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www.augustin.or.at NUMMER 253 20.5. – 2.6.09 Sozialleistungen vom Arbeitgeber Semperit hatte Profil Seite 10-11

AUF TV-Kanal Okto

Woll-Kunst fürs Stadtbild Die Greenys kommen Seite 26-27 BEIGELEGT: 8 SEITEN SPECIAL: RADIO AUGUSTIN TV 2 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 VEREINSMEIEREY Systemfehler im Meinungsbildungsprozess

Herausgeber und Medieninhaber: atlosigkeit bei der Augustin-Belegschaft: Wa- Verbesserungsvorschläge und ermunternde Zurufe Verein Sand & Zeit. rum reagiert unter den LeserInnen niemand auf. Herausgabe und Vertrieb der Straßen-Zeitung AUGUSTIN. Rmehr auf Artikel, die online auf www.augus- Scheuen Sie nicht davor zurück, auf ihren Vereinssitz: 1050 Wien, Reinprechtsdorfer Straße 31 tin.or.at veröffentlicht sind? Reisen durch die unendlichen Galaxien des Internet: www.augustin.or.at Existiert der Augustin für die Wienerin und den World Wide Web ab und an auf dem Gestirn updating: Angela Traußnig Wiener nur als Druckwerk, oder vielleicht noch in www.augustin.or.at Halt zu machen, um dort den den Sparten Radio Augustin oder Augustin TV? Meinungsbildungsprozess – von uns auch gerne Organisation (Vertrieb/ Kolporteure/ Vereinsangelegenheiten) Was ist aber mit dem Webauftritt, der vor einem in unendliche Weiten, um der Engstirnigkeit zu Team: Mehmet Emir, Andreas Hennefeld, Riki Parzer, Weilchen komplett umgekrempelt wurde? Mit trotzen – voranzutreiben. Sonja Hopfgartner 1050 Wien, Reinprechtsdorfer Straße 31 dem Relaunch der Website erwarteten wir uns Abschließend möchten wir uns noch bei jenen Tel.: (01) 54 55 133 rege, in die Tiefe gehende Diskussionen, die über entschuldigen, die sich vergeblich bemühten, das Fax: (01) 54 55 133-33 [email protected] das Online-Forum kommuniziert werden sollten, Augustin-Forum zu bereichern. doch es kam zum Punkt, wo Postings gänzlich reisch Redaktion (Abos/ Schreibwerkstatt/Öffentlichkeitsarbeit): ausgeblieben sind, also eine kleine Katastrophe 1050 Wien, Reinprechtsdorfer Straße 31 eingetreten ist. Tel.: (01) 587 87 90 Fax: (01) 587 87 90-30 Aufatmen, als die Ursache für das [email protected] Brachliegen des Augustin-Forums bekannt wurde: Es lag an einem kleinen Redaktionsteam: Karl Berger, Robert Sommer (DW: 11) (Koordination und technischen Defekt des digitalen Systems. Gestaltung); Mehmet Emir, Andreas Hennefeld, Gerda Kolb, Nun spielt das Internet-Werkl wieder Mario Lang (DW: 13), Erika Parzer, Claudia Poppe, Sonja Hopf- gartner, Reinhold Schachner (DW: 12), Christina Steinle, Ange- alle Stücke: Ihren Kommentaren steht la Traußnig (DW: 10), Aurelia Wusch nun nichts mehr im Wege, lediglich eine MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Registrierung (ob anonym, respektive COVERBILD: Josef Schützenhöfer. ILLUSTRATIONEN: An- mit Pseudonym oder «bürgerlich» sei ton Blitzstein, Thomas Kriebaum, Carla Müller, Ottakringo, Ri- chard Schuberth, Magdalena Steiner. FOTOS: Magdalena Blasz- Ihnen überlassen) ist Voraussetzung. czuk, Almedin Čandić, Mehmet Emir, Edith Friedl, Daniel Kalt, Peter Kubelka, Wenzel Müller, H. E. Neusiedler, Yutta Saftien. Das Forum auf der Website bietet TEXTE: Franz Blaha, Almedin Čandić, Christine Ehardt, Isa- aber nicht nur die Möglichkeit, auf bella Graf, Martina Handler, Barbara Huemer, Gottfried, Dani- el Kalt, Peter Katlein, Kerstin Kellermann, Sandra Korczynski, Artikel bzw. auf andere Forum-Einträge Rainer Krispel, Liwolio, Uwe Mauch, Erich Félix Mautner, Flo- zu reagieren, die Rubrik «Allgemeines rin Mittermayr, Lidio Mosca-Bustamante, Birgit Müller, Flori- Das digitale Augustin-Werkl läuft wieder wie geschmiert an Müller, Hannelore J. E. Nesiba, Christa Neubauer, Thomas Forum» nimmt Anregungen, Kritik, Northoff, Erwin Riess, Martin Schenk, Lennard Schön, Südti- roler-Platz-Günther, Manfred Wieninger. KREUZWORTRÄT- SEL: Eva Wagner. TEXTERFASSUNG: Luvi. LEKTORAT: Ri- chard Schuberth

EDITORIAL StrawanzerIn: E-Mail: [email protected] m Vergleich zu den letzten Augus- für den Fan ist ein Kick-Tipp natürlich Wirklich schwere Geschütze fährt tin-Ausgaben ist die vorliegende reinste Provokation, sollte das Match hingegen die Kirche auf, wenn es um Radio Augustin Irelativ (wirtschafts-)krisenfrei. Eine seines/ihres Vereins nicht darunter ihre Schäfchen geht. Das Feuilleton Verantwortlich: Aurelia Wusch kleine Pause tut gut, und ich denke, sein. Und die am Fußball nicht inter- des Augustin DICHTER.INNENTEIL be- 1050 Wien, Reinprechtsdorfer Straße 31 wir haben uns diese auch verdient, essierte Person, von einem der beiden ginnt relativ harmlos mit einer histo- Tel.: (01) 587 87 90 – 14 [email protected] zumal der Augustin bereits eine Weile, Kick-Tipp-Verfasser gerne als «intelli- rischen Abhandlung zum Turm des bevor die heimische Politik und Wirt- gente Person» bezeichnet, überblät- St. Pöltner Domes (Seite 30–31): Eine TV Augustin schaft die veritable Krise gestanden tert selbstverständlich die Fußball- gewisse Renate hat in der Türmer- Verantwortlich: Christina Steinle hat, darüber berichtete. Ganz ohne doppelseite und pfeift daher auch bei wohnung eine elaborierte Auflistung 1050 Wien, Reinprechtsdorfer Straße 31 geht es aber auch wieder nicht. Am dieser Ausgabe auf die Serie Wiens der von ihr angebotenen sexuellen Tel.: (01) 587 87 90 – 15 [email protected] Beispiel Semperit werden Paradefeh- Fußballplätze (Seite 16–17). Dienstleistungen hinterlassen. Darü- ler eines Paradeunternehmens auf- Wie geschrieben, die Wirtschafts- ber hinaus kann man allgemein ei- Inserate (KEINE Kleinanzeigen! Für Gratis-Wort- gezeigt (Seite 10–11). krise bildet keinen Schwerpunkt. Ge- nen Turm als phallisches Symbol deu- anzeigen siehe Hinweis auf Seite 20): Der KICK-TIPP (Seite 16) dreht sich nerell wurde für die Nummer 253 ten, aber das alles soll der Kirche nicht Gerda Kolb natürlich noch immer um die Wuch- kein Schwerpunkt geplant, denn vor angekreidet werden. Haariger wird es Tel.: 0 699 19 42 15 92 E-Mail: [email protected] tel, doch Begriffe aus dem systemkri- kurzem gab es neben jenem zur Kri- aber, wenn die Kirchensteuer mit nicht tischen Jargon haben sich eingeschli- se auch einen zum AMS, und mit der nachvollziehbarer Penetranz eingefor- Druck: chen, die eigentlich Höherem als dem nächsten gibt es wieder einen zum dert wird und sich ein Betroffener da- Herold Druck- und Verlagsgesellschaft profanen Fußballspiel geweiht sein Projekt der Secession «Pawel Altha- durch gestalkt fühlt (Seite 31). 1032 Wien, Faradaygasse 6 sollten, m. a. W. selten wurde derart mer und Andere». Es kristallisierten Erbärmliches Verhalten zeigt die Verlagsort: mit spitzer Feder an den Grundfesten sich aber doch Themengruppierungen Kirchenobrigkeit beim Thema Verge- Wien des Neoliberalismus gerüttelt: «Erst in heraus – zum einen zu Künstlerinnen, waltigung: Ein Priester missbrauch- Information: der krampflosen Kampfansage wider zum anderen zur katholischen Kirche. te über Jahre hinweg eine Frau. Man AUGUSTIN erscheint jeden 2. Mittwoch den Zwang zur Akzeptanz der aufge- Im Kulturteil ART.IST.IN werden haupt- räumte zwar kleine sexuelle Verge- Auflage dieser Nummer: 35.000 drängten Verhältnisse zeigt sich die sächlich Künstlerinnen und eine Kura- hen ein, aber keine Vergewaltigung. wahre Kunst.» Schade, dass der Kick- torin bzw. ihre Arbeiten vorgestellt – Dem Opfer wurde ein Vertrag mit fol- Mitglied des International Network of Street Papers Tipp so ein Schattendasein fristet, aber wobei anzumerken ist, dass mit dem gendem Tauschgeschäft vorgelegt: Hand aufs Herz, wer lässt sich schon Porträt von Susanna Marchand (Sei- Kosten für Krankenhausaufenthalte, AUGUSTIN erhält keinerlei Subventionen Fußballspiele empfehlen? Selbst der/ te 24–25) eine Frau vorgestellt wird, Psychologen und Abgeltung des Ver- die durchschnittliche Fußballplatz- die Zirkusluft schnupperte, also buch- dienstentgangs gegen Stillschweigen! besucherIn weiß, wohin sie/er gehen stäblich Artistin – übrigens, Messer- Das Opfer hat nicht unterzeichnet, wie PSK, Blz 60.000, Nr. 92 051 517 muss, da braucht es keine Tipps – und werferin – war. auf Seite 32 zu lesen ist. reisch Bawag, Blz 14.000, Nr. 05 010 666 211 FANPOST Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 3

Wen befragten die Wiener Linien? Sie beklagen, dass es immer weni- behandeln und möglichst bald wie- Betrifft: Beschwerden zum Betteln, Nr. ger Leute im Justizwesen gebe, die für der frei laufen zu lassen. 252 einen liberalen Strafvollzug eintreten Mag sein, in einer besseren, nicht Die Aussagen der «Wiener Lin- – mit dem möglichst bald herbei- hierarchisch patriarchalisch-kapital- ien, Kundendienst» betreffend «Bet- zuführenden Ziel einer gefängnislosen istischen Gesellschaft wird es hoffen- tlerdurchsagen» irritieren mich: Zur Gesellschaft. Ich habe nicht den Ein- tlich weniger Verbrecher geben. Eine Rechtfertigung dieser Durchsagen druck, dass die liberalistischen Kräfte, gewisse Kontrolle und Härte gegen Gut und Böse. Der Mann ohne Ei- wird angegeben, dass sich die Wie- wie ich sie nenne, auf dem Rückzug Individuen, die sich rücksichtslos genschaften!») erfolgt ist, halte ich für ner Linien «an der Mehrheit orien- sind, im Gegenteil: Seilschaften dies- verhalten, wird es aber auch geben ähnlich kontraproduktiv. tieren» müssten. Ich bin nun schon er Art haben durchwegs das «Sagen» müssen. Ja, noch was: Sie weisen in ihrer über zwanzig Jahre Stammkunde und und setzen ihre pseudohumane und Und wenn auch die heutige Ge- Argumentation immer wieder da- Jahreskartenbesitzer der Wiener Lin- -soziale Ideologie gegen den Willen sellschaftsordnung an so mancher rauf hin, dass Kapitalisten mit ver- ien. Mir ist aber nicht erinnerlich, dass der Bevölkerung auf Kosten unser Charakterverbildung ursächlich mit- brecherischen Machenschaften nicht ich jemals in einer Umfrage von den aller Sicherheit durch und müssen beteiligt sein mag, so enthebt dies- ins Gefängnis kommen – da haben sie Wiener Linien kontaktiert wurde, um sich nicht einmal rechtfertigen. er Aspekt die einzelnen Individuen Recht, das ist aber kein Beweis dafür, meine Meinung zum Betteln im U- Da kann einer einen ermorden und doch nicht völlig ihrer persönlichen dass es keine Gefängnisse geben sollte, Bahnbereich zu erfragen! Auf welche zerstückeln – in 17 Jahren ist er wieder Verantwortung. im Gegenteil: Kriminelle Kapitalisten «Mehrheit» beziehen sich hier die frei, weil er so brav und angepasst ist Und noch eins: Diese geschilderten gehören eben auch dorthin. Wiener Linien? und sogar Theologie studiert hat – mir liberalistischen Tendenzen (Verbrech- Also, mehr Gefängnisse, nicht Im Übrigen bin ich der Meinung, kommen die Tränen … Vergewalti- er lax behandeln) führten und führen weniger! dass sich die Wiener Linien, so wie ger werden, wenn man die einschlä- weltweit dazu, dass die Linken wenig Wenn ich einen Augustin kaufe, alle anderen Institutionen, an den Ge- gigen Berichte liest, fast durchwegs (!) Anklang fördere ich die oben geschilderten setzen zu orientieren haben und diese mit eineinhalb Jahren bestraft. Eine bei den breiten Massen finden, und Abläufe und schade damit den sozial verbieten das (weder aggressive noch lächerlich geringe Strafe für ein De- das wiederum hat zur Folge, dass der Schwachen. Tut mir für die Augustin- organisierte) Betteln im U-Bahn-Be- likt, unter dem die Opfer oft ein Leb- Kampf gegen den Kapitalismus un- Kolporteure Leid, aber den Augustin reich nicht! en lang leiden. terminiert wird. Auch die Relativ- kauf´ ich mir erst wieder, bis ein Rich- Man stelle sich vor, eine von den Eine Reihe meiner Klientinnen, die ierung von Gut und Böse, wie sie auf tungswechsel erfolgt ist. Wiener Linien wie auch immer fest- solche Opfer waren und in obigem der letzten Seite der Nr. 249 («Über Wolfgang Brenn, E-Mail gestellte Mehrheit würde sich ge- Sinne noch sind, fühlen sich durch- gen die Beförderung von Menschen wegs durch diese «Rechtssprechung» mit dunkler Hautfarbe in U-Bahnen gedemütigt. Wenn man die einschlä- OHNE ABLAUFDATUM aussprechen, würden sie dann das gigen Institutionen (Präsidentin der auch unter Berufung auf diese Meh- Richtervereinigung, Justizsprecher der rheit verbieten?! SPÖ, Universitätsprofessoren, die sich «Fachmenschen ohne Geist, Ge- Wir leben in einem Rechtsstaat und gegen die «rechtspopulistischen Rufe nussmenschen ohne Herz: Das das sollten auch die Wiener-Linien nach Strafverschärfung» aussprech- Nichts bildet sich ein, eine nie zur Kenntnis nehmen! en), kontaktiert, bekommt man aus- vorher erreichte Stufe des Men- S. Sch., E-Mail weichende, verzerrende, leugnende schentums erreicht zu haben.» (Name der Redaktion bekannt) Antworten oder auch gar keine. Statt den Kapitalismus zu bekämp- Max Weber (1864–1920) Pseudohumane Ideologie fen – dazu sind sie offensichtlich zu feige, haben es sich diese Pseudolinken Betrifft: Das Augustin-Manifest gegen und -fortschrittlichen zur Aufgabe das staatliche Strafen, Nr. 249 gemacht, Schwerverbrecher lax zu 4 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 TUNmagazin & LASSEN INFO Die Realität übertrifft Songzeile «In Linz gibt es viel Polizei …» Der offene Brief von Rainer Zendron auf: Vermittler in Handschellen www.werkstatt.or.at «Bündnis gegen Polizeigewalt», das nach den Vorfällen in Linz gegründet wurde: http://gegenpolizeigewalt.servus.at ie Musikerin «Gustav» ist für und aufgeregt herum. Um mich konnte, fragte ich nach. Darauf be- (mit sehr umfangreichem Pressespiegel!) ihre zynisch-kritischen Texte über die Lage zu informieren, fragte kam ich keine weitere Antwort, da bekannt. Sie hat ein feines Sen- ich einen Polizisten, warum die De- ja tatsächlich keine zu sehen waren. Bericht und Fotos der Augenzeugin Edith D Friedl: sorium für gesellschaftliche und po- monstration nicht stattfinden würde. (…) Während ich noch versuchte, www.streifzuege.org/2009/ litische Verhältnisse und verpackt Er antwortete mir, weil die Demons- mir einen Überblick über die Lage polizeiskandal-in-linz ihre Reflexionen in Songzeilen wie trantInnen 'vermummt' seien. Da ich zu verschaffen, sah ich, dass die grö- «In Linz gibt es viel Polizei …» Seit jedoch keineN einzigeN vermumm- ßere Gruppe von PolizistInnen mit letztem 1. Mai müsste man ergänzen: teN DemonstrantIn wahrnehmen massiver Staatsgewalt begann, ein Mädchen aus der Reihe der sitzen- «zu viel Polizei», denn das Auftreten den, eingekesselten Jugendlichen he- der Exekutive anlässlich des alterna- rauszuzerren.» Zendron versuchte zu tiven Maiaufmarsches schockierte. vermitteln, wurde aber selbst von Po- Da sich Demonstrierende geweigert lizisten niedergestoßen, mit Hand- hätten, von einer Vermummung ab- schellen gefesselt und abgeführt. zusehen, fühlte sich die Polizei ver- Viele Demo-TeilnehmerInnen anlasst einzuschreiten: Eine Gruppe und nicht demonstrierende Augen- von Jugendlichen wurde eingekes- zeugInnen widersprechen heftig der selt, auch Schlagstöcke kamen zum Version der Polizei, viel mehr hät- Einsatz – insgesamt 22 Verletzte. te die Exekutive die Eskalation her- Unter den fünf Verhafteten befand beigeführt. «Ich bin froh, dass es sich der Vizerektor der Linzer Kunst- mich erwischt hat. So hat die Aktion universität Rainer Zendron, den «ein mehr Präsenz, als wenn es arbeitslo- Prozess wegen Widerstand gegen die se Punks getroffen hätte», sagte Zen- Staatsgewalt erwartet», wie er in ei- dron gegen über den «OÖN». Der nem offenen Brief festhält. Zendron Vizerektor erhielt hunderte Solidari- beschreibt darin, wie es zu seiner täts-Bekundungen. In diesem Punkt d l e Festnahme kam: «Etwa 30 friedlich r i weicht der zweite Teil der Songzeile

sitzende Jugendliche wurden von : E. F von Gustav weit von der Realität ab: o t o etwa 50 stehenden Polizisten um- F «… und trotzdem bin ich allein.» ringt, die älteren Demonstrations- reisch teilnehmerInnen standen empört Szene aus der Kultur- und Polizeihauptstadt Linz 09

eingSCHENKt

machen zur Zeit auf Appeasement, wenn es um Asyl, Menschenrechte oder Min- Extremismus der Mitte derheiten geht. Im besten Fall. Der an- dere Teil ist kaum mehr von den völki- schen Nationalisten zu unterscheiden. All die Ideologien der Ausgrenzung und des Sündenbocks wirken wie Drogen. ie sozialen Probleme steigen, ob- Denunziation möglich. Zwölf Monate von Obdachlosen angelegt und die Po- Um dieselbe Wirkung wie letztes Mal zu wohl die Gesellschaft insgesamt im- Schubhaft bei Verwaltungsübertretung lizei darf Flüchtlinge jagen. Auch alles erzielen, muss die Dosis erhöht werden. Dmer reicher wird, besonders ganz sind auch kein Problem. Kinder werden normal. Das hat die politische Mitte noch nicht oben. Schuld sind aber immer die da in Polizeihaft genommen, auch schwer Eine gespenstische Normalität hat begriffen. Wenn sie die Inhalte der Het- unten. Die «Unterschichtler», «Sozial- Kranke und extrem Traumatisierte sitzen sich da ausgebreitet. Mit der Propaganda ze übernimmt, wird auf Seiten der Hetzer schmarotzer» und «Asylanten». Das ist in Verwaltungshaft – und niemand findet der letzten Jahre haben sich die Schwel- stets die Dosis erhöht. Die Hetze bestä- eine Methode, um die Verteilungs- und was dabei. Antisemitische Attacken in len in den Köpfen des Publikums wie tigen, heißt sie anzufeuern. Diese Wech- Gerechtigkeitsdebatte nur «ganz unten» ehemaligen Konzentrationslagern sind im behördlichen Handeln immer mehr selwirkung war in den letzen zwei Jahr- zu führen. Die zehn Prozent der Bevölke- bloß «Provokationen» und haben mit gesenkt. Dass die Hetze weniger wird, zehnten gut beobachtbar. rung mit den geringsten Einkommen und sonst nichts zu tun, wie die Innenminis- wenn die politische Mitte die Ziele der Um diese Entwicklung zu brechen, Chancen dürfen dann einander die Au- terin und ihr Polizeichef meinen. Abend- Hetze übernimmt, ist nicht wirklich zu braucht es Leadership, ein gesellschaftli- gen auskratzen. Wie in einem römischen ländische Taliban rufen den Tag der Ab- erwarten. Die aktuelle Strategie, «Aus- ches Gegenprojekt, eine offensive Mitte, Stadion werden sie aufeinander losgelas- rechnung gegen alle Nicht-Christen aus, länderfeindlichkeit» mittels Ausländer- Ziele und Personen, die sie glaubwürdig sen. Der Rest darf zuschauen und sich ein und alles ist normal. Hassprediger aller- diskriminierung zu bekämpfen, ist ähn- vorantreiben. Also mehr «Yes, we can» bisschen fürchten – oder daran erfreuen, orts: Minderheitenfeindlich, menschen- lich genial wie Antisemitismus mittels als ängstliches Zuschauen. Gefährlich nicht zu «denen» zu gehören. rechtsfeindlich, frauenfeindlich, europa- Judendiskriminierung Einhalt gebieten ist nicht der völkische und sozial-hetzeri- Bestimmte Gruppen von Flüchtlin- feindlich. In Berlusconis Italien ist das zu wollen. Wir haben es hier mit einem sche Rand, gefährlich ist sein Einbruch in gen sind hierzulande mittlerweile «vo- Ganze noch um einen Tick stärker auf- ausgewachsenen Extremismus der Mit- die politisch-gesellschaftliche Mitte. gelfrei». Abschieben ist per Anzeige und gedreht; da werden gerade Karteilisten te zu tun. Die gesellschaftlichen Eliten Martin Schenk Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 5 TUNmagazin & LASSEN Monografie zum 50. Todestag von Johann Ruggenthaler: Tiroler Sturschädel gegen Berliner Führer Spanische Gerichtspraxis für österreichische Reform Wahrsprüche im Paperback

s gibt nur einen Führer, und seelsorgerische Tätigkeit fortsetzte, wur- der sitzt nicht in Berlin.» Diese de er neuerlich verhaftet und stand bis in Sportschuh und eine involviert wird, dass er sich ein- «EWorte gegenüber einer Press- zu Kriegsende zahlreichen Todeskandi- Blutspur. «Brenn, du ver- mal auf Seiten der und dann baumer Schulklasse beförderten den daten in der Zelle bei. In diesen 14 Mo- Edammte Schlampe», so il- wieder in Gegnerschaft zu den Geistlichen Johann Ruggenthaler am naten schrieb er sein Kerkertagebuch, luster sind manche Teilüber- Geschworenen sieht, die den 30. März 1938 direkt ins Gefängnis. das mithilfe eines Aufsehers als Kassi- schriften gewählt, so thrillerartig Wahrspruch fällen. Wer ist in Unbeirrt forderte er nach seiner Ent- ber auf Wasserkrügen aufgeklebt aus der lässt sich trockene Rechtsmate- welchen Anklagepunkten die- lassung eine Haftentschädigung. Der Haftanstalt herausgeschmuggelt wer- rie aufbereiten und lesbar ma- ser ebenso grausigen wie ak- Sohn einer siebenköpfigen Bauernfa- den konnte. chen wie einen Krimi. Der Ge- tenkundigen Bluttaten schul- milie aus dem Osttiroler Virgental soll- Die Originalmanuskripte – bedauert schworenenprozess geht uns dig? Wie wahr kann ein Spruch te noch öfter mit dem Regime anecken. Ruggenthaler-Schüler und Herausgeber alle an, weil die Einberufung überhaupt sein? Alle von Ka- Seine erfolgreiche Jugendseelsorge – er Herbert-Ernst Neusiedler – habe er bis dazu fast jede(n) treffen kann. tharina Rueprecht beschrie- stellte mit seinen Predigten angeblich heute nicht gefunden und fürchte sogar, Aber wie die schwierige Materie benen Beispiele stammen aus Abraham a Sancta Clara in den Schat- dass sie nicht mehr existieren. Vorlage für Laien verständlich machen? Spanien. Nicht, weil die Rechts- ten – war der Hitlerjugend bald sus- für das in der Monografie veröffentlich- Katharina Rueprecht und Ast- anwältin dort lange Zeit gelebt pekt. Nachdem Ruggenthaler trotz of- te Tagebuch ist eine Abschrift von Hed- rid Wagner haben es geschafft! hat, und auch nicht, um das Kli- fener Drohungen der GESTAPO seine wig Öhler, welche die Jugendseelsorge Mit anschaulichen Beispielen schee südländischer Heißblü- bei Ruggenthaler besucht hat. Sie hat aus Geschichte und Gegenwart, tigkeit zu bedienen, sondern genauso wie ein Neffe Ruggenthalers die niemanden gleichgültig las- weil Spanien seit Jahrzehnten am Buch mitgewirkt. Allein die Auf- sen können, halten sie das In- ein Geschworenenrecht prak- zeichnungen Ruggenthalers aus dem teresse des Lesers bis zur letz- tiziert, wie es Österreich nach Nazi-Gefängnis sind einen Blick in das ten Seite wach und führen ihn der jüngsten Rechtsreform erst Buch wert, selbst wenn die umrahmen- in die – auch unter Rechtskun- vorhat. den Beiträge in Qualität und Relevanz digen – umstrittene Materie Eine Pflichtlektüre für alle, schwanken. Den Segen des Augustin ein. Im ersten Teil liefert Ast- die wahrnehmen, dass Rechts- braucht diese Publikation im Eigen- rid Wagner einen spannenden staatlichkeit sie etwas angeht, verlag jedoch nicht mehr – den zweier Längsschnitt der Entwicklung und ein wunderbarer Einstieg Päpste und des Erzbischofs von Wien dieser Gerichtsbarkeit vom für Interessierte, die ohne sper- hat sie nämlich schon. Thing aus der Wikingerzeit bis riges Fachdozieren in die Mate- r e flom ins 21. Jahrhundert. Am Ende rie eingeführt werden wollen. d l e

u s i dieses Abschnitts ist der Laie F. B. e INFOmühelos zum gut informierten Herbert-Ernst Neusiedler (Hg): Laien mutiert. So kann er sich INFO : H. E. N

o t o Brennen, um ein Licht zu entzünden: ganz der Spannung hingeben, F Rueprecht/Wagner: «Geschworenen- Erinnerungen an Kaplan Professor Johann der ihn die Fallgeschichten des prozesse», Band 46 der Reihe «Neue Ruggenthaler. Johann Ruggenthaler unterschied sich in juristische Monografien» des NWV. Vogel Media, Bisamberg 2009. zweiten Teils aussetzen, in dem seinen theologischen Ansichten auch von ISBN 978-3-7083-0499-1, 164 S., ca. € 25,– seinen Vorgesetzten ISBN 978-3902701-00-8 er so plastisch ins Geschehen 210 S., € 17,–

GEHT’S MICH WAS AN? Feilen an integrationspolitischen Eckpfeilern nötig

ürzlich hat Innenministerin Maria dann, wenn sie erfolgreich sind, mit der wegfällt, umgegangen werden soll. stellt auch eine Maßnahme zur Förderung Fekter ein «Einführungspapier für Staatsbürgerschaft belohnt werden. Die- Die Interessen Österreichs, an denen von Integration dar. Bevor MigrantInnen Kdie Erstellung eines Nationalen In- ses scheinbar einfache Modell geht von sich die Zuwanderung orientieren soll, die österreichische Staatsbürgerschaft be- tegrationsplans» vorgestellt. Eckpfeiler einigen Voraussetzungen aus, die noch sollten in einem breiten gesellschaftli- sitzen, ist auch Integration nur ansatzwei- sind folgende Aussagen: «Integration vor geklärt werden sollten: chen Prozess bestimmt werden. Dafür ist se möglich. Die Verleihung der Staatsbür- Neuzuzug», «Zuwanderung hat sich an Neuzuzug findet ständig statt – im Rah- es sinnvoll, SozialpartnerInnen und Nicht- gerschaft sollte daher als eine wichtige den Interessen Österreichs zu orientieren» men der bestehenden Gesetze und au- regierungsorganisationen bereits bei der Maßnahme zur Erleichterung von Integ- und «Verleihung der Staatsbürgerschaft ßerhalb. Deshalb bedarf es auch einer Entwicklung von Grundsätzen und Prin- ration angesehen werden. als Schlusspunkt eines erfolgreichen In- klaren und rechtstaatlich einwandfrei- zipien einzubeziehen – nicht erst bei der Ausführliche Kommentare zum Einfüh- tegrationsprozesses». Sprich: MigrantIn- en Strategie, wie mit Menschen, die un- Umsetzung integrationspolitischer Maß- rungspapier des Innenministeriums fin- nen sollen im Interesse Österreichs nach ter Umgehung der bestehenden Einrei- nahmen, die bereits auf höherer Ebene den Sie unter www.zara.or.at sowie www. Österreich kommen und sich dann inte- sebestimmungen einreisen oder deren bestimmt wurden. klagsverband.at. grieren, wobei diese Bemühungen nur Aufenthaltstitel nach langem Aufenthalt Die Verleihung der Staatsbürgerschaft Sonja Fercher 6 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 TUN & LASSEN Geselligkeit ist politisch «Im Gasthaus wird soziales Leben gelebt»

Das neue Lokal «Lokativ» im Unternehmensgründungsprogramm «Bei unserem aktivistischen Enga- fest», sagt Jasmina. «Wir machen die Stuwerviertel entwickelt ge- und traute sich in die Selbstständig- gement wie z. B. im Stuwer-Komitee Erfindung einer Spirituosenmarke rade seine eigene Szene. Und keit. «Unsere privaten Wünsche und tauchte immer wieder der Wunsch von null weg bis zur Logistik und betreibt die Erfindung einer Spi- Bedürfnisse setzten wir also ernsthaft auf, einen gemütlichen Raum zu ha- Verteilung», ergänzt Thomas. rituosenmarke von null weg bis und als realistische Möglichkeit um», ben, in dem sich verschiedene Pro- Das Paar entschied sich für den zur Logistik und Verteilung. Ob meint er. «Für mich war ein Gasthaus jekte abspielen können. So wie ein Raum im Stuwerviertel, nachdem sie die MusikerInnen-Partie vom immer so eine Art Schwärmerei, aber größeres Wohnzimmer.» Die selbst durch die künstlerische Umbenen- Gaußplatz hinter die Venediger kein Kindheitstraum. Gasthaus ist gebrannten Schnäpse des Vaters des nung der Arnezhofer-Straße – de- Au übersiedeln wird? für mich ein Ort, in dem soziales Le- Philosophen Ljubomir Bratić, die aus ren öffentliche Betonung von dem ben gelebt wird», sagt hingegen Jas- Belgrad importiert werden sollten, antisemitischen Pfarrer Arnezhofer, mina Janković, die in ihrer Jugend passten wie ein Puzzlestück in das der 1760 Juden vertreiben ließ, auf in Belgrad die Klubs kennen lernte Konzept. «Thomas schüttelte und die jüdische Widerstandskämpferin und zwischen dem Stehen, Hüpfen rührte die Buchstaben des Lokativ Selma Steinmetz umgeleitet werden ls Ort des Begehrens und und Tanzen in einem Klub und dem durch und schuf sein neues Schnaps- sollte – den Platz hinter der Venedi- Aufbegehrens, als Ort der Sitzen, Kommunizieren und Trin- Label: alkovit. Wir hängen da aber ger Au kennen gelernt hatten. Un- politischen Meinungsbil- ken in einem Lokal unterscheidet. noch in der bürokratischen Prozedur terer Werd hieß das Gebiet. Unter dung und des Widerstandes, Lueger wurde die Straße 1906 nach Ader aber nur für Männer funktionie- dem getreuen Pfarrer benannt. «Die re, beschreibt Beatrix Beneder in ih- Kontinuitäten reißen nicht ab», kom- rem Buch «Männerort Gasthaus. Öf- mentiert Jasmina. Die Gebietsbe- fentlichkeit als sexualisierter Raum» treuungs-Leute sind übrigens, nach die beliebte halbprivate Schleuse zwi- der Schließung des Kinderfreibades schen Arbeit und Familie: «Die Ent- am Max-Winter-Platz, «alte Frein- wicklung der Moderne als Kampfan- de» (eine Mischung aus Freunden sage gegen Alkohohl und Müßigang und Feinden, Anm.). macht die Gaststätte zum genuß- vollen Ort des Aufbegehrens gegen Österreich ist Freier die Disziplinierung. Faulheit und Schlendrian gelten als die zähsten «Jasmina bringt das Kommunika- Nager am Geist des Kapitalismus.» tive, das Lebendige ein, ihre Netz- Jasmina Janković und Thomas werke …, ich durch mein Denker- Staffelmayr führen das «Lokativ – tum eher das Konzeptionelle und die die schnapsbar» hinter der Venediger langfristige Planung», sagt Thomas. Au beim Prater. Wir sitzen gemüt- «Ich bin gut im Genießen», lacht Jas- lich an einem niedrigen schwar- mina. «Ich bin hier Unterstützerin zen Flohmarkt-Tisch in breiten ro- des sozialen Aspektes und Nutznie- ten Sesseln. Die orangenen Lampen ßerin.» Thomas tüftelt nächtelang an leuchten. «Wie war der Anfang, die der Homepage und der Bürokratie Idee für das Lokativ? Ist Jasmina zu seines Geschäfts als Einzelunterneh- dir gekommen und sagte: So Schat- men herum, produziert aber auch zi, wir machen jetzt ein Gasthaus?» Textkunst als «Spielereien mit Wor- Thomas erinnert sich sichtlich ger- ten» (Jasmina). Er meint, das Lokativ ne: «Mit Jasmina lernte ich ein reges sei kein Gasthaus, nämlich kein Gas- soziales Leben inklusive zahlreichen tronomiebetrieb im ländlichen Ge- Freundes- und Lokalbesuchen ken- biet, sondern ein Lokal, ähnlich den nen. Privat spielte sich viel in Loka- Studentenlokalen seiner ersten Wie- len ab, und wir erhielten oft zu Hau- ner Zeit. Von seinen vier Jahren Ju- se Besuch. Dabei organisierten wir gendzeit in Marokko brachte er eine die Gastgeberrolle und waren gerne Vorliebe für Pfefferminztee mit. dabei. Andererseits suchte ich eine Ein anderes Paar, Ljubinka Jokić Möglichkeit, zu arbeiten und davon und Marika von «Zokis Grill» am zu leben.» Thomas machte eine ra- Gaußplatz, scheiterte nach vier Jah- sche Wandlung vom Mathemati- ren ohne Ruhetag, kurz nachdem die ker, Informatiker und Programmie- Schulden abgezahlt waren, wohl an rer in Richtung Kommunikation mit der permanenten Selbstüberforde- lebendigen Menschen durch. Er sag- rung mit großem Gastgarten und te der virtuellen Welt ade. Mit Unter- Von privaten Gastgebern zu professionellen: nächtlichen Sessions. Ob diese Sze- stützung des AMS besuchte er ein Jasmina Janković und Thomas Staffelmayr ne mit Musikern wie Otto Lechner TUN & LASSEN Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 7 Geselligkeit ist politisch «Im Gasthaus wird soziales Leben gelebt» l a s z c z u k B a en a g d a l : M o t o s F

Geschüttelt und nicht gerührt: die «lokativ»-Betreibenden entwickeln die Spirituosenmarke «alkovit»

nun ins Lokativ übersiedeln wird? des Begriffes verlangt. Gewisse The- sein muss, dann Jugoslawin. Aber ich jetzt irgendwo auf der ganzen Welt Ljubinka verbrachte gerüchteweise men zu bearbeiten sei aber gefragt: mag keine nationalen Bezeichnun- verstreut. Das ist die innere Tragö- schon eine Nacht mit der Gitarre in «Österreich ist Freier», steht auf ei- gen.» Auf Okto TV gab es vor kur- die. Diese Machtlosigkeit, du kannst der Hand an der Bar, die Klezmer- nem Flyer, der die Prostitution im zem eine Serie über den Krieg. «Nun ja gar nichts dafür und auch nichts Geigerin Daniela Fischer wurde ge- Stuwerviertel behandelt und auf- ja. In diesem Land hier sind das mitt- dagegen tun. Dass die Zeit mitten sichtet und Vincenz vom Kollegium greift. Das Stuwerviertel ist traditio- lerweile siebzig Jahre, und es ist eh in Europa Ende des 20. Jahrhun- Kalksburg erkundete ebenfalls schon nell ein Rotlichtviertel, Razzien und nix aufgearbeitet worden», lacht Jas- derts nicht voranschreitet, sondern die Location. Die Ab-Ort-Musik war Illegalisierung inklusive. Am 2. Juni mina. «Der Raum dort ist ja zurzeit für dich zurückgeht in diesem Mo- mit vollem Hause schon viermal zu zum Internationalen Hurentag wird nur eine Art von moderner Kolonie. ment, in nur 800 Kilometer Distanz, Gast. Hoffen wir, dass «Die Frauen- es eine Veranstaltung geben. Besonders Bosnien. Kolonialismus führt zu Schizophrenie.» band» mit Irina Karamarković hier Ein anderes notwendiges Bearbei- pur, was dort passiert. Im Vorder- Jasmina besuchte einmal eine Ver- auftreten wird! tungsfeld mit Hilfe von Veranstal- grund stand damals immer ‚Nach- anstaltung enttäuschter Nationa- tungen wäre die schlechte Aufarbei- bar in Not’, in den Medien wurde die- listen und Kämpfer, im Publikum Zur Schizophrenie des Krieges tung der Ursachen und Folgen des se gute Rolle Österreichs eingebläut, saßen Menschen, die Familienmit- innerjugoslawischen Krieges. Jasmi- aber es war im Endeffekt ein Ver- glieder verloren hatten. «Eine Verar- Jasmina wünscht sich eine langsa- na war während des Bosnien-Krie- schließen der Augen vor der tatsäch- beitung geht nicht so schnell, lange me Entwicklung mit Menschen, die ges oft als Dolmetscherin im Schub- lichen Realität mit diesem anonymen Phasen von langen Gesprächen wä- keine Gelegenheit haben, irgendwo- haft-Gefängnis in Salzburg, wo viele Spenden von Geld oder irgendwel- ren nötig. Warum mussten zum Bei- anders aufzutreten oder auszustel- Flüchtlinge landeten, da die meis- chen Gütern. Kein Mensch konnte spiel meine Schulfreundin Alma und len. «Wir beschränken uns hier da- ten nach Deutschland wollten und den Krieg erfassen, das Wie und Wa- ich am Nationalismus leiden? Die rauf, das zu machen, was wir gerne abgewiesen wurden. Einen jungen rum ist bis heute unmöglich zu be- Menschen wünschen sich jetzt ein machen, und denen das gefällt, die Mann, der mit seinen Mitgefangenen greifen. Alles das gibt es in Tuzla, wo normales, ordinäres Leben, dass ih- kommen einfach wieder. Die Inf- zu acht in einer kleinen Zelle saß, ich meine glückliche Kindheit und nen endlich einmal langweilig wird. rastruktur wird nach und nach be- konnte Jasmina über Amnesty In- frühe Jugend verbracht habe, nicht Der Humor rettet sie ein bisschen.» lebt», sieht Thomas die Geschichte ternational erst nach sechs Monaten mehr. Tuzla war im Krieg von der Und der Schnaps. Wobei wir wieder ganz entspannt, der bei dem Wort herausholen. «Nenn’ mich bitte nicht Welt abgeschnitten, selbst von ‚Nach- im Lokativ angelangt wären. «Kunst» gleich nach der Definition Serbin», sagt sie. «Wenn es schon bar in Not’. Alle diese Menschen sind Kerstin Kellermann 8 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 TUN & LASSEN Wie offen ist der Zugang zu Meinungsbildungsprozessen? Schwierige Strukturen für Freie Medien

Der Universitätsprofessor vor allem akzentfrei sein. Doch «um Friedrich Hausjell verrät im gut recherchieren zu können, muss Augustin-Gespräch, warum Freie ich nicht akzentfrei sprechen kön- Medien Ausbildungsstätten für nen». Und wieder verweist er auf den den Nachwuchsjournalismus bekannten Journalisten Lendvai, des- sind und wieso MigrantInnen sen Akzent seine Arbeit eben auch in österreichischen Redaktionen charakterisiert. noch zu den Randerscheinungen Denn betrachte man die demogra- gehören. phische Konstitution Österreichs mit dem Anteil der Menschen mit Mi- grationshintergrund, «dann müss- ten diese Redaktionen deutlich an- in Medium in Österreich zu be- ders ausschau’n». Vor allem in Wien, treiben, ist auf der einen Seite wo der Anteil der Migrantinnen und einfach, auf der anderen wie- Migranten ungefähr ein Viertel der derum gar nicht so. Einfach Bevölkerung ausmacht, ist der Un- Efür den Privaten, der das Geld für terschied deutlich erkennbar. Er will Rundfunklizenzen oder die Druck- aber noch weiter gehen und erklärt, und Redaktionskosten hat. Schwie- dass die Verzerrung im Medien- rig für den, der es sich nicht leisten system auch das Geschlecht betref- kann, nicht über die entsprechende fe. Hausjell: «Wir sind da ein gutes Bildung verfügt oder das Pech hat, Stück besser geworden. Und weil Migrant zu sein. «Um gut recherchieren zu können, muss ich nicht akzentfrei sprechen können», so das auch über drei Jahrzehnte mehr Deswegen sei es umso bedeuten- argumentiert der Kommunikationswissenschaftler Friedrich Hausjell in der Dis- oder weniger heftig diskutiert wor- der, dass auch offensichtlich Benach- kussion, ob für MigrantInnen das Beherrschen der deutschen Sprache Vorausset- den ist, hat sich hier auch ein Prozess teiligte Zugang zum Meinungsbil- zung für den Journalismusberuf sein muss deutlich in Richtung Angleichung dungsprozess erhalten würden. Das der Geschlechterverhältnisse» ein- meint Friedrich Hausjell vom Wie- gestellt. «Obwohl das in den Top- ner Institut für Publizistik- und ökonomisch leisten können. Hausjell verliert, ist keiner. So deutet Haus- Positionen immer noch sehr anders Kommunikationswissenschaft. «Nie- gibt zu bedenken, dass so keine Re- jell die Entwicklungen im Öffentlich- ausschaut und wir schon jubilieren, mand wird als Journalist oder Jour- daktion auf Dauer bestehen könne, Rechtlichten als durchaus positiv. Er wenn die erste Tageszeitung eine nalistin geboren», betont dieser und da eine finanzielle Absicherung für spricht zwar auch von der Sendung Chefredakteurin hat, wie das beim fügt hinzu, «dass die Freien Medi- ein Medium und dessen publizisti- «Heimat, fremde Heimat» – vor al- ‹Standard› passiert ist. Alle anderen en eine nicht unwesentliche Ausbil- sche Qualität besonders wichtig sei. lem interessieren ihn jedoch die re- haben Männer.» dungsstätte für den Nachwuchsjour- daktionellen Zusammensetzungen Ein Punkt liegt ihm ebenso am nalismus sind». Zu wenige migrantische innerhalb des ORF. Er finde es gut, Herzen, nämlich die Finanzierungs- Ein Eintritt in den Journalismus JournalistInnen dass es mittlerweile auch Migrantin- grundlage der Freien Medien in Ös- ist nicht unbedingt leicht, vor allem nen und Migranten bei Sendungen terreich. Es ist aufgrund der Finan- nicht in einem kleinen Markt wie Ös- Wieso ist die Frage der Herkunft für wie Thema oder Report gibt. Trotz- zierungssituation so, dass diese von terreich. Hausjell ist demnach von den Journalismus so wichtig? Und dem, «das sind aber alles erste Schrit- der öffentlichen Hand abhängig sind, der positiven Nebenwirkung Freier vor allem: Wieso für die Massenme- te», fügt er noch hinzu. meist über direkte Förderungen. Der Medien angetan, dass diese vor al- dien in einer Demokratie? Es sei vor Dennoch stellt sich der Universi- Augustin nimmt zwar keine solche lem dem Nachwuchs die Möglich- allem so, meint Hausjell, dass «sich tätsprofessor selbst die rhetorische Förderung entgegen, finanziert sich keit geben, journalistische Fähigkei- ein großer Teil der Migranten nicht Frage: «Warum sind Migrantinnen aber zum großen Teil durch den Ver- ten zu entwickeln und zu optimieren. repräsentiert sieht in den österrei- im Journalismusberuf derzeit in Ös- trieb. Radio Orange und Okto TV je- Aber es ist auch so, dass «eine gewis- chischen Medien». Er verweist auf terreich so wenig vertreten?» Da gebe doch sind auf diese angewiesen. So- se Professionalität immer nur schwer Persönlichkeiten wie Paul Lendvai, es viele Argumente, meint dieser. Ei- mit ist es nach Hausjell «strukturell erreichbar ist» und meist mangele es der eben wegen seines so genannten nes wird aber seiner Ansicht nach schwieriger», wenn sich der Förde- an einer ausreichenden Bezahlung Migrationshintergrundes eine Berei- besonders gerne diskutiert. Immer rer in geographischer Nähe befindet für die Mitarbeiterinnen und Mitar- cherung war und ist. wieder, so Hausjell, werde versucht, und bei Verärgerungen oder negati- beiter. Dann passiert es oft, dass sich Ein österreichischer Kommuni- das Beherrschen der deutschen Spra- ver Berichterstattung einfach die fi- Betreiber der Freien die Frage stel- kationswissenschaftler, der in ei- che vorauszusetzen. Dabei werde so nanzielle Unterstützung kürzt. len, wie lange sie sich das Kernteam nem Interview kein Wort zum ORF getan, als müsse diese perfekt und Text & Foto: Almedin Čandić TUN & LASSEN Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 9 Für einen Arbeitsbegriff jenseits von Überarbeitung und Mangel Kartoffeldruck statt Leistungsdruck

Das 1998 durch eine Inter- sich mit allen AkteurInnen des Sys- vention des Wiener Künstle- tems Arbeitswelt zu vernetzen, seien rInnenkollektivs Wochen- es Erwerbslose, Interessengruppen, Klausur in Berlin-Kreuzberg Behörden oder PolitikerInnen, um entstandene Projekt workstation im Dialog mit allen die Handlungs- Ideenwerkstatt Berlin e. V. offe- spielräume zu erweitern. riert seit elf Jahren Raum und Unterstützung für die experi- Anschieben und wieder loslassen mentelle Entwicklung alternati- ver Arbeits- und Viele Projekte und Initiativen sind Lebensgestaltung. in den letzten elf Jahren entstanden, viele von ihnen werken inzwischen losgelöst vom «Mutterprojekt» wei- ter. «Wir schieben an, ermutigen, be- gleiten und lassen dann auch wieder ach doch, was du willst!» los», erzählt Frauke Hehl, die Leite- Diese Aufforderung ist rin des Projekts seit den Anfängen. Programm für die work- Die workstation ist die Geschäfts- «M n station. Nicht als Maxime der Be- stelle und Trägerin der Projekte, je- liebigkeit, sondern als systemkriti- des Projekt ist aber von Beginn an w o r k s t a t i o sche Anstiftung zum verändernden eigenständig organisiert. Da ist etwa : o t o Handeln. Der Ideenwerkstatt in das Projekt Kunst-Stoffe, ein Sam- F Berlin-Friedrichshain, die an der mel- und Umverteilungszentrum für «Arbeit sollte Spaß machen» – Normalarbeitsverhältnisse sind meist weniger Schnittstelle von Kunst, Kultur und Rest-, Abfall und Ausschussproduk- lustig Sozialem aktiv ist, geht es nicht um te, die sich für eine Weiternutzung kosmetische Interventionen auf der als «Materialien für Kultur» eignen individuellen Ebene, sondern um und ein erfolgreiches Beispiel für langfristigen und nachhaltigen ge- eine funktionierende Tauschöko- ermöglicht nun Langzeitarbeitslo- die im Rahmen von workstation- sellschaftlichen Wandel. Das beginnt nomie darstellt. Kulturschaffenden sen im Kiez eigenverantwortliches Projekten entwickelte technische mit der Dekonstruktion der domi- und anderen Interessierten stehen Arbeiten mit Bezahlung, oft in Be- Infrastruktur mit: den Medienraum nanten Bilder von Arbeit und «Nor- die Materialien und offene Werkstät- reichen, wo sie bereits vorher, aber «Zwoink!» und das nicht-kommer- malarbeitsverhältnissen» – einer ten und Arbeitsräume zur tempo- unentgeltlich, tätig waren. zielle und frei zugängliche WLAN, möglichen Vollerwerbsgesellschaft rären Nutzung zur Verfügung. Der das im Rahmen des Projekts freifunk mit abgesicherten Vollzeitarbeitsver- Verein ist auch seit vielen Jahren in Fantasie und Kooperation aufgebaut wurde. Die Zeit arbeite für hältnissen für alle –, die diametral der nachhaltigen und partizipativen ersetzt Geld solche Projekte wie die workstation, den realen Entwicklungen entgegen- Stadtentwicklung aktiv: Es entstan- meint Frauke Hehl. Angesichts der stehen: zunehmende Prekarisierung, den eine Zwischennutzungsagentur, «Wir haben uns während all der gesellschaftlichen Entwicklungen sei- Arbeitslosigkeit und Armut auf der interkulturelle Gärten, Open-Gar- Jahre nicht verkauft und verbogen», en immer mehr Menschen bereit, Al- einen und Arbeitsüberlastung und dening-Projekte. Im Projekt «/un- meint Frauke Hehl stolz. Geld ist für ternativen auszuprobieren. Die Zeit Burnout auf der anderen Seite. In der vermittelt», das im Mai bei Soho in die workstation nur eine unter vielen ist reif für Veränderung. workstation sind alle willkommen, Ottakring auf Wienbesuch ist, wur- gleichwertigen Ressourcen wie Zeit, Martina Handler die Veränderung wollen und die be- den KünstlerInnen, Wissenschafte- Wissen, Sozialkompetenz, Erfahrun- reit sind, dafür auch etwas zu tun. rInnen und AktivistInnen angeregt, gen, Kontakte etc. «Wir konzentrie- Das Erfolgsrezept der workstation eine öffentlichkeitswirksame Kam- ren uns auf das, was da ist und nicht ist einfach und soll zukünftig auch pagne rund um den Arbeitsbegriff auf das, woran Mangel herrscht.» Das in einem Handbuch als Open-Sour- zu entwerfen, um die längst überfäl- gibt Freiheit im Kopf und fördert die ce-Konzept weiterverbreitet werden. lige Diskussion über selbstbestimm- Kreativität. Gemeinsame Nutzungen, INFO Die workstation bietet Infrastruktur, tes Arbeiten, das sich am Gebrauchs- Kooperationen und Sachleistungen www.workstation-berlin.org Know-how, Kontakte, Ressourcen, wert für die Tätigen und an deren können fehlende finanzielle Mittel Veranstaltungstipp: damit veränderungswillige Men- Bedürfnissen orientiert, anzureizen. oft sehr gut ersetzen. Die workstation SOHO IN OTTAKRING Do., 21. Mai, 19 Uhr schen ihre Vorstellungen entwickeln, Anfangs umstritten war ein Modell- teilt sich zum Beispiel den Standort «/unvermittelt» zwischen Arbeitsverherrli- konkretisieren und umsetzen kön- projekt, mit dem sich die worksta- in den Berliner Laskerhöfen mit ei- chung und Arbeitsverweigerung (Film, Vor- nen. Dabei sind Selbstorganisation, tion an der «1-Euro-Job»-Initiative nem Jugendclub. Statt Miete für die trag, Diskussion) Eigenverantwortung und Teamar- im Rahmen von Hartz IV beteilig- Räumlichkeiten zu zahlen, nutzen Tempo Neulerchenfelder Straße 83 beit Schlüsselbegriffe. Außerdem ist te. Allerdings definierte der Verein der Jugendclub und andere in den 1160 Wien es ein Grundprinzip der workstation, die Rahmenbedingungen um und Laskerhöfen angesiedelte Initiativen 10 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 TUN & LASSEN Als Semperit sein Profil verlor: Paradefehler eines Paradeunternehmens

Der Betrieb in vier Schich- ten und fatale Arbeitsunfäl- le waren sicher kein Honig- lecken. Dennoch sind heutige PensionistInnen davon über- zeugt, dass Semperit auf sei- ne ArbeiterInnen geschaut hat. Im April 1978 streikten im Werk Traiskirchen die so genannten «Wickler» für mehr als drei Wo- chen. Sie warnten damit auch vor einer Entwicklung, die das Ende des Vorzeigebetriebs bedeu- tete. Ein Lehrstück in Zeiten der Wirtschaftskrise.

uerst ersuche ich alle, sich von den Sitzen zu erheben «Zund eine Gedenkminute für die im letzten Jahr Verstorbenen ein- zulegen.» Es ist ein ungewöhnlicher Beginn für eine Vereinssitzung. Der «Krankenunterstützungsverein der Dienstnehmer der Semperit AG Hol- ding» leidet an Überalterung. Ob- frau Helga Baran ist heute 85 Jah- re alt. 1958 begann sie als Sekretärin bei Semperit, bis sie 1963 in die Be- Der politische Maler Josef Schützenhöfer beschäftigte sich mit der schleichenden Zerstörung von Semperit. Das industrielle triebskrankenkasse wechselte, wo sie Umfeld interessiere ihn vom Ästhetischen her, und unter der Arbeiterschaft fühle er sich wohl bereits Kontakt zum Verein hatte. 1992, zehn Jahre nach dem Antritt alljährliche Mitgliederversammlung wieder begonnen, erzählt sie, und Heute hätten es selbst Akademike- ihres wohlverdienten Ruhestandes, zügig abgehalten. Die Anwesenden da haben eben die MitarbeiterInnen rInnen am Arbeitsmarkt nicht leicht, holte sie ihr alter Beruf wieder ein. plaudern auch über die «guten alten auf ihren Betrieb und die Betriebs- bedauert sie. Dem Verein drohte die Auflösung, Zeiten». Immerhin haben viele von leitung auf ihre MitarbeiterInnen ge- Raimund Schwarzmann, Kontroll- und so wurde sie Obfrau. «Die Leu- ihnen ihr gesamtes Berufsleben bei schaut. Als es mit der Firma dann organ des Vereins, begann 1946 bei te vertrauen mir», gibt sie sich zu- Semperit verbracht. aufgrund von Fehlentscheidungen Semperit zu arbeiten. Er schaffte den frieden. Immerhin verwaltet der Ver- des Managements bergab ging, war Aufstieg vom Lagerarbeiter zum Lei- ein mit seinen derzeit knappen 300 «Semperit war eine Familie» auch die Enttäuschung der Arbeite- ter der Abteilung des Barverkaufs. Mitgliedern ein Jahresbudget von rInnen groß. Überbezahlte Manager Gleichzeitig war er mit einem Fir- 18.000 Euro. Für einen Mitglieds- Frau Geier hat 1943 mit einer Indust- streiften die Rettungspakete ein, be- men-Fußballteam erfolgreich, das beitrag von 50 Euro jährlich unter- riekaufmann-Lehre bei Semperit be- richtet Frau Geier. Das kommt uns bis in die Wiener Liga aufstieg. Auch stützt er Kuraufenthalte, Sehbehelfe gonnen. Im Betrieb lernte sie auch bekannt vor. «Es bleibt aber nicht für ihn führten Fehlentscheidungen und zahlt selbst bei Spitalsaufenthal- ihren Mann kennen, der das Druck- bei Kurzarbeit», warnt die Pensio- der Vorstände zum Niedergang des ten ein Taggeld. Mittlerweile steht sortenlager führte. Bis zur Geburt nistin vor der aktuellen Krise. Frü- Unternehmens. Die Produktion lief er allen Menschen offen, auch wenn ihres Sohnes kaufte sie für Sempe- her, wie in ihrem Fall, musste man gut, der Export lief gut, gleichzeitig sie nicht bei Semperit tätig waren rit Erdöl, Kohle und Rohgummi aus einfach nur in einer großen Firma setzte die Creditanstalt das Unter- oder sind. Bei einem Paar Würstel Ceylon ein. Nach dem Krieg hätte arbeiten. Da hatte man Aufstiegs- nehmen wegen Kreditrückzahlun- auf Vereinskosten wird nicht nur die der Betrieb mit ganz wenigen Mitteln chancen und eine gewisse Sicherheit. gen unter Druck. Er erinnert sich TUN & LASSEN Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 11 an die großzügigen Sozialleistun- Filmrollen und geborgten Kame- der Industriegesellschaft, die in sich da es im linken Spektrum keine Pros- gen der Firma, von der Werksküche ras dokumentieren und analysie- stimmig war. «Es war keineswegs testparteien gebe. über Turnvereine bis hin zu eigenen ren. Denn nicht nur die Länge des eine rosige Zeit», wirkt die Filme- Über den «Krankenunterstüt- Erholungsheimen in Reichenau, in Streiks, auch seine Umstände waren macherin Missverständnissen entge- zungsverein der Dienstnehmer der der Prein und am Semmering. Das in der Geschichte der zweiten Repu- gen. Denn der Gesundheitszustand Semperit AG Holding» zeigt sich Wohlbefinden der Mitarbeiter wer- blik einzigartig. Es streikte nur eine der ArbeiterInnen, insbesondere der Ruth Beckermann begeistert: «Das tet der ehemalige Betriebsrat als zen- Berufsgruppe innerhalb des 4500 Ar- ihrer Zähne, habe sie schockiert. Was ist sehr wichtig, und ich finde es rüh- tralen Faktor für den Erfolg einer beiterInnen umfassenden Werks in damals eine Krise des Konzerns war, rend, dass alte Menschen von ihrer Firma. Damals wie heute liege die Traiskirchen, was zu einer raschen ist heute eine globale Krise. Die Ar- Pension etwas einzahlen, um sich Ursache der Probleme in einer ge- Entsolidarisierung führte. Während gumente waren dieselben: Durch zu helfen.» Derlei Vereine könne wissen Erfolgsversessenheit der Füh- die Maschinen still standen, ging die mehr Arbeit für weniger Geld soll- es nicht genug geben, denn sie sei- rungsetage. Denn Kündigungen kos- Auslieferung von Reifen weiter. Und ten die ArbeiterInnen den Betrieb en leicht zu organisieren und eine ten dem Staat Geld, das dann nicht schließlich entzog die Gewerkschaft stützen. Fehlentscheidungen des Ma- wichtige Stütze in Notsituationen. zur Stützung der Unternehmen zur der Chemiearbeiter den Streikenden nagements wie der zu späte Techno- Vom Paradeunternehmen Semperit Verfügung steht, erklärt er. die Unterstützung. In linken Kreisen logiewechsel von Textil- auf Stahl- ist nicht mehr viel übrig, und so ist «Semperit war eine Familie», er- stieß der Film auf großes Interesse, gürtelreifen konnten dadurch aber auch dieser Verein eine Erinnerung gänzt die gelernte Friseurin Maria beim offiziellen Österreich auf Irri- nicht korrigiert werden. Damals wie an eine einst mächtige Arbeiterbewe- Peitl, die bei Semperit zuletzt in der tation: Die Staatspolizei untersuchte heute fehle es dem Land an Konflikt- gung. Die insgesamt fünf Standorte Buchbinderei gearbeitet hat. Tatsäch- die Wohngemeinschaft von Aichhol- kultur, vor allem an den richtigen von Semperit inklusive einer pom- lich arbeiteten auch ihre beiden Brü- zer und Beckermann. «Man konnte Stellen. Denn das Kidnapping von pösen Konzernzentrale in Wien gibt der dort, der eine als Testfahrer und nicht damit umgehen, dass unabhän- Managern in Frankreich hätte nur es heute nicht mehr, im Werk Trais- der andere im Rohbetrieb. «Es hat al- gige Medien dokumentierten, und aufschiebende Wirkung. Wenn aus kirchen arbeiten heute nur mehr 400 les funktioniert, es war alles da. Sogar wollte uns mundtot machen», erin- einer Wirtschaftkrise ein Konflikt Menschen für die Firma Continental. der Arzt war in der Firma. Und auf nert sich Beckermann. zwischen französischen und rumäni- Würde sie heute denselben Film dre- einmal geht’s nimma?» Der Wechsel schen AutoarbeiterInnen wird, dann hen, dann spielte die Gewerkschaft an der Konzernspitze und die damit Arrivederci Arbeiterklasse fehle die internationale Solidarität. darin wohl keine bedeutende Rolle verbundenen Kürzungen waren für Den Gewerkschaften wirft Ruth Be- mehr: «Heute wär’s ein ganz trister, sie ein Schock. Bis dahin hätte die Der Konzern sei schon damals ver- ckermann das Fehlen globaler Stra- beschaulicher Film über ein Werks- selbstverwaltete Betriebskranken- altet gewesen und hätte sich nicht tegien und das Festhalten am Sta- gelände, wo das Gras über das Pflas- kasse lieber eine Kur mehr bezahlt an die neuen Verhältnisse anpas- tus quo statt eines Widerstands an ter wächst, wo kaum mehr Menschen als Überschüsse an die Gebietskran- sen können, erklärt Beckermann. den richtigen Stellen vor. Durch die durchgehen, wo Maschinen verros- kenkasse abzuliefern: «Denn von ei- Wenn sie jeden Drehtag um sechs aktuelle Wirtschaftskrise befürch- ten, wo alte Reifen herumstehen», so nem gesunden Arbeiter haben sie Uhr in der Früh zum Schichtwech- tet sie keine Entpolitisierung, son- Beckermann. mehr gehabt.» Auch Helga Baran sel nach Traiskirchen kamen, war das dern einen deutlichen Rechtsruck, Florian Müller erinnert sich an die Dekadenz vor ein Ausflug in eine vergangene Welt dem Niedergang. Nachdem die Füh- rungsriege aus finanziellen Gründen TRICKY DICKY’S SKIZZENBLÄTTER in der Zentrale vom 10. in den 5. Stock übersiedelte, weil der oberste Stock vermietet wurde, ließ sie sich gegen den Widerstand des Betriebs- rats dort noch ein pompöses Bade- zimmer einbauen, während im La- ger der Werke gängige Reifensorten vergriffen waren.

Auf amol a Film

Ruth Beckermann hatte gerade den Filmladen gegründet und die ers- te Produktion, «Arena besetzt», war fertig, als in Österreich etwas Einzigartiges passierte: Nach einer Produktionsumstellung von Tex- til- auf Stahlgürtelreifen drohten den so genannten «Wicklern» mas- sive Gehaltseinbußen, und sie tra- ten über drei Wochen in den Streik. Betriebsratsobmann Alfred Mai- erhofer verhandelte im Stillen, der Streikbeschluss kam selbst für die ArbeiterInnen überraschend. Unter dem Titel «Auf amol a Streik» wollten Ruth Beckermann und Josef Aichhol- zer dieses Ereignis mit geschenkten 12 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 TUN & LASSEN neunerHAUS feiert den Zehnten und urgiert «Recht auf Wohnung» Kein Portier im Quartier

Wien ist anders. Niemand Auch Markus Reiter wird sich wei- muss im Park oder im Abbruch- gern, mit irgendwelchen Zahlen da- haus oder im Klo oder auf der herzukommen, wenn nach den Stra- Straße oder unter der Brücke ßennächtigern in Wien gefragt wird. oder in einer Garage oder im Ge- Aber er bricht mit einer naiven Ge- räteschuppen oder im Waggon genfrage in das Märchen der Vollver- übernachten. Wer ein Bett un- sorgung ein. «Alle bestehenden Ein- ter Dach will, kriegt eins. Wer richtungen der Wohnungslosenhilfe, städtische Beamte, die die Befug- die anerkannten – die ca. 3000 Plätze nis haben, selbständig mit Jour- anbieten – und die nicht anerkann- nalistInnen sprechen zu dürfen, ten, sind voll. Und, siehe da, jede neu oder Mehrheitspolitiker nach der eröffnete Einrichtung, ob anerkannt Schere zwischen Angebot und oder nicht, wird sofort voll. Auch Nachfrage im Obdachlosenbe- wenn die Vinzenzgemeinschaft des reich fragt, bekommt in etwa die- Grazer Pfarrers Pucher in Wien eine se Antwort serviert. Obdachlosensiedlung eröffnen sollte, wird diese in kürzester Zeit voll sein. Mit wem sind sie gefüllt? Mit Stra- anche geben sich mit sol- ßenmenschen, die es in der Wien- chen Antworten zufrie- PR gar nicht gibt.» den. Andere rufen dann aber zum Beispiel beim Die Kraft des eigenen MAugustin an, inzwischen eine Art Wohnungsschlüssels informelle Infostelle für Fragen der Obdachlosigkeit und der Armut. Auch jedes der drei neunerHäuser, «Misstrauen Sie jeder Auskunft, die Markus Reiter und sein Team die sich wissend gibt», ist der Au- mittlerweile eröffnen konnten, war gustin-Tipp. «Rechnen Sie zu den bald nach dem Startschuss voll be- in Wien lebenden Wohnungslosen setzt. Dazu trug auch der Ruf der auch die Flüchtlinge und Einwan- Unabhängigkeit bei, vor allem aber derInnen, die ohne fixes Dach über das gelebte Konzept der Einbezie- sich wohnen.» Am besten sind die hung Betroffener, die Vermeidung Auskunftssuchenden bedient, wenn bevormundender Kontrollen, die li- sie sich an ExpertInnen und Prakti- beralen Hausordnungen, die Res- kerInnen der Wohnungslosenhilfe pektierung des Rechts auf privaten wenden, die nicht zum Schönfärben Rückzug, die Erlaubnis, Haustiere gezwungen sind. An Menschen wie bei sich zu haben und die Kultur der Markus Reiter, der vor zehn Jahren Konfliktregelung, etwa durch Haus- g n – mit KollegInnen – den Verein neu- und Stockversammlungen. Wer je- a L

nerHAUS (mit)gründete, eine neue mals die Luft der alten «Meldemann- a r i o

Kultur der sozialen Arbeit mit Ob- gasse» zu atmen gewohnt war, jenes : M o t o dachlosen (mit)initiierte und heu- von «Aufsehern» regulierten ehema- F te als Geschäftsführer des Vereins ligen städtischen Armenasyls, des- Markus Reiter, Geschäftsführer des neunerHAUS, fordert die Rückkehr zu den fi- fungiert. sen Kabinen eher Gefängniszellen xen Subventionsverträgen zwischen Fonds Soziales Wien und den Vereinen der glichen, dem wird der Einzug in das Wohnungslosenhilfe erste der neunerHäuser, es steht in INFOder Hagenmüllergasse im 3. Bezirk, niemals Ausgeschlossene waren, nur der neunerHäuser anwachsen, ohne Der Verein neunerHAUS heißt so, weil er aus wie eine Rückkehr in die Normali- ahnen», sagt Markus Reiter. die Miete zu zahlen, wird sich das einer Bürgerinitiative des 9. Bezirks hervor- tät vorgekommen sein. Kein Nacht- Stichwort Besuche. Ein Thema, auf gut ausgedachte und durch Erfah- ging, die ursprünglich im Grätzl ein Obdach- losenhaus der anderen Art errichten wollte. portier, der entscheidet, ob er dich das die Stockversammlungen quasi rung gereifte System gegen «U- Stumpergasse 60 hineinlässt oder deinen Besucher, «abonniert» sind. Wer einen Woh- Boote» wehren. Ein weiteres Thema 1060 Wien kein Empfang, ein eigenes Post- nungsschlüssel besitzt, kann natür- dieser Versammlungen der neuner- Tel.: (01) 713 59 46 kasterl – und ein eigener Schlüs- lich auch entscheiden, ob er Besu- Haus-MieterInnen sind «schwierige» [email protected] www.neunerhaus.at sel! «Den Symbolgehalt des eigenen cherInnen aufnimmt oder nicht. HausgenossInnen. «Das kann’s ge- Wohnungsschlüssels können die, die Wenn aber BesucherInnen in einem ben – Bewohner, die das ganze Haus TUN & LASSEN Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 13 rebellisch machen», sagt Markus Rei- weiterhin tabu bleiben wird, kom- des Krankenhausaufenthalts anzei- Eine abgesicherte finanzielle Ba- ter. «Wenn man sich dann die Bio- men auf NGOs wie den Verein neu- gen. «Als ob wir, die wir unsere Be- sis würde dem neunerHAUS-Ver- grafien dieser Leute ansieht, kennt nerHAUS unvorhersehbare Aufgaben wohnerInnen besser kennen als die ein unter anderem helfen, die me- man die Gründe ihrer Unfähigkeit zu. «Ich halte ständig Ausschau nach Fonds-Zentrale, nicht am besten be- dizinische Versorgung der Ärmsten zum solidarischen Zusammenleben: leer stehenden Häusern. Schwestern- urteilen könnten, wie lange ein Spi- in Wien weiter zu optimieren, Schon eine lieblose Kette aus Kinderheim, heime zum Beispiel wären ideal für talaufenthalt legitim ist», ärgert sich jetzt gilt das neunerHAUS als Avant- Jugendknast- und Erziehungsanstal- Einrichtungen unserer Art. Der Kran- Markus Reiter. garde der Gesundheitsvorsorge im tenerfahrung ist nicht die beste Vo- kenanstaltenverband verfügt über un- Er muss sich nicht mehr allein är- Wohnungslosenbereich. Fünf Allge- raussetzung, soziale Verantwortung benutzte Schwesternheime», meint er. gern. Auf Initiative der ARGE Wien, meinmedizinerInnen – das neuner- zu lernen.» Die Könige «Profit» und «Privatisie- eines schon älteren unabhängigen HAUSarzt-Team – durch ihre rung» regieren in diesem Bereich frei- Sozialvereins, ist der Verband Wie- aufsuchende Arbeit in den Einrich- Menschenrecht auf Wohnen – all- lich noch ungebrochen. Die Gebäude ner Wohnungslosenhilfe gegründet tungen der Wiener Wohnungslosen- seits vergessen? werden an den Bestbieter vergeben. worden. Mit Ausnahme von «wie- hilfe eine niederschwellige Versor- Und der macht keine Wohnungslo- der wohnen», einer Tochterfirma gungsstruktur an. Der neunerHAUS Auch aus einem neunerHAUS kann senhotels daraus … des FSW, die die ehemals städtischen Zahnarzt bietet alles, was in her- man fliegen. Dafür muss man freilich Wenn oben vom Wert der Unab- Obdachlosenherbergen betreibt, sind kömmlichen Zahnarztpraxen ange- einiges von dem aufführen, was von hängigkeit des Wohnungslosen-Un- alle Träger von Wohnungslosenein- boten wird. Wer je beim Lachen wie- den MitbewohnerInnen am wenigs- terstützungsvereins neunerHAUS die richtungen darin vertreten, darun- der seine Zähne zeigen konnte, wird ten gelitten wird. Wogegen man aus Rede ist, so ist eine Relativierung an- ter Caritas, Rotes Kreuz und Heilsar- einen Hauch von Hoffnung gespürt normalen Mietwohnungen auch flie- gebracht. Ohne den FSW, Fonds So- mee. Mit dem Verband steht erstmals haben. Auch wenn einem das Lachen gen kann, wenn die Mietkostenstei- ziales Wien, läuft gar nix. Der FSW eine Plattform für die Formulierung im Schatten der Wirtschaftskrise ver- gerungen nicht mehr zu bewältigen ist der aus dem Wiener Magistrat aus- gemeinsamer Forderungen an den gehen könnte: Ohne Zahnschmerz sind. «Wer thematisiert bei uns das gelagerte bürokratische Apparat zur Geldgeber zur Verfügung. Die Rück- verträgt man diese entschieden leich- Menschenrecht auf Wohnung?», fragt Verwaltung der Armut, der als Beina- kehr zu den fixen Subventionsverträ- ter. Ein Slogan für die neunerHAUS- Markus Reiter; ein wenig schlechtes he-Monopolist der Wohnungslosen- gen zwischen FSW und den Vereinen Medizin-PR, geschenkt vom Augus- Gewissen schwingt mit, denn der Ver- hilfe alle «anerkannten» Heim-Trä- der Wohnungslosenhilfe zählt zu den tin, zum zehnten Geburtstag. ein neunerHAUS ist – entgegen dem gervereine beauftragt und finanziert. wichtigsten Anliegen. Robert Sommer Anspruch, auch politisch zu interve- Ein Exempel der Auszehrung der nieren – in den vergangenen Jahren Souveränität: Der Verein neuner- nicht sehr aktivistisch und fordernd HAUS hätte zwar das Recht, Flücht- in Erscheinung getreten. Man müsse linge oder Papierlose in einem seiner die Frage stellen, warum in unserer drei Häuser (Hagenmüllergasse, 65 aktuellen Periode der völligen Dele- Dauerwohnplätze für Männer und gitimierung des Neoliberalismus, in Frauen; Billrothstraße, 35 befristete der selbst der GM-Konzern nach Ver- Wohnplätze nur für Männer; Kud- staatlichung schreit, für die Gemein- lichgasse, Dauerwohneinrichtung für de Wien weiterhin eine Rekommu- Männer, Frauen und Paare, die Hilfe nalisierung des Wohnbaus völlig tabu im Alltag benötigen) aufzunehmen. sei. Seit den 80er Jahren verzichtet die Die Betten würden dann aber von Stadt auf die Errichtung von Gemein- nicht anerkannten Hilfsbedürftigen dewohnungen und überlässt das Feld belegt sein, und «Partner» FSW wür- den privaten Gesellschaften, die sich de keinen Cent zahlen. Der Fonds So- ohne große Widerrede der Gesell- ziales Wien ist nämlich zur Subjekt- schaftskritikerInnen «Gemeinnützi- förderung übergegangen und zahlt ge» nennen dürfen – und Wohnungen nur pro einzelnen Bewohner, der aber für die Mittelschicht anbieten. zwei Voraussetzungen erfüllen muss: «Dabei bräuchte Wien Tausende Er muss berechtigt sein, Sozialhilfe zu Wohnungen, die nicht mehr als 200 beziehen, und er muss von zentraler Euro im Monat kosten», meint Mar- Stelle dem neunerHAUS zugewiesen kus Reiter. Mit Fernwärme- und sons- worden sein. «Wir als Trägerverein tigen Energiekosten wäre die monatli- haben keinen Fördervertrag mit dem che Belastung ohnehin gleich wieder FSW, sondern besitzen nur den Sta- verdoppelt. Wohnungsmieten von tus der offiziellen ‚Anerkennung’ als 200 Euro würden das kommunale Wohnungsloseneinrichtung. Der Be- Sozialhilfesystem entlasten, das an- wohner darf also die für ihn bestimm- dernfalls kollabiert, wenn die Zahl der te Subjektförderung an uns weiterlei- Sozialhilfe-Anspruchsberechtigten so ten», erläutert Markus Reiter. steigt wie von ExpertInnen prognos- Der «Partner» FSW kann die Sub- tiziert; und sie würden die unter die jektförderung aussetzen, wenn ein Räder der Krise Geratenen, die neuen Geförderter länger als 14 Tage im Spi- Arbeitslosen, entlasten. Weil es aber tal verbleibt. Diese Klausel bilde den in Staats- und Rathausspitze keinen Hintergrund einer datenschutzrecht- politischen Willen zu solcherlei Ent- lich nicht ganz koscheren Neugierde lastung gibt, weil die Rückkehr zum des FSW. Er fordert Daten ein, die die leistbaren kommunalen Wohnbau Notwendigkeit oder Überflüssigkeit 14 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 TUN & LASSEN Seit 18. Mai ist das österreichische Wahlgeheimnis Geschichte. Wieder einmal. Minister Hahn steht auf E-Voting-Misthaufen

Mit dem rechtsstaatlichen allgemeine, gleiche, geheime und di- Ferry Mayer: «Ich habe Vertrauen den Ausgang der Wahl so beeinflus- Prinzip kann man auf meh- rekte Wahlrecht war denen, die auch in den Hochsicherheitsbereich des sen, ohne Spuren zu hinterlassen. rerlei Weise umgehen: Ent- auf die Briefwahl drängen, von An- Bundesrechenzentrums» – und er- weder man respektiert es unein- fang an ein Dorn im Auge. gänzt staatsmännisch, schließlich Es kann nicht sein, was nicht geschränkt und handelt stets im sei er ja auch seiner Autowerkstatt sein darf! Rahmen des Erlaubten und Ge- Ein ÖVP-Traum ausgeliefert! wünschten. Oder es ist einem Dass die Einführung des E-Vo- Die Verfassungssprecherin der wurscht und man schert sich um Nun sind also die Studierenden auf- tings parteipolitische Bedeutung hat, Grünen, Daniela Musiol, ortet bei keine Gesetze. Oder man nützt gerufen, von ihrem Wahlrecht per erkennt sogar die «Wiener Zeitung», Hahn ein «sehr seltsames Rechts- die Schwachstellen, um das Sys- Computer Gebrauch zu machen. da «sich fast alle wahlwerbenden und Demokratieverständnis». Auf tem auszunützen. Welches die- Vom Gerät eines Freundes aus, aus Gruppen gegen E-Voting» ausspre- eine Anfrage hatte der Minister we- ser Denkmuster Wissenschafts- dem Internet-Café, von der Firma chen: «Nur die ÖVP-nahe Aktions- nig wissenschaftlich argumentiert, er minister Hahn derzeit mit dem aus, ganz geheim. Datenschutzex- gemeinschaft (AG), die derzeit den erwarte keine Angriffe von Hackern Rechtsstaat im Sinne hat, bleibt perte Hans G. Zeger warnt, dass die ÖH-Vorsitz innehat, steht dem The- auf das elektronische Wahlsystem, ein Rätsel. Sicher ist nur, Schüs- Wahl frei, geheim und persönlich ma ‹neutral gegenüber›.» «da Personen, die versuchen, das Sys- sels Geist spukt wie ein Zombie zu sein habe. Es gebe allerdings der- Andere Länder gehen von diesem tem zu kompromittieren, rechtlich durch die ÖVP. zeit kein technisches System, wo alle System längst wieder weg. In Finn- belangt werden können». «Nach dem diese drei gewährleistet wären. Der- land sind bei einer solchen Wahl Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) zeit kann jeder Wahlvorgang öffent- zwei Prozent der Stimmen verloren haben nun», laut «Wiener Zeitung», lich kontrolliert werden, in jedem gegangen. Und was in den USA mit «auch die Grünen und Alternativen on 18. bis 22. Mai soll(t)en Wahllokal sitzt eine Wahlkommissi- Wahlmaschinen so alles passiert ist, StudentInnen (GRAS) angekündigt, nach dem Willen des Wis- on, mehrere Personen, Beamte und jagt ordentlichen DemokratInnen die Wahl anfechten zu wollen. Und senschaftsministers Öster- Wahlzeugen, die den Ablauf kontrol- kalte Schauer über die Rücken. zwar egal, wie der Urnengang aus- reichs StudentInnen ihre lieren; zum Beispiel, dass der Wähler Nach einem solchen Wahlgang ist geht.» Robert Krimmer, im Wissen- StandesvertretungV per Mausklick alleine in die Wahlzelle geht, dass er es nicht möglich, das Ergebnis zu schaftsministerium mit Viren und wählen – ohne dass das Wahlrecht den Stimmzettel alleine und unbeein- überprüfen. Es gibt keine Kontrolle, Trojanern beschäftigt: «Es ist nicht geändert worden ist. Was im Übri- flusst ausfüllt, ihm dabei keiner über von wem und wie der Server bedient ganz auszuschließen, dass so etwas gen nur per Volksabstimmung mög- die Schulter und dass dann keiner wird. Es ist nicht garantiert, dass die passiert, aber es ist höchst unwahr- lich wäre. Das scheint serviceorien- in sein Kuvert schaut. Bei E-Voting Stimmabgabe nicht zum Wähler zu- scheinlich!» Purgatshofer gibt laut tiert zu sein, unterstellt man, dass gibt es keine Wahlbeobachter. Zeger: rückverfolgt wird, weil die Stimme «Der Standard» die «optimistische sich Studierende nicht an der Uni «Ohne Vorsatz zu unterstellen, es ist ein elektronisches «Mascherl» hat. Schätzung» ab, dass «rund ein Vier- aufhalten, sondern im Fitnesscen- nicht zuverlässig!» Nationalratsprä- Daniela Musiol, GRAS: «Derzeit tel aller Computer mit Spy-Software ter, sich somit nicht wegen der läs- sidentin Barbara Prammer: «Ich teile kenne ich kein System, bei dem die infiziert ist». Was für ihn heißt: «Das tigen Wahlen extra in den Porsche die Meinung der Experten. Ich hal- demokratiepolitischen Vorausset- Wahlgeheimnis ist damit nicht mehr zu schwingen bräuchten. Selbstver- te E-Voting für höchst bedenklich. zungen gewährt sind.» Heinz Mayer vorhanden.» ständlich führt der ÖVP-Obmann Es geht um mehr als das allgemei- zur «Wiener Zeitung»: «Ein gehei- Die E-Voting-Befürworter müs- anderes im Schilde, was Sophie Kar- ne, gleiche, geheime, direkte Wahl- mes Wahlrecht liegt nur dann vor, sen aber noch eine Hürde nehmen. masin im «profil» so formuliert: «51 recht.» TU-Professor Peter Purgats- wenn die Wahlentscheidung von nie- Etwa 230.000 studieren an den 21 ös- Prozent der Befragten würden E-Vo- hofer: «Der entscheidende Punkt ist: mandem nachvollziehbar ist.» Zwar terreichischen Universitäten. Angeb- ting, wie es erstmals bei den ÖH- Wir werden es nie nachweisen kön- gebe es eine Verschlüsselung, In- lich besitzen 6900 davon eine Bür- Wahlen im Mai eingesetzt wird, auch nen, ob dort betrogen wurde.» De- formatiker könnten diese aber kna- gercard, die für den elektronischen bei anderen Wahlen befürworten.» kan Heinz Mayer: «Ich traue jeder cken. Zudem sei eine Manipulation Wahlgang notwendig ist, also gerade Die ÖH-Wahlen sollen nur der Test- Partei zu, dass sie das, wenn sie die der Wahl «in einem unerhört hohen einmal drei Prozent. Und die sollten lauf dafür sein, was sich die Öster- Möglichkeit dazu hat, auch macht.» Ausmaß» möglich. Der Entwickler über ein Kartenlesegerät verfügen. reicherInnen gefallen lassen. Das ÖVP- und Raiffeisen-Abgeordneter oder die Administratoren könnten Erich Félix Mautner

Die nächste Ausgabe des Augustin erscheint am Mittwoch, 3.Juni Vorstadt Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 15 «Auf Deutsch gesagt» No 204

Monika Kovar wird oft ange- rufen. Sie sitzt in der «Auskunft» einer riesigen Telekom-Firma. LOKAL- Von Uwe Mauch (Text) und Ma- rio Lang (Foto) matadorin

lf-achtundachtzig-siebenund- Geburt ihrer Tochter, 1993, ver- siebzig. Es gibt keine Zah- mittelte sie ihr Bruder, ein Techni- lenkombination, nicht ihr ker am Arsenal, zur Auskunft. Nach Geburtsdatum, nicht ihre So- acht Wochen Einschulung bestand Ezialversicherungsnummer, nicht ihre sie sowohl die mündliche als auch Telefonnummer, die sie öfter sagt als die «Platzprüfung». dieses nicht enden wollende numme- Heute ist vieles Erfahrung. Dass rische Ungetüm. An Spitzentagen, man das Invalidenamt auch im elek- das sind der Montag und der Diens- tronischen Telefonbuch unter Bun- tag, wiederholt sie die drei Zahlen dessozialamt findet, muss man halt im Akkord. Bis zu 50 Mal, in der wissen. Und selbst der eingefleisch- Stunde. teste Katzenfreund bekommt von ihr «Willkommen bei Elf-achtund- zu hören, dass sein Whiskas nicht achtzig-siebenundsiebzig, mein von der Firma Whiskas, sondern Name ist Monika Kovar. Was kann vom Masterfoods-Konzern produ- ich für Sie tun?» Heute amüsiert sie ziert wird. das: «Die erste Zeit habe ich mich Kovar lobt das «familiäre Klima». auch zu Hause so gemeldet. Und Mit den meisten Kollegen, 130 insge- manchmal habe ich anstatt Auf Wie- samt, verstehe sie sich gut. Der Auf- dersehen Auf Wiederhören gesagt.» seher heißt heute Teamleiter, mit ihm Mehr als 15 Jahre sind seither ver- ist sie per du. Und wenn sie zum Klo gangen. Damals, als Monika Kovar muss, muss sie sich dafür nicht mehr bei der «Auskunft» begonnen hat, entschuldigen. wählte man noch 1611 (für die In- Monika Kovar, Anruf-Beantworterin – bis zu 50 Mal pro Stunde 40 Wochenstunden arbeitet sie in landsauskunft), 1612 (für «Deutsch- einem Wechseldienst, den sie sich land») und 1621 (für Geheimnum- weitgehend selbst einteilen kann, der mern). Ewig hing man danach in der Sie gleich nach der Nummernansa- dagestanden, um dir die paar Gro- aber auch mindestens zwei Wochen- Warteschleife, mit einer monotonen ge zum Auskunftstarif von 1,81 Euro schen mehr wieder streitig zu ma- enden pro Monat Arbeit vorsieht. Tonbandstimme im Ohr: «Platz elf pro Minute weiterverbunden wer- chen. Aber da hat man sich halt ein «Unser Job ist körperlich anstren- wird sich in Kürze melden.» Platz elf den?» Herr Novak will das nicht. Die bisserl deppert stellen müssen, auf gend», will die quirlige Anruf-Be- meldete sich irgendwann. Streng höf- 1,81 Euro pro Minute sind ja auch Deutsch gesagt.» antworterin vor allem jenen gesagt lich: «Auskunft, grüß Gott!» keine Option, mehr eine finanziel- Auf Deutsch gesagt. Monika Ko- haben, die meinen, dass das bisserl Lange her. Jene Kolleginnen, die le Zumutung. var kann mit allen reden. Mit dem Telefonieren eh keine Arbeit sei. Im sie seinerzeit eingeschult haben, sind Der Ätschent kann nix dafür. Tarif nasalierenden Professor aus Döbling Akkord Namen, Nummern und Ad- längst in Pension. Das riesige Amt in bleibt Tarif. Auch im modernen Call- ebenso wie mit dem bellenden Bau- ressen suchen, setze ihr mehr zu als der Börsegasse ist Geschichte. Auch center, das übrigens in einem unauf- ern aus der Weststeiermark oder mit das Nähen in der Schneiderei und der Ton ist ein anderer geworden. fälligen Gründerzeithaus im neunten der noch weniger verständlichen An- das Stehen in der Putzerei. Heute sagt man nicht mehr Amt, Bezirk eingerichtet ist. ruferin aus dem Bregenzer Wald. Manchmal menschelt es auch am sondern Callcenter. Heute sagt auch Frau Kovar wurde in 2130 Mistel- Nach der Geburt ihres Sohnes, Telefon. Wenn der Nebenbuhler da- niemand mehr, dass die Telefonlei- bach geboren. Sie lernte Schneiderin 1984, hat sie in einer Putzerei am rum bittet, die Geheimnummer der tung tot ist. Tot ist dafür der Telefon- und nützte gleich die erste Chance Rennbahnweg gearbeitet, damals, Geliebten zu wählen, aber auf keinen hörer. Die Ätschents, vormals Beam- nach der Lehrzeit, um dem Wein- als die Hochhaussiedlung noch so Fall durchzustellen, sollte sich de- te, tragen stattdessen Headphones, so viertel in Richtung Wien zu entkom- richtig berüchtigt war. Bügeln, Fle- ren Ehemann melden. Berührender Kopfhörer halt. Auch die Pragmati- men. Am 20. August 1979 begann sie cken lösen, mit einer Maske die noch: Wenn man am Weihnachts- sierung ist heute kein Thema mehr. in einer Konfektionsfirma in Ottak- Maschinen putzen und einem Lä- tag einer Anruferin vermitteln muss, «Viele Anrufer stellen sich mit ring, in der Sandleiten. «Ich hab' da- cheln die Kunden bedienen. Auch dass ihr Sohn nichts mehr mit ihr zu ihrem Namen vor», flüstert Mo- mals mehr verdient als der Stiefva- im Akkord. tun haben will. nika Kovar nebenbei. Den Namen ter am Bau. 8000 Schilling, das war «In der Johnstraße?» Fragt sie Danke, und auf Wiederhören! schreibt sie sich auf, um ihr virtu- viel Geld.» jetzt am Telefon nach. Auch dort * elles Gegenüber persönlich anspre- Damals schon Arbeit im Akkord: hat sie, später, in einer Putzerei ge- «Lokalmatadore» nennt sich auch der chen zu können: «Einen Moment bit- «Man hat nur aufpassen müssen, dass arbeitet. Nach der Scheidung von Sammelband dieser Porträt-Serie – er- te, Herr Novak, ich suche.» Und nach man nicht zu schnell genäht hat, weil ihrem ersten Mann zog sie zurück hältlich bei Ihrem Augustin-Verkäu- der erfolgreichen Suche: «Möchten sonst sind sie gleich mit der Stoppuhr in den Sechzehnten. Und nach der fer sowie im Buchhandel. 16 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 VORSTADT

Wiens Fußballplätze (7): Der FavAC-Platz Stadion mit Haus-Tribüne

Nächstes Jahr wird der Fa- um etwa den Sonntagsbraten zu voritener Athletic-Club 100 versäumen. Jahre alt. Die momentanen Er kann sich den Weg ins Stadion Leistungen der Fußballer sind ersparen, er muss nur das Fenster eher mau, dafür ist es spitze, öffnen und schon ist er mitten im dass die Heimspiele traditionell Geschehen. Johann Erbev wohnt am Sonntagvormittag ausgetra- in jenem Haus, das direkt an den gen werden. Fußballplatz grenzt, dazu auch noch im Parterre. Nur ein Busch und ein Stück Rasen trennen rst auf den Fußballplatz, und ihn, den «Zaungast», wie er sich dann, nach dem Spiel (und selber nennt, vom Spielgeschehen. dem einen oder anderen Bier), Obwohl er quasi immer freien nach Hause, zum Mittagessen. Eintritt hat, zahlt er jedes Jahr EDas ist ein beliebtes Sonntags-Ritu- seinen Vereinsmitgliedsbeitrag. Ist al unter den FavAC-Anhängern. Der Ehrensache! Favoritener Fußballclub pflegt sei- In diesem Haus ist auch eine ne Heimspiele am Sonntagmorgen Fußballtribüne integriert. Ein anzupfeifen, um 10.15 Uhr, so war architektonisches Gustostückerl, das das schon in den Achtzigerjahren, zwar nicht ganz so spektakulär ist als der Club noch oben mitspielte, wie das im äußeren Rund des Basler und so ist das auch heute noch, in Stadions untergebrachte Altersheim, der Wienerliga. Eine der Konstan- nett und sicherlich einmalig ist es ten in der langen Clubgeschichte – allemal. Anfang der Neunzigerjahre im nächsten Jahr wird der FavAC verkaufte der Verein einen Teil seines 100 Jahre alt. Grundstücks, eben jenes, auf dem «Zaungast» Johann Erbev bittet zum Tee 10.15 Uhr: Das ist eine kommode dieses Haus gebaut wurde. Auf diese Zeit. Nicht zu früh, um sich vom Weise rettete sich der FavAC vor Heute kommen zu einem Spiel Vergleich mit den 7000 Zuschauern, Wecker aus dem Bett klingen lassen dem drohenden Konkurs. zwischen 200 und 300 Zuschauer, die früher kamen, als es noch gegen zu müssen, und nicht zu spät, In der einen Ecke der Haus-Tribüne das ist ein guter Schnitt für die Rapid ging. Vielleicht muss sich formieren sich regelmäßig die Roten Wienerliga, zumal die Favoritener einfach noch mehr herumsprechen, INFOTeufel, der kleine, aber treue Fanklub. Kicker, die letzte Saison noch um dass sich dieser Platz ideal zum FavAC-Platz Auf der gegenüberliegenden Seite den Aufstieg mitspielten, zur Zeit Frühschoppen eignet. Kennergasse3, 1100 Wien nimmt der Besucher wie ehedem auf eher maue Leistungen liefern – aber Text und Fotos: Tel.: (01) 602 63 11 Holzbänken Platz. diese Zuschauerzahl ist nichts im Wenzel Müller

KICK-TIPP Wienerliga: KSV Ankerbrot – FavAC; Wienerfeld-Platz, Freitag, 22. ÖFB-Frauenliga: USC Landhaus – SV Neulengbach; Sport- Oberliga A: Wiener Sportklub – SV Horn; Sportclubplatz, Freitag, Mai, 19.30 Uhr: Im Mai kommt die Krise: Augustin-Prophe- platz Union Landhaus, Sonntag, 24. Mai, 15 Uhr: Im Mai 5. Juni, 19.30 Uhr: Im Juni kommt die Feier: Punktgenau an zeiungen beruhen auf streng wissenschaftlichen Erkennt- bleibt die Krise: Was nützt es den Landhaus-Damen, diesem Abend um 22.15 Uhr wird Wiens ältester Fußball- nissen und haben per se nichts mit Esoterik und schon gar österreichischer Rekordmeister zu sein, wenn vier Run- verein wieder Teil der österreichischen Bundesliga sein. nichts mit Astrologie zu tun. Nicht nur Idna Akire weiß da- den vor Schluss zehn Punkte auf die Tabellenführung Und zwar nicht deshalb, weil der First Vienna Football Club von ein Lied zu singen, sondern auch die beiden im Titel fehlen? Vom budgetären Rückstand auf die Neuleng- zur selbigen Zeit in Neusiedl einen sicheren Sieg eingefah- genannten Favoritner Urgesteine. Ist doch das Ausbleiben bacherinnen ganz zu schweigen. Falsch gedacht! Das ren haben wird. Sondern vor allem aufgrund der Tatsache, der lange und sehnlichst miteinberechneten Spontanrück- Ziel des Spiels ist nicht der Sieg, sondern der Sieg des dass es für den SV Horn in Hernals nichts zu gewinnen ge- bildung der – auch unnumerologisch – überaus bedenk- Ziels ist das Spiel. Erst in der krampflosen Kampfansa- ben wird. Fragt sich nur, wer beim traditionellen Corner- lichen Tabellenplatzierung für beide ein zwingender Be- ge wider den Zwang zur Akzeptanz der aufgedräng- Schlüsselgeklimper an der Vorortelinie am Ende wirklich weis der katastrophalen Zeitqualität. Wer Wiens stimmigste ten Verhältnisse zeigt sich die wahre Kunst. Und die im Winkerl stehen bleibt. Gilt doch: Ohne uns sind wir nur G’stetten mit gesenktem Haupt verlässt, ohne zuvor in der seit ehedem urbanen Landhäuslerinnen wissen, was die Hälfte wert. Tachinieren kommt umso weniger in Fra- vielleicht wahrhaftigsten aller Kantinen gewesen zu sein, sie ohnehin noch nie jemandem schuldig waren. Mehr ge: Der Sportclubplatz liegt an der Als – und wer’s nicht fürchtet sich zu Recht! Mai ist schlicht unmöglich! glaubt, geh hin und schnall’s! Arme Vienna …

Wienerfeld-Platz Sportplatz Union Landhaus Sportclubplatz Heuberggstättenstraße 1, 1100 Wien Jochbergengasse, 1210 Wien Alszeile 19 Tel.: (01) 615 03 56 Tel.: (01) 292 42 71 1170 Wien www.ksvankerbrot-montelaa.at www.usclandhaus.org Tel.: (01) 485 98 89 Öffis: 66A, 67A, 70A (z. B. ab Reumannplatz U1) bis Öffis: Autobus 31A (z. B. ab Kagraner Platz U1) www.wienersportklub.at Haltestelle Sibeliusstraße bis Haspinger Platz Öffis: S45 bis Haltestelle Hernals fm Vorstadt Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 17 COACHING ZONE «Servas Homo!»

ännergespräche in Umkleidekabinen – ein Mythos seit der Erfindung des MFußballs. Noch dazu, wo die Kabinen der Kicker zu jenen raren Orten gezählt wer- den müssen oder dürfen, je nach Weltsicht, wo Männer, nix Gender, «unter sich» sind. Was wird eigentlich in der Kabine der Au- gustin-Fußballer gesprochen? Auffallend wenig Derbes. Meistens dre- hen sich die Gespräche um Dinge, die man zum Leben und zum Fußballspielen braucht (Geld, Fußballschuhe, Fußballdressen, Au- gustin-Zeitungen, Rapid, Freunde, Kollegen, Sportklub, aufgepumpte Fußbälle). Manch- mal auch um Themen, die besser privat bleiben. Wirklich derb wird es nur, wenn wie- der einmal ein Vertreter jener aussterben- den Spezies hereinschneit, die gewaschene Sportsocken nur an ihren Kollegen schätzt. So erblickte jüngst ein über Wochen in ei- nem Billa-Sack gereifter Fußballschuh das Ach, diese Ballverliebtheit der jungen Kicker! Wo bleibt der Zug aufs Tor? Licht unserer Kabine, was selbst dem Schuh peinlich sein musste, flüchtete doch seinet- wegen die halbe Mannschaft fluchtartig ins Freie. Extrem niedrig ist die Konzentrations- schwelle einiger Augustin-Kicker. Gut, wir konnten sie durch hartnäckiges Kabinen- predigen über die Jahre ein wenig anheben. Dennoch verkommt manche Teambespre- chung zu einer Mischform aus Kindergarten und Kasperltheater. Selbst dem EU-Abge- ordneten Hannes Swoboda hören auf seinen Wahlkampftouren mehr Menschen zu. Und dennoch ist es eine Hetz in der Au- gustin-Kabine. Wenn ein Handy laut, aber herzlich läutet und der Angerufene ein «Ser- vas Homo! Wo bist‘?» ins Telefon brüllt. Oder wenn der Jan für sein geliebtes Bo- hemians Prag skandiert. Oder sich der eine oder andere Augustiner auf ein «Trschki» freut («Trschki» ist der interne Code für ein Krügerl Bier, siehe Coaching Zone Nr. 63, Augustin-Ausgabe Nr. 186, 09/2006). Fußball gespielt wird auch. Zuletzt sah man auf dem Slovan-Platz ein 30-minüti- ges Trainingsspielchen gegen eine Abord- nung aus dem neunerHAUS. Ergebnis: ein den Leistungen entsprechendes 3:1 für die Homos. Uwe Mauch Tradition und Moderne: Holzbänke und Hochhaus 18 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 Kraut & rübEN

DESPERADO-SCHACH von Bernleitner und Häm TONIS BILDERLEBEN

chönheit blüht oft im Verborgenen. 23... b3? 24.cxb3 Lf6 25.Tf3 e4 26.Tg3+ SWer die modernen Großmeister- Lg7 27.Txg7+ wäre die Partie schnell zu partien mit ihrer subtilen Technik und Ende gewesen. Komplexität nicht versteht, dem sei als Trost folgende Partie aus einem Jugend- turnier ans Herz gelegt.

Sarthou - Bacrot Frankreich 1995

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Lg5 e6 7.Dd2 a6 8.0–0–0 Eine aggressive Waffe gegen Sizilianisch – der Richter-Rauser-Angriff! 8... h6 9.Le3 Dc7 Zieht Schwarz 9... Ld7, kann Weiß mit 10.f3 b5 11.g4 Se5 12.h4 an- greifen. 10.f3 Tb8 Schwarz muss am Damenflügel Drohungen schaffen, 24.Tf3!! Ein grandioser Opferzug! bevor ihn Weiß auf der anderen Seite Weiß bringt seinen Turm mit tödlich- überrollt. 11.Kb1 b5 12.Ld3 b4 13.Sxc6 er Wirkung ins Spiel, wobei ihm der Dxc6 14.Se2 e5 Befreit den Lc8 und legt witzige Umstand hilft, dass, 24... exf3 an das Zentrum fest, schafft aber auch neue 25.f6!! mit undeckbarem Matt scheitert. Angriffsflächen.15.f4 Le7 16.fxe5 dxe5 24... Lf6 25.Tg3+ Lg7 Rettet sich in sein- 17.Sg3 Le6 18.Thf1 0–0? Die Rochade en Unterstand, doch schon wartet eine in den Tod. Klüger war es mit Td8 oder neue böse Überraschung: 26.Txg7+! a5 abzuwarten. 19.Lxh6! Pulverisiert Wieder ganz im Stile der alten Roman- die Königsfestung. 19... gxh6 20.Dxh6 tiker. Weiß macht den Sack zu. 26... Sg4 Besser als 20... Sxe4?! (21... Lxa2+ Kxg7 27.Dg5+ Kh7 28.f6 Sf5 Denn 28... mit Damengewinn drohend) 21.Dh5 Tg8 verbietet sich wegen 29.Dh5 matt. Lxa2+ 22.Ka1 Ld5 23.Sxe4 Lxe4 24.Dxe5 Das Springeropfer verzögert das Ende Lxd3 25.Txd3. 21.Dh5 Se3 Damit hoffte noch ein wenig. 29.Dxf5+ Kh6 30.Df4+ Schwarz alles im Griff zu haben.22.Sf5! Kh5 31.Lxe4 Das kostet die Dame, will Ein neuer Ansturm. 22... Lxf5 23.exf5 Schwarz nicht in wenigen Zügen matt- e4 Schließt die Läuferdiagonale. Nach gesetzt werden, daher 1–0

CHRISTAS SPARKÜCHE Säfte und Sirupe

ssen und Trinken war mir als Kind Tag dauern. Der sich ergebende Saft verraten). Weil aber irgendein Detail je- Hollerblüten, Zitronenmelisse, Schaf- ziemlich egal. Eine der wenigen wird mit dem gleichen Gewicht an Zu- des Mal verhindert hat, dass mein Sirup garbenblüten oder auch geschnittene EAusnahmen war Omas Marillen- cker verrührt (die ganz Vorsichtigen ge- tatsächlich monatelang hält, bin ich zur Spitzwegerichblätter vertragen durch- saft. Deshalb interessieren mich bis heu- ben das eine oder andere Packerl Ein- Schnellversion übergegangen: Ich fabri- aus 24 Stunden. Ich habe auch mit Robi- te keine industriell hergestellten Säfte siedehilfe dazu) und abgefüllt. Zum ziere husch, husch einen Liter Sirup und nienblüten, Katzenminze und Goldme- oder Limonaden – kommt alles nicht Beispiel auf 2 ½ kg Ribiseln (oder Maril- verzwitschere diesen umgehend. Und lissenblüten experimentiert (und den ans Original heran. Weil aber die eige- len), 5 dag Zitronensäure und 1 ½ Liter weil im Winter damit Pause ist, freue ich Genuss der Sirupe überlebt), würde aber nen Marillenbäume wettergebeutelte Wasser zum Ansetzen, für 3 kg Erdbee- mich umso mehr auf den ersten Melis- hier in Zukunft vorsichtig sein und den Prinzessinnen sind und ich den Kauf von ren sind es 2,5 dag Zitronensäure und sensirup im Frühling. Auszug bereits nach einigen Stunden Obst im Sommer grundsätzlich für un- ¾ Liter Wasser. Also: Ich nehme, was ich an Kräutern abseihen. Sonst wird das Ergebnis also sportlich halte, habe ich über die Jahre Wenn Sie die Chose mit dem Sessel und Blüten bekommen kann, und stop- schon sehr kräftig. mein Repertoire erweitert. und der Windel (also eigentlich einem fe diese locker in ein großes Glas mit Die abgeseihte Flüssigkeit verrühre Die ersten Erfahrungen machte ich Seihtuch) schon auf sich nehmen, kön- Twist-off-Deckel. Dann streue ich etwas ich dann mit Zucker (mit 20 dag Zucker also mit Früchten, die für die Dauer von nen Sie auch gekochte Säfte zuberei- Zitronensäure darüber (vielleicht 1 dag auf 1 Liter müssen Sie schon rechnen) – ein bis zwei Tagen kalt mit Wasser und ten. Indem Sie nämlich das vorhande- auf 1 Liter Wasser). Wenn ich unbehan- und ich schmecke meine Sirupe tatsäch- Zitronensäure angesetzt (und öfter um- ne Obst, durchaus auch gemischt, mit delte Zitronen habe, gebe ich ein paar lich jedes Mal neu ab. Mit Mineralwasser gerührt) werden, auf dass die Säure die Wasser und Zucker 15 bis 20 Minuten Scheiben davon dazu. – Puristen ver- aufgespritzt können Sie bei gutem Wind Früchte auslauge (daher hilft vorsichti- aufkochen und wallen lassen und wie wenden überhaupt statt der technisch fast einen Almdudler zaubern! ges Zerkleinern derselben). Danach wird beschrieben abseihen. Abschmecken hergestellten Zitronensäure nur Zitro- Christa Neubauer ein Sessel umgedreht, auf den Tisch ge- und vor dem Abfüllen eventuell noch nensaft (angeblich entspricht 1 dag Säu- legt und an die vier Beine eine (mög- einmal aufkochen. re dem Saft von 4 frischen Zitronen). lichst neuwertige) Stoffwindel gebun- Natürlich haben mir wohlmeinen- Jedenfalls gieße ich dann mit kaltem QUELLEN den, eine Schüssel druntergestellt und de Menschen auch das Standardrezept Wasser auf, verschließe das Glas und Dr. Oetker’s Einsiedehilfe. Ausgewählte der Ansatz reingegossen. Bis das Zeug für Hollerblütensirup zukommen lassen stelle es möglichst warm und sonnig. Rezepte. Ausgabe E. gut abgetropft ist, kann es schon einen (habe ich Ihnen bereits an anderer Stelle Wie lange, hängt von der Pflanze ab. Rezepte aus eigener Sammlung. KREUZ & WORT Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 19 Ganz außerordentlich gelungen

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43 X 44 45 X 46 47 48 X 49

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55 56 X 57 58 59 60

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63 X 64 X 65 X 66 X X 67 68

69 X X 70 X

WAAGRECHT: 1. herrschaftliche Mehlspeise, klassisch mit Zwetschkenröster 11. me- SENKRECHT: 1. Stück vom Schwein ist begehrt zum Grillen 2. sozusagen gleich 3. wird galustige Ansprache, abg. 14. spanische Anrede 15. steht für Thorium 16. dort nuckeln gerne für den Mittagsschlaf benutzt 4. schwimmt im See – Köpfchen unter Wasser Kälber 17. steckt er da drin, ist etwas nicht in Ordnung 18. wirklich ganz ganz traurig 5. Staatsanwalt, abg. 6. durften im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation den Kö- 21. mehr als leise 23. halb närrisch 24. ziemlich scharfes ungarisches Paprikapulver nig wählen 7. Augen-Zeichen der Verständigung 8. ein kurzes Randthema 9. nur halb ist 27. zog mit Abram aus Ägypten 28. in diesem Studio stemmen Frau und Mann Gewich- diese Rede 10. etwas amtlich bekannt machen 11. Hair ist ein sehr berühmtes, Grease te 29. Regionalcode, abg. 30. jö …, so a Sau, jössas na (Georg Danzer) 33. Tipps, Ratschlä- nicht weniger 12. grob kann er sein, der Mann, fesch aber auch, in jedem Fall aufwärts- ge – österreichisch, vom jiddischen 34. ein Teil von Vietnam 36. T-Mobile Austria, abg. trebend 13. spirituell verkehrt: jede Handlung hat unweigerlich eine Folge 17. unüber- 39. woher, ganz durcheinander 40. zum Schluss kommt die Rede 43. zwischen Bergen sichtliche Situation erschwert die Orientierung erheblich 19. verkehrt kommt dieser ele- 44. im Herzen am Rand – nur anfänglich betrachtet 46. menschenleeres Ödland 49. kurz gante Mann 20. Radio Österreich International 22. Entwicklungspolitik, abg. 25. ist diese Diplomarbeit 50. rote Nasen tragen diese Clowns (c=k) 52. freiwillig ist die Zu- Buddhismus: Versunkenheit und Sammlung des Geistes, aufsteigend 26. die Sozialde- wendung 54. die Europäische Union 55. von wirklich körperlicher Stärke 57. sehr veral- mokratischen Parteien Europas 31. Frau kommt aus China 32. Äußerung signalisiert Ver- tet für starken Groll 61. Verletzung zwischen Knie und Becken erfordert zumeist Gips stehen 35. verwandelt digitale Daten in analoge und retour 37. schwarz ist der Humor, 63. steht auch für unser Mutterland 64. wird täglich frisch gelegt 65. Dämonen aus der grausig auch 38. Unter den Linden begrenzen Bäume diese Straße 41. Seevogel – kalt, japanischen Mythologie 66. Ausdruck beim Segeln 67. Ansturm auf heiß Begehrtes schwarz, weiß und flugunfähig 42. begrenzt den Mundraum nach oben hin 45. … illae 69. bei dieser Kost werden Kohlehydrate und Eiweiß nicht gemeinsam eingenommen lacrimae! Daher also die Tränen! 47. im Chat: liebe dich! 48. steht für den Teufel! Pfui! 70. graphische Darstellungen zweier physikalischer Größen 51. dies ist wahrlich menschlich 53. Keine solche auf der Titanic! 55. wird unter anderem mit Ruder angetrieben 56. für manche bietet dieses Ereignis allemal Unterhaltungswert 58. eine kurze Nummer 59. Rennclub, abg. 60. nicht seine, sondern weiblicher 62. nur halbe Lenden 68. Vorsilbe verkehrt Wörter in ihr Gegenteil

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Fotogalerie Wien zeigt absurde Welt von Handlungsabläufen Performance trifft auf mediale Fixierung

as passiert, wenn die Flüch- Nina Rike Sprin- tigkeit eines Handlungsab- gers Animationen Wlaufs auf ein bildgebendes zeigen Befindlich- Medium trifft? Eine Antwort geben keiten der «Ich»-Fi- «Expedition Unterwasserwelt – die KünstlerInnen Miriam Bajtala, gur, ausgedrückt Abenteuer Ozean» Peter Dressler, Judith Huemer, Johan- in bunten, trick- filmartigen Autorin: Phyllis Perry na Kirsch, Michaela Moscouw, Nina Illustrationen: Roger Hall und Ryan Hobson Bewegungsse- Rike Springer, Jennifer Wille und das quenzen Übersetzung: Anke Knefel Oetinger Verlag, 2008 KünstlerInnen-Kollektiv «Artists An- 36 S., ab 7 Jahren, 17,90 Euro onymous» in «Performance I: Iden- tität und Inszenierungsstrategien». r e

30+ meint: In der ersten Ausstellung der Reihe g n

Warren Wilmott, ein abenteuerlustiger Mee- «Performance im Bild und im medi- p r i S resbiologe, begibt sich auf Entdeckungsrei- e alen Übertrag» ist nun in der Foto- i k se nach Australien, und wer Lust dazu hat, kommt einfach mit. In der Art eines Tage- galerie Wien im WUK das Zusam- : N. R

menschmelzen von Performance o t o buchs erzählt der junge Mann von seinen F Zusammentreffen mit faszinierenden Mee- und Fixierung zu beobachten. Kon- resbewohnern – Rotfeuerfische, Riffhaie, kret sind dies Handlungsabläufe wie Neue Perspektiven eröffnet das erleben die Befreiung aus den Engen Seewespen und manch anderes Getier kreu- eine Tanzperformance, welche die bildgebende Medium auch in punc- des Schon-Dagewesenen und sind zen dabei seine Wege. Anders als die Inhal- KünstlerInnen selbst meist ohne Pu- to Gestaltungsmittel. So machte bei- mittendrin in der herrlich absurden te ist die Gestaltung des Buches als gewöh- nungsbedürftig einzuordnen. Obwohl die blikum ausführten und mithilfe von spielsweise «Artists Anonymous» das Welt von Handlungsabläufen, welche Art der Aufmachung seit zwei, drei Jahren Fotografie oder Video festhielten. Negativ-Verfahren zu einem zent- trotz ihrer Einzigartigkeit wieder und bei vielen Kinder- und Jugendbüchern zu Die Ergebnisse sind eindrucksvolle ralen Aspekt seiner Videoinstallati- wieder angesehen werden können. finden ist: Auf alt getrimmtes Papier, Land- Rauminstallationen, welche den/die on. Ein essenzielles Merkmal einer Bim karten in Schatzkartenoptik, kleine Brief- BetrachterIn – ganz gegen das üb- Performance bleibt allerdings erhal- chen und Geheimniskrämereien, die es zu entdecken gilt. 3D-Modelle der entdeckten liche Konzept einer Performance – ten: Indem jede einzelne Installation INFO Tiere, zum Selbst-Zusammenstecken, sor- räumlich und zeitlich vom Künstler ihre eigene Geschichte erzählt, bleibt «PERFORMANCE I: Identität und gen dafür, dass der Fantasie der LeserInnen trennen und dadurch Perspektiven einer jeden Handlung ihr individuel- Inszenierung» nicht allzu viel überlassen bleibt. Eine Mul- und Blickwinkel ermöglichen, welche ler Charme. So werden die Besuche- Bis 10. Juni timedia-Show in Buchform. beim traditionellen Betrachten einer rInnen unter anderem mitgenom- Fotogalerie Wien Bewertung*: 5 Punkte Eintritt frei! Handlung unwahrscheinlich sind. men auf waghalsige Exkursionen,

10 meint in 3 Worten: interessant, schön, wissenswert Eintauchen in die Kultur der Roma: Lesbarkeit: gut, keine schwierigen Wörter Ein Stück Realität Meine Kritik: Interessant war vor allem, dass der Blauring- aum ein Volk dürfte mit Vor- Lyrikband «Rund um meine Eltern für SchülerInnen die Möglichkeit, krake drei Herzen hat und dass es einen gro- urteilen konfrontiert sein wie eine Burg» vor. Unterstützt wird er mehr von der Verfolgung und Ar- ßen Fetzenfisch gibt – ich habe davon nicht Kdas der Roma. Um nun die ei- hierbei vom Komponisten und Mu- mut der Roma in Osteuropa, Dis- gewusst. Toll finde ich an dem Buch auch, gentliche Realität dieser Kultur ken- siker Koloman Polak, welcher die kriminierung und Antiziganismus dass immer eine Landkarte von Australien nen zu lernen, präsentiert das Zen- Gedichte Lacatus‘ in seiner Kom- zu erfahren. Während des Work- dabei ist. Darauf ist der Weg, den sie zurück- gelegt haben, und der Ort, wo sie das jewei- trum für interkulturelle Kunst und position «Mein Vater, der Zigeuner» shops wird Mircea Lacatus‘ Ausstel- lige Tier gefunden haben, eingezeichnet. Antirassismusarbeit «Exil» das Pro- mit Klavier, Percussion, Roma-Ins- lung im Amerlinghaus gezeigt. Im Buch ist auch, zum Beispiel vom Fetzen- jekt «roma.klang». Im Rahmen des- trumentarium und Streichern ver- Bim fisch eine Zeichnung mit Beschreibung und sen stellen die Romakünstler Mir- tont. Die zweite Möglichkeit, Ly- Modell dabei. Das finde ich lässig, und es cea Lacatus und Koloman Polak mit rik und Komposition der beiden INFO macht das Ganze auch ein bisschen spaßi- ger. Es gibt auch noch ein großes Korallenriff verschiedenen Veranstaltungen ihre Künstler kennen zu lernen, gibt es «roma.klang» zum Zusammenstecken. Nicht so gut gefal- Welt vor – und es lohnt sich, gleich am 16. Juni im Theater Spittelberg. 4. bis 26. Juni len hat mir, dass nur acht Tiere beschrieben alle Termine wahrzunehmen. Ne- Abgeschlossen wird dieser Abend Eintritt frei! worden sind. Ich hätte lieber mehr über das ben der Eröffnung seiner Ausstel- von den schwungvollen Geigen- Meer herausgefunden. Workshop-Unkostenbeitrag: lung «Roma in Rumänien und Ost- klängen der Band «Moša Šišić & € 2,– je SchülerIn Bewertung*: 8,5 europa» in der Österreichischen The Gipsy Express». Aktuellen The- Terminreservierung unter: *1 Punkt = schlecht, 10 Punkte = sehr gut Gesellschaft für Literatur stellt der men der Roma widmen sich Laca- 0 699 123 444 65 [email protected] Lennard Schön: 10 Dichter, Maler und Bildhauer Mir- tus und Polak auch in ihren Work- www.zentrumexil.at Gerda Kolb: 30+ cea Lacatus am 4. Juni auch seinen shops: An sechs Terminen gibt es 22 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 AUFG’LEGT ART.IST.INmagazin DAS TROJANISCHE PFERD «Das trojanische Pferd» (Cheap Rec. Rocks/Hoanzl) Für die Galerie konzipiert – in die Stadt transplantiert: www.myspace.com/dastrojanischepferd Kunst-Rasen

er Mona Hatoums Arbeit «Hanging Garden», der Wletzten auf Initiative (und mit Geldern) von «Kunst im öf-

fentlichen Raum Wien» realisier- a l t K l e ten Intervention, mit Babylon i n

Zuerst wird sich höflich bedankt. Darauf folgt a assoziiert, liegt geografisch rich- der Arschtritt. So ungefähr funktioniert das : D trojanische Pferd. Im Holzpferd sitzen Hu- tig: Denn die in Beirut geborene o t o F bert Weinheimer und Hans Wagner. Ihre In- Künstlerin möchte ihre Installati- Mahnmal mit allerlei Saatgut der aus Beirut stammenden Künstlerin die/Folk-Popsongs kommen ungehobelt, aber on als Kommentar zum Irakkrieg, g’schmackig daher, die Konfrontation kommt Mona Hatoum mit dem Wort. In Fremdsprachen gesungen zu Migration und prekären Ver- würde das Trojanische Pferd durchaus als hö- hältnissen im Nahen Osten ver- her stehende Fahrstuhlmusik durchgehen. standen wissen. an die Oberfläche bahnen. Wenn erfordert besonderes Geschick, um Zurückgeschlagen wird mit der Verständlich- Zu diesem Zweck bedient sie «Hanging Garden» im August wie- mit den StadtnutzerInnen in wahr- keit der Sprache. «Der Nächste, der Kunst sagt, sich eines Versatzstücks aus po- der entfernt wird, dürfte von der nehmbare Interaktion zu treten. kriegt eine aufs Maul», heißt es in «Fahrstuhl- musik/Mein Herz». In «Popsong», der Song mit litischen Krisengebieten: Han- Trägerstruktur kaum mehr etwas Und so ist zu befürchten, dass die- dem Nirvana-Intro «… Wenn du tot sein willst, ging Garden ist ein 8 Meter lan- zu sehen sein: Art in progress, se Arbeit – eindrücklich zweifel- dann bring dich um. Sei konsequent und sing ger Wall aus Jutesäcken, der als sozusagen. los ob ihrer Dimensionen und des nicht rum …», wird die unklare Bedeutung von bescheidene Barriere ein bisschen An der Qualität von Hatoums natürlichen Wucherns in einem Popmusik zum Thema, «… das ist ein Popsong! Ein Lied zu dem man fickt …» Widerspenstige Rasen quert. Was anderswo eine Installation ist nicht zu zweifeln geschlossenen Ausstellungsraum unrunde Songreiterei zwischen Chanson und konkrete Funktion erfüllt, möch- – Verunsicherung stellt sich eher – die Trennlinie zur Unsichtbar- Rumpel-Folk. te im vollmundig «Kunsthalle pu- ob der Tatsache ein, dass hier eine keit überschreitet. Womöglich täte blic space Karlsplatz» genannten ursprünglich für den Galerie-In- man aufseiten der Trägerorganisa- Wiesenstück als eindrückliches nenraum (Chantal Crousel, Paris; tion in Zukunft besser daran, auf NAKED LUNCH «Universalove» Mahnmal dienen. Als besonde- daadgalerie, Berlin) konzipier- die Übernahme von Innenraum- (Louisville Rec.) rer Kunstgriff ist die Füllung des te Arbeit eins zu eins in die Stadt kunst zu verzichten. Die Rechnung www.nakedlunch.de Walls mit allerlei Saatgut versetzt, transplantiert wurde. Vom Drau- geht nämlich ungleich Hatoums so dass sich bereits kurz nach «Er- ßen ins Drinnen und retour? Ge- Rasensaat nur bedingt auf. öffnung» erste Hälmchen den Weg rade Kunst im öffentlichen Raum DaKa

Beziehungskiste mythisch und menschlich betrachtet Altindischer Blues

Filmmusiken ohne die dazugehörigen beweg- ita Sings the Blues» ist der Beziehung zu Ende sei … Die Re- Elektronik-) und Tanz sind zentrale ten Bilder sind in der Regel wie ein Gulasch erste abendfüllende Ani- gisseurin arbeitete ihre eigenen Gestaltungselemente des Films. Das ohne das Seidl Bier dazu. Im besten Falle hal- bert. Um keine hatscherte Dramaturgie auf- «Smationsfilm der US-ame- Probleme auf, indem sie den über ist ein Anklang an Bollywood- bauen zu müssen, eines gleich vorweg: Im Fal- rikanischen Regisseurin Nina Pa- zweitausend Jahre alten Ramayana- Musicals, verleiht der überaus le von Naked Lunch ist das nicht so. Als (Noch-) ley. Warum Sita den Blues singt? Mythos neu erzählte: Nämlich aus humorvoll erzählten Geschichte Nichtkenner des Gesamtwerkes darf ich der- Ihr Göttergatte zeigt ihr plötzlich der Sicht der weiblichen Hauptfigur aber auch Leichtfüßigkeit. Paleys weilen nur für die Ohren sprechen. Und fürs Herz. Nach «This Atom Heart Of Ours» etwas die kalte Schulter und schickt sie in Sita, der Ehefrau des göttlichen Kö- Film springt zwischen den nachzuschieben, was nicht bröselt – ein Kunst- die Verbannung – und das, obwohl nigssohnes Rama. Dieser befreit sei- Zeitebenen der Gegenwart und stück. Und dann noch behaupten, die Musik ihr Herz vollkommen ihm gehört ne entführte Frau, schickt sie aber der sagenhaften Vergangenheit, «eher im Vorbeigehen geschrieben» zu ha- und sie das Sinnbild einer treuen, fort, da sie (wenn auch zwangswei- stilistisch ist er ungeheuer vielfältig. ben, gleicht fast einer Verhöhnung aller Musik- liebenden und ergebenen Ehefrau se) im Haus eines anderen Mannes Es gibt Collagen, Fotomontagen, arbeiterInnen des Landes. Solche Aufschnei- der, möchte man rufen. Koketterie ja oder nein darstellt. «Die größte Trennungs- lebte und somit ihre «Reinheit» in traditionelle Götterdarstellungen, – egal. Anders als gewöhnlich spielt die Musik geschichte, die jemals erzählt wur- Frage gestellt ist. Comix-Strichfiguren, geometrisch in Thomas Woschitz’ Episodenfilm «Universa- de», nennt Paley ihr Meisterwerk Der Blues, die Traurigkeit, in aufgelöste Körper. «Sita Sings the love» eine Hauptrolle, so auch die Jurybegrün- im Untertitel. Als Grundlage der die die Verstoßene fällt, ist auch zu Blues» spricht Augen, Ohren, dung, die Woschitz und der Band in Saarbrü- Story dienen der indische Ramaya- hören. Sita mutiert zum Gesangsstar Fantasie, Verstand und die cken den Max-Ophüls-Preis für die beste Regie verlieh. Wenn Bilder schon beim reinen Hören na-Mythos und Paleys persönliches mit der Stimme Annette Hanshaws, Lachmuskeln an. anfangen zu laufen, kann es nur heißen: gro- Erleben, als ihre Ehe scheiterte. Ihr die Ende der 1920er Jahre Freud‘ JL ßes (Gefühls-)Kino. beruflich in Indien weilender Mann und vor allem Leid der Liebe besang. (lama) ließ sie per E-Mail wissen, dass die Musik (auch indisch inspirierte Ab 22. Mai im Topkino Art.ist.in Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 23 Musikarbeiter unterwegs … mit dem Nowhere Train durch Österreich Weichen auf frei!

Ein Autor, zwei Filmema- Ausdrucksmittel und fahren von Frenk Lebel, einst Hälfte des ambiti- vorgetäuscht. «Wir müssen das nicht cher und fünf Musiker fah- Wien aus mit dem Zug vom 17. bis onierten Pop-Duos Play The Tracks machen, wir wollen das machen», ren mit dem «Nowhere Train» 28. Mai durch Österreich. Nicht wirk- Of … sowie Stephan Stanzel, Sän- sagt Hosea, Frenk Lebel spricht flan- von Wien aus durchs Land. Ein lich ins völlig Ungewisse, als eine Art ger und Mastermind von A Life, A kierend von einer «Qualitätszeit», die Experiment. Grundsicherung für die Reise- und Song, A Cigarette. FM4 ruft an und man gemeinsam erleben wird. Schön Lebenserhaltungskosten gibt es den fragt nach einem Untertitel, der um- der Gedanke, das gern gewählte Ein- einen oder anderen konventionel- gehend gesucht und diskutiert wird. igeln, Kasernieren zwecks Inspira- len Auftritt. Etwa beim Seewiesen- Bei Kaffee und später ersten Bieren tion und künstlerischem Prozess ie letzte Großtat der Lon- fest im oberösterreichischen Wey- wird entdeckt, dass der Termin im umzudrehen, den Ideen sozusagen doner Band Clash war eine er, wobei aber zuvor am Marktplatz Linzer Volksgarten auf das Cham- entgegenfahren. Busking-Tour ihrer letzten aufgespielt wird. Peter Sihorsch und pions-League-Finale fällt, was wohl Das gewählte Modell als die Alter- Besetzung durch das Verei- Clemens Haslinger, Kubizeks Jensei- eine anwesende Semi-Semi-Semi-Öf- native zum eingefahrenen Neuer-Re- Dnigte Königreich, bevor das inferi- de-Partner, filmen. Hosea Ratschil- fentlichkeit bedingen wird. Vielver- lease-Clubtour-Kreislauf zu behaup- ore Album « The Crap» (1985) ler, als Kabarettist und FM4-Om- sprechender – wenn denn das Wet- ten, liegt der Reisegruppe fern, es geht erschien. Als Straßenmusiker spiel- budsmann bekannt, wird über die ter mitspielt – die Aussicht, in einem viel eher darum, eine Parallel-Route ten sie Clash-Gassenhauer und Co- Reise auf der Homepage des Radio- Freibad in Seekirchen im Salzbur- zu befahren. Die schon einige Her- ver-Versionen, waren per Autostopp senders berichten, Eindrücke und gischen zu den Gitarren zu greifen. ausforderungen bietet. Auch abseits unterwegs und schliefen bei ihren Erfahrungen in einer Kurzgeschich- Spannend, wie denn das unangemel- von Rock´n´Roll-Exzess-Klischees Fans auf dem Boden. Joe Strummer te festhalten. dete akustische Bemerkbarmachen möchte man Mäuschen sein, wenn besinnte sich so noch einmal seines im öffentlichen Raum der Mozart- acht Menschen gleichzeitig die mit- früheren Spitznamens Woody, auf Bound For Glory? stadt Salzburg aufgenommen wer- unter eigenwilligen Zugverbindun- den Spuren seines Idols Woody Gu- den wird. Oder wie die Insassen der gen der ÖBB einzuhalten versuchen, thrie. Jener hatte in seinem phan- Tatsächlich herrscht an den zusam- Justizanstalt Garsten (OÖ.) auf die mit nur den notwendigsten Lebens- tastischen Buch «Bound For Glo- mengeschobenen Tischen vor dem Indie- und Songwriter-Sensibilitä- und Arbeitsinstrumenten dabei si- ry» seine Reisen als Hobo durch die Café Jelinek eine spürbare Auf- ten der jungen Männer reagieren cher ganz schön bepackt. USA der großen Depression doku- bruchsstimmung, die Musiker disku- werden. Die Beteiligten beeilen sich Unvergessen von Musikarbei- mentiert, eine so poetische wie ak- tieren zu spielende Songs, mögliche zu sagen, dass es keinen besonderen ter-Seite das Erlebnis, die mit dem kurate Vermessung eines anderen Coverversionen und das Instrumen- Grund gebe, dass Vorarlberg als ein- Zug und Backline reisenden Marc Amerikas. tarium, das es im Zug zu transpor- ziges Bundesland nicht angefahren Olson und Victoria Williams samt Jakob Kubizek, Musiker und Teil tieren gilt. Die Musiker sind Stefan wird, habe sich leider so ergeben. Band vom Westbahnhof mit zwei der jungen Filmfirma Jenseide Pro- Deisenberger von Naked Lunch, der Prätentiöse kunstsinnige Getrie- störrischen Taxifahrern zum Chel- duktion hatte die Idee, die sich in sol- mit Jakob Kubizek als Love & Fist benheit – von wegen Film ohne sea zu bugsieren. Je näher der tat- che Traditionen einfügt, ohne sich firmiert (Debüt-Album im Herbst), Drehbuch und Poesie der Momen- sächliche Aufbruch des «Nowhere konkret auf sie zu beziehen. Acht like Ian Fisher aus St. Louis, Missouri, te könnte man ja leicht sehr gscheit Train» rückt, desto mehr haben sich minded people verschieben den üb- ein hervorragender Songwriter, der im Subventionsansuchen-Deutsch die acht Protagonisten von allfälli- lichen Kontext ihrer künstlerischen noch bis August in Wien studiert, daherreden – wird gleich gar nicht gen Regeln verabschiedet, die in der Entstehungsphase heftig diskutiert wurden. Mangels bislang erfolgter Subventionen oder Zusagen solcher greifen die Beteiligten unterwegs in die eigenen Taschen, vorrangig ist der Wunsch, einen anderen Blick auf dieses Land, ein anderes Erfahren dieses Landes in einem Film fest- zuhalten, in einer Geschichte und – vielleicht – in neuen Songs, die un- terwegs entstehen. Wir wünschen gute Fahrt! Rainer Krispel g n a

L INFO a r i o Nowhere Train live: : M Do, 28. Mai, 21 Uhr – Konzert im Schaufens- o t o F ter im Rahmen von SOHO in Ottakring Warteräume zu Konzerthallen! www.jenseide.com 24 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 Art.ist.in Protokoll eines Interviewversuchs Erzähl du für mich!

Seit kurzem leitet die Schau- spielerin Susanna Marchand gemeinsam mit Andreas Henne- feld die Augustin Theatergrup- pe 11% K.Theater, deren nächs- tes Stück «Bankschrott oder als selbst das Geld nicht mehr arbei- ten wollte» am 28. Mai im Wie- ner Ragnarhof Premiere hat. Im Augustin-Porträt erzählt sie übers Gaukeln, Geschichtl-Dru- cken und Theatermachen.

as Theater. Sie wissen nicht, l a s z c z u k B

was das ist? Es gibt die Bühne a und den Zuschauerraum. Alles en

ist noch verschlossen, die Men- a g d a l Dschen kommen hierher am Abend und : M o t o s sitzen einer hinter dem anderem. Wie F die Fliegen garnieren sie die Wände bis an den Plafond und schauen. Sie Die Leitlinie von Susanna Marchand: «Erfolgreich erfolglos und erfolglos erfolgreich» schauen auf den Bühnenvorhang. Und auf das, was sich dahinter verbirgt. und 17. Bezirks zu begleiten. Außer- und so muss die Ausbildung abge- kehrt sie nach Wien zurück, spielt Auf der Bühne passiert etwas, als wäre dem kann sie mittwochs und freitags brochen werden. Mit dieser unglaub- in Kurt Palms «Sparverein der Un- es wirklich wahr. Aber es ist doch nicht im Geschäftslokal von «wieWien» in lichen Erzählung beginnen ihre ers- zertrennlichen» mit und wird En- wahr! Es ist so wie der Traum, den der Kettenbrückengasse, das Souve- ten Theatererfahrungen. Einige Jahre semblemitglied im Burgtheater. Sie man hat, wenn man schläft. Deswe- nirs von jungen Wiener Designern später arbeitet sie bei der von Geor- arbeitet mit den Regisseuren Claus gen kommen Sie am Abend ins Thea- verkauft, besucht werden. ge Tabori gegründeten Theatergrup- Peymann, Achim Benning und Mat- ter. Und was passiert? Die Vielzahl an unterschiedlichen pe «Der Kreis» im Wiener Schau- thias Hartmann zusammen und tritt Ich bin es, die sich zeigt! Projekten, in denen Susanna Mar- spielhaus mit, ist im Musikvideo zu in zahlreichen Stücken, wie etwa (Paul Claudel: Der Tausch, frei chand anzutreffen ist, macht neu- «Junge Römer» zu sehen und trifft «Raststätte, oder sie machens alle» übersetzt von S. Marchand) gierig. Wenn es stimmt, dass, nur in der Bluebox neben Falco auch von Elfriede Jelinek oder «Schlacht wer viel erfahren hat, viel erzählen Niki List und den Rest der Wiener um Wien» von Peter Turrini auf. Susanna Marchand ist nicht nur kann, dann werden wir den Rüdi- KünstlerInnen-Szene. Aber wie Hans Gebucht auf das Fach «Vollweib» Schauspielerin, Autorin und Per- gerhof, wo wir einander zum Inter- Hölzel gesagt hat: Wer sich an die wird ihr das Repertoiretheater und formancekünstlerin, sondern laut view treffen, wohl nicht so schnell achtziger Jahre erinnern kann, hat seine starren Rollenzuschreibungen Selbstbeschreibung auch Animatrice, wieder verlassen. sie nicht erlebt. Also verlassen wir zu eng. «Mir ist es wichtig, sich zu Gschichtl-Druckerin und Kulturbe- den New Wave und Wien und spre- zeigen und nicht sich mit einer Rol- gleiterin. Der Augustin trifft die Wie- Eifersucht der schwebenden chen über Susanna Marchands Zeit le abzufinden, sondern vielmehr geht ner Künstlerin mitten in den Vor- Jungfrau in Frankreich. es mir darum, meine Rolle selbst de- bereitungen zur nächsten Premiere In der Schule von Jacques Lecoq, finieren zu können.» des 11% K.Theaters. Unter dem Titel Tatsächlich ist schon die erste Le- dem französischen Meister der Com- Seither arbeitet Marchand als freie «Bankschrott oder als selbst das Geld bensepisode, die Susanna Mar- media dell‘arte lernt sie Akrobatik Künstlerin in unterschiedlichen Pro- nicht mehr arbeiten wollte» führt die chand erzählt, eine abenteuerliche und Mime (das gestische und kör- duktionen mit. So zum Beispiel ge- Augustin-Theatergruppe ihr neues Geschichte; 1963 in Wien geboren, perbetonte Spielen). Wie ihr Leh- meinsam mit Sandra Högl und Stück unter anderem bei SOHO in beginnt sie mit 16 eine Ausbildung rer (der 1999 starb) eigentlich so Lena Braun in der Marktstandper- Ottakring 2009 auf. Seit Anfang des zur Messerwerferin. Die Chance zu war, will ich wissen. «Wie ein Hahn formance «Marketenderinnen» bei Jahres spielt und leitet Susanna Mar- dieser ersten Berufswahl erhält sie im im Korb» ist die prompte Antwort. SOHO 08. Ebenfalls mit Lena Braun chand gemeinsam mit dem Thea- Rahmen eines Zirkusfestes im Wie- Nach einem Jahr verlässt sie aber sei- (auch bekannt als Queen Barbie) ent- terpädagogen Andreas Hennefeld ner Prater, bei dem sich auch Artis- ne Schule, spielt im Pariser Théâtre standen Performances zu berühm- die zehnköpfige Truppe. Ebenfalls tInnen der Berliner Schaubude be- Boulogne-Billancourt, wird Produk- ten Frauenpersönlichkeiten wie Lady im Rahmen von SOHO in Ottak- teiligen, jener Zirkus, der in Wim tionsassistentin beim Filmfestival in Hamilton und Alja Rachmanowa. ring gibt es die Möglichkeit, Susan- Wenders Film «Der Himmel über Cannes und Radiosprecherin für Eu- Seit kurzem erscheinen Texte von na Marchand als Lokalreiseführerin Berlin» zu sehen ist. Leider wird die rope2, einen französischen Rock- ihr in der Edition Splitter, wie etwa durch die Bars und Geschäfte des 16. schwebende Jungfrau eifersüchtig, und Pop-Sender in Paris. Danach die traurig-ironische Erzählung Art.ist.in Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 25

Auf starre Rollenzuschreibungen pfeift das ehe- malige Mitglied des Burgtheater-Ensembles INFO «Bankschrott oder als selbst das Geld nicht mehr arbeiten wollte» Do., 28. Mai, 20 Uhr Ragnarhof Grundsteingasse 12, 1160 Wien Do., 25. Juni, 20 Uhr 7* Siebensterngasse 31, 1070 Wien

Geschichten, die sie zu er- von uns blicken zwei Backgammon «Schlimme Finger» Forum Theater nach zählen weiß, habe ich den Spieler immer wieder ehrfurchtsvoll Augusto Boal der 11% K.Theatertruppe Grund des Interviews schon herüber, kein Wunder, Susanna Mar- Mo., 25. Mai, 20 Uhr Amerlinghaus längst aus den Augen verlo- chand ist ungekrönte Meisterin des Stiftgasse 8, 1070 Wien ren. Augustinverkäufer H. Spiels und schaffte beim interkul- D., der gerade den Rüdiger- turellen Backgammon-Turnier am «Lokal-Tourismus» hof betritt und auch bei 11% Viktor-Adler-Markt immerhin den Di., 23. Mai Treffpunkt: 17 Uhr K.Theater mitspielt, kommt zweiten Platz. Ottakringer Straße 17 im Reisebüro mir aber zu Hilfe. Warum Susanna Marchands Geschichten sie eigentlich zur Augustin- und ihr künstlerisches Schaffen erin- «Tour Balkanmeile» Theatergruppe gekommen nern an ein Zirkusmärchen, nur dass Fr., 22. Mai, 22 Uhr Ottakringer Straße 17 im Reisebüro sei, will er wissen. «Ich habe ihre Engagements sie nicht nur von die Gruppe auf OKTO gese- Ort zu Ort bringen, sondern auch Vienna Concept Store hen, und mir hat das, was ich von Projekt zu Projekt eine abenteu- Kettenbrückengasse 5, 1050 Wien gesehen habe, gut gefallen», erliche Reise beschreiben. www.wiewien.at beschreibt Susanna Mar- Christine Ehardt chand ihre erste Begegnung mit der Theatergruppe. An der Augustin-Theater- gruppe schätzt sie vor allem das große Improvisationsta- lent der SchauspielerInnen, die Fähigkeit, ein Stück aus «Gewinn du für mich!» über die klei- der gemeinsamen Assoziationskraft nen Momente zwischenmenschli- heraus zu entwickeln und zu gestal- cher Nähe. ten, ohne sich hinter einem vorgege- «Erfolgreich erfolglos und erfolg- benen Text verstecken zu können. los erfolgreich» zu sein ist die Leit- «Es kann alles passieren, wir eini- linie, die hinter den Arbeiten Susan- gen uns auf ein Thema, und daraus na Marchands steht. entstehen einzelne Szenen.» Dabei Derzeit arbeitet sie an einem Kurz- ist aber jede Aufführung einzigartig filmprojekt und schreibt an einem ei- und nicht vorhersehbar. genen Theaterstück, als Kulturbe- gleiterin entwickelt sie individuelle Arbeit an einem Begleitungen für Aus- und Einhei- »turbulenten Groschenroman» mische durch die Wiener Bezirke. Bei SOHO kann man etwa mit ihr Im neuen Stück wird dieser Produk- gemeinsam durch die Lokale und tionsprozess zum Ausgangspunkt Geschäfte des Brunnenviertels zie- für die Beschreibung wirtschaft- hen und sich Geschichten über die licher Schräglagen, die sich zu ei- verschiedenen Orte und Menschen nem «turbulenten Groschenroman» erzählen lassen. Wie etwa die des verbinden. sensiblen Barbiers in der Ottakrin- Mittlerweile ist der Rüdigerhof ger Straße oder des Lokalbesitzers, rammelvoll, und genau über uns der seine Bar ständig neu dekoriert fängt gerade das Spiel Chelsea ge- und damit doch nie ganz zufrieden gen Barcelona auf dem riesigen Flat- ist. Ihr Ziel ist es, dabei «Kontak- screen zu flimmern an. Wir beschlie- te herzustellen», aber auch den ei- ßen also, uns einen ruhigeren Platz genen Gestaltungsraum nicht auf zu suchen. Zwischen Bar und Klo ist scheinbar festgeschriebene männli- noch ein kleiner Tisch frei, und hier che und weibliche Raum- und Rol- zeigt sich, was für ein bunter Hund lenzuschreibungen einzuschränken. Susanna Marchand ist. Kaum ein Dabei geht es auch um Provokati- Gast, der am Weg zum Häusl nicht on und das Spiel mit Tabubrüchen. kurz Halt bei uns macht, um ein paar Über all diesen phantastischen Worte mit ihr zu wechseln. Vis-à-vis 26 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 Art.ist.in Bosporus Greeny – Update Grüne Wollranken für graue Städte

Im Herbst 2007 veranstalte- te die deutsche Künstlerin Yutta Saftien Greeny Work- shops in Wien (siehe Augus- tin Nr. 215) für ihr bisher größ- tes Projekt: die «Begrünung» der älteren der beiden Bosporus- Brücken in Istanbul mit künstli- chen Wollgewächsen. Der Akti- onszeitraum musste verschoben werden und ist nun für Mai 2010 geplant. Hier ein Zwischenbericht. en t i f a S

eit ihrer ersten Auseinander- u t t a setzung mit der Begrünung : Y o t o s des öffentlichen Raums durch F Greenys in Stuttgart hat Saf- Alle Greenys aneinander genäht ergäben ein Mega-Greeny mit der Länge der älteren Bosporus-Brücke Stien bereits einige kleinere Projek- te verwirklicht. Die Idee zu einer textilen Installation in Istanbul ent- Es bleibt momentan abzuwarten, ob zu installieren und weiter wachsen vielen international tätigen freiwil- stand, als die Künstlerin Anfang der das Team in Istanbul unter diesen zu lassen. Das Ablegerprojekt «Gree- ligen Mithäklern und Mitstrickern 90er-Jahre aus beruflichen Grün- Umständen erhalten bleiben kann. ny on the Tour» (www.greenyonthe- verfügen wir mittlerweile über eine den in der Türkei lebte. Im Okto- Derzeit sieht es aber so aus, dass tour.com) entstand. ordentliche Greeny-Ranken-Län- ber 2008 sollte die Istanbul Boğaziçi alle Beteiligten unbedingt weiter- Es folgte eine Einladung in die ge, mit der wir heute bereits einmal Köprüsü eine Woche lang «begrünt» machen und an einer Realisation im nicht anerkannte Türkische Repu- schnurgerade über die Bosporus- werden. Jahr 2010 festhalten. blik Nordzypern durch die Frau des brücke hinüber kämen! Klar, dass Weil die globale Wirtschaftskri- «Es gibt, allen wirtschaftlichen Präsidenten Mehmet Ali Talat – laut wir da nicht ans Aufgeben denken. se auch die Türkei erreicht hat und Schwierigkeiten zum Trotz, aber Yutta Saftien eine Herausforderung Und es wäre schön, wenn auch die dort gegenwärtig viele Firmen ums auch Unternehmen, die das Bos- für das pazifistische Greeny-Projekt. freiwilligen Mithelfer noch weiter Überleben kämpfen, springen im- porus-Greeny-Projekt nach wie vor «Dieser Installation gingen 14 Work- fleißig Greenys wachsen lassen wür- mer wieder Sponsoren ab. Auch eine sehr engagiert unterstützen», erzählt shops im Land voraus, die Frau Talat den, denn wir möchten ja in weichen der Projekt-Organisationsfirmen in Saftien. «Mit der Hilfe des Istanbu- zusammen mit anderen Helfern und Schwüngen mit ein paar Loops und Istanbul ist in Schieflage geraten, ler Garnherstellers Kartopu (ein Lehrern in kleinen Dörfern, Kin- um Trägerranken herumgewickelt was die organisatorische Arbeit des Lieferant von coats/Schachenmayr, derheimen und Schulen des Landes das Greeny locker über die Brücke gesamten Teams vor Ort erschwert. die die bisherigen Worshops in durchgeführt hat. Die dabei entstan- ranken lassen!», so Yutta Saftien. Deutschland und Österreich unter- denen vielen Meter Greeny-Ranken Im Laufe des Jahres wird es Work- INFOstützt haben, Anm.) konnte die Ak- wurden als weitere Straßenlaternen- shops in Deutschland und eventuell tion «Greeny on the Tour» in Nord- Begrünungen auf Zypern verwendet in New York geben. Die Künstlerin Individuelles Mitarbeiten am Bosporus- zypern verwirklicht werden.» und sollen ebenfalls später dem Bos- hofft auf weitere Einladungen; auch Greeny ist immer noch erwünscht! Die gear- beiteten Teile – es gibt, abgesehen von der Im April 2008 war Saftien vom porus-Greeny angehängt werden.» nach Wien würde sie gern noch ein- grünen Farbe, keinerlei künstlerische Vorga- Bürgermeister des Istanbuler Stadt- Die Begrünungen in Nordzypern mal kommen. «Interessant ist, dass ben – können direkt an Yutta Saftien ge- teils Nişantaşı/Şişli eingeladen wor- durften leider nicht, wie von Yutta sich immer mehr Schulen am Bos- schickt werden. den, zwei Wochen lang den Straßen- Saftien in Skizzen geplant, bis in den porus-Greeny-Projekt beteiligen», Yutta Saftien zug Abdi İpekçi nach ihren Plänen zu Grenzbereich zum griechischen Teil freut sich Yutta Saftien. «Vor kur- Flerrentwiete 30 begrünen. 58 Straßenlaternen wur- von Zypern hineinwachsen, rankten zem bekam ich eine E-Mail von 22559 Hamburg den mit Wollgewächsen umrankt, aber direkt bis an den türkischen der Grundschule Kinderoase Lom- Deutschland Tel.: +49 40 89807930 die später dem Bosporus-Greeny Grenzposten heran. bok in Indonesien, die mithäkeln Mobil: +49 170 5720521 angefügt werden sollten. Der große Die Realisierung weiterer Statio- wird. Weitere Schulen in der Türkei, E-Mail: [email protected] Anklang, auf den diese Arbeit in der nen von «Greeny on the Tour» hängt Nordzypern, Deutschland und Bra- Türkei stieß, bewegten Saftien und von der Unterstützung durch Spon- silien sind bereits beteiligt. Da muss www.yutta-saftien.com www.bosphorus-greeny.com ihr Team zu der Entscheidung, diese soren ab. «Mit all dieser Hilfe, den man am Ball bleiben!» 58 Greenys auch an anderen Orten internationalen Workshops und den Christa Neubauer Art.ist.in Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 27

Greeny-Ableger gedeihen selbst im hohen Norden, wie z. B. in Hamburg

Lasst zum nächsten 1. Mai die Bäume im Wald – es gibt sehr gute Alternativen zum traditio- nellen Maibaum (diese Variante würde auch das «Maibaum-Stehlen» etwas erschweren)

Problemzone Nordzypern: Die Greenys erhielten für den griechischen Auch eine Detailfrage: die grüne Woll-Kunst von Yutta Saftien Teil keine Einreisebewilligung 28 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 Art.ist.in Wienbibliothek zeigt Kurzbiographien von Frauen Das verschwundene Gedächtnis einer Stadt

Orte in der Stadt, wo be- rühmte Männer wohnten oder tätig waren, sind un- übersehbar. Man stößt unwei- gerlich auf Straßen- und Platz- namen, Denkmäler, Statuen oder Gedenktafeln, die zu einem gro- ßen Teil als männlich gepräg- te Orientierungspunkte und Er- innerungshilfen fungieren. Doch, wo bleiben die Verewigungen der «berühmten» Frauen – mit die- ser Frage beschäftigte sich die Stadttheoretikerin Elke Krasny und liefert Antworten in einem

Buch und in einer Ausstellung l k a be der Wienbibliothek. u . K : P o t o F

Alles eine Frage des Geschlechts!?: Die bildende Künstlerin Anna Mahler ist nur noch InsiderInnen ein Begriff, ussten Sie, dass in der Be- doch ihr Vater, Gustav, wurde zur berühmten historischen Künstlerpersönlichkeit atrixgasse 26 die Schrift- stellerin Ingeborg Bach- Indien, Persien, Indonesien und Ma- aber nicht und emigriert als Jüdin und Frauen. Eine andere Topogra- mann zwischen 1946 und dagaskar führen und ihr ungeheu- nach Schweden. phie von Wien» in der Wienbiblio- W1948 lebte? In ihrem 1971 erschiene- re Strapazen abverlangen, bringt sie Wussten Sie, dass eine der ersten thek im Rathaus zusammengestellt nen Roman «Malina» heißt es: «Heu- wertvolles ethnologisches und zoo- Frauen in der Geschichte des Films, hat. Der Ausgangspunkt für die z. te gehe ich an der Beatrixgasse 26 logisches Material zurück. Ihre Un- die ein Studio gründete, Louise Kolm T. sehr mühsamen und langwieri- vorbei, als wäre da nie etwas gewe- ternehmungen finanziert sie vom hieß? Sie zählt zu den Pionierinnen gen Recherchen zu Frauen, die Teil sen, beinahe nichts, oder ja, es war Verkauf ihrer Reisebeschreibungen. des österreichischen Stummfilms. der Geschichte unserer Stadt sind, einmal an dieser Stelle, ein Duft aus Wussten Sie – wir bleiben im dritten In ihrer Produktionsfirma mit Sitz in Archiven, Bibliotheken, Büche- alter Zeit, er ist nicht mehr zu spü- Wiener Gemeindebezirk –, dass auf in Währing entstehen Filme, für reien, Museen, die Lektüre zahlrei- ren.» Wussten Sie, dass drei Häu- der Landstraßer Hauptstraße 74 das die sie das Drehbuch schreibt und cher Autobiografien, Briefwechsel, ser weiter, Beatrixgasse 10, sich das Wohnhaus der Frau stand, der 1899 auch Regie führt. Mit ihrem zweit- Adressenverzeichnisse u. a. war al- Wohnhaus von Ida Pfeiffer befand, als erster Frau das österreichische en Ehemann Jakob Fleck arbeitet sie lerdings ein sehr konkret-heutiger: der ersten weiblichen Weltreisenden? Ehrenzeichen für Kunst und Wissen- später in Berlin, 1940 gelingt ihnen Elke Krasny begleitete 20 in Wien 1842 verlässt sie, 45-jährig und rela- schaft und ein Jahr später als erster die Flucht nach Shanghai, wo sie den lebende Frauen auf ihren alltägli- tiv mittellos, Wien auf einem Damp- Frau das Ehrendoktorat der Wiener Film «Söhne und Töchter der Welt» chen Wegen. Vom Wohnort zum Ar- fer Richtung Jerusalem und bereist Universität verliehen wurde? Jahre realisieren. Bald nach ihrer Rückkehr beitsplatz. Und verschränkte dann den Orient. Von ihren weiteren Rei- davor hatte sie eine Uhrmacherleh- nach Österreich stirbt Louise Kolm- die aktuellen, lebendigen Wahrneh- sen, die sie nach Brasilien, Chile, re abgeschlossen: Marie von Ebner- Fleck im Jahre 1950. mungen dieser 20 Frauen mit den Eschenbach. Oder wussten Sie, dass sich im «Schichten des weiblichen Gedächt- INFODass in der Heinestraße 27 die Floridsdorfer Bezirksmuseum die nisses der Stadt». «Stadt und Frauen. Eine andere Topographie Physikerin Lise Meitner geboren «Venus vom Bisamberg» befindet, «Die Stadt ist ein riesiger Gedächt- von Wien» wurde? Nach erfolgreichen Studien eine Steinstatuette, vermutlich eine nisspeicher, persönliches Erleben Bis 26. Juni 2009 der Physik und Mathematik forscht Fruchtbarkeitsdarstellung, die 7000 und Stadtgeschichte begegnen ein- Wienbibliothek im Rathaus Eingang Lichtenfelsgasse, Stiege 4 (Lift), sie ab 1907 bereits als promovierte Jahre alt ist? ander, metaphorisch wie konkret, 1. Stock Doktorin in Berlin auf dem Gebiet auf unseren Wegen durch die Stadt. Mo. bis Do., 9 Uhr bis 18.30 Uhr der Radioaktivität, muss sich aber Eine andere, unbekannte Dort, wo wir heute gehen, sind an- Fr. bis 16.30 Uhr in dem hölzernen Hohlraum unt- dere vor uns gegangen, haben ge- Eintritt frei! Topographie er den ansteigenden Sitzbänken des trennt durch die Zeit diese Wege Das Buch zur Ausstellung Hörsaals verstecken, da Frauen un- Diese Frauen sind nur einige weni- gekreuzt», heißt es im Vorwort des Elke Krasny (Hg.): Stadt und Frauen. Eine erwünscht sind. Für eine friedliche ge unter 300 historischen, aber auch Katalogs, der auch durch zahlreiche andere Topographie von Wien Nutzung der Kernenergie eintretend, gegenwärtigen, die die Stadttheore- Illustrationen überzeugt – ebenso Metroverlag, Wien 2008. ISBN 978-3-902517-78-4 wird sie 1924 für den Chemie-Nobel- tikerin und Kuratorin Elke Krasny in überzeugend: die Ausstellung. 240 S., € 19,90 preis vorgeschlagen, bekommt ihn dem Katalog zur Ausstellung «Stadt Barbara Huemer Art.ist.in Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 29 Vergoldet und neu programmiert: Beatrix Neundlinger Dem Protest folgte die Reflexion

Eine der «Schmetterlinge», eine Ikone für all jene, die hofften, vielen Begabungen und ihrer Büh- Missstände in dieser trotz Klima- jener durch die «Proleten- endlich die «ganze Welt» verändern nenerfahrung entsprechenden neu- erwärmung immer kälter werden- passion» bekannt gewordene zu können. en Weg – Ausbildung zum Coach. den Welt aufzeigen. Der Bandname Polit-Rockband, war Beatrix Anschließend Weiterbildung zur «9neundlinger und die geringfügig Neundlinger. Die Musikerin Starke Anpackerin mit sozialer Supervisorin und Lehrsupervisorin. Beschäftigten» könnte nicht stim- und Sängerin trat zwischenzeit- Kompetenz Besuchte und hielt Seminare und miger sein. lich künstlerisch etwas leiser, um Workshops. Lehrte z. B. Kommu- Am 4. Juni stellen Neundlinger ihre Bühnenerfahrungen und So- Und 2002 die Erkenntnis: «Ich muss nalpolitikerInnen medientaugliches und ihre «Burschen» in der Kulis- zial-Kompetenzen etwa Migran- meine kleine Welt verändern.» Ein Auftreten und Sprechen. se das neue Programm «Angepackt» tinnen und Kommunalpolitike- schmerzhafter Abschied von rund Bald erkannte sie, dass sie sich im vor. Zusätzlich zu den Unger-Texten rInnen zu vermitteln. 25 Jahren beruflicher und privater sozialen Bereich und vor allem in der wurden Wortspenden von Jura Soy- Partnerschaft. Mit Willi Resetarits Frauenarbeit besonders wohl fühlte. fer, Theodor Kramer und Christi- zwei gemeinsame Kinder und vie- Arbeitete viel und gerne mit Arbeit ne Nöstlinger vertont. Möglich, dass le Hochs und Tiefs, sehr viel Lust, suchenden, meist älteren, gut quali- auch das eine oder andere Lied von aber doch auch Frust er- und durch- fizierten Migrantinnen. Statt der frü- der persönlichen Befindlichkeit der ine starke Frau mit einer lebt. Der «Familienmensch», wie sie her mit erhobenem Zeigefinger ge- Beatrix Neundlinger erzählen wird. starken Vergangenheit sich selbst bezeichnet, der nie hei- sungenen Protestlieder waren es jetzt So wie im Schattentanz-Lied: «… ir- «Ebäumt sich auf», schrieb raten bzw. geheiratet werden wollte, Gedanken und Überlegungen. Und gendwann erkannte ich / ich muss Heinz R. Unger, als Beatrix Neund- war durch eigene Entscheidung part- so hieß auch die 2007 erschienene aus vielen Schatten treten / meine linger 2002 ihr bisheriges berufli- ner- und arbeitslos. Gebeutelt und CD «Reflexionen». Neundlinger leb- Kinder waren groß / viele Träume ches und privates Leben neu gestal- erschüttert von einem breiten Ge- te zwar nach wie vor für die Musik. ließ ich los / war kein Halbes, war ten wollte und musste. Die singende fühlsspektrum. Aber auch eine star- Aber von der Musik konnte sie nicht ein Ganzes / plötzlich war die Welt Frontfrau der legendären «Schmet- ke «Anpackerin». leben. Doch Musik, kritische und sa- wie neu / und im Lauf des Schatten- terlinge» schätzt die Unger-Texte Im Mai ernannte eine OECD-Stu- tirische Texte gehören einmal zu ih- tanzes / tanzte ich mich endlich frei» seit der «Proletenpassion». Urauf- die die ÖsterreicherInnen zu «Früh- rem Leben. Schließlich begründete (aus der CD «Reflexionen»). geführt bei den Wiener Festwochen pensionsweltmeistern». In einem sie bereits 1969 die «Milestones» – 1976. Vier Jahrhunderte proletari- Alter, in dem die meisten Öster- Folkmusik mit kritischen Texten – Goldenes Wiener Verdienstzeichen sche Revolutionen gegen die Herr- reicherInnen schon golden-hands- mit. Und dann die «Schmetterlinge- schaftsstrukturen in einem textlich geshaked, hackler-geregelt oder Jahre». Im April überreichte ihr der Wie- und musikalisch anspruchsvollen viel-zu-früh-pensioniert im «Ruhe- Nach einem sehr erfolgreichen ner Kulturstadtrat das Goldene Ver- Rahmen. Ein Oratorium, das auf- stand» sind, beschritt die 50-plus- achtjährigen Sidestep zum Kinder- dienstzeichen des Landes Wien, horchen ließ. Damals war Neund- Beatrix (vormals Trixi, jetzt aber theater («Valerie»!) drängte es die und Willi Resetarits hielt eine lau- linger im deutschsprachigen Raum «ausgetrixt») einen neuen, ihren Künstlerin wieder zum gesellschafts- nige und treffende Laudatio. «Bea- politischen und zeitkri- trix Neundlinger lebt ein eigenwil- tischen Liedgut. Also liges und ganz besonderes Leben. suchte sie Musiker, die Ihre Wesensart ist eine zupacken- auch trotz geringfügi- de. Auch mit ihren Händen. Schon ger Gage mitmachen. bei der Arenabesetzung 1976 war sie Und einen Texter für außer singend und diskutierend mit die neuen Lieder mit Werkzeug schraubend und sägend zu den Themen «Globali- sehen. Zum Muttertag bekam sie ein- sierungsverlierer, pre- mal eine Stichsäge! Wegen ihrer Grö- käre Lebensläufe in ei- ße und Schönheit ragte sie wie ein ner neoliberalen Welt, Leuchtturm aus dem Schmetterlings- falsche Versprechungen kollektiv heraus. Sie war Vorbild für für Ost-Immigrantin- viele und eine Ikone der linken Be- nen von einem besse- wegung. Beatrix Neundlinger – eine ren Leben im Westen». starke, eine widerständige Frau.» Dieser Texter war na- Peter Katlein turgemäß wieder Heinz R. Unger. INFO Die dazu «passen- «Angepackt» r e den» Musiker: Pe- Am 4. Juni in der Kulisse ü l l ter Marnul, Adula Ibn www.kulisse.at

: A .M Quadr, Alfred Stütz Tel.: (01) 485 38 70 o t o

F und Peter Rosma- CD «Reflexionen» und weitere Infos: Beatrix Neundlinger entschied sich gegen die (künstlerische) Frühpension und veränderte bewusst nith wollten auch www.9dlinger.at ihre «kleine Welt» wieder musikalisch 30 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09

Er war dem Himmel täglich näher als der Bischof Der letzte Domtürmer

uf der blumig-pastellfarbenen Wohnzim- Klosterkirche der Dom bis Ende des 18. Jahrhun- mertapete der ehemaligen Türmerwoh- derts gewesen ist, im Inneren des Domturmes ver- nung des St. Pöltner Domes hat eine ge- ewigt haben. Eine eingemauerte Steinplatte aus dem wisse Renate unter Angabe einer langen, 16. Jahrhundert mit seinem Namen zeugt bis heute möglicherweiseA deutschen Telefonnummer eine ela- von einem Ausbau oder von einer Renovierung des borierte Auflistung der von ihr angebotenen sexuel- mächtigen Gemäuers, das im Mittelalter noch einen len Dienstleistungen hinterlassen. Ansonsten ist es Turmzwilling hatte, der ihm aber im Laufe der Zeiten in all den Jahrhunderten, da der Domturm eigentlich durch diverse Brände abhanden gekommen ist. nie für die breite Öffentlichkeit geschweige denn für Die Einrichtung der Türmerwohnung ist längst Touristenführungen zugänglich war und bis heute weggeschafft. Nur in einer Mauernische hat sich eine nicht ist, nur sehr wenigen Besuchern gelungen, den kleine, eher traurige Sammlung von leeren Einmach- jeweiligen Türmer zu überlisten und sich mit vollem gläsern, Dosen, Flaschen und sonstigen Behältnissen Namen oder zumindest Initialen, Jahreszahlen, Herz- erhalten, für die wohl niemand mehr Verwendung erln, Sprüchen usw. in den Mauern und Gewölben hatte. Die Etiketten tragen Namen von alten St. Pölt- des Domturmes zu verewigen. ner Geschäften, die es heute längst nicht mehr gibt. Auch ein paar französische Namen finden sich da- Der Speisezettel und die Getränke des Türmers dürf- runter; 1809 brachten die napoleonischen Besatzer ten eher karg gewesen sein, wohl seinem Salär ent- einen Spiegel an der Domspitze an und justierten ihn sprechend. Der Fußboden der Türmerwohnung be- genau. Der Domturm war damit Teil der optischen findet sich genau 300 Meter über dem Meeresspiegel Signalanlage Napoleons, die von Paris bis Wien der Adria, der Domplatz 271 Meter und die Spitze reichte. Wirklich legal dürfte sich nur ein Propst des des Domkreuzes 345 Meter. Daraus ergibt sich, dass ehemaligen Augustiner-Chorherren-Klosters, dessen der Türmer aus einer Höhe von über 30 Metern über das Terrain der ihn umgebenden Stadt blick- te und eine Gesamthöhe des Domturmes von 74 r

e Metern. ü l l Am 20. November 1895 erließ der St. Pölt- M ner Bürgermeister Dr. Ofner eine umfangreiche a r l a : C

n «Dienstes Anweisung für den Thurmwächter». «Der Thurmwächter am Domthurme übernimmt die Verpflichtung, bei Tag und Nacht möglichst l l u s t r a t i o I oft Umschau zu halten, ob sich nicht in der Stadt oder Umgebung ein verdächtiger Rauch oder Feuerschein, welcher den Beginn eines Schadens- feuers anzeigt, entwickelt. In seiner Abwesenheit oder Verhinderung hat der Thurmwächter eine andere Person für diese Obliegenheit zu stellen», heißt es darin zu Beginn. Voraussetzung, um den Job zu erhalten, waren wohl vor allem gute Au- gen, Augen «wie ein Fajkl», um es im lokalen Di- alekt zu umschreiben: «Den engeren Löschbezirk umfaßt das Stadtgebiet, der weitere Löschbe- zirk wird bevorzugt durch die Orte Prinzersdorf, Hafnerbach, Karlstetten, Statzendorf, Herzogen- burg, Pottenbrunn, Böheimkirchen, Pyhra, Wil- helmsburg und Obergrafendorf», dekretierte der Bürgermeister. In der technischen Signalisierung eines Feu- ers bestanden eine ganz alte und eine neue Me- thode noch nebeneinander: «Im Falle der Thür- mer in der Stadt einen entstehenden Brand bemerkt, so hat er durch das Telephon zunächst den Hauptmann der Feuerwehr, dann die städ- tische Sicherheitswache zu verständigen und so- dann das Feuerzeichen durch Anschlagen an DICHTER INNENTEIL die große und kleine Glocke zu geben.» Für den DICHTER INNENTEIL Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 31 mehr als einsamen und isolierten Dienst wur- pro Jahr, welche die Mühe auf sich nehmen Stadtkern führte auch zur Diskussion, ob die de der Türmer nicht gerade fürstlich entlohnt wollten, zu ihm in die Türmerwohnung hoch- frühmittelalterliche Siedlung Treisma in Un- und nicht einmal beamtet: «Für die Besor- zuklettern, warf er den Schlüssel zum Dom- terradlberg als Nachfolgesiedlung des antiken gung dieses Dienstes bezieht der Thurm- turm eingewickelt in ein Taschentuch auf den Tragisamo und nicht – wie von vielen Histo- wächter seitens der Gemeinde St. Pölten eine Platz hinunter. Der alte Mann mit Panama- rikern angenommen – in der St. Pöltner Alt- Entschädigung von jährlich 260 fm (…). hut und dunklem, speckigem Trenchcoat, den stadt zu lokalisieren ist», ist etwa bei Ronald Der Stadtgemeinde steht die Kündigung des ich beim Wochenmarkt am Domplatz zufäl- Risy nachzulesen. Dienstverhältnisses des Wächters bezüglich lig kennen gelernt habe und der mir das er- Die vollständige Geschichte der St. Pöltner der Feuerwache jederzeit frei.» Am 6. De- zählt, kann sich an den Namen des Türmers, Domtürmerei ist als ebenso wenig zu schrei- zember 1962 hat der letzte Türmer mit Au- den er persönlich gekannt haben will, aber ben wie die Geschichte dieser Stadt. Karl Pop- gen wie ein Fajkl den Brand des Domes, die auch nicht mehr erinnern, jedenfalls nicht per, der skeptische Geschichtsphilosoph, für schlimmsten Brandkatastrophe nach dem wirklich, und ist außerdem schon beim drit- den die bisherige Geschichtsschreibung nur Krieg, geschaut. Danach dürfte sein Amt wohl ten oder vierten Viertel Grünen Veltliner an- eine zugleich skandalöse und nichtssagende abgekommen sein, obsolet geworden durch gelangt. Manchmal erinnert man sich halt an Ansammlung von Herrscherverherrlichun- die vermehrte Verbreitung leistungsfähige- etwas, denke ich, nur weil man danach gefragt gen und blutig-ernstgemeinten Anekdoten rer Telefone, schnelle Feuerwehrautos und wird, obwohl man es nicht selbst erlebt hat von politischem Mord und Totschlag gewe- Brandmeldeanlagen. und vielleicht nicht einmal vom Hörensagen sen ist, hat also wieder einmal Recht behalten. So isoliert war das Leben dieses letzten Tür- kennt. Vieles in der langen Geschichte die- Das alltägliche, gewöhnliche Leben jedes Ein- mers offenbar, dass heute in der Diözesan- ser Stadt, tröste ich mich, ist rätselhaft, eigent- zelnen unserer Vorfahren ist und bleibt min- verwaltung nicht einmal sein Name mehr be- lich weiß man nicht einmal genau, wann und destens so rätselhaft wie meinetwegen der kannt ist, obwohl er Zeit seiner Amtszeit dem wo genau St. Pölten gegründet wurde. «Das Aufbau der Materie oder die Ausdehnung des Himmel wohl jeden Tag näher gewesen ist als völlige Fehlen von Fundmaterial aus der Zeit Universums. selbst der Bischof. Den wenigen Besuchern vor der Mitte des 10. Jahrhunderts n. Chr. im Manfred Wieninger

Stalking

ch weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich keinen österreichischen Pfarrer auf den Fel- unlösbares Rätsel. Angefressen über diese glaube, in gewisser Weise erleben wir alle dern schwitzen gesehen. Ganz im Gegenteil! Jahre andauernden schriftlichen Drohungen wegen Werbung, Umfeld, Handy, Kir- Bei uns frisst der Kardinal die kleinen Pries- vertraute ich mich als gläubiger Christ mit chensteuer etc. Stalking. So ist es mir mit ter … dieser Situation einem mir bekannten Pfarrer Ider Kirchensteuer ergangen: Nach meiner Rückkehr nach Österreich an. Dieser nahm sich sowohl der unübersicht- Da ich zehn Jahre im orthodoxen Zustand ging ich meiner Meldepflicht nach. Als Erstes lichen Aktenlage als auch der Bereinigung gelebt habe, kann ich heute nur sagen –der wurde ich von der Kirche in äußerst unange- dieses Vorfalles an. Unterschied ist gravierend. In der griechisch- nehmer Form – sprich Kirchensteuer – kon- Einige Wochen später erhielt ich einen orthodoxen Kirche, zu der ich noch immer taktiert. Obwohl nach rechtlichen Überle- Brief, allerdings mit beigelegtem Erlagschein, sehr enge Verbindungen habe, laufen die gungen und telefonischer Rücksprache kein dass es sich dabei um einen bedauerlichen kirchlichen Gepflogenheiten etwas anders ab. Grund dafür vorhanden war. Trotzdem wur- Irrtum handelte. Seit dieser Zeit ist das Stal- Dort wir die Kirche nicht über Steuern finan- de ich mehrere Jahre gestalkt. Ich wurde mit king zu Ende. ziert, sondern von den Menschen, die dort le- Briefen, die auch Exekutionsklagen beinhal- Südtiroler-Platz-Günther ben und die Kirche besuchen. Alleine dieses teten, bombardiert. Ich gab nicht klein bei! Faktum führt zu einer engeren Verbundenheit Aber man schickte mir kostenlos «Entschuld- Postskriptum: zwischen den Menschen und der Kirche scheine» für zwei Jahre, welche allerdings eine Ich habe einmal in der Secession zu Wien selbst. Bekanntgabe und auch eine Einzugsermäch- ein armes Mammut gemalt. Auch habe ich sehr viele Gottesdiener bei tigung meines Kontos vorausgesetzt hätten. Ich wollte es nicht jagen, es ließ auch kei- der Arbeit auf Feldern schwitzen gesehen, Das würde mir «vorerst» weitere Unannehm- nen «Stalk» zu. wodurch sie sich nicht so sehr von der länd- lichkeiten ersparen. Es ist leider, ohne es zu wissen, lichen Bevölkerung abheben. Nach der Feld- Wie die Kirche zu dieser mir sehr merk- ausgestorben. arbeit widmen sie sich ihrer kirchlichen Ar- würdig und verdreht erscheinenden recht- Die Zeichnung wurde vor dem Erlegen beit – was für eine Leistung! Ich habe noch lichen Auffassung kam, ist mir bis heute ein geschont. 32 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 DICHTER INNENTEIL Sex, Vergewaltigung und Kirche

«Das Böse kommt meistens in sich leger und burschikos kleidete, was sie einen Tag bevor er seinen sexuellen Miss- aber nicht vor Missbrauch schützen konnte. brauch durch Kleriker anzeigen wollte, mit banaler Gestalt daher.» Zur Vorbereitung eines Wochenendausflu- eingeschlagenem Schädel tot aus der Donau Kardinal Christoph Schönborn ges der Jungschar bedurfte es seltsamerwei- geborgen wurde; und der Priesterzögling, der se einer medizinischen Untersuchung: Die die Affäre Bischof Krenn in St. Pölten pub- Mädchen und Buben mussten sich nackt in lik machte, starb ebenfalls unter mysteriö- einer Reihe aufstellen, sodann prüfte ein un- sen Umständen. Beide Fälle wurden bis heute bekannter Mann, angeblich ein Arzt, in An- nicht aufgeklärt. ls ob es ihn nichts anginge, den wesenheit des Pfarrers «die Gesundheit» der Aber die Haltung der Kirchenoberen hat- Herrn Kardinal, sieht er über die Kinder. Den Mädchen steckte man den Fin- te sich trotz der zahlreichen Affären weiter- Sexualverbrechen in seiner Hirten- ger rüde in die Scham, den Buben in den hin nicht geändert: Man könne nichts bewei- gemeinde hinweg. Viel lieber be- After. sen, so «kleine Verfehlungen» seien nicht der schäftigtA er sich mit der Abschaffung der Pil- Nach der ersten Vergewaltigung in der Sa- Rede wert, außerdem hätten es solche Frauen le. Dabei sollte er froh sein, dass es sie gibt, kristei wurde A. regelmäßig missbraucht, nur auf einen Skandal abgesehen. die Pille. Denn bei den diversen Sexualver- manchmal mehrmals am Tag und an den un- Doch nach dem Groer-Krenn-Skandal und brechen, verübt von seinen zu Priestern ge- möglichsten Orten, wie auf dem WC oder im intensivem Druck auf Kardinal Schönborn weihten Schäfchen, ist sie von großem Vor- Beichtstuhl. Die Heranwachsende hatte jeder- war man auch bei Frau A. zu gewissen Kom- teil, um die von ihnen missbrauchten Frauen zeit zur Verfügung zu stehen und wurde un- promissen bereit. Nach langen Verhandlun- nicht noch tiefer ins Unglück zu stoßen. ter obskuren Drohungen zu Gehorsam und gen willigte die Kirche auf eine gewisse Ent- Die ersten sexuellen Übergriffe, abgetan als Stillschweigen gezwungen. schädigung und damit die Bereinigung dieser harmlos zufällige Berührungen, musste Frau Selbst als Studentin wurde sie noch wie unangenehmen Sache ein. A. (Name der Red. bekannt) schon im Al- eine Gefangene gehalten. Weiterhin unter fa- Frau A. wurde ein Schriftstück vorgelegt, ter von neun Jahren über sich ergehen lassen. miliärer Obhut in der elterlichen Wohnung worauf stand, dass man zwar kleine sexuel- Der Pfarrer aus Wien-Leopoldstadt ließ kei- konnte sie sich nicht den Anordnungen der le Vergehen durch den Pfarrer Gustav P. ein- ne Gelegenheit aus, um in die Nähe des Kin- kirchlichen Autorität widersetzen. Angst vor räume, aber keine Vergewaltigung. Man würde des zu kommen. Schwangerschaft beherrschte sie, Verhütung ihr auch die Kosten für Krankenhausaufent- Begünstigt wurden die sexuellen Grenzver- war kein Thema, denn da galten seltsamer- halte, Psychologen und Verdienstentgang ab- letzungen durch die bigotten Eltern, die den weise noch die Gesetze des Vatikans … gelten, wenn sie sich dafür jedoch verpflichte, Herrn Pfarrer oft zum Essen eingeladen hat- über den Skandal Stilschweigen zu bewahren. ten. Auch die Pflicht zum regelmäßigen Be- Ein «kleines Vergehen» (Dieser Vertrag liegt der Redaktion vor.) Die- such der Jungschar wurde für das Mädchen ses Angebot lehnte Frau A. ab. bei einer solchen Gelegenheit beschlossen. Ein Psychiater riet ihr, die Vergewaltigungen Nach langen intensiven Gesprächen und Nie zweifelten die Eltern an den hehren Ab- anzuzeigen oder zumindest den damals in Androhungen man würde doch an die Öf- sichten des Pfarrers. Wien regierenden Kardinal Groer davon in fentlichkeit gehen, einigte man sich dann auf Die Eltern, die also nie an den Worten des Kenntnis zu setzen. eine Zahlung eines lächerlichen Betrages. Herrn Pfarrer zu zweifeln wagten, begünstig- Die Polizei nahm nicht einmal ihre Da- Vergewaltiger Pfarrer Gustav P. wurde von ten damit die sexuellen Übergriffe. ten auf, sondern schickte sie gleich zum Kar- der Pfarre Wien-Leopoldstadt abgezogen und Mit elf Jahren erfolgte die erste Vergewal- dinal. Dort hörte man ihr zwar zu, tat es aber in eine niederösterreichische Pfarrgemein- tigung des Mädchens in der Sakristei einer als kleines Vergehen ab und warnte, dass man de versetzt. Pfarre in Wien-Leopoldstadt – der Anfang ei- eine Klage mit allen Mitteln zu verhindern 2008 wurde er in die Pension verabschie- nes jahrelangen sexuellen Martyriums. Und wisse. det. Über die große Feier berichteten die Pro- auch noch als Studentin fand sie sich ihrem In der Biografie von Frau A. erfolgten im vinz-Medien. Wie schon zuvor Groer ent- geweihten Vergewaltiger ausgeliefert: «Die re- Laufe der nächsten Jahre sieben Selbstmord- schuldigte sich der Pfarrer für kleinere gelrecht einer katholischen Gehirnwäsche un- versuche, Psychiatrieaufenthalte und daraus Vergehen in seinem bisherigen Leben mit den terzogenen Eltern waren stets bedacht, dass resultierende Arbeitsunfähigkeit. Worten: «Wir alle haben schon mal gefehlt.» ich unter der Obhut des Pfarrers bleibe.» Die Vergewaltigungen fanden trotzdem Diese Verniedlichung der Vergewaltigun- Jede noch so kleine «Verfehlung» wur- weiterhin nahezu täglich statt, darüber spre- gen brachte Frau A. in Wut: «Das waren kei- de bestraft. Wenn das Mädchen «unzüch- chen konnte sie nicht mehr. Zu groß war ihre ne Fehler, das waren Verbrechen!!!» tig» am Mittagstisch saß und die Hände auf Angst, als «die Pfarrerhure» (so wurde sie Sie schrieb an Kardinal Schönborn und bat die Oberschenkel legte, erfolgte sofort eine von ihrem Peiniger tituliert) abgestempelt zu ihn um eine Stellungnahme und eine Richtig- strenge Maßregelung durch Pfarrer und Va- werden. stellung, dass nicht bloß gefehlt wurde, son- ter, welcher oft Strafen folgten: Ohrfeigen, Erst als Josef Hartman den Fall Groer an dern ein Verbrechen vorliege, sie das Opfer Hausarbeiten, Zimmerarrest und natürlich: die Öffentlichkeit brachte, wandte sie sich mit sei und legte die Chronologie ihrer Geschich- beten und beichten. Ganz nach dem kirchli- einem Anwalt an Schönborn, der inzwischen te als Vergewaltigungsopfer bei. chen Motto – «Wer sein Kind liebt, der züch- dem zurückgetretenen Kardinal Groer nach- Auf diesen Brief erhielt sie bis heute kei- tigt es …» gefolgt war. ne Antwort. Frau A. war für ihr Alter früh entwickelt. Frau A. wurde auch unsicher: Der gewalt- Isabella Graf Dies versuchte sie zu vertuschen, indem sie same Tod des Bruders von Hartmann, der, DICHTER INNENTEIL Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 33 Unsere Gesellschaft verroht – na und!?

er Wiener und die Wienerin sind ja die «Liebe» ihrer Kinder. Vielleicht ist es auch Zielfernrohres aus 200 Meter erschießen kön- mit den politischen und wirtschaft- gar nicht wirklich Liebe, die die Eltern von nen, die Amokläufer in der Zeitung mit Foto lichen Zusammenhängen nicht nur ihnen wollen, sondern einfach nur Ruhe. Da gezeigt und mit Namen genannt werden, so national, sondern auch internatio- ist es natürlich leichter und bequemer, z. B. lange braucht man auch keine Debatte über Dnal quasi per du. Es ist eine Freude zu sehen, im Supermarkt nachzugeben, um dem trot- «Killerspiele» führen – es wäre heuchlerisch. zu hören und zu spüren, wie groß die Leiden- zigen Kind seine Schokolade zu kaufen, als Jeder Einzelne von uns kann die Gesell- schaft ist, wenn es darum geht, dem Gegen- sich den unangenehmen und bösen Blicken schaft ändern. Lasst uns in der Familie be- über mitzuteilen, wie schlecht alles sei und so mancher lieben Mitmenschen auszuset- ginnen, indem wir wieder mehr Zeit sinn- welch Idioten überall das Sagen hätten. Na- zen. Aber ein Kind wird nun mal älter, und voll miteinander verbringen. Danach laden türlich ist es eine Frechheit, dass die da oben die Ansprüche steigen – wie es seinen Willen wir die Nachbarn auf einen Kaffee ein, und auf Staatskosten irgendwo hin zu einem G20- durchsetzt, hat es ja bereits früh gelernt. War- im Sommer gibt’s bestimmt die Möglichkeit, Gipfel fliegen, um bei einem guten Essen die um also sein Verhalten ändern? mit sämtlichen Hausbewohnern zu grillen. Probleme unserer Zeit zu erörtern, weil lö- Die Ausdrucksweise und das Verhalten vie- Besseres Kennenlernen, mehr Verständnis sen können sie diese ja eh nicht. Der Obama ler Kinder und Jugendlicher sind so, als wür- für die Bedürfnisse anderer und ein herzli- und der Faymann sollen lieber zum Heuri- den sie soeben aus einem billigen Gangsta- cherer Umgang untereinander wird die Fol- gen nach Stammersdorf gehen, um dort ge- Rap-Video entsteigen. Dass Typen wie ge sein. Also traut euch und beginnt mit dem meinsam mit der Merkel und dem Sarkozy Bushido, welche ein Vorbild für Gewaltver- ersten Schritt. Wie heißt es so schön? Selbst beim Bauernschnapsen über die Wahnsinn- herrlichung sind, überhaupt im Fernsehen der längste Marsch beginnt mit dem ersten spreise des grünen Veltliners nachzudenken. auftreten und ihren Mist per Video anbrin- Schritt. Die neue Weltwährung sollte also weder der gen dürfen, ist geradezu eine Zumutung. Und mein größter Wunsch lautet: Hütet Dollar noch der Euro, sondern etwas Prak- Aber so lange es der Quote zuträglich ist, euch vor der Gleichgültigkeit! tisches sein – also etwas, das jeder braucht – dürfen beinahe Totschläger im Jugendpro- Herzlichst euer logischerweise der grüne Veltliner. Alternativ gramm halt nicht fehlen. Flugsaurier könnte auch der G'spritzte dafür herhalten. Es ist allerdings nicht die Schuld der Kin- So einfach geht es also in Wirklichkeit. der, sondern die der Erwachsenen. Wo bleibt Problematischer wird es allerdings bei den denn die Vorbildwirkung? Daheim wird «unlösbaren Problemen». Beispiele gefällig? kaum noch miteinander geredet, und eine ge- Drei Kinder schlagen bei der Busstation auf meinsame Mahlzeit findet auch sehr selten ein anderes ein. Ein paar Jugendliche werfen statt. Die Kleinkinder dürfen im Fernsehen mit Äpfeln auf vorbeifahrende Autos, ein fast alles sehen – Hauptsache es ist Zeichen- Mann schlägt in der Öffentlichkeit seine Frau, trick. 2-Jährige sehen da also bereits Zeichen- ein alter Mann gibt seinem Hund in der Fuß- trickserien, in denen gemordet wird – natür- gängerzone einen Fußtritt. lich für die gute Sache und um den Planeten Leider reagieren viele von uns in diesen Si- vor den Bösen zu retten. Wenn die lieben tuationen gar nicht. Angst, dass einem selbst «Kleinen» dann ein bisserl größer sind, geht’s etwas passiert, es geht einem ja eigentlich gar dann ab vor dem PC. Dort wird es ihnen nix an, und die Aussage: «Da mischt man sich dann noch leichter gemacht. Ohne Kontrol- nicht ein, sondern geht schnell weiter» liegen le haben sie freien Zugang zu allem, was sie im Ranking ganz weit oben. Bei «Kleinigkei- wollen – zu wirklich allem. Die Debatte über ten» kann man durchaus selbst seine Mei- die «Killerspiele» ist dagegen geradezu lä- nung kundtun und einschreiten. Einen ande- cherlich. Man will die Killerspiele verbieten? ren auffordern, gemeinsam etwas zu Wozu? So lange im Real Life die Uniform ei- unternehmen, ist die zweite Variante. Für nes Soldaten den Mann erst so richtig fesch schlimmere Fälle sollte man nicht zögern, macht und die Zeit beim Heer ihn überhaupt sein Handy zu benutzen, um die Polizei anzu- erst zum Mann macht (eigentlich dachte ich rufen (die Notrufnummer ist kostenlos). immer das funktioniert anders), der neue Ab- Kinder und Jugendliche brauchen einfach fangjäger echt geil ist, die Raketen ein Wun- mehr Grenzen. Zu Hause wollen die Eltern derwerk der Technik sind, die tapferen Wil- nicht die Bösen sein und erkaufen sich lieber derer einen kapitalen Hirsch dank eines 34 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 DICHTER INNENTEIL

Und eines Tages interessiert sich eine an- Fairy dere Frau für ihn. Diese Frau bewundert ihn, wie er so gewinnend lächeln kann und so be- scheiden wirkt. Er erzählt es Fairy, und sie lädt ihn in ihre Wohnung ein. Er erfährt nun, wer sie wirklich ist. Sie lebt alleine in einer urt ist ein Weichei, ein Warmdu- ist, diese Fairy interessiert sich für ihn. Er kleinen Zimmer-Küche-Wohnung mit Klo scher, ein Wichser, eben ein Versa- kann den größten Unsinn daherstammeln, ihr am Gang. In ihrem Zimmer befinden sich ger auf allen Linien. Dabei ist Kurt macht das nichts aus. Sie scheint ihm jeden ein Bett, ein Schreibtisch, ein Klavier, ein Bü- hochintelligent, ein bisschen zu sen- Fehler zu verzeihen. Sie ergreift seine Hand cherregal. In ihrem Bücherregal befinden sich Ksibel vielleicht für diese Welt, schaut gar nicht und lächelt ihn an, gerade dann, wenn er sich Bücher zu philosophischen, religiösen und schlecht aus, hat sogar studiert, aber nicht am dümmsten vorkommt. esoterischen Themen. Bücher über Musik. ganz fertig, den Studienabschluss hat er emo- Jetzt erst spürt Kurt eine tiefe Traurigkeit Belletristik. tional nicht verkraftet. in sich hochsteigen. Die Tragödie seines bis- Er will von ihr wissen, was sie beruflich Er arbeitet in einem Callcenter, wo er den herigen Lebens wird ihm jetzt erst so rich- macht, womit sie ihren Lebensunterhalt ver- ganzen Tag stumpfsinnige Interviews führen tig bewusst. Und er erkennt, dass er gar nicht dient. Sie sagt: «Ich bin Künstlerin.» «Künst- muss, mit Leuten, die ihn immer nur abwim- weiß, wer er eigentlich ist und was er vom Le- lerin? Welche Art von Kunst?» Fairy sagt: meln wollen. Das zehrt an seinen Nerven. ben will. Er erkennt, dass er in seinen Ängs- «Ich arbeite in einem globalen Netzwerk von Aber was soll er sonst arbeiten? ten völlig gefangen ist, völlig blockiert, dass er Künstlern, die sich gegenseitig unterstützen Auch bei den Frauen hat Kurt versagt. Er ist sein Leben vergeudet. und an der Transformation der Welt arbei- schon 40 und immer noch Junggeselle. Seine Fairy wird so eine Art Begleiterin für ihn. ten.» «Und wie heißt dieses Netzwerk?» Fairy letzte Freundin trennte sich von ihm vor nun- Sie ist eine Frau, die immer für ihn da ist und sagt: «Es gibt mehrere Namen – je nach An- mehr sechs Jahren. Seit damals ist Kurt ein nichts von ihm verlangt. Er fragt sie, warum lass und Zweck.» «Und wer ist der Leiter, der Wichser, im Wesentlichen. Ein paar Bekannt- sie das tut und wer er für sie ist. Doch auf die- Kopf dieses Netzwerkes?» Fairy sagt: «Jeder schaften, ging aber alles schief. Kurt macht se beiden Fragen gibt Fairy keine Antwort. Er Künstler hat seinen eigenen Kopf und ist da- immer alles falsch, besonders bei den Frauen. weiß von ihr so gut wie nichts. Er kennt ihre mit auch für sich selbst verantwortlich.» Er hat bereits versagt, bevor er es noch ver- Telefonnummer, weiß, wo sie wohnt, weiß, sucht hat. Der Druck zu versagen – bei den dass sie allein wohnt, betritt ihre Wohnung Kurt spürt, dass er Teil des Lebens von Fai- Frauen genauso wie beruflich – ist dermaßen aber nie. Sie schlafen auch nie miteinander, ry sein will. Er sagt, dass er sie liebt. Fairy groß, dass es einfach keinen Ausweg gibt. Es sie ist aber sehr zärtlich zu ihm. nimmt ihn in ihre Arme und sie schlafen ge- gibt für ihn keine Erfolge, weil die Erfolge, die Von ihr erhält Kurt die Kraft, noch einmal meinsam ein … in seiner Reichweite liegen, ungenügend sind. aufzustehen, noch einmal von vorne anzu- Liwolio Sein Leben besteht aus einer Serie von Miss- fangen. Sie sagt ihm immer wieder: «Es geht erfolgen. Das ist Kurt: Kurt ist ein Verlierer. darum, den Druck aus allem herauszuneh- Eines Tages, Kurt steht am Brückengeländer men. Du hast alle Zeit der Welt. Nichts ist so das Rätsel der und denkt an Selbstmord, lernt er eine Frau wichtig, dass es noch getan werden müsste. Spirale kennen, keine gewöhnliche Frau, sondern Im Grunde ist alles irrsinnig unwichtig.» Und ist das eine gute Fee von einem anderen Stern, Fai- während sie das sagt, reibt sie ihm Kreise auf Kreisgehen ry ihr Name. Sie ist das beste Wesen, das Kurt die Brust. Mit ihrer anderen Hand nimmt sie im Leben sich vorstellen kann. Sie ist blond, lacht viel, seine und drückt sie gegen ihren Busen. Oh hat strahlend weiße Zähne und ist sagenhaft mein Gott, wie gut tut mir diese Frau, denkt hübsch. Sie könnte direkt aus dem Werbe- er und schließt die Augen. Mei Voda hod gsogd fernsehen stammen. Und das größte Wunder de soi i nehma Mei Muada hod gsogd de soi i nehma De Schwesda hod gsogd de soi i nehma De Gvaddan hom gsogd de soi i nehma Hob i ma gsogd So nimm i hoid den

die Vorschrift hör ich wohl allein mir fehlt Gehorsam

Im Saufm hob i mi habilitiat. Im Saufm binni Brofessa. Jetzn muaß i mi nua no söba rehabilitian.

Thomas Northoff DICHTER INNENTEIL Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 35

und ich sehe nichts mehr, doch ich nehm´ mit ins Grab «Deal,er» die Stimme, ich werde sie nie mehr vergessen Ich sage mit Nachdruck, ich will das nicht mehr, von der Frau, die mich quält wie vom Teufel besessen. denn diese Tabletten verändern mich sehr. Jetzt gebe ich auf, bin nur Haut mehr und Knochen. Ui je, das hätt´ besser ich nicht sagen sollen, Was hab´ ich gesagt, was hab ich gesprochen, sie sind jetzt zu dritt, sie werd´n doch nicht wollen, um zu überleben? Es ist mir egal, Beweise, dass ich darauf halluzinier´ wichtig ist, dass ich lebe, und das ist der Fall. und furchtbare Angst krieg und das jetzt und hier. Alles andre kommt später, die Zeit, sie wird zeigen, Und doch ist es so, man sagt mir sehr bald, was aus ihnen wohl wird, aus diesen feigen dass ich sonst am Bett würde fest angeschnallt, Monstern, ich hoff´, dass kein Geld sie bekamen und dann würden sie mittels Infusion Dafür, dass sie alles, wirklich alles mir nahmen den Saft mir verpassen, und da steht auch schon bis auf meinen Körper mit viel blauen Flecken. der eine mit dem Becherchen klein. Darauf baue ich auf, und wenn sie sich verstecken Ich leere voll Angst in den Mund mir hinein hinter Lügen, es gibt scheinbar doch einen Gott das Gift, doch es wehrt sich in mir alles, zu schlucken, irgendwo, der gerecht ist, sonst wär´ ich jetzt tot. ich muss es ganz rasch auf den Schreibtisch ausspucken. Schon wieder ein Becher, ich hab´ keine Chance, ich trinke verängstigt den Becher jetzt aus, und zu meinem Schreck seh´ ich noch ziemlich klar «Mist» im Kopf, ich muss dazu nehmen sogar Da schaufelt wer nachts den Komposthaufen um den Stoff in Tablettenform, und jetzt ist fix, von mir ganz heimlich, ich frag mich warum sie haben für mich vorgeseh´n einen Mix trägt der Kerl ´nen Anzug, sieht aus wie von Boss. aus verschiedenen Stoffen, damit schnell ich aufgebe. Wo kriegt ein Sandler her so was bloß? Gewonnen – wenn ich das hier nur überlebe! Ein Hemd blütenweiß, sogar mit Krawatte Kaum werde ich munter, seh´ ich eine der drei, und stierlt im Misthaufen um wie ´ne Ratte. es ist also noch nicht alles vorbei. Ich hör´, wie er keucht, er schaufelt sehr schnell, Sie meint, ich dürfe jetzt noch nicht heimgehen, er hält nur kurz inne, wenn eine Stell´ ich wäre verwirrt, sie konnte es sehen ist, wo´s glitzert silbern und weiß – von diesen Tabletten, und das beste jetzt wär´, ein Stück Folie, jetzt murmelt er «Scheiß». ich nehm´ von den Drogen noch ein bisschen mehr, Ich bemerke, die Schaufel, sie wird ihm zu klein, dann könne ich schlafen und wunderbar träumen. er wirft sie weg und greift herzhaft hinein Sie will wohl um nichts im Leben versäumen, in den Mist, jetzt sehe ich auch, warum: mich mundtot zu machen, denn jetzt fange ich an, Da liegen sehr viele Stück Folie ´rum. ihr zu sagen, dass ich mich sehr wohl wehren kann. Doch eines muss man dem Kerl schon lassen, Es schmerzt mich der Brustkorb, ich stell´ fest voller Schrecken, er ist ordentlich, denn was er kann fassen sie halten mich fest und die blauen Flecken wirft er und er lässt kein Krümelchen aus wird niemand sehen, denn allein in dem Raum in den leeren Behälter da neben dem Haus. werd´ angeschnallt ich, und es ist wie ein Traum Ich muss auf die andere Seite jetzt gehen, ein böser, am Bett und ich spüre den Stich – ich möchte ihn näher von vorne gern´ sehen. aus, vorbei, was dann kommt, das bin nicht mehr ich … Ich sehe kein Weiß mehr vom Hemd, kein Gesicht, doch in seinen Augen, ich täusche mich nicht, da ist so ein Glanz, so ein irrer, voll Wahn. Es ist Folter, es ist kaum noch zu ertragen. Kein Wunder, wer täte sich so was sonst an … Immer wieder Tabletten und so viele Fragen Er ist fast am Ende, was küsst er denn hier? zwischendurch, und wenn ich dann gar nicht mehr kann, Einen Euro und da liegt auch noch ein Papier schnallt man mich ganz fest am Bett einfach an. am Grunde des Haufens, den er hat bewegt. Ich hör´ auf mich zu wehren, es hat keinen Sinn, Hat da jemand vielleicht einen Scheck hingelegt? wenn vielleicht ich körperbehindert noch bin, Jetzt holt er die Brille ´raus und schreit ganz laut. dann kann ich ihnen nicht mehr davonlaufen. Dafür hat er sich seinen Anzug versaut? Außerdem war es immer mir fremd schon, zu raufen. Es flattert zu mir her das Zettelchen klein Ich spuck´ ihnen nicht einmal ins Gesicht, und ich lese schmunzelnd in des Mondes Schein selbst wenn ich es wollte, ich könnte es nicht, mein Schreiben, wo steht: Lieber Herr, fürs Umschaufeln, weil die Muskeln ich nicht koordinieren mehr kann. ich dank´ Ihnen sehr. Es verzieht sich mein Mund, ich lächle sie an. Meine Augen, die Brille, man nahm sie mir ab, Hannelore J. E. Nesiba 36 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 DICHTER INNENTEIL

Aus der Schreibwerkstatt Erzählmagie im Augustin

er Lidio Mosca-Bustamantes Autors, Facharztes, Märchen-Philosophen und wenn ich neuestes Buch in Händen hält, politisch subversiv Engagierten. die Hände voll habe. braucht nicht zu fragen, was eine Wir bestürmen ihn mit Fragen. Woher die Und du nicht. «Vihuela» ist. Das Instrument, Anregungen zu den einzelnen Texten gekom- nachW dem Buch und Titelerzählung benannt men sind, ob die Metaphern so gemeint wa- Der Abstand sind, prangt auf dem Cover. Ergänzen könn- ren, wie wir sie zu verstehen glaubten, welche schmerzt das Herz, te man noch, dass es sich um den Vorläufer der Schreibtipps er für uns hat, ob Arztberuf und wenn der Hunger klassischen Gitarre und die große Schwester der Schreiben zusammenhängen … Wir können gar die kleinen Füße Guitarra handelt. Nicht weniger magisch als die nicht genug bekommen von seiner klaren und der Kinder beißt. Vihuela ist Lidio Moscas Erzählkunst, die uns ausführlichen Auskunftsbereitschaft. am letzten Schreibwerkstättenabend in Bann Das Anders-Sein schlägt. Im Gefängnis gefoltert ist gut. Wenn nicht Ein begeisternder Erfolg Stichwort Gefängnis. «Darüber möchte ich eine Mauer nicht sprechen, die Erinnerung ist zu schmerz- dazwischen ist. Dieses «Uns» ist gleichzeitig eine steile Erfolgss- haft.» Dann beginnt er aber doch, von sich aus tory unseres Anliegens, les-schreib-diskutierend ausführlich zu erzählen. Die bloße Bekannt- Lidio Mosca-Bustamante mit etablierten AutorInnen in Gedankenaus- schaft mit Mitgliedern einer linken Gruppe von tausch zu treten. Begonnen hat dieser Wunsch RegimegegnerInnen des autoritären, korrup- «… wenn der Hunger die kleinen Füße beißt nach fruchtbarer Begegnung mit der Anregung ten argentinischen Staates reicht aus, ihn zu in- …» – was für ein Bild! durch Katharina Tiwald, durch deren Initiati- haftieren und zu foltern. Sieben Tage lang wird ve wir uns gemeinsam mit prominenten Auto- er geschlagen, setzt man ihm die Pistole an Für diesmal fehlt uns ein spiegelndes rInnen in den «Berührungen» gedruckt sehen die Schläfe und droht ihm mit dem Erschie- Amateurgedicht. Aber vielleicht möchte uns durften. Seither haben uns mit Haimo Handl, ßen, bekommt er nichts zu essen und wird mit jemand seine lyrische Resonanz zu «Der Uwe Bolius und Lidio Mosca schon drei wei- Schlafentzug gemartert. Nur durch unglaublich Unterschied» schicken? tere Special Guests die Ehre gegeben. Diesmal «glückliche» Umstände entkommt er den Klau- waren mit Yvonne Czermak, Uwe Bolius und en der Diktatur. «Ich hatte das Glück, dass die Bis zum nächsten Mal also, und viel Spaß beim Dagmar Fischer sogar gleich drei erfolgreich Folterer immer genau in dem Augenblick mit Schreiben! Publizierende unter den ZuhörerInnen und dem Schlagen aufhörten, in dem ich schon be- Franz Blaha MitdiskutantInnen. reit war, alles auszusagen, was sie von mir wis- sen wollten. Dadurch habe ich niemanden ver- Spendenerfolg Lyrik raten.» Niemand von uns hat ihn unterbrochen. Aus Argentinien Niemand stellt Fragen, erst als er auf andere stammender Da schon von Erfolg und Uns-daran-Berau- Themen kommt, wird das Gespräch wieder leb- Autor, Arzt und Märchen- schen die Rede ist, wollen wir auch die Ge- haft. Besonders, wenn er uneuropäisch skurrile Philosoph: Lidio dichtspenden erwähnen, die inzwischen unsere Dinge zu berichten weiß. «Buenos Aires hat fast Mosca- Festplatte bevölkern. Unsere vorlaute Bitte um 12 Millionen Einwohner und alle 200 Meter ist Bustamante Gedichte von etablierten LyrikerInnen ist auf ein Stundenhotel. Das wird aber nicht von Pro- so reichhaltige Zustimmung gestoßen, dass wir stituierten frequentiert, sondern es ist durchaus jene SpenderInnen aus dem In- und Ausland üblich, dass eine Frau, die mit ihrem Mann ein- um Geduld bitten müssen, deren Gedichte auf kaufen geht, einen kurzen Abstecher mit ihrem unserer Seite noch nicht erschienen sind. Liebhaber in so ein Hotel macht.» Wir halten ihn plaudernd fest, bis der Fahrplan der Öffis Special Guest Lidio Mosca ihn zur Heimfahrt nach Gänserndorf zwingt.

Doch zurück zur Promi-Lesung in der Schreib- Die Promi-Lyrik-Spende INFO werkstatt. Mit leiser, einprägsamer Vortragswei- Lidio Mosca-Bustamante: «Die se zaubert der Erzähler Sysiphos in den Raum, Lidio Mosca schreibt auch Gedichte und hat magische Vihuela»; übersetzt der seinem Schicksalsantipoden Suphysis be- auch schon gespendet. Warum seinen Besuch von Gerhard Giesa. 4/4-Verlag, 174 S., € 16,50; gegnet, lässt eine sich entwickelnde lebende also nicht zum Anlass nehmen und ihn auch als ISBN: 3-902141-15-8 Kugel zur Bewältigungsmetapher werden und Lyriker vorstellen? liest uns ein Gleichnis über die Unentbehrlich- keit von Liebe vor. Themen, die jeden angehen, Der Unterschied in neuen Erzählfarben eine besondere Plastizi- tät zu verleihen, ist die große Besonderheit und Der Unterschied Stärke dieses von zwei Kontinenten geprägten tut weh, DICHTER INNENTEIL Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 37 Das vorvorletzte OTTAGRINGO Pakerl Zigaretten

eschafft! Wieder einmal Beim Krähengeschrei hatte der Rau- knapp ausgegangen, aber cher nun seine Aufmerksamkeit auf den jetzt ist es amtlich. Und so Tisch gerichtet, von dem die Laute ge- manche werden aufatmen kommen waren. Im Rollstuhl kauerte Goder tief durchatmen. Die Raucherhatz ein ziemlich verhutzeltes Weiblein, de- ist erst einmal für ein Jahr ausgesetzt! ren Alter nicht einzuschätzen war. Zwei Weil sie sich wieder nicht einigen konn- kleine Zöpfchen im grauen, wirren Haar ten. Diese Information erreichte den und funkelnde Augen standen sehr Raucher bei einem großen Braunen in im Widerspruch zu ihrer übrigen, von einem kleinen Café. Sie kam aus dem Krankheit schwer gezeichneten Gestalt. Radio. Sie war es, die zahnlos dem Wirt signa- Wie üblich hatten sie gestritten, wie lisiert hatte, dass ihre Kaffeetasse schon oft auch Geschwister: zwar im selben wieder leer sei. Haus wohnend, aber trotzdem mit ganz Ein paar Witzchen beim Zubereiten verschiedenen An- und Einsichten, Vor- des Espressos waren dann sehr effektiv lieben und Wertigkeiten. Die Wirtschaft und brachten erstens eine aufgelocker- bangt natürlich um Umsatzeinbußen te Stimmung und zweitens das Weiblein und Gewinnrückgänge von kleinen Kaf- zu ein paar wohlgesonnenen Lachern, feehäusern und großen Konzernen; die wieder sehr an die Schreie von Krähen soziale Ecke schaut auf jeden Einzelnen, erinnernd. Für den Raucher der passen- Ein Käfig aus Gold und das wieder ganz genau; sie können de Übergang zum flotten Rückmarsch einfach «zusammen nicht kommen»!?! auf seine Station. Es war kurz vor zwölf, Eingesperrt in einem Käfig aus Gold, Fast hätte er die Meldung im Radio gleich gab’s Essen! das hab ich so nie gewollt. aber überhört. Nicht, weil es vielleicht Der Raucher, der sich gerade mal «fit Ich habe alles und deshalb nichts. «eh nichts Neues!» war oder weil der wie ein Turnschuh» fühlte, war für ei- Immer glücklich und zufrieden sein, Raucher andere Sorgen hatte. Einer von nen O2-Check freiwilliger Selbstdarstel- ist nicht möglich, trügerisch und hohler Schein. den beiden anwesenden Gästen des Ca- ler auf «seiner Lungenstation» in Lainz Einen Schein, der mir hilft mein Leben zu wagen, fés hatte im Rollstuhl sitzend einige geworden. ein Schutz, der mir dient, mein Leid zu ertragen. Schreie ausgestoßen. Schreie, die an die Zuvor noch hatte er gierig (wie er Es gibt große Erwartungen, die man an mich stellt, Laute von Krähen erinnerten. eben oft war) die frische gute Luft vor doch bin ich kein Mensch, der sich an alle Regeln hält. Eben noch hatte der Raucher den dem Pavillon 8 eingesogen und ging Ich bin am Suchen, hab mich noch nicht gefunden, Wirt beobachtet. Ein ziemlich witziger dann auf einen kleinen Waldspazier- so ist mein Leid noch da, ist nicht geschwunden. Typ, der mit einem weiteren Gast rede- gang: Mitten im riesigen Areal des KH Bei meinem Lebens-Puzzle fehlen Teile, te. An dessen Tisch ging es auch ums Lainz, das bekanntlich von einigen ver- mich quält das Gefühl erzwungener Eile. Rauchen. So bekam der Raucher mit, schiedenen Stationen gebildet auf dem Der Erfolg, die fehlenden Teile zu finden, ist eher mäßig, dass inzwischen nur mehr zwei Packerl Rosenhügel liegt. Bei diesem Spazier- komm ich denn niemals frei aus meinem goldenen Käfig. Zigaretten zum Verkauf vorrätig waren. gang war der Raucher auf jenes Café Wenn ich dann die Schlüssel des Rätsels finde, Er selbst hatte gerade das vorvorletzte auf dem Wilhelminenberg gestoßen, in wird, hoff ich, mein Schmerz gelinde. erworben und sich eine angeraucht. dem die Geschichte spielte. Und es um- Der Wunsch nach Freiheit ist mein Ziel, Der Wirt erzählte seinem Gast, dass gaben ihn die Herzstation, die Lungen- ich werd es erreichen, weil ich es will. Maria, dabei deutete er auf die Roll- abteilung, die Hautklinik … und viel So tief ich auch fallen mag, stuhlfahrerin, auch jeden Tag komme Wald und Sauerstoff sowie eine Men- ich stehe auf, es folgt der Nacht der Tag. und ein Packerl Zigaretten kaufe. Und ge Krähen. Ich bin so jung und fasse neuen Mut, dann so alle drei Minuten eine neue an- Gruß vom Raucher ich weiß, am Ende wird doch alles gut. zünde. Bei einigen Tassen Kaffee. Sandra Korczynski 38 Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 DICHTER INNENTEIL Als Herr Beethoven mit Pater No 121 Haspinger einmal in Streit geriet WIENER ie standen hoch über der Donau, Groll «Oder als ultramontan», unterbrach der AUSFAHRTEN und sein Freund, der Dozent. Sie hat- Dozent. ten auf einem Rastplatz des Leopold- Was bei einem Mann aus den Bergen auch «Was faselt er da zusammen!», rief bergs Rast gemacht und schauten auf kein Wunder sei, setzte Groll fort. «Beethoven Beethoven. Sdas dunkle Band des Stroms. Groll erzählte hingegen vertrat einen aufgeklärten Stand- «Um einen Donauzufluss, der den Zufluss dem Dozenten von einer Begebenheit, die sich punkt …» nicht geschafft und sich ein eigenes Rinnsal vor bald zweihundert Jahren am Ufer des «Wie er einem weltoffenen Rheinländer gut durch die Sandwüsten Mitteldeutschlands gra- Flusses zugetragen hatte. anstand», assistierte der Dozent. ben musste», ergänzte Haspinger. Einige Zeit «Im Spätfrühling des Jahres 1810 verfügte Groll nickte. «Die Auseinandersetzungen hielten die beiden Stille, dann war es wieder sich der Kompositeur Ludwig van Beethoven waren hart, wurden aber immer mit dem nö- Haspinger, der den Streit fortführte. Kloster- des Öfteren mit einer Fährzille nach Jedlesee, tigen Respekt geführt. Nur einmal gelang es neuburg sei das älteste gotische Bauwerk auf um ein paar Tage auf dem Sommerschlöss- den beiden nicht, ihre Gefühle im Zaum zu österreichischem Boden und der prunkvolls- chen seiner Förderin Gräfin Erdödy zu ver- halten, und es kam zu einem Streit, der bedau- te Bau Europas, sagte er. Beethoven schwieg, weilen. Auf den Wanderungen, die Beetho- erlicherweise eskalierte.» doch als Haspinger den Disput weiter zuspitz- ven bis auf den Bisamberg führten, lernte er Der Dozent hockte sich auf die Fersen. Es te und das Weingut des Augustiner-Chorher- in Jedlersdorf einen ungewöhnlichen Predi- war dies eine Geste, die Groll immer wieder renstifts als das älteste und größte des Reichs ger kennen. Pater Joachim Haspinger, der mi- aufs Neue anrührte, denn auf diese Weise herausstellte, das noch dazu den besten Wein litärische Kopf des Tiroler Bauernaufstandes, konnte er mit dem Dozenten auf Augenhöhe der Welt hervorbringe, war es um Beethovens hatte sich nach der Niederschlagung der Er- verkehren und war nicht gezwungen, seinen Selbstbeherrschung geschehen. Am Rhein sei hebung nach Wien geflüchtet, wo er in der Nacken zu verrenken. Auch wirkte diese Geste schon Wein angebaut worden, als in Kloster- Wallfahrtskapelle Maria Loreto in Jedlersdorf auf Groll wie eine Einladung, in seinen Erzäh- neuburg die Wölfe den Mond anheulten, rief aufrührerische Predigten hielt. Nördlich der lungen das Profane nicht über die Phantasie er. Außerdem sei selbst der mittlere Rhein- Donau war Haspinger eine Berühmtheit, und und die historische Wahrheit nicht über den riesling um Welten besser als der beste Brün- es dauerte nicht lange, bis Herr Beethoven Ge- Witz triumphieren zu lassen. Groll fuhr in sei- nerstraßler, der sich als Waffe gut, als Ge- fallen an dem Mann fand und die Disputatio- ner Erzählung fort: nussmittel aber nur bedingt eigne, was man nen in den Buschenschenken der Umgebung «Die Donau verhalte sich zum Rhein wie im Übrigen auch an den verdrehten Ansich- fortsetzte. Dabei kam es zwischen den beiden der Vater zum Kind, sagte Haspinger, als die ten jener merke, die ihm regelmäßig zuspre- zu leidenschaftlichen Disputen über Fragen Zille in der Strommitte war. Das könne nur ei- chen. Haspinger sprang auf, wodurch die Zil- der Religion und Revolution, wobei Haspin- ner sagen, der vom Unterlauf des Rheins kei- le zu schaukeln begann. Er verlange auf der ger eine Linie vertrat, die man heute als radi- ne Ahnung habe, brummte Beethoven. Doch, Stelle Genugtuung, rief der Pater. Nun sprang kal katholisch bezeichnen würde …» doch beharrte Haspinger. Die Donau sei ein auch Beethoven auf und stieß Haspinger mit Weltwunder und der Rhein dessen Zufluss. den Worten «Die kann er haben!» rücklings in den Fluss. «Entsetzlich», rief der Dozent. «Der Fährmann zog Haspinger aus dem Wasser», erzählte Groll weiter. «Beethoven war erschrocken und schämte sich sehr. Er versorgte Haspinger mit trockenen Kleidern und begleitete ihn zu seinem Kirchlein. Nach einer innigen Predigt – Haspinger brachte das Gleichnis vom Fährmann – wechselten die beiden in einen Heurigen. Als Geste der Ent- schuldigung sang Beethoven dort mit wun- derschöner Stimme und ganz dem Heimweh hingegeben ein liebreizendes rheinisches Wie- genlied, worauf Haspinger, der zwar ein wil- der Heißsporn war, aber auch über ein tie- fes Gemüt verfügte, sich eine Träne aus den Augen wischte und eine neue Flasche Wein orderte.» Mit diesen Worten lehnte Groll sich zurück g n

a und verschränkte die Arme vor der Brust. L Der Dozent erhob sich und schüttelte die Bei- a r i o ne aus. Unverwandt schauten die beiden über : M

o t o den Fluss in Richtung Bisamberg. F Erwin Riess Immer wieder obliegt es dem Fährmann, Streit unter den Gästen zu schlichten DICHTER INNENTEIL Nr. 253, 20. 5. – 2. 6. 09 39 In Richtung Wiener Schmäh

1. 5. wir gleiten ein wenig ab in Richtung Wiener Gesichtsschleier bin ich ein Tag der Arbeit. In Zeiten wie diesen. Ich be- Schmäh. Diesen aber in Englisch zu erklären wenig schizophren, denn gebe mich nicht in die Stadt, weil ich mir die ist nicht wirklich einfach. Also bestellt sich soweit ich weiß, gibt es in ganzen politischen, von verbalen Amokläu- mein Bekannter noch einen «Caffè latte». Ich Österreich ein Vermum- fen begleiteten Reden der «verantwortlichen» trinke schon seit 29 Jahren keinen Kaffee mungsverbot, aber auch Volksvertreter heuer lieber daheim im TV mehr, weil ich ihn leider nicht vertrage. Aber Religionsfreiheit. Es ist zu Gemüte führe. Es geht ja sowieso nur um zurück zur «latte». Vor nicht allzu langer Zeit derzeit gar nicht leicht, ein TAGEBUCH die Krise, für die niemand und gleichzeitig war das einfach nur Milchkaffee. Jetzt eben Mensch zu bleiben. EINES alle verantwortlich sind. Außerdem läuft bei «latte». Das kostet dann natürlich das Dop- mir gerade intensiv die geistige Mischmaschi- pelte. Früher gab es außerdem maximal «Kaf- 11. 5. AUGUSTIN- ne. Denn wider besseres Wissen versuche ich fee zum Mitnehmen». Jetzt «Coffee to go». In In der Nähe des Linzer VERKÄUFERS mir möglichst viele so genannte Experten an- dieser schnelllebigen Zeit fürchte ich, dass es Bahnhofes begegnen mir zuhören, die jetzt genau wissen, warum alles bald «Coffee to run» geben wird. Der Ameri- einige Glatzköpfe, die in gröber illuminiertem so schlecht geworden ist, aber vorher schein- kaner brachte mich außerdem noch auf fol- Zustand ihr Idol H. C. Strache feiern. Sollte bar in einer Höhle in der hinteren Mongo- gende Idee: Er mag es nicht, wenn sich sein ich meine Haare verlieren, werde ich mir auf lei gelebt haben. Denn warum haben sie dann Essen zu heftig bewegt. Darum kein «Run- alle Fälle zumindest welche aufkleben, denn nicht schon früher Alarm geschlagen? Ein ning Sushi». Dann schon lieber «Sitting ich möchte auf keinen Fall mit diesen rechten Vertreter der Gewerkschaft für «Ich-weiß- Schnitzel». Recken verwechselt werden. nicht-was» plädierte für eine Nulllohnrunde, Gottfried um die Firmen zu entlasten. Soweit ich mich 5. 5. da auskenne, kommt es dann also zu keiner Meine Magennerven melden sich in Form di- Lohnerhöhung. Das wird den Konsum auch verser Flatulenzen zu Wort. Ich wage mich nicht gerade fördern. Andererseits gibt es nicht aus dem Haus, um nie- Menschen, die seit ca. zehn Jahren genau den manden «anzustinken». Also DAS Nackte LEBEN gleichen Betrag vom AMS erhalten. Wenn versuche ich es mit etwas Ab- man die Teuerung in eben diesen zehn Jahren lenkung und höre mir diver- betrachtet, dann kann einem dezent schlecht se verbale Flatulenzen unserer werden. Da kann ich nur sagen: «Ein Hoch «hohen» Politiker im TV an. auf den 1. Mai!» Ich bewundere es immer wie- der, wie man so viel reden und 3. 5. gleichzeitig nichts sagen kann. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Banken So nebenbei hat sich mein seit Menschengedenken nicht eigentlich per- Nachbar beschwert, weil er manenten Betrug betreiben. Warum habe ich trotz erlernten Berufes einfach so böse Gedanken? Na, weil ich auch mit dem keine Arbeit bekommt. Aber gewöhnlichen Volk verkehre und nicht abge- für ein Ministeramt braucht hoben in einem noblen Fresstempel die Re- man scheinbar überhaupt kei- alität verweigere. Anlassfall für diesen Ein- ne wirkliche Bildung. Das trag war das Wehklagen eines Rentners über wissen ja eh schon alle halb- die Kontoführungsgebühren. Meines Wis- wegs mündigen Staatsbürger. sens ist es ja Aufgabe der Bank, die Konten Nur leider höre ich in ihrer Kunden zu führen. Soweit mir bekannt Zeit immer öfter den Ruf nach ist, verlangt ein Schlosser auch nicht extra H. C. Strache, und das macht eine Gebühr für jeden Hammerschlag, den mir Angst. Auch wenn es er ausführt. Die Bank verdient ja auch Geld manche Mitmenschen nicht damit. Siehe Zinsen für Kontoüberzug. Ich wahrhaben wollen, der Ras- muss sagen, dass ich mein Konto nicht über- sismus wird in allen Schich- ziehen darf, aber die Kontoführungsgebühr ten der Gesellschaft immer darf trotzdem abgezogen werden. Mir wird salonfähiger. schlecht. 10. 5. 4. 5. In einer Gaststätte wird hef- Gestern wurde mir schlecht. Heute lese ich tig über das «Gesindel aus Zeitung, um die Verdauung noch mehr zu dem Ausland» diskutiert und fördern. Man will ja informiert sein. Die Zei- über Kopftücher. Nun ein tungslektüre absolviere ich im Beisein eines paar Gedanken meinerseits: entfernten Bekannten. Er ist ein Footballer Ein Kopftuchverbot würde der «Raiffeisen Vikings» und Amerikaner, der im ländlichen Raum zu Aus- Aus Mehmet Emirs Fotoserie für eine Boulevardzeitung der anderen Art versucht, die deutsche Sprache zu erlernen. schreitungen unter den Bäu- Aber es kommt, wie es kommen muss, und erinnen führen. Zum Thema