rund- schreiben 03/18 Flucht/Migration: An den Toren Europas Syrien: Schattenreich der Angst Nicaragua: Mehr als ein Aufstand 2 inhalt

4 Kommentar: Mit Sicherheit in den Abgrund

Schwerpunkt Flucht und Migration 8 An den Toren Europas: Fünf Geschichten 16 Krise der Solidarität: medico-Positionen 19 Überblick: medico-Projekte in aller Welt

20 : Theater und Wirklichkeit 25 Syrien: Schattenreich der Angst 28 Projekte – Projektionen 30 Gaza: Menschenrechte und Frustration 35 Gaza: Energiekrise und ihre Folgen 36 Nicaragua: Mehr als ein Aufstand 39 Lateinamerika: Die Spaltung der Linken 40 Flucht und Gesundheit: Verwehrte Rechte 44 Rezension des Buches „Hilfe? Hilfe!“ 47 Rückblick auf das medico-Sommerfest 48 Materialliste, Service, Impressum

Liebe Leserinnen und Leser,

Es mag verständlich sein, dass Menschen, die in Europa geboren wurden oder hier schon lange leben, sich fragen, wie sich ihr Leben und das Zusammenleben mit anderen durch eine wachsende Zuwanderung ändern wird. Es erstaunt allerdings, dass die Gründe, warum Menschen fliehen oder migrieren, diese Debatten viel zu wenig beschäftigen. Wer die Geschichten in diesem Heft daraufhin liest, wird feststellen, dass keine auskommt, ohne sich in den Kontext der Welt zu stellen. In diesem Heft kommen deshalb Menschen zu Wort, die in der hiesigen Debatte um Flucht und Migration oft nicht wahrgenommen werden.

Der deutsch-bolivianische Theaterregisseur Hjalmar Joffe geriet in Afghanistan in eine Situation, die fataler kaum sein kann. Gemeinsam mit unseren Kollegen von AHRDO probte er ein Stück über einen Selbst- editorial 3

mordattentäter, als sich in unmittelbarer Nähe tatsächlich ein Selbst- mordattentat ereignete. Er erzählt über das Zusammentreffen zweier Wirklichkeiten und gleichsam erzählt er dabei doch viel mehr. Denn das afghanische Unglück lässt sich nicht aus sich selbst heraus erzählen – ohne Welt, ohne den britischen Kolonialismus, ohne den Kalten Krieg mit

seinem afghanischen Schlachtfeld und ohne den Krieg gegen den Terror. Foto: REUTERS/Oswaldo Rivas

Nun könnte man sagen, dass das, was die nicaraguanische Studentin Enrieth Martínez im Interview berichtet, sich aus der Degeneration eines Präsidentenpaars erklärt, das den Machterhalt um jeden Preis betreibt. Ebenso geht dem syrische Bürgerkrieg mit seinen kaum beschreibbaren Menschenrechtsverbrechen eine Entscheidung der syrischen Elite unter Auf der Flucht vor der Assad voraus, das Begehren nach Brot und Freiheit mit größter Gewalt zu Rache des Regimes: unterdrücken. Und doch sind auch diese Ereignisse nicht von globalen Schon über 23.000 Entwicklungen zu trennen. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, Menschen haben in Costa Rica Asyl beantragt, um die durch die von internationalen Kapitalgebern erzwungene Öffnung der politischen Verfolgung der Märkte zu einem weltweiten Phänomen geworden ist, das ewige in Nicaragua zu entgehen. Mantra von den hilfreichen Auslandsinvestitionen, das grenzenloses Ein UNO-Bericht wirft dem Ortega-Regime schwere Gewinnstreben nur notdürftig verhüllt, gehen den Verwerfungen voraus, Menschenrechtsverlet- wie sie heute nicht nur Syrien oder Nicaragua erleben. zungen vor.

Flucht und Migration sind keine voneinander zu trennenden Phänomene – das wird auch im Text von Sabine Eckart über die Prinzipien der medico-Arbeit deutlich. medico verteidigt das Asylrecht genauso wie das universelle Recht auf Freizügigkeit, das nicht nur für die Touristen und „High Potentials“ aus den privilegierten Regionen gelten kann. Und doch wird dieses Recht unablässig gebrochen. Darauf verweist ein Plakat, das medico lange vor dem Sommer der Migration 2015 veröffentlichte. Wir haben es im Zeichen der Solidarität mit der Seebrücken-Bewegung neu in Orange herausgegeben. Es ist ein Plakat, das an die Grenzen des Darstellbaren geht, weil es eine anonyme Leiche im Mittelmeer zeigt. Wir hatten uns entschieden, es im Stile des Why-Plakates aus den Zeiten des -Krieges zu veröffentlichen, und uns gleichzeitig bewusst der plakativen Eigenwerbung enthalten. Seither hat dieses Plakat, das wir auf der Rückseite des Heftes veröffentlichen, viele Neuauflagen erlebt und auch Reisen durch die Welt. So haben wir es auf Demonstrationsfotos in Mali entdeckt. Sie können es bei uns bestellen für all die Aktivitäten, die jetzt, angesichts von Chemnitz und den Toten des europäischen Grenzregimes, so dringend nötig sind.

Herzlichst Ihre 4 kommentar Politik der Angst kommentar 5

Mit Sicherheit in den Abgrund: Die Instrumentalisierung der wachsenden Verunsicherung

Von Thomas Gebauer

Kaum eine Frage bewegt heute die Öffentlich- Auflösungserscheinungen führt. Angesichts keit mehr als die Frage der Sicherheit. Schon solcher Verunsicherungen kann ein wachsen- jetzt sind die Folgen unübersehbar: Plätze, des Bedürfnis nach Sicherheit nicht verwun- Straßen, ja ganze Städte überwacht von Video- dern. Die Garantie körperlicher Unversehrtheit, Kameras, private Sicherheitsdienste im Nah- die Rechtssicherheit, der Zugang zu sozialer verkehr, Betonklötze vor Fußgängerzonen, die Sicherung verweisen auf fundamentale Men- erkennungsdienstliche Behandlung beim Gren- schenrechte, deren Realisierung und Sicher- zübertritt, automatische Gesichtserkennung stellung wichtige gesellschaftliche Aufgaben auf Bahnhöfen, die Massenausspähung durch sind. Nicht das Bedürfnis nach Sicherheit ist Geheimdienste, die längst in jedem Menschen das Problem, sondern die Art, wie es gesell- ein potentielles Sicherheitsrisiko sehen. Auch schaftlich geformt und heute für den Erhalt bei den Ausgespähten wächst das Bedürfnis bestehender Machtverhältnisse instrumenta- nach Sicherheit. Begüterte ziehen in bewachte lisiert wird. Wohnviertel und fahren Autos, die an Panzer- spähwagen erinnern. Jugendliche, so besagen Zu fragen ist beispielsweise, warum die Angst, es aktuelle Umfragen, sorgen sich inzwischen Opfer von Gewaltverbrechen zu werden, zu- mehr um die innere Sicherheit als um ihre Aus- nimmt, obwohl die Polizeistatistiken dazu kei- bildung. Überall Expertenforen, die sich mit nen Anlass geben? Woher rührt der eigentüm- Fragen der „IT Sicherheit“, „Urbane Sicherheit“, liche Widerspruch zwischen „gefühlter“ und „Flughafensicherheit“ oder „Krisenkommuni- realer Kriminalität, dem mit rationalen Argu- kation“ auseinandersetzen. menten so wenig beizukommen ist? Woher der weit verbreitete Eindruck, dass sich heute in Es stimmt: Die Welt ist zu einem höchst unsi- Westeuropa Terroranschläge häufen, obwohl cheren Ort geworden. Dabei ist es gerade die die reale Bedrohungslage in den 1970er und Engführung aller Probleme auf die Frage der 1980er Jahren sehr viel höher war? Warum die Sicherheit, die verhindert, dass die Ursachen Furcht vor Flüchtlingen, die heute angeblich in der Verunsicherung von Menschen angegan- Horden über Europa herfallen, obwohl deren gen werden können: der beängstigende Kli- Zahl abnimmt und ohnehin nur der kleinste Teil mawandel, der auch hierzulande nicht mehr der weltweit zur Flucht Gezwungenen den Weg zu leugnen ist; die rasant voranschreitende nach Europa nimmt? Solche Wahrnehmungs- Digitalisierung der Lebenswelten, die den Men- verzerrungen sind nicht alleine menschlicher schen kaum noch nützt, sie aber zunehmend Irrationalität geschuldet. Sie sind politisch ge- nutzlos macht; der Sozialabbau, der zu immer macht und sagen viel aus über den Zeitgeist offensichtlicher werdenden gesellschaftlichen und die Mechanismen der Macht. Es ist auch 6 kommentar

das ständige Evozieren von Bedrohungsgefüh- sen, solche Ressentiments bedienen. Für ein len in Medien und Politik, das verunsichert. sprichwörtliches Linsengericht verraten sie die Grundfeste menschlichen Zusammenlebens. Und aus Ängsten lässt sich auch gut Kapital Um ihre Macht zu sichern, werden Mitgefühl schlagen. Ängste beflügeln nicht nur die Ge- und Hilfsbereitschaft geopfert. Aus Schutzbe- schäfte der heute mit zweistelligen Zuwachs- dürftigen werden Asyltouristen, aus Nothelfern raten boomenden Sicherheitsindustrie, sondern Kriminelle, aus empörten Bürgerinnen und nützen auch im Kampf um Wählerstimmen. Wer Bürgern Aufständische gegen die bestehen- Bedrohungsszenarien auszumalen weiß und de Ordnung. Immer ist es der Verweis auf die sich darin als zupackender Retter zu insze- bedrohte Sicherheitslage, mit dem sich sogar nieren versteht, punktet bei denen, die Unsi- noch der Rechtsbruch legitimieren lässt. cherheit empfinden. Und Sündenböcke, die für alle Probleme der Welt verantwortlich sein sol- Auf Dauer aber wird der Verlust an Menschlich- len, sind schnell präsentiert: die Fremden, die keit und Recht sehr viel schrecklichere Folgen Flüchtlinge, die Obdachlosen und Sozialhilfe- haben, als heute der Verzicht auf ein paar Pri- empfänger. Mit dem Tritt nach unten lässt sich vilegien. Statt über Möglichkeiten eines globa- die am eigenen Leibe erfahrene Verunsiche- len Ausgleichs nachzudenken, wie es ein Willy rung in Stärke verwandeln. Und so lassen sich Brandt noch getan hat, dominiert heute eine auch alte Hierarchien, die mit der Globalisie- Politik der Abschottung und Grenzziehung. Die rung der Verhältnisse ins Wanken geraten sind, Fratze der Unmenschlichkeit zeigt sich nicht wiederherstellen. Rassistische Einstellungen nur im Ruf des Pöbels, die Flüchtlinge doch einfach absaufen zu lassen; sie zeigt sich auch in einer Politik, die Flüchtlingsunterkünf- te zu verantworten hat, die, so der Papst, an „Mit dem Tritt nach unten Konzentrationslager erinnern. lässt sich die am eigenen Leibe erfahrene Verunsicherung Die Verrohung der Sitten, die Aufkündigung des in Stärke verwandeln.“ Respekts gegenüber den Anderen, die Gewöh- nung daran, dass die Würde der Menschen of- fenbar doch angetastet werden kann – all das sichert nicht das friedliche Zusammenleben helfen bei Umwandlung von Angst in Hass. von Menschen, sondern nur das bestehende Für das so entstehende Ressentiment bleibt Unrecht. Übrig bleibt jener archaische Kampf es unerheblich, dass Länder wie Deutschland aller gegen alle, in dem schon immer nur die auf Zuwanderung angewiesen sind und mit Stärkeren gewinnen konnten. Und so wirken Blick auf die öffentlichen Haushalte nicht die die Mauern, die nach außen gezogen werden, wirtschaftlich Schwachen, sondern die Bes- auch nach innen. Sie sind es, die die Panik auf- serverdienenden das Problem sind: auf jeden kommen lassen. Die vermeintliche Sicherheit Euro Sozialmissbrauch kommen 1.400 Euro an führt geradewegs in den Abgrund. Der Traum Steuerhinterziehung. absoluter Sicherheit, so der in Südafrika leben- de Philosoph Achille Mbembe, meint nicht nur Beschämend ist, wie abgewirtschaftete Politi- Überwachung, sondern auch Säuberung. kerinnen und Politiker, die auf keine der drän- genden Fragen der Zeit noch eine Antwort wis- „Counterinsurgency is coming home“, sagt kommentar 7

der New Yorker Politikprofessor Bernard Har- ist ein Ort, an dem die Balance zwischen Frei- court, der die Entwicklungen in den USA seit heit und Sicherheit verloren gegangen ist. dem Angriff auf das World Trade Center be- obachtet hat, über die Ausbreitung der Prin- Es war der Philosoph Jürgen Habermas, der zipien der Aufstandsbekämpfung nun auch kürzlich einen prononcierten Einspruch gegen im Inneren. Immer deutlicher werde heute, so den Weg in den Abgrund formuliert hat. Anläss- Harcourt, dass es längst nicht mehr nur um lich der Verleihung des deutsch-französischen Medienpreises Anfang Juli 2018 in Paris geißel- te er nicht eine fehlende Sicherheitsarchitek- tur, sondern die dramatisch zunehmende so- „Die ,Heimat´, die der ziale Ungleichheit. Dass Europa heute bedroht Sicherheitsdiskurs verspricht, sei, liege vor allem daran, dass die politische ist ein wenig anheimelnder Linke und in erster Linie die sozialdemokrati- Ort. Es ist ein Ort, an dem schen Parteien Europas ihre Wähler „normativ die Balance zwischen Freiheit unterfordern“. Wer Mehrheiten gewinnen wolle, und Sicherheit verloren müsse seine Ideen auch um den Preis der Po- larisierung verteidigen. Andernfalls drohe den gegangen ist.“ Ländern Europas ein Rückfall in die „vergiftete Mentalität ihrer Zeit als Kolonialmächte“. einen vorübergehenden Ausnahmezustand geht, sondern die US-Regierung begonnen hat, die eigene Bevölkerung als dauerhaften inneren Feind zu betrachten. Die sicherheits- politischen Strategien, denen sich die ame- rikanische Öffentlichkeit heute ausgesetzt sieht, seien die, die früher in anti-kolonialen Kämpfen gegen Aufständische eingesetzt wurden. Zu den immer deutlicher zutage tre- tenden Instrumenten zählen eine „hypermi- litarisierte Polizei“ (inzwischen ausgestattet mit Kampfdrohnen), die Massenüberwachung und Eliminierung von vermeintlichen Gegnern und psychologische Techniken, zu denen die Erzeugung irrationaler Ängste (derzeit vor Muslimen) und immer häufiger auch die Gleichsetzung von Protest mit Terrorismus gehören. Harcourt, dessen Buch im Frühjahr 2019 auf Deutsch erscheinen wird, schildert eine beängstigende Welt, die so gar nicht in das romantische Bild passen will, das viele mit dem Begriff Heimat verbinden. Die „Heimat“, die uns der herrschende Sicherheitsdiskurs verspricht, ist ein wenig anheimelnder Ort. Es An den Toren Europas Foto: EU Civil Protection and Humanitarian Aid Operations, CC BY-SA 2.0 BY-SA CC and Humanitarian Aid Operations, Foto: EU Civil Protection An den Toren Europas

Dem Recht auf Freizügigkeit setzt die EU Ab- schottung und Abschreckung entgegen. Das hat seinen Preis: Es zerstört Hoffnungen, ver- letzt die Menschenwürde und kostet Tausende das Leben – in Europa, im Mittelmeer und so weit weg, dass es fast unsichtbar bleibt.

Eine noch tödlichere Grenze als das Mittelmeer? In der Sahara verlieren sich die Spuren ungezählter Menschen. 10 berichte

Wenn Menschen es allen Grenzen zum Trotz versuchen. Fünf Geschichten aus der Arbeit von medico-Partnerorganisationen

Von Ramona Lenz

Seit Monaten gehen nahezu täglich Menschen in Deutschland gegen das Sterben auf dem Mittelmeer auf die Straße und fordern ihre Kommunen auf, Städte der Zuflucht und Solidarität für Gerettete auszurufen. Die Reich- weite und Ausdauer der „Seebrücke“-Bewegung tröstet und ermutigt an- gesichts der rassistisch motivierten Gewalt, die zeitgleich wieder ähnlich pogromartige Ausmaße angenommen hat wie zuletzt in den 1990er Jah- ren. Damals wie heute saßen die verbalen Brandstifter und Brandstifterin- nen im Parlament und in bestimmten Redaktionsstuben. Heute bedienen Politiker und Politikerinnen wieder den rechten Mob, wenn sie von „Asyltou- rismus“ oder „Antiabschiebeindustrie“ reden, während sie gleichzeitig den Abbau des Asylrechts bis zur Unkenntlichkeit vorantreiben und diejenigen kriminalisieren, die Geflüchteten zur Seite stehen.

Im Vergleich zu den 1990er Jahren ist die Politik der Externalisierung und die damit verbundene Auslagerung des Grenzschutzes in Länder jenseits der Europäischen Union inzwischen weit fortgeschritten. Damit wurden auch Rassismus und Gewalt gegen (potentielle) Flüchtlinge, Migranten und Migrantinnen exportiert. Die „europäische Apartheid im Umgang mit Einwanderung und Asylrecht“, die der französische Philosoph Étienne Balibar bereits 2001 konstatierte, spaltet die Menschen nicht erst hier, sondern bereits in Herkunfts- und Transitländern, wo diejenigen, die hier unerwünscht sind, massive Repressionen erfahren. Der alltäglich gewor- dene Rassismus hier und die auf Externalisierung beruhende Abschot- tungspolitik von EU und Bundesregierung sind zwei Seiten derselben Me- daille. Beiden liegt eine immer offener verfolgte Politik der Verachtung und Entrechtung zugrunde.

Für diesen Artikel haben uns Partnerinnen und Partner aus fünf verschie- denen Regionen innerhalb und außerhalb Europas Geschichten von Men- schen erzählt, deren Leben durch diese Politik beeinträchtigt oder gar zerstört wurde. Diese Geschichten zeigen: Das, was auf dem Mittelmeer geschieht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Menschen erreichen das Mittelmeer erst gar nicht, weil sie entlang der immer gefährlicher wer- denden Flucht- und Migrationsrouten blockiert werden – oder bereits Tausende Kilometer von uns entfernt ihr Leben verlieren. berichte 11

Der Wüste ausgesetzt: Zwischen Darunter oft Jugendliche wie der 17-jährige Algerien und Mali Doumouyatiè aus Guinea.

Niemand kennt alle Namen und die genaue Doumouyatiè ist auf seiner Migrationsroute Zahl der Menschen, die in den letzten Jahren Richtung Norden quer durch die malische und im Mittelmeer ertrunken sind. Noch weniger algerische Sahara bis nach Algier gelaufen. wissen wir über die Toten der Wüste. In der Unterwegs hat er erleben müssen, wie mehre- Sahara sind die Flüchtlinge, Migranten und re seiner Mitreisenden vor Müdigkeit liegen Migrantinnen nicht nur extremen Temperatu- blieben und starben oder ausgeraubt und er- ren schutzlos ausgeliefert, sondern auch Ge- mordet wurden. Er selbst hat all sein Geld auf walt und Kriminalität. Von Polizei, Armee und der Route verloren und schlug sich in Algerien ausländischen Spezialeinheiten können sie mit Gelegenheitsjobs durch. Vier Monate nach keinen Schutz erwarten. Denn statt die Men- seiner Ankunft in Algier wurde er gemeinsam schen zu schützen, schützen sie die Grenzen mit anderen subsaharischen Migranten und – und das alles mit freundlicher Unterstützung Migrantinnen von der Polizei aufgegriffen. Die der Europäischen Union. Menschen wurden in Lastwagen zusammen- gepfercht und zurück an die malische Grenze Seit die Länder Nordafrikas stärker in das Mi- gebracht, wo die Sicherheitskräfte sie ohne grationsmanagement der EU eingebunden wer- Wasser und Orientierung mitten in der Wüste den, mehren sich Nachrichten über den men- aussetzten. Vollkommen auf sich allein ge- schenverachtenden Umgang mit subsahari- stellt, retteten sich einige der Deportierten in schen Migranten und Migrantinnen. So hat die malische Hauptstadt Bamako, wo sie von Marokko erst kürzlich Tausende Menschen am der AME in Empfang genommen wurden. Wie Mittelmeer aufgegriffen und in der Wüste aus- der Jurist Mamadou Konaté von der AME be- gesetzt. Der Druck auf Marokko, härter gegen richtet, hat Doumouyatiè sich nach den furcht- Flüchtlinge vorzugehen, hat zugenommen, seit baren Erlebnissen, die er nur knapp überlebt Italien sich weigert, Flüchtlinge aufzunehmen hat, entschieden, nicht sobald wieder in Rich- und wieder mehr Menschen versuchen, über tung Norden aufzubrechen, sondern erstmal das westliche Mittelmeer nach Europa zu ge- nach Guinea zurückzukehren. Er weiß aller- langen. Seither haben Spanien und die EU ihre dings, dass er dort nur bleiben kann, wenn er Bemühungen verstärkt, Marokko zum Türste- für sich und seine Eltern einen Weg findet, ihre her Europas zu machen. Auch algerische Si- Lebensbedingungen zu verbessern. Wie das cherheitskräfte haben in den letzten Jahren gehen soll, weiß er nicht. immer wieder Menschen in die Wüste depor- tiert. Zehntausende, darunter schwangere Frauen und unbegleitete Minderjährige, wur- Blockiert und ausgebeutet: Über- den so ohne Wasser und Nahrung ihrem leben im Niger Schicksal überlassen. Viele kommen dabei um. Andere schlagen sich irgendwie durch, Am 1. Juni 2018 eröffnete die medico-Partner- auch bis ins weit entfernte Bamako im Süden organisation Alternative Espace Citoyens (AEC) Malis, wie die medico-Partnerorgansiation As- in Agadez, einem wichtigen Drehkreuz der sociation Malienne des Expulsés (AME) berich- Migration in der Wüste Nigers, ein Büro. Hier tet, die sich um die Deportierten aus europäi- stellt die Journalistenvereinigung unabhängi- schen wie afrikanischen Ländern kümmert. ge Informationen zur Verfügung und doku- 12 berichte

mentiert Menschenrechtsverletzungen. Zwan- ein Notruf, der ungehört blieb: zig Journalistinnen und Journalisten erhielten In der Ägäis eine Fortbildung und werden in Kürze an ver- schiedenen Orten entlang der Routen Gefahren Seit die EU mit allen Mitteln daran arbeitet, und Repressionen dokumentieren, um sie so- die zentrale Mittelmeerroute für Flüchtlinge, wohl Migrantinnen und Migranten als auch der Migranten und Migrantinnen unpassierbar zu Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit auf machen, kamen in diesem Jahr auch wieder Druck der EU ein Gesetz in Kraft getreten ist, mehr Menschen über die Ägäis und die Land- dass Schlepperei unter hohe Strafen stellt, hat grenze in der Evros-Region nach Griechenland. sich die Situation in Agadez und auf der Route Insbesondere auf den griechischen Inseln, die nach Norden noch einmal verschlimmert. Die seit dem EU-Türkei-Deal von 2016 für viele Transporteure weichen auf gefährlichere (und Menschen zu einer Sackgasse geworden sind, damit teurere) Routen aus, um Kontrollen zu sind die Lebensbedingungen für Geflüchtete umgehen. Entlang dieser Routen gibt es aber miserabel. Und immer wieder kommt es an den auch keine Wasserstellen. Wer dort vom Pickup See- und Landesgrenzen zu dramatischen Si- fällt, hat keine Überlebenschance. „Durch die tuationen. So am 16. März 2018, wie unsere Kriminalisierung der Transporteure ist die Partnerorganisation Refugee Support Action nigrische und libysche Wüste noch einmal (RSA) berichtet. mehr zu einer Todesfalle für Transitmigranten und -migrantinnen geworden“, erklärt Ibrahim Am frühen Morgen des 16. März 2018 starten Diallo, der Leiter des von medico geförderten Flüchtlinge aus dem Irak und Afghanistan von Alarme-Phone-Sahara-Büros. der türkischen Küste aus in Richtung der klei- nen, rund zwanzig Kilometer entfernten grie- Aufgrund der zunehmend blockierten Routen chischen Insel Agathonisi. Das Steuer über- gen Norden sitzen Tausende Migranten und nehmen zwei türkische Männer. Ein Sohn der Migrantinnen nun in Agadez fest. Sie können afghanischen Familie hatte bereits zwei Mona- nicht vor und nicht zurück. Ihr Alltag ist von ei- te zuvor die Überfahrt gewagt und saß seither nem harten Überlebenskampf bestimmt. Ibra- im überfüllten Hotspot auf Samos fest. Als das him Diallo hat mit Francesca gesprochen, ei- Boot die türkische Küste verlässt, wird er von ner 19-jährigen Nigerianierin, die in einem der seiner Schwester, der jungen Anwältin Freshta, Gettos am Rande von Agadez lebt. Gettos nen- über WhatsApp informiert. Kurz bevor die Fa- nen die Migrantinnen und Migranten die herun- milien das rettende Ufer erreichen, kommt es tergekommenen Unterkünfte, in denen sie zu einem schweren Schaden am Boot. Es ge- hausen. Jede Nacht geht Francesca in die Bars lingt Freshta gerade noch, panisch ihrem Bru- im Stadtzentrum, um sich zu prostituieren. der die Koordinaten des Bootes zu schicken „Wenn mir früher jemand gesagt hätte, du wirst und Hilferufe an weitere Angehörige loszuschi- eine Nutte sein, hätte ich ihn geohrfeigt“, sagt cken. Kurz darauf kentert das Boot. Auf Samos sie. „Aber heute wüsste ich nicht, wie ich sonst alarmiert der wartende Sohn sofort Polizei und überleben soll. Wenn ich das nicht mache, Küstenwache. Er gibt in mehreren Telefonaten werde ich verhungern. Nach Hause kann ich die Koordinaten des Bootes und seine persön- nicht zurück und weiter nach Libyen komme lichen Daten durch, schickt Nachrichten und ich auch nicht, seit die Weißen unsere Routen spricht mit der Polizei. Doch er wird abgewim- blockieren.“ melt. Er versucht es immer und immer wieder. Umsonst. Erst 24 Stunden nach dem ersten berichte 13

Notruf startet die Rettungsoperation. Nur zwei Dabei werden sie auch mit dem Schicksal zer- Männer und eine Frau überleben die Bootska- rissener Familien konfrontiert. Wie im Fall von tastrophe, bei der sie ihre engsten Familienan- Ahmed, der AMEL wegen seines kranken Bru- gehörigen verloren haben. Vier Jungen, zwei ders kontaktierte. Mädchen, ein Säugling, sieben Männer und zwei Frauen kommen ums Leben. Auch Fresh- Ahmed floh 2016 mit seiner Familie vor dem ta ist unter den Toten. Drei Menschen bleiben Krieg in Syrien nach Libanon. Die Familie ver- vermisst. suchte, direkt von dort mit dem Boot nach Eu- ropa zu gelangen, doch das Boot sank. Ah- Kurz nach der Katastrophe treffen eine Anwäl- med, seine Frau und die beiden heute zehn tin, eine Sozialarbeiterin und ein Übersetzer und sechs Jahre alten Söhnen blieben unver- von RSA, die medico gemeinsam mit Pro Asyl sehrt. Da sie ihre Pässe bei dem Unglück verlo- unterstützt, die Überlebenden auf Samos. Sie ren hatten, mussten sie zurück nach Syrien, leisten psychologische Unterstützung sowie um sich neue ausstellen zu lassen. Dabei wur- rechtliche Beratung über den Ablauf des Asyl- de Ahmed verhaftet. Seine Frau kümmerte sich verfahrens. Die Überlebenden und Angehöri- in seiner Abwesenheit um Visa für Spanien, die gen haben inzwischen Klage wegen unterlas- sie schließlich auch bekam. 2017 reiste sie mit sener Hilfeleistung gegen die griechische den Söhnen aus. Verwandte holten sie aus Küstenwache eingereicht und werden dabei Spanien nach Deutschland, wo die drei Asyl von RSA vertreten. beantragten. Ahmed wurde inzwischen aus dem Gefängnis entlassen und floh erneut in den Libanon. Er lebt in Beirut und leidet unter Zerrissene Familien: Zwischen den mentalen und physischen Folgen der Fol- Deutschland und dem Libanon ter, die er im Gefängnis erlitten hat, sowie unter der Trennung von seiner Familie. Jegliche Ver- Seit Beginn des Krieges suchen syrische Flücht- suche, zu seiner Familie nach Deutschland zu linge im Libanon Schutz. Offiziell leben rund kommen, sind bislang gescheitert. eine Millionen Menschen aus Syrien im Libanon. Inoffiziell sind es vermutlich deutlich mehr. Zu- Seit 1. August 2018 ist in Deutschland das Ge- sammen mit den palästinensischen Flüchtlin- setz zur Neuregelung des Familiennachzugs gen macht die syrische Diaspora rund ein Viertel zu subsidiär Schutzberechtigten in Kraft. Da- der Gesamtbevölkerung im Libanon aus. Viele mit wurde für diese Gruppe der grundsätzliche Flüchtlinge leben in provisorischen Zeltstädten Rechtsanspruch auf den Nachzug von nahen aus Plastikplanen am Rande der Städte oder auf Angehörigen abgeschafft. Zugleich wurde die Feldern. Flüchtlingsfamilien im Libanon sind Zahl der Berechtigten auf 1.000 pro Monat be- oftmals zerrissen, weil Angehörige in Richtung schränkt. Wer zu den 1.000 Auserwählten pro Europa vorausgegangen sind. In Deutschland Monat gezählt wird, ist Ermessensfrage. sind 22.000 Anträge auf Familienzusammen- führung aus dem Libanon registriert – mehr als aus jedem anderen Land. Die libanesische me- Geschlagen und ausgeraubt: An der dico-Partnerorganisation AMEL, eine nichtkon- Grenze zu Kroatien fessionelle basismedizinische Hilfsorganisati- on, versorgt Flüchtlinge in der Bekaa-Ebene Die so genannte Balkanroute gilt seit langem und den schiitischen Vorstädten von Beirut. als geschlossen und damit die „Flüchtlingskri- 14 rbeperichortatege

se“ von 2015 aus der Sicht Kerneuropas als ge- den zu legen. Zwei Stunden mussten wir in die- löst. Doch nach wie vor hängen Tausende von ser Position verharren. Auch eine Familie mit Menschen an verschiedenen Grenzen in Süd- Kindern war dabei. In der Zwischenzeit haben osteuropa fest und versuchen immer wieder, uns vier Polizisten durchsucht, unser Geld ge- sie zu überqueren. Die meisten haben mehrere, stohlen und unsere Telefone zerstört. Wir wur- meist äußerst brutale Pushbacks durch Grenz- den auch geschlagen. Einer meiner Freunde ist beamte hinter sich. Die gewaltsame Umsetzung schwer verletzt. Wir hatten zu viel Angst, um der europäischen Grenzschutzpolitik zeigt sich Asyl zu beantragen. Dann haben sie uns in ei- beispielsweise in Bosnien und Herzegowina, wo nen fensterlosen Transporter gesetzt. Ein oder in den letzten Wochen mehr und mehr Geflüch- zwei Stunden mussten wir in dem Transporter tete stranden. Meist sind die Menschen voll- warten. Es gab kaum noch Sauerstoff. Sie fuh- kommen auf sich allein gestellt. Es gibt kaum ren uns zur Grenze zurück. Mit Polizeistöcken Hilfe von staatlichen Stellen oder nichtstaatli- und einem Hund verscheuchten sie uns. Eben chen Organisationen. sind wir wieder in Velika Kladuša angekommen. Nun haben wir keine Telefone mehr und kein medico fördert seit 2015 ein transnationales Geld und können nicht einmal mehr unsere Fa- Netzwerk von Aktivisten und Aktivistinnen, die milien kontaktieren. Für mich war es der sechs- unter dem Namen „Moving Europe“ Flüchtlinge te Versuch, Kroatien zu durchqueren. Ich habe entlang der sogenannten Balkanroute unter- keine Wahl, ich werde es wieder probieren.“ stützen. Noch immer sind einige von ihnen entlang der Fluchtroute durch Südosteuropa Die Geschichten, wie gefährdete Partner aus solidarisch aktiv. Derzeit arbeiten sie an der in- Syrien immer wieder unter haarsträubenden teraktiven Plattform „Pushback-Mapping“, die Bedingungen versuchen, die Grenze zur Türkei im Herbst online gehen wird. Darauf werden zu überwinden, finden Sie unter: medico.de/ Rechtsbrüche und systematische Gewalt an flucht-aus-syrien Europas Grenzen visualisiert, auch um mithilfe der Dokumentation spätere Klage- und Asyl- verfahren zu unterstützen. Eine Gruppe von Aktivisten und Aktivistinnen aus Zagreb hat den folgenden Fall eines jungen Mannes aus Afghanistan dokumentiert, der nach mehreren Die Beschäftigung mit Flucht und Migration gescheiterten Versuchen des Grenzübertritts ist bei medico in den letzten Jahren zu einem wieder in Velika Kladuša gelandet ist, einer Schwerpunkt sowohl der Projekt- als auch Kleinstadt im Nordwesten von Bosnien und der Öffentlichkeitsarbeit geworden. Unter Herzegowina, die zu einem Nadelöhr auf der dem Motto „Für das Recht zu gehen und das Fluchtroute durch Südosteuropa geworden ist. Recht zu bleiben“ fördert medico auf der ei- nen Seite die Solidarität mit Geflüchteten und „Heute Abend haben wir versucht, die sloweni- Migrierenden auf ihren Wegen. Auf der ande- sche Grenze zu erreichen. Wir waren vierzehn ren Seite rückt medico immer wieder die in der Gruppe. Die kroatische Polizei hat uns im strukturellen Ursachen, die Menschen zum Wald gefangen genommen. Sie haben ihre Aufbruch bewegen, in den Fokus. Waffen benutzt, um uns aufzuhalten. Wir waren verängstigt. Sie zwangen uns, uns mit über Spendenstichwort: dem Kopf ausgestreckten Händen auf den Bo- Flucht und Migration berichte 15 Foto: Mark Mühlhaus/attenzione

Seit Schließung der Balkanroute sitzen Tausende an den Grenzen fest. Foto: Holger Priedemuth Foto: Alarm Phone Sahara

Im Büro des Alarm Phone Sahara in Agadez werden die Gefahren der Routen dokumentiert.

Im Lager Moria auf Lesbos harren die Menschen unter un- würdigen Bedingungen aus. 16 position

Krise der Migration … … oder Krise der Solidarität? medico-Überlegun- gen zum Thema Flucht und Migration

Von Sabine Eckart

Dass medico sich schon seit vielen Jahren rung ihr konkretester Ausdruck. Die aktuelle eu- sehr grundlegend mit dem Thema Flucht und ropäische Migrationspolitik verstärkt die Krise Migration beschäftigt, ist keine Neuigkeit. der Solidarität und erzeugt neue Vulnerabilitä- Dass aber unsere Kolleginnen und Kollegen ten, also Verletzlichkeiten und Unsicherheiten. aus dem Süden, in diesem Fall unser Partner So stranden Geflüchtete und Migrierende zu- AMEL aus dem Libanon, ebenfalls über neue nehmend in Ländern, in denen es keine hin- Formen der transnationalen Solidarität mit länglichen Sicherungssysteme gibt und die Geflüchteten nachdenkt, zeigt, wie sehr sich öffentlichen Angebote und Strukturen nicht in dieser einen Welt Diskurse und Denken an- einmal die Grundbedürfnisse der eigenen Be- nähern. Sabine Eckart, medico-Projektkoor- völkerung decken. Dabei ist bemerkenswert, dinatorin für Flucht und Migration, war im dass es in diesen Ländern häufig eine deutlich Sommer 2018 auf einem von der libanesi- größere Solidarität zu geben scheint als in den schen Partnerorganisation AMEL organisier- reichen europäischen Ländern. Die Praxis der ten Vernetzungstreffen in Rom eingeladen, sogenannten „freiwilligen“ Rückführungen und die medico-Strategien zu dem Thema vorzu- Abschiebungen nicht nur in die Herkunftslän- stellen. Wir veröffentlichen einen Auszug aus der, sondern auch in Drittländer außerhalb oder ihrem Vortrag. innerhalb Europas im Rahmen von Dublin-Ab- schiebungen führt dazu, dass Menschen in oh- Die sogenannte „Krise der Migration“ verweist nehin überlasteten Gesellschaften wie Grie- auf strukturelle Krisen, für die Europa und seine chenland oder Marokko stranden. Sie geraten Mitgliedsstaaten eine bedeutende Mitverant- so immer häufiger und oft auf Dauer in unzurei- wortung tragen. Sie sind vor allem Ausdruck ei- chende provisorische Verhältnisse ohne jede ner Krise der Solidarität zwischen Europa und Perspektive auf eine wirtschaftliche, soziale verarmten Bevölkerungen in der Welt, die oft von oder gar politische Integration. korrupten Autokraten oder Clans regiert werden – und das allzu oft im Einvernehmen mit euro- päischen Staaten oder gar mit deren Unterstüt- Neue Vulnerabilitäten zung. Die Krise der Solidarität von Europa mit seinen Nachbarn, aber auch in Europa selbst ist Europa schafft solche neuen Vulnerabilitäten eine Fortsetzung der Krise der Solidarität auf aber nicht nur bei Geflüchteten und Migrieren- globaler Ebene – und die Politik der Externalisie- den sowie in Transit- und Gastländern. Viel- position 17

mehr nehmen sie auch in und zwischen den ei- • Wir arbeiten nicht für, sondern mit den Mar- genen Gesellschaften zu. In Europa geben ginalisierten. Es geht uns darum, gemeinsam inzwischen Populisten und extreme Rechte, Strategien zu entwickeln und zusammenzuar- aber auch manche pragmatische Linke, die sich beiten. Das ist nicht immer einfach und es geht als „realistisch“ verstehen, die Richtung vor, in- auch nicht vom einen auf den anderen Tag, dem sie darauf pochen, dass Solidarität Gren- aber es ist angemessener, würdevoller und zen habe. Sie ignorieren dabei die Tatsache, nachhaltiger. dass Teile der eigenen Bevölkerung in auch nach Innen externalisierenden Gesellschaften • Wir versuchen, Formen von Solidarität zu unter den gleichen strukturellen Deklassierun- entwickeln, zu fördern und zu stärken. So un- gen, Ausgrenzungen und Ausschlüssen leiden. terstützen wir die Selbstorganisation von Ge- flüchteten und Migrierenden, wo immer es uns Es geht darum, den Diskursen und Politiken zu möglich ist: in den Flüchtlingslagern der widersprechen, die behaupten, Migrantinnen Sahrauis und Palästinenser, in Mali und Marok- und Migranten sowie Geflüchtete würden die ko, in Mittelamerika oder Griechenland. Sozialsysteme sowie Wohn- und Arbeitsmärkte belasten. Was als „Migrationskrise“ wahrge- • Wir fördern den Austausch und die gegen- nommen wird, ist vielmehr eine Krise der sozia- seitige Hilfe unter verschiedenen Gruppen von len Verteilung innerhalb und zwischen den Ge- Geflüchteten und Migranten. Und wir unter- sellschaften. Es geht daher darum, die Mobi- stützen die Solidarität zwischen der lokalen lisierung der Marginalisierten zu unterstützen, Bevölkerung und Migrierenden. um ihre Rechte geltend zu machen, indem sie ihre Kräfte bündeln und (wieder) politische Ak- • Wir fördern die Zusammenarbeit zwischen teure werden: Einheimische ebenso wie Ge- Solidaritätsorganisationen auf subregionaler flüchtete oder Migrierte gleich welchen Status. und regionaler Ebene. Wir dürfen die Kategorisierung von Menschen und die Schaffung von Zwei-Klassen-Systemen • In Zusammenarbeit mit unseren Partnerorga- und -Diensten nicht akzeptieren, sondern soll- nisationen unterstützen wir Ansätze zur Erfor- ten die Verteilung von nationalen und globalen schung, Dokumentation und Aufklärung. Mit Ressourcen zum Wohle aller fordern. Aktuell ist den Auswirkungen der europäischen Migrati- allerdings zu beobachten, dass sich die spal- onspolitik auf den Fluchtrouten beschäftigt sich tenden Dynamiken in den Transit- und An- zum Beispiel die Publikation „Im Schatten der kunftsländern immer weiter nach demselben Zitadelle“. Modell beschleunigen und verallgemeinern. Umso wichtiger ist daher eine transnationale • Wir kritisieren die Rückführungspolitik und Perspektive ebenso wie eine Erweiterung des informieren über ihre Auswirkungen, zum Bei- Blickes über den Mittelmeerraum hinaus. spiel mit einem Projekt, das die Situation derje- nigen, die nach Afghanistan zurückgeführt wurden, untersucht und dokumentiert. Strategische Ausrichtung • Wir unterstützen die Vernetzung von Migran- Was bedeutet das für die Strategien und die ten- und Flüchtlingsrechtsorganisationen, da- Arbeit einer Organisation wie medico interna- mit diese sich in Fällen staatlicher Repression tional? informieren und unterstützen können. 18 position

Geteilte Werte Grenzenlose Solidarität Eine Auswahl von medico-Projekt en zu Flucht und Migration Unsere Arbeit basiert auf zwei zentralen Prinzi- pien: Der Universalität der Menschenrechte und mit den Partnerorganisationen geteilte Werte. Der rechtebasierte Ansatz beruht dar- auf, dass die gleichen Rechte für alle überall gelten und geltend zu machen sind. Er lehnt die Kategorisierung von Menschen ebenso ab wie die Legitimität von Zwei-Klassen-Syste- men. Gemeinsam mit unseren Partnerorgani- sationen stehen wir ein für die Anerkennung Mexiko des Rechts auf Freizügigkeit von Menschen - Unterkunft und Versorgung von Migran- tinnen und Migranten (Herberge La 72) und ihrer Mobilität. Wir wollen gemeinsam - Stärkung der Rechte von Migranten nicht Teil der Infrastruktur der Ausgrenzung durch Öffentlichkeitsarbeit und kollektive und Abschottung sein oder an ihr mitwirken, Suche nach Verschwundenen (M3) etwa als „humanitärer Arm“ bei Abschiebun- gen oder Rückführungen.

Diese Arbeit ist nicht immer frei von Widersprü- chen und Dilemmata. Aber wenn wir darauf achten, uns nicht in falsche Diskurse hinein- ziehen zu lassen oder irreführende Begrifflich- keiten, wie die Rede von der „illegalen“ Migra- tion zu bedienen, und uns nicht für die Abfe- derung eines Systems einspannen lassen, das Ägypten Flüchtlingsunterstützung und -integrati- auf Ausgrenzung, Stigmatisierung, Klassifizie- on in (Torraha for Culture and rung von Menschen und Entsolidarisierung be- Art) ruht, nähern wir uns zumindest einer humane- Mali ren, gerechteren und adäquateren Sichtweise Unterstützung von abgeschobenen und und politischen Praxis an. abgewiesenen Migrantinnen und Migran- ten sowie Förderung der Selbstorganisa- tion (AME und ARACEM)

Der vollständige Vortrag findet sich unter Marokko Unterkunft für Frauen und ihre Kinder auf medico.de/krise-der-solidaritaet, das aus dem der Flucht und Unterstützung der Konfe- transnationalen Austausch hervorgegangene renz „Stimme der Migranten“ in Rabat (AEI Manifest unter medico.de/exil-manifest und ARCOM) Mauretanien Rechtsberatung und soziale Begleitung von Migrantinnen und Migranten sowie regionale Vernetzung von migrationspoli- tischen Organisationen (AMDH) überblick 19

Grenzenlose Solidarität Eine Auswahl von medico-Projekt en zu Flucht und Migration

Balkanroute Monitoring von Pushbacks zur Verteidi- gung der Rechte von Migrantinnen und Migranten (Moving Europe)

Griechenland Afghanistan Juristischer und psychosozialer Beistand Dokumentation des Schicksals von aus für Geflüchtete auf Chios und Lesbos (Pro Europa Abgeschobenen (AHRDO) Asyl/RSA) Bangladesch Nothilfe und Basisgesundheitsdienste für geflüchtete Rohingya (Gonoshas- thaya Kendra)

Irak (kurdische Gebiete) Kultur- und Jugendzentrum in Kifri als Ort des Dialogs zwischen Binnengeflüchteten und Gastgemeinden (HAUKARI)

Libanon - Nachmittagsunterricht und Bildungsan- gebote für syrische Flüchtlingsjugendli- che (Nashet) - Basisgesundheitsdienste und Gesund- heitsschulungen für syrische Flüchtlinge (AMEL)

Niger Palästina/ Alarmphone Sahara – Recherchen gegen Unterstützung von erkrankten Geflüchte- das Sterben in der Wüste (AEI über Globale ten, denen die Abschiebung droht (PHR– Gerechtigkeit e.V. Israel)

Sierra Leone Syrien Stärkung der Selbstorganisation von ab- - Medizinische Nothilfe für Binnenflücht- geschobenen Migrantinnen und Migran- linge im kurdischen Norden (Gesundheits- ten und Advocacy gegen deren Stigmati- rat Rojava) sierung (NEAS) - Lebensmittelversorgung für syrisch-pa- lästinensische Flüchtlingsfamilien (Jafra Somalia / Kenia Foundation) Nothilfe für Geflüchtete in informellen La- gern im Grenzgebiet (KAPLET und NAPAD)

Westsahara Versorgung sahrauischer Flüchtlings- lager mit Medikamenten und medizini- schem Material (DARS) Mehr zu den Projekten und Partnerorgani- sationen unter medico.de/migration 20 reportage Beckett wäre Hoffnung Foto: medico

Theater als Methode zur Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte: Für die afghanischen medico-Partner bedeutet das eine Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. reportage 21

Der medico-Partner AHRDO in Afghanistan probt ein Stück über einen Selbstmord- attentäter. Dann geschieht ein Selbst- mordattentat

Von Hjalmar Jorge Joffre-Eichhorn

Kabul am 15. August 2018, 16.00 Uhr. Die Proben nicht nur unsere Körper und Seelen zerstört. zu unserem neuen Theaterstück, das den an- Auch unsere Fähigkeit, sich sprachlich ausdrü- dauernden Konflikt im Land aus satirischer cken zu können, ist von der ewigen Gewalt und Perspektive behandelt, sind für heute beendet. Angst stark verzerrt worden. Aus diesem Grund Es fehlt nur noch der Feinschliff, dann kann sprechen viele von uns heute nur noch eine ver- unsere Inszenierung, inspiriert von Pablo Neru- narbte Sprache. Es ist eine Tragödie.“ das „20 Liebesgedichte und ein Lied der Ver- zweiflung“ aufgeführt werden. Eine der heute geprobten Szenen hat den Titel: Der schönste Überleben, alles andere ist Luxus Selbstmordattentäter der Welt. Die sechs afg- hanischen Kollegen und ich scherzen ausge- Beim Stichwort „Tragödie“ sind wir schnell lassen über die Absurdität dieser in Afghanis- wieder bei unserem Stück, und der Enthusias- tan bis vor Jahren noch unbekannten Form mus über die anstehende Aufführung kehrt des (Er-)Mordens, die inzwischen den Alltag zurück. Saleem, der Schauspieler, der die Rol- der Menschen auf Schritt und Tritt bestimmt. le des „schönsten Selbstmordattentäters der Wir sammeln ein paar Sätze, die viele Afghanen Welt“ mit großem Gestus spielt, ist im Begriff, tagtäglich als Überlebensmantra zu hören be- seine aus Coca-Cola- und Pepsi-Dosen be- kommen. „Wann immer du eine Gruppe von stehende „Explosionsweste“ auszuziehen, mehr als fünf Menschen siehst, bleib fern, es als bei einer Kollegin das Smartphone klin- könnte sich jemand in die Luft sprengen.“ gelt. Die Nachricht: Ein Selbstmordattentäter, Oder: „Untersteh dich, nach einer Explosion ein echter und definitiv nicht schön, hat sich den Opfern sofort zu helfen. Ein weiterer ente- soeben mitten in einem Vorbereitungszent- hari könnte darauf warten, auch dich in den rum für angehende Studenten in die Luft ge- Tod zu reißen.“ sprengt. Nur wenige Autominuten von uns entfernt, mitten in einer vorrangig von Ange- So etwas muss ich meiner Familie in Hamburg hörigen des Volkes der schiitischen Hazara nicht sagen. Im Normalfalal tauschen wir bewohnten Gegend im Westen Kabuls. Fünf höchstens die Verabschiedungsfloskel „Bis meiner sechs Kollegen leben mit ihren Fami- heute Abend“ aus. Im Probenraum wird es kurz lien dort. Unsere gute Laune stirbt den Sekun- still, alle schauen betreten zu Boden. Dann er- dentod, die Handys werden zum wichtigsten greift Doktor Sharif (Spitzname „Actor Sharif“), Gut. In der Ferne hören wir die Sirenen von einst politischer Gefangener und Guerillero, das Ambulanzen. Es heißt, zwölf Menschen seien Wort: „Hjalmar jan, leider haben 40 Jahre Krieg ums Leben gekommen. 22 reportage

Am Abend gegen 21.30 Uhr sitze ich mit drei bung hält uns an diesem Abend andererseits Kollegen in unserem nur drei Kilometer vom nicht davon ab, genau das Gegenteil von dem Tatort entfernten Büro. Mittlerweile ist die Zahl zu tun, was Hadi gerade gesagt hat. Also wid- der Todesopfer auf 35 angewachsen, zum men wir uns dem Luxus der (politischen) Kunst, Glück ist darunter niemand von unseren Leu- in diesem Fall der afghanischen Aneignung ten, aber einige Bekannte sind verletzt oder von Kasimir Malewitschs Das Schwarze Qua- verschollen. Meine langjährigen Weggefährten drat. Dieses dient als Eingebung für ein grau- können ihre Wut kaum mehr kontrollieren, Trä- schwarzes afghanisches Quadrat, das den nen der Empörung und Ohnmacht fließen. ständig erlebten Übergang von Traurigkeit (Grau) Draußen mischen sich die Sirenen der Ret- in Schwermut (Schwarz) und zurück symboli- tungswagen mit den Gebetsrufen der sunniti- siert und als bewusst abstrakt gewähltes Emb- schen Moscheen im Umkreis. Wir bekommen lem für unser neues Stück fungieren soll. Ge- sofort eine Gänsehaut. Leider stehen sich der- meinsam mit dem Schriftsteller und bildenden zeit in Afghanistan auch wieder sunnitische und schiitische Muslime gegenüber, wobei letztere seit der Herrschaft des „Eisernern „Gewalt und Angst hat unsere Emirs“ Abdur Rahman Khan im späten 19. Sprache vernarbt.“ Jahrhundert gern als „Ungläubige“ und „Spio- ne“ denunziert werden. Radikale sunnitische Führer rufen wieder einmal dazu auf, die Kāfirs endlich auszurotten. Es gibt viele Wege zu Künstler Hamid (Spitzname: „Fidel“) diskutie- sterben in Afghanistan. ren wir darüber, ob das Symbol des Quadrats nicht besser durch ein Minuszeichen ersetzt Da augenblicklich die Zahl der zivilen Opfer von werden sollte, da die afghanische Wirklichkeit Tag zu Tag steigt, haben die Regierung des so unfassbar hart ist, dass sämtliche, auch nur Präsidenten Aschraf Ghani und die internatio- erträumten Neuanfänge immer mindestens nale Gemeinschaft in der Bevölkerung fast je- bei minus 100 beginnen. Betroffenes Schwei- den Kredit verspielt. Mit dem Islamischen Staat gen, dann ein plötzliches Handyklingeln. Hadi (IS) ist im Osten ein zusätzlicher, absolut un- wird gebeten, sich morgen der Trauerfeier für barmherziger Akteur am Werk, der gewillt die Opfer des jüngsten Anschlags anzuneh- scheint, die Leidensfähigkeit der Afghanen men. endgültig zu brechen. „Für eine Mehrheit von uns ist die Vorstellung von Frieden und Ge- Die eben noch verstümmelten Flügel wachsen rechtigkeit, ist der Traum von einem glückli- wieder nach. Für die nächsten Stunden sind chen und selbstbestimmten Leben immer Hadi und Hamid frenetisch am Telefonieren mehr zu einer ontologischen Unmöglichkeit und Tweeten, gepaart mit Momenten von exis- geworden. Was allein zählt, ist das Überleben. tenzieller Lähmung ob der scheinbaren Sinnlo- Alles andere ist Luxus“, so Hadi Marifat, Intel- sigkeit des Lebens in Afghanistan. Hamid lektueller und Dichter, seit gut zehn Jahren ei- schlägt vor, dass unser nächstes Stück eine af- ner meiner besten Freunde. ghanische Version von Samuel Becketts Warten auf Godot sein sollte: „Auch wir warten seit Jah- Diese für die Anhänger von Deportationen af- ren darauf, dass uns jemand rettet, aber so- ghanischer Asylbewerber aus Deutschland wohl unsere vermeintlichen Erlöser als auch möglicherweise unangenehme Lagebeschrei- unsere eigenen Versuche, diese Drecksspirale reportage 23

endlich zu unterbrechen, führen immer wieder so sollte er auch? Wir umarmen uns. „Schlaf in dieselbe Sackgasse der verstümmelten gut. Wir sehen uns in ein paar Stunden.“ Hoffnungen. Es ist einfach nur absurd, Afgha- ne zu sein.“ Beckett würde zugrunde gehen Obwohl es schon weit nach Mitternacht ist, ver- sucht Hadi, die Familien der Opfer zu kontaktie- Kabul, 16. August 2018, die genaue Zeit hat kei- ren und zu fragen, ob, wo und wann die größten- ne Bedeutung mehr. Es ist einfach nur der Zeit- teils verstümmelten Körper der zwischenzeitlich raum nach einem weiteren Selbstmordan- 45 Todesopfer beerdigt werden sollen. Eine Ge- schlag in einem Land, in dem die Hoffnung der denkstätte wird erwogen, aber schnell stellt allermeisten Menschen seit Generationen im- sich heraus, dass die wenigsten bereits identifi- mer neuen Vernichtungsfeldzügen geopfert ziert worden sind und einige der Toten keine An- wird. Wäre Beckett heute noch am Leben, er gehörigen in Kabul haben, sondern als Hoff- würde an Afghanistan zugrunde gehen. Warten nung einer ganzen Familie hierhergeschickt auf Godot wird hier zum Warten auf den nächs- wurden. Das heißt, viele Eltern dürften noch ten Selbstmordanschlag, und im Gegensatz zu nicht einmal wissen, dass ihre Kinder bei einem Godot, der niemals kommt, besteht für alle Anschlag ums Leben gekommen sind. meine afghanischen Kollegen kein Zweifel, dass es diesen nächsten Anschlag irgend- Andererseits müssen die Toten innerhalb von wann geben wird. Getreu dem Motto: Es hat 24 Stunden gewaschen und beerdigt sein, sich schon seit Tagen niemand mehr in die Luft sonst ist es wahrscheinlich, dass die Regie- gesprengt. Es kann nicht mehr lange dauern, rung sich der Körper annimmt und man diese und dann heißt es wieder Gräber schaufeln. nie wieder sehen wird. Schließlich wird be- schlossen, einen lokalen Polizeichef zu tref- Wir haben unsere Proben für heute verscho- fen, der beim vorgesehenen Massenbegräbnis ben. Stattdessen waren Hadi, Doktor Sharif, Sa- die Sicherheit garantiert. Leider ist von dem am leem, Fidel, Assad, Yunus, Qazim, Khatera und nächsten Tag nichts zu sehen. Zahra – die letzten beiden sind die Hauptdar- stellerinnen des neuen Stücks – auf der Ge- Kabul, am 16. August 2018, 3.40 Uhr. Es klopft an denkfeier für die Opfer, wo sie gemeinsam mit der Tür. Hadi tritt ein. „Hjalmar jan, ich kann Hunderten von Trauernden und ohne Poli- nicht schlafen. Können wir noch ein wenig plau- zeischutz das Massengrab für die Anschlags- dern?“ Wir setzen uns auf den Boden. Das Licht opfer geschaufelt haben. Insgesamt neun zer- bleibt aus. Erstickendes Schweigen. Dann Hadis stückelte Körper sind bei extremer Hitze und Frage: „Wie oft steigt der Phönix aus der Asche, gegen den Widerstand von bewaffneten Mili- bis er aus Verzweiflung krepiert?“ zen, die den Gedenkort plötzlich für sich bean- spruchen wollten, wortwörtlich zu Grabe getra- Ich antworte irgendeinen Stuss. Irgendetwas gen worden. mit „die Zukunft gehört den Afghanen, weil ihr seit Jahrzehnten die Kunst des Überlebens, Zurück im Büro sitzen die Kollegen – solidari- des Widerstands und der Unerschütterlichkeit sche Totengräber allesamt – völlig erschöpft trainiert habt, und es genau diese Fähigkeiten und stumm vor mir. Ich serviere ihnen Tee. Ei- sind, die wir im Westen schon vor langer Zeit ner schläft sofort ein. Hadi ist mit seinen Kräf- verloren haben“. Hadi ist nicht überzeugt. Wie- ten ebenfalls am Ende, aber er tweetet und 24 reportage

telefoniert irgendwie weiter. Doktor Sharif misst sich selbst den Blutdruck. Khatera und Zahra waschen sich den Sand aus den Gesichtern. Foto: medico Sand der Trauer und Wut. Ich bitte sie, mir in einem Satz oder einer Frage zu beschreiben, wie es dort war auf dem Gedenkhügel. Was sie fühlten oder dachten, als sie dort gegraben haben. Ihre Antworten sind eine Anklage ge- gen alle, die in Afghanistan den Krieg forcieren und davon profitieren. „Ich habe mich gefragt, wer mein Grab schaufeln wird, wenn ich ir- gendwann Opfer eines Anschlags werden soll- te“, sagt Saleem. Und Khatera meint: „Bis vor Kurzem noch habe ich mich auf genau jenem Hügel mit Freundinnen regelmäßig zum Pick- nick getroffen. Heute habe ich dort die Körper meiner Landsleute begraben. Ich frage mich, wie ich diesen Hügel in der Zukunft erinnern Hjalmar Jorge Joffre-Eichhorn ist ein deutschboliviani- werde.“ scher Regisseur, der seit 2007 in Kabul arbeitet. 2013 er- schien sein Buch: Wenn die Burka plötzlich fliegt. „Das Schlimmste von allem ist“, äußert sich Zahra, „dass ein gewaltsamer Tod für uns im- mer mehr zur Norm wird. Ich frage mich stän- dig, wann es mich endlich trifft. Ich hoffe nur, dass der Tod schnell eintritt und ich nicht tage- lang langsam verrecke.“ Und noch mal Khate- ra: „Es klingt pathetisch, aber trotz aller Trauer und Wut hat mir der Tag heute auch Mut ge- macht.“ Nein, Khatera jan, deine Worte sind nicht pathetisch. Du und die anderen, ihr sagt einfach nur die Wahrheit, nichts als die Wahr- heit. Und wir, die wir auf unterschiedliche Art Hjalmar Jorge Joffre-Eichhorn, dessen Text und Weise dazu beitragen, dass ihr mehr Zeit wir hier veröffentlichen und der zuerst in der investiert, euren baldigen Tod zu antizipieren Wochenzeitung „Freitag“ erschien, ist ein als gemeinsam mit euren Lieben das Leben zu langjähriger Kollege in der Zusammenarbeit genießen, wir haben verdammt noch mal die mit dem afghanischen medico-Partner Pflicht, euch zuzuhören. AHRDO. Die Menschenrechtsorganisation ar- beitet u.a. mit Theater der Unterdrückten wie PS: Die Generalprobe beginnt am nächsten Tag in der oben geschilderten Probe-Arbeit. Diese neun Uhr. immer gefährdete Arbeit an einer kollektiven Erinnerung, die Demokratie und Menschrech- te möglich macht, können Sie unterstützen.

Spendenstichwort: Afghanistan bericht 25

Schattenreich der Angst Syrien. Assads Macht scheint gesichert, aber der Konflikt ist nicht zu Ende. Ein Überblick aus Sicht der medico-Partner

Von Katja Maurer

Junge Frauen werden über Nacht alt, sechs- nennen, weil er alle eingeübten Mentalitäten jährigen Jungen sprießt plötzlich ein Bart. Das mit einem Schlag verändert hatte, allgemein ist keine Variante des magischen Realismus geworden. Der syrische Menschenrechtsanwalt auf Arabisch. In ihrem kürzlich auf Deutsch er- Anwar Al-Bouni, der selbst jahrelang im Ge- schienenen Roman „Die Verängstigten“ be- fängnis saß und jetzt in Europa im Exil lebt, schreibt die syrische Schriftstellerin Dima wirft am Telefon einige Schlaglichter: Seiner Wannous, was mit Menschen geschieht, die Schätzung nach sitzen 150.000 Menschen in Angst als Grundvoraussetzung ihrer Existenz Syrien im Gefängnis, zumeist aus politischen erfahren. Ein ganzes Land mit seiner multireli- Gründen. 80.000 davon seien namentlich be- giösen Bevölkerung lebt seit Jahrzehnten im kannt. Aber es gäbe viele Tausend Verschwun- Schatten dieser Angst. Dieser Schatten tut so dene. Manches Schicksal hat sich mit der bit- weh, wie die Angst selbst, sagt die Mittdreißi- teren Euphorie des vorläufigen Sieges von gerin. Ihre Beschreibung verletzter Seelen Assad geklärt: Das Regime gab den Tod von spielt deshalb immer wieder beim Psychiater mindestens 5.000 Gefangenen bekannt. Offen- in Damaskus. Nur wer kann Wunden heilen, die bar in der Annahme, dass keiner sich mehr vielen schon in den 1980er Jahren zugefügt traut, den Skandal syrischer Gefängnisse beim wurden, als das Assad-Regime den Aufstand Namen zu nennen: ein Staatsverbrechen. der Muslimbrüder mit einem Massaker in der Stadt Hama beendete, bei dem bis zu 30.000 Die aktuellen Zahlen zur syrischen Katastrophe Menschen ums Leben kamen? Für die syrische lassen sich nicht in eine Sprache fassen, die die Schriftstellerin ist das einer der Ausgangs- Anonymität der Ziffern aufheben kann. Die To- punkte der Zerstörung, die nun das ganze Land desopfer des sieben Jahre anhaltenden Kon- erfasst hat. Man könnte auch die Niederschla- flikts liegen zwischen 300.000 und 500.000. Es gung der kurdischen Demonstrationen 2004 gibt laut der UNO sechs Millionen Binnenver- nennen. In allen kurdischen Gemeinden und triebene. 5,6 Millionen sind in die Nachbarlän- Stadtvierteln Syriens kam es zu Massenverhaf- der geflohen. Zwei Drittel des Landes haben tungen insbesondere von Jugendlichen, viele die Regierungstruppen mit Hilfe der russischen erlebten Folter. Armee und einer militärischen Strategie, die keine Rücksicht auf Zivilisten und Völkerrecht Diese Angsterfahrung ist mit der Niederschla- nimmt, zurückerobert. Es verbleiben die kurdi- gung der „Revolution“, wie die syrischen Akti- schen Gebiete im Norden, die unter der Kontrol- ven den demokratischen Aufstand von 2011 le der PYD (mit Unterstützung der US-Armee) 26 bericht

stehen und die Region Idlib, wohin alle verbracht Yarmouk in Trümmern wurden, die nicht in den eroberten Gebieten bleiben konnten oder wollten. Auch die palästinensisch-syrische Partneror- ganisation Jafra ist mit der neuen Situation be- fasst. Erste Familien versuchen in das einstige Niemandsland Idlib Palästinenserlager in den Damaszener Stadt- teil Yarmouk zurückzukehren. Der Stadtteil ist Nach Idlib sind auch Kolleginnen und Kollegen zu 80 Prozent zerstört. Es gab die Ankündi- aus der medico-Projektregion Ost-Ghouta ge- gung, dass Häuser enteignet würden, wenn flohen, die im lokalen Komitee von Erbin u.a. sich ihre Besitzer nicht binnen wenigen Wo- die freien und demokratischen Schulen in Kel- chen zurückmelden würden. Wesam Sabaneh, lergeschossen betrieben hatten, sowie Frauen Gründungsdirektor von Jafra, berichtet, dass aus dem Frauenhaus in Douma. Der in Deutsch- sich erste Familien zurückgemeldet hätten, land lebende syrische Sozialwissenschaftler aber die Klärung des Eigentums nicht gelun- Omar Sharaf, mit dem medico immer wieder gen sei. Es gab große Befürchtungen, dass die zusammenarbeitet, kommt aus der Region syrischen Autoritäten eine Wiederbesiedlung Ost-Ghouta und steht im Kontakt mit den Kol- von Yarmouk durch Palästinenserinnen und legen vor Ort. Idlib, so Sharaf, sei ein Niemands- Palästinenser verhindern würden. Immerhin land ohne staatliche oder lokal legitimierte In- fand hier 2011 eine der größten Demonstratio- stitutionen. Jederzeit könne man Opfer eines nen zur Demokratisierung von Syrien statt. Sy- Übergriffes irgendeiner Gruppierung werden. In risches Militär hatte den Stadtteil, in dem isla- der Grenzregion zur Türkei leben drei Millionen mistische Milizen diverser Coleur die Kontrolle Menschen, zwei von drei sind intern Vertriebe- ausübten, jahrelang eingekesselt und ausge- ne. Viele hofften, das Land Richtung Türkei ver- hungert. Mit dem fast vollständigen Exodus der lassen zu können. Manche Familien hätten es ursprünglichen Bewohnerschaft schien die mehr als zehnmal erfolglos versucht, seien Hoffnung dahin, hier könne irgendwann ein dabei ausgeraubt und von Schleppern zusam- Wiederaufbau unter palästinensischer Ägide mengeschlagen worden. stattfinden. Nun gibt es Versuche, alle palästi- nensischen Fraktionen, die sich in Gegner und Während Mitglieder der demokratischen Op- Befürworter Assads zum Teil auch militärisch position aus Erbin versuchen, sich ins Aus- gespalten hatten, in dem Ziel zu einigen, Yar- land durchzuschlagen, regiert in Erbin das mouk wieder palästinensisch zu machen. Aus- syrische Militär und die Baath-Partei. In Erbin, gang ungewiss. so Sharaf, sei das allerdings eine Truppe aus wenigen syrischen und russischen Soldaten, Offen ist auch die Situation in den kurdisch do- nicht mehr als 30 Mann, die sich als Machtde- minierten Gebieten im Norden, die mehr als 25 monstration rund um das Rathaus aufhielten. Prozent des syrischen Territoriums ausma- Sharaf glaubt, dass Flüchtlinge aus den chen. Ein Repräsentant des Demokratischen Nachbarländern zurückkehren würden, so- Rats, der beansprucht, alle Bewohnerinnen bald die Kriegshandlungen zu Ende gingen und Bewohner gleich welcher religiösen oder und sie nicht persönlich von Verfolgung be- ethnischen Zugehörigkeit institutionell zu ver- droht seien. Zu prekär sei etwa ihre Situation treten, erklärte auf Anfrage von medico, dass im Libanon und in Jordanien. der Konflikt zwar noch nicht zu Ende sei, aber Assad vorerst bleibe. Damit begründet der Rat bericht 27 Foto: Jafra

Gibt es in diesen Trümmern eine Zukunft für die palästinensische Gemeinde in Syrien? Der Damaszener Stadtteil Yarmouk.

die Gespräche, die seit Juli 2018 mit Vertretern der die Weißhelme bezichtigt werden, Verteidi- aus Damaskus geführt werden. Es sei dabei vor gungsstrategien gegen Giftgasangriffe mit der allen Dingen um Absprachen im Dienstleis- Bevölkerung zu üben, obwohl doch klar sei, tungssektor und auf Verwaltungsebene gegan- dass die Rebellen/Terroristen in Idlib das Gift- gen. Ziel des Rates ist die politische Autonomie gas einsetzten. Trump seinerseits droht schon der nordsyrischen Föderation, eine nur kulturel- mit Angriffen, falls es zu Bombardierungen in le Autonomie sei nicht akzeptabel. Eine politi- Idlib kommt. Und die russische Flotte weist sche Autonomie beinhaltet auch die Praxis, die große Truppenbewegungen im Mittelmeer auf. schon jetzt in den nordsyrischen Gebieten So viel Getöse schon vor der Schlacht. Mitten- stattfindet: Mehrsprachigkeit in Bildung und drin die Weißhelme, die ohnehin der Russen Ämtern, demokratische Wahl der Räte auf allen liebster Feind sind. Gegen die gut finanzierten Ebenen, der Aufbau einer sozialen Infrastruktur, und organisierten Zivilschutzmänner hat Russ- die allen gleichermaßen zugänglich ist. Die land über das Internet eine solche Schlamm- Hoffnung ist, dass die Schaffung neuer Instituti- schlacht gestartet, dass man sich erst mal ein onen entlang dieser Prinzipien auf lokaler Ebe- paar Seiten durchklicken muss, um auf Infor- ne langfristig die Autonomie sichern kann. mationen zu stoßen, die nicht aus russischer Quelle stammen. Es ist eben auch ein Krieg um die Wahrnehmung, in dem die Wahrheit von der Leise Hoffnung Haltung abhängt.

Das aktuelle syrische Szenario aus Angst, Flucht, Vertreibung, aber auch Rückkehr und Für die vielfältigen Arbeiten in Syrien und mit leiser Hoffnung, je nach Region, könnte aller- syrischen Flüchtlingen im Libanon ist medico dings schon im nächsten drohenden militäri- auf Ihre Unterstützung angewiesen, gerade schen Angriff untergehen. Die Koalition um dann, wenn es um Befreiungsbemühungen Assad will nun auch Idlib unter ihre Kontrolle geht, die den Horizont eines demokratisch bringen. Schon jetzt gibt es einen Propaganda- verfassten Syriens nicht aufgeben. krieg. Im August veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium eine Erklärung, in Spendenstichwort: Syrien 28 meldungen Projekte Projekti- Foto: medico onen

Unter Druck erhöhen droht. Nach vier Monaten wieder auf Niger: Shrinking Spaces im freiem Fuß, reiste Tchangari Ende August als Frontstaat der EU geladener Redner nach Agadez im Norden des Landes zu der Konferenz „Migration, Sicherheit Im Herbst 2017 noch sprach der nigrische Men- und äußere Einmischung: Ist die Zukunft West- schenrechtsaktivist Moussa Tchangari im Bun- afrikas bedroht?“. Der Ort war bewusst gewählt, destag über die Auswirkungen der im Namen konzentrieren sich hier doch die europäischen von Terrorbekämpfung und Migrationsabwehr Bemühungen, Migration zu unterbinden. Am neu ausgerichteten europäischen Politik auf Flughafen von Agadez aber wurden Tchangari die Sahelzone. Im Frühjahr 2018 dann wurde der und andere nigrische zivilgesellschaftliche Ak- Generalsekretär der NGO Association Alternati- tivisten festgehalten und in andere Landesteile ve Espaces Citoyens, Mitglied des von medico verbracht. Zunehmend gerät Menschenrechts- geförderten Partnernetzwerks in Westafrika, in arbeit im Niger unter Druck. Kritik aus Europa der Hauptstadt Niamey gemeinsam mit ande- bleibt hingegen aus, schließlich ist das Land, ren Bürgerrechtlern inhaftiert. Ihr Vergehen? geadelt vom Besuch der Bundeskanzlerin 2017, Sie hatten zu einer Demonstration gegen ein zum „strategischen Partner“ in der Migrations- geplantes Fiskalgesetz aufgerufen, das massi- abwehr und damit zum Frontstaat geworden. ve Steuervergünstigungen für private Telefon- gesellschaften vorsieht, die Lebenshaltungs- Spendenstichwort: kosten für die breite arme Bevölkerung aber zu Flucht und Migration meldungen 29

Dachgärten im Lager eine ökonomische Perspektive zu geben – mit Libanon: Mit Gewächshäusern gegen beachtlichen Fortschritten. Seit etwas über die Ausgrenzung einem Jahr stellen 50 Frauen in einer Groß- küche Lebensmittel sowie warme Mahlzeiten Was tun, wenn man hier gestrandet ist? Im her und vertreiben sie. In Planung ist auch Ein-El Hilweih Camp, dem größten paläs- eine Bäckerei. Zudem unterstützt medico das tinensischen Flüchtlingslager im Libanon, jüngste Projekt: Auf Hausdächern entstehen leben rund 90.000 Menschen hinter Mauern Gewächshäuser für den Anbau von Gemüse auf engstem Raum zusammen, viele seit und Obst. Nashet bedient sich dabei eines An- Jahrzehnten, rund 6.000 syrisch-palästi- satzes, mit dem die palästinensische Karama nensische Flüchtlinge seit wenigen Jahren. Foundation im Westjordanland erfolgreich ist. Während die Armee alle Zu- und Ausgänge Die Früchte der Dachgärten sollen für den Ei- kontrolliert, ist der Alltag im Camp selbst von genbedarf genutzt und an die Großküche der Gewalt, Armut und Ausgrenzung bestimmt. Kooperative verkauft werden. Darüber hinaus Was also tun? Vor eineinhalb Jahren hat die fördert das Projekt die Selbstorganisation und langjährige medico-Partnerorganisation Nas- -ermächtigung der Frauen. Ein Urban Garde- het die Gründung einer Frauenkooperative ning der anderen Art. unterstützt. Ziel ist es, palästinensischen Frauen allen auch legalen Hürden zum Trotz Spendenstichwort: Libanon

Debattenwerkzeug heitsbereich durch die Temer-Regierung haben Brasilien: Für eine universelle die Lage verschärft. Umso wichtiger ist die -Ar Gesundheitsfürsorge beit des medico-Partners CEBES. Das Zentrum zur Erforschung der Gesundheit fördert seit Lan- Die brasilianische Gesellschaft ist extrem ge- gem die Debatten mit den Gesundheitsarbeite- spalten: in arm und reich, ländlich und städtisch, rinnen und -arbeitern und den sozialen Bewe- schwarz und weiß. Die sozialen Ungleichheiten gungen. Analysen und Positionen, auch zu den durchziehen auch die Gesundheitsfürsorge – dramatischen Folgen der Sparmaßnahmen, hat trotz des bereits 1988 eingeführten Sistema Úni- CEBES mit Unterstützung von medico in einem co de Saúde (SUS). Mit ihm ist zwar eine steuer- Buch zusammengefasst. Die Aufsatzsammlung finanzierte öffentliche Gesundheitsversorgung ist gleichermaßen Ergebnis langjähriger Debat- mit freiem Zugang für die gesamte Bevölkerung ten wie auch Werkzeug für neue. So diskutier- in der Verfassung festgeschrieben, die Um- te CEBES die Thesen des stark nachgefragten setzung dieser Ziele aber blieb, auch unter der Buches jüngst auf dem Kongress „Kollektive PT-Regierung von 2003 bis 2016, stets defizitär. Gesundheit“ in Rio de Janeiro mit mehr als 400 Seit Jahren führt die brasilianische Gesund- Gesundheitswissenschaftlerinnen und -aktivis- heitsbewegung eine Abwehrschlacht gegen ten. So eklatant die Ungleichheiten auch sind: die mit öffentlichen Mitteln geförderten priva- Der Widerstand bleibt. ten Gesundheitsversicherungen auf Kosten des SUS. Massive Kürzungen im Sozial- und Gesund- Spendenstichwort: Brasilien 30 interview Virtuell frei

Mit einem Smartphone am Strand von Gaza sind wenigstens die Gedanken frei. Foto: REUTERS/Mohammed Salem interview 31

Die Jugend in Gaza kann nur im Netz die Grenzen überwinden. Ein Gespräch mit den palästinensischen Menschenrechtlern Issam Younis und Mahmoud Aburahma

Issam Younis und Mahmoud Aburahma traf mit ihm zusammensitzt, eine weitere Vertrei- ich zum ersten Mal 2014 in Gaza-Stadt. Die bungserfahrung trotz des bitteren Lebens in beiden führenden Köpfe der palästinensi- Gaza. Wer hinter der Kampagne gegen ihn schen Menschenrechtsorganisation Al Mezan steckt, ist unklar. Weder bei den israelischen Center for Human Rights hinterließen bei mir Behörden noch der palästinensischen Hamas einen bleibenden Eindruck. Das lag nicht nur ist der strikt menschenrechtliche Ansatz von an den Umständen. Damals besuchte ich den Al Mezan und Mahmoud wohl gelitten. Auch Gaza-Streifen nach Ende der wochenlangen Issam hat eine schwere Erfahrung hinter sich, Bombardierungen durch die israelische Ar- eine lebensgefährliche Erkrankung. Aber bei- mee. Die zerstörten Viertel in Gaza-Stadt rie- de gehen weiterhin respektvoll miteinander fen die Bilder wach, die meine Generation tief um, sie analysieren klarsichtig und das alles in im Unterbewussten aus der erzählten Pers- einer Atmosphäre der warmherzigen Freund- pektive der Eltern oder Großeltern gespei- lichkeit. Wir reden auf Englisch. Sie könnten chert hat. Bilder, die das Menschheitsverbre- ein solches Gespräch aber auch im fließen- chen Auschwitz oft überlagern, weil dieses den Hebräisch führen. die Vorstellungskraft sprengt. Die beiden Menschenrechtler pflegten in dieser von Wahrnehmungen und Erinnerungen überla- Wie sieht die Lage in Gaza heute aus? gerten Situation eine warme Freundlichkeit Issam Younis: Die „Märsche der Rückkehr“, die im Umgang miteinander und mit den Besu- seit März 2018 bis heute immer noch wöchent- cherinnen, die fast unangemessen schien. Es lich – wenn auch mit erheblich weniger Teil- war nicht nur Routine im Ertragen sich wie- nehmern - stattfinden, gäbe es nicht ohne die derholender Angriffe. Mir schien es auch ein beispiellose zehnjährige Blockade des Ga- Ringen um menschliche Würde, die unter al- za-Streifens, die alle Lebensbereiche der Men- len Umständen gewahrt werden muss. schen beeinflusst. Die humanitäre Krise hat sich erheblich verschärft. Die Zahlen sind Nun sitzen sie vier Jahre später im medico- schockierend. Die Hälfte der Menschen ist -ar Büro. Mahmoud konnte wegen undurchsich- beitslos. 85 Prozent der Bevölkerung hängt von tiger Drohungen gegen seine Person, die von humanitärer Hilfe ab. Die Situation kann kaum schlimmen Verleumdungen bis Todeswar- schwieriger sein. Die Märsche waren anfangs nungen reichten, von einer Dienstreise nicht sehr heterogen zusammengesetzt. 110 Men- nach Gaza zurückkehren. Für Mahmoud, des- schen wurden in den fünf Gebieten, in denen sen Eltern nach Rafah vertrieben wurden, wo- diese Märsche stattfanden, erschossen und ca. von er unweigerlich erzählt, wenn man länger 4.000 Menschen durch scharfe Munition ver- 32 interview

wundet. Es gab für das Leben der israelischen ren. Der andere durfte Gaza nicht verlassen und Soldaten zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr. ihm wurden beide Beine amputiert. Außerdem Trotzdem hat die israelische Armee Scharf- haben israelische Menschenrechtsorganisatio- schützen und tödliche Munition eingesetzt. nen, mit denen wir regelmäßig zusammenar- beiten, vor Gericht beantragt, dass keine schar- Ihr habt versucht dagegen juristisch vorzuge- fe Munition gegen die Demonstrantinnen und hen, wie? Demonstranten eingesetzt werden darf. Auch Issam Younis: Die israelische Armee verweiger- diesen Antrag lehnte das Oberste Gericht ab. te zunächst denen, die verletzt wurden, die Ausreise aus Gaza. Ihnen konnte aber vor Ort Mit welcher Begründung? häufig nicht geholfen werden, weil es Kranken- Issam Younis: Wir haben beweisen wollen, dass es sich bei den Demonstrationen nicht um Kampfhandlungen handelt, sondern um Pro- teste, bei denen die israelische Regierung nur bei Gefahr für Leib und Leben der Soldaten das Recht auf polizeiliche Maßnahmen bis hin zum Schusswaffengebrauch hat. Die israelische Ar- mee hat eine Grenzgeographie in Gaza mit den Foto: Lazar Semeonov Foto: Lazar Pufferzonen, den Sanddünen, den mehreren Kilometern entfernten ersten israelischen An- siedlungen geschaffen, die es unserer Mei- nung nach sehr schwierig macht zu beweisen, dass junge Leute, die Steine werfend auf die Grenze zugehen, eine Lebensgefahr für die is- raelische Seite bedeuten. Die israelische Re- Seit über zwanzig Jahren kämpft Mahmoud Aburahma für die Rechte der Menschen im Gazastreifen. gierung hat das hingegen als eine Situation der Kampfhandlung dargestellt und sich auf einen Unterparagrafen des internationalen humani- tären Rechts berufen, wonach die Demonstra- häuser mit entsprechenden medizinischen tionen deshalb Teil einer Kampfhandlung im Möglichkeiten nur in Ost-Jerusalem und Ramal- Rahmen eines anhaltenden kriegerischen lah gibt. Normalerweise gelten sogenannte hu- Konfliktes seien, weil sie in Zukunft in lebens- manitäre Kriterien, die die Ausreise von Patien- bedrohlichen Auseinandersetzungen enden ten aus dem Gaza möglich machen. Den könnten. Wir haben mehrere Videobeweise Verletzten wurde das verweigert. Gemeinsam vorgelegt von Protestierenden, die mitunter mit der israelischen Menschenrechtsorganisa- mehrere Hundert Meter vom Zaun entfernt, tion Adalah haben wir deshalb eine Klage beim teils mit dem Rücken zu den israelischen Sol- israelischen Obersten Gerichtshof eingereicht. daten standen, und die erschossen wurden. Es handelte sich um zwei Protestierende, bei Das Gericht akzeptierte diese Beweise nicht denen die Gefahr bestand, dass sie beide Beine und folgte der Argumentation der israelischen verlieren würden, weil die entsprechenden Be- Regierung. handlungsmöglichkeiten in Gaza fehlen. Nach langem hin und her erlaubte das Gericht die Welche Lehren kann man aus diesen Ereig- Ausreise von einem, so hat er nur ein Bein verlo- nissen ziehen? Immerhin sind viele Men- interview 33

schen ums Leben gekommen oder verletzt Ihre Wünsche und Horizonte sind sehr klein. Sie worden. kennen die Westbank nicht, sie wissen nicht, Issam Younis: Die Jugend ist extrem frustriert was die Grüne Linie ist. Sie wissen nicht, was und Gaza ist jung. Über 70 Prozent der zwei Mil- beim Juni-Krieg 1967 geschah und was er be- lionen Einwohnerinnen und Einwohner sind deutete. Niemand von ihnen hat in der West- unter 29 Jahren. 60 Prozent von ihnen sind ar- bank studiert. Sie haben auch nicht in Israel beitslos. Es gibt für sie genügend Gründe zu gearbeitet. Sie kennen nur israelische Solda- demonstrieren, auch unter Lebensgefahr. Die ten, Panzer und Bomben. Gleichzeitig über- schreiten sie mit dem Internet diese realen Grenzen. Dort haben sie Kontakt zu Palästi- nensern und anderen Leuten in Haifa, in Naza- reth, in Ramallah, im Libanon, in Syrien. Wo auch immer. Es entsteht eine neue Art von vir- tueller Identität, die sich unterscheidet von dem, was wir bislang kannten. Denn sie sind in eine so kleine Welt hinein geboren worden, die

Foto: Anne Paq/Activestills.org noch dazu jederzeit durch die israelische Re- gierung bedroht werden kann. Wir müssen die- sen Widerspruch zur Kenntnis nehmen. Die Menschenrechtsarbeit von Al Mezan ist in ih- rem Verständnis universell. Das zu vermitteln ist unsere Aufgabe. Menschenrechte gelten für Issam Younis erhielt 2008 in Anerkennung seiner Arbeit im Gazastreifen den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar. alle, auch diesseits und jenseits der Grenze zu Israel.

Al Mezan führt regelmäßig Workshops mit Ju- Gesellschaft in Gaza ist lebendig, auch wenn gendlichen zum Thema Menschenrechte die Welt das nicht wahrnimmt. Es gibt nicht nur durch. Gibt es Interesse an dieser Arbeit in öffentliche Proteste gegen die Besatzung, einem Umfeld, wo es um ihren Schutz in jeder sondern auch gegen die palästinensische Au- Hinsicht so schlecht bestellt ist? tonomiebehörde und gegen Hamas. Tausende Issam Younis: Wir dürfen die Hoffnung nicht von Menschen haben daran teilgenommen. verlieren, auch wenn sich die Situation immer Die Energie der jungen Menschen, wie sie auch weiter verschlechtert. Für alle gleichermaßen in den „Rückkehrmärschen“ zum Ausdruck geltende Menschenrechte sind der einzig rich- kam, braucht eine Form der Anerkennung als tige Weg für die Palästinenserinnen und Paläs- legitimer Ausdruck von Unbehagen, wenn man tinenser und für alle anderen ebenfalls. Es gibt nicht will, dass die Situation sich weiter zu- noch immer Räume, in denen die Kultur der spitzt. Eine Jugend in harten realen Grenzen, Menschenrechte und ihre Universalität auch aber zugleich dank Internet eine Jugend ohne unter unseren Bedingungen aufrechterhalten virtuelle Grenzen. Was macht dieser Wider- und entwickelt werden kann. Unsere Program- spruch mit den Menschen? me für Studierende und Fachleute erfreuen sich großer Beliebtheit. Uns ist es wichtig, dass Mahmoud Aburahma: Viele von ihnen kennen wir die Menschenrechte in ihrer ganzen Breite bewusst nur das Leben unter der Blockade. diskutieren. Wenn im Gaza-Streifen oder in der 34 interview

Westbank Folter zum Beispiel im Polizeigewahr- gang. Mittlerweile aber stoßen wir manchmal sam stattfindet, muss das ebenfalls themati- auf offene Feindschaft. Schon wenn man das siert werden. Die Menschenrechte sind unteil- Wort Besatzung sagt, gilt man als Feind nicht bar, auch in einer Konfliktsituation. Das vermit- nur bei der israelischen Regierung, sondern teln wir, und das wird auch breit in den Work- auch bei vielen Gruppen in Europa und in den shops diskutiert. Wir beschäftigen uns in unse- USA, die diese Regierungsposition übernom- ren Workshops mit der Ethik der Menschenrech- men haben. Ich erlebe durchaus Ähnlichkeiten te insgesamt. Wir glauben nämlich nicht, dass in der Mentalität. Wer sich in Europa für Migran- sich die Situation durch ein großes Ereignis ver- tenrechte einsetzt, kann ebenso als Feind titu- ändern wird. Erfahrungen und Denkweise akku- liert werden wie Menschenrechtler aus Palästi- mulieren sich und bündeln sich irgendwann zu na. Es gibt viel mehr Druck auf Regierungen etwas Neuem. Solange machen wir unsere und Politiker, die sich einen menschenrechtli- Workshops, sammeln Augenzeugenberichte chen Ansatz zu eigen machen. dokumentieren Menschenrechtsverletzungen. Das ist wichtig. Die Opfer müssen sprechen, Gibt es ein konkretes Beispiel? selbst wenn vorerst keine juristische Aufarbei- Issam Younis: Die Vorwürfe sind immer diesel- tung stattfindet. ben. Es heißt, wir wären korrupt, wir würden Mittel hinterziehen. Es gibt keine Beweispflicht. Mahmoud Aburahma: In Deutschland halten Es handelt sich um verleumderische Kampag- viele die Menschenrechte für selbstverständ- nen, und wir treffen überall auf sie. Es gibt so lich. Sie fühlen sich vom Rechtsstaat weitest- viele Gruppen in Europa, die starken Einfluss gehend geschützt. Das ist in Gaza nicht der haben. Sie arbeiten mit sehr einfachen Bot- Fall. Bei uns sind Menschen durchaus auch an schaften. Und wer sich nicht auskennt, der ist den abstrakten Aspekten des menschenrecht- empfänglich, weil gegen Menschen aus Gaza lichen Denkens interessiert. Wenn man in einer ohnehin schon ein latenter Terrorismusvorwurf so komplizierten Situation wie im Gaza-Streifen erhoben wird. lebt, sind die Ethik und die Prinzipien der Men- schenrechte und der Menschenwürde eine Wie reagieren eure Partner? Überlebenshilfe. Mahmoud Aburahma: Unsere Partner wissen sehr viel über uns. Wir werden von einem der Mahmoud, deine Aufgabe ist es, schon seit vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen einigen Jahren mit Politikerinnen und Politi- regelmäßig auditiert. Sie wissen sehr genau, wie kern in Europa ins Gespräch zu kommen. Hat wir arbeiten. Es gibt ein großes Vertrauen in uns. sich das Gesprächsklima verändert? Aber unsere politischen Kontakte hängen von Mahmoud Aburahma: Es ist in den letzten Jah- der öffentlichen Meinung ab. Wenn die verwirrt ren sehr schwer geworden, Gehör für die Prob- ist und die Verleumdungen erfolgreich sind, leme in Gaza oder in der Westbank zu finden. dann wird es schwierig für uns. Wir sind also die Das hat auch mit den Kriegen in der Region zu ganze Zeit damit beschäftigt uns zu erklären, tun und den Geflüchteten, die seit 2015 des- zu verteidigen. Das frisst viele Ressourcen und halb in Europa Schutz suchten. Unsere Arbeit lenkt von der eigentlichen Arbeit ab. als Menschenrechtsaktivisten bestand immer darin, mit der Zivilgesellschaft und mit Politi- Das Interview führte Katja Maurer kern Kontakt aufrecht zu erhalten. Mit unse- rem Anliegen gab es einen respektvollen Um- Bericht 35

Müll und ScheiSSe Die permanente Energiekrise in Gaza und ihre Folgen

Seit Jahren leidet die Bevölkerung des Gazastreifens unter einer schwer- wiegenden Energiekrise. Die Stromversorgung schwankt zwischen vier und sechs Stunden täglich. Zu seinen Glanzzeiten konnte das Elektrizitätswerk

Foto: REUTERS/Mohammed Salem von Gaza der Einwohnerschaft acht, manchmal gar zehn Stunden Strom am Tag liefern, allerdings auch dies nur in Kombination mit Stromimporten aus Israel und Ägypten. Nicht zum ersten Mal wurde das E-Werk während des Krieges im Sommer 2014 schwerstens beschädigt. Die Stromversor- gung brach zusammen und wurde bis auf den heutigen Tag nicht wieder im alten Umfang hergestellt, obwohl das Kraftwerk repariert worden ist. Ohne Strom ist das Dies liegt daran, dass der Betrieb völlig von Treibstofflieferungen abhängt, ohnehin mühsame Leben die primär aus Israel, zu einem geringeren Teil aus Ägypten importiert wer- im Gazastreifen noch schwerer. den müssen. Ägypten aber beteiligt sich aktiv an der Blockadepolitik.

Die israelische Regierung drosselt regelmäßig ihre Lieferungen oder stellt sie im Rahmen von Strafmaßnahmen gegen die Hamas immer wieder voll- ständig ein. Seit 2017 hat sich auch die palästinensische Autonomiebehör- de (PA) in Ramallah dieser Boykott-Strategie angeschlossen. PA-Chef Mahmoud Abbas bat Israel, die Treibstofflieferungen zu reduzieren, um die Hamas auf Einheitskurs zu bringen. Diese Maßnahmen sind völkerrechts- widrige Formen von Kollektivbestrafung mit desaströsen Folgen. Das Le- ben wird noch teurer. Alternative Energiequellen müssen gefunden wer- den. Das fängt bei der Beleuchtung zum Lesen oder Schulaufgaben machen an und setzt sich über die Aufladung elektronischer Geräte fort. Waschmaschinen kosten zu viel Strom. Die Frauen waschen mit der Hand, weil die Spannung nicht ausreicht. Lebensmittel müssen in kleinen und damit teuren Portionen gekauft werden, weil sie nicht zuverlässig gekühlt werden können. Kochen ist unweigerlich mit der Jagd nach der nächsten Gasflasche verbunden.

Die Treibstoffknappheit hat auch für große Einrichtungen drastische Folgen. Anfang August 2018 warnten die Vereinten Nationen beispielsweise, dass 40 der 132 Wasser- und Abwasseranlagen nur noch Treibstoff für 1-2 Tage hätten und 1,2 Mio. Menschen akut von Überschwemmungen durch Abwässer be- droht seien. Um die Überflutung von Wohngegenden zu vermeiden, hat die Stadtverwaltung von Gaza täglich über 10.000 Kubikmeter Abwasser in eine Sturmwasserlagune im Norden der Stadt gepumpt. Nun sind die Anrainer dort dem erhöhten Flutrisiko ausgesetzt. Das Hauptklärwerk von Gaza muss- te seinen Betrieb stark reduzieren und auch die Müllabfuhr funktioniert nicht mehr richtig. Derzeit türmen sich etwa 15.000 Tonnen Müll in Gazas Straßen.

Riad Othman 36 interview

Mehr als ein Aufstand Nicaragua. Die Proteste wurden gewaltsam be- endet, aber der tiefe Bruch bleibt. Ein Inter- view mit Enrieth Martínez Palacios

klärt. Ohne nun stellvertretend für meine ganze Generation sprechen zu können, so ist er für mich ein Monolith, eine Figur des 20. Jahrhun- derts mit all den Erfolgen und Fehlern, die im Zuge der Wiederherstellung dieses Landes ge- macht wurden. Für mich ist er aber auch derje- Foto: La Prensa/Manuel Esquivel Prensa/Manuel Foto: La nige, der die Geschichte monopolisierte, der sie parzellierte und patentierte, damit diese seiner diskursiven Linie entspricht, die weder zur Re- flexion noch zum kritischen Denken einlädt. Da- Enrieth Martínez Palacios ist Soziologiestudentin und niel Ortega ist auch die Figur der institutionellen nahm als Studentenvertreterin an den nun ausgesetzten Zersetzung des Landes – die Instrumentalisie- Gesprächen mit der Regierung teil. rung einer romantisierten Geschichte, um den Pakt der Eliten zu verschleiern, der einer kapita- Im Juni 2018 sprachen Sie davon, die Proteste listischen, patriarchalen und kolonialen Logik stünden für etwas revolutionär Neues. Stehen folgt. Ortega, Murillo und ihre Familien reprä- Sie zu dieser Aussage im August immer noch? sentierten ein Projekt, das sich wegen seines Enrieth Martínez Palacios: Jenseits des unmit- Caudillotums und seinem Autoritarismus auf- telbaren Rücktritts von Ortega haben die ver- löst. Zudem sind die sandinistischen Eliten Teil schiedenen Protestgruppen auf eine Transfor- der ökonomischen Führungsspitze geworden, mation des Landes gesetzt. Ihr zugrunde liegen was den Bruch zwischen der Praxis und dem re- die zivilgesellschaftlichen Forderungen in all volutionären Diskurs offenbart. ihrer Vielfalt. Diese Vielfalt an Forderungen und Kämpfen zeigte mir, dass es eine Revolution Ist Versöhnung möglich? war, die aus einem langen Prozess auf der Su- Nein. Und die Antwort entspringt nicht einem che nach strukturellem Wandel entstand. Wunsch nach Rache. An „Versöhnung“ zu den- ken ist unmöglich, weil wir unabhängige Unter- Was verkörpert Ortega für die jüngeren Gene- suchungen einfordern, die zur Aufklärung der rationen? erfolgten Verbrechen beitragen sollen. Wir müs- Seit ich elf bin, sehe ich Ortega in den Medien. In sen starke und feste Institutionen schaffen, die meinem Gedächtnis haben sich er und später verhindern, dass sich ein solches Ereignis wie- auch Rosario Murillo zu mythischen Figuren ver- derholt. Über eine Idee von „Versöhnung“ kann interview 37

erst gesprochen werden, wenn zuvor ein Pro- nigten diesen Prozess. Mir ist wichtig zu betonen, zess der Gerechtigkeit und Wahrheit stattgefun- dass hinter den Mobilisierungen auf der Straße den hat, der Straflosigkeit verhindert. keineswegs die Privatwirtschaft steckt und die „Alianza Cívica por la Justicia y la Democracia“ – Welche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen Sie ein Zusammenschluss verschiedener zivilgesell- gerade? Nachdem wir im Fernsehen auftauchten ent- schied ich mich dazu, das kleine Appartement zu „Ortega romantisiert verlassen, dass ich mit meiner Schwester ge- die Geschichte, um den mietet habe. Ich war in mehreren „Sicherheits- häusern“, wo mich sehr freundliche Personen neoliberalen Pakt der Eliten aufgenommen haben. Aus einem musste ich zu verschleiern.“ wieder raus, weil dort nach mir gesucht wurde.

Es heißt 70 Prozent der Nicaraguaner würden Ortega abwählen. Auch die Proteste hatten schaftlicher Sektoren, die bei den Friedensgesprä- zum Teil Generalstreik-Charakter. Woher chen mit der Regierung mit am Tisch saß – nicht kommt diese Breite der Proteste? der einzige organisierte Ausdruck der Zivilgesell- Es ist eben kein Konflikt zwischen Regierung schaft ist. Diejenigen, die sich rund um die massi- und oppositionellen Parteien. Von Anfang an ven Mobilisierungen und um die Ausweitung der handelte es sich um einen Aufstand der Zivilge- Diskussions- und Partizipationsräume organisie- sellschaft, schlecht organisiert und artikuliert. ren, sind über das ganze Land verstreut. Wirklich groß wurden die Proteste als Reaktion auf die Gewalt der Regierung und ihrer parapoli- Wie sieht es innerhalb der staatlichen Institutio- zeilichen Gruppen. nen aus? Wir wissen von Staatsangestellten, die in den letz- Welche Rolle spielen die Unternehmer, die in den ten Monaten aus der FSLN ausgetreten sind. Ande- nun ausgesetzten Friedensgesprächen als erste re wiederum haben aufgrund externen Drucks ihre am Tisch mit Ortega saßen? Posten niedergelegt. Der Kontrollapparat der San- Der Verschleiß der Institutionen ging einher mit der dinisten funktioniert aber weiterhin. Die FSLN ver- Einsetzung eines Dialogs zwischen dem unterneh- fügt noch immer über eine Basis. Diese nimmt merischen Sektor, der Regierung und einigen der zwar ab, wie stark sie noch ist, ist angesichts der Partei nahe stehenden Gewerkschaften. Dieser Bedrohungen und Überwachungen schwierig ein- „Dialog“ entsprach dem Modell einer korporativisti- zuschätzen. schen Regierung, die es schaffte, neoliberale mit wohlfahrtsstaatlichen Politiken zu verbinden – die Welche Rolle spielen heute sandinistische Prota- größtenteils dank ausländischer Hilfe, vor allem gonisten von damals? der venezolanischen, gedeckt wurden. Das Ver- Inmitten alledem haben sich mir alte Kämpfer der hältnis zwischen Regierung und der Privatwirt- Sandinisten genähert, die Ortega Verrat an der Re- schaft verschlechterte sich in dem Maße, in dem volution vorwerfen. Was ich mitbekomme ist, dass ausländische Hilfe zurückging und drastischere sie engagiert dabei sind, von ihren jeweiligen Räu- Maßnahmen wie eine Steuerreform nötig wurden. men aus beizutragen, sei es mit Ratschlägen, Der Bruch zwischen der Privatwirtschaft und der sicheren Häusern oder Texten in den Meinungsme- Regierung war absehbar, die Proteste beschleu- dien. Die Aufgabe der jetzigen und der alten Gene- 38 interview

ration ist es, Räume des Zusammenkommens und des Dialogs zu schaffen, die uns erlauben un- ser historisches Gedächtnis zu retten. Es dreht sich aber auch darum, das Terrain für einen not- wendigen Generationenwechsel vorzubereiten. Foto: EFE/Alamy/Esteban Biba Foto: EFE/Alamy/Esteban Sollte Ortega gestürzt werden, wie lässt sich ein autoritäres neoliberales Regime verhindern, das sich womöglich mit einem menschen- rechtlichen Diskurs zu legitimieren sucht? Wir setzen auf den Dialog. Denn daraus ent- springen die notwendigen Vereinbarungen, um die staatlichen Institutionen wieder herstellen zu können. Wenn wir starke Institutionen schaf- fen, können wir auf transparente demokrati- sche Prozesse setzen. Die Rechte, verstanden als liberale Parteien oder Privatwirtschaft, ist stets ein Akteur, den man berücksichtigen muss. Es ist aber die Zivilgesellschaft, die mit Blick auf Organisierung und diskursive Positio- nierung die Avantgarde stellt. Sie ist sich auch ihrer oppositionellen Vorreiterrolle in der Ent- wicklung dieser Krise bewusst. Unsere Krise ist Am Rande einer FSLN-Demonstration in Managua posiert auch eine der politischen Parteien. Neue Optio- eine Familie mit vermummten Polizisten. nen werden aus der organisierten Zivilgesell- schaft hervorgehen, die auf strategische Allian- zen setzen oder die versuchen werden, die Interessen der Menschen besser zu repräsen- tieren. Am Rande dieser Prozesse, und ich mer- medico ist seit langem mit den emanzipatori- ke wie sich das nicht nur in Managua, sondern in schen Bemühungen in Nicaragua in kritischer verschiedenen Gebieten des Landes heraus- Solidarität verbunden. Mit einem solchen An- kristallisiert, entsteht die Notwendigkeit, starke, liegen befand man sich schon seit vielen Jah- feste und vertrauenswürdige Institutionen zu ren nicht in einem Bündnis mit der Ortega-Re- schaffen, die eine Transparenz der Prozesse ga- gierung. So zum Beispiel in der Auseinander- rantieren. setzung um den Interozeanischen Kanal, der höchstwahrscheinlich nie gebaut wird, aber Das Interview führte Timo Dorsch dafür Land zugunsten chinesischer Unterneh- men in erheblichem Umfang privatisiert und enteignet. In der aktuellen Auseinanderset- Wenige Tage nach dem Interview wurde Enrieth zung hat medico zusätzliche Mittel für die Ar- Martínez zusammen mit 20 weiteren Personen beit der Studenten und für die Menschen- festgenommen. Sie ist wieder frei. Zu sechs rechtsorganisation CENIDH bereitgestellt. weiteren Studierenden gab es bis Redaktions- schluss keinen Kontakt. Spendenstichwort: Nicaragua kommentar 39

Rote linien Die Krise in Nicaragua spaltet die Linke in Latein- amerika/Ein Kommentar von Raúl Zibechi

Die Reaktionen auf die Vorgänge und auf das Verhalten des Regimes Ortega-Murillo führen zu Spaltungen zwischen den sich selbst als links bezeichnenden Kräften in Lateinamerika, wie sie bis dato unbekannt wa- ren. Der Riss geht quer durch die Parteien. Die Regierungen von Bolivien, Foto: Agustin Fernandez/Social Watch, CC BY 2.0 Watch, CC Fernandez/Social Foto: Agustin Kuba und Venezuela erklärten ihre Unterstützung für Ortega, in Uruguay hingegen sprach sich José Mujica schließlich für seinen Rücktritt aus, in Raúl Zibechi ist Journa- list, Schriftsteller und Argentinien, Chile und Mexiko sind die Meinungen gespalten. Bei den In- politischer Theoretiker tellektuellen ist es nicht anders: Während der brasilianische Theologe aus Uruguay. Der Text ist Leonardo Boff die nicaraguanische Regierung kritisierte, verteidigte der ein stark gekürzter Aus- zug seines Beitrages, der argentinische Schriftsteller und Politologe Atilio Borón ihr Vorgehen. Viele am 5.8.2018 unter dem andere hüllen sich in Schweigen. Titel „La Izquierda des- pués de Nicaragua“ in der baskischen Tageszeitung Manche Argumente führen zu einer Rechtfertigung der Repression, so- Gara erschienen ist. lange die Linke regiert, während sie verurteilt wird, wenn sie von der Übersetzung von Eleonore von Oertzen. Rechten ausgeübt wird. Der Tod eines Demonstranten wie Santiago Mal- donado in Argentinien hat energische Proteste der Bewegungen ausge- löst, und das zweifellos zu Recht. Aber viele bleiben angesichts von Hun- derten Toten in Nicaragua stumm. Es ist klar, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Ich denke, wir stimmen weitgehend überein, die Forderun- gen der Bevölkerung gegen rechte Regierungen zu verteidigen, sei es in Argentinien in der Diskussion um die Reform des Abtreibungsgesetzes oder in Brasilien gegen die Regierung Temer. Schwierig wird es, wenn „die Unsrigen“ an der Regierung sind.

Ich persönlich finde, dass die Dinge in Nicaragua sehr klar liegen. Das Regime Ortega-Murillo hat vom ersten Tag an mit der reaktionären ka- tholischen Kirche und mit der Unternehmerschaft unter einer Decke gesteckt. Es pflegt gute Beziehungen zu den USA und hat von der Kor- ruption und insbesondere der Unterstützung seitens der venezolani- schen Regierung profitiert, indem es deren Öllieferungen weiterver- kaufte. Niemals hat es sich um eine auch nur andeutungsweise linke und fortschrittliche Regierung gehandelt. Aber das ist jetzt nicht ent- scheidend. Auch wenn die Regierung echte linke Politik gemacht hätte – könnten wir jetzt angesichts der Repression und der Gewalt Still- schweigen bewahren? Das ist in meinen Augen der Kern der ganzen Angelegenheit: Wo ziehen wir die rote Linie? In meinem Leben als Akti- vist ist diese Linie immer an der gleichen Stelle verlaufen, wo sie auch heute noch verläuft: Wir können keine Repression akzeptieren. Niemals, unter keinen Umständen. 40 bericht Gefährdet statt gefährdend Foto: Gordon Welters Foto: Gordon

Ein langer Weg bis zur Gleichberechtigung im Gesundheitswesen. Registrierung von Geflüchteten in Berlin 2015. bericht 41

Von Traumatisierungen über Massenscreenings bis zu einer Karte für alle: Wie Migration und Flucht mit Gesundheit zusammenhängen – und wie nicht

Von Andreas Wulf

Im März 2018 brachte die AFD im Bundestag eine drohlichen Einheimischen und „zivilisierten“ Ko- kleine Anfrage über die Entwicklung der Krank- lonialisten in separaten Stadtvierteln. heitszahlen von Malaria, Lepra, Typhus, Rück- fallfieber, HIV sowie Krätze in Deutschland ein – bitteschön aufgeschlüsselt nach ethnischen Die Krankheit der anderen Kriterien. Die Absicht war offenkundig. Denn ob- wohl seit 2015 keine relevanten Erhöhungen von Die Ursache von Krankheiten nach außen zu Infektionskrankheiten für die Allgemeinbevölke- verlagern, dazu dienen Geschlechtskrankhei- rung zu verzeichnen ist und es einen breiten ge- ten mit ihrem „moralischen Überschuss“ be- sellschaftlichen Konsens gibt, solche rechtspo- sonders gut – ein Prozess, den die moderne pulistische Stimmungsmache zurückzuweisen, Soziologie „othering“ nennt. Die Syphilis galt soll die Anfrage Bilder und Phantasien mobilisie- Jahrhunderte lang als die klassische Krankheit ren und damit diffuse Ängste befeuern. Neu ist „der Anderen“, als „Import“ rückkehrender Ko- das keineswegs. Immer schon gab es Tenden- lonisten. In den historischen Debatten reprä- zen, Migration als gesundheitliche Gefährdung sentierte sie die sexual-moralische Verwerf- darzustellen – als Mittel ihrer Abwehr oder als lichkeit der amerikanischen Ureinwohner. Auch Anlass für die Etablierung von diskriminierenden innerhalb Europas wurde sie als Krankheit den Sicherheitspolitiken. fremden Soldaten zugeschrieben. Syphilis war die „französische Krankheit“ im italienischen Historisch waren es die großen Pestepidemien, Neapel 1494/95 nach der Eroberung durch in denen schon früh Kontrollstrategien der Zu- französische Truppen, in Frankreich wurde Sy- wanderung zu Städten und Ländern entwickelt philis die „Italienische Krankheit“, die Nieder- wurden. Diese wurden im Zeitalter der von Euro- länder nannten sie im Unabhängigkeitskampf pa ausgehenden kolonialen Durchdringung der des 16. Jahrhunderts die „Spanische Krank- Welt angesichts sich global ausweitender Cho- heit“, bei den Russen hieß sie die „Polnische lera-Epidemien und lokalen Bedrohungen für Krankheit“ und im Osmanischen Reich die die Kolonialtruppen und Beamten wie Gelbfie- „Krankheit der Christen“. ber, Schlafkrankheit und Malaria zu den moder- nen Konzepten von Quarantäne und Cordon Sa- Die aktuellen weltweiten Flucht- und Migrati- nitaire perfektioniert. In diesen verstetigten sich onsbewegungen werfen Fragen nach Gesund- – nicht zuletzt „im Dienste der Krankheitsab- heit (und Krankheit) auf vielfältige Weise auf. wehr“ – administrative Ad-hoc-Maßnahmen zu Angesichts der beschriebenen Traditionslinie systematischer Segregation von „wilden“, be- überrascht es nicht, dass Migration dabei als 42 bericht

potentiell gefährlich, weil Krankheiten mit sich ten oft schlecht bestellt. Illegalisierte fallen bringend, gedeutet wird. Tatsächlich sind durch alle Netze, Geduldete verfügen über ein- Migranten und Flüchtlinge nicht gesundheits- geschränkte Rechte. Diese brutale Realität gefährdend, sondern -gefährdet. Weltweit sind steht im Gegensatz zu den Ansprüchen, die die es das physische und psychische Wohlerge- Staaten auf der globalen Ebene der Gesund- hen massiv schädigende und bedrohende Ver- heitspolitik formulieren. Die Dokumente der hältnisse, die Menschen zum Aufbruch be- Weltgesundheitsorganisation, die als Resoluti- wegt: von Krieg und Gewalt über Ernährungs- onen auch im verhandelten Konsens von den unsicherheit und vergiftete Umwelten bis zu Mitgliedsstaaten der WHO angenommen wer- zerstörerischer Ausbeutung. Auf den Flucht- den, benennen das „Recht auf Zugang zu Ge- und Migrationsrouten sind die Gesundheitsge- sundheit“ und die universelle Absicherung im fahren enorm, neben physischen Entbehrun- Krankheitsfall auch für Migrantinnen und gen und psychischen Strapazen erleben viele Migranten sowie für Geflüchtete als Zielvorga- unmittelbare Gewalt und Brutalität. ben einer globalen Gesundheitspolitik, die je- der Mitgliedsstaat umsetzen soll. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte Ver-Lagerung der Flucht kaum größer sein.

Flüchtlingskrisen etwa in Ostafrika, rund um In Deutschland hat der kurze „Sommer der Syrien oder in Bangladesch mit den Rohingya- Migration“ 2015 die Debatten um die gesund- Flüchtlingen sind tendenziell auf Dauer ge- heitliche Versorgung der Geflüchteten und stellt. Für Millionen Menschen bedeutet es ein Migrantinnen und Migranten in Bewegung ge- jahrelanges Leben im Flüchtlingslager oder bracht – auch hier in der Janusköpfigkeit von unter extrem armseligen Verhältnissen in Län- potenziellen Gefährdern und Gefährdeten. In der dern, in denen sie nicht bleiben können. Hier Sorge, mit den Geflüchteten könnten Infekti- gibt es zwar einen schmalen Zugang zu Ge- onskrankheiten ins Land gekommen sein, wur- sundheitsdiensten, auch medico unterstützt den etwa in Erstaufnahmelagern Massenscree- beispielsweise die Gesundheitsdienste von nings durchgeführt. Das löste eine Diskussion Partnern in den Rohingya Zeltstädten oder mo- über deren Umfang und Sinnhaftigkeit aus. Tro- bile Einrichtungen der Flüchtlingsgesundheits- penmediziner bezogen Stellung gegen eine un- versorgung im Libanon. Die Ver-Lagerung der kritische Überdiagnostik, Fachleute aus der Flucht schafft hochproblematisches „extrater- Pädiatrie veröffentlichten eine eindeutige Stel- ritoriales Gebiete“ mit Sonderregeln und Zu- lungnahme zur Betreuung von Kindern und Ju- gangskontrollen. Das verschärft die Isolation gendlichen, in der sie Gesundheitslotsen statt von Geflüchteten, statt sie zu integrieren. Ge- Massenscreenings forderten. rade deshalb sind die aktuellen Diskussionen in Deutschland um die Seehoferschen „An- ker-Zentren“ so gefährlich. Lager sind Teil des Eingeschränkter Zugang Problems, auch im gesundheitlichen Kontext, und nicht Teil der Lösung. Auch in anderer Hinsicht zeitigte der Sommer der Migration überraschende Effekte: So gerie- Und am Ende der Reise ist es um die physische ten die im Asylbewerberleistungsgesetz (Asyl- und psychische Sicherheit sowie die Gesund- BLG) festgelegten Einschränkungen der Ge- heitsversorgung von Flüchtlingen und Migran- sundheitsversorgung auf breiter Front massiv bericht 43

in die Kritik. Mitte Juli 2018 hat etwa das Hessi- zufolge kann nur ein Bruchteil der Geflüchteten, sche Landessozialgericht starke verfassungs- die eine Behandlung oder Beratung anfragen, rechtliche Bedenken bezüglich der gängigen versorgt werden. Die Kapazitätsprobleme der Praxis geäußert: Geduldete müssten bei einem Zentren sind eng mit der eingeschränkten Zu- Aufenthalt, der nicht nur kurzfristig ist, den gänglichkeit des Gesundheitssystems für Ge- gleichen Anspruch auf alle medizinischen flüchtete verbunden. So werden 93 Prozent der Leistungen haben, die auch für Deutsche laut Psychotherapien in den Psychosozialen Zent- dem Krankenkassengesetz gelten. Studien wie ren durch Projekt- und Spendengelder sowie die von Bozorgmehr und Razum widerlegten zeitlich begrenzte Zuschüsse aus Bundes- und den Mythos, die durch das AsylBlG bestimmte Landesmitteln finanziert und nicht durch die ei- Mangelversorgung wirke kostensparend, und gentlich verantwortlichen Kostenträger des Ge- zeigten, dass das Gegenteil der Fall ist: Die Ge- sundheits- und Sozialsystems, d.h. Sozialbe- sundheitsausgaben erhöhen sich durch die hörden, Krankenkassen und Jugendämter. Als Leistungseinschränkungen. sei die gesundheitliche Versorgung ein humani- tärer Akt und nicht ein Menschenrecht. Seit vielen Jahren setzen sich die Medibüros und Medinetze in Deutschland für Menschen Der Zugang zu medizinscher und therapeuti- ohne zureichenden Krankheitsschutz ein. Mit scher Versorgung kann für Geflüchtete auch ihrer von medico unterstützen Kampagne for- deshalb elementar sein, weil gesundheitliche dern sie die Einführung der Gesundheitskarte Einschränkungen Abschiebhindernisse dar- für alle Geflüchteten anstelle von individuell stellen können. Hierzu müssen Betroffene al- bei der Kommune zu beantragenden Behand- lerdings von sich aus auf Krankheiten hinwei- lungsscheinen. Immerhin: Einige Bundeslän- sen und sie durch eine, nur mit großem Auf- der und Stadtstaaten haben entsprechende wand zu bekommende qualifizierte ärztliche Karten eingeführt, andere die Zuständigkeit an Bescheinigung belegen. Das wird jedoch im- die Kommunen delegiert. Von einer flächende- mer schwieriger – zumal der Gesetzgeber 2016 ckenden Versorgung kann allerdings nach wie mit dem Asylpaket II die Maßstäbe noch einmal vor keine Rede sein. Noch immer sperren sich deutlich verschärft hat: Nur noch „lebensbe- Bundesländer und gibt es einen Flickenteppich drohliche und schwerwiegende Erkrankungen, unterschiedlicher Regelungen – mit der Folge, die sich durch die Abschiebung wesentlich dass eine Person in einer Kommune eine an- verschlechtern würden“, sollen eine Abschie- dere Gesundheitsversorgung erhält als eine bung verhindern können. Selbst bei Posttrau- andere in der Nachbarkommune. matischen Belastungsstörungen sind Ab- schiebungen seither möglich. Ärztinnen und Auch von der psychischen Versorgung bleiben Psychotherapeuten kritisierten dies scharf. Der viele ausgeschlossen. Eine Vielzahl von Ge- Kampf um das Recht auf bestmöglichen Ge- flüchteten sind aufgrund traumatisierender Er- sundheitsschutz und die Integration aller in die fahrungen auf Unterstützung angewiesen. Hier- Regelversorgung – gleichberechtigt und be- für bedarf es entsprechender Angebote. Die darfsgerecht auf dem Niveau der gesetzlichen bundesweit 37 spezialisierten Psychosozialen Krankenversicherung – geht also weiter. Zentren für Geflüchtete und Folteropfer, wie sie im BAfF zusammengeschlossen sind, tun, was sie können – ihre Ressourcen sind allerdings Auf medico.de/krankheit-der-anderen ist die begrenzt. Einer aktuellen Erhebung des BAfF Langfassung des Textes zu finden. 44 rezension

Von Deals und Chimären Welche Wege führen aus der globalen Krise? Eine Rezension des Buches „Hilfe? Hilfe!“ von Thomas Gebauer und Ilija Trojanow

Von Rudolf Walther

Die „UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwick- Verhältnisse“ und Goldgräberstimmung, denn lung“ enthält nicht weniger als 17 Haupt- und „Hilfe“ ist auch zu einem lukrativen Geschäfts- 169 Nebenziele. Für deren Umsetzung bietet die modell geworden. Einige Zahlen illustrieren die Agenda ein einziges Rezept an – wirtschaftli- Lage: Hilfsorganisationen in Deutschland neh- ches Wachstum. Der Bericht von Thomas Ge- men jährlich über sieben Milliarden Euro an bauer, langjähriger Geschäftsführer von medi- Spenden ein, in den USA sind es 300 Milliarden co international, und dem Schriftsteller Ilija Dollar, die aus Charity-Events fließen. Trojanow über ihre Reisen nach , Ke- nia, Sierra Leone, Mexiko, Nicaragua, Brüssel und Genf lässt die UN-Agenda und ihr Umset- Zwischen Frust und Business zungsrezept als hoffnungslos unterkomplex und tendenziell zynisch erscheinen. Für wirt- Die Entwicklungshilfe aller westlichen Staaten schaftliches Wachstum nämlich fehlen diesen beläuft sich pro Jahr auf 135 Milliarden Dollar. Ländern die elementarsten Voraussetzungen, Das klingt gewaltig. Allerdings kosteten allein vor allem aber eine politische Perspektive, die die Kriege in Afghanistan und im Irak rund fünf nicht nur eine notfallmäßige Versorgung von Billionen Dollar, und in der Bankenkrise 2007/08 unterernährten Kindern vorsieht, sondern auch wurden 50 Billionen Dollar verbrannt. Nach die Beseitigung von Hindernissen, die den Blick Zahlen der OECD verlieren die armen Staaten auf strukturelle Veränderungen erst ermögli- mehr als dreimal so viel durch Steuerhinterzie- chen würden. Denn der Mangel an Lebensmit- hung von Konzernen als sie an Entwicklungshil- teln hat direkt zu tun mit Steuerflucht, Ver- fe erhalten. In Deutschland ist der Verteidi- schuldung, Korruption der Eliten und jenen gungsetat fast fünfmal größer als jener für internationalen Handelsabkommen, die den Entwicklungshilfe. Solche Einsichten und Zah- Zugang der Armen zu den Märkten der Reichen len sind nicht neu, aber immer der Verbreitung erschweren oder ganz blockieren und die Bin- würdig. Denn blanker Wohlstandschauvinismus nenmärkte der armen Länder mit Ramschware ist bis ins grün-neoliberale Juste Milieu hinein aus dem Westen überfluten. salonfähig geworden: „Die Welt wird, sozial ge- sehen, objektiv besser. Und gleichzeitig ökolo- Die globale Hilfsindustrie schwankt zwischen gisch und politisch bedrohter“, schrieb Peter Hoffnungslosigkeit angesichts der „unerträgli- Unfried in der taz vom 28. Juli 2018. So richtig chen Ungerechtigkeit der real herrschenden der zweite Satz ist, so borniert ist der erste. rezension 45

Mit Hilfe und Almosen für rund 800 Millionen Hungernde und Unterernährte werden die herrschenden Verhältnisse nicht verändert, Foto: medico sondern zementiert. Gebauer und Trojanow plädieren nicht für die Abschaffung von Nothil- fe, sondern für eine kritische Revision des Hil- febegriffs. Dazu gehört, dass die Stimme der Notleidenden und Hilfebedürftigen gehört wird, bevor man mit punktuellen Interventio- nen in strukturell höchst komplexe Notlagen eingreift. Sie belegen diese Diagnose mit zahl- reichen Beispielen aus Ländern durch vier Kontinente.

Deals statt Rechte

In Karatschi in Pakistan kamen vor sechs Jah- ren 259 Arbeiterinnen und Arbeiter um, als eine große Textilfabrik mit rund 10.000 Beschäftig- ten drei Tage lang brannte. Weder war es ein Unfall noch waren „höhere Gewalten“ im Spiel, wohl aber kriminelle Sicherheits- und Produkti- onsbedingungen, unter denen täglich 70.000 Jeans und Röcke für die westlichen Märkte produziert wurden. Wer sich gewerkschaftlich organisierte und wehrte, riskierte eine Anklage wegen „Terrorismus“. Qualitätskontrollen gab Ilija Trojanow auf einer der Recherche-Reisen für das Buch es zwar für die hergestellten Produkte, nicht in einer pakistanischen Textilfabrik. aber für die Arbeitsbedingungen.

Der Menschenrechtsanwalt Faisal Siddiqi und der Gewerkschaftsverband klagten und erstrit- ten nach Jahren harten Ringens fünf Millionen Auch ein anderer Fall belegt, dass der zur Nor- Euro Entschädigung vom deutschen Textil-Dis- malität gewordenen Krise mit juristischen Mit- counter kik für die Hinterbliebenen der Opfer. teln allein nicht beizukommen ist. Der französi- Das ist einerseits viel, andererseits lächerlich sche Konzern Veolia betreibt in der Millionen- wenig Geld. Schlimmer aber ist, dass sich mit stadt Kairo die Müllabfuhr. In einem Schiedsge- dem Vergleich an den katastrophalen sozialen richtsprozess gewann der Konzern gegen die Zuständen gar nichts ändert. Der Menschen- Vertretung der Arbeiterinnen und Arbeiter, die rechtsanwalt hält den Deal für einen Fehler für eine Erhöhung des monatlichen Mindest- und zieht eine negative Bilanz: „Sie wollen das lohns von 41 auf 72 Euro kämpften. Daran zeigt Problem mit Geld lösen, nicht durch Änderun- sich, dass die Menschenrechte in vielen Regio- gen der Gesetze und Vorschriften.“ nen ein leeres Versprechen geblieben sind. Der 46 rezension

1946 installierte UN-Wirtschafts- und Sozialrat Buches zeigen Gebauer und Trojanow, dass es ist eine Chimäre. Die Schere zwischen Armut auch „anders geht“, wenn sich nämlich die und Reichtum spreizt sich mit der Globalisie- Politik von populären Vorurteilen verabschie- rung immer stärker, und Ungleichheit ist zum det: vom Vorrang der Konkurrenz vor Koopera- größten Risiko geworden. Dem kann, wie Ge- tion, privat vor öffentlich und groß vor klein. Sie bauer und Trojanow anhand zahlreicher Bei- plädieren für einen „radikalen Reformismus“ spiele belegen, nicht mit der „Stärkung von (Joachim Hirsch), der auf kooperative, solidari- Marktkräften“ begegnet werden, sondern nur sche und genossenschaftliche Lösungen setzt durch eine Neujustierung der Handelsabkom- und Lernprozesse initiiert, die nicht nur auf men zugunsten der armen Länder und eine „Spenden hier“ und „Helfen dort“ beruhen, son- Mobilisierung der Bevölkerungen von unten dern auf der Einsicht, dass die Veränderung von („Graswurzelmobilisierung“). Denk- und Lebensweisen für die Veränderung von sozialen Beziehungen und Strukturen wich- Am Beispiel Bangladeschs lässt sich nachvoll- tiger ist als die Orientierung an machtpoliti- ziehen, wie fragwürdig das vom Nobelpreisträ- schen Perspektiven. Die Kampagne zum Verbot ger Muhammad Yunus propagierte Instrument von Landminen, an der weltweit über 1.000 Ini- der Mikrokredite ist. Oft dienen diese nicht dem tiativen beteiligt waren und der 1997 der Frie- kleingewerblichen Betrieb, sondern der De- densnobelpreis verliehen wurde, ist ebenso ein ckung von Grundbedürfnissen wie Arztkosten Bespiel für die „Globalisierung von unten“ wie oder Schulgebühren. Und statt die Solidarität das People’s Health Movement in Banglade- unter den Armen und ihre Kraft zu genossen- sch. Das Buch formuliert eine Alternative zum schaftlichem und kooperativem Handeln zu grün lackierten Neoliberalismus – eine solida- stärken, fördern sie Vereinzelung und Kom- rische und ökologische Ökonomie jenseits von merzialisierung sozialer Beziehungen. In Kenia Profit und blindem Wachstum. arbeitet die Gruppe KAPLET im größten Slum für Menschenrechte und gegen Polizeiwillkür. Rudolf Walther ist freier Autor und Publizist und In Nicaragua kämpfen ehemalige sandinisti- schreibt regelmäßig für diverse Medien. sche Soldaten heute für Umweltstandards und gegen Privatisierungen unter der Devise: „Hel- fen? Nein. Gemeinsam kämpfen? Ja!“.

Das NGO-Dilemma

Die Autoren widmen ein ganzes Kapitel den falschen Strategien von Entwicklungshilfe, die auf der Entpolitisierung von Hilfe zur Wohltätig- keit und auf der Privatisierung von staatlichen Sozialleistungen verbriefter Existenzsicherung beruhen. So stecken viele NGOs in einem Di- lemma: Sie können Herrschaftsverhältnisse unterminieren, aber auch stabilisieren, wenn Thomas Gebauer/Ilija Trojanow: „Hilfe? Hilfe! Wege aus der sie etwa Defizite staatlichen Handelns kom- globalen Krise“, Frankfurt 2018, pensieren. Im letzten Kapitel des informativen 256 S., 15 €, Fischer Verlag 47

Osthafen-Fusion Ein medico-Nachbarschafts-Sommerfest

Zusammen mit den anderen sozial-politischen Organisationen aus dem medico-Haus und den kulturellen Akteuren der Nachbarschaft organi- sierte medico Anfang August ein Sommerfest im Frankfurter Osthafen- viertel: Gut besuchte Debattenrunden zur Situation in der Türkei und in Nicaragua und zum Umgang mit Traumata in Zeiten der rassistischen Abschottung lösten sich im medico-Haus ab, während die Infostände befreundeter Organisationen dem Regen trotzten. Und in der Kühle des Foyers fand sich Zeit für Gespräche zwischen langjährigen Fördermitglie- dern, neuen Interessierten und medico-Kolleg_innen. Seinen Höhepunkt fand der Tag im Hof des benachbarten Atelier Frankfurt: Die Kabarettisten Georg Schramm und Urban Priol sezierten die politische Lage im Land und das eigens für diesen Abend zusammengeführte Ensemble Mare Nostrum fusionierte die Musik der Migration von Marokko bis Afghanistan. Alle Fotos: Holger Priedemuth 48 materialliste

1 2 3

Türkei/Kurdistan: Wiederaufbau statt Vertreibung

Europa ist ExportwEltmEistEr rüstung, Klima, DumpingprEisE: Europa ExportiErt FluchtgrünDE

4 5 6 7

Liebe leserinnen und leser,

Sie finden hier eine Auswahl der Materialien, die medico mit viel Sorgfalt erstellt und zu Informations- und Bildungszwecken kostenfrei (mit einigen gekennzeichneten Ausnahmen) zur Verfügung stellt. Sie helfen medico und den Projektpartnern sehr, wenn Sie zur Weiterverbreitung dieser Materialien beitragen! Machen Sie Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen auf das rundschreiben-Abonnement, die medico-Stich- worte, die Kampagnenflyer aufmerksam!

Die vollständige Liste unserer Materialien steht im Internet bereit: Unterwww.medico.de/material finden Sie die hier abgebildeten und alle weiteren Publikationen zum Bestellen oder Herunterladen.Für Nach- fragen stehen wir Ihnen gerne unter Tel. (069) 944 38-0 zur Verfügung. bestellcoupon

Materialliste: Ich bestelle:

DIN A1 Plakat: Motiv 1 DIN A1 Plakat: Motiv 2 1,2,3 Plakate 50 Jahre medico international „Die Welt ist groß. Rettung lauert überall“ – zum Jubiläum DIN A1 Plakat: Motiv 3 hat medico eine Plakatreihe mit drei Motiven aufgelegt. Die Broschüre: stiftung medico international Plakate können kostenlos bei uns bestellt werden. Damit sie unversehrt bei Ihnen ankommen, verschicken wir sie in Broschüre zu Testament und Erbschaft einer Plakatrolle. Weil dadurch die Versandkosten sehr hoch sind (7,40 €), würden wir uns über eine Spende an medico Infoflyer: Häuser der Hoffnung international sehr freuen. Kurzbroschüre: Europa ist Exportweltmeister Infoflyer: Hilfe im Handgemenge 4 stiftung medico international (28 S.) Übersicht über Ziele, Satzung, Struktur und steuer- Kurzbroschüre: Globale Gesundheit liche Aspekte der stiftung medico international. Flyer + Aufkleber: Cool, aber tödlich 5 Wissenswertes zu Testament und Erbschaft DIN A1 Plakat: WHY? (28 S.) Wenn Sie medico testamentarisch berücksichtigen Anzahl möchten, bietet die Broschüre Informationen zu recht- lichen und steuerlichen Fragen. Name

6 Häuser der Hoffnung Straße Info-Flyer. Nachdem 500.000 Menschen im Zuge der Vertreibung durch das türkische Militär im Südosten des Ort Landes ihr Zuhause verloren haben, unterstützt eine medico-Kampagne den kurdischen Wiederaufbau. Der Flyer Meine Spendennummer informiert über die Fördermöglichkeiten.

7 Europa ist Exportweltmeister Ich möchte: 12-seitige Kurzbroschüre zur neuen Grenzschutz- und Migra- kostenlose Materialien bestellen tionspolitik der EU. Herausgegeben von medico international, dass einmalig eine Brot für die Welt und Pro Asyl. Spende in Höhe von ______€ von Ohne Abb.: Hilfe im Handgemenge meinem Bankkonto abgebucht wird. (Infoflyer) Partnerschaft braucht Solidarität: medico inter- national kurz vorgestellt – mit Projektbeispielen aus Israel/ Palästina, Guatemala, Simbabwe, Somalia, Südasien und IBAN Zentralamerika. Auch zum Weiterverteilen.

BANK Ohne Abb.: Globale Gesundheit 16-seitige Kurzbroschüre. Das Recht auf den Zugang zu BIC bestmöglicher Gesundheit wird weltweit jeden Tag millionen- fach verletzt. Der Infoflyer stellt die Arbeit von medico- Datum Partnerorganisationen und medicos Engagement in globa- len Netzwerken vor. Natürlich kostenlos. Unterschrift

Ohne Abb.: Cool, aber tödlich 4-seitiger Flyer mit jeweils 6 Stickern. Eine Aktion der Kampag- Bitte einsenden an ne für Saubere Kleidung und medico international. medico international Lindleystr. 15 Heft-Rückseite: WHY? DIN A1-Plakat gegen das Sterbenlassen im Mittelmeer. Für D-60314 Frankfurt am Main das Recht zu bleiben. Für das Recht zu gehen. oder faxen an (069) 43 60 02 medico international 50 service

Spenden und Stiften

Die Hilfe in krisenhaften Zeiten braucht Ihr Hin- Fördermitgliedschaft: Eine Fördermitglied- sehen, Ihr Verstehen und Ihre Zuwendung. Für schaft ermöglicht mit regelmäßigen Beiträgen die Förderung von Projekten und unserer kriti- langfristige und verbindliche Projektkooperati- schen Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit onen. Sie hilft, Partner in Regionen zu unter- sind wir auch auf Ihr finanzielles Engagement stützen, die nicht im Fokus der öffentlichen angewiesen. 50 Jahre medico sind nicht ohne Aufmerksamkeit liegen, und in Krisensituati- die kritischen und aufmerksamen Wegbegleiter onen auch dann zu helfen, wenn hier Anteil- zu denken. Rettung lauert überall – auch in un- nahme und Spendenbereitschaft schwinden. seren Fördermitgliedern und Unterstützern. Der jährliche Förderbeitrag liegt bei 120 Euro, für Menschen mit wenig Geld bei 60 Euro. Ger- Spenden ohne Stichwort sind für medico be- ne kann der Beitrag individuell höher gesetzt sonders wichtig, da wir und unsere Partnern werden. Sie können eine Fördermitgliedschaft hierdurch unabhängig arbeiten können und auch verschenken! flexibel auf akute bzw. von den Medien wenig beachtete Not- und Krisensituationen reagieren Spenden und Schenken: Verschenken Sie eine können. Sie können Ihre Spende auch mit einem Spende an medico: Ob Geburtstag, Hochzeit, bestimmten Stichwort versehen, dann wird Ihre Jubiläum oder Firmenfeier – jeder Anlass eig- Spende ausschließlich in der entsprechenden net sich. Sie können sich auch eine Spende Region bzw. themenbezogen eingesetzt. wünschen. medico stellt Ihnen eine Geschenk- karte und Infomaterial zur Verfügung.

Zustiftungen: Die stiftung medico internatio- Impressum nal fördert aus den Erträgen ihres Vermögens die Arbeit des Vereins medico international. Herausgeber: Von der Zustiftung bis zum Darlehen: es gibt medico international Lindleystr. 15 verschiedene Formen zum Stiftungsvermögen D-60314 Frankfurt am Main beizutragen und Geld solidarisch einzusetzen. Tel. (069) 944 38-0, Fax (069) 436002 E-Mail: [email protected] Homepage: www.medico.de Online-Spenden: Unter medico.de/spenden können Sie unkompliziert online spenden oder Redaktion: Katja Maurer (verantwortl.), eine Fördermitgliedschaft abschließen. Thomas Gebauer, Moritz Krawinkel, Ramona Lenz, Christian Sälzer Korrektorat: Marek Arlt Spendenkonto medico international Gestaltung und Satz: Andrea Schuldt BIC HELADEF1822 IBAN DE21 5005 0201 0000 0018 00 Hinweis: Das medico-rundschreiben ist auf 100 % Recyclingpapier gedruckt. Das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fra- ISSN 0949-0876 gen (DZI) bescheinigt medico international Raus aus der Filter- einen sorgfältigen und verantwortungsvollen Umgang mit Spendengeldern. blase

Spendenquittungen: medico international ist Nachrichten, Meinungen als gemeinnütziger Verein anerkannt, daher ist und Analysen aus dem ihre Spende steuerlich absetzbar. Für Spenden ab 50 Euro schicken wir automatische eine globalen Handgemenge Spendenbescheinigung, spenden Sie regelmä- ßig oder mehrmals im Jahr, senden wir Ihnen zu Beginn des Folgejahres eine Jahresspen- denbescheinigung zu.

Haben Sie Fragen? Wir helfen Im Blog mischen sich medico-Kollegin- gerne weiter nen und -Kollegen in aktuelle Debatten ein und entwickeln Perspektiven im Allgemeine Anfragen zu Spenden, Förder- Dialog mit unseren Partnern in Asien, mitgliedschaft und Geschenkspenden Afrika und Lateinamerika. Marek Arlt und Frank van Ooyen Mit Beiträgen von Thomas Gebauer, Tel.: (069) 944 38-0, Email: [email protected] Anne Jung, Ramona Lenz, Katja Maurer, Riad Othman, Thomas Seibert u.v.m. Zustiftungen, Testamentsspenden und Unternehmensspenden Der Newsletter informiert Sie regel- Gudrun Kortas mäßig über unsere neuesten Veröffent- Tel.: (069) 94438-28, Email: [email protected] lichungen, über Hintergründe, Kampa- gnen und Aktuelles aus dem medico- Spendenaktionen und Kommunikation Kosmos. Anita Starosta Tel.: (069) 94438-44 Email: [email protected] In den sozialen Netzwerken unter- stützen wir Ihren täglichen Blick über den Tellerrand. Verbinden Sie sich mit Umzug oder Bankänderung? Bitte teilen Sie medico auf Facebook, Twitter oder uns Ihre neue Adresse oder Bankverbindung, Instagram unter Nennung der alten Anschrift, mit. So bleiben wir in Kontakt!

Vielen Dank für die solidarische Unterstüt- Alle Optionen unter zung unserer Arbeit! www.medico.de/verbinden Jahr für Jahr sterben Flüchtlinge an den Außengrenzen Europas. Seit 1993 bereits WHY?mehr als 34.000 Menschen.* Mitgefühl ist ein Anfang - die Durchsetzung universeller Menschenrechte das Ziel: Für das Recht zu bleiben. Für das Recht zu gehen. Foto: Fuerteventura, Juan Medina/Reuters Foto: Fuerteventura,

*UNITED – Stand: Juni 2018 / Weitere Informationen auf www.medico.de www.seebruecke.org / www.welcome-united.org / www.medico.de