Leichte Beute
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Sport rig. Und dieses Auftreten macht ihn in Afri- ka sympathisch – obgleich er es vielleicht übertreibt, wenn er nach der Ehrung in TENNIS Jaunde bereits davon spricht, dass „wir bei unserem Staatspräsidenten“ waren. Viel- leicht macht Schäfer, ein Schüler und Ver- Leichte Beute ehrer des Mönchengladbacher Meister- trainers Hennes Weisweiler, in Kamerun 13 Grand-Slam-Turniere hat Pete Sampras gewonnen, aber niemals nicht besonders viel richtig, ziemlich si- cher macht er jedoch ganz wenig falsch. die French Open in Paris. Er redet von Siegen als Eine Führungsrolle in seiner Mannschaft „Droge“, doch die neue Generation zollt ihm keinen Respekt mehr. kommt dabei Kapitän Rigobert Song zu, erst 25 und soeben mit dem 1. FC Köln in die Zweite Bundesliga abgestiegen. Ak- zeptiert wird Song, der 1994 bereits als 17- Jähriger an einer WM-Endrunde teilnahm, gleichwohl – auch wenn andere gerade das englische Double (wie Etame-Mayer Lau- ren mit Arsenal London) oder die franzö- sische Meisterschaft (wie Marc-Vivien Foé bei Olympique Lyon) gewonnen haben. „So einen Trainer“, schwärmt Abwehr- chef Song, „habe ich noch nicht gehabt: Er hat ein unglaubliches Gefühl für die Spie- ler – ihm entgeht nichts, dennoch drängt er sich nicht auf.“ Schäfer habe etwas Außer- gewöhnliches geschafft: „Alle freuen sich aufs Training – das hat es in unserer Na- tionalelf vorher noch nie gegeben.“ So kommt es, dass sich Kamerun zwar bereits zum fünften Mal für die Endrunde einer Fußball-WM qualifiziert hat, der westafrikanischen Equipe jedoch selten so viel zugetraut wurde wie dieses Jahr. Die- ses Team, glaubt Song, sei sogar besser als die Überraschungsmannschaft, die 1990 erst gegen England im Viertelfinale un- / AP RICHARD CARSON glücklich mit 2:3 ausschied. Song: „Die Weltstar Sampras: Seit fast 23 Monaten ohne Turniersieg Welt wird im Sommer das stärkste Kame- run aller Zeiten erleben; mit etwas Glück m Traum hat Pete Sampras die French „Dieses Jahr werde ich mich durchbeißen. werden wir Weltmeister.“ Open schon oft gewonnen. Erst neu- Ich weiß, dass ich es schaffen kann“, sagt Denn im Gegensatz zu den zerstrittenen Ilich wieder, so weiß er zu berichten: er, und dann erklärt er, warum er so denkt: „Super Eagles“ aus Nigeria etwa produ- Da habe er im Finale des Grand-Slam-Tur- „Ich bin für jeden Spieler eine Riesenge- zieren sich bei den Kamerunern kaum niers den brasilianischen Sandplatzwühler fahr.“ exaltierte Stars wie Jay-Jay Okocha oder Gustavo Kuerten zerpflügt. Ein Triumph, Seine Worte klingen seltsam überdreht. Taribo West. „Die wollen alle freiwillig im ersponnen im Bett. Da spricht einer, der sich im dunklen Wald Doppelzimmer schlafen“, staunt Schäfer Ein anderes Mal, während eines Flugs Mut macht. über so viel Teamgeist, „die putzen sogar über den Atlantik, war es sein amerikani- Denn die Zeiten, in denen Sampras ein ihre Fußballschuhe selbst.“ Zudem telefo- scher Landsmann Andre Agassi, gegen den ebenso schnelles wie kompromissloses Ten- nierten sie quer durch Europa miteinander: er in Gedanken den Matchball verwandel- nis spielte, dem keiner gewachsen war, sind „Wenn jemand irgendwelche Sorgen hat, te. Mit einem unerreichbaren Killerauf- vorbei. Die „totale Dominanz über meine ist stets ein Mitspieler zur Stelle, der sich schlag. „Ich stellte mir vor, wie ich bei der Gegner“, die er sich noch immer vorgau- kümmert.“ Siegerehrung den Pokal küsse“, sagt Sam- kelt, ist nur Erinnerung. Der alternde Und selten war wohl ein afrikanisches pras. „Es war die absolute Freude.“ Champ, der ab Pfingsten beim World Team Team derart diszipliniert. „Wenn jemand Und es wäre das passende Happy End Cup in Düsseldorf spielt, wird zunehmend zu spät zum Training kommt“, hat Schäfer für ein Tennis-Märchen. Denn Sampras ist zur traurigen Figur. beobachtet, „wird er von den anderen so- zwar der beste Spieler aller Zeiten – 13 Sampras, der sechs Jahre nacheinander fort ermahnt und aufgefordert, korrekt sein Siege in Grand Slams hat er errungen, die Saison als Nummer eins der Weltrang- Bußgeld in die Mannschaftskasse einzu- mehr als die Legenden Rod Laver und Roy liste abschloss, rutschte 2001 ans Ende der zahlen.“ Das geht so weit, dass kein Spie- Emerson. Aber Paris ist das einzige der Top Ten. Inzwischen wird er auf Rang elf ler mit dem Essen beginnt, bevor nicht der vier Top-Turniere, das er nie hat gewinnen notiert, Tendenz fallend. In seiner Karrie- Deutsche einen guten Appetit wünscht. können. Ab übernächsten Montag unter- re hat er 63 Turniere gewonnen, aber sein Schon nennen sie ihn in Kamerun bis- nimmt er den 13. Versuch: „Die French letzter Sieg liegt fast 23 Monate zurück. weilen „Papa“, und immer häufiger wird Open sind meine letzte Herausforderung.“ „Seine Zeit läuft ab“, sagt der australische vom Titel gesprochen. Ganz geheuer Sehr lässig, fast schon cool, fläzt sich Star-Trainer Bob Brett. ist das Schäfer denn doch nicht. „Wo die Sampras, 30, in der pompösen Lobby des Doch Sampras blendet die anhaltende Leidenschaft groß ist“, hat er erkannt, römischen Hilton Hotels in einem Sessel. Erfolglosigkeit aus. Den sich häufenden „kann die Stimmung schnell um- Er ist unrasiert, trägt Bermudashorts und frühen Niederlagen begegnet er, wie so schlagen.“ Thilo Thielke Badelatschen und gibt sich selbstbewusst. mancher anfänglich einer schlimmen 160 der spiegel 21/2002 Krankheit begegnet: mit einer Mischung establishment“, die neuen Platzhirsche: Safin das Herrentennis „nie so beherr- aus Verdrängung und Trotz. Als Sampras „younger, faster, stronger“. schen“ werde wie er. Anfang April im Daviscup auf schnellem Diese Typen, die sich auch auf dem Darum ging es ihm von Anfang an: als Gras, seinem Lieblingsbelag, gegen den Court wie Straßenkämpfer benehmen, ha- uneingeschränkter König der Branche zu spanischen Defensivkünstler Alex Corret- ben keine Achtung mehr vor Sampras. gelten. Sampras führt einen manischen ja verlor, brummelte er: „Es passieren eben Eher bemitleiden sie ihn. Als er zuletzt in Kampf um Anerkennung, seit ihm ein Kin- lustige Dinge im Leben.“ Miami mit 6:7, 1:6 gegen den unbekannten derarzt aus Rolling Hills bei Los Angeles Lustige Dinge? John McEnroe hat schon Chilenen Fernando Gonzales ausschied, vor beinahe 20 Jahren eingeflüstert hat, er erlebt, was Sampras gerade durchmacht: fand Hewitt das „einfach nur traurig“. müsse der größte Spieler überhaupt wer- dass Siege nicht auf ewig selbstverständlich „Es hat an Reiz verloren, gegen ihn zu den. Pete Fischer, der Sampras zu trainie- sind, weil Genialität im Sport ein vergäng- spielen“, sagt der deutsche Daviscup- ren begann, als der sieben war, sagte auch: Akteur David Prinosil. „Seine „Wenn dein Ruf makellos sein soll, musst Aura, mit der er früher Matches du die French Open gewinnen.“ 1994 97 Traum von den gewonnen hat, bevor auch nur ein Heute ist Sampras deshalb der Meinung, Australian Punkt gespielt war, ist verschwun- dass „mein Lebenswerk unvollendet“ Open French Open den.“ Sampras, meint Prinosil, bleibt, wenn er die Coupe des Mousque- Die Grand-Slam-Siege habe jetzt „bei jedem Turnier“ taires nicht erobert. French beste Platzierung: des Pete Sampras Probleme. Selbst in Wimbledon, Angetrieben von dieser absurden Vor- Open Halbfinale 1996 wo er siebenmal erfolgreich war, stellung, hat Sampras im Februar einen 1993 94 95 97 98 99 2000 bestehe für ihn nur dann eine neuen Coach engagiert: den Spanier José Wimbledon Chance, „wenn alles passt“. Higueras, 49, schon als Weltklasseprofi Die Aussicht darauf scheint mi- ein ausgewiesener Experte für das Ge- 1990 93 95 96 nimal. Das Tennisspiel hat sich in duldsspiel auf roter Asche. Unter seiner US Open den letzten Jahren weiterent- Führung gewannen Jim Courier und Mi- wickelt, Sampras jedoch nicht. chael Chang in Paris. „Er ist bekannt Coach Bob Brett hält die Spielwei- dafür, das Beste aus einem Spieler her- se des Amerikaners für antiquiert. auszuholen“, sagt Sampras. „Er verströmt liches Gut ist. „Die Magie seines Spiels ist Es reiche heutzutage nicht mehr, nur „mit positive Energie.“ nicht mehr da“, sagt der Altmeister. „Die Urgewalt“ auf den Ball zu prügeln. Sam- Als erste Amtshandlung hat Higueras jüngeren Leute haben endgültig den Re- pras, der mit 14 vom Grundlinien- zum den Trainingsplan seines Schützlings geän- spekt vor ihm verloren.“ Serve-and-Volley-Spieler umgeschult wur- dert. Früher arbeitete Sampras viel abseits Tatsächlich ging Sampras zuletzt auffäl- de, nutze Länge und Breite des Platzes des Platzes: Kniebeugen mit Gewichten auf lig oft gegen die Stars der neuen Genera- nicht aus. Und sein Slice sei harmloser als den Schultern, Sprints die Treppenstufen tion als Verlierer vom Platz. Vor allem in der von Steffi Graf: „Sein Skalp ist eine eines Footballstadions hinauf, Medizin- den Grand-Slam-Turnieren, bei denen er vergleichsweise leichte Beute geworden.“ ballweitwurf. Neuerdings aber steht er län- sich früher zu konzentrieren vermochte Der Amerikaner Paul Annacone, ein ger auf dem Court. In turnierfreien Wo- wie kein Zweiter: In Wimbledon unterlag ehemaliger Profi, der Sampras sieben Jah- chen täglich „drei intensive Stunden, so er dem zehn Jahre jüngeren Roger Federer. re lang trainierte, sagt: „Pete muss kreati- viel wie nie zuvor“, sagt Sampras. Und Der Russe Marat Safin nahm ihn vor zwei ver agieren, wenn er mithalten will.“ nach einem Match verordnet ihm Higueras Jahren im Finale in New York und bei den Mit dem Gescholtenen über seinen Sink- schon mal eine Sonderschicht, wenn er den letzten Australian Open auseinander. Vo- flug zu diskutieren ist ein schwieriges Ge- Ball nicht sauber getroffen hat. rigen September wurde er in Flushing Mea- schäft. Unangenehme Fakten ignoriert er Aber auf lange Ballwechsel, bei denen er dows ebenfalls im Endspiel vom Austra- oder wischt sie gleichgültig beiseite: „Mir bis zur Erschöpfung von einem Ende des lier Lleyton Hewitt demontiert. doch egal.“ Dabei bleibt sein Gesichtsaus- Platzes zum anderen rennen muss, lässt Siege aber sind für Sampras „eine Dro- druck unverändert und die Stimmlage mo- sich Sampras immer noch nicht ein. Es ent- ge“, und an Entzug mag er nicht denken. noton – als ob er, wie auf dem Tennisplatz, spricht nicht seinem Naturell.