Prof. Dr. Johanna Wanka Bundesministerin Für Bildung Und Forschung Im Gespräch Mit Werner Reuß
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Sendung vom 19.5.2015, 20.15 Uhr Prof. Dr. Johanna Wanka Bundesministerin für Bildung und Forschung im Gespräch mit Werner Reuß Reuß: Verehrte Zuschauer, ganz herzlich willkommen zu einem alpha-Forum, heute, wie Sie im Hintergrund vielleicht schon sehen konnten, aus Berlin. Gast in unserer Sendung ist die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Professor Dr. Johanna Wanka. Ich freue mich sehr, dass Sie hier bei uns sind, herzlich willkommen, Frau Bundesministerin. Wanka: Ich freue mich gleichfalls, hallo, Herr Reuß. Reuß: Ich darf vielleicht gleich mit Ihrem Ministerium beginnen: Dieses Ministerium hat acht Abteilungen, also eine Zentralabteilung und sieben Fachabteilungen. Es arbeiten wohl knapp 1000 Menschen in diesem Ministerium und es hat – auch bedingt durch die deutsche Einheit – zwei Dienststellen: eine in Bonn und eine hier in Berlin. Sind diese zwei Dienstorte für Sie eher beschwerlich oder ist das mit Blick auf den Bildungsföderalismus vielleicht ganz gut so? Wanka: Sie haben es ganz richtig gesagt, das ist damals durch das Bonn-Berlin- Gesetz entschieden worden. Drei Viertel der Mitarbeiter sitzen in Bonn, ein Viertel sitzt in Berlin. Das Ganze ist in diesem Haus nun schon seit Jahren bestens organisiert. Zum Teil wird gependelt und auch ich selbst fliege immer wieder nach Bonn. Aber wir haben mittels Videotechnik auch die gute Möglichkeit, ganz spontan sagen zu können, dass wir mit den und den Leuten ganz direkt sprechen möchten. Da setzt man sich dann hin, kann sich per Videokonferenz sehen und miteinander reden. Das ist also bestens organisiert. Natürlich hat das Vorteile, wenn alles an einem Standort konzentriert ist, aber hier sind eben politische Befindlichkeiten zu berücksichtigen gewesen. Im Hinblick auf den Bildungsföderalismus bräuchte man natürlich nicht zwei Standorte, aber im Hinblick auf die Gesamtsituation ist das schon in Ordnung so. Und es funktioniert ja auch sehr gut. Reuß: Das Themenspektrum in Ihrem Ministerium ist sehr groß. Wenn man sich das auf dessen Homepage mal anschaut, dann sieht man, was da alles vorkommt: Da gibt es die berufliche Bildung, die Erwachsenenbildung, die Gesundheitsforschung, die Hochschulförderung, die Ausbildungsförderung, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses usw. All das umfasst Ihre Arbeit und sie reicht darüber hinaus bis zur internationalen Zusammenarbeit im Bereich Bildung und Forschung. Eine sehr unfreundliche Frage: Was ist Ihnen dabei mehr Lust und was mehr Last? Wanka: Das ist wirklich eine unfreundliche Frage, denn das kann man ja überhaupt nicht beantworten. Aber es gibt doch Bereiche bei uns im Haus, die mir natürlich schon sehr vertraut waren, als ich in das Haus gekommen bin, und zwar aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit als Landesministerin: Das war der gesamte Hochschulbereich. Es ist in meiner heutigen Position durchaus von Vorteil, wenn man diesen Bereich von der Pike auf kennt. Natürlich hatte man vorher auch schon internationale Kontakte, aber in dem Umfang – Regierungskonsultationen, internationale Kooperationen usw. –, wie das hier in diesem Bundesministerium der Fall ist, hat das schon noch eine andere Qualität als auf Landesebene. Ich sage zu den Kollegen immer: Ich habe früher bei der Forschungsförderung immer geguckt, wo man als Bundesland etwas "abgreifen" kann, während ich heute auf der anderen Seite stehe und Strategien verfolgen kann: Was soll unser Schwerpunkt sein, wo wollen wir uns besonders bemühen, wo wollen wir Mittel einsetzen? Daher kommt es, dass ich die unterschiedlichen Bereiche, die Sie soeben genannt haben, alle sehr mag und mich darüber freue. Ich freue mich sehr, weil es in dieser Legislaturperiode ein Schwerpunkt meiner Arbeit sein wird, im Bereich der beruflichen Bildung doch eine Reihe von Kompetenzen nun aufseiten des Bundes zu haben. Reuß: Nach den Ministerien für Arbeit und Soziales, Verteidigung und Verkehr haben Sie den vierthöchsten Etat im Bundeshaushalt, der ja insgesamt ungefähr 300 Milliarden Euro umfasst. Ihr Etat liegt bei ungefähr 15 Milliarden Euro. Ihr Ministerium verfügt also einerseits über einen stattlichen Etat und andererseits sind das aber eben doch "nur" fünf Prozent vom gesamten Bundesetat. Sie haben Ihren Haushalt noch einmal erheblich aufstocken können, denn es gab fast 25 Prozent an Zuwachs. Würden Sie denn für den Bund in Sachen Bildung und Forschung trotz der Kultur- und Bildungshoheit der Länder noch etwas mehr an Zuständigkeiten und an Finanzen wünschen? Wanka: Finanzen wünsche ich mir selbstverständlich immer mehr, das ist ganz klar. Wobei es aber in der Tat so ist, wie Sie das bereits angedeutet haben: Seit 2005 hat sich der Etat meines Hauses verdoppelt. Wir haben jetzt jährlich über 15 Milliarden zur Verfügung, weil wir in dieser Legislaturperiode noch einmal eine Steigerung um 25 Prozent erfahren haben. Trotzdem wären wir aber sicherlich in der Lage, noch mehr Geld auszugeben. Und wenn man unseren Haushalt in Relation zu anderen Ressorts sieht, dann stellt man fest, dass ungefähr 50 Prozent der Bundesausgaben in Sozialausgaben fließen. Beim Verteidigungsministerium ist es so, dass dort natürlich vor allem dieser große Personalbestand finanziert werden muss, was in unserem Haus ja nicht der Fall ist, weil die Hochschulen und andere Einrichtungen bei uns im Etat ja nicht mit ihrem Personal zu Buche schlagen. Stattdessen geht es bei uns in sehr starkem Maße um Förderung. Das heißt, wir haben eine größere freie Verfügbarkeit über die Mittel, als das teilweise in anderen Ressorts der Fall ist. Reuß: Im Jahr 2008 hat die Bundeskanzlerin gesagt: "Wir müssen die Bildungsrepublik Deutschland werden!" Das Bildungssystem müsse "jedem die Chance auf Einstieg und Aufstieg ermöglichen". Weiter führte sie aus: "Wohlstand für alle heißt heute und morgen Bildung für alle." Nun sind wir ja in Sachen Bildung recht weit vorangekommen, insbesondere nach dem sogenannten PISA-Schock. Dennoch haben wir immer noch rund 7,5 Millionen sogenannte funktionale Analphabeten; rund sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen jedes Jahr die Schule ohne irgendeinen Abschluss; Sie selbst haben noch eine andere Zahl genannt: 14 Prozent der 24- bis 35-Jährigen haben entweder keinen Schul- oder keinen Berufsabschluss und wir haben immer noch hohe Abbrecherquoten an den Universitäten. Wie weit sind wir also auf unserem Weg in die Bildungsrepublik? Was sind die großen Herausforderungen der nächsten Jahre? Wanka: Ich war im Jahr 2000 Landesministerin, als die erste große PISA- Untersuchung kam. Sie war wirklich ein Schock! Das Gute daran ist aber, dass seit diesem Zeitpunkt das Thema "Bildung" in der Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert hat. Es gab ja mittlerweile in einzelnen Bundesländern sogar schon Wahlen, die wegen Bildungsfragen verloren gegangen sind. Das ist das Erfreuliche daran und ich denke, es war auch wirklich eine Zäsur, dass es bei uns trotz des Bildungsföderalismus möglich gewesen ist, dass sich 2008 auf dem Bildungsgipfel alle Ministerpräsidenten und -präsidentinnen mit der Kanzlerin auf bestimmte Ziele verständigt haben. Diese Ziele kann man in den verschiedenen Ländern auf unterschiedlichen Wegen erreichen, aber klar ist, dass am Ende dasselbe Ziel erreicht sein soll. Solche Zielsetzungen bergen natürlich auch immer gewisse Gefahren: Wenn man sich eine Zahl als Ziel setzt, dann schauen immer nur alle darauf, ob genau diese Zahl erreicht wird oder nicht. Wir können erst 2015 Bilanz ziehen. Die Zahlen, die uns jetzt vorliegen, sind die Zahlen von 2010 bis 2012: Jede einzelne Zahl hat sich verbessert! Das betrifft z. B. die Anzahl der jungen Menschen, die die Schule mit einem Abschluss verlassen, denn diese Zahl ist klar gestiegen. Die angestrebte Halbierung der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist aber noch nicht ganz erreicht worden. Wir haben z. B. auch mehr junge Menschen, die eine berufliche Ausbildung abschließen. Bei jedem einzelnen Indikator haben wir also eine positive Tendenz, aber wir haben noch nicht überall unser endgültiges Ziel erreicht. 2015 müssen wir also ganz nüchtern Bilanz ziehen. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland Bildung die entscheidende Ressource ist. Sie fragten ja nach den zukünftigen Aufgaben in diesem Bereich: Für mich ist hier entscheidend, dass wir es auch angesichts der demografischen Entwicklung – nicht nur deswegen, sondern auch deswegen, weil wir eine reiche Industrienation sind – in diesem Land möglich machen, dass jeder optimale Bildungschancen hat, d. h. es muss egal sein, woher jemand kommt und von wo er dabei startet. Das ist für mich Chancengerechtigkeit, und hier ist auch schon einiges erreicht worden, denn wir haben uns auch auf diesem Gebiet in den letzten Jahren verbessert. Dennoch bleibt hier natürlich noch einiges zu tun. Ich finde jedenfalls, dass das die zentrale Herausforderung darstellt, die viele andere Facetten überstrahlt, die man nennen kann, wie z. B. die Frage, wie wir Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, in unser Bildungssystem integrieren können. Das gehört selbstverständlich auch mit zu diesen Herausforderungen: Diese Menschen sollen, wenn sie bei uns sind, ebenfalls optimale Bildungschancen erhalten. Reuß: Mehr als die Hälfte eines Jahrgangs besucht heute das Gymnasium. Man soll ja nicht die Ausbildungswege gegeneinander ausspielen, dennoch ist es einfach so, dass heutzutage junge Leute fehlen, die in Ausbildungsberufe gehen: 20000 Lehrstellen können nicht mehr besetzt werden. Sie selbst haben darauf