Wilhelm Friedrich Ernst Bach Als Kammercembalist, Kapellmeister
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Kulturgeschichte Preuûens - Colloquien 6 (2018) Magdalena Strobel Wilhelm Friedrich Ernst Bach als Kammercembalist, Kapellmeister und Musiklehrer der Königinnen Friederike Luise und Luise Beleuchtung seines Wirkens innerhalb der preuûischen Hofmusik Abstract Wilhelm Friedrich Ernst Bach (1759-1845) war der letzte musikalische Vertreter der berühmten Musikfamilie und zugleich der letzte direkte männliche Nachfahre Johann Sebastian Bachs. Seine Ausbildung erhielt er unter anderem bei seinem Vater Johann Christoph Friedrich und bei seinem Onkel Johann Christian in London. Der erfolgreichen Aufführung seiner Festkantate Westphalens Freude anlässlich des Besuchs König Friedrich Wilhelms II. 1788 in Minden folgte die Berufung Wilhelm Bachs an den preuûischen Hof, wo er von 1789 bis etwa 1810 als Kapellmeister und Kammercembalist der jeweils amtierenden Königin sowie als Musiklehrer derselben und der königlichen Kinder beschäftigt war. Bachs Tätigkeit am Hof lässt sich in Ermangelung beschreibender Dokumente nur ansatzweise rekonstruieren. Ziel dieses Beitrages ist es, Erkenntnisse hierüber aus der Beleuchtung seines Werkes, seiner finanziellen Situation, seiner Beziehungen zu Musikerkollegen und seines öffentlichen Wirkens zu gewinnen. <1> Wilhelm Friedrich Ernst Bach kam am 24. Mai 1759 als zweites von neun Kindern und ältester von vier Söhnen Johann Christoph Friedrich Bachs und Lucia Elisabeth (geborene Münchhausen) zur Welt und wurde am 27.Mai 1759 auf den Namen seines Paten Graf Wilhelm Friedrich Ernst von Schaumburg-Lippe getauft. Erst kurz zuvor am 18. Februar 1759 war Johann Christoph Friedrich offiziell zum Konzertmeister der Bückeburger Hofkapelle ernannt worden. Seine Frau Lucia war als Hofsängerin tätig. <2> Wilhelm Bach erhielt eine Violin- und Klavierausbildung, in Stadthagen durch Kantor Christian Friedrich Geyer, dann durch seinen Vater. Zwischen 1778 und 1782 studierte er bei seinem Onkel Johann Christian Bach in London. Dieser führte seinen Neffen in das gesellschaftliche Leben der Stadt ein. William, wie er sich in England nannte, soll in angesehenen Familien unterrichtet und sogar teilweise die Unterrichtsstunden seines Onkels in der königlichen Familie übernommen haben.1 Sein opus 1 Six Sonates Pour le Clavecin ou Piano forte2 widmete er Friedrich August, Herzog von York und Albany, dem zweiten Sohn Georgs III. von Groûbritannien und Königin Charlottes, deren Musiklehrer Johann Christian Bach war. <3> Nach dem Tod Johann Christian Bachs am 1. Januar 1782 begab sich Wilhelm, der offenbar keine geeignete Anstellung in England finden konnte, auf Reisen, konzertierte in Paris, den Niederlanden, 1 Vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen, Jahrgang 23 (1845), Teil 2, Weimar 1847, 981±984, hier: 982. 2 Das Werk mit dem Titel SIX SONATES | Pour le | CLAVECIN ou PIANO FORTE | Accompagnées d©un VIOLON. | très humblement dediées | A. S. A. R. MONSEIGNEUR le DUC de YORK | Evèque d©Osnabrug. &c. | et Composées Par | W. BACH. | Oeuvre Premiér. [...] erschien 1786 im Verlag J. J. Hummel in Berlin. Nachgewiesene Exemplare: D-RH; CH- Gpu. Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Norddeutschland3 und hielt sich, eigenen Angaben zufolge, einige Zeit bei seinem Onkel Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg auf.4 <4> Wohl um 1784 kehrte er in die Heimat zurück, wo er im nahe gelegenen Minden als Dirigent des ©Liebhaber- Concerts© wirkte und auch eigene Werke zu Gehör brachte. Als solches erklang anlässlich des Besuchs König Friedrich Wilhelm II. am 5. Juni 1788 die Festkantate Westphalens Freude ihren vielgeliebten König Friedrich Wilhelm bey sich zu sehen5, die den Monarchen so sehr begeisterte, dass er Wilhelm Friedrich Ernst 1789 an den preuûischen Hof berief. Die Übersiedlung Bachs nach Berlin muss wohl in der zweiten Märzhälfte des Jahres 1789 stattgefunden haben.6 <5> Offensichtlich war Wilhelm Bach nicht erschöpfend über seine Anstellungsverhältnisse informiert worden, denn wie in seinem Nekrolog zu lesen ist, übernahm er "unbekannt mit den damaligen Verhältnissen des preuû. Hofes und indem er die Kapelle der Königin mit der des König für identisch hielt, das Engagement der Königin, bei welcher er, wegen Abwesenheit des Königs in Potsdam, früher zur Vorstellung gelangt war."7 <6> Wie Bach selbst in einem Brief an Wilhelm Christian Müller in Bremen (Berlin, 14. Mai 1830) schrieb, erhielt er "nach des Kapellmeisters Kalkbrenners8 Abgang den Posten als Kapellmeister der Königin Mutter9 und wurde zugleich Lehrer der regierenden Königin und sämtlicher Geschwister des Königs."10 Zu Bachs Schülern zählten demnach während seiner Dienstzeit Königin Friederike von Preuûen, Kronprinz Friedrich 3 Vgl. Neuer Nekrolog (wie Anm. 1), 982. 4 Vgl. Brief Wilhelm Friedrich Ernst Bachs an Wilhelm Christian Müller, Berlin am 14. Mai 1830, in: Biblioteka Jagiellońska, Berol. Varnhagen Sammlung 25, Bach. 5 Der Titel der autographen Partitur in A-Wn Mus. Hs. 2119 lautet: Kantate | auf | die Rückkunft des Königs | Partitur. || W Bach. Der Originaldruck, erschienen 1791 in Rinteln bei Anton Heinrich Bösendahl, trägt den vollständigen Titel Westphalens Freude | ihren vielgeliebten | König Friedrich Wilhelm | bey sich zu sehen. | Eine Cantate | in Musik gesetzt und in Minden | vor Sr. Majestät dem Könige | aufgeführt | auch | in einen Clavierauszug gebracht | von | Wilhelm Bach, | Kapellmeister in Diensten der regierenden Königin Majestät | von Preuûen; nachgewiesene Exemplare: D-Kl, GB-Lbl. 6 Vgl. Ulrich Leisinger (Hg.): Johann Christoph Friedrich Bach. Briefe und Dokumente (= Leipziger Beiträge zur Bach- Forschung 9), Hildesheim (u.a.) 2011, 237 (II:86), 239 (II:89): Aus einem am 14. März 1789 geschriebenen Brief Johann Christoph Friedrich Bachs an einen unbekannten Empfänger (J. F. Hering?) in Berlin geht hervor, dass Wilhelm Friedrich Ernst Bach bald möglichst nach Berlin kommen wird. In einem zweiten Brief vom 2. April gibt der Vater eine Empfehlung für den zum Zeitpunkt des Schreibens bereits in Berlin ansässigen Sohn. 7 Vgl. Neuer Nekrolog (wie Anm. 1), 982. 8 Christian Kalkbrenner (1766±1806) war 1787/88 zum Kapellmeister der Königin Friedrike Luise von Preuûen ernannt worden und trat 1790 die Stelle des Kapellmeisters am Hof des Prinzen Heinrich von Preuûen in Rheinsberg an. 9 Hierbei handelt es sich wohl um Königin Friederike Luise von Preuûen. 10 Brief Wilhelm Friedrich Ernst Bachs an Wilhelm Christian Müller, Berlin am 14. Mai 1830, in: Biblioteka Jagiellońska, Berol. Varnhagen Sammlung 25, Bach. Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Wilhelm III.,11 Prinz Friedrich Ludwig Karl von Preuûen, die Prinzessinnen Friederike Louise Wilhelmine und Auguste Christine Friederike von Preuûen sowie die Prinzen Friedrich Heinrich Karl und Friedrich Wilhelm Karl von Preuûen; mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. im Jahr 1797 wurde Bach Kapellmeister und Lehrer der Königin Luise von Preuûen und der königlichen Kinder.12 <7> Dass Bach die Königinwitwe Elisabeth Christine unterrichtet haben soll, wie Hannsdieter Wolfahrt angibt,13 wird von Ulrich Leisinger angezweifelt, da diese 1789 bereits fast 70 Jahre alt war.14 Dokumente, die Auskunft über konkrete Arbeitsumstände und Tätigkeitsbereiche Bachs geben, sind nicht erhalten. Einige Rückschlüsse können jedoch aus seinem Werk gezogen werden. Werkübersicht <8> Insgesamt sind 152 Werke von Wilhelm Friedrich Ernst Bach erhalten bzw. nachweisbar (14 weitere Werke mit zweifelhafter Zuschreibung), die sich wie folgt aufteilen15: <9> Clavier-Werke: 52, Incerta: 12 Davon - Sonaten: 7 - Variationen: 4 - Walzer: 7 - Märsche: 6 - Kleinere Stücke: 28 11 Ob und in welchem Umfang Kronprinz Friedrich Wilhelm III., zu Bachs Amtsantritt beinahe 19 Jahre alt, von diesem unterrichtet wurde, ist fragwürdig. 12 In Anbetracht der tatsächlichen Dienstzeit Bachs (bis etwa 1806) ist es wahrscheinlich, dass Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preuûen (ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV.), Prinz Wilhelm von Preuûen (ab 1861 König und ab 1871 Kaiser Wilhelm I.), Prinzessin Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preuûen und Prinz Friedrich Carl Alexander von Preuûen zu seinen Schülern und Schülerinnen zählten. 13 Vgl. Hannsdieter Wohlfahrt: Wilhelm Friedrich Ernst Bach (1759±1845), in: Schaumburg-lippische Mitteilungen 16 (1964), 27±32, hier: 29. 14 Vgl. Ulrich Leisinger (Hg.): Wilhelm Friedrich Ernst Bach ± Der letzte musikalische Enkel Johann Sebastian Bachs, in: Johann Christoph Friedrich Bach (1732±1795). Ein Komponist zwischen Barock und Klassik. Eine Ausstellung im Niedersächsischen Staatsarchiv in Bückeburg, Schloû vom 8. Juni bis 11. August 1995. Katalog bearbeitet von Ulrich Leisinger, Bückeburg 1995 (Veröffentlichungen der niedersächsischen Archivverwaltung. Inventare und kleinere Schriften des Staatsarchivs in Bückeburg 4), 71±82, hier 75 bzw. 82, Fuûnote 28. 15 Das thematisch-systematische Verzeichnis der musikalischen Werke Wilhelm Friedrich Ernst Bachs (BR-WFEB), bearbeitet von Magdalena Strobel,