Friedbert Wißkirchen

„Die Uhr blieb um 9.45 stehn.“

Mit freundlicher Unterstützung Dokumentation Kreissparkasse über den größten Bombenangri auf die Stadt am 19.07.1944

Schutzgebühr: 5,– Euro – (Erlös zugunsten des „Volksbund Deutsche Krieggräberfürsorge e.V.“) Zeitzeugen berichten „Die Uhr blieb um 9.45 stehn.“

Dokumentation über den größten Bombenangriff auf die Stadt Daun am 19. 7. 1944 – Zeitzeugen berichten

1 Vorwort

Durch einen glücklichen Umstand gelangte ich 2007 aus einer Wohnungsaufl ösung in Köln in den Besitz von etwa 40 Fotografi en, die die Zerstörungen des Bombenangriff s auf Daun vom 19. Juli 1944 zeigen. Die Bilder machte der Dauner Drogist und Fotograf Hans Hoff mann, der am Tage nach dem Bombenangriff sein ge- schundenes und zerstörtes Heimatstädtchen im Bild festhielt und selbst bei einem Bombenan- griff am 23. Dezember 1944 ums Leben kam.

Die Fotos, die die schrecklichen Spuren des Krieges dokumentieren, waren für mich Anlass, bei Zeitzeugen und in Archiven zu forschen, um nicht nur die materiellen Schäden, sondern auch die Schicksale der betroff enen Menschen zu erfassen.

Heute, 70 Jahre nach dem grausamen Geschehen, sind die Wunden des Krie- ges fast verheilt. Die heutige, junge Generation kennt Krieg und Not nur aus den Berichten der Medien. Ihre Großväter und Großmütter haben Krieg und Nachkriegszeit, Flüchtlingselend und Entbehrung persönlich erfahren und den Wiederaufb au erlebt. Dankbar müssen wir anerkennen, dass wir seit 69 Jahren in Frieden und Freiheit leben.

Die Opfer des II. Weltkriegs sollen uns Mahnung sein, sie dürfen nicht verges- sen werden.

Autor und Verleger: Friedbert Wißkirchen Warthweg 11, 54550 Daun

Umschlaggestaltung: bik. Werbeagentur Titelfoto: Archiv F. Wißkirchen Friedbert Wißkirchen

Daun, Juli 2014 Daun, im Juli 2014

2 3 Grußwort des Dauner Stadtbürgermeisters

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Dokumentation wird an den größten Lassen Sie uns gemeinsam der Opfer jener Tage gedenken, zu denen, neben Bombenangriff erinnert, den die Stadt Daun im vielen Dauner Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern, auch Kriegsge- 2. Weltkrieg am 19. Juli 1944 erlebt hat. Auch 70 fangene, Zwangsarbeiter, Flüchtlinge und Vertriebene gehörten. Erinnern wir Jahre nach diesem schrecklichen Ereignis leben uns aber auch an die vielen Helfer, die, teilweise auch unter Einsatz des eigenen noch viele Mitbürgerinnen und Mitbürger unter Lebens und unter teils katastrophalen Bedingungen, Opfer geborgen, gerettet, uns, die diesen Angriff , wie auch weitere, erlebt versorgt oder bei der Beseitigung der Zerstörungen und beim Wiederaufb au und erlitten haben. geholfen haben.

Diejenigen von uns, die nach 1945 geboren sind, können sich wohl kaum vor- Wir alle sind aufgefordert, die Geschehnisse des 19. Juli 1944 nicht zu verges- stellen, wie viel Not, Leid, Elend, Trauer und Zerstörung auch dieser Krieg sen, wir sind aber auch stets von neuem verpfl ichtet, Frieden zu wahren, einen nicht nur für die unmittelbar am Kampfgeschehen beteiligten Soldaten, son- eigenen Beitrag für mehr Menschlichkeit, für Toleranz und die Verteidigung dern insbesondere auch für die oft schutz- und wehrlose Zivilbevölkerung mit demokratischer Grundwerte, aber auch gegen das Vergessen zu leisten. sich gebracht hat. Beim Gedenken geht es auch um Gegenwart und Zukunft . Denn Kriege sind Umso dankbarer bin ich Herrn Friedbert Wißkirchen, dass er die Initiative nicht Vergangenheit, sondern heute noch in vielen Ländern Gegenwart. Es gilt zur Erstellung dieser Dokumentation ergriff en hat. Insbesondere danke ich im alles zu tun, dass Frieden die Zukunft sein kann. Namen der Dauner Bürgerinnen und Bürger jedoch den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die der Dokumentation durch ihre Beiträge Authentizität ver- liehen haben. Nur durch ihre Schilderung der Geschehnisse war es vielfältig erst möglich, den auf den Fotographien abgebildeten Menschen Namen und Schicksale zuzuordnen, aber auch Details zu den zerstörten Gebäuden in Er- fahrung zu bringen.

Durch dieses Engagement und die Unterstützung der Kreissparkasse Vulka- neifel ist es gelungen, dass wir nunmehr eine Dokumentation in den Händen Martin Robrecht halten können, die ein Zeichen gegen das Vergessen setzen kann und die uns, auch 70 Jahre danach, in Wort und Bild vor Augen führt, wie viel Leid und Schrecken Krieg und Gewaltherrschaft auch für unsere Stadt mit sich gebracht Daun, im Juli 2014 haben.

4 5 Grußwort des Kriegsgeschehen in Daun Vorstand der Als der Krieg 1939 ausbrach, wohnten im Städtchen Daun 2099 Einwohner in Kreissparkasse 354 Wohngebäuden. Das Kriegsgeschehen war zunächst weit weg, machte sich Vulkaneifel nur bemerkbar, wenn Truppen Daun passierten und Soldaten das Stadtbild bevölkerten. Auch auf die Versorgung der Bevölkerung hatte der Krieg anfangs Das schlimmste Ereignis in wenige Auswirkungen. Nur die Sterbeanzeigen in den Zeitungen und die Got- der jüngeren Stadtgeschichte tesdienste für die gefallenen Soldaten aus Daun erinnerten an das Kriegsge- Daun´s jährt sich zum 70. schehen. Mal. Der Bombenangriff vom 19.07.1944 hat das Bild unserer Stadt, aber auch die damals betroff enen Men- schen geprägt und tiefe Spuren hinterlassen.

Die Menschen in Daun teilten Leid und Zerstörung mit Millionen Menschen in ganz Europa, in dem von Deutschland verursachten Krieg. In dem vorlie- genden Buch wird in Erinnerung geru fen, dass der Friede in unserem Land, den wir seit dem Ende des 2. Weltkrieges erleben dürfen, keine Selbstverständ- lichkeit ist. In den letzten Jahrzehnten und auch heute gibt es in Europa krie- gerische Auseinandersetzungen die zeigen, wie wichtig ein Einsatz für Frieden und Verstän digung unter den Völkern ist. Vor allem Herrn Friedbert Wißkir- chen gilt unser aller Dank für die umfangreiche Arbeit zur Erstellung dieses Werkes. Allen, die daran mitgewirkt haben, sei eben falls ein herzliches Danke- schön gesagt. Sie haben dazu beigetragen, dass uns die Wichtigkeit von Frieden stets vor Augen bleibt.

Daun 1933

Feindliche Flugzeuge zeigten sich in den ersten Jahren des Krieges kaum am Dietmar Pitzen Helmut Sicken Himmel. Erst am 10.7.1943 fi elen 2 Bomben in der Nähe der heutigen Tennis- plätze in der Maria-Hilf-Straße, eine davon, ein Blindgänger, explodierte erst einige Tage später während der Sonntagsmesse. Beunruhigt waren die Dauner Bürger aber nicht. 1944 änderte sich das Bild am Dauner Himmel. Regelmäßig Daun, im Juli 2014 überfl ogen seit dem Frühjahr große Bomberverbände der amerikanischen Luft -

6 7 19. Juli 1944 - Ein Tag des Schreckens und Grauens

Morgens gegen 7 Uhr startete die 8. Luft fl otte der US-Luft waff e unter der Be- zeichnung „Mission 8th AF 482“ von Chelveston, nahe Coventry/England, mit 1082 Bombern der Typen: B 24 und B 17 und 670 Jägern als Begleitung. Die 8. Luft fl otte war in 4 Verbände unterteilt, darunter auch der Verband I. mit 373 Bombern vom Typ B17 der 305. Bombergruppe. Hauptziele waren Industrie- anlagen im Südwesten und Süden Deutschlands, der Flughafen Lechfeld, die Flugzeugwerke Messerschmidt in Augsburg, Chemieanlagen in Hollriegels- kreuth. Nebenziele waren: Ulm und Daun (Bahnanlagen).

Daun 1936 fl otte die . Seit der Invasion am 6.6.1944 in Frankreich, wurden verstärkt deutsche Nachschubwege, Industrieanlagen und Bahnlinien bombardiert.

Alfons Hein: „Bei wolkenlosem Himmel zählten wir Kinder die Flugzeuge, die über uns hinweg flogen.“

Regelmäßig, wenn die Bomberverbände Daun überfl ogen, heulte die Sirene zum „Luft alarm“. Aber große Sorgen machten sich die Menschen nicht, bisher waren es nur Überfl üge, Daun von Bomben verschont geblieben. Alfons Hein: „Hier in den ländlichen Gebieten hatte keiner Angst vor den Bombern, man wusste ja, dass sie Städte und Industrieanlagen zum Ziel hatten.“

„Doch niemand glaubte so recht an die Möglichkeit eines Luftangriffs auf den von militärischen Anlagen freien Kreisort Daun.“ (aus: Fliegerangriff e und ihre Folgen – Stellungnahme der Amtsverwaltung Daun – undatiert)

8 9 Es war der erste Ferientag und die Sonne schien aus strahlend blauem Himmel. Franz Molitor: „Plötzlich sahen wir am Himmel über dem Wehrbüsch einen Um 9.20 Uhr ging Gendarm Schneider durch die Wirichstraße und rief den zunächst horizontal verlaufenden Rauchstreifen …“ spielenden Kindern, u.a. Franz Jung ✝ zu: „Macht euch heim, es gibt gleich Fliegeralarm!“

Gegen 9.40 Uhr lösten sich 11 B-17-Bomber aus dem Verband und fl ogen Daun aus nördlicher Richtung an.

Angriff ssignale

„Wir glaubten, es sei ein Bomber abgeschossen worden.“ Hans Hoff mann und Franz Molitor riefen gleichzeitig: „Da kommt einer herunter!“ Es war das Zeichen der Führungsmaschine zum Abwurf von 130 Bomben mit einer Sprengkraft von 27,5 Tonnen.

10 11 Franz Molitor: „In der gleichen Sekunde hörten wir das ´hui´ fallender Bom- Als die Rauch- und Staubwolke durch den Westwind vertrieben war, konnte ben.“ Frau Laudert aus Düsseldorf, die bei Familie Blonigen auf dem Kampbü- man das ganze Ausmaß des Bombardements erkennen. „Grauenvoll waren die chel wohnte, rief: „Die klinken die Bomben aus, Daun wird bombardiert!“ Verwüstungen und schrecklich sahen die armen Menschen aus, die bei die- sem furchtbaren Angriff den Tod gefunden oder Verletzungen erlitten hatten. Aus etwa 7000 m Höhe wurden die Bomben abgeworfen, die die Bahnlinien Die Szenen, die sich beim Bergen der Toten und Verletzten abspielten, waren treff en sollten, aber ins Zentrum der Stadt fi elen (heute: Altes Landratsamt, fürchterlich.“ Leopoldstraße, Abt-Richard-Straße, Burgfriedstraße, Borngasse, Arensberg, (Bericht der Amtsverwaltung Daun – undatiert.) Lindenstraße, Friedhofstraße). Franz Molitor: …„so dass der gleichzeitige Aufschlag aller Bomben eine einzige furchtbare Detonation darstellte“. „Die Die Häuser Gandner (Abt-Richard-Straße/Borngasse) und Buchdruckerei Erde zitterte, es wurde stockdunkle Nacht.“ Schneider (Lindenstraße) hatten Feuer gefangen und brannten aus.

Aufnahme von der Mehrener Straße Rauchsäule über dem Stadtzentrum

Franz Molitor: „Ich sah in einer Entfernung von 150 m eine schwarze Rauch- Franz Molitor ging von seinem Haus in der Wehrbüschstraße (heute: Hans und Staubsäule, die den oberen und mittleren Stadtteil in ein undurch- Warneke) in Richtung Innenstadt. „Einige Augenblicke später stand ich vor dringliches Dunkel einhüllte.“ den Trümmern der vollständig zusammen gestürzten Häuser des Malermeis- ters Franz Schupp und des Rentmeisters Josef Drückes (Schuh).“

12 13 Maria Mais

Untere Lindenstraße – die zerstörten Häuser Drückes (Schuh) und Schupp. Giebel und Die Lindenstraße um 1930 – rechts die Häuser Jung, Schupp, Drückes, Manderscheid – Schlachthaus der Metzgerei Ludwig Jung – im Hintergrund Haus Weber [Minninger] (heu- links Rudolf Siebenmorgen. te: Post) In den Häusern starben: Maria Schupp (31) und ihr Sohn Dieter (5), Maria Mais (23) – im Haus Drückes: Amanda Acker (62), Christine Niemes (41) und ihre Nichte Elisa- beth Saxer (14). Markierte Giebelecke: Das herausgelöste Mauerstück traf Maria Mais. Franz Molitor: „Vor dem Hause des Metzgermeisters Ludwig Jung lag das schwer verletzte Hausmädchen… (Maria Mais), das später starb.“ Franz Molitor: „Mit mir traf an der Trümmerstätte die verheirate Tochter Franz Molitor: „Die nächsten Häuser auf der linken Seite, Nikolaus Schnei- des Herrn Oberförsters Acker, Frau der und Toni Schneider sind schwer beschädigt, die Häuser auf der rechten Grete Kreuz, deren Mann ebenfalls Straßenseite von Rudolf und Jakob Siebenmorgen sind so stark beschädigt, bereits im Krieg gefallen ist, ein. Als dass sie gesprengt werden müssen.“ sie das zusammen gestürzte Haus ih- rer Eltern sah, stieß sie Schmerzens- Zeitzeugin Luise Weil geborene Jung: „Eine Bombe, ein Blindgänger, traf schreie aus und rief mir zu: „Herr unser Haus an der Ecke Lindenstraße zum unterhalb gelegenen Haus Molitor, helfen sie mir, meine Mut- Schupp. Der kleine Udo Stritzke, dessen Mutter in unserem Haus wohnte ter liegt unter den Trümmern.“ und im Nachbarhaus (Franzen) einen Schuhladen betrieb, wollte auf die Straße laufen. Das Dienstmädchen der Stritzkes, Maria Mais, Weiersbach, Haus Josef Drückes (Schuh) – rechts Schupp lief auf die Straße um Udo zurückzuholen. Sie stand noch vor unserem (heute „Mademoiselle") Haus, als sie von einem Mauerstück, das der Blindgänger heraus gebro-

14 15 chen hatte, getroffen wurde. Sie lag auf dem Boden und rief meinem Vater zu: „Holen Sie mir den Brocken weg!“ Ludwig Jung, selbst durch einen Bombensplitter am Bein verletzt, zog das Mauerstück weg, als er sah, dass beide Beine abgetrennt waren. Das Blut spritzte her- Bombensplitter, der Ludwig vor und der Anblick versetzte Ludwig Jung in Jung aus dem Oberschenkel Ohnmacht. Da er selbst Blut überströmt war, entfernt wurde. am Kopf und durch Bombensplitter im Ober- schenkel verletzt, meinte man, er sei tot und brachte ihn in den Hof des Ho- tels Schramm, wo man ihn zwischen den Toten ablegte. Nach einiger Zeit erwachte Ludwig Jung aus der Ohnmacht. Er wurde dann ins Krankenhaus Wittlich gebracht. Luise Weil und die jüngste Schwester waren mit der Mutter zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs Blick auf Borngasse und Abt-Richard-Straße in . Mit Ihnen fuhr Dr. Kreuz, Arzt aus Daun, der Fronturlaub hatte, morgens nach Gerolstein. Als sie mit dem Zug nach Daun zurück fuhren, war Dr. Kreuz auch wieder unter den Fahrgästen. Auf die Frage, weshalb er wieder zurück fahre antwortete er: „Daun ist bombardiert worden, ich wer- de dort dringend gebraucht!“ „Ich habe heute noch den Geruch der verschütteten Tierka- daver in der Nase. Es war ein schrecklicher Geruch.“ (Luise Weil geborene Jung) Luise Weil erinnert sich an das Gesche- hen, weil der Vater sehr oft mit ihr darü- ber sprach. Eine Aussage ihres Vaters war: „Das darf nie vergessen werden!“

Besonders schwer war der Bereich Abt-Richard-Straße/Borngasse betroff en. In Die Trümmer des Hauses Schommers – Mitte: Haus Otto Gandner Ww. – rechts: Haus Gürten der Abt-Richard-Straße waren die Häuser Braun und Gessner Alex und Wil- helm, gegenüber die Häuser von Paula Gürten und Otto Gandner Ww. total Es starben: im Haus Schommers: Luise (4), im Haus Jarding: Werner (4), Anna Katharina zerstört. Die Wohngebäude Hans Jarding und Jakob Schommers mit Stall und Caspers (34) und Sohn Günter (3) – im Haus Schramm kamen ums Leben: Maria Follmann Scheune sowie das Ökonomiegebäude des Hauses Dr. Albert Weber (heute (34) und ihre Kinder Manfred (4) und Erwin (5). Wie durch ein Wunder blieb die 5köpfi ge Post) waren dem Erdboden gleich. Familie Josef Willems verschont – die im Hause Gandner wohnte.

16 17 Zeitzeuge Alfons Hein, damals 12 Jahre (verschüttet im Hause Schommers): Am jetzigen Verkehrskreisel Abt-Richard-Straße/Borngasse standen die Häu- „Cousine Maria und Vetter Peter Schommers waren auf dem Speicher und ser Braun und Gessner. schauten von dort den Bombern zu, die Daun überflogen. Ich ging vom Spei- cher wieder zur Oma in die Küche, als die Bombe in den Garten fiel und Haus, Stall und Scheune in sich zusammenstürzten. Peter und Maria, die auf dem Speicher gewesen waren, kamen schnell ins Freie, fast unverletzt. Ich lag, mit dem Gesicht nach unten auf dem Küchenboden, von Balken und Schutt überdeckt. Nur mein linkes Bein konnte ich ein wenig bewegen und hörte, wie ganz in meiner Nähe die kleine Luise (4 Jahre) sich bemerkbar machte. Der französische Kriegsgefangene George grub dort weiter, wo die anderen aufgehört hatten und fand mich schließlich. Ich hatte Verletzungen im Gesicht und einen Bombensplitter im Bein und wurde ins Krankenhaus Daun geschafft. Ich kam ins Krankenhaus Wittlich, wo ich 2 Wochen lag, bevor ich wieder nach Hause konnte. NS-Kreisleiter Kölle, der mich in Wittlich im Krankenhaus besuchte, sagte zu mir: „Du kannst stolz sein, für den Führer Adolf Hitler die Verletzungen erlitten zu haben!“ Er schenkte mir das Buch „Robinson Crusoe“ und Prali- nen. Häuser Braun – Gessner Alex und Wilhelm

Zeitzeugin Maria Jungels geb. Follmann: Ich war 14 Jahre alt und gerade aus der Schule entlassen. Mein Großvater Beide Häuser wurden total zerstört – 14 Menschen ließen in und an den Häu- wohnte in , wo ich im Sommer 1944 in der Landwirtschaft half, so sern ihr Leben, darunter auch 8 Kinder von 3 – 12 Jahren. dass ich nicht in Daun war. Bei dem Bombenangriff sind meine Mutter und meine beiden Brüder Manfred und Erwin ums Leben gekommen, mein Bruder Hansi und meine Schwester Helene überlebten verletzt. Meine Mutter lebte noch wenige Stunden und starb im Krankenhaus Daun. Mein Bruder Erwin war schwer verletzt, wurde ins Krankenhaus Wittlich gebracht und starb nach etwa 3 Monaten an den Folgen.

Zeitzeugin Maria Schmitz geb. Willems (damals 11 Jahre) „Es war ein schöner Sommertag, aber es lag eine eigentümliche Stimmung in der Luft. Als wir aus der Kirche kamen, sagte man uns, „ihr könnte nicht mehr nach Hause“. Meine Mutter sagte: „Ich muss nach Hause, unsere Klei- nen sind allein zu Hause.“ An die Hauswänden der Wirich- und Lindenstra- ße gedrückt, liefen wir heim. Die Bombe schlug an der Seite zum Hause Gürten ein, dort wo der Luftschutz- Links die Trümmer der Häuser Braun – Gessner, gegenüber, die zerstörten Gebäude keller für ca. 30 Menschen war. Wären wird dort gewesen, wären wir alle tot.“ Gandner und Gürten

18 19 Besonders tragisch war der Tod von 5 Jungen der 6. Klasse der Kastorschule Familie und Existenz ausgelöscht in Koblenz, die im Rahmen der so genannten „Kinderlandverschickung“ dem Bombenterror in Koblenz entgehen wollten. Besonders betroff en war auch die obere Lindenstraße, Die etwa 30 Kinder waren in den Hotels Groß, Fries-Porz und Gandner unter- die ihren Namen von zwei Linden hatte, die an der Einfahrt zur jetzigen AOK gebracht. Sie gingen in Daun zur Schule. Es waren Ferien und die Jungen aus standen. Die Häuser Siebenmorgen, Schwoll, Druckerei-Geschäft und Wohn- Koblenz trafen sich an diesem Morgen im Saal Gandner. Auf dem Weg vom haus Schneider und Schuhhaus Hartmann wurden total zerstört. Hotel Fries-Porz zum Hotel Gandner wurden die 5 Jungen vom Bombenan- griff in Höhe des Dorfb runnens überrascht. Sie drückten sich am Haus Gessner an die Hauswand, unter den Balkon. Die Bombe, die diese Häuser traf, tötete die 11 – 12-Jährigen. (Angaben: Werner Hoff mann, Koblenz und Luise Weil, Daun, nach Angaben von Lehrer Heinrich Bornhofen, Lahnstein, der damals in Daun die Kinder aus Koblenz unterrichtete.)

Lindenstraße – links: Einfahrt zur AOK – die Häuser Hartmann, Druckerei Schneider, Schwoll, Siebenmorgen (verdeckt).

Die zerstörten Häuser v. l. Hartmann, Schneider, Schwoll, Siebenmorgen

21 Brück kam in der Küche ums Leben. Durch den Luftdruck wurde ich unter einen Eichen- tisch im Verkaufsraum neben dem Hausein- gang geschleudert; ich hielt mich verzweifelt am Tischbein fest. Es wurde dunkel, der Staub raubte mir fast den Atem, ich meinte zu ersticken und dachte, jetzt musst Du ster- ben! Der große Eichentisch hatte mir Schutz geboten, mit einigen kleineren Verletzun- Helga u. Marianne Schwoll gen kam ich davon. Ein erschütterndes Bild: Otto Schwoll steht auf den Trümmern seines Hauses, in dem seine Franziska Brück hat vermutlich allen, die in Büro und Druckerei arbei- Mutter Josefi ne (61), seine Frau Maria (39), die Kinder Marianne (12), Helga (9), Horst (1) teten, das Leben gerettet; u.a. meinem geliebten Großvater Josef Schnei- und die Kundin Franzika Reuland umkamen. der, der Anna Molitor und der Emmi Gessner. Franziska rief kurz vor dem Bombenabwurf: „Da kommt ein Flieger runter!“, worauf alle aus der Dru- Zeitzeuge Franz Jung ✝: „In Erinnerung ist mir geblieben, wie Otto Schwoll ckerei heraus ins vordere Wohn- und Geschäftshaus liefen. Sekunden spä- in den Trümmern seines Hauses nach Andenken seiner Familie suchte und ter wurde die Druckerei von den Bomben getroffen. Die Druckerei wurde seine Trauer und Verzweiflung durch Mark erschütternde Schreie und lau- vollständig zerstört. Das Wohnhaus brannte kurze Zeit danach völlig aus. tes Wehklagen zum Ausdruck brachte.“ Später kamen Soldaten um bei den Aufräumarbeiten zu helfen und Men- schen zu retten und zu bergen. Großmutter Josefine Schwoll, unsere Nach- Zeitzeuge Helmut Siebenmorgen: „Die Bombe schlug schräg durch das Dach barin, hing leblos in einer Fensternische. Einer der Soldaten kam zu mir unseres Hauses und explodierte im Keller des Nachbarhauses Schwoll. Unsere und fragte mich, ob ich mal mitkommen könnte, um zu schauen, wer das Familie blieb unverletzt und hatte viel Glück.“ tote Kind auf der anderen Straßenseite (heute Stadtschenke) sei. Es war meine Spielkameradin Marianne Schwoll, ich erkannte sie nur noch an ih- Haus Schneider, Lindenstraße ren schönen blonden Locken. – Marlies Hilgers (10 Jahre): Ich stand im Hauseingang, meine Großmutter und mei- ne Tante Ilse waren auf der gegenüberliegenden Stra- ßenseite im Garten. Meine Oma rief mir zu: „Geh in die Küche zu Franziska Ein Glück, dass ich nicht auf meine Großmutter gehört habe und in der Türe stehen blieb. Unsere Hausgehilfin Franziska Ansicht von der unteren Lindenstraße - Trümmer der Druckerei Schneider – Haus Schwoll

22 23 In und am Schuhgeschäft Hartmann lag Christine Erkamp (Duisburg), der ein Arensberg – eine Trümmerwüste Bein abgerissen wurde und Anna Maria Henning (Mülheim-Ruhr), die einen Fuß verloren hatte. Beide starben im Krankenhaus Daun. Sie waren über das Die sogenannte „Turnhalle“, die unterhalb des jetzigen St. Nikolaus-Kindergar- „NS-Erholungswerk“ als Gäste in Daun. tens stand, die Schreinerei Hermes mit Wohnhaus, wurden total zerstört, wei- tere Häuser am „Arensberg“ wurden erheblich beschädigt und unbewohnbar.

Das Geschäft shaus J. J. Meyer (Reineke, Burgfriedstraße) hatte eine Bombe zerstört und die 19jährige Angestellte Johanna Wolter getötet. Die Häuser Neis und Göbel (Schäfer) wurden Turnhalle – Schreinerei und Wohnhaus Hermes stark beschädigt; es blieb bei Verletzten. Schule Kolping Elsen Turnhalle Warneke Hermes Hilgers Mendelkoch Kauth

Zerstörte Häuser Neis und Göbel Im Hause Hermes starben Margaretha Hermes (56) u. ihre Tochter Martha Ritze geb. Hermes (22). Die Gebäude Mengelkoch, Hilgers und Kauth waren total zerstört, Nachbarhäuser stark beschädigt.

24 25 Burgfriedstraße Leopoldstraße - eine Trümmerwüste

In der Burgfriedstraße, war die Gaststätte und Metzgerei Jung, zu ¾ zerstört. Vom heutigen Cafe Schuler an bis zum Geschäft shaus Minninger hatte der Auch auf dem Burgberg waren mehrere Bomben eingeschlagen und hatten die Bombenangriff die gesamt Häuserzeile in Schutt und Asche gelegt. Die Wohn- Evangelische Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen. und Geschäft shäuser: Cafe Schuler, Uhrmacher Schiltz, Apotheke Ernst, Frisör Ludwig und Spediteur Müller, das Haus Kappen-Weber und das Kreisbauamt (ehemalige Gaststätte Frank) „sind vollständig vernichtet“.

Im Garten ihres Hauses in der Burgfriedstraße wurde Pauline Mertens so schwer verletzt, dass sie an den Folgen im Gerolsteiner Krankenhaus starb. Apotheke Ernst, Friseur Ludwig, Minninger, Kappen-Weber, Caspers - gegenüber das Land- ratsamt mit Kreissparkasse um 1930 – vorne rechts das ehemalige Gasthaus Frank (1944 Bauamt des Kreises).

Die Gärten unterhalb der Burg – hier wurde Pauline Mertens verschüttet Leopoldstraße – rechts Haus Minninger, Apotheke, Schiltz, Schuler

26 27 ✝ ✝ ✝

Cafe Schuler vorher … … und nachher Haus Schiltz

Im Cafe Schuler kamen Katharina Kötten (26) und ihr Tochter Irmgard (2) ums Leben. Heinz Schuler und seine Mutter überlebten den Angriff . Nur weni- Bernd, Ruth, Liesel mit Marlies, Gardi, Doris, Hubert Ernst – 1940 ge Tage später erreichte die Familie Schuler die Nachricht, dass Ehemann und Vater Günter Schuler gefallen war. Franz Molitor: „Glücklicherweise war Frau Ernst Das Uhrmacher- und Schmuckgeschäft Eugen Schiltz war ebenfalls völlig zer- am Tage des Angriffs mit ihren zwei Töchtern stört. Ums Leben kamen Ria Schiltz (28) und ihr kleiner Sohn „Bubi“ Rudolf (Ruth, Gardi) verreist, sonst wäre das Unglück für (5). Eugen Schiltz (61) starb an den Folgen am12.3.1945. die Familie noch größer gewesen.“

Tragisch ist auch der Tod des Nachbarkindes Maria Helene „Mariele“ Hart- mann, das sich zum Spielen mit den Ernst-Kindern im Hause aufh ielt und der Tod der Kundin Helene Schmitz. Sie stammte aus und wohnte mit ihrem Mann, der als Soldat im Krieg war, in Würselen. Wegen des Bom- bardements von Würselen überzeugte ihr Mann sie, zu den Eltern nach Kra- denbach zu ziehen. Als ihre Großmutter in Kradenbach erkrankte, fuhr sie zur Adler-Apotheke um Medizin zu holen und starb. Ihr Fahrrad stand, an einem Telegrafenmast gelehnt, unbeschädigt, auf der anderen Straßenseite. (Anga- ben: Marianne Hens).

Zeitzeugin Johanna Gessner (damals 15 Jahre): „Ich war in der Adler Apothe- ke als Lehrling. Morgens musste ich im Haushalt helfen, nachmittags war ich in der Apotheke. Am 19.7.1944 war ich vormittags in der Wohnung der Die Überreste der Apotheke Ernst: In den Trümmern starben der Apotheker Hubert Ernst (59), die Töchter Doris (14), Marlies (5), die Angestellten Hedwig Adams (23) und Mar- Familie Ernst im 2. Stock. Der Sohn Bernd stand am Fenster und schaute garetha Henneknövel (22), die Praktikantin Hildegard Jansen (30), das Kind Marie Helene den Bombern zu, die Daun überflogen. Er rief: „Johanna, guck mal, ein Hartmann (10) und die Kundin Helene Schmitz (31) aus Kradenbach. brennendes Flugzeug kommt runter!“ Ich sah hinaus, die Bomben fallen,

28 29 riss Bernd noch vom Fenster weg… Dann traf die Bombe die Apotheke… ich lag unter den Trümmern, aber so, dass ich mich aus dem Schutt befreien konnte. Dann hörte ich die Stimme von Bernd Ernst, den ich fand und mit den Händen aus dem Schutt ausgrub. Er war am Bein schwer verletzt. Dass ich selbst am Kopf und Rücken verletzt war, bemerkte ich zuerst nicht.“

Die im Haushalt arbeitende Angestellte Leni Stolz (später: verheiratete Mül- ler), damals 21 Jahre, überlebte wie ein Wunder nahezu unverletzt.

und das Haus Hunz am Burgaufgang (heute: Arztpraxis Dr. Weis)

Landratsamt und Kreissparkasse – die Trümmer im Vorder- grund sind die Reste des Kreisbauamtes (ehemals Gasthaus Frank) Kappen-Weber (Minninger)

Die obere Leopoldstraße am Anwesen Minninger

Dort, wo sich heute das Anwesen und Geschäft shaus erstreckt, stand die Metz- gerei Kaspers, das Haus Nikolaus Weber und das neue Haus Minninger. Die erste Bombe die fi el, traf das Haus Nikolaus Weber, das in sich zusammen fi el. Das Haus wurde „Kappen-Weber“ genannt, weil sich dort eine Mützenfa- Links: In den Trümmern des Kreisbauamtes starben der Angestellte Richard Jung (61), die brikation befand. Die Angestellten Gertrud Müller (29) und Hedwig Rach (23), Bürogehilfi n Erika Krämer (16) und der Hausmeister Johann Ley (67) und seine Enkelin der französische Kriegsgefangene Paul Bryla (30) und Karl Th eis (71) fanden Waltraud (4). Rechts: Die Druckerei Werner (heute: Modeboutique „Balance“) dort den Tod.

30 31 Zeitzeuge Adolf Waldorf (damals 13 Jahre): „Ein großer amerikanischer Bom- Friedhofstraße berverband überflog Daun. Ich war Lehrling beim Landratsamt und stand mit einigen Mitarbeitern auf dem Eingangspodest des Landratsamtes. „Jetzt Franz Molitor: „Nach der Detonation fielen aus der Richtung Stadtmitte kommen gleich die deutschen Jäger und holen die Amerikaner vom Him- und von den Abhängen des Wehrbüsch´s auf unser Haus… ein Hagel von mel!“ war die Aussage einer Kreis-Nazi-Größe. Ich hörte ein nie gekanntes Steinen, Erdklumpen, Dachziegel usw.“ Franz Molitor wusste nicht, dass nur Geräusch und lief ins Gebäude und wurde vom Luftdruck die Kellertreppe 150 m von seinem Wohn- und Geschäft shaus entfernt, eine Bombe in den Gar- hinab geschleudert. Mit schweren Verletzungen lag ich Monate im Kranken- ten des Anwesens Th ielen (heute: te Bay) gefallen und das Haus des Anstrei- haus Gerolstein.“ chers Peter Chevante (heute: Ursula Kampke) regelrecht um 30 cm auf der Kellerdecke verschoben hatte. Es musste später abgerissen werden. Zeitzeuge Josef Müller, Manderscheid: „Meine Mutter Gertrud Müller geb. Witzler arbeitete bei Kappen-Weber in Daun. Am 18.7. waren wir in Ko- blenz zu den Großeltern und kehrten mit dem Zug abends nach Daun zu- rück, wo wir im Haus Weber übernachten wollten, weil meine Mutter am nächsten Tag arbeiten musste. Das Haus Weber war aber verschlossen. Der Schlüssel lag nicht an der vereinbarten Stelle, weil die Angestellte Finchen (Josefine) Meyer aus Neunkirchen ihn mit nach Hause genommen hatte. Deshalb fuhr mich meine Mutter mit dem Fahrrad zu Bekannten nach Bleckhausen. Meine Mutter wollte mich nach der Arbeit am Mittag wieder dort abholen. Sie kehrte nicht mehr zurück und wurde Opfer der Bomben.“

Haus Chevante (jetzt: Ursula Kampke, Friedhofstr.10)

65 Menschen starben bei oder an den Folgen des schwersten Luft angriff s auf das Kreisstädtchen Daun: 30 Frauen, 8 Männer und 27 Kinder. Die amtliche Statistik registrierte Verwundete: 27 Männer 132 Frauen 43 Kinder 7 Ausländer (Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter) 31 Wohngebäude und 4 Scheunen und Ställe, 12 Waren- oder Kaufh äuser wa- Ein Bombentrichter in der Rosenbergstraße (obere Einfahrt Parkdeck) ren total beschädigt. 33 Wohngebäude waren schwer in Mitleidenschaft ge- links Die Landwirtschaft sschule, rechts die ehemalige Forstdienstwohnung (heute: Waldorf) zogen und unbewohnbar, 78 Wohngebäude waren leicht beschädigt. Wasser-

32 33 leitung und Telefonversorgung waren im Stadtzentrum schwer zerstört. 297 Auch 22 Soldaten fanden durch Bomben den Tod. Zusammen mit den an der Menschen waren auf einen Schlag ohne Obdach Front gefallenen 89 Soldaten starben 210 Dauner durch den II. Weltkrieg, 10 Prozent der Bevölkerung des damals 2099 Einwohner zählenden Kreisstädt- Zeitzeugin Anneliese Löhr: „Der Geruch des verwesenden Viehs unter den chens. Trümmern war bestialisch und unerträglich!“ Von den 475 Geschäfts-, Öffentlichen Gebäuden und Wohngebäuden waren

96 vollständig zerstört Zeitzeuge Eul, : (Männer aus den Nachbarorten wurden nach Daun 35 schwer beschädigt beordert, um bei den Bergungs- und Aufräumarbeiten zu helfen. Es war für die 258 mittel bis leicht beschädigt. Helfer schwierig zu entscheiden, wo beginnen wir mit den Sucharbeiten.) „Wir suchten dort, wo die Fliegen hinflogen!“ Nur 87 Gebäude waren unversehrt geblieben. Die gesamten Gebäudeschäden wurden (1948) mit 4 Mio. DM vorsichtig geschätzt. Darin waren die notwen- Diese Aussagen und die vorherigen Zeitzeugen belegen, was die Menschen er- digen Wiederherstellungsarbeiten an Straßen, Wasserleitung, Kanalisation, tragen mussten und welchen Belastungen sie ausgesetzt waren. Die Zeit der Strom- und Telefoneinrichtungen noch nicht enthalten, ebenso nicht die Mo- Not war noch nicht zu Ende. biliarschäden. Es folgten noch 20 weitere Bombenangriffe auf Daun, die weitere Schäden, Tod, Not und Elend mit sich brachten. Besonders in der Woche vor und nach Weihnachten 1944 wurde Daun täglich bombardiert. Am 22., 23., 24., 25., 26., 29. Dezember 1944 fielen 112 Bomben, die wiederum 70 Menschen in den Tod rissen, allein 28 Opfer im Keller des Hauses Kläs auf dem Kampbüchel an Hei- Gedenken an die Opfer ligabend 1944. Beim Bombenangriff am 2. Januar 1945 sank die altehrwürdige Pfarrkirche St. Trier. Landeszeitung vom 24. Juli 1944: Nikolaus in Schutt und Asche. Der letzte Bombenangriff war am 3. März 1945. Der damalige I. Amtsbeigeordnete Michel Reineke berichtete 1946: „In den „Nun hat auch in der stillen schönen Eifel der Feind mit seinem Bomben- letzten Monaten der Kampfhandlungen bot der Ort ein schauerliches Bild. terror gewütet. Das malerische Städtchen Daun ist am 19. Juli das Opfer Wohin das Auge blickte, waren nur Verwüstungen und Verheerungen zu eines heimtückischen Überfalles geworden, bei dem Verluste an Menschen- sehen.“ 80 Prozent der Gebäude waren durch Kriegseinwirkungen beschä- leben und Sachschäden entstanden. digt; 87 Gebäude total zerstört.“ Tiefer als die Wunden, die dem Land geschlagen sind, ist die Trauer der Herzen und der Verlust geliebter Menschen, die der mörderische Überfall „Schon Ostern 1945 waren die Hauptschuttmassen und Trümmer weg ge- anglo-amerikanischer Luftpiraten dahinraffte.“ schafft. Alle verfügbaren Männer und die ledigen Frauen bis 45 Jahre muss- Bei der Trauerfeier am 22. Juli 1944 für die Opfer wird NS-Kreisleiter Kölle ten mit anpacken, die Kriegsschäden im öffentlichen Bereich zu beseitigen.“ zitiert. Seine Worte sprechen im Angesicht der Trauer und des Leids wie Hohn, (HJB 2004 – Daun in Schutt und Asche) verblendet von der nationalsozialistischen Ideologie: Die Arbeiten waren auch 1948 noch nicht beendet, 48 zerstörte Wohn- und „Der Tod hat eiserne Ernte gehalten. Der Krieg ist in unsere Eifel hinein Wirtschaftsgebäude noch nicht wieder aufgebaut. getragen, Daun ist zur Front geworden. 31 deutsche Mutterherzen haben aufgehört zu schlagen, bei 23 Kindern ist das Lachen verstummt und 5 Bei den Luftangriffen auf Daun wurden mehr als 500 Bomben auf die Stadt ab- Männer, Weltkriegsteilnehmer, die treu und brav ihre Pflicht getan, sind geworfen. 53 Kinder unter 14 Jahren, 60 Frauen, 23 Männer verloren ihr Leben. nicht mehr.“

34 35 Gemeinschaft sgrab auf dem Ehrenfriedhof

Dann fügte Kölle mit Verweis auf das am Tage vorher fehlgeschlagene Hitler- Attentat an und rief dazu auf, sich der Opfer würdig zu erweisen: „Dann, mei- ne deutschen Frauen und Männer, kann nur am Ende des Opfers stehen: der deutsche Sieg.“ Ehrenfriedhof Wehrbüsch „Auch diese Toten werden weiterleben und ihr Geist geht mit uns den har- ten Weg bis zum Endsieg…“ Auf den Grabplatten des Ehrenfriedhofs fi ndet man nicht die Namen der Op- fer, die als Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter während des II. Weltkriegs in Daun starben oder durch Bomben ihr Leben lassen mussten:

Französische Staatsangehörige: Paul Laroche * 23.05.1908 ✝ 23.07.1942 Gerard Vaisiere * 07.04.1914 ✝ 28.12.1943 Paul Bryla * 26.05.1914 ✝ 19.07.1944 (gefallen) Jean Demasson * 19.04.1907 ✝ 21.01.1945 (gefallen)

Russische Staatsangehörige: Stephan Kolub * 05.08.1909 ✝ 18.12.1944 Nina Tschistjakowa * 02.02.1924 ✝ 03.03.1945 2 unbekannte russische Kriegsgefangene Heute wird den Opfern des Krieges, den Soldaten und Zivilopfern, am Volks- trauertag gedacht. Auch diesen Opfern gilt unser Gedenken.

36 37 Zitate „Franz Molitor“ entstammen seinen schrift lichen Aufzeichnungen vom 1. August 1944 „Wie ich den Angriff amerikanischer Flugzeuge auf unser friedliches Eifelstädtchen am 19. Juli 1944 erlebte.“ und „Alfons Hein“ aus seinen Lebenserinnerungen „Leben ein kurzer Pfad auf dem endlosen Weg“ (Selbstverlag 2001). Die übrigen Zitate der Zeitzeugen wurden wörtlich oder sinngemäß aus per- sönlichen Gesprächen wiedergegeben.

Der Titel: „Die Uhr blieb um 9.45 stehn.“ ist die Antwort von Ludwig Jung auf die Frage seiner Tochter Luise Weil, wann der Bombenangriff stattgefunden habe. Die Uhr in seinem Wohnzimmer war um 9.45 Uhr stehen geblieben.

Der Vortrag und diese Broschüre wären nicht in dieser umfassenden Form möglich gewesen, wenn nicht viele Dauner und Zeitzeugen mir Informationen, Bilder und Hinweise gegeben und meine Nachforschungen unterstützt hätten. Dafür danke ich allen ganz herzlich, aber auch der Kreissparkasse Vulkaneifel, die dieses Begleitheft erst ermöglicht hat. Den Worten von Ludwig Jung: „Das darf nicht vergessen werden!“ kann ich mich nur anschließen. Den nachfolgenden Personen und Institutionen danke ich für Ihre Mitarbeit und Unterstützung: • Marlies Hilgers • Luise Weil • Franz Jung ✝ • Bruno Willems • Maria Schmitz geb. Willems • Margret Jungels • Vera Pohl und Annette Weis • Heinz Schuler • Christel Mertens • Claudia Marmann • Marie-Luise Schaub • Ursula Kampke • Marianne Lieven • Johanna Geßner • Rita Biersack • Horst und Ursula Minninger • Helmut Siebenmorgen • Karin Klein • Alfons Hein • Dr. Bernd Ernst • Maria Westhof • Anneliese Löhr • Werner Hoff mann • Christel Monshausen • Marianne Hens • Verbandsgemeinde Daun

38 39 Mein besonderer Dank gilt Michael Radda, Berlingen, der aus amerikanischen Liste der Opfer des Bombenangriff s Archiven und über Bekannte und Freunde in Belgien und England Informati- vom 19.07.1944 auf Daun onen zur Luft fl otte und den beteiligten Einheiten beim Angriff auf Daun aus- fi ndig machte. Name Vorname(n) Geb.Tag Wohnort Beruf FamSt. Todesort Die Kreissparkasse Vulkaneifel und ich bitten um eine Spende für die Arbeit 1 Acker Amanda 15.07.1882 Daun, verh. Drückes, des „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.“ geb. Stege Lindenstraße 1 Lindenstr. 1 2 Adams Hedwig 11.04.1921 Daun, Köchin led. Adler-Apotheke Margareta Leopoldstraße Leopoldstraße

3 Arnold Waltraud 17.10.1940 Daun, Kind 3 Jahre Landratamt, Symbol des Wiederaufb aues der Stadt Daun Leopoldstraße Leopoldstr. 1

4 Bastges Susanne 11.11.1884 Daun, led. nicht bekannt Burgfriedstr. (evtl. Schiltz)

Ein kleiner Baum – inmitten von 5 Beitzel Karl 13.08.1937 Köln, Kind 6 Jahre Gessner, Manfred Krefelder Wall 22 Abt-Richard-Str. Trümmern - beschädigt – entlaubt - aber mit dem Willen weiterzuleben. 6 Bell Emil 27.01.1935 Daun, Kind 9 Jahre Gessner, Ein Sinnbild für die Stadt, die mit gro- Horst-Wessel-Str. Abt-Richard-Str. ßer Energie von ihren Bürgerinnen 7 Berens Maria 26.04.1908 Daun, verh. nicht bekannt und Bürgern mit hohen persönlichen geb. Scholzen Gartenstraße (evtl. Schiltz) Opfern wieder aufgebaut wurde. 8 Bettelsdorf Valentin 29.04.1890 Heinsberg, Zoll- verh. Haus Geßner Horst-Wessel-Str. inspektor Abt-Richard-Str.

9 Brück Franziska 05.02.1925 Daun Haus- led. Druckerei Schneider Susanne Lindenstraße gehilfi n Lindenstr.

10 Bryla Paul 26.05.1914 Altfortville, franz. Kriegs- verh. Kappen-Weber Frankreich gefangener Leopoldstr.

11 Caspers Günter 08.03.1941 Daun, Kind 3 Jahre Haus Jarding Mehr als 70 Jahre wuchs und erblühte Johann Borngasse Borngasse die Kastanie im Garten des Anwesens 12 Caspers Anna Agnes 21.01.1910 Daun, Hausfrau Haus Jarding Abt-Richard-Straße/Borngasse – ein geb. Enders Katharina Borngasse Borngasse stolzer Baum, der 2013 leider gefällt werden musste. 13 Erkamp Christine 18.02.1902 Duisburg verh. Schuhhaus Hartmann geb. Erhard Lindenstraße

14 Ernst Hubert 11.11.1895 Daun, Apotheker verh. Adler-Apotheke Josef Leopoldstraße Leopoldstraße

15 Ernst Doris 11.11.1929 Daun, Kind 14 Jahre Adler-Apotheke Elisabeth Leopoldstraße Leopoldstraße

40 41 16 Ernst Marlies 18.03.1939 Daun, Kind 5 Jahre Adler-Apotheke 33 Kötten Irmgard 27.08.1942 Daun, Kind 2 Jahre Cafe Schuler (Maria Elisabeth) Leopoldstraße Leopoldstraße Leopoldstr. Leopoldstr.

17 Follmann Manfred 08.03.1940 Daun, Kind 4 Jahre Gandner, 34 Kötten Katharina 16.03.1918 Daun, verh. Cafe Schuler Horst-Wessel-Str. Borngasse geb. Mertes Leopoldstr. Leopoldstr.

18 Follmann Erwin 1938 Daun, Kind 6 Jahre Gandner, 35 Krämer Hans Julius 09.06.1932 Koblenz, Schüler 12 Jahre Dorfbrunnen, Horst-Wessel-Str. Borngasse Görresstraße Nähe Haus Geßner gestorben 3 Monate später im Wittlicher Krankenhaus 36 Krämer Erika 07.10.1928 Daun-Gemünden Büro- led. Landratsamt 19 Follmann Maria 06.10.1907 Daun, verh. Gandner, gehilfin Leopoldstr. geb. Leclaire Horst-Wessel-Str. Borngasse 37 Krenz Margaretha 1938 Duisburg-Beek Kind 6 Jahre Gessner, 20 Gessner Robert 26.02.1941 Daun, Kind 3 Jahre Gessner, Abt-Richard-Str. Horst-Wessel-Str. Abt-Richard-Str. 38 Lay Johann 02.05.1877 Daun, Bahn- verh. Landratsamt, 21 Gessner Susanne 18.05.1909 Daun, verh. Gessner, Leopoldstraße arbeiter a.D. Leopoldstr. geb.Pohl Horst-Wessel-Str. Abt-Richard-Str. 39 Mais Maria 30.12.1921 Daun, Haus- led. Haus Ludwig 22 Gessner Elisabeth 07.12.1874 Daun, verw. Gessner, Lindenstraße gehilfin Jung, Lindenstr. geb. Ullrich Horst-Wessel-Str. Abt-Richard-Str. 40 Mertens Gertrud 13.10.1902 Daun, verh. Burgfriedstraße 23 Hartmann Maria 04.10.1934 Daun, Kind 9 Jahre Adler-Apotheke geb. Mosen Pauline Burgfriedstraße Garten u. der Burg Helene Leopoldstr. Leopoldstraße gestorben 29.07.44 24 Helling Anna Maria 25.09.1893 Mülheim-Styrum, verw. Hartmann, 41 Müller Gertrud 13.08.1915 Daun, Mützen- verh. Kappen-Weber, geb. Wöll Von der Tann-Str. 19 Lindenstr. geb. Witzler Leopoldstraße macher Leopoldstraße

25 Henneknövel Margarethe 11.01.1922 Remscheid, Apotheken- led. Adler-Apotheke 42 Niemes Christine 18.06.1903 Daun, verh. Drückes Reinshagener Str. 129 helferin Leopoldstraße geb. Schmitz Lindenstraße 1 Lindenstr. 1

26 Hermes Margaretha 24.09.1888 Daun, verh. Hermes, 43 Oster Hans 15.03.1933 Koblenz Schüler 11 Jahre Dorfbrunnen, Arensberg Arensberg Joachim Nähe Haus Geßner

27 Hill Anna 15.09.1884 Daun, led. Jarding, 44 Rach Hedwig 06.12.1921 Mützen- led. Kappen-Weber, Borngasse Borngasse näherin Leopoldstraße

28 Hill Agnes 01.05.1884 Daun, verw. Jarding, 45 Reuland Anna 17.06.1904 Daun, verh. Haus Schwoll, geb. Thelen Horst-Wessel-Str. Borngasse geb. Bommerich Franziska Horst-Wessel-Str. Lindenstr. Friseursalon

29 Jansen Hildegard 21.01.1914 Daun Apotheken- led. Adler-Apotheke 46 Reuter Maria 14.07.1914 Köln-Kalk, verh. vermutl. Gessner, Praktikantin Leopoldstraße geb. Ullrich Johann-Klassen-Str. 96 Abt-Richard-Str.

30 Jarding Werner 05.09.1940 Daun, Kind 3 Jahre Jarding, 47 Ritze Martha 26.06.1922 Daun, verh. Hermes, Borngasse Borngasse geb. Hermes Arensberg Arensberg

31 Jung Richard 14.01.1883 Daun, Verw.- verh. Landratsamt, 48 Saxer Elisabeth 10.01.1930 Worms-Pfiffligheim, Kind Drückes, Rosenbergstr. Angest. Leopoldstr. Lutherbaumstr. 19 Lindenstr.1

32 Kilzer Hans 06.03.1933 Koblenz, Schüler 11 Jahre Dorfbrunnen, 49 Schiltz Maria "Ria" 02.10.1916 Daun, verw. Schiltz, Servatius Kastorpfaffenstr. 14 Nähe Haus Geßner geb. Eiden Leopoldstraße Leopoldstr.

42 43 50 Schiltz Karl Rudolf 12.09.1939 Daun, Kind 5 Jahre Schiltz, Nikolaus "Bubi" Leopoldstraße Leopoldstr.

51 Schiltz Eugen 29.03.1884 Daun, Uhrmacher verh. Schiltz, Leopoldstraße Leopoldstr. An den Folgen der Verletzungen u. Leukämie 12.3.1945 52 Schmitz Helena 05.05.1913 Kradenbach/ verh. Adler-Apotheke geb. Helten Würselen Leopoldstraße

53 Schommers Luise 12.12.1941 Daun, Kind Schommers, Borngasse Borngasse

54 Schupp Jakob Dieter 20.08.1939 Daun, Kind Schupp, Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

55 Schupp Maria 29.06.1913 Daun, verw. Schupp, geb. Esper Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

56 Schwoll Helga 04.07.1935 Daun, Kind Schwoll, Josefine Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

57 Schwoll Horst 30.12.1943 Daun, Kind Schwoll, Konrad Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

58 Schwoll Marianne 08.05.1932 Daun, Kind Schwoll, Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

59 Schwoll Maria 04.08.1905 Daun, Frisörin erh. Schwoll, geb. Kraus Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

60 Schwoll Josefine 23.08.1884 Daun, verw. Schwoll, geb. Kaiser Lindenstraße 3 Lindenstraße 3

61 Sürtenich Ferdinand 08.12.1932 Koblenz, Schüler 11 Jahre Dorfbrunnen, Görresstraße 41 Nähe Haus Geßner

62 Theis Karl 30.05.1873 Daun, Justiz-. verh. Kappen-Weber, Leopoldstraße 23 OSekr. Leopoldstraße

63 Wambach Kurt 08.04.1933 Koblenz Schüler Dorfbrunnen, Nähe Haus Geßner

64 Wolter Johanna 25.08.1926 Daun, kfm. Kaufhaus Reineke, Burgfriedstraße Lehrling Burgfriedstraße

65 Unbekannt In einer Stellungnahme der Amtsverwaltung Daun - undatiert - ist folgendes ausgeführt:"'Als es Abend wurde, stand fest, dass 7 Männer, 28 Frauen und 26 Kinder (= 61) unter 14 Jahren den Tod gefunden hatten und dass 209 Personen mehr oder weniger schwer verletzt worden waren. Von diesen erlagen später noch 1 Mann, 2 Frauen und 1 Kind ihren Verletzungen" (= 61 + 4). Da Schwerverletzte auch in den Krankenhäusern Gerolstein und Wittlich behandelt wurden und Auswärtige unter den Opfern waren, bleibt zunächst ungeklärt, wer das 65. Bombenopfer war.

44