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Interview mit Piero ______

Als sich Ende der 1930er Jahre selbstständig machen wollte, suchte er einen Kreditgeber. Er fand ihn im italienischen Reifenhersteller PIRELLI. Piero Pirelli, um genau zu sein. Aus Dankbarkeit für diesen 15 Milliarden Lire-Kredit, der das solide Fundament für die Entwicklung, Konstruktion und Fertigung des ersten 12-Zylinder-Ferrari-Motors unter Ingenieur Colombo und die Zukunft des Unternehmens FERRARI sein sollte, gab Enzo Ferrari wohl seinem zweitgeborenen Sohn den Namen Piero. Zweitgeborener Sohn deshalb, weil der Erstgeborene namens Alfredino - abgekürzt - trotz engagierter Bemühungen seiner Mutter Laura und seines die Krankheit akribisch schriftlich dokumentierenden Vaters Enzo im Jahre 1956 an Multipler Sklerose verstarb.

Beide Söhne zeigten sich dem Erbe ihres Vaters würdig. Beide waren und sind begnadete Techniker und Ingenieure, die durch ihre Konstruktion von Motoren dem Unternehmen Ferrari, Piero aber auch für das mit 42.000 verkauften Motorrädern der italienischen Marke DUCATI im Jahre 2010, dem bisher erfolgreichsten Jahr in der Firmengeschichte, für Anerkennung, mehr noch: für Furore gesorgt haben. Der Markenname DINO, für die in den 1960er Jahren gebauten Sportwagen mit dem von Dino Ferrari gezeichneten 6-Zylinder-Motoren in hoher Mindest-Stückzahl für die rennsportliche Registrierung als Formel 2-Motor, gilt als zuverlässiges und erfolgreiches Bindeglied für die seit 1969 praktizierte Erfolgsehe mit dem Unternehmen des Avocato und seiner Ehefrau, der Marquesa Carraciolo, in Turin-Italien.

Hinter vorgehaltener Hand geben Mitarbeiter von Ferrari sogar preis, Piero sei nicht nur für die Konstruktion und den Einsatz des überaus erfolgreichen Ferrari-Sportwagens 333 verantwortlich gewesen, sondern habe auch die technische Zuständigkeit in Sachen Weltmeister-Motoren von in der Formel 1 der Jahre 2000 bis 2004 zu verantworten gehabt.

Im Jahre 1983 feierte Enzo Ferrari seinen 85. Geburtstag. Helmut AUTO Becker aus Düsseldorf schickte meine fotografierende und schreibende Ehefrau Uscha und mich nach Modena und Maranello, um über dieses wertvolle Jubiläum des Ferrari-Gründers zu berichten. Ein Ereignis, über das wir im AUTO BECKER-Buch Ferrari Faszination auf Rädern ausführlich in Wort und Bild berichten durften. Auch Annetta Becker hat es in Ihrem PPI-Buch Ferrari – Homage an einen Mythos entsprechend gewürdigt.

Dieser 85. Geburtstag von Enzo Ferrari war ein äußerst eindrucksvolles Erlebnis in Form einer farbenprächtigen Präsentation von über 200 Fahrzeugen aus der Firmengeschichte von Ferrari und der internationalen Klientel des Hauses Ferrari im Rahmen eines faszinierenden Programms, an dem auch die italienische Flieger-Schwadron unter Cesare Balduzzi mit seinen fünf Starfighter F 104- Kollegen in Form einer Kunstflugvorführung die Gäste aus aller Welt zu begeistern wusste. Diese Flugstaffel trug ein schwarzes Pferd auf dem Höhenleitwerk als Logo der Flug-Schwadron. Es hat eine unglaubliche Geschichte. Es war wohl der gefürchtete Luftkämpfer, der sogenannte „rote Baron“ namens Manfred von Richthofen, der im Ersten Weltkrieg mit seinem Doppeldecker abstürzte.

Und es war dann der italienische Luftkämpfer, der Sohn der Gräfin Paola und des Grafen Ernico Barraca, der den schwarzen steigenden Hengst als Wappen von dessen Heimatstadt Stuttgart, aufgemalt auf die Leinwandverkleidung des Flugzeugs von Manfred von Richthofen, als eigenes Wappen für sein Flugzeug übernahm. Nach dem Absturz des Grafen Baracca schenkten dann die Eltern des Grafen dieses Wappen Enzo Ferrari nach dessen Sieg beim Autorennen von Savio. Es wird

Ihnen Glück bringen, waren wohl die Worte bei der Übergabe. Seit 1932, bei einem Autorennen von in Belgien, war dieses Springende Pferd – das weltberühmte cavallo rampante – das offizielle Logo der , die Enzo Ferrari in der Zwischenzeit gegründet hatte.

Und irgendwo hier befindet sich auch die Verbindung nach Hollywood. Gleich am Anfang des Disney- Filmes THE KID fliegt ein roter Doppeldecker am Porsche Boxster des im Stau stehenden Schauspielers Bruce Willis vorbei. Krieg - Deutschland - Manfred von Richthofen – Stuttgart – Porsche - Mercedes-Benz - das schwarze Springende Pferd - Maranello - Ferrari - AAC Auto Avio Construcioni - Motorsport - Autoindustrie - Hollywood - Fünftes Element mit Bruce Willis und Mila Jovovic – Jeanne d ´Arc - Filmindustrie - Zukunftsprojekte - fliegende Autos - Weltfrieden. Was für eine Skala !!! Beispielsweise die Mailänder Scala… Mailand - Leonardo da Vinci - da Vinci Code - Heiliger Gral. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen…

Alles dieses und noch vieles mehr aus der gelebten und noch nicht vorhandenen Geschichte von Ferrari kristallisierte sich in den Tagen dieser unvergessenen FERRARI-Geburtstagsfeier in das Geschehen rund um Modena und Maranello. Das Show-Programm wusste zu begeistern, alle Anwesenden und somit auch das Ferrari-Direktorium. Den heutigen FERRARI-Präsidenten Luca Cordero di Montezemolo habe ich auf der Tribüne nicht gesehen. Als Rennleiter hatte er 1975 und 1977 wesentlichen Anteil an den FERRARI-Weltmeistertiteln mit dem Piloten und technischen Direktor . Anwesend waren aber auch der allererste Sieger auf einem Ferrari-Rennwagen Franco Cortese. Auf Italienisch heißt Cortese höflich. Er unterhielt sich lebhaft mit Lugi Villoresi. Die Zuhörer wurden jedenfalls prächtig und mit Stil unterhalten.

Zum FERRARI SpA-Direktorium gehört auch Piero Ferrari als Vize-Präsident des Sport- und Rennwagen-Herstellers. Kurz vor der Flugvorführung des Starfighter F 104-Teams, die auch der amerikanische -Chefdesigner des Chevrolet Corvette „Chuck“ Jordan von der Besucher-Tribüne aus verfolgte, interviewte ich Piero Ferrari, der mir überraschend ausführlich Rede und Antwort stand:

?: Piero Ferrari, wie sind Sie in die Rolle im Hause Ferrari hineingewachsen? Schließlich gilt Ihr Vater als strenger Patriarch.

Piero Ferrari: Das stimmt. Mein Vater ist sehr streng, wenn man Fehler macht. Aber Sie müssen unterscheiden zwischen Enzo Ferrari am Schreibtisch, im Privatleben und als Vater. Was seine Arbeit angeht: Da ist er unerbittlich. Er kennt kein Pardon. Als Vater ist er natürlich ebenfalls auf das beste Ergebnis seiner Erziehungs-Bemühungen bedacht. Ich musste mich sehr anstrengen, um unter seinen kritischen Augen Gefallen zu finden. Aber privat: Da ist Enzo Ferrari genauso ein Mensch wie jeder andere. Er liest viel, schaut gerne Fernsehen. Zuhause erlebt er das Gegenteil seiner passionierten Arbeitswelt.

?: Hat er Sie in Ihrer Entwicklung durch Vorgaben beeinflusst? Will er Sie zum Nachfolger seines Ferrari-Imperiums machen?

Piero Ferrari: Er hat mich zu nichts gedrängt. Ich sollte weder Rennfahrer noch Präsident der Ferrari SpA werden.

?: Sie sind jetzt Leiter der Ferrari Rennabteilung. Seit wann gehören Sie zum Team? Und wie wählen Sie Ihre Fahrer aus?

Piero Ferrari: Ich bin seit 1966 mit dabei. Die Fahrerfrage erläutern wir immer in speziellen Meetings. Aber die Endentscheidung behält sich immer mein Vater vor.

?: Ihr Vater soll Niki Lauda beim Monaco-Grand Prix im Fernsehen beobachtet und spontan das Engagement des Österreichers in die Wege geleitet haben, stimmt das?

Piero Ferrari: Ja, so ist es 1973 tatsächlich gewesen. Er hat bei der Fahrerwahl bisher immer eine Gute Hand bewiesen.

?: Gibt es eine Team-Order in der laufenden Weltmeisterschaft ´83? Müssen Arnoux und Tambay nach Ihrer Marschroute fahren?

Piero Ferrari: Nein, das möchten wir nicht. Jeder unserer Piloten ist intelligent genug, dass sie sich nicht gegenseitig ins Gehege kommen. Aber jeder will gewinnen, und dabei werden sie von Ferrari nach besten Kräften unterstützt. Dass am Schluss der Beste den Titel erringen soll, ist unser Wunsch.

?: AUTO BECKER hat kürzlich eine Umfrage nach dem faszinierendsten Ferrari aller Zeiten gestartet. Welches ist Ihr persönlicher Favorit?

Piero Ferrari: Schwer zu sagen. Irgendwie sind alle faszinierend, kraftvoll und elegant. Vielleicht ist der faszinierendste Ferrari derjenige, an dem wir gerade arbeiten…

?!: Ich danke für dieses Gespräch.

Piero Ferrari: Gern geschehen.

In Arbeit waren damals gerade der Testarossa und 288 GTO, aus dem der F40 entstand, pünktlich zum 40. Ferrari Firmenjubiläum im Jahre 1987. Diese drei Sportwagen beschrieben viele sehr, sehr eindrucksvolle Seiten im Buch der FERRARI-Firmengeschichte. Der F40 ist - angeblich - der letzte Ferrari, den der Firmengründer Enzo Ferrari erlebte. Der F40, effe quaranta auf Italienisch. Ein wirklich faszinierendes Renn-Derivat.Zugelassen für die Glücklichen im Alltagsverkehr auf den Straßen oder Rennstrecken dieser Erde.

Bleibt für mich noch hinzufügen, dass ohne Brenda Vernor auch dieses Gespräch nicht hätte stattfinden können. Warum? Weil Brenda die private Englisch-Lehrerin von Piero Ferrari war und ist. Es sei denn, Piero Ferrari hätte woanders Englisch-Unterricht genommen. Aber – da bin ich sicher – das hätte Brenda irgendwie zu verhindern gewusst… Brenda ist eben etwas ganz Besonderes !!!

Manfred Klutmann (24-DEZ-194 in DE-Bonn Deutschland)