Claus' Hafenreport Fischereihäfen an Nord- und Ostseeküste:

Vorgestellt von Claus Ubl

Auf diesen Hafenreport habe ich mich schon und im ehemaligen Kornspeicher, dem so lange gefreut. In vielen Häfen haben mir die genannten Packhaus, betreibt die Besitzer- Krabbenfischer erzählt, dass der schönste familie ein Café. Die grüne Windmühle hat Kutterhafen an der deutschen Nordseekü- ihren Betrieb bereits 1972 eingestellt. Heute ste, der in Greetsiel sei. Da gerade Krabben- befindet sich im Erdgeschoss eine kleine, hauptfangsaison ist, machte ich mich an gemütliche Teestube. einem schönen Sonntag im Herbst auf den Weg, denn wer will schon den schönsten Greetsiel hat einen malerischen Ortskern. Hafen ohne Krabbenkutter erleben? Direkt am Hafen in der Sielstraße fallen vor allem die beiden Häuser mit ihren nach niederländischen Vorbildern gestalteten, glockenförmigen Giebeln auf, die bereits 1741 und 1792 erbaut wurden. Der gesamte Ort lädt mit seinen kleinen Gassen und historischen Häusern zum Bummeln ein und wird vor allem vom Tourismus und der Fischerei geprägt.

Die Gemeinde Krummhörn verbucht jährlich mehr als 400.000 Übernachtungen sowie Die Zwillingsmühlen, das Wahrzeichen von rund eine Million Tagesgäste von denen Greetsiel. ein Großteil auf Greetsiel entfällt. Den Besu- Das kleine Fischerdorf Greetsiel mit seinen chern stehen mehrere Hotels sowie eine knapp 1.500 Einwohnern ist ein Ortsteil der Vielzahl von Pensionen, Ferienwohnungen Gemeinde Krummhörn im Landkreis . und Ferienhäuser zur Verfügung. Der Ort liegt an der ostfriesischen Westkü- Der Hafen ste unmittelbar an der , direkt an der Nordsee zwischen den Städten und Norden. Bereits am Ortseingang hat Geprägt wird das Bild des Ortes in erster man einen wunderschönen Anblick – zwei Linie vom über 600 Jahre alten Fischereiha- Holländerwindmühlen. Die so genannten fen, an dem ich bei meinem Hafenbesuch Zwillingswindmühlen sind das Wahrzeichen so viele Krabbenkutter liegen sehe, wie in von Greetsiel. In der roten Windmühle wird keinem anderen Hafen zuvor. auch heute noch Mehl und Schrot mit Wind- und Motorkraft hergestellt. Im Erdgeschoss Gegründet wurde der Ort von der Häupt- der Mühle befindet sich ein Mühlenladen lingsfamilie im späten 14. Jahr-

16 fischerblatt 10/2013 hundert. Erstmals urkundlich erwähnt wur- geringer Teil als Speisekrabben vermarktet. den Greetsiel und der Hafen im Jahre 1388. Der weitaus größere Teil wurde als Futter- Damals lagen Hamburger Schiffe im Hafen krabben verkauft. Diese wurde auf Darren vor Anker und hatten Zoll zu entrichten. getrocknet und vor allem als Hühnerfutter Wurde der Hafen früher in erster Linie für eingesetzt. Allmählich wuchs die Fischerei den Handel genutzt, entwickelte er sich im in Greetsiel weiter an und 1960 gab es hier 19. und 20. Jahrhundert immer mehr zum 45 Krabbenkutter. In der Folgezeit nahm Fischereihafen. ihre Zahl aus verschieden Gründen dann wieder ab. Den Großteil ihres Umsatzes Geschichte der Fischerei erzielten die Fischer mittlerweile mit der Vermarktung von Speisekrabben. Fischerei wurde im Küstenbereich vor Die Kutter … Greetsiel schon immer betrieben. Früher zu Fuß, mit dem Wattschlitten und auch mit Booten. Vor dem zwanzigsten Jahrhundert Heute ist Greetsiel mit 23 Krabbenkuttern war die Anzahl der Boote allerdings noch und zwei Muschelkuttern der Heimathafen sehr gering. So wurden im Jahre 1900 gera- der größten Kutterflotte Ostfrieslands und de mal fünf Boote und ein Segelschiff in der damit einer der größten deutschen Kutter- Fischerei verzeichnet. häfen. Schaut man ins EU-Flottenregister, dann ist die Greetsieler Flotte sogar noch Anfang des 20. Jahrhundert wuchs ihre Zahl um einiges größer. Ungefähr ein Dutzend rasch an, was vermutlich an der günstigen Fahrzeuge mit einem Greetsieler Fischerei- Lage des Ortes lag. Da durch den Ausbau kennzeichen (GRE und NG) sind ebenfalls des Emdener Hafens Fanggebiete verloren- in der Fischerei aktiv. Dabei handelt es sich gingen und es in anderen Gebieten zur Ver- überwiegend um niederländische Eigner, schlickung kam, zogen Fischer aus anderen und die Schiffe laufen nie oder nur selten Häfen nach Greetsiel. Bereits 1917 waren Greetsiel an. 17 Boote und zwei Segelschiffe in Greetsiel registriert. Die Fischerei wurde zu dieser Kaum ein Ort in Ostfriesland spiegelt die Zeit vor allem mit stationären Fanggerä- Fischereikultur so lebensnah wieder, wie ten, sogenannten Pfahlhamen, betrieben. dieses romantische Fischerdorf in der Ley- Schon damals war die Nordseekrabbe die bucht. Die Greetsieler Krabbenkutter haben Hauptzielart. Zu dieser Zeit wurde nur ein eine Länge zwischen 15 und 21 Metern und

In Greetsiel, dem schönsten Kutterhafen der deutschen Nordseeküste, liegt Ostfrieslands größte Kutterflotte.

fischerblatt 10/2013 17 sind im Schnitt 35 Jahre alt. Die Mehrzahl Leybuchthörns befinden sich ein Speicher- der Krabbenkutter befindet sich in Famili- becken und die Zufahrt von der Nordsee enbesitz. Dabei handelt es sich um Fischer- zum Greetsieler Hafen. Zwischen Hafen und familien mit langer Tradition. Dazu gehören offenem Meer befindet sich eine Schleuse. die Familien Looden, Conradi, Willems und Seit der Fertigstellung im Jahre 1991 ist der Poppinga, um nur einige zu nennen. Zwei Greetsieler Hafen tideunabhängig erreich- weitere Familien, die maßgeblich zum Auf- bar. Die Fischer müssen sich aber weiterhin bau der Fischerei in Greetsiel beigetragen nach der Tide richten. Spielt das Wetter mit, haben, von denen heute allerdings kaum geht es bei Flut raus und bei Flut kommen noch jemand fischt, sind die Oltmanns und sie wieder zurück. Siebrands. Vier Kutter gehören zur Firma de Beer. Im letzten Jahr landeten die Greet- Die Fangreisen können schon mal bis zu sieler Krabbenkutter knapp 1400 Tonnen neun Tagen dauern. Es wird bis vor der Speisekrabben an. schleswig-holsteinischen Küste gefischt. Früher ging es gleich zu Saisonbeginn mei- … und ihre Namen stens dorthin, aber in den letzten Jahren hat sich das etwas geändert. Mittlerweile kann Viele der Kutter werden hier nach Ange- man auch in den heimischen Gewässern zu hörigen benannt. Dabei fällt ein Name Beginn des Jahres brauchbare Fänge erzie- besonders auf – der des Kutters GRE 20 len, erzählt mir Gerold Conradi. „Sechs Gebrüder“. Dieser wurde nach den sechs Söhnen von Jan Looden benannt – Ubbo, Bertus, Jan, Horst, Adolf und Harm. Heute gehört er Bertus Looden, dem Sohn von Harm und Annegret Looden. Natürlich wurde auch Jan Looden, der in der Familie mit der Krabbenfischerei begonnen hat, mit einem Kutternamen verewigt. Die GRE 13 von Kapitän Johann Looden trägt die- sen Namen. Der Kutter „Eltje Looden“, der nach der Ehefrau von Jan Looden benannt wurde, fisch heute noch unter dem gleichen Gerold Conradi auf der Brücke seines Kutters. Namen als SW 1 in Wyk auf Föhr. Weitere Kutternamen ohne Anspruch auf Vollstän- In der Regel haben die Fischer eine ganz digkeit sind „Zwei Gebrüder“ von der Familie normale Arbeitswoche. Die fängt sonntags Gosselaar oder „Friedrich Conradi“, der den abends an und geht bis Freitag früh. Am Namen des Vaters von Kapitän Gerold Conra- Mittwoch wird normalerweise der Fang der di trägt, sowie „Edde“ und „Erna“. ersten Wochenhälfte in Greetsiel gelöscht. Hafen und Fischerei heute Zwei große Krabbenhändler sind in Greet- siel ansässig. Die Firma de Beer und die In den 1990er Jahren wurde das Leybucht- Firma Siebrands. Beide betreiben in Greetsiel hörn fertiggestellt. Es erstreckt sich als Land- eine Siebstation. Zudem wurde vor kurzem zunge in das Wattenmeer. Innerhalb des eine Siebanlage der Firma Rousant errichtet,

18 fischerblatt 10/2013 die wahrscheinlich in Kürze ebenfalls ihren det haben. An der Küste weiß man eben, Betrieb aufnehmen wird. dass die Lehrlinge aus Greetsiel handwerk- lich topp ausgebildet sind. Muschelfischerei Der erste Lehrling von Gerold Conradi, Jan Wenn man über den Hafen von Greetsiel Tjado Gosselaar, ist mittlerweile seit über 20 berichtet, dürfen die Muschelfischer natür- Jahren selbstständig und bildet auf seinem lich nicht fehlen. Diese wird von der Conradi Kutter, der GRE 19 „Flamingo“, inzwischen GmbH betrieben. Nicht zu jeder Zeit wurde ebenfalls Lehrlinge aus. hier die Miesmuschelfischerei betrieben. In den 1950er Jahren wurde das Geld vor Der Landkreis Aurich übernimmt die Hälfte allem mit dem Fang von Wellhornschnecken der Schulkosten, die andere Hälfte zahlen verdient. Auch die Fischerei auf Herzmu- die Ausbildungsbetriebe. Das ist ein Zuge- scheln wurde von Heinrich Conradi eine Zeit ständnis, weil es in Niedersachsen keine lang ausgeübt. Mittlerweile hat man sich Fischereischule gibt und darum nach Schles- aber auf die Miesmuschelfischerei speziali- wig-Holstein ausgewichen werden muss. siert, die seit den 1980er Jahren aufgebaut Dies wird allerdings nicht in allen Land- wurde. Seit 1992 leiten die Geschäftsführer kreisen so gehandhabt. Nachwuchssorgen Karel Jan Ijsseldijk und Leo van der Jagt die macht man sich in Greetsiel jedenfalls nicht. Firma Conradi GmbH und bewirtschaften Die letzte Darre an der deutschen Nordseeküste von Greetsiel aus Miesmuschelkulturen auf der Ems. Greetsiel hat noch weitere Alleinstellungs- Zur Firma gehören die beiden Schiffe GRE merkmale. So findet man hier im Ort die 27 „Ursula“ und GRE 115 „Charlotte“. Mit letzte noch betriebene Darre Deutschlands. 35 bzw. 45 Metern Länge sind sie deutlich Diese wurde im Jahre 1926 von Jan Looden größer als die Krabbenkutter im Hafen und gegründet. Früher gab es im Ort mehre- fallen schon deshalb sofort ins Auge. re Garnelendarren, aber mit dem bereits beschrieben Übergang von der Futter- zur Vorbildliche Nachwuchsarbeit Speisekrabbenfischerei wurden sie nach und nach stillgelegt. Seit 1995/1996 ist es Greetsiel gilt als Ausbildungshochburg. Hier die einzige Darre in Deutschland, die noch gibt es eine Reihe von Krabbenkuttern, auf in Betrieb ist. Zwei Leute halten den Betrieb denen regelmäßig Lehrlinge ausgebildet aufrecht, Harm Looden und Jan Poppinga. werden. Derzeit sind es acht Auszubilden- de. Verarbeitet werden hier Futterkrabben von 18 Greetsieler Kuttern. Hinzu kommen noch Gerold Conradi machte sich vor 28 Jah- Siebkrabben, die auf niederländischen ren selbstständig und bildet seit dieser Zeit Auktionen gekauft werden und die Sieb- auch schon Lehrlinge aus. Von ihm erfahre krabben der Greetsieler Fischereibetriebe ich, dass die Greetsieler Lehrlinge an der de Beer und Siebrands, der Norddeicher gesamten Küste einen guten Ruf haben. Firma Noormann und der Erzeugerge- Die meisten von ihnen haben bereits eine meinschaft der deutschen Krabbenfischer Anstellung, bevor sie ihre Ausbildung been- GmbH. Im Schnitt produziert die Darre 15

fischerblatt 10/2013 19 Tonnen Krabbenschrot Nach der Generalüber- im Monat. Die Saison holung erhielt er einen beginnt im Juli, denn Anstrich in den „Greet- bis 30. Juni haben die sieler Farben“ rotbraun Krabben Schonzeit. In und weiß. Auf dem Kut- dieser dürfen die Krab- ter kann man noch ori- benkutter keine Sieb- ginalgetreues Fangge- krabben anlanden. Die schirr mit alten Holzrol- Darre arbeitet dann bis len bewundern. Diese zum Ende der Fangsai- mussten sich früher bei son im Dezember. den Fangfahrten erst mit Wasser vollsaugen, Verwendet wird der bevor sie auf den Grund Krabbenschrot im sanken. Weiterhin gibt Zierfischfutter. Frü- es auf dem Oberdeck her wurde er auch an eine freie Winde, alte Hühner verfüttert, aber Krabbensiebe und seit der Änderung der Fotos (5): C. Ubl einen Kochkessel, der Richtlinie für Dioxine in Geschichte zum Anfassen: Das Museums- auch heute noch mit Futtermitteln darf der schiff "Ems" Briketts und Torf betrie- Darrenschrot nicht mehr in den Konsum- ben werden kann, um zu demonstrieren, kreislauf gelangen. wie die Krabbenverarbeitung früher an Bord vor sich ging. Betreut wird der Kutter vom Das Museumsschiff „Ems“ Hafenmeister Heinz Wolff.

Ein Krabbenkutter liegt immer im Hafen, Die Greetsieler Fischer unterstützen das auch jetzt in der Hauptfangsaison. Dabei Projekt, dessen Ziel es ist, allen Interes- handelt es sich um den Museumskutter sierten die Geschichte Greetsiels und der GRE 42 „Ems“. Der 15,5 Meter lange Kutter Krabbenfischerei näher zu bringen. Und für wurde 1968 auf der Bültjer Werft in Ditzum die Touristen liegt so immer mindestens ein gebaut und fuhr bis April 2004 als NOR 228 Krabbenkutter als Fotomotiv im wirklich „Nordstern“. Dann wurde der Kutter von wunderschönen Greetsieler Hafen. der Interessengemeinschaft zur Förderung Greetsiels und dem Fremdenverkehrsver- ein gekauft und umgetauft. Den Namen „Ems“ erhielt er zur Erinnerung an den ersten größeren Holzkutter, der ab 1928 in Greetsiel beheimatet war und „Botter Ems“ genannt wurde.

Das Vorhaben „Kommunikationskampagne zur Nachhaltigkeit und Förderung des Ansehens des Fischereisektors und seiner Erzeugnisse“ wird unter Beteiligung der Europäischen Union aus dem Europäischen Fischerei Fonds gefördert.

20 fischerblatt 10/2013