Universität Potsdam

Israel-Exkursion 2012

Jüdische Studien LER Religionswissenschaft

22. Juli bis 02. August 2012 Editorial

Liebe Israelreisende, liebe Interessierte, unsere Exkursion liegt nun schon ein paar Wochen zurück, aber die zahlreichen Eindrücke und Erlebnisse wirken nach. Wir haben in jenen elf Tagen keine großen geographischen Entfernungen zurückgelegt, obwohl wir das Land von Norden nach Süden bereist haben. Wir haben vielmehr eine Reise durch die Vergangenheit – von der Eisenzeit (Tel Dan) über die Zweite Tempelzeit (Qumran), Byzantium (Hamat Tiberias) und die Omajjaden-Epoche (Felsendom) – bis in die Moderne (Staatsgründung) unternommen. Dazu haben wir uns immer wieder von der Gegenwart dieses Fleckchens Erde faszinieren, aber auch erschüttern lassen (Givat Haviva, Yad Vashem). Es steckt viel Wahres in dem Spruch „Wer sich gern erinnert, lebt zweimal“ (F. Magnani). Dieses Heft ist dazu gedacht, dass Sie, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Reise „wiedererleben können“, und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, an dem teilhaben können, was wir im Sommer 2012 erleben durften. Indem wir die Erinnerungen lebendig halten wollen, hoffen wir, eine informationsreiche Broschüre über ein atemberaubendes, komplexes und widersprüchliches Land zur Verfügung zu stellen. Sie finden hier die einzelnen Tagesberichte und in den blauen „Info-Kästen“ die (gekürzten) Inhalte der in gehaltenen Referate. Wir möchten uns sehr herzlich bei all unseren israelischen und palä- stinensischen Gesprächspartnern bedanken, die bereit waren ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Gefühle mit uns zu teilen. Wir danken Hannah Tüllmann (Bayerisches Pilgerbüro), die uns bei der Reiseorganisation un- terstützt hat. Ein besonderer Dank gebührt Heinz Schulze, dessen Mühen es zu verdanken ist, dass dieses Heft in grafisch so ansprechender Form vorliegt. Im Namen der studentischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchten wir uns zudem sowohl bei der Philosophischen Fakultät sowie bei den Instituten für Jüdische Studien und Religionswissenschaft der Universität Potsdam als auch bei der Springerstiftung für die finanzielle Unterstützung bedanken.

Ihnen allen vielen herzlichen Dank – Toda raba!

Zofia Nowak Jenny Vorpahl Dr. Patrick Diemling Inhalt

Inhalt

Editorial Tag 1 Sophie Hopfe, Ankunft in Tel Aviv Seite 3 Tag 2 Sina Schultze, Givat Haviva Seite 5 Tag 3 Patrick Tolksdorf, Universität Haifa und Bahai-Tempel Seite 9 Jeanine Laurisch, Haifa in Schlaglichtern und die Deutschen Templer in Israel Seite 10 Renate Lienau, Buchvorstellung: Carlo Strenger, ISRAEL, Einführung in ein schwieriges Land Seite 12 Tag 4 Wenke Papenhagen, See Genezareth und Tiberias Seite 13 Sina Schultze, Hamat Tiberias - Nationalpark Seite 13 Marie Pauline Wiebe, Jochanan ben Sakkai, Rabbi Akiba und das rabbinische Judentum Seite 16 Tag 5 Susanne Kron, Zefad (Safed) Seite 17 Susanne Kron, Die blaue Stadt Zefad (Safed) Seite 18 Michelle Somnitz, Naturreservat Tel Dan im Golan Seite 19 Tag 6 Patricia Nowaczyk, Der Kibbuz Seite 21 Sina Nimtz,, Am See Genezareth, Kapernaum Seite 23 Sebastian Gennrich, Die christlichen Stätten am See Gennesaret Seite 24 Celine Thorns, Archäologie und Christentum - archäologische Zeugnisse in Kapernaum Seite 25 Sina Nimz, Synagogenbesuch in Jerusalem Seite 27 Tag 7 Carolin von der Heiden, Das christliche Jerusalem Seite 29 Carolin von der Heiden, Via Dolorosa Seite 30 Carolin von der Heiden, Grabeskirche Seite 32 Carolin von der Heiden, Erlöserkirche Seite 33 Patrick Tolksdorf, Protestanten und Preußen in Jerusalem Seite 34 Tag 8 Petra Lenz, Stadt Davids und Zionsberg Seite 35 Tag 9 Laura Lange, Tempelberg und Westmauer Seite 35 Erika Wagner, Der Tempelberg Seite 37 Julia Jokel, Jerusalem. Das jüdische Viertel Seite 41 Tag 10 Michelle Somnitz, Qumran Seite 43 Rachel de Boor, Qumran, die Essener_innen und die Schriftrollen Seite 43 Michelle Somnitz, Ein Gedi und Seite 45 Heinz Schulze, Masada - Geschichte und Mythos Seite 46 Michelle Somnitz, Ein „Beduinendorf“ Seite 47 Jeanine Laurisch, Yad Vashem und Mea Shearim Seite 49 Tag 11 Laura Lange, Der Ölberg und seine Bedeutung Seite 53 Jenny Vorpahl, Sammlung der Zerstreuten Seite 55 TeilnehmerInnenfoto, Impressum und Israelkarte Seite 57

Seite 2 Ankunft in Tel Aviv

ten, das Hotel zu erreichen. Der Ankunft in Tel Aviv erste Teil der Gruppe war schnell weg und machte sich mit den Taxis Gegen 18 Uhr am 22. Juli auf den Weg zum Hotel. 2012 war die Exkursionsgruppe Nach kurzer Diskussionszeit im Deborah Hotel in Tel Aviv ver- entschied sich der zweite Teil der abredet. Da die Flieger und somit Gruppe, noch etwas orientierungs- die Flugzeiten privat organisiert los am Flughafen stehend, dann für wurden, machten sich mehrere die Fahrt mit dem Zug und einem Einzelgruppen auf den Weg. Einige sich anschließenden „kurzen“ Gruppenmitglieder waren bereits Fußweg vom Bahnhof zum Ho- in Israel, andere wollten am 23. Juli tel. Den meisten kofferziehenden nachkommen. Der Großteil der Beteiligten kamen die anfänglich 27-köpfigen Reisegruppe startete veranschlagten 2 km schnell etwas am 22. Juli. länger vor. Trotz der Hitze und Wie bei den Vortreffen be- des Weges konnten so aber erste sprochen, sollte die Ankunft am Eindrücke von Tel Aviv gesammelt Flughafen überpünktlich gestaltet werden. Etwas durchgeschwitzt sein, da mit erhöhten Sicherheits- erreichten dann schließlich alle abfragen zu rechnen war. So trafen heil das Hotel und beim ersten sich die ersten Ungeduldigen be- gemeinsamen Abendessen, das reits um 7 Uhr am Flughafen, bei einer Abflugzeit um 11 Uhr. Die Sicherheitsabfragen waren dann doch weniger schlimm als erwartet, vielleicht auch deshalb, weil die ersten Ankömmlinge schon alles gesagt hatten. Nach vier Stunden Flugzeit war Tel Aviv dann erreicht. Nun gab es mehrere Möglichkei-

Seite 3 Tag 1 Tel Aviv, Sonntag, 22. Juli 2012

aus einem umfangreichen Buffet bestand und für jeden Geschmack etwas bereit hielt, wurde die weite- re Tagesplanung besprochen. Es wurde ein Spaziergang am Strand verabredet, da nicht nur die noch sehr warmen Temperaturen dazu einluden, sondern auch die abendliche Strandstimmung mit den zahlreichen Bars und spazieren- den und cocktailtrinkenden Leuten für eine entspannte Atmosphäre sorgten. Der Spaziergang führte uns zur in einer von Tel Avivs vielen Bars, Altstadt Tel Avivs, nach Jaffa. Alte andere machten es sich mit Cock- sandsteinfarbene Gemäuer, enge tails am Strand gemütlich oder Gassen und die schöne nächtliche erkundeten noch weiter die Stadt Beleuchtung Jaffas prägten den und wieder andere waren auf einen ersten Eindruck und grenzten die Geburtstag eingeladen und läuteten Altstadt architektonisch vom mo- dort die Nacht ein. Während sich dernen Tel Aviv ab. Nach kurzer Be- die meisten dann gegen 1 Uhr auf sichtigung und einigen erklärenden zum Hotel und zu ihren Zimmern Worten von Frau Vorpahl, bspw. machten, um zu schlafen, kamen zur Altstadt und ihren Belagerern, etwa drei Stunden später die letzten zur mystischen Bedeutung der Reisenden am Zielort an. Damit „wishing bridge“ oder dem Hin- war die Gruppe nun vollständig weis zum Aussichtspunkt, konnten und eine großartige („mufoleuse“) nun die einzelnen Gruppen ihre Exkursion konnte beginnen. Abendplanung vornehmen. Einige Sophie Hopfe entschieden sich für den Besuch

Seite 4 Haifa / Givat Haviva

Givat Haviva Jüdisch-Arabisches Zentrum für den Frieden

Schulklassen wird je eine arabische Schulklasse zugeordnet und um- gekehrt. Die Teilnahme an dem Projekt steht den Schulklassen frei. Zunächst werden die Schüler in kleineren Gruppen (15 Jugendli- che, 1 Pädagoge) auf die Konfron- tation vorbereitet. Lebensnahe The- men beider Gruppen werden im Voraus besprochen – der Weg für ein Treffen wird geebnet, erst dann erfolgt der Dialog. Im Anschluss erfolgt eine Nachbesprechung über Gefühle und Gedanken. Wie wir später erfahren soll- ten, leben in Israel jüdische und arabische Menschen trotz gleicher Staatsbürgerschaft im besten Fall nebeneinander, doch nicht mitein- ander. Das Zentrum Givat Haviva Nach der ersten und für einige auch hegt mit seinem Programm „Kin- letzten Nacht in Tel Aviv machten der lehren Kinder“ den inneren wir uns in der Reisegruppe auf in Wunsch, nicht nur einen Austausch das nicht weit entfernte Zentrum zwischen jüdischen und arabischen Givat Haviva – eine Bildungs- und Jugendlichen zu schaffen, sondern Begegnungsstätte, die sich darum auch einen Austausch zwischen bemüht, einen Dialog zwischen israelischen und palästinensischen jüdischen und arabischen Jugend- Menschen herzustellen. lichen zu schaffen. Ohne dass wir es Wir lernten unseren Busfahrer wussten, wurden wir an diesem Tag Sami kennen, der uns die ganze in das sehr tiefe und kalte Wasser Fahrt begleiten sollte. Im Bus einer Israel-Problematik geworfen, erhielten wir erste Informationen deren Inhalte uns bis zum Ende zur Einrichtung Givat Haviva, die unserer Fahrt begleiten sollten. einige Fragen aufkommen ließen, Der Dialog/das Programm die wir später beantwortet beka- „Kinder lehren Kinder“ basiert auf men. dem tieferen Wunsch, Beziehun- Lydia Aisenberg begrüßte uns. gen zwischen der jüdischen und In ersten Schritten führte sie uns arabischen Bevölkerung aufzubau- über das Gelände und berichtete en. Den teilnehmenden jüdischen uns von bereits durchgeführten Seite 5 Tag 2 Haifa, Montag, 23.Juli 2012

Projekten, an denen jüdische und hinzugefügt. arabische Jugendliche gleicherma- Als im Jahre 1948 Israel seine ßen und gleichzeitig beteiligt waren, Unabhängigkeit erklärte, war es bevor ihr Vortrag über die Proble- für die jüdische Bevölkerung wie matik und vielen Ebenen zwischen ein Wunder; für die Bewohner der Israel und den palästinensischen palästinensischen Gebiete die Kata- Gebieten startete, denn „In Israel, strophe schlechthin. Auch sie hat- there’s no black or white!“ ten über 1200 Jahre in diesem Land Sie fragte uns, ob wir etwas über gelebt, das ihnen von nun an nicht die „Zweiteilung“ Israels wüssten, mehr gehörte und in dem sie nicht ob wir etwas mit dem Begriff mehr erwünscht waren. Arabische „Green Line/ Grüne Linie“ anfan- Palästinenser sollten ihre Gebiete gen können. In unserer Gruppe verlassen. Einige wanderten in die herrschte unterschiedliches Vorwis- umliegenden Staaten wie Jordani- sen, auf das Lydia damit reagierte: en und Libanon aus. Die Massen Sie wies uns auf die kommende an Palästina-Flüchtlingen führten Komplexität des Themas hin und teilweise in den umliegenden Län- dass wir gut aufpassen sollten. dern zu größeren Spannungen als Durch Israel und die palästi- in Israel selbst. Nicht alle Araber nensischen Gebiete zieht sich eine verließen Israel, sondern einige Grenze, die keine feste Grenze ist. blieben und besetzten Gebiete. In einigen israelischen Karten ist Bis Mitte der 1960er Jahre lebten diese verzeichnet, doch ihr Verlauf Palästinenser unter israelischer ist nirgendwo festgelegt und wird Militärverwaltung und konnten meist per Hand in Landkarten sich nur eingeschränkt bewegen. Kontakte zwischen israelischen und palästinensischen Menschen waren kaum vorhanden. Seit 1967 gibt es eine „Grenze“, die Israel und die palästinensischen Gebiete von- einander trennt. Problematisch ist nicht die „Grüne Linie“ (Grenze), die von beiden Seiten „akzeptiert“ wurde, sondern der „Zaun“, der er- richtet wurde. Stellenweise weicht dieser von der vereinbarten Linie ab Seite 6 Haifa / Givat Haviva

sprachen an einem Grenzpass mit zwei palästinensischen Mädchen, die in Israel studieren, über ihre Erlebnisse und ihren Alltag. Später zeigte uns Lydia das Dorf Batar, das durch diese „Grenze“ (Grüne Li- nie) in zwei Teile getrennt worden war. Es entstand West-Barta und und beschneidet palästinensische Ost-Barta. Hierarchische Struk- Gebiete. Die Problematik gewinnt turen wurden aufgebrochen und an Prägnanz durch Landstriche, galten neu besetzt zu werden. Der die sich hinter der „Grünen Linie“ Muchtar des Dorfes (Oberhaupt befinden, d.h. in der Westbank (auf einer Dorfgemeinde) wohnte in palästinensischen Gebieten), je- West-Barta und hatte je eine Frau doch vor dem trennenden „Zaun“. in West-Barta‘a und Ost-Barta‘a. Lydia beschreibt diese Landstriche Die Situation drängte ihn zu der als „Limboland“ oder auch „Nie- Entscheidung, welcher Dorfseite mandsland“. (und somit welcher Frau) er von Zur Mittagszeit fragte sie uns, nun an angehören wollte. Damit ob wir eine Pause bräuchten. Doch einher gingen Verlust von Woh- trotz der Masse an Informationen nung und Wertgegenständen. baten wir sie zweimal fortzufahren. Ähnliche Schicksale gab es auch Das Mittagessen (belegte Brote und in anderen Dörfern: Verwandte Obst) nahmen wir dann später und alte Freunde sahen sich nach idyllisch unter Eukalyptusbäumen dem Errichten des „Zauns“ auf ein. Gesprochen wurde nicht viel der „grünen Linie“ nicht mehr – vielleicht mehr gedacht. und wurden zu Menschen unter- Nach der Mittagspause stiegen schiedlicher „Staaten“, auch wenn wir in den Bus, um die Theorie der die palästinensischen Gebiete kein vergangenen Stunden durch eigene anerkannter Staat sind. Eindrücke zu festigen. Lydia zeigte Lydias Art uns die Komplexität des uns in der Landschaft die „Grüne Konflikts darzustellen, faszinierte Linie“, die palästinensische Gebiete die Gruppe. Offen und engagiert und Israel voneinander trennen, sprach sie, nahm kein Blatt vor den sowie den „Zaun“ der teilweise Mund. Mutig erzählte sie uns von auf dieser errichtet wurde. Wir ihrem eigenen Leben und ihren

Seite 7 Tag 2 Haifa, Montag, 23.Juli 2012

Erlebnissen: Wie sie zwei Jahre wohner ihres Kibbuz in Kontakt lang ihren Weg zur Arbeit mit dem mit Menschen aus palästinensi- öffentlichen Bus bewältigen musste schen Gebieten zu bekommen, ist – ein öffentlicher Bus aus israeli- zweimal eher schlecht verlaufen. schem Gebiet in palästinensisches Darüber, ob sie einen dritten Gebiet. Sie beschrieb wie sie zwei Versuch wagen wird, ist sie sich Jahre lang Sitzplätze im Bus nach unklar. der Überlebenschance bei einem Gegen 17.30 Uhr Bombenangriff bewertete und machten wir uns auswählte; dass die Absurdität in nachdenklich auf kürzester Zeit Normalität wurde. in unsere neue Wie ihr von einem Auto angefah- Unterkunft: Für rener Sohn von einem orthodoxen die nächsten zwei Juden gerettet wurde, sich beide bis Nächte sollte das heute aufgrund ihrer unterschied- hoch über Hai- lichen festen Überzeugungen aber fa gelegene Gä- nicht an den gleichen Tisch setzen stehaus in einem möchten. katholischen Kloster unser Zuhause Doch trotz ihres Engagements sein. Wir aßen gemeinsam zu sehen nicht alle ihre Arbeit mit der Abend. Wie jeder seinen Abend Bewunderung, wie wir es taten. ausklingen ließ, stand uns frei: Ei- Sie berichtete uns davon, dass sie nige beim Sonnenuntergang auf der in ihrem Kibbuz von manchen als Dachterrasse, andere in den Weiten Verräterin verschrien ist. Einige des Internets und wiederum einige missbilligen ihre Dialogarbeit. Sie auf ihren Zimmern – gemeinsam bekommt aus den eigenen Reihen oder allein. kein Ansehen. Der Versuch, Be- Sina Schultze

Seite 8 Haifa / Universität und Templer Universität Haifa Zentrum für Deutschland- und Europastudien

Deutschlandbildes mit den sozi- alen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen seit 1945. Themen können aber auch die Beeinflussung der israelischen durch die deutsche Gesellschaft sein. So gab es bspw. ein Projekt, welches sich mit den Auswirkungen auf den Sportunterricht in Israel durch die vielen eingewanderten deutschen Juden, welche ihre Vorstellung des in Deutschland tra-

Am dritten Tag der Reise wurde erstmals das „Mörderspiel“ einge- führt. Hier werden Lose verteilt, wobei ein Los mit einem „M“ markiert ist. Derjenige, der das „M“ gezogen hat, ist nun eine Runde lang Mörder. Ziel für den Mörder ditionell stark betonten Turnunter- ist es, durch unauffälliges Küssen richts mitnahmen, beschäftigte. auf die nackte Haut die anderen Besonders beeindruckend war die Reisemitglieder zu ermorden. Ziel Besichtigung des Eshkol Towers, für die Opfer ist es, den Mörder zu in dessen Konferenzsaal die Be- entlarven. sprechung stattfand. Von dort aus Am Morgen trafen wir uns mit hat man eine Aussicht über ganz Cathrin Shalev, einer gebürtigen Haifa. Hamburgerin, welche als admini- Durch die Nähe Haifas zum Li- strative Leiterin für das „Zentrum banon war die Stadt eines der für Deutschland- und Europa- ersten Ziele der Hisbollah im studien“ an der Universität Haifa Libanonkonflikt 2006. Als die arbeitet. Dieses bietet, unterstützt ersten Luftangriffe stattfanden, durch den DAAD, seit 2009 den versuchte Frau Shalev, mit ihren Masterstudiengang „Deutschland- Kindern so schnell wie möglich und Europastudien“ an. Ziel dieses das Land zu verlassen. Erstaunlich interdisziplinären Studiengangs, für unsere Ohren mutete ihre welcher vor allem aus geistes-, Beobachtung an, die sie bei den sozial- und rechtswissenschaftli- Israelis machte. Als sie aufgewühlt chen Veranstaltungen besteht, ist von den Ereignissen in Tel Aviv die Vermittlung eines modernen ankam, befremdete sie, dass man Seite 9 Tag 3 Haifa, Montag, 23.Juli 2012

Haifa in Schlaglichtern Ein Tag in X Haifa xx. Jul1 2012 und die Deutschen Templer in Israel

Haifa liegt in Nordisrael und ist die dritt- entstandene Religionsgemeinschaft (im größte Stadt Israels nach Jerusalem und Tel Königreich Württemberg) Aviv (Einwohner: 268 200) • „lebendige Bausteine“ eines Gotteshauses, Liegt an der Mittelmeerküste (Israels größter das sie durch ihr Miteinander bilden Seehafen) • aus „Jerusalemsfreunde“ wurde 1861 • bestehend seit der Antike „Deutsche Tempel“ und deren Anhänger • heiße, trockene Sommer (Juli: 23-31°C) „Die Templer“ und kühle, regnerische Winter (Januar:  Bruch mit der evangelischen 8-17°C) Landeskirche • 3 Bebauungsgebiete nach der Höhe: • 1868 Tempelvorsteher Christoph Hoff- • „Unterstadt“: Industrie, Wohnsitz des mann und Georg David Hardegg Umzug größten Teil der arab. Bevölkerung nach Palästina • „halbe Höhe“: Verwaltungsgebiet, Haupt- • erste Templer-Kolonien nicht in Jeru- geschäftszone salem, in Haifa, Jaffo und Tel Aviv • „höchster Teil“: exquisite Hotels und die (bessere Lebensbedingungen) teuerste Wohngegend • an den Häusern Bibelverse und heute  südl. Teil = höchster Punkt (400 m noch zu erkennen: „Bis hierher hat der über NN): Universität Haifa Herr geholfen“  Gebiete durch einzige Untergrund- • Templer brachten ungeheuren Moder- bahn Israels „Karmelit“ verbunden nitätsschub (Straßenbau, Transportwe- sen, Landwirtschaft usw.) Religion: • Anfang der 30er Jahre etwa 3000 Palästi- • einer der wenigen Orte, wo Araber und na-Deutsche im Heiligen Land Juden relativ friedlich zusammenleben • Niedergang der Templer-Kolonien mit • geringer religiöser Einfluss: einzige Stadt, dem Nationalsozialismus in der am Sabbat öffentliche Verkehrsmit-  jede Kolonie NSDAP-Ortsgruppe tel fahren  Templer ordneten sich dem • Berg Karmel: Karmelitenkloster „Stella Hakenkreuz unter Maris“ + christlicher Wallfahrtsort: • ab 1939 wehrfähige Männer in den Höhle Wohnort Prophet Elija Kriegsdienst • Weltzentrum der Bahaí: • herrschende Briten wandelten das Heilige terrassenförmige Gärten mit „Schrein des Land in Internierungslager um Bab“ (Wahrzeichen der Stadt)  verbliebene Templer dort  unterer Eingang schließt an Ben-Gu- festgesetzt rion-Straße mit der deutschen Siedlung • 1941 wurden 665 Templer nach Australi- an en deportiert, andere durften zurück nach Deutschland Warum deutsche Siedlung • 1948 Gründung des Staates Israel: die (German colony)?: letzten Templer verlassen das Land • Templergesellschaft (nicht zu verwech- Referentin: Jeanine Laurisch seln mit dem Tempelorden) um 1850

Seite 10 Haifa / Bahai-Tempel

Krishna und Siddhartha Gautama. Gott habe sich dem Menschen stückweise, auf verschiedenste Art und durch unterschiedlichste Menschen offenbart. Die Religion Baha’u’llahs sei die für alle Men- schen gültige letzte Offenbarung in der Jetztzeit. Nach der kurzen Einführung in diese interessante Religion erkun- deten wir die German Colony, welche sich am Fuße der Bahai Gardens befindet und im ausgehen- den 19. Jahrhundert von deutschen Templern gegründet wurde. An trotz des Raketenbeschusses im Norden des Landes dort in den Bars saß, Kaffees trank und ganz normal weiterlebte. Nachdem wir in der Uni zu Mittag gegessen hatten, führte uns Rachel de Boor mit Blick auf den berühmten Bahai-Tempel in Haifa, dem Weltzentrum dieser Glaubensgemeinschaft. Die Anlage ist als farbenfroher, weitläufiger hängender Garten angelegt. In den vielen Häusern entdeckt man – Bahai Gardens befindet sich u.a. ein durchaus überrascht – deutsche prächtiger, palastartiger weißer Bau Bibelverse, Haussegenssprüche mit einer roten Kuppel, in dem sich oder schlichte Redewendungen die sterblichen Überreste des Bab über den Hauseingangstüren, wie und Baha’u’llahs, des Gründers „Befiehl dem Herrn deine Wege des Bahai-Glaubens, befinden. Das und hoffe auf ihn, er wird´s wohl riesige Friedenssymbol ist eine der machen“ (Psalm 37, 5). Hauptsehenswürdigkeiten Haifas. Insgesamt präsentierte sich Haifa Die Bahai-Religion hat ihren als eine äußerst lebenswerte, fast Ursprung im heutigen Iran. Zen- europäische Stadt, ist dabei aber tral ist der Gedanke der Einheit doch deutlich ruhiger und boden- und Gleichheit der Menschen. ständiger als Tel Aviv; gleichzeitig Die Bahai glauben, dass sich Gott wirkt die Stadt aber auch deutlich nicht nur in verschiedenen Figuren weniger religiös als Jerusalem. Das der abrahamitischen Religionen in Israel geflügelte Wort scheint wie Moses, Jesus und Mohammed also zu stimmen: „In Tel Aviv wird manifestierte – was an sich schon gefeiert, in Haifa gearbeitet und in erstaunlich genug wäre – sondern Jerusalem gebetet“. auch in Personen wie Zarathustra, Patrick Tolxdorf

Seite 11 Tag 3 Haifa, Dienstag, 24. Juli 2012

Buchvorstellung

Strenger, Carlo ISRAEL. Einführung in ein schwieriges Land, Berlin (3. Auflage) 2011 Er versucht neue, zeitgemäße Antworten (173 Seiten, 16,90€) auf drängende Fragen des jungen Staates zu geben: Wie soll das Verhältnis von Staat und Carlo Strenger wurde in Basel (Schweiz) als Religion, zwischen westlicher Weltoffenheit Sohn einer orthodox-jüdischen Familie gebo- und nahöstlicher Tradition gestaltet werden? ren. Er studierte Psychologie und Philosophie Wie können die Spannungen zwischen in Zürich, lebt nun, nachdem er in Jerusalem Einwanderungsgruppen aus grundver- an der Hebrew University lehrte, in Tel Aviv schiedenen Kulturen gelöst werden? Seine und er schreibt für Israels führende Tageszei- Betrachtung, die zugleich ein essayistischer tung Haaretz. In seiner Israel-Einführung Reisebegleiter ist, eröffnet einen umfas- beschreibt er seinen Übergang vom orthodoxen senden Blick auf die Widersprüch-lichkeit Judentum zum säkularen Atheismus als die Israels – aber auch auf die Möglichkeit einer prägende Erfahrung seines Lebens. Wahrnehmung des Landes jenseits von Schuld, Gegenschuld und dem Kampf der Staat der Juden, Land der Rätsel: als Monotheismen. hochmoderne Gesellschaft mit einer le- Für Stenger ist es keine Frage, dass die bensfreudigen, liberalen Kultur geht Israel Israelis die palästinensische Perspektive derzeit durch eine der schwersten Krisen zumindest als legitim neben der ihren seit seiner Gründung. Der Friedensprozess akzeptieren müssten. Die Lehre aus der liegt auf Eis, das Land ist isoliert, im Alltag Schoah sei nicht, dies dürfe Juden nie wieder leben Juden und Araber mit wechselseitiger geschehen, sondern dies dürfe überhaupt Verachtung nebeneinander her, und der nie wieder geschehen. Strenger vertritt die eskalierende Kampf zwischen religiösen und Stimme der Vernunft und der universalisti- säkularen Juden bedroht die Grundfesten schen Aufklärungsideale, sein Blick auf das der israelischen Gesellschaft. Ausgehend von Geschehen im Nahen Osten ist fern der üb- Beobachtungen und Szenen des Alltags, er- lichen Einseitigkeit. Es gelingt ihm wirklich, öffnet uns Carlo Strenger Einsichten in den ohne eine Seite zu verteufeln oder etwas zu Alltag und die Mentalität Israels – engagiert beschönigen, die tiefliegenden Konflikte in und mit wacher Beobachtungsgabe, doch Israel selbst transparent zu machen, aber ohne Idealisierung. Strenger zeigt Israel als auch die Motive und Ursachen bei den zerrissene Gesellschaft, die grundlegende Kritikern aufzuzeigen. Probleme der Identität noch nicht gelöst hat. Referentin: Renate Lienau

Seite 12 See Genezareth / Tiberias See Genezareth und Tiberias

Hamat Tiberias - National Park

Stadt Tiberias Erbauer = Herodes (17 n. Chr.) Namensgebung: zu Ehren des römischen Kaisers Tiberius Damals: Sitz des jüdischen Gerichtshofes Sanhedrin und einer berühmten jüdischen Talmudschule Fertigstellung der Mischna Vollendung des Jerusalemer Talmud und Überlieferung des Masoretische Textes des AT

Nach dem Frühstück verließen Mosaik wir gegen 9 Uhr das Stella Maris Bestehend aus mehreren Teilen Gästehaus in Haifa und damit die 1. Zentrum: Helios (Sonnengott) Mittelmeerküste und brachen zum umgeben von einem Tierkreis 2. Ecken: Vier Frauen = Symbole für See Genezareth (Yam Kinneret) vier Jahreszeiten auf. Während der etwa zweistün- 3. Toraschrein flankiert mit zwei digen Fahrt durch die galiläische Menora und anderen religiösen Landschaft sahen wir in der Ferne jüdischen Gegenständen unter anderem die Stadt Nazareth, den Heimatort von Jesus, und er- Synagogen reichten schließlich die Stadt Tibe- Entdeckt 1921 Bauzeitraum: 286 bis 337 n. Chr. rias (Teverya) am Westufer des Sees Beherbergt das Mosaik des Zodiaks Genezareth, dem mit 212 m unter auch „Severus Synagoge“ nach dem Meeresspiegel tiefstgelegenen griechischer Inschrift im Mosaik Süßwassersee der Erde und mit 170 km² Fläche zugleich größten Heiße Quellen Süßwassersee Israels. Der 21 km Sage: Entspringen direkt der Hölle Antike medizinische Bäder lange und bis zu 13 km breite See 17 Thermalquellen liegt eingebettet zwischen den Go- lanhöhen im Osten und dem galilä- Museum ischen Bergland im Westen und ist Lage: im Antiken Badehaus Ausstellung Teil des großen Grabenbruchs, der zur Kultur des Badens und Kurens sich bis hinunter zum Roten Meer Fund: Kalkstein-Menora erstreckt. Durch diese tiefe, von Referentin: Sina Schultze

Seite 13 Tag 4 Degania , Mittwoch, 25. Juli 2012

Bergen umgebene Lage herrscht uns weiter durch hier ein ganzjährig warmes, im Bananenplantagen Sommer sehr heißes Klima, welches und schlängelte am Ufer subtropische Pflanzen ge- sich schließlich in deihen lässt. An diesem Mittwoch Serpentinen in die erreichte das Thermometer um die Yarmukschlucht Mittagszeit dann auch 43°C. hinab. Bei dem Tiberias, um 17 n. Chr. von kurzen Rundgang Herodes Antipas gegründet und auf dem Gelände nach Kaiser Tiberius benannt, von Hamat Gader, galt frommen Juden anfangs als welcher von der ständi- „unrein“, da die Stadt auf dem gen Suche nach ein wenig Schatten Gelände eines Friedhofs erbaute geprägt war, sahen wir auch die wurde. Daher siedelten sich hier Ausgrabungsstätte der antiken rö- zunächst nur „Heiden“ an und mischen Thermen, welche weltweit auch Jesus, der in dieser Gegend zu den besterhaltenen ihrer Art lehrte, hat Tiberias nicht betreten, zählen. Offensichtlich kannten und jedenfalls erwähnt das Neue Testa- nutzten die Menschen schon in der ment nichts dergleichen. Ab dem Antike die heilsame Wirkung der 3. Jh. entwickelte sich die Stadt bis zu 52°C heißen Mineralquellen. jedoch zum religiösen Zentrum Anschließend ging es zurück Rich- des Judentums und gilt neben tung Tiberias, wo die Besichtigung Jerusalem, Hebron und Safed als der Überreste der Synagoge von eine der vier heiligen Städte der Hamat Tiberias mit dem großen Juden. Heute ist Tiberias, die mit und künstlerisch sehr wertvollen knapp 40.000 Einwohnern größte Bodenmosaik anstand. 1962 frei- Stadt im Jordantal, das touristische gelegt ist es noch zu großen Teilen Zentrum am See Genezareth und erhalten und zeigt in der Mitte den berühmt wegen seiner warmen Sonnengott Helios, umgeben von Heilquellen. den zwölf Tierkreiszeichen (leider Ein erster kurzer Abstecher hat eine später eingefügte Mauer führte uns in den Erholungspark einen Teil des Bildes zerstört). Die Hamat Gader. Auf dem Weg dort- vier Ecken füllen Frauenbüsten als hin überquerten wir zum ersten Personifizierungen der Jahreszeiten. Mal den Fluss Jordan und fuhren Im Südteil des Mosaikbodens ist ein Stück nahe der jordanischen der Thoraschrein mit zwei siebenar- Grenze entlang. Die Straße führte migen Leuchtern, Schofarhörnern,

Seite 14 See Genezareth / Tiberias

Schlüsselfigur im Bar Kochba- See Genezareth Aufstand, sind sehr imposant. Für die Besichtigung all dieser jüdischen Stätten gibt es – wie auch in den Palmzwei- Synagogen üblich – stets getrennte gen, Weih- Bereiche für Männer und Frauen. rauchschau- Am späten Nachmittag ging es feln und Zi- dann in unsere nächste Unterkunft, trusfrüchten einen für Israel so typischen Kib- abgebildet. buz. Die Kibbuzbewegung nahm Oberhalb ihren Anfang im Jahre 1909, als der Synagoge Einwanderer aus Weißrussland befindet sich nahe dem Ausfluss des Jordan aus ein großes dem See Genezareth mit Deganya Mausoleum Alef eine erste Gemeinschaft dieser mit dem Marmorsarkophag des Art gründeten. Deganya wird seit- Rabbi Meir, welchen wir vor der dem die „Mutter der Kibbuzim“ schon von allen herbeigesehnten genannt. Da diese Siedlung sehr Pause noch kurz besichtigten. Die schnell anwuchs, wurde bereits Mittagspause verbrachten wir in im Jahr 1920 eine Neugründung mehreren Gruppen in der Nähe in Form des Kibbuz Deganya Bet der Hafenpromenade von Tiberias notwendig, in deren Gästehaus und genossen eine leckere Auswahl wir die kommenden zwei Nächte israelischer Köstlichkeiten wie verbrachten. saure Gurken, Humus und Falafel Nachdem die Zimmer gefun- in einem der zahlreichen kleinen den und bezogen wurden, suchte Restaurants. ein Teil der Gruppe auf dem weit- Nach dieser Erholungspause läufigen Gelände des Kibbuz eine stand am Nachmittag die Besichti- kurze Erfrischung im Pool. Nach gung der Grabstätten einiger großer dem Abendessen fanden wir uns Rabbiner und jüdischer Gelehrter alle zusammen und tauschten uns in an, denen Tiberias den Ruf einer einer ersten Feedback-Runde über der vier heiligen Städte der Juden die Eindrücke der bisherigen Reise verdankt, auf dem Programm. Die aus. Da auch der Sonnenuntergang eindrucksvollste Anlage ist das von in dieser Region keine große Ab- einer leuchtend roten Stahlkon- kühlung bringt, waren wir einmal struktion überwölbte Grab von mehr dankbar für die Klimaanlagen Maimonides (1135/38–1204 n. in unseren Zimmern. Während sich d. Z.), des berühmten jüdischen einige nach diesem ereignisreichen Philosophen und Arztes. Aber Tag schließlich erschöpft dorthin auch die Gräber von Jochanan zurückzogen, ließen die übrigen ben Sakkai (1. Jh. d. Z.), welcher den Abend in Hängematten liegend nach der Zerstörung Jerusalems oder unter den Feigenbäumen auf in Yavne eine theologische Schule dem Boden sitzend bei Gesprächen gründete, und der Schrein Rabbi im Freien ausklingen. Akibas (50/55–135 n. d. Z.), einer Wenke Papenhagen

Seite 15 Tag 4 , Mittwoch, 25. Juli 2012

Jochanan ben Sakkai, Aussagen, zum Beispiel in der Mischna, Rabbi Akiba und das im halachischen Midrasch und in der Tosefta. Seine herausragende Stellung rabbinische Judentum zeigt sich auch dadurch, dass ihm 120 Lebensjahre und 24.000 gleichzeitige Schüler zugeschrieben werden Das rabbinische Judentum bezeichnet • strenge Ausrichtung an den Middot; im eine Bewegung zwischen dem 1. und dem Gegensatz zu Rabbi Jischmael Auslegung 11. Jahrhundert n. d. Z. in Palästina und kleinster Bestandteile, wie z. B. einzelner Babylonien, in der jüdische Schriftgelehrte Konsonanten oder Akzente die religiöse jüdische Literatur auslegten. • er starb zum Ende des Bar-Kochba- Dadurch entstanden der Talmud, die Aufstandes den Märtyrertod, bei dem er Mishna, sowie zahlreiche Midrashim. unbeirrt das Shma Israel gebetet haben soll Als Anfangspunkt der Bewegung lässt . sich das Jahr 70 nennen, in dem der zweite Das Pilgern zu Grabstätten im jüdische Tempel und Jerusalem von den Judentum Römern zerstört wurden. Dies verursachte Die Betrachtung des Friedhofs hat im eine erneute „Diasporawelle“ und bedeutete jüdische Glauben zwei Trends; einen das Ende des jüdischen Staatswesens. Das marginalen und einen zentralen. Schon Ende der rabbinischen Zeit lässt sich etwa in der Tora werden die Grabstätten der 1040 mit dem Niedergang der gaonäischen Patriarchen zwar beschrieben, die von Akademien ansetzen. Moses aber, ist unbekannt, das sie keine Rolle spielt. Sie sind auch marginal inso- Rabban Jochanan ben Sakkai fern, dass sie stets an den Außenrändern • lebte um das Jahr 70 n. d. Z. und war ein Gelehrter der ersten Generation jüdischer Siedlungen angelegt werden. Auch der Tannaim (Lehrer des mündlichen gelten Tote als unrein und das Besuchen Gesetzes, Sammlung der Mishna) der Gräber galt lange Zeit als verpönt • Begründete das Lehrhauses in Jawne und als eine Ruhestörung der Toten. • wirkte daran mit, die Praxis des Judentums Dennoch entwickelte sich im Mittelalter zu erneuern, Regeln neu zu definieren und der Frühen Neuzeit eine Tendenz zum und zu klären. Daraus entstanden viele Brauch auf Friedhöfe, beziehungweise zu noch heute übliche Bräuche • „Entzentralisierung“ des Tempelkults, Grabstätten zu Pilgern um dort zu beten. aber dennoch Gedenken; Fokus statt- Anders als in der christlich-katholischen dessen auf der Tora Heiligenverehrung sollten dabei nicht die • war gegen den Aufstand gegen die Römer, Verstorbenen selbst die Bitten und Wünsche da er dem Motto seines Lehrers Hillel erfüllen, sondern bei Gott vorsprechen und folgte: „Suche Frieden und jage ihm um die Erfüllung der Wünsche bitten nach!“ So beten zum Beispiel noch heute viele unfruchtbare Frauen an Rachels Grab, das Rabbi Akiba ben Josef Laut Gen 35, 19 „auf dem Weg nach Efrat, • lebte etwa 50 – 135 n. d. Z. und war ein Gelehrter der zweiten Generation das ist Beit Lechem [Bethlehem]“ liegt, um der Tannaim die Erfüllung ihres Kinderwunsches. • Akiba ist bekannt für die Vielzahl seiner Referentin: Marie Pauline Wiebe

Seite 16 Safed und Tel Dan

Zefad (Safed) verlassen hatten, kam ein Mann, der zuvor in der Synagoge gebetet hatte, zu uns und erzählte von sich aus ein bisschen was zu der Geschichte der Synagoge und über den Unabhängigkeitskrieg. Auf dem Weg zur zweiten Synagoge namens Joseph Caro- Synagoge konnten wir die maleri- schen Gässchen bewundern, die ein sehr besonderes Flair auszeichnen. Eine Besonderheit dieser Synagoge ist ein Bücherschrank, in dem alte Schriften aufbewahrt werden. Als wir gerade auf dem Weg zur dritten Synagoge, der Isaak- Abouav-Synagoge, waren, zog in der Gasse plötzlich eine Gruppe vorbei, die tanzend und singend etwas zu feiern hatten. Es handelte sich um eine Bar Mitzwa, was über- Auf der Fahrt nach Safed konnten setzt „Sohn des Gebotes“ heißt. wir rechterhand aus der Ferne Dies ist ein Fest, das für einen den Berg der Seligpreisungen jüdischen Jungen, wenn er 13 Jahre sehen, was uns Vorfreude auf den alt wird, gefeiert wird. Bei Mäd- nächsten Tag machte. Da diese chen wird dieses Fest im Alter von Stadt ca. 900 Meter über dem zwölf Jahren gefeiert und heißt Bat Meeresspiegel liegt, hatten wir Mitzwa. Es wird die Religionsmün- schon auf dem Weg dorthin einen digkeit des Kindes gefeiert, womit schönen Blick über Israel. Safed es ab diesem Tag ein vollwertiges zählt neben Jerusalem, Tiberias Mitglied der Gemeinde ist. Der und Hebron zu den vier heiligen Junge lief in der Mitte einer großen Städten im Judentum und ist ein Gruppe an Menschen, vermutlich wichtiges geistiges Zentrum. Sie Familienangehörige und Freunde, wird auch die „Stadt der Mystiker und über ihm wurde ein Tuch, das und Kabbalisten“ genannt, da viele jeweils mit vier Stäben gehalten geistige Lehrer und Torah-Weise in wurde, mitgeführt. Alle sangen dieser Stadt lebten und leben. Sie und tanzten und wurden von ist die wichtigste Studierstätte der Gitarren und Trommeln begleitet. Kabbala, dem mystischen Strom Auch wurde mehrmals ein Horn des Judentums. In Safed besichtig- geblasen, womit dem Jungen der ten wir die erste Synagoge namens Segen gegeben werden sollte. Die Aschkenasische HaAri-Synagoge, Leute, die am Wegesrand standen die nach dem großen Erdbeben – so auch wir – wurden von der von 1837 wiederaufgebaut wurde. fröhlichen Atmosphäre angesteckt Kurz nachdem wir die Synagoge und klatschten fröhlich mit. Seite 17 Tag 5 Degania, Donnerstag, 26. Juli 2012

Die blaue Stadt Zefad (Safed)

Informationen zur Lage Besonderheiten der Stadt Kleine Stadt in den Bergen (ca.900 Meter Enge, malerische Gässchen. Man trifft über dem Meeresspiegel) in Galiläa. immer wieder auf religiöse Hinweise und Höchstgelegene Stadt Israels. Blick nach Merkmale, die sich in den verschiedensten Osten auf den Golan, im Norden an den Bauwerken manifestieren. Der Grund für Hermon und Libanon, im Westen bis Mt. diese Konzentration vieler religiöser Zeit- Meron und die Amud Tal, und im Süden zeugen sind die vielen Religionsführer, die nach Tiberias und der See Genezareth. Ca. in Zefat gelebt und gewirkt haben. Das Blau, 29.000 Einwohner. das man hier überall an Toren, Fenstern, Treppen und Geländern findet Bedeutung der Stadt Eine der 4 heiligen Städte neben Jerusalem, Wichtige Sehenswürdigkeiten Tiberias und Hebron. Wichtiges geistiges 1. Hebräisches Buchdruckmuseum Zentrum (Zentrum der Kabbala). (1563 Gründung einer hebräischen Viele geistige Lehrer, Torah-Weise, Buchdruckerei - die erste im Orient). Mischnu-Lehrer (= „Stadt der Mystiker Ihr ist es zu verdanken, dass die kabba- und Kabbalisten“). listischen Texte bis nach Europa hin Nach der Vertreibung der Sefarad-Juden veröffentlicht werden konnten. aus Spanien (ab dem 16. Jahrhundert) wichtigste Studierstätte der Kabbala. 2. Zitadelle (Ruinen aus der Kreuzfahrer- Zeit gefunden, sowie Überreste einer Geschichte Festung aus dem 18.Jh., des „Herrschers Vermutlich wurde die Stadt 66 u. Z. von über Galiläa“) Josephus Flavius als Festung gegen die römische Herrschaft erbaut. 3. Synagogen Im 16. Jahrhundert war Zefat Mittelpunkt a. Aschkenasische HaAri-Synagoge des Handels, der in jüdischen Händen lag (Rabbiners Izhak Luria(Ari), einer der ( v.a. Wein- und Ölfabrikation und der Kabbala - Meister), wurde nach dem Erzeugung von Webstoffen und fertigen großen Erdbeben von 1837 wiederauf- Kleidern). gebaut Im 16./17. Jahrhundert bekam die b. Isaak Abouav-Synagoge (ein be- Stadt ihren Namen durch sephardische kannter, aus Spanien stammender (aus Südeuropa) und aschkenasische (aus Rabbiner). Nach dem Erdbeben im Osteuropa) siedelnde Juden. Jahr 1837 musste sie neu errichtet Erlitt zwei schwere Erdbeben in den Jahren werden – allein die Südmauer blieb 1738 und 1769. unbeschädigt. Pestepedemie im Jahr 1742 hatte einen c. Joseph Caro-Synagoge (Verfasser großen Teil der Bevölkerung dahin gerafft. der jüdischen Lebensregeln Schulchan Seit 1948 eine rein jüdische Stadt. Aruch) Nach der Gründung des Staates Israel hatte d. Die sephardische HaAri Synagoge Zefat den Status einer Entwicklungsstadt. (älteste Synagoge, vermutlich im 16. Jh. Wichtiger Wirtschaftszweig ist heute wegen erbaut) des historischen Erbes und wegen der Höhenlage der Tourismus. 4. Verklärungskirche (in der Nähe des Berges Tabor) Referentin: Susanne Kron

Seite 18 Safed und Tel Dan

Naturreservat Tel Dan im Golan

Tel Dan = Hügel des Richters. Das Natur- sollte auch militärische Wirkung haben reservat umfasst 20 Meter hohe Siedlungs- und Stärke demonstrieren. Auch wurde hügel einer von der frühen kanaanitischen Jahwe als Nationalgott beibehalten, was bis in die römische Zeit bewohnten Stadt, seine Bedeutung auch für das Nordreich sowie die Quellen des Dan-Flusses. untermauert. Das Nordreich gewann an Bis zum Sechs-Tage-Krieg 1967 war der Stärke und auch Dan blühte auf: Metall- Dan die einzige Jordanquelle auf isra-eli- verarbeitung, Tonarbeiten etc. Allerdings schem Gebiet. Im Sechs-Tage-Krieg drohte scheint das Jahwe-Heiligtum von Dan nicht die Stätte zerstört zu werden. von Bestand gewesen zu sein, denn die Stadt Wasserknappheit und die Nutzung des wurde mehre Male erobert. so z.B. um 845 Dan, um den Bedarf der Bevölkerung zu v. Chr. von Hasael, wo sie in das aramäische decken, bedeuteten fast das Ende der Reser- Reich eingegliedert wurde (Dan- Inschrift). ve. Seit 1969 ist das Gebiet geschützt. Jerobeam II eroberte sie zurück, worauf sie von Tiglat-Pileser zerstört wurde. Der Ort Das antike Dan blieb aber besiedelt und die Kulttradition Das Alte Testament nennt eine Vielzahl von blieb erhalten. Kultstätten bzw. Kulthöhen, aber wenig Tempel. In der Bronzezeit gab es noch in fast Ausgrabungen jeder Stadt einen Tempel, doch änderte sich 1838 erkannte Edward Robinson in dem dies zu Gunsten der Kulthöhen, wie auch Tel die biblische Stadt Dan. 1966 begann Dan eine ist. Diese Orte lassen sich relativ ein Archäologenteam unter der Leitung gleichmäßig in ganz Israel wiederfinden. von Professor Avraham Biran mit Ausgra- Die erste Stadt auf dem Gebiet wurde in bungen. der frühe Bronzezeit gegründet und von Gefunden wurden Ton-gefäße, Werkzeu- kanaanitischen Stämmen besiedelt. Dies ge aus der Jungsteinzeit - auch wurde ein geschah, da sich die Hochkulturen in den gepflasterter öffentlicher Platz freigelegt. Städten zum Ende der Bronzezeit nicht Zu sehen sind auch Ruinen der Stadt Laish mehr versorgen konnten (Hungersnöte, und der Hohe Platz aus der Zeit des Königs Ernteausfälle, fehlender Niederschlag...) und Jerobeam. die Menschen entweder nach Ägypten oder Das israelitische Stadttor wurde restau- in das Bergland abwanderten. riert, ebenso das Kanaanitische Tor, mit dem Die Gesellschaftsstruktur in den kleinen möglicherweise ältesten Gewölbe, das jemals Städten und Dörfern war stark durchmischt. entdeckt wurde. Aus der Mischung der verschiedenen 1993 wurde ein schwarzer Basaltblock Traditionen entwickelten sich unterschied- entdeckt, der die Tel-Dan-Inschrift trägt. liche Kulte. In Dan gab es wahrscheinlich Auf der Tafel ist eine Inschrift des Hazael, ein Kulthaus oder auch Wohnhaus eines König von Damaskus, eingraviert, der sich Priesters. Diese Stadt Lajisch (auch Leshem, seines Sieges über den König Israels aus Laish genannt) wurde später vom israe- dem Hause David rühmt. Dies ist das erste litischen Stamm Dan erobert und weiter Mal, dass der Name Haus Davids außer- bewohnt (Ri 18,11-31). halb der Bibel genannt wurde, was einige Nach der Teilung des salomonischen Forscher als zeitgenössischen Beweis für Reiches (926 v. Chr.) erhob der israelitische die tatsächliche Existenz einer davidischen König Jerobeam I. die Stadt Dan und die Dynastie deuten. Stadt Bet-El zu Kultstätten und zur Alter- Leider konnten die Archäologen noch native zum Tempel in Jerusalem. nicht die ganze Inschrift finden. Die Funde Ein Stierbild als Zeichen des Jahwe-kults heizen auch die Diskussion um die histori- wurde aufgestellt und dabei wurde die Stadt sche Wahrheit des Alten Testaments an. zum Reichheiligtum des Nordreichs Israel (1 Kön 12,29f. ; Am 8,14). Diese Markierung Referentin: Michelle Somnitz

Seite 19 Tag 5 Degania, Donnerstag, 26. Juli 2012

Von dieser schönen Stadt beeindruckt, fuhren wir in den Naturpark Tel Dan, dem Quellgebiet des Dan, des größten der drei Quellflüsse des Jordan. Dort angekommen konnten wir zurück zum Kibbuz, wo schon eigenständig den Park erkunden. das Abendessen auf uns wartete. Sehr dicht bewaldet hat Tel Dan Gestärkt vom Abendessen stellte durch seine vielen kleinen Bäche uns Renate das äußerst interessante und Flüsse sowie sehr alten Bäume Buch „Israel. Einführung in ein eine romantische Atmosphäre, die schwieriges Land“ von Carlo vor allem in der Stille spürbar war. Strenger vor. Anschließend Das Spannende an diesem Park sind ließen wir den Abend gemütlich die unzähligen Ausgrabungen und ausklingen, indem es sich manche Ruinen der Kanaanitischen Stadt von uns in den Hängematten Laish, die angeblich vom Stamm vor dem Haus bequem machten, Dan während der Zeit der Richter andere auf der Wiese saßen oder erobert wurde. So sind beispielsweise lagen oder sie den Tag mit einem mächtige Festungsmauern und Glas Wein Revue passieren ließen. Tore sowie eine alte Mühle zu Susanne Kron entdecken. Als besonderer Fund gilt der Hohe Platz aus der Zeit des Königs Jerobeam. Das israelitische Stadttor wurde restauriert, ebenso das Kanaanitische Tor, mit dem möglicherweise ältesten Gewölbe, das jemals entdeckt wurde. 1993 wurde ein schwarzer Basaltblock gefunden, der die sogenannte Tel- Dan-Inschrift trug. Während einige von uns möglichst viele Ruinen begutachteten, verbrachten andere die Zeit damit, sich ich den kühlen Quellen und Bächen zu erfrischen. Nach einem anstrengenden und eindrucksvollen Tag stiegen wir wieder in unseren Bus und fuhren Seite 20 Kibbuz Degania Bet

Der Kibbuz

Charakteristik und Aufbau Geschichte und Entwicklung • durch Landwirtschaft geprägtes Dorf, der Kibbuzim das wirtschaftlich und verwaltungs-mäßig • erste Kibbuz-Siedler mit Einwande- eine Einheit bildet rungswellen aus Osteuropa 1882, 1904, • basiert auf gemeinschaftlichem Eigentum 1920 und demokratischen Strukturen • Kibbuz als Gegenbewegung zum Stetl • derzeit ca. 280 Kibbuzim Schaffung einer jüdischen Arbeiterschaft auf • Kibbuzmitglieder werden chaver (=Kame- eigenem Boden rad, Freund) oder Kibbuznik genannt • Degania Alef erster Kibbuz 1909 gegrün- • Mitgliedschaft auf freiwilliger Basis det • Familie bildet kleinste soziale Einheit • erste Kibbuzim spielten wichtige Rolle bei • Gleichberechtigung von Mann und Frau. Besiedelung Israels Arbeitstätigkeit der Frau be-freit sie von • Welle von Neugründungen im Jahr häuslichen und erziehe-rischen Pflich- 1948 ten. • früher Kibbuzmitglieder viel Einluss in • ca. 50 Std./ Woche, 6 Arbeitstage Armee und Regierung • kein Lohn bzw. Gehalt, nur „Vergütung“ • 1977 Subventionen durch neue Regie- = allumfassende ökonomische Versorgung rung gekürzt jedes Einzelnen einschließlich Kleidung, • Wirtschaftskrise und Inflation in 1980er Ernährung, Krankenschutz und Alters- Jahren versorgung Degania Alef und Degania Bet • Kinder in Gruppen mit Gleich-altrigen • 28. Oktober 1909 als erster Kibbuz in ‚Kinderhäusern‘ von pädagogisch gegründet (Einwanderer aus Weißrus- ausgebildeten Kibbuz-mitgliedern betreut sland) relativ wenig Kontakt zu Eltern und Ge- Vorbild weiterer Kibbuzim schwistern • Name von dagan = Getreide • Ideal: Gleichberechtigung der Geschlech- • vor Staatsgründung auch als Verteidi- ter, ökonomische und soziale Gleichheit gungsposten benutzt • Tätigkeiten und Ämter in ständiger Ro- • kein Kinderhaus tation • ca. 320 Mitglieder (110 Minderjäh-rige) • Kibbuzkollektiv hat demokratische – Durchschnittsalter ca. 55 Jahre Selbstverwaltung: höchstes Organ ist • Fabrik für Werkzeuge mit Diamanten- Vollversammlung, Komittees und Ämter schneidern im Kibbuz auf bestimmte Zeit gewählt • Privatisierung: Abrücken vom Gleich- • Aufnahme in einen Kibbuz kann von allen heitsprinzip, Leistungen werden ho- jüdischen Israelis beantragt werden, muss noriert, Selbstverwaltung des Gehalts, von Vollversammlung bewilligt werden, „progressive Steuer“ Probezeit • Pensionsfond für sozial Schwächere • Mitgliedschaft kein Recht auf privaten • Degania Bet: 1920 entstanden, Grund Besitz der Neugründung: starkes Anwachsen • in Kibbuz-Verbänden organisiert, teilwei- der alten Siedlung se von Parteien Referentin: Patricia Nowaczyk

Seite 21 Tag 6 Degania, Donnerstag, 26. Juli 2012 Impressionen Kibbuz Degania Bet

Seite 22 See Genezareth Am See Genezareth

Nachdem wir um 6.30 Uhr heiligen Stätten am See Genezareth. von einer F-16 im Tiefflug ge- Nach der Besichtigung der Kirche weckt wurden, ging es nach einem der Seligpreisung, welche inmitten schnellen Frühstück um 8.00 Uhr von Fikus- und Eukalyptusbäumen mit dem Bus zur ersten Station in einer schönen Gartenanlage liegt des heutigen Tages: dem Berg der und dessen oktogonale Form an die Seligpreisung. Hier soll Jesus sei- acht Seligpreisungen erinnern soll ne Bergpredigt (Mt 5-7) gehalten (der neunten Seligpreisung ist die haben. Den Einstieg gestaltete vor Kuppel gewidmet), fuhr Sebastian Ort Sebastian Gennrich mit dem mit dem zweiten Teil seines Refe- ersten Teil seines Referats zu den rats fort und schloss dieses mit dem Vortragen der Bergpredigt. Daraufhin fuhr die Gruppe mit dem Bus nach Tabgha zur Brotver- mehrungskirche, wo nach christ- licher Überlieferung das Wunder der Brot- und Fischvermehrung für die Speisung der 5000 (vgl. Mt 14 par) stattgefunden haben soll. Die Kirche wird von deutschen Benediktinermönchen unterhalten. Den Innenhof des Kirchengeländes ziert ein kleiner Karpfenteich. Im Innern der Kirche unter dem Seite 23 Tag 6 Jerusalem, Freitag, 27. Juli 2012

Die christlichen Stätten am See Gennesaret

Der See von Galiläa (See Gennesaret): Jesus wandelt auf dem See nach Kafarnaum. (Joh 6, 16-21 | Mk 6,45-52) Berufung der ersten vier Jünger. (Lk 5,1-11) Brotvermehrungskirche: Unter Altar befindet sich Stein, auf dem Jesus Fische abgelegt und zur Speisung der Fünftausend vermehrt haben soll. (Joh 6, 1-15 | Mk 6, 30-44) Berg der Seligpreisung – die Bergpredigt: Jesus spricht alle Menschen selig. (Mt 5, 1-12) Berufung der Zwölf Apostel. (Lk 6, 12-16) Kafarnaum: Rede Christi in der Synagoge von Kafarnaum. (Joh 6, 22-59) Heilung der Kranken, Schwiegermutter Simons. (Mk 6, 53-56 | Lk 5, 12-26 | Mk, 1,29-31) Mahl mit den Zöllnern. Altar befindet sich der Naturfel- (Lk 6, 27-31) sen, auf dem die Brotvermehrung Jordan: stattgefunden haben soll. Vor dem Jesus lässt sich von Johannes auf den Stein ist das Mosaik mit dem von Namen JHWHs („Adonai“, oder zwei Fischen eingerahmten Brot „J-H-W-H“) taufen. (Mk. 9-11) zu sehen, welches an das Wunder Referent: Sebastian Gennrich erinnert. Seite 24 See Genezareth / Kapernaum

Archäologie und Christentum - das Wirken Jesu in Kapernaum sowie die archäologischen Zeugnisse davon

„Als er [Jesus] aber hörte, dass Johannes Die Jesus-Synagoge in Kapernaum gefangengesetzt worden war, zog er nach Kapernaum und die Jesus-Synagoge wird Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth und in dem Pilgerbericht der Egeria (um 383) kam nach Kapernaum, das am See im Gebiet erwähnt, im 19. Jh. war die Lage dieses von Sebulon und Naphthali liegt und nahm Ortes jedoch vergessen. 1838 wurden [dort] Woh-nung, damit erfüllt würde, was Ruinen entdeckt, von denen man vermutete, durch den Propheten Jesaja gesprochen dass sie zu dem antiken Ort gehörten, worden ist, welcher sagt: eine eindeutige Identifizierung passierte „Das Land Sebulon und das Land jedoch erst ab 1894 durch Ausgrabungen Naphthali gegen den See hin, jenseits des von Franziskanern, die dieses Gelände Jordan, das Galiläa der Heiden, das Volk, erwarben. das in der Finsternis saß, hat ein großes Die als Jesus-Synagoge bezeichnete Licht gesehen und die im Lande und Ruine erwies sich jedoch als Bau aus Schatten des Todes saßen, denen ist ein Licht der konstantinischen Zeit, so dass das aufgegangen.“ (Mt 4, 12-16) Rätsel um die wahre, neutestamentliche Synagoge nicht gelöst werden konnte. Erst Jesus in Kapernaum im Jahre 1981 entdeckten die Archäologen Hier beginnt Jesus sein öffentliches Wirken: Corbo und Loffreda die Grundmauern der „Von da an begann Jesus zu predigen: Tut gesuchten Synagoge, sie liegen an dem Ort, Buße, denn das Reich der Himmel ist an dem man sie von Anfang an vermutet genaht.“ (Mt 4, 17) hatte: unter der Ruine aus konstantinischer Hier beruft er seine ersten Jünger: „[…] Zeit. Dank weiterer Grabungen kann Kommet her, [folget] mir nach und ich will zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass machen, dass ihr Menschen-fischer werdet.“ dieses ältere Gemäuer aus dem 1. Jh. n. Ch. (Mk 1, 17) stammt. Es kann natürlich nicht endgültig Hier hält er Messen ab: „Und sie gingen gesagt werden, ob dies die tatsächliche Jesu- hinein nach Kapernaum und alsbald lehrte Synagoge ist, es gibt jedoch Indizien, die er am Sabbat in der Syna-goge.“ (Mk 1, dafür sprechen: Der Prunk der neuen Syna- 21) goge, was darauf schließen lässt, dass der Hier tut er seine Wunder; treibt Dämo- Bau durch die bereits christliche Obrigkeit nen aus: „Und in der Synagoge war ein unterstützt wurde und die Funde in dem Mensch, der von einem unreinen Geist, sogenannten Petrus-Haus. einem Dämon besessen war. […] Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme Das Petrus-Haus und fahre aus ihm! Da riss ihn er Dämon Unter einer byzantinischen Kirche wur- in die Mitte und fuhr von ihm aus, ohne den Reste von Wohnhäusern gefun- ihm Schaden zu tun.“ (Lk 4, 33-35) und den. Das Sensationelle an diesem Fund heilt Kranke: „Und er trat hinzu, ergriff waren Mörtelbrocken, in die Gebete und ihre [Petrus Schwieger-mutter] Hand und Anrufungen des Namen Jesu eingeritzt richtete sie auf; und das Fieber verließ sie waren. Außerdem taucht der Name des […]“ (Mk 1, 31) Petrus auf. Da aber auch in umliegenden Er lebt hier in Petrus‘ Haus: „Und sobald sie Häusern christliche Symbole gefunden aus der Synagoge kamen, gingen sie in das wurden, kann diese Ruine nicht unbedingt Haus des Simon [Petrus] und des Andreas als „Das Petrus-Haus“ angesehen werden. […] (Mk 1, 29) Referentin: Celine Thorns

Seite 25 Tag 6 Jerusalem, Freitag, 27. Juli 2012 Kapernaum

Nach kurzem Aufenthalt fuhren an einer Kreuzung standen und uns wir weiter nach Kapernaum, einer weder vor- noch zurückbewegten. der bedeutendsten Wirkungsstätten Durch das verspätete Einchecken Jesu. Systematische Ausgrabungen im Holy Land Hotel, das in Ostje- legten dort Wohnhäuser und eine rusalem liegt, entfiel der angedachte Synagoge aus dem 2.-4. Jahrhun- Synagogenbesuch der ultraortho- dert n. Chr. frei. Darunter war auch doxen Gemeinde. So besuchte eine das angebliche Haus des Petrus, Hälfte der Gruppe hübsch zurecht- dessen Überreste heute durch eine gemacht vor dem Abendessen eine Betonkonstruktion geschützt und reformierte feministische Synagoge von einer achteckigen Gedächtnis- und die andere Hälfte nach dem kirche mit Glasboden überdacht Abendessen den Gottesdienst in der sind. Die Ausgrabungsstätte und Großen Synagoge, um den Sabbat die dahinterliegende Thematik zu begrüßen. wurden dort von Celine Thorns in ihrem Referat zum historischen Jesus in Galiläa vorgestellt. Auf einer längeren Busfahrt durch das Westjordanland ging es nach Jerusalem. Dort kamen wir gegen 17 Uhr an. Der erste Blick fiel auf die beigen Häuser, die alle gleich auszusehen schie- nen, und die goldene Kuppel des Felsendoms. Allerdings verlief die Ankunft nicht so reibungslos wie geplant. Tausende Muslime pilger- ten zum Freitagsgebet in die Stadt und füllten Straßen und Wege. So kam es, dass wir mit unserem Reisebus geschlagene 20 Minuten

Seite 26 Jerusalem / Synagogen

unteren Bereich der Synagoge, während die Frauen eine Etage dar- über auf die Empore gelangen. Die Stimmung ist leicht angespannt, alle sind bemüht keine hektischen Bewegungen zu machen, sondern sich von der leicht ehrfürchtigen Atmosphäre tragen zu lassen. Auf Rachels Bitte verteilen wir uns und Kriman - www.JerusalemShots.com Roman Foto: nehmen auf den Klappsitzen Platz. Die Anwesenden scheinen bereits im Gebet vertieft. Der Rabbi betritt Besondere Aufmerksamkeit erfährt durch einen Seiteneingang die Syn- der abendliche Synagogenbesuch. agoge, stellt sich mit dem Rücken Hier stehen wir nun, so schick zur Gemeinde vor den Altar und wie es unser mäßiges Reisegepäck beginnt mit lautem Sprechgesang zulässt, vor der großen Synagoge, das Gebet. Wir lauschen gespannt welche mit ihrer hohen, hellen und blättern im Gebetsbuch, Fassade und dem bunten, an eine welches wir vor dem Betreten der Kirche erinnernden Glasfenster auf Empore gereicht bekamen, in der uns herunterblickt. Die Gruppe Hoffnung, die richtige Stelle zu sammelt sich nochmal, Rachel finden, was sich bei den hebrä- gibt letzte Instruktionen und ge- ischen Schriftzeichen als äußerst meinsam gehen wir zum Eingang, schwierig erweist. Unsere Blicke wo wir fast um Einlass bittend wandern über die Betenden wieder vor dem Wachmann stehen, der zum Rabbi, der seinen Gesang auch uns eingehend mustert und nach durch Vor- und Zurückwippen des kurzem Zögern und einer knappen Oberkörpers unterstützt. Dabei Unterweisung passieren lässt. Das fällt ihm gelegentlich der Tallit geräumige Atrium präsentiert sich von den Schultern, den er dann uns flankiert von zwei langen Glas- schwungvoll wieder über den vitrinen, welche angefüllt sind mit Körper wirft. Sein Gebet wird vom kleinen jüdischen Kostbarkeiten Gemeindevorsteher kurz unterbro- und Erinnerungen. Hinter dem chen und allgemeine Ansagen zum Atrium führt eine Flügeltreppe in Gottesdienst und den Spenden die oberen Etagen der Synagoge. verkündet. Sein Erscheinungsbild Das Licht ist gedämpft, Bodenbelag im schwarzen Anzug sowie sein und Vertäfelung wirken edel. In der eigenartiger Akzent stehen etwas ersten Etage trennen sich unsere im Kontrast zur Ausstrahlung des Wege, die Männer dürfen in den Rabbi, der sein Gebet umgehend

Seite 27 Tag 6 Jerusalem, Freitag, 27. Juli 2012 Synagogenbesuch in Jerusalem

fortführt, als der Gemeindevorste- Gottesdienst, welcher in einer Art her das Rednerpult verlässt. Hin Turnhalle stattfand. Kinder spielten und wieder erhebt sich die Ge- auf dem Boden und Männer und meinde und spricht gemeinsam ein Frauen, welche nur durch einen Gebet. Zur Begrüßung des Sabbats dünnen Vorhang getrennt waren, wenden sich alle der Tür zu. Wäh- winkten sich zu. Frauen nahmen rend die Frauen zum Teil nur leise hier offensichtlich eine gleichbe- vor sich hin murmeln, verfallen rechtigte Position ein. So war die die Männer in lautes Wehklagen Kantorin eine Frau und auch die Höhepunkt des Gottesdienstes sehr ausgelassenen Gesänge wurden bildet das Schma-Israel, wo die Be- stark durch die Frauenstimmen tenden ihr Gesicht in den Händen getragen. Eine Frau trug als Zei- verbergen. Der Gottesdienst endet chen der Emanzipation sogar eine so unvermittelt, wie er begonnen Kippa. hat. Einige Gläubige erheben sich Der Sabbatgottesdienst in der sofort und verlassen den Saal, an- Großen Synagoge lässt sich in dere bleiben im stillen Gebet sitzen meinen Augen gut und irgendwie oder beginnen kleine Gespräche doch gar nicht mit dem christlichen mit anderen Anwesenden. Wir Gottesdienst vergleichen, den ich verlassen die Empore und treffen kenne. Der scheinbar regelhafte am Ausgang auf die kleine Gruppe Ablauf scheint mir vertraut und ich Männer, welche den Gottesdienst fühle mich an zu Hause erinnert: bzw. die Gläubigen als sehr un- ein Wechsel aus Gebet, Predigt, terhaltsam empfunden haben. So Ankündigung und Gesängen. An- hätten einige Gläubige während des dererseits wirken die Anwesenden Gottesdienstes in Supermarktwer- in der Synagoge abgeschottet auf bung geblättert, anregende Diskus- mich, die Frauen halten häufig ei- sionen geführt oder gar geschlafen, nen Platz zwischen sich frei. Zudem was zu Belustigung und Erstaunen verwirrt mich die rigorose Tren- geführt hat. Während wir zurück nung zwischen Mann und Frau zum Hotel schlendern, erörtern wir generell etwas, ebenso die Tatsache, den Ablauf, tauschen Eindrücke dass die Frauen anscheinend nicht und Meinungen aus. Im Hotel tref- alle Gesänge und Gebete wortstark fen wir auf die Gruppe, welche dem unterstützen dürfen. Insgesamt Gottesdienst in der feministischen ein interessanter Abend mit nach- Synagoge beiwohnte und stellen klingenden, auch ernüchternden, fest, dass ihre Impressionen zum aber auf jeden Fall in Erinnerung Teil ganz anders waren als unsere. bleibenden Eindrücken. Ein ständiges Kommen und Gehen Sina Nimtz der Gläubigen prägte dort den

Seite 28 Jerusalem / Via Dolorosa Das christliche Jerusalem

wieder durch jenen lauten Knall angekündigt wurde. Nach dem kurzen körperlichen Erschrecken folgte aber sofort die Information vom Gehirn „Es ist nur Ramadan, Das Christentum verbindet mit kein Grund zur Sorge“. Jerusalem zum einen heilsgeschicht- Am Samstagmorgen trafen wir liche Erinnerung und zum anderen uns um 8 Uhr zum Frühstück und eschatologische Hoffnung. Es ist der gingen um 10 Uhr zum ersten Mal Ort des Leidens, Tod, Auferstehung durch die Tore und Gassen der und Himmelfahrt Jesu und der Ort Jerusalemer Altstadt. Ziel unseres der Wiederkunft Christi auf dem Ausflugs waren die christlichen Ölberg. Sehenswürdigkeiten die Via Do- lorosa und die Grabeskirche sowie Die erste Nacht in unserem Hotel der Muristan und die Erlöserkirche. in Ostjerusalem, also im arabischen Die Via Dolorosa ist jener Leidens- Teil der Stadt, endete für einige ge- weg, welchen Jesus vom Ort seiner gen 4 Uhr in der Früh durch einen Verurteilung durch Pontius Pilatus lauten, explosionsartigen Knall. bis zum Ort seiner Kreuzigung zu- Wir guckten aus dem Fenster, um rücklegt haben soll. Wir passierten nachzusehen, ob etwas passiert war. den Ecce-Homo-Bogen und die Aber da wir keine Sirenen oder 14 Stationen des Weges, welcher in Sonstiges hörten, gingen wir beru- der Grabeskirche endet. Durch die higt wieder schlafen. Am nächsten vielen Läden, Essenstände und das Morgen war uns klar, dass der Knall Gedränge geht die Geschichte des den muslimischen Bewohnern un- Ortes fast unter. Die Ironie dahin- seres Viertels die letzte Möglichkeit ter, dass Jesus einst Bescheidenheit zur Mahlzeit vor Sonnenaufgang predigte und die Via Dolorosa verkünden sollte. Trotzdem zuck- heute die Menschen eher in einen ten wir auch jeden Abend vor Son- Konsumrausch als in Andacht ver- nenuntergang zusammen, wenn fallen lässt, ließ mich persönlich ein das Fastenbrechen begann und wenig ratlos zurück.

Seite 29 Tag 7 Jerusalem, Samstag, 28. Juli 2012

Stationen werden u.a. in folgenden Stellen der Bibel erwähnt: 1. Jesus wird verurteilt - Mt 27, 22-26 2. Jesus nimmt das Kreuz auf - Mt 27, 27-31 3. Jesus stürzt zum ersten mal - keine Erwähnung 4. Jesus trifft seine Mutter - keine Erwäh- nung 5. Simon von Kyrene hilft beim Tragen des Kreuzes - Mt 27, 32 Via Dolorosa 6. Veronika reicht Jesus ein Schweißtuch Die Via Dolorosa (lat. der Weg des Leidens) - keine Erwähnung legte Jesus vor seiner Kreuzigung zurück, 7. Jesus stürzt zum zweiten mal - keine er musste dabei das Kreuz teilweise selbst Erwähnung tragen. Der Weg führt vom Amtssitz des 8. Jesus tröstet weinende Frauen von römischen Statthalters Pontius Pilatus bis Jerusalem - Lk 23, 28- 31 zur Hinrich-tungsstätte am Hügel Golgo- 9. Jesus stürzt zum dritten mal - keine ta, diese Orte sind jedoch historisch nicht Erwähnung eindeutig bestimmbar. Die Straße ist heute 10. Jesus werden seine Kleider genommen als Kreuzweg mit 14 Stationen ausgestaltet. - Mt 27, 35 Da sich der Straßenverlauf über die letz- 11. Jesus wird an das Kreuz geschlagen - Mt ten 2000 Jahre stark verändert hat, muss 27, 33-36 man den Weg mehr als Verbindung von 12. Jesus stirbt am Kreuz - Mt 27, 50 Gedenkstätten als eine Wanderung in Jesu 13. Jesus wird vom Kreuz genommen Fußstapfen betrachten. - Mt 27, 57-59 Die letzte der 14 Stationen ist die Gra- 14. Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt beskirche, die an jenem Ort steht, an dem - Mt 27, 59-61 sich das Grab Jesu befinden soll. Einige Referentin: Carolin v. d. Heiden

Seite 30 Jerusalem / Grabeskirche

Die Besichtigung der Grabeskir- die Aufteilung der Besitzverhältnis- che war nicht nur architektonisch se, auch Zeit, Dauer und Ort der sehr beeindruckend, sondern auch Gebetszeiten sind streng aufgeteilt durch die Menge der Fotos schie- und geregelt. Trotzdem verläuft ßenden Touristen und Andacht nicht immer alles reibungslos, denn suchenden Menschen. Kaiser Kon- Streitigkeiten sind keine Seltenheit. stantin ließ die Kirche 335 n. Chr. So werden auch wichtige bauliche am angeblichen Ort der Kreuzi- Maßnahmen verhindert, exempla- gung und Auferstehung Jesu erbau- risch dafür steht eine Holzleiter en. Nach Bränden, Plünderungen über dem Eingang der Kirche. und Beschädigungen Sie wurde vor 150 Jah- bauten die Kreuzfahrer ren von den griechisch die Kirche 1099 n. Chr. orthodoxen Mönchen wieder auf. Heute wird dort aufgestellt, um die Kirche von sechs bröckelndes Gestein zu verschiedenen christli- reparieren. Dazu kam chen Konfessionen ver- es aber nicht, da die waltet und bewohnt: anderen Konfessionen griechisch-orthodoxe, die Zuständigkeit der römisch-katholische Griechisch-Orthodoxen und armenisch-apostoli- dafür bestritten. Aller- sche Christen sowie die dings herrscht bis heute äthiopisch-orthodoxe Kirche, ägyp- Unklarheit darüber, wer die Leiter tischen Kopten und die syrisch- wieder zu entfernen habe, sodass orthodoxe Kirche teilen sich die sie dort nutzloser Weise wohl noch gesamte Grabeskirche. Nicht nur einige Jahre stehen bleiben wird. Seite 31 Tag 7 Jerusalem, Samstag, 28. Juli 2012

Grabeskirche Die Grabeskirche zählt zu den größten Heiligtümern des Christentums, da dort nach der Überlieferung die Kreuzigung Jesu stattfand und sich sein Grab befinden soll. Kaiserin Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin veranlasste den Bau der Kirche 335 n. Chr. an dem Ort, welcher als Kreu- zigungstätte vermutet wurde. Der Golgotha Felsen, welcher sich heute innerhalb der Grabeskirche befindet, stand damals unter freiem Himmel zwischen Rotunde und der Basilika. Durch die Eroberung der Perser 614 n. Chr.wurde die Grabeskirche abgebrannt und besonders zu Ostern, wenn alle Kirchen die 628 vom byzantinischen Kaiser Heraklius Auferstehung feiern wollen. Die kompli- wiederaufgebaut. Kalif El-Hakim forderte zierten Verhältnisse erschweren außerdem 1009 n. Chr. die komplette Zerstörung der wichtige bauliche Maßnahmen, da jede Kirche. Plünderungen und der Versuch, Veränderung eine Verletzung des Status das heilige Grab herauszureißen, waren die Quo von 1967 verursachen könnte. Zum Folge. 1030- 1048 n. Chr. Errichteten By- Beipiel wird das Dach, welches seit 2004 zantiner die Kirche wieder auf. 1808 wurde einsturzgefährdet ist, auch von Kopten sie ein weiteres mal Opfer eines Feuers und beansprucht, der Streit verhindert jedoch erst 1955 einer Restaurierung unterzogen. die Renovierung. Der Schlüssel der Gra- Heute wird die Kirche von sechs verschie- beskirche wird seit mehreren Jahrhunderten denen christlichen Religionsgemeinschaften von einer muslimischen Familie verwaltet, gehütet und bewohnt. diese tritt auch manchmal als Streitschlichter Die Griechisch-Orthodoxen, Katholiken auf. und Armenier übernehmen die Haupt- verwaltung. Die Kopten kamen im 19. Hinweis Jh. dazu, die Äthiopier besitzen das Dach- Ein kleines Stück des ursprünglichen geschoss und leben dort in einer kleiner Gesteins vom vermeintlichen Grab Jesu Gruppe. Den Syrisch-Orthodoxen werden kann man immerhin noch sehen, wenn nur kleine Schreine und Aufgaben zugeteilt. man sich vor der sogenannten Koptischen Nicht nur die Aufteilung der Bestitzverhält- Kapelle am hinteren, westlichen Teil der nisse, auch Zeit, Dauer und Ort des Gebets Adikula, des Grabhauses, bückt und am sind streng aufgeteilt und geregelt. dort meist sitzenden koptischen Priester Dennoch kommt es oft zu Streit und vorbeischaut. Rangeleien unter den christlichen Gruppen, Referentin: Carolin v. d. Heiden

Seite 32 Jerusalem / Erlöserkirche

Erlöserkirche

Den nächsten Halt legten wir an der Erlöserkirche auf dem Muri- stanplatz ein. Der Platz war einst ein Geschenk der osmanischen Administration an Kronprinz Friedrich Wilhelm. Am Reforma- tionstag des Jahres 1883 wurde dort Der einzige, negative Vorfall für die eingewanderten Preußen des Abends soll trotzdem nicht eine protestantische Kirche erbaut. unerwähnt bleiben: Ein Teilnehmer Vom Turm der Kirche aus hatten unserer Exkursion vergaß nach dem wir einen großartigen Ausblick Spaziergang durch das jüdische über ganz Jerusalem. Viertel, auf dem Rückweg ins Ho- Nachdem das offizielle Tages- tel, seine Kippah abzusetzen. Seine programm beendet war, teilten wir Begleiterin und er wurden dar- uns in Gruppen auf und gingen aufhin von muslimischen Jungen essen, shoppen oder ruhten uns bedrängt, mit Steinchen beworfen auf der Dachterrasse unseres Hotels und kurz darauf von älteren Mos- aus. Bei abendlichen Spaziergän- lems gebeten die Kippah abzusetzen gen durch das arabische Viertel und das Viertel zu verlassen. Wir machten wir ganz unterschiedliche lernten aus diesem unangenehmen Erfahrungen. Wir wurden stets mit Vorfall, dass trotz des überwiegend einem freundlichen „Welcome“ freundlichen Umgangs unterein- begrüßt und auch kleine sprachli- ander bestimmte Verhaltensregeln che Patzer wurden uns mit einem gelten und Spannungen bestehen. Lächeln verziehen. So machten uns Die Koexistenz von Muslimen und die arabischen Händler freundlich Juden in Jerusalem scheint am be- darauf aufmerksam, dass es bei ih- sten zu funktionieren, solange sich nen „Salam“ und nicht „Schalom“ alle aus dem Wege gehen. heiße. Carolin von der Heiden

Seite 33 Tag 7 Jerusalem, Samstag, 28. Juli 2012

Protestanten und Preußen in Jerusalem

Situation bis 1840 Palästina ist seit beginnendem 16. Jh. Teil Katholiken und Protestanten missionier- des Osmanischen Reiches. Aufgrund des ten derart stark, dass sich auch die orthodoxe Desinteresses Konstantinopels am Heiligen Kirche gezwungen sah, etwas an ihrem Auf- Land verwahrloste dieses in hohem Maße. treten zu ändern. 1845 verlegte der Patriarch 1831 überfielen die Ägypter das Heilige von Jerusalem deshalb seine Residenz nach Land. Da die Ägypter der desolaten wirt- fast 750 Jahren wieder von Konstantinopel schaftlichen Lage Palästinas nicht hätten nach Jerusa-lem. gerecht werden können, liberalisierten sie ihr Zwischen den Christen entstand ein Rechtssystem und stellten Nicht-Muslime „konfessioneller Wettbewerb“, der dazu den Muslimen rechtlich gleich, um so mehr führte, dass eine große Zahl kirchlicher, Europäer ins Heilige Land zu locken, die es karitativer, medizinischer und wissenschaft- aufbauen sollten, damit Ägypten Palästina licher Einrichtungen entstanden und die strategisch besser nutzen kann. Gesamtsituation der Bevölkerung erheblich Das Osmanische Reich wiederum überfiel verbesserte. zwischen 1839 und 1840 Ägypten, welches der türkischen Armee eine vernichtende Die Erlöserkirche Niederlage bescherte. Da Preußen mittlerweile Teil des Deutschen Die europäischen Großmächte, welche Reiches war, kündigten diese 1886 den lange Zeit kein ernsthaftes Interesse mehr Vertrag über die gemeinsame Verwaltung am Heiligen Land hatten, witterten nun ihre des Bistums Jerusalem mit England. Chance auf eine wachsende Einflussnahme Man beschloss, eine protestantische Kir- im Orient und unterstützten das Osmani- che am Muristanplatz, welcher ein Geschenk sche Reich. der osmanischen Administration an den Konstantinopel erkannte in den 1840er damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm Jahren erstmals die Protestanten als Reli- darstellt, zu errichten. gionsgemeinschaft an. Darauf errichteten Die Grundsteinlegung erfolgte am England und Preußen gemeinsam das 31.10.1893 (Reformationstag). Dem Bistum Jerusalem. Grundstein wurden die 95 Thesen Luthers Unter dem Schutz der beiden Großmäch- samt Nägel zum Einschlagen beigelegt. te wanderten hunderte Protestanten nach Kaiser Wilhelm II., welcher ein großer Palästina aus. Freund des Osmanischen Reiches war, be- schließt, zur Einweihung der Erlöserkirche Situation der Christen in Palästina nach Jerusalem zu fahren. Seinem Aufruf Aufgrund des Schutzes durch die Europä- folgten hunderte deutsche Protestanten. ischen Großmächte und den zugesicherten Den erwogenen Abriss eines Teils der Schutz durch Konstantinopel, konnten historischen Jerusalemer Stadtmauer, um Christen jeglicher Konfession neben den den erwarteten Ansturm auf die Stadt kom- Muslimen leben. pensieren zu können, empfindet Wilhelm II. Die große Mehrheit dieser Christen als „Barberei“. Dennoch wurde ihm lange waren Bauern. Lediglich mancherorts, nachgesagt, dass es sich bei den Erwägungen wie in Bethlehem und Nazareth, konnten um seinen Befehl handelte. sich große christliche Gemeinden und ein Referent: Patrick Tolxdorf Bürgertum bilden.

Seite 34 Jerusalem / Stadt Davids Stadt Davids und Zionsberg

etwas atemlos standen wir kurz nach 9 Uhr am Dung-Tor der Mauer, mit der einst Herodes der Große das Plateau des Tempelber- ges einfasste und mussten leider er- fahren, dass uns heute der Zugang verwehrt bleiben wird. Der 30. Juli des Jahres 2012 war zugleich der 9. Tag im Monat Av des jüdischen Ka- lenders . An diesem Tag, Tisha B‘Av betrauern die Juden drei große Ka- tastrophen in ihrer Geschichte: die Der Tag begann mit einem Zerstörung des Tempels Salomons besonderen Auftritt von Sina und in Jerusalem durch die Babylonier Sophie zum Frühstück: Beide er- unter König Nebukadnezer im Jahr schienen in „holy-place“-Kleidung. 586 v. Chr. und das babylonische Sicherlich verwechselten sie den Exil, die Zerstörung des zweiten Speisesaal unseres Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. und die Ver- Hotels nicht mit einem Heiligtum. treibung der Juden in die Diaspora Vielmehr stellten sie sich schon sowie die Niederschlagung des sog. vor Aufbruch in die Stadt Davids Bar-Kochba Aufstandes 135 n. Chr. auf das ein, was uns an jenem Tag gegen die Römer. erwarten würde: eine Vielzahl von Am Dung-Tor hielt Erika das Orten, an denen wir mit unserer erste Referat des Tages in Sicht- Kleidung zum Ausdruck bringen weite der Klagemauer und erklärte sollten, dass wir die Bedeutung unserer Reisegruppe die Bedeutung der jeweiligen Ort achten und die des Tempelberges für die drei gro- religiösen Gefühle der Gläubigen ßen monotheistischen Religionen. respektieren würden. Weiter ging es dann zum Misttor Sina und Sophie legten ihre neu der heutigen Altstadtmauer, hin- erworbenen Kaftane nach dem ter dem sich der Eingang zum Frühstück jedoch noch einmal Archäologischen Garten mit dem ab – eine klu- Davidson Center befindet. Die ge Entschei- Davidstadt ist ein Nationalpark, in dung ob des dem Besucher die Überreste beein- um 8.30 Uhr druckender Gebäude und Festun- startenden Eil- gen der Bewohner aus biblischen marsches zum Zeiten sowie deren Festungen und Tempelberg. unterirdischer Tunnel bestaunen Mit erhöhtem können. Im Zentrum entführten Puls, Schweiß- uns Kunstwerke und archäologische tropfen auf Ausgrabungen in die glorreiche, der Stirn und jüdische Vergangenheit der Stadt. Seite 35 Tag 8 Jerusalem, Sonntag, 29. Juli 2012

Die arabische Bevölkerung, deren Wohnviertel sich heute über den unterirdischen Ausgrabungsstätten der Davidstadt befinden, kommt mit ihrer Geschichte im Ensemble der historischen Darstellungen mit modernen Visualisierungstechni- ken nicht vor. So bilden die Ausgra- bungen seit vielen Jahren Anlass für zahlreiche politische Kontroversen. Gate durch Sophie erklärt. Für die Verfechter einer alleinigen Am Abend (18 Uhr) stand noch jüdischen Hoheit über die Stadt ein besonderer Termin an: Im Ame- bilden die Funde eine Legitimation rican Colony Hotel traf sich ein Teil ihrer Ansprüche. der Gruppe mit Alfred Azar, einem Aus unerklärlichen Gründen christlichen Araber aus Ramallah. war die Buchung unserer Führung Besonders Fragen zur politischen durch die Davidstadt abhanden Situation in Jerusalem, zum Alltag gekommen und so vertrieben wir in den besetzten Gebieten und zum uns die Zeit bis 10.45 Uhr mit Zusammenleben der verschiede- Eis und Kaffee im Schatten der nen Religionen wurden erörtert. Bäume. Zosias Verhandlungen Eindrucksvoll blieb allein eine ermöglichten unserer Gruppe Anekdote in Erinnerung, die uns dann den Besuch einer virtuellen Alfred von seiner damals 10-jähri- Tour im Multimedia-Museum gen Tochter erzählte: Eines Tages des Besucherzentrums, die uns fuhren seine Tochter und er nach auf den Tempelberg zur Zeit des Jerusalem in ein Einkaufszentrum. Zweiten Tempels entführte. An- Plötzlich begann sie fürchterlich schließend erkundeten wir unter zu weinen und wollte auf keinen Zosias Führung die David-Stadt. Fall weitergehen. Sie hatte Angst, Einen Höhepunkt und gleichzeitig weil die Menschen um sie herum eine wohltemperierte Erfrischung Hebräisch sprachen – die Sprache, bildete der Gang durch den 457m die sie von den Soldaten kannte, die langen und völlig unbeleuchteten mit Panzern ihr Haus bedrohten Hezekiahs Tunnel. und die sie mit Waffen daran hin- Gestärkt durch einen individuel- derte, das Haus zu verlassen, sich len Mittagsimbiss in der jüdischen mit Freunden zu treffen und auf der Altstadt von Jerusalem machten Straße zu spielen. Alfred erklärte wir uns um 15 Uhr auf den Weg, anhand dieses Beispiels, wie wichtig diese weiter zu erkunden. Der die Erziehung der nachfolgenden Zionsberg, verschiedene Kirchen Generation ist – und wie schwer. auf dem Zionsberg, das Davids- Mit einem Rundgang durch das grab, die Dormitiokirche und der American Colony Hotel endete ein Abendmahlssaal standen auf dem eindrucksvoller Tag. Programm und wurden am Zions- Petra Lenz Seite 36 Jerusalem / Tempelberg

Tempelberg und Westmauer

Der Tempelberg

Geschichte des Tempels

Erster Tempel: Vollendung durch Salomo 950 v. Chr. (1 Kön 5,15-6,38 und 2 Chr. 1,18-5,1) Zerstörung durch Babylonier 587 v. Chr. (2. Kön 16-25)

Zweiter Tempel: Wiederaufbau unter König Herodes bis 520 v. Chr. Zerstörung durch die Römer 70 n. Chr. Muslimische Zeit: Nach einem kräftigenden Früh- In der Zeit der Omaijadenkalifen wurden stück im Holy Land Hotel lief die der Felsendom und die El-Aqsa-Moschee gesamte Gruppe an der Stadtmauer erbaut. entlang in Richtung Tempelberg. Der Fokus des Tages lag auf der Erkundung des jüdischen Viertels Felsendom Jerusalems. Um 9.00 Uhr erwartete Bauherr des Felsendoms: Ab del- uns eine Führung durch den We- Malik (685-705), 5. Kalif aus dem stern Wall Tunnel, also den Tunnel Omaijadenhaus. Erbaut über dem Felsen entlang der Klagemauer. Der Teil Morija. der Westmauer, der heute sichtbar ist und Klagemauer genannt wird, Heiliger Fels: El-Sakhra beläuft sich nur auf etwa 60 Meter. Die Stelle, wo Abraham Isaak opfern Der Großteil der Westmauer aber wollte (1. Mose 22) und wo dem Islam liegt unterirdisch und verläuft unter zufolge Mohammed auf seiner Stute Al- den Gebäuden der Altstadt. Durch Burak in den Himmel ritt (Sure 17,9). den begehbaren Tunnel können weitere 485 Meter der Mauer be- Referentin: Erika Wagner sichtigt werden.

Seite 37 Tag 9 Jerusalem, Montag, 30. Juli 2012

liefen wir auf einer herodianischen Straße – „This is where Jesus wal- ked“ –, sahen das Warren-Tor, der nächstgelegene Punkt zum Allerheiligsten des ersten Tempels und damit der heiligste Platz im Tunnel, sowie den Weststein, der als schwerster Gegenstand gilt, der Um 515 vor der Zeit wurde der je von Menschen ohne moderne zweite Jerusalemer Tempel gebaut, Maschinenkraft bewegt wurde. Der welcher der Überlieferung nach von Ausgang aus dem Western Wall Herodes dem Großen ab 20 v.d.Z. Tunnel ist auf der Via Dolorosa, ausgebaut wurde. Erst sein Urenkel über die wir schließlich wieder Herodes Agrippa II. vollendete zurück zur Klagemauer gingen. die Klagemauer. Die Westmauer Es fiel uns nicht zum ersten Mal ist demnach nicht die Mauer des auf, doch heute wurde es besonders zweiten Tempels, sondern die West- deutlich: die Mechiza, zu deutsch: mauer des Plateaus, auf dem sich Trennung. Diese Vorrichtung dient der zweite Tempel befand. Trotz der der räumlichen Trennung der Ge- Zerstörung des Tempels 70 n.d.Z. schlechter in der Synagoge oder an blieben die Mauern erhalten, ein Plätzen für jüdische Rituale und Teil wurde später abgetragen. In soll der Ablenkung oder vermin- der darauffolgenden Zeit wurde derten Konzentration vorbeugen. die Mauer immer wieder über- baut, nur der Teil der heutigen Klagemauer blieb bestehen. Geht man den Tunnel entlang, kann man die verschiedenen Schichten der Mauer entdecken, insgesamt sind fünf Bauphasen zu benennen: Die unterste Schicht stammt vom (ersten) Salomonischen Tempel, darauf folgt der (zweite) Herodia- nische Tempel. Weiterhin wurden zwei muslimische Mauern gebaut und schließlich sind Mauerteile aus der Neuzeit zu sehen. Im Tunnel

Seite 38 Jerusalem / Tempelberg

Mechizot können Mauern, Wände diese an der Klagemauer, die auch oder Vorhänge sein, meist sind sie als Freiluft-Synagoge bezeichnet in der Richtung von Männern zu wird. „Im Talmud finden sich nur Frauen blickdicht. Nicht nur in spärliche Hinweise auf eine Auftei- allen Synagogen, die wir bisher be- lung des Synagogenraumes durch sichtigten, auch an der Klagemauer Krüge und Schilfstäbe“, so der steht eine Mechiza, die unsere Publizist Lukas Andel. Und doch Gruppe trennte. hat sich die Separierung durchge- Wir überquerten gerade die Mu- setzt, zwei Drittel der Klagemauer ghrabi-Brücke, als wir beobachten, sind den Männern vorbehalten. dass vor der Klagemauer eine Bar Nun bestreiten konservativ-liberale Mizwa gefeiert wurde. Dabei befan- Jüdinnen die religiösen Vorrechte den sich Frauen und Männer auf der Männer, denn im orthodoxen der für sie vorgesehenen Seite und Judentum wird diese Ausgrenzung feierten. Doch die Besonderheit nicht als Benachteiligung verstan- folgte: Die Frauen kletterten auf den: „Frauen wird im orthodoxen Stühle an der Mechiza und lehnten Verständnis keine gleichberech- sich über sie, um die Feierlichkeit tigte gesellschaftliche Rolle bei- weiter zu verfolgen. Die Trennwand gemessen“, so Andel. Wenn also schien die Feierlichkeit zu stören, eine Geschlechtertrennung sein auch ihre religiöse Bedeutung muss, wie wäre es dann mit einer wurde missachtet. Es gab bereits Mechiza aus einseitigen Spiegeln, eine Vielzahl an Diskussionen durch die Frauen die feierlichen über die Mechizot, besonders über Zeremonien auf der Männerseite Seite 39 Tag 9 Jerusalem, Montag, 30. Juli 2012 betrachten können? Diesem An- trag mehrerer Frauen wurde im August 2010 stattgegeben und der Neubau beschlossen, doch auch die Frauen unserer Gruppe befanden sich nach wie vor rechts von der Holzwand. Aus diesem Grund stie- gen die Frauen der Feiergesellschaft vermutlich auch auf die Stühle, um hinübersehen zu können. Die verschiedenen Auffassungen ortho- doxer und liberaler Juden treffen in Jerusalem aufeinander, besonders hier an der orthodox dominierten Klagemauer.

Obwohl Ramadan war, gelang es uns, über die Mughrabi-Brücke auf den Tempelberg zu gehen. Dort be- trachteten wir die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom – hineingehen durften wir leider nicht –, bevor wir den Tempelberg durch das Bab el-Qattanin–Tor verließen. Zum vierten Mal führte uns unser Weg durch die Sicherheitskontrolle vor der Klagemauer, bis wir Zeit bekamen, diese religiöse Stätte des Judentums auf uns wirken zu lassen. Seite 40 Jerusalem / Jüdisches Viertel

Um 12.00 Uhr liefen wir ins Jerusalem. jüdische Viertel Jerusalems, wo Das jüdische Viertel uns am Platz der Beit Yaakov gleich zwei Bar Mitzwa-Feiergesellschaf- „Jerusalem ist Wirklichkeit, Jerusalem ist ein ten begegneten. In der Karaite Begriff; Jerusalem ist Sehnsucht, Jerusalem Jewish Synagogue, der ältesten ist Geschichte; Jerusalem ist das Irdische; Synagoge in Jerusalem, erwartete Jerusalem ist das Himmlische; Jerusalem ist uns der Karäer Jehoschua Levi. Die die Seele des Volkes; Jerusalem ist der Leib Karäer verstehen sich als jüdische Israels; Jerusalem ist die Stadt des Heiligen, Religionsgemeinschaft, welche die gelobt sei Er`; Jerusalem ist die Hauptstadt Israels; Jerusalem ist das Zentrum der Welt Heilige Schrift als einzige und allei- (…) Jerusalem ist Vergangenheit, Gegenwart nige Gesetzgebung anerkennt. Dies und Zukunft – ein erfüllter Traum. Es gibt steht im Gegensatz zur Mehrheit keinen Ausdruck der Schönheit, der Liebe und des Judentums, in der auch das rab- des Lobes, der von Jerusalem ausgespart wurde binische Schrifttum eine wichtige und wird (…)“ Ben-Zvi, Yad Izhak: Jerusalem From Biblical to Modern Times, S.287, In: Elon, M. (Hg.): City Rolle spielt. Nach einem Vortrag of Hope, Jerusalem 1966. von Herrn Levi legten wir eine Mittagspause ein. Danach gingen Süd-östlicher Teil der Altstadt wir zur Hurva Synagoge und zu den Im Osten durch den Haram und das Stadt- vier Sephardischen Synagogen: die tal, im Westen durch das armenische Viertel Jochanan-ben-Sakkai-, die Elihu- und im Norden durch das Quertal und die darüber verlaufende Straße des Kettentors ha-Navi-, die Istanbuli- sowie die abgegrenzt. Derzeit ist eine Ausweitung Emza’i-Synagoge. im Norden in das muslimische Viertel zu Den Abschluss des Nachmit- erkennen. tags bildete die Besichtigung der Bereits in frühislamischer Zeit konzen- Cardo, der teilweise freigeleg- trierte sich die jüdische Ansiedlung auf ten ehemaligen Hauptstraße aus diesen Stadtteil. Unter dem Sultan Baibars römisch-byzantinischer Zeit. In (geb. ca. 1223 – gest. 1277 in Damaskus) gründete der sephardische Rabbiner Moshe dem Bazar, dem im 12. Jahrhun- ben Nachman eine jüdische Gemeinde. dert von Kreuzfahrern errichteten überdachten Bereich, befinden sich Ramban – Synagoge heute wieder Geschäfte, vor allem Älteste Synagoge in Jerusalem. Erbaut an Kunstboutiquen und Juweliere. der Stelle eines älteren von den Kreuzfahrern Der Tag sollte mit einer beson- zerstörten Versammlungshauses. Um 1267 deren Veranstaltung enden. In der von Rabbiner Moshe ben Nachman (geb. 1194 in Girona – gest. 1270 in Palästina) Davidzitadelle erwartete uns eine wiederaufgebaut. 1586 erfolgte die Schlie- Lichtshow mit Musik, also eine ßung durch den osmanischen Gouverneur Projektion von Bildern auf die von Jerusalem Abu Seifin. 1835 Renovie- Mauern der Zitadelle, welche die rung und Wiedereröffnung. Über die Jahre Geschichte Jerusalems erzählte. wurde das Bethaus von der sephardischen Diesen beeindruckenden Abschluss Gemeinde genutzt, daneben wurde es zeit- ließen wir schließlich mit den weise auch als Mosche verwendet. Durch den Israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 weiteren Erlebnissen des Tages auf wurde die Synagoge zerstört. Nach dem der Dachterrasse des Hotels Revue Sechs-Tage-Krieg 1967 Wiedererbau-ung passieren. und Nutzung als Synagoge mit Lehrhaus. Laura Lange Seite 41 Tag 9 Jerusalem, Montag, 30. Juli 2012

Hurva – Synagoge (Bet-Ya´acov - Synagoge) HaHurva hebr. „Die Ruine“. Schavtai Zvi Die Stambuli Synagoge ist das jüngste, größ- (1626 – 1676) inspirierte unter anderem te und einfachste Bethaus. Kuppelbau mit R. Jehuda ha-Chassid, eine messianische unregelmäßigen Seitenschiffen und einer Gruppe aus Polen 1700 nach Jerusalem zu Tora-Nische in der nördlichen Ecke. Bema ziehen und die Ankunft ihres Messias zu mit bemalten Holzsäulen kommt aus Pesaro, erwarten. Nach dem Tod von ha-Chassid die weitere Ausstattung aus Ancona. wurde auf seinem Grundstück eine Synagoge erbaut, um die kabbalistischen Anan ben David Synagoge Traditionen der Aschkenasen zu pflegen. Im 15. Jahrhundert Gemeinde der jüdischen 1721 wurde die Synagoge, durch die isla- Sondergruppe der Karäer. Synagoge wurde mischen Gläubigern zerstört. Erst 1856 1948 teils zerstört, 1967 restauriert. Seit der bis 1864 wurde die Synagoge mit Hilfe Gründung Israels befindet sich in Ramle der Familie Rothschild wieder erbaut. eine ca. 20 000 Menschen umfassende Nun hatte sie vier hohe Bögen in jede karäische Gemeinde. Himmelsrichtung und eine mächtige 24m hohen Kuppel. Erneute Zerstörung 1948 Tiferet Israel Synagoge durch die Jordaniener. Seit 1977 dienen Diese „Pracht Israels“ wurde 1862-72 als die Ruinen als Mahnmal. Zentrum der chassidischen Gemeinde errichtet. Umfasste ca. 14 mal 20m Grund- Vier sephardische Synagogen fläche und eine 20m hohe Kuppel. Durch die Schließung der Ramban- 1948 von den Jordaniern zerstört, 1967 Synagoge entstand nach und nach dieses provisorisch renoviert. Die westliche Seite Synagogenzentrum von vier Bethäusern, weist drei Tore auf, die an die antiken Syn- welche unmittelbar miteinander verbun- agogeneingänge erinnern. Das nördliche Tor den sind. führt zum Untergeschoß, in dem noch eine Zisterne und ein Ritualbad zu sehen sind. Die Synagoge des Rabbi Jochanan ben Zakkai ist die größte und wichtigste Old Jishuv Courtyard Museum Synagoge. Um 1625 erstmals in einen Dieses Museum bietet einen Einblick in anonymen Brief erwähnt. Leicht trape- das jüdische Familien- und öffentliche Alt- zoide Halle mit drei Kreuzgratgewölben. stadtleben des 19. und des beginnenden 20. Bema in der Mitte, deren offenes Gitter Jahrhunderts. Umfasst einen se-phardischen bei Hochzeiten den Baldachin trägt, und und aschkenasischen Wohnraum, der eine doppelte Toraanische in gotischem sephardischen Ari-Synagoge sowie der asch- Stil in der Ost-Wand. Sitz und Inthroni- kenasischen Or ha-Cha-jim-Synagoge und sationsort des Rischon le-Zion, der vom zeigt Dokumente der „alten Besiedelung“. osmanischen Sultan als Repräsentant der Referntin: Julia Jokel Juden Palästinas anerkannt war.

Die Synagoge des Propheten Elija ist ein fast rechteckiger Raum mit Kuppel, dessen Toranische in der nördlichen Ecke angebracht ist.

Die Emzai Synagoge ist ein langgestreckter Raum mit Kreuzgratgewölben. Heutzutage wird sie von der Mitnaggedim Gemeinde genutzt.

Seite 42 Totes Meer / Qumran

Qumran

Unter gegenwärtigem Forschungsstand ent- Qumran, zieht sich Qumran immer die Essener_innen noch einer eindimensionalen und die Schriftrollen Interpretationsperspektive“ - Ferdinand Rohrhirsch

Qumran: ca. 50 km östlich von Jerusalem, Warum waren die Schriftrollen in den in der Wüste Juda am Toten Meer. Die Höhlen versteckt? Bewohner_innen Qumrans - wer und wie • Hängt wahrscheinlich mit dem ersten könnte es gewesen sein? jüdischen Aufstand (ca. 66 n. chrstl. Z.) Verschiedenste Annahmen zum Wesen der zusammen – aus Angst vor der Zerstö- Gruppe: asketische Männer-gemeinschaft rung ihrer Siedlung Qumran und der ohne Besitztum und Frauen? Das Gottes- Schriftrollen von den Bewohner_innen volk „Jachad“? Oase mit Dattelpalmen? versteckt Gemeinschaft von Frauen, Männern und • Oder Sammlungen einer Bibliothek/ Kindern? Jerusalemer Bibliotheken, die aus Angst Funde von weiblichen Leichen auf dem vor Zerstörung durch Römer_innen Friedhof und Schmuck versus Berichte von außerhalb Jerusalems versteckt wurden jüdisch- römischen Autoren (z.B. Flavius Josephus) - genauere Betrachtung der Anlage Bedeutung des Fundes: in Qumran durch weitere archäologische • Beweis dafür, wie verlässlich die biblische Funde zeichnen verschiedene Bilder einer Überlieferung über Jahrhunderte war möglichen Wahrheit, wer dort nun lebte (im Vergleich mit späteren Handschrif- und wirkte. ten) • Beweis für die Existenz der Essener - Ver- Die Schriftrollen tiefung der Kenntnisse über ihr Leben • zwischen 1947 und 1956 rund 850 und die Theologie (da die Überlieferung Schriftrollen aus der Zeit des zweiten aus erster Hand, nicht nur Erwähnung Tempels von Beduinen entdeckt (etwa bei römischen und jüdische Autoren von 20 Rollen vollständig erhalten) außen). • die meisten auf Hebräisch, einige auf • Kein Beweis allerdings, ob die be- Aramäisch oder Griechisch und in schriebene Gemeinschaft tatsächlich in Geheimschrift Qumran lebte. • literarischer und religiöser • Wohl größte archäologische Sensation Textcharakter: des letzten Jahrhunderts. 1/3 enthalten religiöse Texte, 1/3 be- Referentin: Rachel de Boor schäftigen sich mit dem Leben einer jü- dischen Gemeinschaft und alle übrigen reden von jüdischem Leben allgemein (zu verschiedener Zeit und von unter- schiedlichen Verfassern geschrieben)

Seite 43 Tag 10 Jerusalem, Dienstag, 31. Juli 2012

Um 7 Uhr 30 fuhren wir mit dem Bus von Jerusalem nach Qum- ran in die Wüste Juda am Toten Meer. Dort besichtigten wir die Ruinen einer Siedlung der Yahad- Gruppe, welche zurückgezogen in der Wüste lebte. An dieser Stelle wurden zwischen 1947 und 1956 die Qumran- Schriftrollen gefun- den. Vor Ort besichtigten wir das kleine Museum, konnten einen erklärenden Film sehen und uns die verbleibenden Ruinen in der Wüste anschauen. Rachel de Boor gab uns in ihrem Referat Details zu der Yahad-Gruppe und den Schriftrollen.

Seite 44 Totes Meer / Ein Gedi und Masada

Nach diesen ersten imposanten Ein Gedi und Masada Eindrücken fuhren wir nach Ein Gedi in den Nationalpark. Dort gibt es in der Wüste einen Was- serfall, der eine kleine Oase speist. Wir gingen im Gelände spazieren, konnten in der Quelle baden und Tiere beobachten. Gleich im Anschluss fuhren wir an das Tote Meer. Trotz der angezeigten 44°C ließen sich die meisten ein kurzes Bad darin mit den obli- gatorischen Zeitungsfotos nicht nehmen. Nachdem wir dort zu Mittag gegessen hatten, ging die Reise in unserem klimatisierten Bus weiter nach Masada. Auf dem Weg dorthin stimmte uns Heinz Schulze mit Berichten von Flavius Josephus auf das Erlebnis ein. Auf die Herodesfestung fuhren wir mit der Seilbahn. Oben an- gekommen erkundeten wir die Umgebung. Die atemberaubenden Ausblicke lenkten uns von der Hitze ab. Bergab ging es zu Fuß. Unten angekommen wartete auch schon unser Bus.

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Masada - Geschichte und Mythos

Die Festung war danach römische Garni- son. Im vierten Jahrhundert siedelten dort Mönche. Als im siebten Jahrhundert die 1. Masada – eine Festung in der Muslime Palästina eroberten, verschwanden Judäischen Wüste die Mönche. Masada wurde vergessen. Lage am Südwestende des Toten Meeres. Ein frei stehender Tafelberg vom Toten Meer 3. Wiederentdeckung und Ausgrabung aus 400 Meter hoch. Auf ihm eine Festung Die Festung und die Geschichte des Flavius (hebräisch: „Mezadá“). Josephus blieben vergessen, bis sie im 19. Erbaut im Wesentlichen von König Jahrhundert, wieder entdeckt wurde. Herodes I. (dem Großen) in den Jahren 40 Ab1963 grub Yigael Yadin von der Hebrä- v. Chr. bis 30 v. Chr. ischen Universität die Festungsanlage aus.

2. Jüdischer Krieg 4. Mythos Masada – Bedeutung für Etwa sechs Jahrzehnte nach Herodes’ Tod die zionistische Idee und Wandel machten Römer Judäa endgültig zu rechtlo- Der Mythos von Masada wurde wesentlicher sen Provinz. Und unterdrückten das Volk. Bestandteil der zionistischen Idee und die Durch die fortwährende Unterdrückung n Masada belagerten zu Freiheitskämpfern, kam es 66 n. Chr. zum ersten großen Patrioten und wehrhaften Helden der jüdi- jüdischen Krieg gegen die römische Be- schen Geschichte stilisiert. satzung. Nach der Gründung Israels wurde der My- Der Krieg endete aufgrund erheblicher thos als Freiheitssymbol ausgebaut. Er galt römischer Übermacht mit der Eroberung als Symbol jüdischen Überlebenswillens. Jerusalems sowie der Zerstörung des Die Rekruten der Armee wurden auf dem Tempels. Bergplateau vereidigt. Eine große Gruppe Widerständler zog sich Moshe Dajan: „Masada ist zu einem Symbol nach Masada zurück und verschanzte sich des Heldentums und der Freiheit für das jü- dort. Eine zeitgenössische Quelle, Flavius dische Volk geworden, dem es sagt: Kämpfe Josephus, römisch-jüdischer Historiker, lieber bis zum Tod, als dich zu ergeben; ziehe berichtet in seiner „Geschichte des jüdischen den Tod der Sklaverei und dem Verlust der Krieges“ über die römische Belagerung Freiheit vor.“ von Masada mit zehntausend Mann. Laut Diese Stilisierung hatte mit dem Bericht Flavius Josephus waren exakt 960 Menschen von Flavius Josephus’ Bericht nicht mehr in der belagerten Festung. Da das klassische viel zu tun. Deshalb ergab sich ein Wandel „Aushungern“ der Belagerten wegen der gu- in der Einschätzung des Mythos. Man hin- ten Versorgungslage nicht gelingen konnte, terfragte, ob es sich bei dem Massenselbst- ließ der Statthalter Flavius Silva eine Rampe mord wirklich um Märtyrertum handelt. aus Erde und Steinen aufschütten. Besonders auch, weil Selbsttötung nach der Damit gelang es nach Monaten, die Halacha (dem jüdischen Religionsgesetz) Festung zu erobern. Als die Römer in die verboten ist. Festung eindringen, finden sie verbrannte Ob die Situation in Masada als mögliche Vorräte und Gebäude sowie alle Belagerten Ausnahme gilt, ist unter Religionsgelehrten tot vor. umstritten. In der gesamten rabbinischen Laut Flavius Josephus haben die Belagerten Literatur ist Masada nicht erwähnt. beschlossen, lieber als freie Menschen zu Die zunehmenden kritischen Diskussionen sterben als den Römern in die Hände zu haben dazu geführt, dass Masada heute fallen: „Ein ruhmvoller Tod ist besser als ein „entsakralisiert“ ist. Leben im Elend“. Referent: Heinz Schulze

Seite 46 Totes Meer / „Beduinendorf“

Ein „Beduinendorf“

Zelt. Dieser erklärte uns die Tee- und Kaffezeremonie seines Clans, hinter der sich allerhand nonver- bale Bedeutungen verbanden, etwa die Zustimmung zu einer Hochzeit, wenn während einer entsprechen- den Anfrage drei Tassen Kaffee geleert werden. Wir erfuhren, dass der unsere Fragen beantworten- de Beduine selbst nicht vor Ort lebt, sondern dass dieses Camp für Touristen gebaut wurde, um die Lebensweise der Beduinen zu zeigen. Er lebe aber immer noch in einem Zelt und seine Familie ziehe auch weiterhin dreimal im Jahr um. Allerdings gehen auch immer mehr junge Leute an Universitäten und Zu Abend aßen wir in einem erlernen Berufe, die sie außerhalb Beduinendorf unweit von Masada. des Wüstenlagers ausüben. Die Wir wurden mit frischem Wasser Bevölkerungsgruppe der Beduinen und Melone begrüßt und trafen wird in der offiziellen Berichterstat- dann einen Beduinen in seinem tung zu Israel nur selten erwähnt,

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obwohl sie 10% der arabischen Be- völkerung ausmachen. Bereits bei der Einfahrt nach Jerusalem fielen uns die ärmlichen Behausungen der Beduinen am Rande der Autobahn auf. Das Lager, welches wir besu- chen durften, ist allerdings sehr gut ausgestattet und für westliche Touristen aufbereitet. Nachdem wir in den vergan- genen Tagen eine jüdische Frie- Auf der Rückfahrt passierten wir densaktivisten und einen christlich- palästinensische Gebiete und fuh- arabischen Palästinenser treffen ren unter anderem an Hebron und konnten, war es toll auch die Be- Bethlehem vorbei. Den Abend ver- duinen kennenzulernen. Allerdings brachten wir auf dem Dach unseres gab es nicht genug Zeit alle unsere Hotels in Jerusalem und feierten Fragen zu beantworten. Ich konnte mit Blick auf den Felsendom den noch herausbekommen, dass es an Geburtstag von Sina Schultze. der Ben Gurion Universität Negev Michelle Somnitz ein Zentrum für Beduinenstudien- und Entwicklung gibt, welches sich um die Ausbildung der be- duinischen Jugend kümmert. Auf diese Art soll die Bildung verbessert werden, damit die Beduinen besser für ihre Belange eintreten können. Unser Abendessen fand nun in ei- nem anderen Zelt statt. Wir saßen auf der Erde auf Kissen und aßen traditionell beduinische Speisen wie Fladenbrot, Hackfleischbäll- chen, Gemüse und Humus.

Seite 48 Jerusalem / Yad Vashem Yad Vashem

„Denkmal und Name“ und lehnt sich an Jes 56,5 an: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals getilgt wird.“

Am letzten gemeinsamen Tag rennte sich die Gruppe bereits nach dem Frühstück. Die einen besuch- ten die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem und die anderen besuchten mit Gabriella das hauptsächlich von ultraorthodoxen Juden be- wohnte Viertel, Mea Shearim. Bevor die Gruppe zur Gedenkstätte aufbrach, machte sie noch Halt an einem katholischen Friedhof, um das Grab von Oskar Schindler zu besuchen. Es war von Weitem zu erkennen, da auf ihm viele Stein- chen lagen. Yad Vashem steht für

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Yad Vashem

Gerade für Deutsche ist es eine beklem- haben. Der Museumsbau öffnet sich am mende Erfahrung, die aber in keinem Ende hin zu einer Terrasse, hinter der man Reiseprogramm fehlen sollte. Denn die auf das Jerusalem der Gegenwart blickt, auf Gedenkstätte auf dem Berg der Erinnerung das Leben auf die Zukunft. am Rand Jerusalems gibt dem Holocaust ein Zum Museum gehören die weltweit Gesicht. Aus anonymen Daten und Fakten größte Ausstellung über Kunst aus der werden persönliche Schicksale. Daher auch Holocaust-Zeit, eine Synagoge und ein der Name der Gedenkstätte. Medienzentrum. Auf dem Gelände gibt Die Anlage besteht aus verschiedenen es weitere Stationen, die erinnern und einzelnen Lern- und Gedenkorten. Einer anrühren. Beispielsweise die Halle der Er- von ihnen ist das im Jahr 2005 eröffnete innerung, in der die Gedenkflamme für die Museum zur Geschichte des Holocaust. Opfer des Holocaust brennt und in der die Seine längliche Form soll an einen Nagel Namen der 22 größten Konzentrationslager erinnern, der durch einen Berg getrieben auf dem Boden eingraviert sind. Besucher wurde. Der erste Eindruck, den man beim werden auch von der Kindergedenkstätte Betreten erhält, ist eine Filmcollage, die das tief berührt, einem abgedunkeltem Pavil- jüdische Leben vor der großen Katastrophe lon, in dem Kinderporträts durch Spiegel dokumentiert. Kinder spielen, Menschen holo-grammartig in der Luft schweben. tanzen. Ganz normaler Alltag. Als nächstes Dazu werden endlos Namen, Geburtsort begegnet man einer Glasvitrine, in wel- und Alter vieler Kinder von einem Tonband cher der Hosentaschenbesitz eines jungen verlesen. Im nächsten verdunkelten Raum Mannes ausgestellt werden, die er bei sich brennen Kerzen, die durch Spiegelmontagen trug, als er von den Nazis auf offener Straße unendlich oft reflektiert werden. Ein Symbol erschoßen wurde. Das anonyme Grauen für die Kinder, die im Holocaust ermordet wird hier exemplarisch ent-anonymisiert. wurden. Geblendet vom Tageslicht tritt man Anhand zahlreicher Exponate und Filme wieder nach draußen. spannt die Ausstellung den Bogen vom Das Denkmal zur Erinnerung an die Aufkommen des Nationalsozialismus über Deportierten erinnert mit einem originalen die Vernichtungslager bis zur Befreiung. Waggon der Reichsbahn, der über dem Dabei wird natürlich die furchtbare Rolle Abhang auf einer ins Nichts führenden Hitler-Deutschlands dargestellt, aber die Brückenkonstruktion steht, an die Transpor- Erzählung verliert sich nie in einer platten te in die Konzentrationslager. Yad Vashem Einzelanschuldigung. Es wird beispielsweise – ein erschütterndes Mahnmal gegen das betont, dass es auch in anderen Ländern Vergessen. Antisemitismus gab und Ausschwitz auch Bedrückend ist auch das Tal der Ge- für das Versagen der Alliierten, für ihr Nicht- meinden, jener ein Hektar großer laby- Eingreifen steht. Die Geschichte der Juden- rinthartiger Gedenkort, in dem sich nach verfolgung steht zwar ver-ständlicherweise Ländern sortierte große Steine finden, im Fokus, aber es werden auch andere Opfer auf denen die Namen aller ausgelöschten des Naziterrors (Behinderte, Homosexuelle jüdischen Gemeinden Europas eingraviert usw.) nicht außen vorgelassen. Teile der sind. Im Garten der Gerechten wird Men- Ausstellung, wenn auch kleine, sind ihnen schen wie Oskar Schindler gedacht, die ihr gewidmet. Leben für die Rettung von Juden einsetzten. Die Halle der Namen ist der letzte Raum Dabei fällt die Zahl der Geretteten nicht ins dieser Ausstellung. Unter einer beeindruc- Gewicht. Gedacht wird sowohl Menschen, kenden Kuppel mit Porträts stehen Akten- die tausenden, aber auch jenen, die zwei ordner, in der jedes Opfer ein Gedenkblatt Juden retteten. erhalten hat - ein symbolischer Friedhof für Referent: Patrick Diemling diejenigen, die weder Grab noch Grabstein

Seite 50 Jerusalem / Yad Vashem und Mea Shearim

Auf dem Gelände der Gedenk- stätte fanden wir folgenden Abtei- lungen: Museum zur Geschichte des Holocaust, verschiedenste Denkmäler (Halle der Erinnerung, Denkmal für die Kinder, Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten uvm.), ein Archiv samt Forschungs- zentrum und eine Bibliothek. Allerdings war es in vier Stunden nicht möglich alles zu besichtigen, sowohl aus Zeitgründen als auch emotional. Das Gelände konnte jeder nach eigenem Ermessen er- schließen. Danach ging es für einige zu- rück zum Hotel und sie durften sich die Zeit bis zum Abendessen frei einteilen, wobei einige den letzten Shoppingbedürfnissen nachgingen oder einfach in Ruhe den emotionalen Mittag versuch- ten zu verarbeiten. Wieder andere machten sich auf den Weg zu den Chagall-Fenstern in der Synagoge der Hadassah-Universitätsklinik Seite 51 Tag 11 Jerusalem, Mittwoch, 1. August 2012 Yad Vashem und Mea Shearim in Ein Kerem. Chagall gestaltete zwölf Fenster, die je einen der zwölf Söhne Jakobs und somit der zwölf Stämme Israels zum Thema haben. Die andere Gruppe begann nach dem Frühstück mit dem Rund- gang und sie versuchten auch ihre Kleiderordnung dementsprechend anzupassen, denn mit „normaler“ Holy-Place-Kleidung sollte man dischen Gruppierungen getragen dort nicht hineingehen, wobei es werden. Gabrielle führte uns diese trotzdem nicht schwer zu erken- vor und wie sie hergestellt werden. nen war, dass wir nicht einer von Unsere Aufgabe war es zu beschrei- ihnen waren. Alle Anwesenden ben, was an ihrer Kleidung falsch fühlten sich wie in einer anderen sei, was sozusagen erkennen lässt, Welt. Männer wechselten die dass man eventuell nicht einer aus Straßenseite, als sie uns sahen oder der Gruppierung sei, die man in hielten sich lieber gleich die Augen Mea Shearim fand. zu. Wir wurden sogar vom Balkon Auch nach dem Ende dieser aus beschimpft. Obwohl auf einem Gruppe, durfte sich jeder seine Schild stand, dass man mit Grup- Freizeit einteilen und auch hier pen nicht in ein bestimmtes Gebiet gab es einige, die noch durch die vordrängen sollte, ging unsere jü- Stadt bummelten oder Mittagschlaf dische Leiterin Gabrielle trotzdem machten. mit uns hinein. Es kam jedoch ein Nach dem Abendbrot sollte es scheinbar ultraorthodoxer Jude auf noch einen Gang zum Ölberg mit uns zu und sprach sie auf Hebräisch passendem Referat geben. Aller- an, dass wir stören und hier kein dings zeigten sich doch gegen Ende Platz für uns sei. Sie entgegnete der Reise die Erschöpfungserschei- ihm, dass er laut seiner Tradition nungen und die Gruppe beschloss, überhaupt gar nicht erst mit ihr, dass wir das Referat und die Aus- weil sie eine Frau ist, sprechen dürfe wertung stattdessen auf dem Dach und schon gar nicht auf Hebräisch, des Hotels mit Blick auf den Ölberg denn sie dürften nur Jiddisch spre- machten. Danach fingen die ersten chen. Daraufhin ging er. Nach dem an ihre Sachen zu packen, weil sie fesselnden Rundgang durften wir in der Nacht schon abreisten. An- auf dem Dach unseres Hotels noch deren ließen den Abend bei Wein einige Kleidungsstücke probieren, und Knabbereien ausklingen. die auch von verschiedensten jü- Jeanine Laurisch

Seite 52 Jerusalem / Ölberg

Der Ölberg und seine Bedeutung

Die Bedeutung für endzeitliche Erwartung: Jüdischer und mosle- mischer Friedhof 1. Das Mariengrab Jüdischer Glaube: Der Messias angebliches Grab von Maria, der Mutter wird über den Ölberg nach Jeru- Jesu; stammt aber erst aus dem 12. Jh. salem einziehen und im Tal des Kidronbaches unterhalb des Hügels 2. Garten Gethsemane das Jüngste Gericht halten. (vgl. Ez Hebr. Gath-Shamma (=Kelter für 11, 23 und Sach 14,4) Öle, Ölpresse), der Garten, in dem Jesus be- An diese Schriftworte knüpft tete, bevor er verraten und ans Synhedrium übergeben wird (vgl. Mt 26 par) Jesus in Mt 24, 1-44 an, als er mit Nachdem Jesus mit seinen Jüngern am seinen Jüngern auf dem Ölberg Vorabend zum Freitag vor dem Pessachfest über die Endzeit spricht (Themen: (heute: Gründonnerstag) zusammengeses- Tempelzerstörung, Wiederkunft, sen hatte, ging er mit ihnen nach Gethsema- Weltgericht,...) ne. Dort wurde er von Todesangst geplagt und betete, während die Jünger schliefen (vgl. Mt 26, 36 par)

3. Die Kirche der Nationen Auch: Todesangstbasilika, Kirche aller Na- tionen, lat. Basilica Agoniae Domini. Über dem Felsen, an dem Jesus in Todesangst gebetet haben soll (vgl. Mk 14, 32-36 par), ließ Kaiser Theodesius I. im 4. Jh. eine Basilika bauen Zwischen 1919 und 1924 mithilfe von Spenden aus vielen Ländern errichtet Bild des Verräterkusses (Mt 26, 45-48) Giebelmosaik über Hauptportal zeigt Jesus als Mittler zwischen Erde und Himmel

4. Maria-Magdalena-Kirche Russisch-orthodoxe Kirche; prunkvoll- barocker Bau mit sieben vergoldeten Kup- peln. 1885 von Zar Alexan-der III. zum Gedächtnis an seine Mutter gebaut.

5. Dominus Flevit Franziskanerkapelle, Name: „Der Herr hat geweint“ 1955 in Form einer Träne über den

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Fundamenten einer Kirche aus dem 5. Jh. 8. Kidron-Tal Jesus weinte dort, als er zum letzten Mal Südlich der Gethsemane-Kirche, setzt sich nach Jerusalem zog, über das künftige fort im Josaphattal; trennt den Tempelplatz Geschick der Stadt (vgl. Lk 19, 41-44) (Berg Morija) vom Ölberg. Juden erwarten hier das Jüngste Gericht (vgl. Joel 4, 1f). „Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt Ebenso die Muslime, nach deren Über- an und weinte über sie und sprach: Wenn lieferung ein Seil von der Tempelzinne doch auch du erkenntest zu dieser deiner Zeit, über das Tal zum Ölberg gespannt werden was zu deinem Frieden dient! Aber nun ist’s wird, über das die Gerechten, gestützt von vor deinen Augen verborgen. Denn es wird ihren Schutzengeln, hinübergehen werden, die Zeit über dich kommen, daß deine Feinde wohingegen die Sünder abstürzen werden werden um dich und deine Kinder mit dir in die Verdammnis. eine Wagenburg schlagen, dich belagern und an allen Orten ängsten; und werden dich 9. Der Jüdische Friedhof schleifen und keinen Stein auf dem andern und Gräber der Propheten lassen, darum daß du nicht erkannt hast die Grund: der Wunsch, am Jüngsten Zeit, darin du heimgesucht bist.“ Tage an diesem Ort zu sein (s.o). Friedhof reicht bis ins 2. Jahrtausend vor Christus 6. Pater-Noster-Kirche zurück. An dieser Stelle soll Jesus die Jünger das Aus dem Fels gebaute Grabmonu-mente: Vater Unser gelehrt haben (Lk 11, 2-4). nach Gestalten des AT und NT benannt, Das Gebet ist in 80 Sprachen auf Fayen- stammen aber aus hellenistischer oder cetafeln zu lesen. herodianischer Zeit. (Achronismus); Bei- spiele: Grab Absaloms (erhob sich gegen 7. Himmelfahrtskapelle seinen Vater König David und wurde Im Moscheenbezirk im arabischen dafür mit Steinen beworfen. Zuschreibung Vorort El-Tur. Im 12. Jh. von Kreuzfah- unhistorisch), Zachariasgrab (Hoherprie- rern errichtete, oben offene Kapelle. ster und Prophet zur Zeit der jüdischen Bedeutung: Christi Himmelfahrt; Könige Ahasja und Joas) oder Gräber der „Und da er solches gesagt, ward er aufgehoben Propheten Haggai, Sacharja, Maleachi (5. zusehends, und eine Wolke nahm ihn auf vor & 6. Jh. v. Chr.) ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Him- Referentin: Laura Lange mel fuhr, siehe, da standen bei ih- nen zwei Männer in weißen Kleidern, welche auch sagten: Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr und sehet gen Himmel? Dieser Jesus, wel- cher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren.“ (Apg 1, 9-11)

Seite 54 Feedbackrunde

Sammlung der doxe Viertel Jerusalems wie Mea Shearim die Teilnehmer zu einer Zerstreuten über den Entscheidung gegen eine der Mög- lichkeiten zwang, obwohl sie gerne Dächern von Jerusalem beides wahrgenommen hätten. Grundsätzlich wurde jedoch das abwechslungsreiche Programm mit Aus Gründen der Erschöpfung einer gelungenen Kombination aus und angesichts rasch zunehmender Ausgrabungsstätten, dem Besuch Dunkelheit wurde mehrheitlich von Synagogen und Kirchen sowie beschlossen, die Abschlussrunde der Begegnung mit Menschen un- vom Ölberg auf das Dach des terschiedlicher kultureller Herkunft Holyland-Hotels mit Blick auf das sehr gelobt, da es verschiedenste Kidrontal, den jüdischen Friedhof Erfahrungen ermöglichte. Zugleich und die Olivenbäume zu verlegen. waren die Teilnehmer dankbar für Durch Lauras kenntnisreiche Aus- die Flexibilität, auf Wünsche wie führungen über die verschiedenen den Badestop am See Genezareth Highlights, die man bei einem einzugehen oder Programmpunkte ausgiebigen Gang über den soge- zu verschieben, wenn sich einige nannten har ha-setim entdecken auch bisweilen etwas mehr Freizeit kann, waren diejenigen, die am gewünscht hätten. nächsten Tag den Aufstieg nach- Sina S. stellte im Rückblick fest, holen wollten, gut vorbereitet und so viele unverzichtbare Seiten des mit den passenden Bibelstellen Landes kennengelernt zu haben ausgestattet. und dazu noch einige unbekannte- Im Anschluss nahm die Feed- re mehr, sodass sie zufrieden nach backrunde ihren Anfang, wobei Hause fährt. Dies bestätigte auch die vorgeschlagene Vorgehenswei- Patricia und ergänzte, dass sie auf se, einer Runde mit persönlichen jeden Fall wieder kommt, da immer Eindrücken eine weitere mit Lob noch so vieles zu entdecken bleibt, und Kritik zur Reise folgen zu was viele bestätigten. Michelle lassen, oft schwer umsetzbar war, zeigte sich auch erschöpft und ent- da beide Reflektionen ineinander spannt zugleich und erinnert sich, übergingen. Bezüglich des Pro- dass sie jeden Morgen gespannt gramms wurde mehrfach zum aufgewacht ist, was sie wohl an Ausdruck gebracht, dass die Tage diesem Tag wieder alles erleben sehr voll waren, man aber zugleich würde. Sebastian hält eine solche für die vielen Eindrücke dank- Exkursion für einen geeigneten bar war. Einige befürworteten Einstieg in das Land, um „einen mehr Wahloptionen, die Mehrheit Fuß in der Tür zu haben“. So ist war jedoch dafür, die meisten der erste Schritt getan und man Programmpunkte verpflichtend kann durch Medien vermittelte Ste- aufzustellen, damit man nichts reotype kritischer reflektieren. Ihn Wichtiges verpasst. Einig war sich faszinierten insbe-sondere die extre- die Gruppe jedoch darüber, dass die men Unterschiede von Ort zu Ort, Wahl am letzten Tag zwischen dem zwischen einzelnen Vierteln und Besuch von Yad vaShem und dem Bevölkerungs-gruppen, wobei diese geführten Rundgang durch ortho- Kontraste zum Teil abstoßend und Seite 55 Tag 11 Jerusalem, Mittwoch, 1. August 2012 reizvoll zugleich waren. Diese Kon- Pluralität oder den Nahostkonflikt zentration von unzähligen Lebens- geht. Anekdoten und unterwegs welten und Gegensätzen in einem gesammeltes An-schauungsmaterial solch kleinen Land verursachten können so mit Quellen und Medi- auch bei Monty und Christopher en verbunden werden und schwer „Feuerwerk im Kopf“, das noch Fassbares greifbarer machen. Auch zu verarbeiten bleibt. Daraufhin Sina N. hält solche Erlebnisse für betonte Janine die Notwendigkeit die notwendige Ergänzung zur er- der Nachbereitung. Immer wieder lernten Theorie im Studium. Viele kam man darauf zurück, dass der nur kurz wahrgenommene oder erste Tag mit Lydia Aisenberg in noch unklar gebliebene Zusam- Givat Haviva ein Sprung ins kalte menhänge müssen erst im Laufe Wasser im positiven Sinne war und der Zeit nachgearbeitet werden, einen geeigneten Einstieg darstell- wobei der Reisebericht mit den te, um für die „Lage“ im Land zu Protokollen und Handouts eine sensibilisieren – ebenso wie es gut erste Stütze ist. Julia ergänzte noch, war, Yad vaShem erst zum Schluss dass sie sich ein näheres Eingehen zu besuchen. Ruby hob hervor, dass auf aktuelle Diskurse, zum Beispiel sich auch „fachfremde“ Teilnehmer durch die Auseinandersetzung durch die gute Organisation sowie mit aktuellen Veröffentlichungen die interessanten Referate und Er- israelischer Autoren oder das Ein- läuterungen gut informiert fühlten. gehen auf aktuelle Zeitungsberichte Silvia lobte ebenfalls die fachliche gewünscht hätte. Sophies Ansicht Kompetenz der Reiseleitung, wel- zufolge wurde manchmal zu viel che ihrerseits begeistert war von diskutiert und abgestimmt statt ein der positiven Gruppendynamik, „Machtwort“ zu sprechen. Carolin die sich durch die Reise zog und äußerte ihre anfänglichen Beden- immer wieder für gute Laune ken, wie man sie als Deutsche in sorgte. Patrick Diemling zeigte sich Israel wahrnehmen würde, meinte beeindruckt davon, dass solch eine aber, ihre Besorgnis war völlig un- Rundreise auch mit einer großen begründet gewesen. Beim Besuch Gruppe von 27 Personen so gut heiliger Stätten war es ihr jedoch funktionieren kann. bisweilen unangenehm, da sie das Trotz aller Begeisterung war Gefühl hatte, Betende als Touristin deutlich geworden, dass die Reise zu stören. alle Teilnehmer sowohl körperlich Laura übernahm das Schlusswort durch die extrem hohen Tempe- und im Namen der Gruppe wurde raturen und Fußmärsche als auch jedem der vier überraschten Rei- emotional aufgrund von Eindrüc- seleiter ein sehr individuelles Ge- ken aus Yad vaShem, Gesprächen schenk als Dankeschön überreicht. mit Israelis und Palästinensern oder Dann löste sich die Versammlung der Reizüberflutung extrem gefor- auf und das nächtliche Jerusalem dert hat. Diese Erfahrungen gebe wurde ein letztes Mal in Klein- den angehenden Lehrern laut Sina grüppchen erobert. S. die notwendige Authentizität Jenny Vorpahl in der Arbeit mit Schülern, wenn es um Themen wie Religiosität, konfessionelle Vielfalt, kulturelle Seite 56 TeilnehmerInnen, Impressum

Danksagung

TeilnehmerInnen der Israel-Exkursion 2012

TeilnehmerInnen: Rachel de Boor, Dr. Patrick Diemling, Sebastian Gennrich, Christoph Groß, Sophie Hopfe, Julia Jokel, Ruby Jonas, Susanne Kron, Laura Lange, Jeanine Laurisch, Petra Lenz, Renate Lienau, Monty Mouw, Sina Nimtz, Patricia Nowaczyk, Zofia Nowak, Wenke Papenhagen, Sina Schultze, Heinz Schulze, Silvia Schulze, Michelle Somnitz, Celine Thorns, Patrick Tolxdorf, Carolin von der Heiden, Jenny Vorpahl, Erika Wagner, Marie Pauline Wiebe

Impressum

Reiseheft Israel-Exkursion 2012 Herausgeber: Universität Potsdam Lehrstuhl für Religionswissenschaft (Schwerpunkt Christentum) Am Neuen Palais 10

V. i. S. d. P.: Dr. Patrick Diemling

Wir danken den TeilnehmerInnenn für ihre Berichte, die namentlich gekennzeichnet sind. Sie geben ausschließlich die Meinung der Autorin/des Autors wieder.

Layout und Satz: Heinz Schulze Agentur praxisnah Vielen Dank auch an alle Fotografinnen und Fotografen, aus deren Alben wir für uns Druck: diesen Reisebericht bedienen konnten. AVZ Universität Potsdam

Seite 57 Karte und Teolnehmer Israel-Exkursion 2012 Danksagung 22. Juli bis 2. August 2012