A r n o l d F. R u s c h
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Wo bleibt Blofeld?
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James Bond hat Ian Fleming geschrie- ken Largo spielte jetzt aber Klaus
ben. Es ging um sieben Novellen. Für Maria Brandauer, während Kim Ba-
deren filmische Umsetzung nahm Fle- singer die Schurkendame Domino ming die Hilfe von Kevin McClory verkörperte, die sich später in Bond und Jack Whittingham in Anspruch. verknallt und zu ihm überläuft. WeiZu dritt verfassten sie das Drehbuch tere McClory-Konkurrenzfilme – jetzt
für Thunderball. 1961 veröffentlichte unter dem Label von Sony – konnte
Fleming dennoch alleine eine Novelle Danjaq in der Folge mit einer Flut von
mit dem gleichen Titel – Whittingham Prozessen verhindern.
und McClory klagten sofort in London.1
Der amerikanische Prozess vor dem Appellationsgericht des Ninth
Danjaq bereitete sich im gleichen Circuit im Jahre 2001 setzte dem epi-
Zeitpunkt darauf vor, James Bond- schen Streit ein vorläufiges Ende. Die Filme zu produzieren. Sie erwarben Richter hielten fest, dass McClory die Rechte von Fleming alleine und seine Rechte durch laches, d.h. langgaben ein eigenes Drehbuch zu Thun- jährige Untätigkeit, verwirkt habe.3 derball in Auftrag. Wegen des Streits Die endgültige Einigung erzielten die um die Rechte an der Thunderball- Streithähne erst mit der Einigung im Geschichte drehten sie zuerst D r . N o, Jahre 2013, die Danjaq die umfassender 1962 in den Kinos erschien. In den Rechte an James Bond gewährte, der Zwischenzeit knickte Fleming im mitsamt allen Schurken und Schurursprünglichen Prozess um Thunder- kenvereinigungen. Christoph Waltz
ball in London ein. Er gab zu, bei der dürfte sich also ganz legitim Blofeld
Thunderball-Novelle weitgehend vom gleichnamigen Filmskript abgekupfert zu
haben. Er trat seine Rechte
in der Folge an McClory ab. Dieser erlaubte wiederum Danjaq, die Rechte an Thunderball während zehn Jahren zu nutzen. So konn-
Arnold F. rusch
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich
James Bond und SPECTRE sind zu- rück, aber was ist mit Blofeld?
Wir erinnern uns: Ernst Stavro Blofeld stand SPECTRE als Number 1 vor und
verkörperte den Superschurken mit weissem Kätzchen. In der Schweiz war er besonders bekannt als Comte
Balthazar de Bleuchamp, seines Zei-
chens Pächter des Schilthorns im
Film On Her Majesty ’ s S ecret Service
(1969). SPECTRE steht für nichts
Geringeres als Special Executive for Counter-intelligence, Terrorism, Revenge and Extortion. Blofeld ha-
ben wir aber schon länger nicht mehr
gesehen – zuletzt 1983 in Never Say
Never Again. Ja, wo war er bloss? Er
heckte nicht etwa im Untergrund neue Schurkentaten aus, sondern fristete ein wenig glamouröses Dasein als Juristenfutter zwischen den Produzenten Sony und Danjaq. te Danjaq den ThunderballFilm drehen, den die Kinos 1965 zeigten. Nach Ablauf der zehn Jahre brachte McClory die ThunderballGeschichte selber unter
dem Titel Never Say Ne- ver Again 1983 erneut ins
Kino. Es war exakt dieselbe
Geschichte um die gestohlenen Nato-Nuklearwaffen, wiederum mit Sean Connery als Bond.2 Den Schur-
Frauen, Autos, W a ffen: Die essentialia negotii sind drin. Never Say Never Again (1983) war ein szenengetreues MClory-Remake von Thunderball (1965, Bild: W a rner Bros.)
Die vertrackte Situation um die
Entstehung der ersten Filmskripte in
den 50er-Jahren markiert den Beginn des Streits um die Rechte an Bond,
SPECTRE und Blofeld. Die Novellen
über die Abenteuer des ursprünglich eher jähzornigen und dem Alkohol stark zugeneigten Geheimagenten
1
Vgl. die Zusammenfassung in Danjaq v. Sony, United States Court of Appeals for
the Ninth Circuit, 263 F.3d 942, 947–950.
Danjaq v. Sony (FN 1), 949.
- 2
- 3
Danjaq v. Sony (FN 1), 950 ff.
Z u g u t e r L e t z t
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oder Number 1 nennen, doch nennt zeigt. Skyfall (2012) enthielt gar eine Begleitung sprengt den Angreifer mit-
er sich offensichtlich Franz Oberhau- homoerotische Szene mit dem Schur- samt dem Fahrzeugdach weg – fast
ser. Immerhin heisst der Film aber ken Raoul Silva, gespielt von Javier wie bei Goldfinger (1964), doch hatte
SPECTRE.
Bardem. Silva inspiziert den auf den der auf demAreal der Pilatus-Werke in
W a s macht eigentlich den Schutz Stuhl gefesselten Bond und fährt mit Stans eingesetzte Aston Martin DB5 von James Bond aus? Der Schutz ba- der Hand über seine Brust. There ’ s a einen veritablen Schleudersitz. Die
siert auf der Figur selbst – man kann first time for everything, sinniert er, Blondine auf dem Beifahrersitz flötet
keine, auch keine noch so neue und und Bond spielt mit: What makes you angesichts des offenen Daches: Don ’ t
überraschende Bond-Episode schrei- think this is my first time? War das you just love the wind through your
ben, ohne die Rechte an James Bond schon ein Wink auf einen künftigen hair? Der smarte Engländer witzelt zu verletzen. James Bond selbst ist Homo-Bond? Alles falsch, sagt John über sein schütteres Haar in bestem
die Story: Copyright protects literary Logan, Schriftsteller des Skripts. Er British English zurück: What I have characters, apart from the works in habe dem Publikum lediglich die un- left – als Anspielung an Diamonds which they appea r , w here the charac- komfortable Situation des gefangenen are Forever (1971), gespielt von Sean
ter constitutes «the story being told.»4 James Bond näherbringen wollen, was Connery mit Toupet. Der blecherne Auch unter dem alternativen charac- mit sexueller Einschüchterung besser Bösewicht erinnert auch eine Spur zu ter delineation test5 erweist sich Bond gelinge.7 Das kann glauben, wer will. fest an die Figuren Jaws aus Moonra-
als urheberrechtlich geschützte Figur Es handelt sich eher um ein product ker (1979) und T e e Hee Johnson aus
wie Sherlock Holmes, Tarzan, Super- placement in eigener Sache – wenn Live and Let Die (1973). Dazu erklinman oder Rocky Balboa. Die Gerich- viele Leute wie ich heute darüber gen als musikalischer Hintergrund die te beschreiben die Eigenheiten James schreiben, hat die Werbung bei einer typischen Bond-Fanfaren. Unter dem Bonds als englisch aussehenden, her- recht grossen Zielgruppe schon funk- Strich blieben zu viele Anspielungen vorragend angezogenen Mann. Seine tioniert. Das Gespräch über den Film auf Bond-Szenen und Bond-Figuren Dialoge zeichnen sich durch dry wit macht Werbung für den Film. James zurück. Das Gericht untersagte desand subtle humor aus. Er führt stets Bond ist also immer noch ganz der halb die weitere Ausstrahlung des eine attraktive Dame im Schlepptau. Alte, der den immaterialgüterrechtli- Werbefilms.8
Es knistert und funkt wie auf dem chen Schutz aus sich heraus verdient.
Auch ich selbst wurde mal Opfer
Ätna, doch bleibt er in allen Situatio- Bleiben wir für einen Moment des Bond’schen product placement –
nen calm and unruffled. Stets bedroht beim product placement. James Bond in meinem eigenen Leben! Ich wollte
ihn ein Superschurke, den er mit List ist auch eine lange Werbesendung. vor mehreren Jahren meine Begleiund high tech gadgets bekämpft.6 Wer Die Autos, die Uhren und die sonsti- tung in der Zürcher Widder-Bar beeinsich also mit James Bond anlegt, be- gen Spielzeuge von James Bond fas- drucken und bestellte beim Kellner eikommt auch juristisch eins auf die zinieren Männer ganz besonders. Kein nen Wodka Martini, so, wie ihn James
- Schnauze.
- Wunder, haben auch andere, nicht in- Bond trinkt. Der superprofessionelle
Doch wie weit kann sich James volvierte Fahrzeughersteller versucht, Kellner erwiderte spontan: Wünschen
Bond verändern, ohne seine Identität sich ein Stück vom Kuchen abzu- Sie ihn mit Finlandia wie in Die Ano- zu verlieren? Könnte James Bond in schneiden. So sollten in der amerika- ther Day oder mit Smirnoff wie in Zukunft auch mal auf Männer stehen nischen Werbung die Insassen eines D r . N o? Ich war komplett baff und oder dem Alkohol abschwören? Tat- Honda CRX mit abnehmbarem Dach schwieg betroffen. sächlich hat Bond in Casino Royale einen Bösewicht mit Metall-Armen (2006) überraschend auch seine ver- und Metall-Gebiss bekämpfen, der letzliche und wenig elegante Seite ge- sich von einem futuristischen Hubschrauber auf das Fahrzeug stürzt. Der coole Fahrer im Smoking mit adretter
4
Danjaq v. Sony, United States District
Court for the Central District of California,
1998 U.S. Dist. LEXIS 22231, N 4.
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7
Metro-Goldwyn-Mayer v. American Honda
Motor Co., United States District Court for the Central District of California, 900 F. Supp. 1287, 1295 f.
Metro-Goldwyn-Mayer v. American Honda Motor Co. (FN 5), 1298.
John Rosen, «Skyfall» Bisexual Scene:
James Bond Screenwriter Reveals Impetus Behind Homoerotic Interrogation, Inter-
net: http://www.huffingtonpost.com/2012/ 11/06/skyfall-bisexual-james-bond-gay_ n_2082845.html (8.10.2015).
8
Metro-Goldwyn-Mayer v. American Honda Motor Co. (FN 5), passim.