Vortrag RK Und Gen.D.Inf. Von Schleicher
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Kurt von Schleicher Reichskanzler (Dezember 1932 – Januar 1933) und General der Infanterie Vortrag vor dem Militärhistorischen Arbeitskreis Bonn- Rheinbach am 7. Oktober 2010 Urheberrechtlich geschützt. Verwendung, auch auszugsweise, nur nach Autorisierung. Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Jugend, Erziehung und Krieg Kapitel 2 Das Kriegsende und der Übergang in den Frieden Kapitel 3 1919 – 1923 Die ersten Jahre der Weimarer Republik Dienst im Reichswehrministerium Kapitel 4 1924 – 1930 Die Konsolidierung der Reichswehr und auf dem Weg in die „große“ Politik Kapitel 5 Januar 1931 – Dezember 1932 Die Zeit der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus Kapitel 6 3. Dezember 1932 – 28.Januar 1933 Reichskanzler von Schleicher Kapitel 7 Das Versagen der Generalität der Reichswehr /der Wehrmacht im Mordfall Schleicher. Schleichers Bild in der Geschichte Kapitel 1 Jugend, Erziehung und Krieg Der Reichskanzler und General der Infanterie Kurt von Schleicher wird von Historikern sehr unterschiedlich beurteilt. Wenige urteilen positiv über ihn und sein Leistungen, manche charakterisieren ihn als eine „schillernde Persönlichkeit“, manche sehen ihn negativ. Meine Absicht ist es, Schleichers Vita bei einer tatsächlich „schillernden“ Quellenlage aufzuzeigen und dann zu urteilen. Kurt von Schleicher wurde am 7.April 1882 in Brandenburg an der Havel geboren. Dort diente sein Vater, aus einer preußischen Offiziersfamilie stammend, als Oberleutnant in einem Infanterieregiment. Seine Karriere endete als Oberstleutnant und Bataillonskommandeur in dem Städtchen Calau im Spreewald. Plehwe schreibt, dass der Vater „einen begrenzten beruflichen Ehrgeiz gehabt habe und dass ihn der Dienst und das private Leben in der kleinen Garnison zufrieden gestellt habe “1. Der Vater konnte somit für den Sohn nicht das Beispiel für eine durch Einsatz, Ehrgeiz und Erfolg gestaltete Karriere gewesen sein. Die Jahre bis zum Ausbruch des I.Weltkrieges entsprachen der üblichen Entwicklung eines jungen Mannes seiner Herkunft und Berufswahl. Die Jahre von 1914 bis 1933 wichen dagegen von jeder Norm ab. Der Vater starb 1908, erst 53 Jahre alt; zu diesem Zeitpunkt diente der Sohn als Leutnant im 3.Garde Regiment zu Fuß in Berlin. Seine von ihm sehr verehrte Mutter, Tochter eines wohlhabenden Danziger Reeders, soll - verglichen mit dem Vater - einen starken Einfluss auf die Kinder gehabt haben. Schleicher kam 1894 in die Kadettenanstalt Plön/Holstein. Von dort qualifizierte er sich 1896 an die Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde.Schleicher war kein begeisterter Kadett. Die übertriebene Härte der Erziehung schien ihm unnötig, die Formierung des Charakters und des Denkens sehr einseitig. 2 Er kam in die Selekta, die Klasse der „Auserwählten“. Im März 1900 verließ er die Hauptkadettenanstalt als Leutnant und wurde in das 3. Garde Regiment/Berlin versetzt; dort fand er schnell seine militärische Heimat. Den Anforderungen des Dienstes entsprach von Schleicher intellektuell wie körperlich weit überdurchschnittlich. Sein Ehrgeiz wird in der Literatur übereinstimmend als gesund beschrieben. Dünkel sei ihm fremd gewesen. Dafür wird seine ausgeprägte, jederzeitige innere Unabhängigkeit hervorgehoben. Es war für ihn, der sehr kontaktfreudig war und demzufolge schnell Anschluss fand, eine 1 von Plehwe, Friedrich-Karl: Reichskanzler Kurt von Schleicher, Weimars letzte Chance gegen Hitler, Esslingen 1983, S. 14. 2 ebd. S.15 unbeschwerte Zeit. Seine im Regiment geschlossenen Kameradschaften hielten lebenslang. Mit drei später bekannten Persönlichkeiten war er im Regiment besonders eng verbunden: mit Lt. von Hammerstein-Equord, dem späteren Generaloberst und Chef der Heeresleitung (12.1930 – 01.1934), mit Lt. Oscar von Hindenburg, Sohn des späteren Generalfeldmarschalls und Reichs- präsidenten von Hindenburg, und mit Lt. Erich von Manstein, dem späteren Generalfeldmarschall. 3 1909 wurde Schleicher zum Oberleutnant befördert und Adjutant des Füsilierbataillons des 3.Garde Regiments. Diese Verwendung hatte er nur ein Jahr. 1910 wurde er für drei Jahre an die Kriegsakademie versetzt. Viel mehr ist der Literatur zu den rund 30 ersten Lebensjahren Schleichers nicht zu entnehmen. Die Gründe hierfür sind, dass er von seinem Naturell her nicht dazu neigte, nach rückwärts zu blicken. Schleicher führte, im Gegensatz zu zahlreichen seiner Zeitgenossen, kein Tagebuch. Seine persönlichen Unterlagen wurden bei seinem gewaltsamen Tod 1934 von den Nationalsozialisten gleich mit vernichtet. Vom Großen Generalstab in den I.Weltkrieg. Im Herbst 1913 endete Schleichers Generalstabsausbildung. Er wurde als so genannter „überzähliger Hauptmann“ in die Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabs kommandiert. Am 1.August 1914, dem Tag des Kriegsausbruchs, folgte die reguläre Versetzung. Leiter der Eisenbahnabteilung war Oberstleutnant i.G. Groener, der Planer und Organisator des rei- bungslosen Aufmarschs 1914, der Voraussetzung für die anfangs erfolgreichen Operationen. Groener und Schleicher verstanden sich von Anfang an sehr gut. Es entwickelte sich eine Freundschaft, die lebenslang hielt, von einer kurzen Phase 1932, auf die ich eingehen werde, abgesehen. Groener nannte Schleicher verschiedentlich seinen „Wahlsohn“ und machte seinen Einfluss geltend, dass Schleicher bald in den Stab des Generalquartiermeisters versetzt wurde und damit eine kontinuierlich gute Verbindung zwischen der Eisenbahnabteilung und dem Stab des Generalquartiermeisters bestand. Schleichers offizieller Titel „Bürooffizier“ 4 war weder zutreffend, noch (nach unserem Verständnis) schmeichelhaft. Die Möglichkeiten für den jungen Generalstabsoffizier Einblick in den Stab zu erhalten und auch an Entscheidungen mitzuwirken, waren außerordentlich groß. Seine Aufgaben lagen in der Logistik, deren weitreichende Verbindung in Politik und Wirt- schaft, die Steuerung der Rüstung und die Abstimmung der Bedürfnisse der Truppe mit denen 3 Vgl. hierzu Hürter, Johannes: Hitlers Heerführer, 2.Aufl. München 2007, S. 48f 4 Nach heutigem Verständnis die STAN-Bezeichnung der Heimat. Hinzu kamen die Verwaltung der besetzten Gebiete und die Zusammenarbeit mit den Verbündeten, soweit es nicht die Operationsführung und Strategie betraf. Was Schleicher schon in der Truppe und in der Generalsstabsausbildung ausgezeichnet hatte, seine schnelle Auffassungsgabe und seine ungezwungenen Umgangsformen, öffneten ihm Türen und ließ ihn rasch auf Verständnis und Interesse stoßen. Er war über alle Zusammen- hänge der Kriegsentwicklung informiert. Sein Wissen nutzte er zur Verbesserung des Informationsflusses im Stab. Die Operationsabteilung und der Stab des Generalquartier- meisters profitierten nachweislich von Schleicher . Als Groener am 1.November 1916 Leiter des neu geschaffenen „Kriegsamtes“ wurde, dem die gesamte Rüstung, einschließlich Arbeitseinsatz, Versorgung und Ernährung oblag, nahm er Schleicher mit. Groener wie Schleicher erkannten, dass gerade soziale Fragen eine zunehmende Bedeutung, insbesondere für die Innen- und Wirtschaftspolitik hatten. Groener ging aus Überzeugung gegen überhöhte Unternehmergewinne und mangelhafte Löhne vor, führte in Uniform (!) Verhandlungen mit sozialdemokratischen und anderen Kreisen und ver- einbarte Tarifverträge. Streiks und Demonstrationen konnten abgewendet werden. Beiden Offizieren sollten diese Erfahrungen in späteren politischen Verwendungen von großem Nutzen sein und einer einseitigen Betrachtungsweise vorbeugen. Es blieb andererseits nicht aus, dass von Seiten der Unternehmer bald Misstrauen aufkam und Klage gegen beide Offiziere - vornehmlich gegenüber Ludendorff - geführt wurde. Im Winter 1916/1917 verdichtete sich bei Groener und Schleicher der Eindruck, dass sich die militärische Lage zunehmend zuungunsten des Reiches entwickeln würde, dass ein Sieg immer unwahrscheinlicher werden würde und dies nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung im Reich. Was Groener wie Schleicher im letzten Kriegsjahr als günstigste Möglichkeit für das Reich ansahen, war ein Verhandlungsfrieden; ein Sieg schien außer Reichweite. Im Mai 1917 verließ Schleicher (35) den Stab des Generalquartiermeisters und wurde Ia der in Galizien kämpfenden 237. Infanteriedivision. Dieses Frontkommando kam spät aber das war nicht Schleichers Schuld; es dauerte auch nur drei Monate bis August 1917. In dieser Zeit erlebte er den Stellungskrieg gegen die Russen an der Beresina mit heftigen Kämpfen, den Durchbruch der deutsch-österreichischen Truppen im Juli und die Verfolgung der Russen bis an den Sereth, wo die Deutschen zur Verteidigung übergingen. Schleichers Divisions- kommandeur, Generalleutnant von Jacobi, attestierte ihm, sich mit guten Nerven, persön- licher Tapferkeit und stetem Humor in jeder Situation bewährt zu haben. 5 5 vgl. Strenge, Irene: Kurt von Schleicher, Berlin 2006, S. 12 Mit Wirkung vom 11. April 1917 wurde Schleicher wieder in den „Generalstab des General- quartiermeisters im Großen Hauptquartier“ versetzt. Seine Aufgaben waren, wenn auch mit einem erweitertem Verantwortungsbereich, nahezu dieselben wie zweieinhalb Jahre zuvor. Fast gleichzeitig wurde Groeners „Kriegsamt“ wegen Unstimmigkeiten zwischen ihm und Ludendorff aufgelöst. Groener erhielt eine Division. Schleichers neuer Vorgesetzter, Oberst i.G. von Thaer, schreibt in seinen Erinnerungen, „dass Schleicher sich gerade in allen Problemen mit politischem Einschlag bestens zurecht gefun- den und bei allen Beratungen hierüber sich äußerst wendig erwiesen habe. “6 Schleicher habe gegenüber der sich deutlich verschlechternden Kriegslage „ Galgenhumor gemischt