Vogelkundliche Nachrichten Aus Ostösterreich

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Vogelkundliche Nachrichten Aus Ostösterreich ©BirdLife Österreich, download unter www.biologiezentrum.at VOGELKUNDLICHE NACHRICHTEN AUS OSTÖSTERREICH R 22. Jahrgang Heft 1-2/2011 Überschwemmte Ackerflächen in der Hofluß bei Nickelsdorf. Blick von Südosten, 29.4.2009. Foto: E. Nemeth. Die Bedeutung der Leithaniederung (Nordburgenland) als Brut- und Rastgebiet für Limikolen Hans-Martin Berg, Michael Dvorak & Andreas Ranner Einleitung In seinem Artikel „Nachruf auf ein nordburgenländi- keit fast aller VogelkundlerInnen auf sich zogen. sches Feuchtgebiet“ beschreibt John C. Reid 1989 Erst ab den späten 1960er und in den 1970er Jah- die Gefährdung und Zerstörung des Feuchtgebiets ren wurden im Gebiet v. a. durch John C. Reid zwischen Leitha und Kleiner Leitha (Gem. Gatten- (1989) erste Beobachtungen zur Brutvogelfauna dorf und Zurndorf) durch Entwässerungsmaßnah- angestellt und im Archiv von BirdLife Österreich men (REID 1989). Es handelte sich um ein Gebiet hinterlegt – sie bilden heute die wesentliche Infor- das damals nur wenigen VogelbeobachterInnen mationsquelle zur damaligen Vogelwelt des Ge- bekannt war und dem bis dahin auch seitens der biets. 1979 wurde die Bedeutung der Leithaniede- wissenschaftlichen Vogelkunde kaum Beachtung rung für den Vogelschutz durch die Aufnahme in geschenkt wurde (vgl. BAUER 1952). Der Grund eine erste Liste der Wasservogelgebiete internatio- dafür lag sicherlich in der Nachbarschaft ornitholo- naler und nationaler Bedeutung erstmals gewürdigt gisch so bedeutsamer Gebiete wie Neusiedler See, (FAUNISTISCHES GREMIUM 1979). Seewinkel und Hanság, die die volle Aufmerksam- Gefördert aus Mitteln des Lebensministeriums; mit Unterstützung durch den Umweltdachverband ©BirdLife Österreich, download unter www.biologiezentrum.at Vogelkundliche Nachrichten aus Ostösterreich 22: 1-2/2011 Das Teilgebiet Rohrluß mit Feuchtwiesen im Vordergrund und Feuchtbrachen im Hintergrund. Blick von Süden, 26.8.2006. Foto: M. Dvorak. Die großflächig überschwemmten Gebiete Bruckbühl und Bühl bei Nickelsdorf. Blick von Süden, 29.4.2009. Foto: E. Nemeth. 2 ©BirdLife Österreich, download unter www.biologiezentrum.at Vogelkundliche Nachrichten aus Ostösterreich 22: 1-2/2011 Abbildung 1: Karte des Untersuchungsgebiets. Die orange Linie zeigt die Gemeindegrenzen. In Hellgrün ist das zentrale Wiesengebiet an der Kleinen Leitha dargestellt, in Dunkelgrün sind Waldflächen und Baumbestände und in hellem Blau sind die Überschwemmungsflächen des Jahre 2009 ausgewiesen. Wenngleich diese Ausweisung keinerlei Schutz- untersucht und dabei angestrebt, auch die Bestände maßnahmen seitens des amtlichen Naturschutzes der wichtigsten Wiesenvogelarten zu erfassen. Eine nach sich zog, belegen einzelne Beobachtungsda- erste Zusammenfassung dieser Aktivitäten für die ten, die in den 1980er Jahren im Archiv von BirdLife Jahre 2004-2006 liegt in Form eines unveröffentlich- Österreich einlangten, dass wichtige Brutvogelarten ten Projektberichts vor (BERG & DVORAK 2007). Die wie Großer Brachvogel, Uferschnepfe und Rot- Ergebnisse der Erhebungen aus den Jahren 2007- schenkel nach wie vor im Gebiet vorkamen und 2010 werden für die Limikolen hier erstmals ausge- nicht infolge der Entwässerungen ausgestorben wertet und präsentiert. waren wie von REID (1989) befürchtet. Die zu Be- In der vorliegenden Arbeit wurden alle uns aus dem ginn der 1990er Jahre verbliebenen Wiesenflächen Untersuchungsgebiet zugänglichen Daten zu Brut- besaßen zwar eine Ausdehnung von nur ca. 50 ha vorkommen und Durchzug aller Limikolenarten be- (SAUBERER 1993), dennoch waren sie immer noch rücksichtigt. Sie enthält Angaben zum zeitlichen als Brutgebiet für verschiedene Wiesenvogelarten Auftreten der einzelnen Arten, vermittelt einen Über- von Bedeutung. blick über die aktuelle Bestandssituation und stellt In den Jahren 1993-1995 wurden erstmals seit wenn möglich die längerfristige Bestandsentwicklung vielen Jahren wieder gezielte Erfassungen der dar. Besonders berücksichtigt werden dabei die Brutvogelfauna der Leithaniederung unternommen markanten Überschwemmungen im Frühjahr 2009 (DVORAK et al. 1996), und ab 1996 bis 2002 durch und deren Auswirkungen auf Verteilung und Anzahl gezielte Beobachtungen von A. Ranner und E. der Limikolen. Die Bedeutung dieser Befunde für den Karner fortgesetzt. Seit 2004 wird das Gebiet von Naturschutz in der Leithaniederung wird in einem H.-M. Berg und M. Dvorak alljährlich ornithologisch eigenen Kapitel dargestellt und diskutiert. 3 ©BirdLife Österreich, download unter www.biologiezentrum.at Vogelkundliche Nachrichten aus Ostösterreich 22: 1-2/2011 Abbildung 2: Detailkarte des Wiesengebiets mit im Text oft erwähnten Flurnamen. (wertvolle Flächen) gefördert, zusätzlich nehmen Untersuchungsgebiet Stilllegungsflächen einen bedeutenden Flächenan- Die im Nordburgenland im Bezirk Neusiedl am See teil von ca. 50 % ein; gerade diese Feuchtbrachen gelegene Leithaniederung ist die größte noch in haben derzeit für die Brutvögel eine sehr hohe naturnahem Zustand befindliche Flussniederung Bedeutung. Ackerflächen, vorwiegend zum Anbau des nördlichen Burgenlandes. Das von uns unter- von Mais genutzt, nehmen derzeit ca. 25 % der suchte Gebiet (Abb. 1) umfasst insgesamt 52,92 Fläche des Wiesengebiets ein. km² im Bereich der Gemeindegebiete von Gatten- Im Bereich der Fluren Rohrluß und Mitterluß liegen dorf (5,05 km²), Zurndorf (18,16 km²), Pama (5,86 zwei kleine Teiche, die zu den Zugzeiten von Was- km²), Deutsch Jahrndorf (8,95 km²) und Nickelsdorf servögeln als Rastplatz genutzt werden. An diese (14,90 km²). Teiche grenzen kleinere Schilfbestände an, weitere Der größere Teil des Untersuchungsgebiets (ca. 36 Schilfflächen finden sich im Verlauf des Alten km²) besteht aus landwirtschaftlichen Nutzflächen. Leithaarms im Bereich der Flur „Leithaluß“, sodass Hier überwiegt intensiv genutztes Agrarland mit Röhrichtflächen und Hochstaudenfluren zusammen dominierendem Anbau von Mais und Zuckerrüben, maximal 5 % der Untersuchungsfläche einnehmen. in einigen Bereichen wurden auch größere Flächen In den Jahren 2007-2009 gab es in der Leithaniede- stilllgelegt. Wälder, Windschutzstreifen, kleinere rung drei Frühjahre mit niederschlagsbedingt höhe- Baumgruppen und Gebüschbestände nehmen ren Wasserständen, verbunden mit ausgedehnten insgesamt 8,49 km² des Untersuchungsgebiets ein. überschwemmten Flächen entlang von Leitha und Das in dieser Arbeit so genannte „Wiesengebiet“ Kleiner Leitha. Zusätzlich gab es in diesen Jahren umfasst insgesamt 6,84 km² im Bereich der Fluren mehrere Hochwässer mit einer Auftrittswahrschein- Rohrluß, Mitterluß und Leithaluß in den Gemeinden lichkeit von HQ30-HQ100, diese führten im Nahbe- Gattendorf und Zurndorf (Abb. 2). Hier befinden sich reich der Fließgewässer in Verbindung mit den noch größere Anteile an ursprünglichen Feuchtwie- hohen Grundwasserständen zu länger andauernden sen, deren Ausdehnung Mitte der 1990er Jahre auf Überschwemmungen. 80-100 ha geschätzt wurde (DVORAK et al. 1996). In Im Jahr 2009 waren im Frühjahr bis EndeApril/ den Jahren seit dem Beitritt zur Europäischen Union Anfang Mai ca. 200 ha an Ackerflächen (v. a. Mais) sind große Teile dieses Gebiets als ÖPUL- im Gemeindegebiet von Nickelsdorf in den Fluren, Projektflächen beantragt worden. Kleebühl, Hofluß, zwischen Komitatskanal und Die bereits vorhandenen Wiesenflächen werden Leitha, im Bereich der Mündung der Kleinen Leitha hier überwiegend unter dem ÖPUL-Programm „WF“ in die Leitha sowie im Südteil der Bühl überflutet. 4 ©BirdLife Österreich, download unter www.biologiezentrum.at Vogelkundliche Nachrichten aus Ostösterreich 22: 1-2/2011 Ungeführt 150 ha standen im zentralen Wiesenge- wurden nach Abschluss der Kartierungssaison mit biet unter Wasser und im Bereich der Gemeinde dem GIS-Programm ArcView 3.1 digital erfasst und Pama standen ebenfalls ca. 50 ha an punktgenau verortet. In den Attributdaten finden Ackerflächen bis Ende April unter Wasser. Insge- sich Angaben zu Beobachtungsdatum, Beobach- samt waren im Frühjahr zur Zugzeit der Limikolen tungsinhalt (Verhalten, Lebensraum), BeobachterIn, ungefähr 400 ha überflutet und boten damit beste Anzahl (fallweise aufgeschlüsselt nach Geschlecht Bedingungen für Feuchtgebiets-Vogelarten. und Alter) sowie Referenzen zu den Originalauf- zeichnungen. Am 29.4.2009 wurde von R. Klein und E. Nemeth eine Befliegung durchgeführt, bei der sämtliche Material und Methode vorhandenen Wasserflächen fotografiert wurden; Insgesamt liegen aus dem Zeitraum 1967-2010 diese Bilder dienten als Grundlage für die Kalkulati- 1.931 Beobachtungsdaten vor, die an 312 Beobach- on der Flächenausdehnung der Überschwemmun- tungstagen gesammelt wurden. Die Anzahl der gen im Frühjahr 2009. Tage an denen Exkursionen (nur solche an denen Die Erfassung der in Wiesen brütenden Limikolen Beobachtungen von Limikolen gemeldet wurden) (Brachvogel, Uferschnepfe, Rotschenkel, Bekassi- durchgeführt wurden, blieb bis zum Beginn der ne) sowie der hier rastenden Schnepfen (Bekassi- 1990er Jahre unter fünf/Jahr, nur aus 1977 (das war ne, Doppel- und Zwergschnepfe) erfolgte bis 2003 ein sehr feuchtes Jahr) liegen Daten von acht Besu- teils durch spezielle Begehungen analog zu den chen vor. Deutlich erkennbar sind die Perioden, in Wiesenlimikolenzählungen im Seewinkel, während denen das Gebiet offenbar überhaupt nicht besucht derer auffliegende Individuen (Schnepfen) und wurde wie 1971-1975 und vor allem in den Jahren warnende Altvögel (Rotschenkel, Uferschnepfe, 1985-1991. Ab 1992 stieg die Zahl der jährlichen Kiebitz) gezählt wurden. Derartige Zählungen sind Exkursionen leicht und schwankt zwischen vier und
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