichtet werden. Die Ergebnisse dieses gebühr (25 Euro/Monat). Die Gebühr für den Suchbegriff speziellen Monitoring weisen deutlich darauf hin, verstärkt liegt mit 31 Euro im mittleren Preissegment. Mediendienst 1 auch die Fachpresse einzubeziehen. versendet die Print-Artikel einmal wöchentlich. Täglich gibt es via E-Mail eine Benachrichtigung über erschienene Artikel 3.2. Ergebnisse: Veröffentlichungen, Medienbeobachtung und wo diese zu finden sind, was bei wichtigen Berichten Die folgenden Tabellen geben einen Überblick bezüglich der einen großen Vorteil bietet. Mediendienst 1 kennzeichnet Veröffentlichungen sowie der Medienbeobachtung.

Titel Erscheinungsdatum

ExzellenzTandem-Workshop an der TFH Berlin: Neue Netzwerkstruktur bringt 10/07 innovatives Wissen in Unternehmen Pilotprojekt ExzellenzTandem: Fachkräfte für Berliner Mittelstand 10/07 Gründerstipendien 2008: Mit dem Start-Up-Inkubator der TFH Berlin werden 10/07 innovative Geschäftsideen gefördert Deutscher Olympischer Sportbund: TFH Berlin ausgezeichnet als 12/07 „Hochschule des Spitzensports“ Empirische Studie der TFH Berlin: RFID-Technologie mit großer Zukunft 01/08 Ausgezeichnet: TFH Berlin ist erste „Hochschule des Spitzensports“ – zwölf 01/08 Studierende sind im „Berliner Team für Peking“ In fünf Phasen zum Erfolg: Die TFH ist „Hochschule des Spitzensports“ 01/08 Wettbewerb „Familie in der Hochschule“: TFH Berlin erhält Auszeichnung für 01/08 familienfreundliche Hochschulen Christian-Peter-Beuth-Preis 2007 geht an Edelgard Bulmahn 02/08 „ICOODB 2008“ an der TFH: Internationale Konferenz über Objektdatenbanken 03/08 E-Learning in der Architektur: Neue Medien trainieren die Vorstellungskraft 04/08 Erfolgreich im „Interactive TV Award“: TFH-Gründer gewannen 50.000 Euro 05/08

Tab. 1: Übersicht Presseinformationen – nach Thema und Erscheinungsdatum

Titel Erscheinungsdatum

Survival Handy 01/08 Exzellente Fachkräfte für Mittelstand. Workshop zeigt Praxis der Tandems 01/08 Lenné-Preis für ein Landschaftskonzept: Studierende gewinnen den Peter-Joseph-Lenné Preis 01/08 für das von ihnen entwickelte Landschaftskonzept Aus der Gründerwerkstatt der TFH Berlin: Mehr Zeit für die Medizin 01/08 Studieren mit Kind 02/08 Erfolgsgeschichte: Forschungsassistenz 02/08 Film ab! 02/08 Gründer machen blau 02/08 „Interactive TV Award“: Gründer erfolgreich 03/08 ExzellenzTandem 2008 gestartet: Gemeinsam in die Pedale treten 03/08 Innovatives E-Learning in der Architektur: Elementares Seh-Training an der TFH 03/08

Tab. 2: Übersicht Artikel TFH Presse – nach Thema und Erscheinungsdatum

114 Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, TechnologieTransfer

Mediendienst 1 Sinnvolle Treffer: 25 Nicht sinnvolle Treffer: 3 Kosten: 25 € Grundgebühr, 31 € Suchbegriff, 49,75 € Clippings, 2,75 € p. Postversand = 105,75 € + geschätzte Internetkosten: 2,25 € = 116,25 € Mediendienst 2 Sinnvolle Treffer: 15 Nicht sinnvolle Treffer: 33 Standard: 139,50 € Mediendienst 3 Sinnvolle Treffer: 21 Nicht sinnvolle Treffer: 8 Kosten: 37 € Grundgebühr, 54 € Suchbegriff, 64,12 € Clippings = 155,12 € Mediendienst 4 Sinnvolle Treffer: 18 Nicht sinnvolle Treffer: 6 Kosten: 42 € Grundpreis, 20 € Suchbegriff, 52,20 € Clippings = 114,20 €

Tab. 3: Testlauf Medienbeobachtung (14.4.2008 – 19.4.2008) an der Technischen Fachhochschule Berlin – nach Mediendienst, sinnvollen bzw. nicht sinnvollen Treffern und Kosten. (Anmerkung: Mediendienst 1 ließ während des Testlaufs die Internet-Medienbeobachtung unberücksichtigt. Die obige Berechnung basiert auf der Annahme, dass Mediendienst 1 gleich viele Links wie Mediendienst 4 gefunden hätte. Von 15 Internet-Links bei Mediendienst 4 waren fünf nützlich. Letztere wurden einberechnet, da nicht sinnvolle Links bei Landau Media selbstständig gelöscht werden können und damit nicht bezahlt werden müssen.)

4. Ausblick 5. Fazit Im Fokus des weiteren Projektverlaufs steht die kontinuierli- Während des Projektverlaufs konnten die Forschungsassis- che Intensivierung der Pressearbeit hinsichtlich der For- tentinnen ihre Fähigkeiten auf dem Gebiet der Presse- und schungsprojekte bzw. Forschungsergebnisse der TFH Berlin. Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Hochschule gewinnbrin- Um die PR für den TechnologieTransfer zu verstärken, wird in gend einsetzen und weiter entwickeln. In Zusammenarbeit Kürze die Konzeption und Redaktion einer umfassenden In- mit der Pressestelle und dem TechnologieTransfer konnten formationsbroschüre umgesetzt. Diese soll der mittel- und durch die Mitarbeit der Forschungsassistentinnen verstärkt längerfristigen Kommunikation der Hochschule mit ihren Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung präsentiert wer- (potenziellen) Kooperationspartnerinnen und -partnern, Mit- den. Des Weiteren konnten durch die Verstärkung des Pres- arbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Studierenden die- seteams wichtige Projekte, wie z.B. das Medienmonitoring nen. Mittels der repräsentativen Darstellung von Leistungen verwirklicht werden, welche die Möglichkeiten der Presse- und Angeboten des Technologietransfers können Geschäfts- stelle erweitern und zum Erfolg ihrer Kommunikation beitra- kontakte gepflegt und Neukunden gewonnen werden. Diese gen. sollen möglichst langfristig und intensiv an die Serviceleis- tung Technologietransfer der TFH Berlin gebunden werden, Insgesamt zeigte sich im Projektverlauf deutlich, dass die um die Zusammenarbeit zwischen angewandter Forschung Anforderungen an eine Intensivierung der Presse- und Öf- und regionaler Wirtschaft zu intensivieren. fentlichkeitsarbeit im Fachhochschulbereich auch einen hö- heren Bedarf an Personalkapazitäten mit sich bringen. Die Besondere Ereignisse im Rahmen der Unternehmenskom- Querschnittsstellen beförderten die Publikation der Leistun- munikation sind innerhalb der Förderperiode zum Einen die gen auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung und tragen „Unternehmenspräsentation Gründer“ (Juli 2008) in der TFH somit zur öffentlichkeitswirksamen Präsentation der TFH Berlin zum Anderen die Veranstaltung „Zwischenbilanz Ex- bei. Aufgrund der positiven Projektergebnisse wäre eine zellenzTandem“ (Juli 2008) in der TFH Berlin. personelle Erweiterung der Pressestelle erstrebenswert.

Außerdem sollen die besten Absolventinnen und Absolven- Überdies ist hinsichtlich der Zielgruppe junger Studierender ten der TFH Berlin künftig die Möglichkeit erhalten, ihre Ab- anzuregen, den Kommunikations-Mix der TFH zielgruppen- schlussarbeiten in einer separaten Publikation zu veröffent- gerecht um den Einsatz und die Nutzung neuer elektroni- lichen. Ein geeigneter Rahmen und Richtlinien hierfür wer- scher Medien wie beispielsweise Podcasts (denkbar wäre den derzeit erarbeitet. das Grußwort des Präsidenten) oder Videos (z.B. virtueller Rundgang durch die Gründerwerkstatt) zu erweitern. Es ist Überdies wird voraussichtlich am 1. Juni 2008 der automa- zu erwarten, dass Medien dieser Art bei Studierenden und tische Pressespiegel in die Arbeit der Pressestelle integriert jungen Wissenschaftlern auf eine hohe Akzeptanz stoßen. um zur qualifizierten Einsicht in die Wirksamkeit von For- Darüber hinaus bietet die Digitalisierung des Alltags und die schungsberichten und Pressemitteilungen der TFH in der wachsende Zahl von Online-Lesern der TFH Berlin erfolgs- Öffentlichkeit beizutragen und die Pressearbeit zu optimie- versprechende Möglichkeiten, Forschung und forschungsbe- ren. zogene Serviceleistungen via Weblogs im Internet zu ver- markten. Hier könnte ein Austausch über die Kooperations-

115 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den ESF-geförderten Forschungsprojekten der TFH Berlin

erfahrungen mit der TFH stattfinden, welcher Interessierten Dipl.-Hdl. Harald Joneleit als Informationsquelle dienen kann [ECK07]. Die stän-dige Technische Fachhochschule Berlin Anpassung innovativer Medien als Instrument in die Presse- Technologietransfer - Haus Bauwesen, Raum K28 und Öffentlichkeitsarbeit würden das Image der TFH Berlin Luxemburger Str. 10 als Innovationsmotor unter den Fachhochschulen der Region 13353 Berlin unterstreichen. Tel.: (030) 4504-2483 E-Mail: [email protected]

Literatur Monika Jansen, M.A. [ARN06] Arndt, S.; Rohs, K. M. (2006): Forschungsmanage- Technische Fachhochschule Berlin ment an Hochschulen. In: Forschungsassistenz III der Pressestelle - Haus Gauß, Raum 125 Technischen Fachhochschule Berlin. Forschungsbericht. Luxemburger Str. 10 S. 8–13. 13353 Berlin [BEL07] Belliger, A.; Krieger, David (2007): Wissensmanage- Tel.: (030)45 04-23 14 ment für KMU. VDR, S. 133. E-Mail: [email protected] [ECK07] Eck, K. (2007): Corporate Blogs. Unternehmen im Online-Dialog zum Kunden. Orell Füssli, S. 9f. [SEE05] Seebohn, J. (2005): Kompaktlexikon Werbepraxis. GWV Fachverlage, S. 38.

Kontakt:

116 Arbeitsgebiete der Forschungsassistent/innen in der Übersicht

Forschungsassistent/in Forschungsgebiet Betreuer/in

Fachbereich I Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

Dipl.-Kfm. (FH) Frank Behr E-Logistik: Optimierung von Wertschöpfungsketten Prof. Dr.-Ing. Werner Ullmann unter Einsatz von RFID und EPC

Dipl. Inf. (FH) Claudia Pritzkow E-Learning Standards für Lehrmaterialien in der BWL Prof. Dr. rer. pol. Hans Schmitz

Dipl.-Ing. Oliver Rüdiger Datenfluss zwischen Engineering und Logistik bei Prof. Dr. rer. oec. Klaus Helbig variantenreicher Fertigung

Dipl.-Soz. Viktoria Trosien Gründungen aus Hochschulen Prof. Dr. rer. pol. Heiner Brockmann Fachbereich II Mathematik - Physik - Chemie

Dipl.-Ing. (FH) Rafael Burghardt Synthese neuer Siderophore Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Trowitzsch-Kienast

Dipl.-Ing. (FH) Sven Plöger Entwicklungen zur analogen und digitalen Prof. Dr. rer. nat. habil. Jürgen Eichler Holographie Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Vollmann

Dipl.-Ing. Michael Stütz Simulation und Auralisation von Schallfeldern Prof. Dr.-Ing. Martin Ochmann

Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen

M.Sc. René Kaiser FE- und GIS-basierte Holzvorratsabschätzung Prof. Dr. rer. nat. Bernd Meissner M.Sc. Nicole Schubbe

Dipl.-Ing. Olaf Linde Frostinduzierte Schädigungen an Betonen und deren Prof. Dipl.-Ing. Jürgen Berger zerstörungsfreie Charakterisierung

M. Eng. Dipl.-Ing. Dennis Morauf Modellversuche zur Entwicklung von Bemessungs- Prof. Dr.-Ing. Bernd Lutz regeln für Kombinierte Pfahl-Plattengründungen

Fachbereich IV Architektur und Gebäudetechnik

Dipl.-Ing. Jörg Albin Entwicklung einer CAFM-gestützten Raumverwaltung mit Prof. Dr. rer. nat. Mathias Fraaß Einbindung einer Einzelraumregelung

Dipl.-Ing. Thomas Beyer Entwicklung eines neuen Brennwertgerätes mit einem Prof. Dr.-Ing. Elfriede Herzog erhöhten Wasserdampfanteil im Brennraum und Entwick- lung beheizbarer Möbel mit Latentwärmespeicherkissen

Dipl.-Ing. (FH) Anja Hirsch Innovative Betriebsmethoden für Tier- und Prof. Dipl.-Ing. Katja Biek-Czarny Freizeitanlagen

Dipl.-Ing. (FH) Kai Michel Hygienesicherer Betrieb von Trinkwassersystemen Prof. Dipl.-Ing. Klaus Rudat in der Gebäudetechnik

Dipl.-Ing. Dirk Müller E-Learning „eaST – Elementares architektonisches Prof. Dr.-Ing. Susanne Junker Seh-Training“

117 Arbeitsgebiete der Forschungsassistent/innen in der Übersicht

Forschungsassistent/in Forschungsgebiet Betreuer/in

Fachbereich V Life Sciences and Technology

Dipl.-Ing. (FH) Thomas Amtage Modulare Leitfäden für die Stadtentwicklung Prof. Dr.-Ing. Theodor Hoffjann

Dr. Kunigunde Stephani-Kosin Proteomics – Anreicherung von phosphorylierten Proteinen. Prof. Dr.-Ing. Roza Maria Kamp Methoden in der biomedizinischen Analyse

Dipl.-Ing. Wolf Sasse Moderne Grünkonzepte für Freizeitanlagen Prof. Dr. habil. Hartmut Balder

Dipl.-Ing. Julia Schönfeld Akklimatisierungspotenzial von Prof. Dr. rer. hort. Karl-Heinz Strauch Raumbegrünungspflanzen

Dipl.-Ing. (FH) Martin Senz Einfluss von erhöhtem Sauerstoffeintrag bei der Prof. Dr. Milan Popovic Gewinnung thermostabiler ␣-Amylase und Protease mittels Bacillus caldolyticus

Fachbereich VI Informatik und Medien

B.Sc. Daniel Oltmanns Einsatz von embedded Objektdatenbanken im mobile Prof. Dr.-Ing. Stefan Edlich Computing für Web 2.0 konforme Anwendungen

Dipl.-Ing. (FH) Turgay Sezgin Entwicklung einer „Bionischen Hand“ Prof. Dr.-Ing. Alfred Rozˇek

Fachbereich VII Elektrotechnik und Feinwerktechnik

Dipl.-Ing. (FH) Paul Henrik Fronius Echtzeit-Multicast-Übertragung MPEG-4 AAC Prof. Dr.-Ing. Marcus Purat kodierter Audiodaten

Fachbereich VIII Maschinenbau, Verfahrens- und Umwelttechnik

Dipl.-Ing. Bardo Krebber i-mech: Untersuchung der intelligenten Mechanik Prof. Dr.-Ing. Hans-Dieter von Fischflossen mit Hilfe von FSI-Simulation Kleinschrodt

Dipl.-Ing. (FH) Birgit Lautner Prozessketten mit Rapid Prototyping-Technologien (3DP) Prof. Dr.-Ing. Manfred Paasch

Dipl.-Ing. (FH) Manfred Marks Hydrierung PVC-haltiger Kunststoffabfälle bei Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Geike niedrigem Druck

Akademisches Auslandsamt

André Lausch, M.A. Entwicklung der Auslandsaufenthalte von Prof. Dr. Gudrun Görlitz TFH-Studierenden im Pflichtpraktikum und Dr. Karlheinz Borchert im Erasmus-Programm

Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, TechnologieTransfer

Dipl.-Psych. Isabelle Bareither Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den ESF-geförderten Monika Jansen, M.A. Elisabeth Pape, M.A. Forschungsprojekten der TFH Berlin Dipl.-Hdl. Harald Joneleit

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