Dossier Rechtspopulismus

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Dossier Rechtspopulismus Dossier Rechtspopulismus bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 2 Einleitung Rechtspopulismus (© picture-alliance, abaca) Rechtspopulisten gehen davon aus, dass die Gesellschaft in zwei homogene Gruppen getrennt ist. Dem "reinen" Volk steht eine korrupte Elite gegenüber, amoralisch, im Kern verdorben. Die Rede vom Populisten ist momentan allgegenwärtig. Als politische Kampfvokabel dient das Wort auch der Diffamierung des Gegners. Dennoch gibt es Kriterien, mit denen die Politikwissenschaft versucht, das Phänomen des Rechtspopulismus möglichst trennscharf abzugrenzen. Die Schwarz- Weiß-Dichotomie "Volk" gegen "korrupte Elite" ist ein solches Kriterium. Andere Kriterien sind weniger deutlich, innerhalb "des Rechtspopulismus" wird auch gestritten um z.B. den richtigen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder dem Verhältnis zum Staat Israel. Das Dossier zeigt, was Rechtspopulismus ist, an welcher Sprache man Rechtspopulisten erkennt und für welche Ideen sie streiten. Marcel Lewandowsky zum Begriff Rechtspopulismus. (http://www.bpb.de/mediathek/246881/marcel-lewandowsky- zum-begriff-rechtspopulismus) bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 3 Inhaltsverzeichnis 1. Was heißt Rechtspopulismus? 5 1.1 Das Syndrom des Populismus 6 1.2 Rechtspopulismus im europäischen Vergleich – Kernelemente und Unterschiede 12 1.3 Rechtspopulismus: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien 21 1.4 Was versteht man unter "Populismus"? 35 2. Sprache, Themen und politische Agitationsformen 39 2.1 Diskussionsräume und Radikalisierungsprozesse in sozialen Medien 40 2.2 Nation – eine Begriffsbestimmung aus aktuellem Anlass 47 2.3 Fakten und Wissen in der Postmoderne 57 2.4 Zwischen Hyperkultur und Kulturessenzialismus 62 2.5 Rechtspopulistische Lexik und die Grenzen des Sagbaren 70 2.6 Der Begriff der Identität 76 2.7 Pegida – eine Protestbewegung zwischen Ängsten und Ressentiments (II) 83 2.8 Pegida – eine Protestbewegung zwischen Ängsten und Ressentiments 90 2.9 Sind sie das Volk? Pegida – die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des 99 Abendlandes 3. Rechtspopulistische Parteien und Strömungen 107 3.1 Dialog oder Ausgrenzung – Ist die AfD eine rechtsextreme Partei? 108 3.2 Die AfD: Werdegang und Wesensmerkmale einer Rechtsaußenpartei 119 3.3 Karte der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa 130 3.4 Wer wählt warum die AfD? 131 3.5 Der Front National – eine feste politische Größe in Frankreich 135 3.6 Debatte: Ist die Alternative für Deutschland eine rechtspopulistische Partei? 141 3.7 Der Aufstieg der Rechtspopulisten in den USA 145 3.8 Die Lega Nord in Italien 152 3.9 Rechtspopulismus in den Niederlanden 158 3.10 Die UKIP - Ein fruchtbarer Boden für die radikale Rechte in Großbritannien 164 3.11 FPÖ: Von der Alt-Nazi-Partei zum Prototyp des europäischen Rechtspopulismus 171 3.12 Rechtspopulismus in Polen: Kaczyńskis Kampf gegen angebliche postkommunistische Eliten 176 bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 4 3.13 Wie Marine Le Pen den Front National modernisierte 182 4. Redaktion 187 bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 5 Was heißt Rechtspopulismus? 25.1.2017 Die Rede vom Populisten ist momentan allgegenwärtig. Als politische Kampfvokabel dient das Wort auch der Diffamierung des Gegners. Dennoch gibt es Kriterien, mit denen die Politikwissenschaft versucht, das Phänomen des Rechtspopulismus möglichst trennscharf abzugrenzen. Marcel Lewandowsky zum Begriff Rechtspopulismus. (http://www.bpb.de/mediathek/246881/marcel-lewandowsky- zum-begriff-rechtspopulismus) bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 6 Das Syndrom des Populismus Von Prof. Dr. Karin Priester 16.1.2017 Prof. Dr. Karin Priester, geb. 1941, war bis 2007 Professorin für Politische Soziologie am Institut für Soziologie der Universität Münster. Im Februar 2007 wurde sie emeritiert. [email protected] Wie lässt sich das Phänomen des Populismus bestimmen? In seinen vielschichtigen Formen fällt es nämlich zunehmend schwer, einen gemeinsamer Nenner zu finden. Mit Sicherheit gibt es keine konsistente Ideologie – womit es eher ein Syndrom, als eine Doktrin wäre. Gleichzeitig lässt sich eine Ideologie des Antagonismus beobachten, die von einem 'reinen Volk' und einer 'korrupten Elite' ausgeht. Demonstration der Alternative für Deutschland gegen die deutsche Asylpolitik am 17.10.2015 in Rostock (Mecklenburg- Vorpommern). Der NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit (r) trägt das Transparent mit. (© picture-alliance/dpa) Das Ergebnis des britischen Referendums zum Austritt aus der EU (Brexit (http://www.bpb.de/ internationales/europa/brexit/)) und der Sieg des US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump haben dem Thema "Populismus" erneut Auftrieb gegeben. Der Begriff bezeichnet rechte oder linke Anti-Establishment-Parteien, die sich gegen die herrschende „Machtelite“ (C. Wright Mills) in Wirtschaft, Politik und Kultur richten[1]. Unter Populisten galt "Populismus" lange als stigmatisierende Fremdzuschreibung. Der populistische Gouverneur von Alabama, George C. Wallace, erklärte in den 1960er Jahren, der Begriff sei nur das hochgestochene Gewäsch von Pseudointellektuellen, die ihm schaden wollten[2]. Erst in jüngerer Zeit haben Linkspopulisten wie Jean-Luc Mélenchon (Vorsitzender der französischen sozialistischen Parti de Gauche) oder Pablo Iglesias (Generalsekretär der 2014 gegründeten linkspopulistischen Partei Podemos in Spanien), Beppe Grillo von der italienischen Fünf- bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 7 Sterne-Bewegung (M5S) oder der Front National das Stigma in eine positiv konnotierte Selbstbezeichnung umgekehrt: Ja, sie seien Populisten und stolz darauf. Was ist Populismus? Es gibt keine konsistente Ideologie mit unverwechselbaren Elementen, die ein kohärentes Ganzes bilden, sondern nur ein aus wenigen Kernelementen bestehendes Narrativ. Populismus, so Peter Wiles, sei ein Syndrom, keine Doktrin[3]. Da aber in der Öffentlichkeit bündige Minimaldefinitionen gefragt sind, wird die Polarisierung und Moralisierung von Politik als kleinster gemeinsamer Nenner des Phänomens bestimmt. Der niederländische Politikwissenschaftler Cas Mudde definiert Populismus als "eine Ideologie, die davon ausgeht, dass die Gesellschaft in zwei homogene, antagonistische Gruppen getrennt ist, das 'reine Volk' und die 'korrupte Elite', und die geltend macht, dass Politik ein Ausdruck der volonté générale oder des allgemeinen Volkswillens sein soll.[4]" Ähnlich auch Jan- Werner Müller (http://www.bpb.de/apuz/234701/populismus-symptom-einer-krise-der-politischen- repraesentation): "Populismus […] ist eine ganz bestimmte Politikvorstellung, laut der einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen.[5]" Populisten berufen sich aber nicht auf die 'moralische Reinheit' des Volkes, sondern auf den gesunden Menschenverstand (common sense) der "guten, anständigen, patriotischen, hart arbeitenden, gesetzestreuen Menschen" (Nigel Farage). Yves Mény und Yves Surel heben drei Kernelemente des populistischen Narrativs hervor: (a) das Volk ist die Grundlage der politischen Gemeinschaft, (b) seine Souveränität wird von einigen Akteuren oder Prozessen missachtet, (c) dies müsse angeprangert und der Platz des Volkes in der Gesellschaft wieder hergestellt werden[6]. Die Missachtung des souveränen Volkes kann von unterschiedlichen, vonseiten der Populisten identifizierten Akteuren ausgehen: vom Finanzkapital, von technokratischen Steuerungseliten, von den Parteien des Mainstream oder von sozialmoralischen Deutungseliten. Mithilfe dieser Merkmalsbestimmung lässt sich Populismus als Reaktion auf den Entzug von Souveränität verstehen. Populistische Führer sind oft Außenseiter und homines novi. Häufig kommen sie aus der Wirtschaft wie Silvio Berlusconi, der Schweizer Christoph Blocher oder die Amerikaner Henry Ross Perot und Donald Trump. Der Niederländer Pim Fortuyn war als homosexueller, katholisch sozialisierter Intellektueller gleich in dreifacher Hinsicht ein Außenseiter. Individueller Reichtum ist kein Hindernis für ihren Erfolg, zeigt er doch, dass sie weder zum politischen Establishment gehören noch sich von finanzstarken Sponsoren korrumpieren lassen. Trump machte gegenüber seiner Konkurrentin Hillary Clinton geltend, er sei nicht von Wallstreet "gekauft", sondern unabhängig und daher glaubwürdig. Der eher pseudo-populistische amerikanische Präsident Jimmy Carter, als baptistischer Südstaatenfarmer ebenfalls ein Außenseiter, wich der Frage aus, ob er ein Liberaler oder ein Konservativer sei. Er sei Populist: "Ich habe die politische Unterstützung, den Zuspruch für mich und mein Anliegen direkt vom Volk selbst hergeleitet, nicht von mächtigen Mittelsmännern (intermediaries) oder von Vertretern spezieller Interessen.[7]" bpb.de Dossier: Rechtspopulismus (Erstellt am 20.05.2021) 8 Die zwei Säulen der modernen Demokratie Angst vor Statusverlust, Zukunftsunsicherheit, die wachsende Kluft zwischen arm und reich oder Verteilungskonflikte auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt zwischen Autochthonen und Immigranten lassen sich nicht mehr als Gegensatz zwischen rechts und links abbilden, sondern erscheinen als Konflikt zwischen Volk und Eliten. Zentral zum Verständnis von Populismus ist daher die Frage nach dem Zugang zur Macht: Im Prinzip lehnen Populisten intermediäre Instanzen (vor allem Parteien und mediale Bildungseliten) zwischen dem Volk und der Macht ab, da diese den wahren Volkswillen verfälschten
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