Archiv Für Naturgeschichte
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© Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Entomologie während der Jahre 1859 und 1860. Vor. Dr. A. Clerstaecker in Berlin. Obwohl die bereits von Linne in seinem Systema naturae anerkannten engen Beziehungen, in welchen die vier Klassen der heutigen Arthropoden zu einander stehen, in neuerer Zeit einen schärferen Ausdruck darin gefunden haben, dass man dieselben unter Abtrennung von den übrigen Articulaten Cu vi er 's zu einem eigenen Typus erhoben hat, finden wir sie trotzdem selbst in unseren neuesten sowohl zootomischen als zoologischen Handbüchern meist noch ganz isolirt und ohne eingehendere Erörterung des ihnen gemeinsamen Bauplanes dargestellt. Da eine solche jedoch schon für eine schärfere Fixirung des Ver- hältnisses, in dem die Arthropoden zu den übrigen grösseren Gruppen des Thierreiches stehen, von der grössten Bedeu- tung ist, so können wir eine so übersichtlich und präcis abgefasste Darstellung der Gesammtorganisation der Glieder- thiere, wie sie G e g e n b a u r in seinen vortrefflichen „Grund- zügen der vergleichenden Anatomie" (Leipzig 1859, gr. 8. p. 193 —287) gegeben hat, nur als ein ebenso nützliches als zeitgemässes Unternehmen begrüssen. Abweichend von den meisten Handbüchern der vergleichenden Anatomie, ver- folgt der Verf. nicht den Zweck, die verschiedenen Modifi- kationen, welchen alle einzelnen Organe unterworfen sind, bis in's Spezielle und in möglichster Vollständigkeit neben einander zu verzeichnen, sondern nur die wichtigsten der- selben in ihrem Verhältniss zum Typus zu erörtern, wo sie © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at 358 Gerstaecker: Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen verschiedene Stufen der Vollkommenheit darstellen, die eine aus der anderen herzuleiten, in anscheinend verschiedenen Bildungen das Uebereinstimmende nachzuweisen u. s. w. In Uebereinstimniung mit den übrigen Thiertypen wird die Organisation der Arthropoden, nach Voranschickung einer kurzen Schilderung ihres Gesammt-Bauplanes und nach einer systematischen Uebersicht ihrer als typisch anzusehenden Formen in vier Paragraphen abgehandelt: 1) Körperbe- deckung und Bewegungsorgane (vom Integumente, von der Muskulatur). 2) Organe der Empfindung (vom Nerven- systeme, von den Sinnesorganen). 3) Organe der Ernäh- rung (von den Verdauungsorganen, Kreislaufs- und Respi- rationsorganen, von den Excretionsorganen). 4) Organe der Fortpflanzung. — Zu der ebenso gefälligen als zweck- mässigen Ausstattung des Werkes tragen u. a. zahlreiche in den Text gedruckte Holzschnitte bei, welche theils nach Originalzeichnungen des Verf. angefertigt sind, theils Dar- stellungen früherer Werke wiedergeben. INeben den Insekten, Myriapoden , Arachniden und Crustaceen rechnet der Verf. nach Leydig auch die Rotiferen jedoch als be- , sondere Classe, den Arthropoden bei ; dass dieselben hier jedoch noch keineswegs eingebürgert sind, macht sich in der Darstellung des Verf. , in der sie begreiflicher Weise meist ganz isolirt abgehandelt werden nuissten, zu wiederholten Malen bemerkbar. — In der systema- tischen Uebersicht der Classen und Ordnungen würden wir einige Modifikationen vorschlagen, z. B. die Wiederabgabe von Argu- lus an die Siphonostomen , zu denen er nach allen natürlichen Charakteren gehört; ferner das Aufgeben der Ordnung Aptera , da z. ß. Lepisma mit Blatta fast ebenso nahe verwandt ist, wie die mei- sten übrigen Formen der Orthoptera genuina ; die Vereinigung der Brachycera und Neraocera, zwischen denen keine natürliche Gränze existirt, u. a. — In ßetreff der Deutung der Gliedmassen können wir in manchen Punkten nicht mit dem Verf. übereinstimmen und finden, dass er darüber mit sich selbst einige Male in Widerspruch geräth. Auf p. 204 wird z. B. das grosse Scheerenfusspaar der Skorpione als zweites Fühlerpaar gedeutet (die darauf folgende Angabe, dass die- sem das Geisselfusspaar bei Phrynus und Telyphonus entspreche, ist irrig, da diese Gattungen dieselben Scheerenfüsse wie die Scorpione haben) , während es auf p. 231 als „scheerenlragende Maxille" be- zeichnet wird. Unserer Ansicht nach haben die Arachniden über- haupt nur ein Fühlerpaar, welches entweder in Scheerenform (Scoi- © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at im Gebiete der Entomologie während der Jahre 1859 u. 60. 359 etc.) pio) oder in Klauenfomi (Telyphonus , Solpiiga, Araneidea auf- tritt; dasselbe liegt ausschliesslich über der MundölTnung, erhält aus- schliesslich seine Nerven aus dem Gehirnganglion und zeigt auch die Art der Einlenkung und die Gliederung von Fühlern, wenn es gleich (wie sich dies aus dem Eingehen des Kopfes erklärt) die Funktion der Mandibeln übernimmt. — p. 231. Die „von grosser Mächtigkeit erscheinenden " Kiefer der Scolopendren können wohl nicht den Mandibeln der Cruslaceen entsprechen, da sie durch das zweite Tho- raxbeinpaar gebildet werden und die Scolopendren ausserdem wirk- liche (im Verhältniss schwach entwickelte) Mandibeln besitzen. — p.232. Bei den Dipteren bildet die Unterlippe niemals einen kanal- artig geschlossenen Rüssel, sondern nur eine oberhalb offene Halb- rinne; dagegen ist der Schnabel der Hemipteren eine geschlossene Röhre, die nur an der Basis der Oberseite offen, hier aber durch die aufliegende Oberlippe bedeckt wird. Die Hymenopteren haben niemals eine Sauge zunge, überhaupt ausschliesslich beissende Mundlheile ; nur bei den langrüsseligen Bienen nehmen die Maxillen und die Un- terlippe die ungefähre Form von saugenden Mundtheilen an, ohne jedoch solche zu sein. MilneEdwards's bereits früher von uns angezeigte „Le^ons sur la physiologie et l'anatomie comparee" sind i. J. 1859 mit dem 4. und 5. Bande fortgesetzt worden, von denen ersterer nichts auf die Arthropoden Bezügliches enthält (nur die Blutcirculation der Wirbelthiere behandelt), der fünfte dagegen (p. 474—642) eine eingehende Schil- derung des Tractus intestinalis der vier Arthropoden-Classen, welche durch eine genaue Darstellung der Mundtheile ein- geleitet wird , enthält. In Rücksicht auf die mehrfachen irrigen Ansichten, welche über die Deutung derselben selbst in neuester Zeit zu Tage gefördert worden sind, halten wir es für zweckmässig, die durchaus klare und auf richtiger Anschauung beruhende Darstellung des Verf. hier den Haupt- zügen nach wieder zu geben. Unter den an die Spitze gestellten Cruslaceen handelt der Verf. als Haupttypen für die Organisation der Mundtheile die Decapoden, die Tetradecapoden , die Branchiopoden , Cirripedier und Crustacea sugentia ab; die beiden ersten, welcher in der Ausbildung eines Mandibel- und zweier freien Maxillenpaare übereinstimmen, unter- scheidet er dadurch, dass bei den Decapoden die drei darauf folgen- den Gliedmassenpaare die Form von accessorischen Kiefern anneh- men, während bei den Tetradecapoden dies nur mit dem ersten Paare © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at 360 Gerstaecker: Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen der Fall ist, die beiden anderen dagegen wirkliche Beine darstellen. — In der Classe der Myriapoden sind ebenfalls ein Paar Mandibeln und zwei Paare Alaxillen vorhanden und bei den Chilopoden tritt das erste Beinpaar in Form von starken Sichelhaken als Hülfsorgan dem Munde bei (dieses Paar ist streng genommen das zweite Beinpaar des Thorax, dem noch ein palpenförmiges , welches 31. Edw. als zweites Älaxillenpaar ansieht , vorhergeht. Ref.). — In der Classe der Insek- ten geht der Verf. von den kauenden Mundtheilen (Coleoptera, Ür- thoptera, Neuroptera) aus, bei denen ein Mandibel- und zwei Ma- xillenpaare vorhanden sind ; nur das erste Paar der Maxillen ist frei, das zweite dagegen zu einem unpaaren Organe , der Unterlippe ver- schmolzen. Ihr Basaltheil (Mentum) ist durch Verschmelzung des Hüftentheiles der Maxillen entstanden; der zwischen den Tastern be- findliche vordere Theil (Ligula, languelte) entspricht den mittleren und inneren Laden der Maxillen (unter den äusseren versteht der Verf. die Taster), also nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche den vier Laden der Unterkiefer in Gemeinschaft, welche bei einigen Insekten (Orthoptera) noch deutlich getreunt sind, bei anderen dagegen ganz mit dem Kinn verschmelzen (Melolontha). Neben diesen drei Kiefer- paaren treten noch ein oberer und ein unterer Fortsatz der Mundhöhle auf, die als Epipharynx und Hypopharynx bekannt sind; letzterer ist bei den Orthopteren und vielen Neuropteren stark entwickelt, bei den Coleopteren oft rudimentär, aber zuweilen deutlich als zweispit- zige Zunge über die Unterlippe hervortretend. „Verschiedene Ento- mologen nennen dieses Organ Lingua, andere belegen mit demselben IVamen die davon ganz verschiedene Ligula und es herrscht in ihren Schriften in Betreff dieser Theile des Kauapparates eine grosse Ver- wirrung." — Die 3Iundtheile der leckenden Insekten („lecheurs," Bienen) sind ganz nach dem Typus der kauenden gebaut , nur dass sich ihre beiden Maxillenpaare oft auffallend verlängern; an der Li- gula der Bienen entspricht der mittlere unpaare Theil den beiden mittleren Laden der Orthopteren-Unterlippe, die seitlichen (Paraglossae) den äusseren Laden derselben. Der Epipharynx ist bei den Bienen stark entwickelt, der Hypopharynx meist verkümmert; letzterer tritt dage- gen bei den Hymenopteris fossoriis sehr ausgebildet auf. — Unter den saugenden Insekten haben die Lepidopteren verkümmerte Mandi- beln (nebst Oberlippe) und ihre Maxillen bilden allein den Saugrüs- sel