DEUTSCHE BAUZEITUNG 60. JAHRGANG * Nr. 13 * BERLIN, DEN 13. FE BR U A R 1926 STADT UND SIEDLUNG BEBAUUNGSPLAN, VERKEHRSWESEN U. VERSORGUNGS-ANLAGEN SCHRIFTLEITUNG: REG.-BAUMEISTER a. D. FRITZ EISELEN

Alle Rechte Vorbehalten. — Für nicht verlangte Beiträge keine Gewähr.

Erweiterung der Stadt Mailand. ie Mailänder Stadtverwaltung steht vor während die Einwohnerzahl von 742 000 auf rund 850 000 einer höchst bedeutungsvollen, städtebau­ anstieg. In unserer Abbildung ist die 3800 lia große über­ lichen Aufgabe. Vor zwei Jahren sind 32 baute Stadtfläche durch Schraffierung, die bisherige Vororte der Stadtgemeinde einverleibt Grenze der Stadtgemeinde durch eine punktierte Linie ge­ worden, deren Weichbild dadurch von kennzeichnet, während die neue Gemeindegrenze durch die 7600 ha auf 18 500 ha angewachsen ist, schwarze Umrahmung dargestellt wird. Von den unter dei

Plan für die Eingemeindung von Vororten in die Stadt Mailand.

1. . 2. . 3. . 4. . 5. . 6. Villa Pizzone. 7. Boldinasco. 8. . 9. . 10. . 11. Baggio. 12. Quarto CagniDO. 13. S e lla nuova. 14. . 15. . 16. A ffo ri. 17. . 18 . 19. Bico cca. 20. Prato- centenaro. 21. . 22. Villaggio G iorn. 23. G orla. 24. . 25. . 26. Cascina Gobba. 27. Cim iano. 28. Lam brate. 29. O rtica. 30. . 31. . 32. C h iaravalle. Überbaute Stadtfläche schraffiert; bisher. Grenze der Stadtgem. punktierte Linien; innere schwarze Linie zeigt Lage der ehem. spanischen Stadtmauer; innere unterbrochene Linie Verlauf des alten Stadtgrabens; Mittelpunkt der Stadt der Doraplatz.

Stadt und Siedlung Nr. 4. 25 Abbildung genannten, auf 11 Gemeinden verteilten, 32 Vor­ eigneter Straßenverbindung zu allen Bahnhöfen ist eine orten haben die kleinsten (Roserio, Vialba, Cascinagobba) wichtige Aufgabe der Stadtplanung. Außerdem handelt es ie 400 bis 600, die größten (Niguarda, Crescenzago, Dergano sich um den Ausbau zahlreicher kommunaler Kleinbahn­ (ie 6 000 bis 10 000) Einwohner; die dunklen Kreistiachen linien. und ferner schweben die Vorbereitungen zu einem sollen die Bewohnerzahl annähernd maßstäblich veran­ Netze städtischer Untergrundbahnen. schaulichen. Es handelt sich nun darum, für die noch un­ Die Trennung der Vororte führt zwangläufig zur Ver­ bebauten Teile der bisherigen Stadtfläche, in Verbindung teilung reichlicher Grünflächen, die so weit als tunlich in mit der Erweiterungszone einen allgemeinen Bebauungs­ den Stadtkörper eindringen und für die Anordnung von plan aufzustellen, der nach Ausdehnung und Inhalt allen Freipiätzen und baulichen Anlagen zu Sportzwecken aus­ berechtigten Forderungen des Verkehrsader Gesundheit, reichende Gelegenheit bieten sollen. Etwas gewagt dürfte der Schönheit und Denkmalpflege, der Wirtschaft und des die Absicht erscheinen, gewisse Teile der dauernden Frei­ Wohnungswesens, des letzteren namentlich in sozialer Be­ flächen als Rieselfelder zur Reinigung und Verwertung von ziehung, so weit als möglich entspricht. Angesichts dieser Brauchwässern zu benutzen, die durch die Stadtkanalisation verantwortungsvollen Aufgabe hat die Stadtverwaltung herangeleitet werden. Ungeteilten Beifall aber verdienen nicht etwa ihr Bauamt mit der sofortigen Aufstellung eines die wohlüberlegten Bestrebungen, nicht blos viele Bauten Entwurfes beantragt, sondern vorab einen aus acht von Denkmalswert, sondern ebenso zahlreiche Natur- Ingenieuren und Architekten bestehenden Fachausschuß schönheiten im städt. Außengelände würdig zu erhalten. eingesetzt, der unter Mitwirkung der städtischen Bau­ Sodann aber weiden die Fragen der Bauordnung und beamten Albertini, Cattanco, Ferrini und Pigorini die ein­ der Baustaffelung einer eingehenden Prüfung unterzogen. schlägigen Fragen studieren und das Programm der Es sind deutsche und amerikanische Vorbilder, die dem Planungsarbeiten gutachtlich festlegen soll. Schriftführer Verfasser vorschweben, wenn er die in Italien noch wenig des Ausschusses ist Prof. Dr. A. Visconti, Vorsitzender der angewandte „specializzazione edilizia delle zone“ empfiehlt als Fachmann anerkannte Beigeordnete Ingenieur Prof. und mit dem englischen Wort „zoning“ bezeichnet. In CesareChiodi. Einer vom letzteren verfaßten, auf die erster Linie sollen die Industriebauten ausgesondert und Arbeiten des Ausschusses sich stützenden Denkschrift1) ent­ auf passende Gelände an Güterbahnen und Wasserwegen nehmen wir die folgenden Mitteilungen: verwiesen werden. Dann handelt es sich um Kleinhäuser Die erste unter den behandelten Fragen ist: Soll die für Arbeiter und Angestellte in der Nähe der Arbeitsstätten Stadterweiterung auch in Zukunft „monozentrisch“ oder oder in guter Verbindung mit ihnen, ferner um mehrge­ aber „polizentrisch“ erfolgen? Mit anderen Worten: Soll schossige Miethäuser für Klein- und Mittelwohnungen, um das bisherige einheitlich zusammenhängende Wachstum der Gebäude für die Kleingewerbe, um Miethäuser für Wohl­ Stadt sich in gleicher Weise fortsetzen oder sollen im habende und um Eigenhäuser in geschlossener und in Außengelände Nebenzentren in Form abgesonderter offener Bauweise. Bisher sind die Industrie -und Klein- „Trabantenstädte“ gebildet werden? Bisher hat die Stadt gewevbebauten höchst ungeregelt im Inneren oder an den sich ringförmig entwickelt, wie es deutlich in den drei Rändern der überbauten Stadtfläche zerstreut, und auch für Straßengürteln sich ausdrückt, die mit etwa zwei, drei und die anderen Gebäudeaiten fehlt eine geordnete Verteilang. 5,5 km Durchmesser die innere Stadt umziehen, sowie in Es würde zu weit führen, hier auf die in der Denkschrift den Radialstraßen, die vom Domplatze in Richtung der dargeiegten Gesichstpunkte, namentlich für den, wie aus Stadttore ausgehen und von dort, d. h. von der dem 16ten unserer Abbildung hervorgeht, besonders die bauliche Ent­ Jahrhundert entstammenden spanischen Umwallungslinie, wickelung anziehenden Norden des Erweiterungsgebietes zumeist die bestehenden Provinzialstraßen in sich auf­ näher einzugehen. nehmend, das Außengelände aufteilen. Die Denkschrift Schließlich behandelt die Denkschrift die neueren empfiehlt, diese den Verkehr des Stadtkerns überlastende Methoden der Geländeaufnahme, wozu auch das photo­ und die zweckmäßige Verteilung sowohl der Bevölkerung graphische Flugbild gehört, und geht dann zu der Frage als der Industrie erschwerende Stadterweiterungsart zu über, wie weit der nun aufzustellende Bebauungsplan aus­ verlassen, das geschlossene Wachstum des Stadtkörpers be­ gedehnt werden soll. Die durchschnittliche Wohndichte stimmt zu umgrenzen und einzelne vorhandene und neue Mailands beträgt innerhalb der mittelalterlichen Grabenlinie Vororte als Satelliten mit möglichst selbständigem gewerb­ 337, auf der überbauten Stadtfläche 196, innerhalb der alten lichen und geselligen Leben derart zu entwickeln, daß sie von Stadtgrenze 98, innerhalb der neuen Gemeindegrenze 46 einem dauernd zu erhaltenden Freiflächengürtel umgeben Köpfe auf 1 ka. Die Einwohnerzahl der Stadt hat sich in und sowohl unter sich als mit der Zentralstadt durch wenige den 60 Jahren von 1861 bis 1921 von rund 243 000 auf rund Hauptverkehrsstraßen zweckmäßig verbunden werden.2) 719 000 vermehrt, sich also fast verdreifacht. Ein gleicher Was diese Hauptverkehrstraßen betrifft, so Vorgang während der nächsten sechzig Jahre würde die ist das bisherige regelmäßige Netz der Radial- und Ring­ Steigerung der Bewohnerzahl auf mehr als 2 Millionen zur straßen im Außengelände zu verlassen und durch ein nach I olge haben. Diese Entwicklung wird in einem Lande, von örtlichen Bedürfnisse wohldurchdachtes System von nicht der Größe Italiens, das jetzt schon 18 Städte von mehr als zu zahlreichen, aber ausreichend breiten Hauptlinien, zu er­ 100 000 Einwohnern besitzt, für höchst unwahrscheinlich ge­ setzen. Dabei sind die bisherigen Provinzialstraßen, weil sie halten; und doch würde sie bei gleicher Wohndichte, die vom Anbau eingeengt sind, möglichst wenig in Anspruch auf der bisher überbauten Fläche, das erweiterte Stadt- zu nehmen. Dazu aber kommt die wachsende Notwendig­ gebiet bei weitem nicht in Anspruch nehmen. Man kann keit selbständiger, nicht zum Anbau dienender A ut o - daraus den Schluß ziehen, daß einesteils gegen eine lockere Straßen. Eine solche Straße, die vorn Nordwesten der Besiealung der Außengelände unter Anordnung reichlicher Stadt ausgeht und nach Gallarate, dem Corner See und dem Freiflächen keine Bedenken vorliegen und andemteils der Lago Maggiore führt, ist in Ausführung und Benutzung ge­ aufzustellende Bebauungsplan, abgesehen von den großen nommen; aber es leidet keinen Zweifel, daß eine nahe Zu­ Verkehrslinien, sich nicht auf das gesamte neue Stadtgebiet kunft Verkehrsmittel dieser Art in beträchtlicher Zahl zu beziehen braucht, sondern die den Volkszuwachs fordern und daß es eine städtebauliche Aufgabe ersten weniger anziehenden südlichen und westlichen Gelände nur Ranges sein wird, sie in das äußere Weichbild der Stadt teilweise zu behandeln braucht. Die Denkschrift zieht störungsfrei einzuführen und sie nach den Industrievierteln, diesen Schluß zwar nicht ausdrücklich, sucht aber an einem den Sportanlagen und dem Stadtinnern sachgemäß zu ver­ sehr lehrreichen Vergleich mit den Stadtplänen von teilen. Dazu kommen Schiffahrtwege und Eisenbahnen. München, Wien, Brüssel, Madrid und Paris (über welche die Inbetreff der Fernbahnen ist Mailand in der Umnßlinien Mailands gezeichnet sind) darzulegen, wie un­ glücklichen Lage, daß eine umfassende Umgestaltung der gewöhnlich beschränkt der Stadtkern Mailands ist und wie Staatsbahnen bereits beschlossen ist. Der heute bestehende stark deshalb die Verkehrsüberhäufung dieses einen Hauptbahnhof im Nordosten der Stadt wird zurück­ Zentrums sich gestalten würde, wenn nicht für eine Dezen­ geschoben, außer ihm werden zwei neue Kopfbahnhöfe im tralisation mehr als bisher planmäßig gesorgt werde. Die Nordwesten im Abstande von 1 km urid ¡m Südwesten in Entwicklung der Verkehrsmittel kommt dieser Bestrebung der Entfernung von 2 km Vom Domplatz angelegt werden. entgegen, und die wiederholt zu empfehlende Schaffung Eine Hochbahn in 5 km Abstand vom genannten Stadt­ von möglichst selbständigen Nebenzentren in Gestalt von mittelpunkte soll die drei Personenbahnhöfe verbinden 1 rabantenstädten fördert hiernach auch die Belange der während die bisherige größtenteils in der Straßengleiche Innenstadt. — liegende Ringlinie verschwindet. Auch die Güterbahnhöfe Es ist erfreulich zu sehen, wie die anerkannten städte­ erfahren zeitgemäße Verbesserungen. Die Schaffung ge- baulichen Anschauungen und Forderungen der Gegenwart, 1) C. Chodi. Come viene impostato della cittä di Milanolo Studio die zumeist deutschen, zum Teil englischen Ursprungs sind, del suo nuovo piano di ampliamento. Milano, Stabilimento tipo-litoirrafico auch in Italien entschieden Boden gefaßt haben und auf Stuccbi Ceretti, Via S. Damiano 16; 1925. Ein anderes Werk desselben Verfassers nennt sich: C. Chiodi Per io Studio del piano di ampliamento Verwirklichung drängen. Die Mailander Stadtverwaltung della citta. Mailand, Oktober 1924. — scheint in Bälde einen öffentlichen Planwettbewerb aus­ 2) Vergl. J. Sttibben, Städtebauliche Verteilnng nach 11 Unwin’H schreiben zu wollen, der hoffentlich nicht auf italienische „Distribution“. Zentralblatt der Bauverwaltung 1921, Nr. 41. — Teilnehmer beschränkt werden wird. — — J. Stiibben. — 26 Nr. 4. Die Stadt Breslau und die Eingemeindung ihres Erweiterungsgebietes. Vom Stadtbaudirektor Behrendt, Breslau. rühjahr 1925 hat der Landkreis Breslau in bedürfnis der Stadt, deren Entwicklung die gegenwärtigen Denkschrift1) darzutun versucht, daß die Weichbildgrenzen in Wahrheit längst überschritten hat, städtebaulichen Anschauungen und Pläne, wie deren wichtigste Glieder, die Grundwasserversorgungs- und er sie vertreten und zur Durchführung bringen Entwässerungsanlagen, Häfen, Parkwälder, Erholungsgrün­ wolle, die Eingemeindungspolitik der Stadt flächen, Verschiebebahnhöfe usw. schon außerhalb des Breslau im wesentlichen überflüssig mache. Stadtgebietes ihren Platz finden mußten, kann nur mit Er­ Zu diesen Ausführungen hat nun im Herbst v. J. der weiterungsmethoden Rechnung getragen werden!, die in Magistrat in einer unter Beigabe umfangreichen Materials anderen Städten längst zur Anwendung gelangt, sich von bearbeiteten Gegendenkschrift Stellung genommen2). dem früher in Breslau üblichen Verfahren schrittweiser Ein­ Ein einleitender Überblick über die bisherige Entwick­ gemeindung grundsätzlich unterscheiden. lung schildert die unerträgliche Bevölkerungsdichte, die sich Man hat geglaubt, durch eine ablehnende Haltung infolge der Enge des Weichbildes herausgebildet hat. Die gegenüber Eingemeindungsansprüchen die dem allgemeinen Einwohnerzahl ist auf 575 000 Köpfe angewachsen. Zu Volkswohl vermeintlich abträgliche Großstadtentwicklung dieser Zahl steht der — wenn es nicht so ernst wäre, möchte hemmen zu können, was man erstrebte. Die naturwidrige man sagen lächerlich geringe •— Umfang des Stadtgebietes Einengung war auch in Breslau mitschuldig daran, daß die mit nur 4920 ha in krassem Mißverhältnis. Der Vergleich Stadt in die Höhe statt in die Breite gewachsen ist. mit Frankfurt a. M. und Köln zeigt deutlich, wie weit Die neuzeitliche Auffassung hat anerkannt, daß man den Breslau hinter normalen Verhältnissen zurückgeblieben ist. Städten große Flächen geben muß und daß sie ihnen früh­ Vgl. Abb. 1 bis 3, S. 28. Die Zahl der Einwohner, die in zeitig zur Verfügung gestellt werden müssen, ehe eine plan­ Breslau auf 1ha des Gesamtstadtgebietes entfallen, über­ lose Entwicklung planvolle Gestaltung unmöglich macht. trifft mit 116 Einwohnern den Durchschnitt von 45 auf­ An Stelle willkürlicher politischer Grenzen müssen die geführten anderen deutschen Großstädten um nicht weniger natürlichen Grenzen treten, die durch einen „wirtschaft­ als das Dreifache. Bezogen auf die bebaute Fläche des lichen“ Nutzungsplan bestimmt sind. Stadtgebietes ergeben sich in Breslau 381 Einwohner Um Unterlagen für diese Grenzführung und für die gegenüber 219 als Durchschnittszahl der 45 Großstädte. Auseinandersetzung mit dem Landkreis Breslau zu erlangen, Betrachtet man die einzelnen Stadtviertel, so hat die Stadt in Gemeinschaft mit diesem im Jahre 1922 ergeben sich dort noch viel ungünstigere Verhältnisse, z. B. einen allgemeinen Wettbewerb (vgl. „Deutsche Bauztg.“ in der Nikolai-Vorstadt bis 1022 Einwohner auf 1 ha, in der 1922, S. 242 ff.) veranstaltet, der das gewünschte Ergebnis Oder- bzw. Scheitniger-Vorstadt 808 bzw. 869. Das sind gezeitigt hat. Durch ein ausführliches Gutachten des Preis­ Zahlen aus dem Jahre 1910, die sich noch verschlimmert gerichts, dem die bedeutendsten Fachmänner Deutschlands haben. angehörten, wurde aus der Fülle von Anregungen eine Die Ursache dieser übermäßigen Zusammendrängung Reihe von Plangedanken ausgesondert, deren weitere Ver­ ist darin zu suchen, daß der überwiegende Teil des bebauten arbeitung zu dem nunmehr vorgelegten Plan der Stadt Stadtgebietes mit vier- und fünfgeschossigen Wohngebäuden führte (vgl. den Plan Abb. 6, S. 29). bei nur 50 bis 25 v. H. Freifläche bedeckt ist (vgl. Abb. 4, Dieser Plan sieht nicht nur die Unterbringung des vor­ S. 28). Diese übertriebene Ausnutzung ist u. a. eine Folge aussichtlichen Bevölkerungszuwachses vor, mit dem für der Grund- und Bodenpreise, die sich infolge der unzu­ einen absehbaren Zeitraum gerechnet werden muß (Nach reichenden Eingemeindungen auf ungesunder Höhe gehalten den Ermittlungen der Denkschrift 350 000 Köpfe.), sondern haben. berücksichtigt auch die Notwendigkeit der Aussiedelung Die übertriebene Bevölkerungsdichte und die verhältnis­ von 145 000 Enwohnern aus den übervölkerten Quartieren mäßig geringe Entwicklung der Vororte geht aus Abb. 5, der bisher bebauten Stadtteile und der Gesobäftsstadt, aus S. 28 hervor, in der die Bevölkerungsbewegung und -dichte der sie mit der fortschreitenden Entwicklung werden weichen in den Vororten der nächsten Breslauer Ümgebung iq den müssen. Sie sollen in allmählicher Abstufung der Wohn­ Jahren 1871 bis 1910 dargestellt sind. dichte in aufgelockerten, von Grün umgebenen Bezirken in Mängel des Wohnwesens, wie sie sich in kaum einer der Hauptsache in Flachbauten untergebraoht werden. anderen deutschen Stadt in diesem Umfange zeigen, er­ Die zukünftigen Sammelpunkte des Wasser- und Eisen­ geben sich aus dieser unerhörten Zusammendrängung der bahnverkehrs bilden die natürlichen Ansatzstellen der Be­ Bevölkerung. Die Folge sind neben den sozialen Schäden siedlung, die so ins Land gebettet wird, daß Äcker und hohe Sterblichkeitsziffem und eine erschreckende Aus­ Wiesen nicht verdrängt werden. Mit dieser Auffassung der breitung der Tuberkulose. Nicht weniger als 130 000 Bres­ Siedlungsaufgabe wird das Großstadtproblem zu einer lauer Bürger sind als so mangelhaft untergebracht anzu­ Flächenfrage. Der Umfang der zukünftigen Großsiedlung sehen, daß ihre Umsiedlung in gesundheitlich einwandfreie kann nicht mehr mit den Maßen der früher üblichen Er­ und normal zu belegende Quartiere als dringendste Aufgabe weiterungsmethoden gemessen werden. Nicht weniger als der nächsten Jahrzehnte gelten muß. 27 300 ha —• das heißt etwa das 5,5fache des jetzigen Stadt­ Betrachtet man den Plan von Breslau innerhalb der gebietes — sollen nach den städtischen Plänen das zu­ jetzigen Weichbildgrenzen von 4920ha, so entfallen auf die künftige Breslauer Weichbild umfassen. Davon sind als verschiedenen Zwecke jetzt bzw. werden noch nötig: Bauland vorgesehen 6200ha, als Gebiet für Handel und Gewerbe, für Eisenbahnanlagen, sowie für Straßen und ha v. H. 1. Vorhandene Grünflächen (öffentliche Plätze rund 3100 ha, für öffentl. Grünflächen und Kleingärten Park- und Gartenanlagen, Sport- und Spielplätze, rd. 1500 ha, für Nutzgrün einschl. der Rieselfelder, Dauerschrebergärten, Begräbnisplätze .... 580 11,8 Niederungsgebiete, Gewässer, Waldungen usw. rd. 15 500 ha. 2. Noch zu schaffende Grünflächen Der Berechnung des erforderlichen Baulandes sind da­ innerhalb des Weichbildes zur Deckung des Be­ bei drei typische Wohnformen (die natürlich später noch darfes für die jetzige Bevölkerung und für die weiter spezialisiert werden müssen) zugrunde gelegt: Wohn- noch auszubauenden Stadtviertel...... 257 5,2 3. Vorhandenes Industriegebiet . . 291 5,9 form I für die entfernt liegenden Außenbezirke (in der 4. Noch erforderliches Industriege­ Hauptsache für die mit Gewerbegebieten verbundenen biet,, vorgesehen für die Neuanlage von Wohnbezirke) einstöckige Familienhäuser (u. Umst. mit aus­ I n d u s t r i e n ...... 110 2,2 gebautem Dachgeschoß) mit Stallungen und größeren 5. Vorhandene Wasserflächen. . . . 314 6,4 Gärten mit rd. 40 Einwohnern je 1 ha Nettobauland; Wohn- 6 . Größe des Überschwemmungsge­ fcrm II mit zweigeschossigen Ein- und Mehrfamilienhäusern bietes 153 3,1 mit Gartenland für den überwiegenden Teil des Er­ 7. Größe der von Eisenbahnen be­ legten Flächen 319 6,5 weiterungsgebietes mit rd. 125 Einwohnern auf 1 ha Netto­ 8 . Bebaute Wohngebiete einschl. Flächen bauland; Wohnform III zur Ausfüllung der Baulücken im der Straße, Plätze, Wege 2195 44,7 inneren Stadtgebiet und zum Übergang zur niedrigen Be­ 9. Unbebautes Gelände: *) Anmerkung der Schriftleitung. Vergl. die Besprechung in a) Wegen tiefer Lage und hohen Grundwasser­ „Deutsche Bauzeitim g“, Stadt und Siedlung, Jah rg. 1925, N r. 19, S. 152. — standes als Siedlungsgelände ungeeignet . . 112 2,2 2) Denkschrift des Magistrats vom Oktober 1925. Verfaßt von Stadtrat b) G elän d e im I n d u s t r i e s c h a t t e n ...... 51 1,0 D r. Fuchs u. Stadtbaudir. Behrendt. 40, 69 S., Text mit zahlreichen Abb. c) Baulücken 39 0,9 Der Text der Denkschrift gliedert sich in 5 Abschnitte: 1. Die bis­ herige Entwicklung, Bevölkerungsdichte und Weichbildgrenze*, 2 Der d) Reines Bauland ...... 499 10,2 Flächenbedarf der Stadterweiterung als Grundlage für die Vergrößerung Summa 4920 100 des Stadtgebietes; 3. Die Gegenvorschläge des Landkreises und ihre Un­ durchführbarkeit; Die Einheitsgemeinde als allein möglicher Träger der An reinem Bauland sind also nur noch 499 ha verfügbar. Stadterweiterung; 5. Anhang, enthaltend Aufsätze von Dr. Schmidt. Die früheren Eingemeindungen (vgl. Abb. 7, S. 29), die Essen, Dr. Schumacher, Hamburg; eine Kritik der Denkschrift des Landkreises von Stadtbaurat W olf, Dresden, (aus Dtsch. Bztg.); Stellung­ immer zu spät und in ungenügendem Umfange erfolgt sind, nahme des Bezirks Schlesien des B. D A. zum Problem „Groß-Breslau“ • haben dem Übel nicht abhelfen können. Dem Ausdehnungs­ Berechnungen und Zusammenstellung von statistischem Material. —

13. Februar 1926. 27 bauung, dreigeschossige Mittelhäuser mit rd. 300 Ein­ Vielmehr wäre für die spätere Entwicklung eine Er­ wohnern auf 1 ha Nettobauland. weiterung mit sogenannten „Trabanten“ ins Auge zu Die Bedeutung der neuen Planung für die Gesundung fassen, die, als selbständige Gemeinwesen, in Abstanden des Wohnwesens wird durch ihre Weiträumigkeit gekenn­ bis zu 30 km entstehen sollen. . zeichnet. Und doch hält sich dieser Anspruch auf Er­ Die Denkschrift des Magistrats erbringt demgegenüber weiterung des Stadtgebiets immer noch in bescheidenen den Nachweis, daß die für die kommenden 30 v9r_ Grenzen! Denn es werden damit nur die gleichen Ver­ geschlagene Zwischenlösung versagt. Die vojm Landkreise hältnisse erzielt, deren sich die Mehrheit der deutschen vorgesehene Bevölkerungsdichte von 250 Einwohnern je Großstädte schon jetzt erfreut. Die damit erreichte Ab­ Hektar ist für die Außenbezirke der Stadt viel zu hoch. senkung der Besiedelungsdichte von 116 Einwohnern je Kleinburg, Leerbeutel, Grüneiche, Bischofswalde und ähn­ Hektar des Weichbildes auf 36 Einwohner bleibt kaum liche Vororte erreichen mit der dort eingebürgerten Wohn

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FRHT2KFURT 7m 13*75 ha,. *70500EiNW.

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Abb. 5. Bevölkerungsbewegung in den Vororten der nächsten Breslauer Umgebung von 1871—1910. KRE5LAU * 9 2 0 ~ > . 575000Ei»W.

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Abb. 1—3 (oben). Vergleichende Gegenüberstellung von Weichbildern verschiedener Großstädte.

-■ 'B Innenstadt 2 5 ° / 0 F r e i f l ä c h e Abb. 4 (rechts). Die Dichtigkeit S U D 5W ohnge 6 0 ° /o

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hinter dem Durchschnitt zurück, den die übrigem deutschen form noch nicht 100 Einwohner auf 1 ha (Zimpel 125). Dazu Großstädte schon heute aufweisen. (Diese Zahl berechnet kommt, daß vom Landkreise zahlreiche Flächen für die Be­ sich aus einer Gesamtbevölkerung von 982 000 Einwohnern siedlung in Ansatz gebracht sind, die für diesen Zweck (575 000 jetzt in Breslau, 57 000 jetzt in den Vororten, nicht mehr zur Verfügung stehen. Schließlich hat er die 350 000 Zuwachs). Bezogen auf die bebauten Flächen Notwendigkeit der Entlastung der ganz unerhört über­ (einschl. Hofräumen und Hausgärten) ergeben sich rund völkerten Breslauer Stadtteile völlig außer acht gelassen. 158 Einwohner je Hektar (bisher 381). Die Berechnungen des Magistrats führen zu dem Ergebnis, Der Landkreis hat geglaubt, im jetzigen Stadtgebiet, daß im Weichbilde und dem vom Landkreise vor­ unter Hinzunahme eines ganz geringfügigen sogenannten geschlagenen Abrundungsgebiet gerade für diese not­ Abrundungsgebietes, das er der Stadt gutwillig überlassen wendige Entlastung noch genügend Raum bleibt. Die Vor­ will, den gesamten, innerhalb von 30 Jahren zu er­ sorge für die Ansiedlung des Bevölkerungszuwachses wartenden Bevölkerungszuwachs unterbringen zu können. zwingt dazu, die Stadterweiterung im Großen schon jetzt Darüber hinausgehende Eingemeindungen seien übciflüssig! mit aller Energie anzubahnen. 28 Nr. 4. Hierfür ist die vom Landkreise empfohlene Erweiterung Blüten treibt, die dicht vor den Toren Breslaus die wilde mittels „Trabanten“ deshalb völlig ungeeignet, weil sie die Siedlung im Gutsbezirk Rosenthal entstehen und Miets­ Ansprüche an die Leistungen der Verkehrsmittel in tech­ kasernen inmitten dörflicher Umgebung emporwachsen nischem und wirtschaftlichem Sinne überspannt. Die ließ, ist bezeichnend für die Erkrankung, die die Vororte Durchführung des Trabantenstadtplanes in der vorge­ schon ergriffen hat. Die Gefahr eines weiteren planlosen schlagenen Form bezeichnet Verbandsdirektor Dr. Schmidt- Wachstums ist bedrohlich geworden und kann nur durch Essen in seinem Aufsatz „Ein Beitrag zur Frage der Satellit­ eine zielbewußte Einheitsorganisation bekämpft werden. städte“, der im Anhang der Magistratsdenkschrift wieder­ Zu den Aufgaben der baurechtlichen Regelung, die nur gegeben ist, für Breslau „als einen Versuch am untaug­ in der Hand der Stadt Erfolg verspricht, wird bei der plan­ lichen Objekt“. Es läge eine Verwechselung des Maß­ mäßigen Erschließung der Vorortbezirke die Lösung der stabes vor und sei nicht angängig, kurzerhand amerika­ Verkehrs- und Versorgungsfragen treten müssen, die die nische Verhältnisse nach Deutschland übertragen zu wollen. Grundvoraussetzung der Stadterweiterungspläne bildet.

ZEICHENERKlflRUN6 ■ ■ Bebautes 6ebiet WM Neues Baugelände 77/171 Jndustrfen fy?g| öffentliche Grünflächen □□Nutzungsfläche (Landw.) ^ - ^ Überschwemmungsgebiete Weichbildgrenze Eingemeindungsgrenze i|km H

Abb. 6. Flächenaufteilungspla-n für das erweiterte Stadtgebiet auf der Grundlage des Wettbewerbes. Dieser Mangel an Augenmaß für Auf allen diesen Gebieten erwachsen die immerhin bescheidenen Breslauer mit der Entwickelung des Verkehrs­ Verhältnisse, die mit denen ameri­ netzes, mit der Gas- und Wasserver­ kanischer Riesenstädte nicht ver­ sorgung und der Entwässerung Auf­ glichen werden dürfen, hat den Land­ gaben, denen der Landkreis wirt­ kreis dazu verführt, die wirtschaft­ schaftlich nicht gewachsen ist und lichen Gesichtspunkte außer acut zu auf die er bei seiner rein agrarischen lassen, die bei einem Stadterweite­ Struktur auch nicht eingestellt sein rungsplan berücksichtigt werden kann. Sie werden von der Stadt nicht müssen, der nicht nur ein Phantasie­ nur vermöge des ihr zur Verfügung gebilde bleiben, sondern tatsächlich stehenden, hochentwickelten techni­ durchgeführt werden soll. Eine Lö­ schen Apparates, sondern auch vor sung, wie die vom Landkreise vor­ allem deshalb leichter bewältigt wer­ geschlagene, hat das Preisgericht be­ Y/A*" den können, weil es sich für sie in wußt vermieden, als es durch sein der Hauptsache nur um den weiteren Gutachten die Richtlinien für die Ausbau bestehender Anlagen handelt, Bearbeitung des Breslauer Stadt­ Abb. 7. Breslauer Eingemeindung bis 1911. während der Landkreis diese unter erweiterungsplanes festlegte. Es hat unnützer Belastung der Volkswirt­ wirtschaftliche Möglichkeiten und soziale Reformen zum schaft erst völlig neu schaffen müßte. wohlerwogenen Ausgleich gebracht. Die Pläne der Stadt, Das Gleiche gilt von der Boden- und Wohnungsbau­ die auf dieser Grundlage entwickelt sind, bleiben trotz der politik, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen un­ Kritik des Landkreises unerschüttert. geheure Mittel erfordert. Der Wohnungsbau kann jetzt und Wenn der Landkreis in seiner Denkschrift die Frage noch auf lange Zeit nur mit Hilfe von öffentlichen Mitteln der Verwaltungsorganisation für das zukünftige Siedlungs­ finanziert werden, die im wesentlichen aus der Hauszins­ gebilde völlig unberührt läßt, obwohl er die Notwendigkeit steuer fließen. Aus eigenem Aufkommen des Kreises seiner Ausgestaltung nicht bestreiten kann, so ist dieser werden schwerlich mehr als etwa fünfzig Wohnungen im eigentliche Kern der Streitfrage in der Denkschrift des Jahre erbaut werden können. Ein so geringer Wohnungs­ Magistrats um so eingehender behandelt worden. Durch zuwachs kann keine Rolle spielen. Nur die Stadt mit dem eine Reihe von Abbildungen wird bewiesen, daß seit Übergewicht ihrer Hauszinssteuermittel ist in der Lage, zu­ langem die städtische Entwicklung auf die Vorort­ gleich mit dem Ausbau des Verkehrs- und Versorgungs­ gemeinden übergegriffen hat. Die unbewachte bauliche netzes eine dezentralisierte Ansiedlung größerer Be­ Entwicklung, die infolgedessen dort ihre ungesunden völkerungsmassen wirklich durchzuführen.

13. Februar 1926. 29 Auch für alle anderen Zweige kommunaler Wirtschaft weniger als 20 v. H. des gesamten für die Eingemeindung und Verwaltung, für die Erbauung und Unterhaltung von beanspruchten Gebietes im Eigentum der Stadt befinden. Häfen, Ladestellen und Lagerhäusern, für das Feuerlösch­ Der Anspruch der Stadt, diese Gebiete auch in kommunal­ wesen, das Vieh- und Marktwesen, auf dem Gebiete des politischer Beziehung angegliedert zu erhalten, wird gewiß Schulwesens, des Wohlfahrts- und Gesundheitswesens, für nicht als unbillig angesehen werden können. . _ Kunst und Wissenschaft ergibt sich die gleiche Über­ Der gern und vielfach erhobene V orwurf, die Stadt legenheit der Stadt über den Landkreis, dem diese Aus­ habe auch für die bereits früher eingemeindeten Ortschaften gaben — ganz abgesehen von der übermäßigen Belastung, bisher wenig oder gar nichts getan, wird durch die Auf­ die sie für ihn bedeuten würde — schon deshalb nicht zu­ zählung der gewaltigen Beträge entkräftet, die die Stadt zumuten sind, weil sie lediglich durch das Erweiterungs­ für diesen Zweck aufgewendet hat, und durch den Hinweis bedürfnis der Stadt hervorgerufen werden. darauf, daß die leistungsschwachen Vororte niemals in der Kann und muß die Stadt aber allein diese Ausgaben Lage gewesen wären, derartige Summen für die Be­ auf sich nehmen, so ist die kommunalpolitische Ber­ schaffung von Gas- und Wasserversorgung, sowie für die einigung der zu erschließenden Gebiete mit ihrem eigenen Kanalisation aufzubringen. Weichbild eine unbedingte Notwendigkeit. Auf die Frage, was den Landkreis dazu veranlaßt, die Eingemeindungsbestrebungen so lebhaft zu bekämpfen, ob­ Die Bildung eines Zweckverbandes kann hierfür schon nach Lage der Gesetzgebung nicht in Frage kommen. wohl er doch auch nach Abtrennung der von der Stadt be­ Gegen ihn spricht feiner die Unzweckmäßigkeit und anspruchten Gebiete immer noch reichlich lebensfähig Schwerfälligkeit der damit verbundenen Doppel­ bleiben würde, findet die Denkschrift des Magistrats die organisation. Überdies haben die Erfahrungen gezeigt, daß Antwort, die sich aus den eigenen Ausführungen des Land­ Zweckverbände bei den hier in Betracht kommenden Auf­ kreises ergibt: „Die finanzielle Schwächung des Kreises.“ gaben versagen, weil zu ihrer Bewältigung eine einheitliche Die von ihm angeführten Zahlen bestätigen die Finanzverwaltung und die Möglichkeit eines Lasten­ Richtigkeit der so oft in Eingemeindungsfällen von der ausgleiches unbedingte Voraussetzung sind. In einer eingemeindenden Stadt aufgestellten Behauptung, daß die Würdigung der Tätigkeit des Groß-Berliner Zweck­ einen Stadtkreis umgebenden Landkreise zwar den Haupt­ verbandes ist Heiligenthal zu dem Ergebnis gekommen, daß anteil ihrer Steuerkraft aus den städtisch entwickelten „ein Zweckverbandsgesetz, um den zu stellenden An­ Vorortgebieten ziehen, das Steueraufkommen dann aber in sprüchen genügen zu können, derartig weitgehende Befug­ der Hauptsache nicht zugunsten der Vororte, sondern des nisse auf den Verband übertragen müßte, daß sich der da­ ländlichen Teiles des Kreises verwenden. Auch der Land­ durch geschaffene Zustand von einer Eingemeindung nicht kreis Breslau hat sich gern der Steuerkraft der Vorort­ wesentlich unterscheiden würde“. gebiete bedient, ihre Entwicklung aber vernachlässigt und Wenn im Kampfe gegen die Eingemeindungspolitik bei der bisherigen Eingemeindung von Vororten, der er der Stadt das Opfer der Selbständigkeit betont wird, das immer den gleichen hartnäckigen Widerstand entgegen­ die Vororte bringen müßten, so wird darauf hingewiesen, gesetzt hat, die Stadt gezwungen, unter schweren Opfern daß die Eingemeindung eine dezentralisierte Verwaltung das nachzuholen, was vor Jahren und Jahrzehnten aus des Stadtgebietes nicht ausschließt. Die bestehende Städte­ eigenen Steuermitteln der Vorortgemeinden und des ordnung biete hierfür eine geeignete Grundlage. Die Stadt Kreises hätte geschaffen werden müssen. beabsichtigt und hat dies in einer Reihe von Ein­ Der Kreis stellt im Gegensatz zu Stadt und Dorf kein gemeindungsverträgen bereits vorgesehen, daß in den organisches Siedlungsgebilde dar. Sein Verwaltungsbezirk Außenbezirken Deputationen auf Grund des § 59 der hängt weder wirtschaftlich zusammen, noch weist er bei Städteordnung eingesetzt werden, denen die örtliche Ver­ seiner teils städtischen, teils ländlichen Bevölkerung einen waltung unterstellt werden soll, und die in Wirklichkeit einheitlichen Charakter auf. Es kann nicht angehen. die sich nicht sehr wesentlich von den bestehenden Gemeinde­ Fortentwicklung eines organischen Siedlungskörpers abzu­ vertretungen unterscheiden werden, wenn auch die großen, schnüren, um einen Verwaltungsbezirk unberührt zu er­ das Gesamtgebiet angehenden Fragen, wie Bau-, Flucht­ halten, der noch nicht Selbstzweck ist. Zu welchen Miß­ linien- und Verkehrswesen, Wasser- und Gasversorgung, ständen die zu späte Vereinigung eines Vorortgebietes mit Abwässerbeseitigung usw., ebenso wie die Finanzen zentral der wachsenden Großstadt führt, hat die Entwicklung verwaltet werden müssen. Im übrigen kann gerade bei der unserer Städte in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege Eingemeindung des Breslauer Stadterweiterungsgebietes gezeigt. Es gilt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu der Einwand der Zerstörung selbständigen Gemeinde­ lernen und zu begreifen, daß nicht die Beseitigung der lebens am wenigsten erhoben werden, weil mehr als 50 v. H. Großstadt, sondern nur ihre gesunde und zweckmäßige des gesamten Stadterweiterungsgebietes zu Gutsbezirken Gestaltung Gegenstand unseres Strebens und Beginnens gehören. Schließlich ist zu beachten, daß sich nicht sein kann! —

Das neue französische Städtebaugesetz und seine Auswirkungen. Von Ob.-Reg.-u. -Baurat Kurt Hager, Dresden*). rankreich besaß lange den Ruhm, in städte­ hörten wir nichts. Dort hielt man an der bisherigen Auf­ baulichen Fragen, in der schönheitlichen fassung der Städtebaukunst, die sich an prunkhaften, Ausgestaltung der Städte führend zu sein. künstlerisch-wirkungsvollen Prospekten erschöpfte, fest, Wir erinnern uns an die Rolle, die während während man sich allerdings in vielleicht einseitiger, aber des II. Kaiserreichs Häußmann in Paris erfolgreichster Weise der Lösung großstädtischer Verkehrs- spielte, der zur Auflockerung des Verkehrs fragen zuwandte. Das sonst so fortschrittliche Frankreich seine für die damalige Zeit genialen Straßendurchbrüche, verharrte bis zum Kriege in diesen Kernfragen des Städte­ die großen Boulevards, unter der begeisterten Anerkennung baues, die in England und Deutschland seit der Jahrhundert­ der ganzen Welt «schuf. Die Schattenseiten dieser Art von wende praktisch geübt wurden und zu einer immer inten­ Städtebau, der nur von Rücksichten auf Verkehrsfragen siveren Durchdringung des Städtebaues mit der Wohnungs und mehr noch — wenn ich so sagen darf — von frage und der damit zusammenhängenden Freiland imperialistisch-ästhetischen Gesichtspunkten geleitet war, beschaffung führten, in einer merkwürdigen Passivität. sind uns heute offenbar. Es bedurfte erst "der starken sozialen Unterströmungen des beginnenden XX. Jahr­ Erst die Notwendigkeit des Wiederaufbaues der zer­ störten Kriegsgebiete hat dazu geführt, daß man in Frank­ hunderts, um uns erkennen zu lassen, daß das Ziel des reich sich die Erfahrungen, die man seither in England, Städtebaues das im weitesten Sinne verstandene Gemein­ Amerika und Deutschland gewonnen hatte, zunutze machte. wohl, das Wohlbehagen und Wohlbefinden jedes einzelnen Es waren vor allem die Anregungen, die die französischen Menschen, und daß die Urzelle des Städtebaues die gesunde Städtebauer und Soziologen aus dem Studium der eng­ Wohnung, die einwandfreie Behausung jedes einzelnen lischen Gartenstadtbewegung schöpften, die in der Folge Menschen ist. Während bei uns in Deutschland der Ein­ fluß Camillo Sittes, der den Städtebau rein künstlerisch- zu einer einheitlichen städtebaulichen Gesetzgebung romantisch erfaßte, noch nachklang, hatte in England führten. Der französischen Wesensart, die in einer scharfen schon dieses starke soziale Moment sich im Städtebau be­ Logik und Systematik wertvolles Rüstzeug für die Ver­ wußt ausgewirkt. vollkommnung von Recht und Verwaltung mitbringt, ist es denn auch gelungen, sich durch Nachholung lang­ In Deutschland war durch die schnell fortschreitende Industrialisierung und die Zusammenballung von Menschen­ jähriger Versäumnisse mit der Schaffung des Städte­ massen der Anschluß an diese in England praktisch ge­ baugesetzes vom 14. März 1919 einen gewissen Vorsprung in der städtebaulichen Gesetzgebung der Welt wordenen Ideen sehr bald gefunden. Aber von Frankreich zu sichern. * * *) v °rtrag gehalten vor der Sachs. Arbeitsgemeinschaft der freien Dieses Städtebaugesetz (Loi concernant les plans deutschen Akademie des Städtebaues. — d'extension et d'aménagement des villes), sowie eine ein- 30 Nr. 4. gehende Ergänzung zu diesem Gesetz vom 19. Juli 1924, 5. Alle Kleinwohnungsgruppen und Kleinsiedlungen, die enthält manchen wertvollen Hinweis, der auch für unsere von Baugenossenschaften, Baugesellschaften oder Einzel­ jetzt in Fluß befindliche Baugesetzgebung maßgebend sein personen geplant und durchgeführt werden. kann. Das Gesetz gibt aber weiter als Zusammenfassung 6. Alle Orte, die durch Kriegsereignisse, Feuer, Erd­ dessen, was seit Jahren in der Praxis auch unseres Städte­ beben oder andere Naturereignisse zerstört worden sind baues fest verankert ist, so wichtige Richtlinien und hat (A rt 2). für Frankreich selbst so grundlegende Auswirkungen — Die Anlegung von Listen für Orte, die eine starke Ent­ zunächst allerdings mehr theoretischer Natur —, daß es wicklung voraussehen lassen, erscheint mir von größter sich verlohnt, darauf näher einzugehen. Wichtigkeit auch für unsere Verhältnisse, damit nicht Der I. Artikel des Gesetzes bestimmt, daß jede Stadt wieder wie z. B. in Sachsen unter dem Einfluß des Bau­ von 10 000 Einwohnern und darüber gehalten sein soll, gesetzes von 1900 auch von kleinen Gemeinden zur Be­ neben dem Fluchtlinien- und Vermessungsplan, den jede friedigung des gemeindlichen Ehrgeizes oder aus Groß­ Gemeinde nach dem Gesetz vom 5. April 1884 aufzustellen mannssucht weitgehende, auf das Wachstum von vielen hat, einen Städtebauplan vorzulegen. Dieser Städtebauplan Jahrzehnten berechnete Bebauungspläne aufgestellt werden, soll im einzelnen aufweisen: Richtung, Breite und Charakter deren Undurchführbarkeit sich längst ergeben hat. Es sind der neuzuschaffenden oder abzuändemden Verkehrswege, durch diesen, von den Behörden damals sogar genährten ferner die Aufteilung der Grundstücke, Umfang und An­ Eifer große öffentliche Geldmittel nutzlos vergeudet worden. ordnung der großen und kleinen Plätze (places et squares), In dem Gesetz ist aber auch weiter sehr verständiger die öffentlichen Gärten, Spielplätze, die Park- und Frei- . Weise darauf Rücksicht genommen worden, daß der Städte­ flächen und Waldgebiete, ebenso die Plätze, die für Denk­ bauplan nur den Charakter eines allgemeinen Über- mäler und öffentliche Gebäude oder für sonstige öffentliche s i c h t s - oder Orientierungsplanes erhalten kann, Anlagen (services publics) bestimmt sind. wenn seine Durchführung in kurzer Frist nicht wahr­ Wir sehen also, daß die französische Gesetzgebung scheinlich ist. \iel weiter geht, als die heutige deutsche, die es zu einem Die Kosten der Planung für die durch Kriegs- oder solchen zusammenfassenden Gesetz bis jetzt noch nicht ge­ Naturereignisse zerstörten Ortschaften übernimmt der Staat. bracht hat. Wohl kennen wir die hier genannten Ebenso für die Orte, die durch Natur-, Kunst- oder ge­ Forderungen als Regel oder als wissenschaftliches Er­ schichtlichen Charakter ausgezeichnet und in der vorher er­ fordernis, sie entbehren aber bei uns bis heute der gesetzes­ wähnten Liste der Kunst- und Naturdenkmäler aufgeführt kräftigen Zusammenfassung. Denn leider sind wir noch sind. Aber auch für die anderen Gemeinden können Staats­ weit von einem Reichsrahmengesetz für Städtebau ent­ beihilfen zu den Kosten der Planaufstellung gewährt feint, ja selbst in unserem größten Bundesstaat, in Preußen, werden, die nach dem Vorschlag der Departemenstpräfekten hat man soeben erst den Entwurf eines Städtebaugesetzes auf den Haushaltplan des Ministerium des Innern über­ fertiggestellt, der zwar alle modernen Bestrebungen restlos nommen werden. berücksichtigt, im Grunde aber doch einer langen Ent­ wicklung erheblich nachhinkt. Von einer bewußten Ein­ Man sieht hier also eine sehr großzügige Auffassung beziehung der sogenannten Regionalplanung ist in dem von den kultur- und wohlfahrtfördernden Wert dieser Ar­ fianzösischen Gesetz nirgends etwas zu finden, ins­ beiten, die wir leider auch vor dem Kriege trotz unserer besondere fehlt jeder Hinweis auf die Ausscheidung von damaligen größeren finanziellen Leistungsfähigkeit bei Wirtschaftsgebieten für Industre und Gewerbe, während unseren Staatsbehörden nicht haben finden können. z. B. Freiflächen und Waldgebiete festgelegt sind. Das Für jedes Departement ist eine Städtebaukommission Gesetz scheint hier der späteren Regelung durch die Ge­ gebildet, bestehend aus dem Departementsrat für Gesund­ meinde nicht vorgreifen zu wollen, da diese die für den heitswesen, der Kommission für Kunst- und Naturschutz, Bebauungsplan geltenden Bestimmungen (règlements) fest­ dem Bauausschuß, dem Landwirtschaftsrat, zwei Mit­ zusetzen hat. Daß eine Zonenfestsetzung im Bebauungs­ gliedern des öffentlichen Kleinwohnungsamtes, vier Bürger­ plan durch Ortsgesetze beabsichtigt ist, geht aus dem Ge­ meistern, die durch den Generalrat des Departements ge­ setz hervor (Artikel 11). Wenn man den Gemeinden hier wählt werden, und schließlich zehn Mitgliedern, die vom gerade bezügl. der Industriegebiete freie Hand gelassen und Präfekten entsprechend ihrem Arotscharakter und ihrer Zu­ auf generelle gesetzliche Vorschriften verzichtet hat, so ständigkeit ernannt werden. Diese Kommission hat als scheint mir dies nur vorteilhaft zu sein, weil es in vielen Sachverständige die Vertreter der Architektenvereine, der Fällen mißlich sein wird, die Industrie, auf bestimmte Kunst-, Altertums- und Geschichtsvereine, ferner Ver­ Flächen eindeutig zu verweisen. Dasselbe gilt auch für treter der Landwirtschast, des Handels- und der Industrie, die Landwirtschaft der Sport- und Verkehrsvereine, die beteiligten Bürger­ Der zweite Paragraph des ersten Artikels verlangt ein meister und die verschiedenen beteiligten staatlichen Dienst­ beschreibendes Programm zu dem Bebauungsplan (also stellen zu hören. Die Kommission kan sich auch Bericht­ wohl zu vergleichen unserer Bauordnung), in dem die Er­ erstatter angliedem, die für die Beratungsgegenstände ihres fordernisse des Gesundheitswesens, der Denkmalpflege und Faches entscheidende Stimme haben. der Ästhetik, die Freiflächen, die Gebäudehöhe, die Trink­ Für das Seine-Departement ist eine besondere Städte­ wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung, die Beseitigung baukommission gebildet, die entsprechend den vielen, hier­ und Verwertung der Abfallstoffe und, soweit nötig, die bei berührten Interessen aus nicht weniger als 98 (!) Mit­ Sanierung des Erdbodens festgelegt sind. gliedern besteht. Diese Zahl erscheint bei aller Würdigung Außer den Städten über 10 000 Einwohner unterliegen der Wichtigkeit der in Frage stehenden öffentlichen Inter­ auch andere Gemeinden den gleichen Verpflichtungen, und essen überaus hoch, zeigt aber, welchen großen und be­ zwar: rechtigten Wert man in Frankreich einer ausreichenden 1. Alle Gemeinden im Seine-Departement, das ist Paris Vertretung der öffentlichen und privaten Beteiligten bei diesen Arbeiten, die häufig tief und auf Jahrzehnte be­ und seine dicht bevölkerte Umgebung. stimmend in bestehende Verhältnisse und wohlerworbene 2. Alle Gemeinden mit wachsender Bevölkerung (en Rechte einschneiden, beimißt. Bezeichnend für die zu­ voi d'accroissement), über die eine Liste durch den General­ nehmende Erkenntnis von der Bedeutung des Wohnungs­ rat des Departements angelegt wird, die der Begutachtung wesens innerhalb des Städtebaues ist auch die angemessene durch die Städtebaukommission des Departements unter­ Beteiligung von Vertretern der öffentlichen Wohnungsfür­ liegt. Ebenso alle Gemeinden, die ihre Eintragung in diese sorge an diesen Kommissionen. Liste nachsuchen und sich damit den Pflichten, die sich aus Über den Departementskommissionen steht eine Ober­ dem Städtebaugesetz ergeben, ausdrücklich unterwerfen; kommission für Städtebau im Ministerium des Innern. Die auch hier unter Zustimmung der Städtebaukommission. Zusammensetzung dieser obersten Kommission entspricht 3. Alle Badeorte (Seebäder, Luftkurorte) und Sport­ etwa der der Departementekommission, Als ihre vor­ plätze und sonstige Orte, die eine Aufenthaltsgebühr er­ nehmste Aufgabe ist im Gesetz bezeichnet die Aufstellung heben, deren Bevölkerung sich um 50 v. H. oder mehr im von allgemeinen Regeln und Richtlinien für die Anwendung Jahre vermehrt hat. Auch diese Orte werden in einer Liste des Städtebaugesetzes. der Departements-Regierung geführt. Wir haben in Deutschland derartige Städtebau­ 4. Alle Orte, die einen besonderen malerischen, künst­ kommissionen leider noch nicht. Ihre alsbaldige Schaffung lerischen oder geschichtlichen Charakter haben, die nach entspricht aber einem dringenden Bedürfnis und muß gerade dem Gesetz vom 21. April 1906 in einer besonderen Liste der mit Rücksicht auf die einschneidenden Eingriffe in das Kunst- und Naturschutzkommission in den einzelnen De­ •öffentliche und private Leben, die sich aus der gesetzlichen partements aufgeführt sind. Es handelt sich also hier um Festlegung von sogen. Flächenaufteilungs- .oder Reginal- Gebiete ähnlich unseren Denkmals- und Naturschutz­ plänen ergeben werden, mit allem Nachdruck als eine bezirken. Beachtlich ist aber auch hierbei die Mitwirkung Notwendigkeit gefordert werden. der Städtebaukommission. Weiter befinden sich in dem Gesetz die auch für uns

13. Februar 1926. 31 wichtigen Bestimmungen, daß bei Städtebauplanungen, die (Art. 11—16). Bei der Planung solcher Kleinsiedlungen und mehrere Gemeinden betreffen, der Präfekt gemeinsame Vor- Wohnungsgruppen kann die Bereitstellung von Freiflächen arbeiten der an der Planung interessierten Gemeinde­ (z. B. für Spielplätze) gefordert werden, ebenso von Plätzen vertretungen zu veranlassen hat und zwischengemeindliche für die Errichtung öffentlicher Gebäude. , Das Land für Besprechungen auf Grund der Gemeindeverbandsverfassung öffentliche Gebäude wird entschädigt, das für Freiflächen anzuordnen hat. Wenn aber Planungen sich über ver­ und Wege aber nur dann, wenn dessen Gesamtheit mehr schiedene Departements erstrecken, so sind sie gemeinsam beträgt als ein Viertel der Grundfläche der ganzen Sied­ von den beteiligten Departementsregierungen aufzustellen. lung. Die Genehmigung zur Anlage einer Wohnungsgruppe Ein derartiger Plan wird durch ein besonderes Gesetz als oder Kleinsiedlung kann versagt werden, wenn das Gelände im öffentlichen Interesse liegend erklärt. Wenn man bei für Wohnzwecke ungeeignet ist, die Siedlung ein ge- uns eine ähnliche, unseren Verhältnissen entsprechende schützes Waldgebiet oder ein schönes Landschaftsbild be­ Regelung treffen wollte, bedürfte es eines Reichsrahmen­ einträchtigt oder in einer Zone liegt, die für andere als gesetzes für Städtebau, um die Länder bei den sie gemein­ Wohnzwecke bestimmt ist. sam berührenden Planungen an einen Tisch zu bringen. Käufer und Mieter von Kleinsiedlungsstellen oder von Ein besonderer Artikel (10) ist dem Verfahren der An­ Wohnungen in Gruppenhäusern werden in weitgehender siedlungsgenehmigung gewidmet. Diese wird unabhängig Weise vor Benachteiligung durch Verkäufer oder Ver­ von der eigentlichen Baugenehmigung erteilt, die nach pächter geschützt. Wenn der Unternehmer einer solchen wie vor nach den in Kraft befindlichen Gesetzen nach­ Siedlungsanlage die gesetzlichen städtebaulichen Be­ gesucht werden muß. Als wichtig interessiert uns hierbei stimmungen nicht voll erfüllt und insbesondere die Belange nur, daß die Genehmigung zur Ansiedlung auf die Dauer der Gesundheitspflege, der Ästhetik und der Denkmals­ von 30 Jahren für Gelände, das nicht vom Fluchtlinienplan pflege nicht wahrt, zu deren Einhaltung er sich in sehr aus­ erfaßt wird und außerhalb der Ortslage liegt, versagt wird, führlichen Vertragsbestimmungen dem Käufer oder Mieter sofern diese betr. Parzellen nicht einen unmittelbaren Zu­ gegenüber verpflichtet hat, wird er mit hoher Geldstrafe gang zu einem öffentlichen Weg des Straßennetzes haben. belegt. Die Gemeinde oder das Departement können sogar Die Verwendung von durch eine neue Fluchtlinien­ die Enteignung der Siedlung durch Verordnung des Staats­ festsetzung unbebaubar gewordenen Reststücken ist derart rates verlangen, die Siedlung selbst zur Durchführung zu geregelt, daß die Gemeinde das Reststück auf Erfordern bringen und sie wieder verkaufen, für den Fall, daß der des Besitzers erwerben muß entweder auf gütlichem Wege Unternehmer Teile des Siedlungsgeländes an Siedlungs­ oder auf dem Wege der Enteignung. Tut sie das nicht, so lustige verkauft, bevor er die im Gesetz vorgeschriebenen kann der Bauwerber bauen, ohne Rücksicht auf die Flucht­ Erfordernisse erfüllt hat. linien nehmen zu müssen. Also ein außerordentlich weit­ Die Gemeinden haben die Möglichkeit, mit der Er­ gehender Schutz der privaten Interessen. Die Kosten für ledigung aller mit dem Siedlungswesen zusammenhängenden den Anschluß an das bestehende Straßennetz werden ent­ Fragen die öffentlichen Kleinwohnungsämter zu betrauen. weder von der Gemeinde oder vom Departement über­ Schließlich wird durch das Gesetz die für die Durch­ nommen.. In sehr ausführlicher Weise werden in dem Ge­ führung des ganzen Gesetzes-werkes überaus wichtige Er­ setz (vor allem durch seine Ergänzung vom 19. Juli 1924) richtung einer Gemeindevorschußkasse für Städtebau in die Bestimmungen über Kleinwohnungsgruppen und Klein­ jedem Departement angeordnet, deren Geschäftsverfahren siedlungen (groupes d'habitations et lotissements) geregelt in einem besonderen Gesetz geregelt ist. — (Schluß folgt.)

Vermischtes. Geländeteilen, die für solche Zwecke durch den Bebauungs­ Bauvorschriften in Padua. Als Ergänzung unserer plan und die Bauordnung bestimmt sind. — J. St. Mitteilung über die Umgestaltung der Stadt Padua in Können Fluchtlinien vorübergehend aufgebaut werden, „Stadt und Siedlung“ Nr. 2/1926 mag die Kenntnisnahme ohne daß gleichzeitig neue Fluchtlinien festgestellt werden? einiger diesbezüglicher, durch Regierungsverordnung vom Wir stellen diese an uns gerichtete Frage zur Diskussion, 15. Dezember v. J. erlassenen Bauvorschriften von Wert der Sachverhalt ist folgender: sein, wenn auch nur zum Vergleich mit deutschen Be­ Für den Hauptverkehrsplatz (Marktplatz) einer stimmungen ähnlicher Art. Es werden unterschieden die rheinischen Industriestadt wurde 1902 ein Fluchtlinienplan weiträumige und die enge Bauweise (estensiva und inten­ aufgestellt und teilweise förmlich festgestellt, der den siva). Erstere findet, soweit unsre Abb. 1 Nr. 2 auf Seite 15 heutigen Anforderungen des Städtebaues und der Verkehrs­ in Betracht kommt, Anwendung im Quartiere di Vanzo, technik in keiner Weise mehr gerecht wird. Während der letztere im Quartiere Centrale (Santa-Lucia- und Dom- Vorarbeiten wurde bekannt, daß an einer bedeutsamen Viertel). Stelle innerhalb des fluchlinienmäßig festgestellten Teiles Bei der weiträumigen Bauweise müssen die Ge­ eine umfangreiche bauliche Veränderung in Aussicht stand, bäude ringsum freistehen und von den Nachbargebäuden Verwirklichung, eine brauchbare Neuplanung erheblich mindestens 6 m, von der Straße in der Regel wenigstens erschwert, wenn nicht verhindert. 4m entfernt sein. An Straßen von 16m und mehr Breite Aufhebung der alten Fluchlinie schon vor Fertig­ darf jedoch unmittelbar in der Straßenfluchtlinie gebaut stellung der Neuplanung, sodaß nunmehr der ganze Platz werden. Kein Bauplatz darf kleiner sein als 300 lim. Die vorübergehend ohne Fluchlinie war. Als dann das Bau­ größtzulässige Überbauung ist 100