Karl Ludwig Giesecke
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73 Karl Ludwig Giesecke (1761 – 1833) Zur Erinnerung an den Augsburger Theaterdichter, Forschungsreisenden und Mineralogen Gerd Ibler Kryolith von Ivigtut (Ivittuut), Südgrönland. Kryolith von Ivigtut (Ivittuut), Südgrönland. Augsburg. Gerd Ibler/Richard Speckmeier, Foto: Vor 250 Jahren, am 6. April 1761, wurde Giesecke nennen sollte, und mit diesem in Augsburg Johann Georg Metzler gebo- Pseudonym als Theaterdichter und Mine- ren, der sich als 20-Jähriger Karl Ludwig raloge Geschichte machte. Herkunft und Ausbildung Sein Vater, Johann Georg Metzler, ein Anwesen „Bei den sieben Kindeln“ in der Schneidermeister aus Edelfingen in Würt- Augsburger Altstadt befindet. Der jun- temberg, war mit Sibylla Magdalena Götz ge Metzler besuchte das Humanistische aus Augsburg verheiratet. Die Mutter Gymnasium St. Anna, wo er 1781 sein schenkte insgesamt 15 Kindern das Leben. Abi tur ablegte. Danach war er Student der Johann Georg Metzler alias Karl Ludwig Rechte an der Georg-August-Universität Giesecke war der zweitgeborene Sohn. Er in Göttingen und wurde vom 1.11.1781 wurde in St. Jacob evangelisch getauft. Die bis Michaelis 1783 mit einem Stipendium Familie Metzler bewohnte ab 1763 das des evangelischen Scholarchats des Augs- Haus H 375, das heutige Haus „Mittlerer burger Gymnasiums Annaneum unter- Graben Nr. 30“, das sich gegenüber dem stützt. Naturhistorica BERICHTE DER NATURHISTORISCHEN GESELLSCHAFT HANNOVER 153 · 2011 74 Gerd Ibler Metzler/Giesecke als Schauspieler und Dichter Johann Georg Metzler brach plötzlich Muttersöhnchen auf der Galeere oder man sein Studium ab und wurde nicht Jurist, trägt den Krug solange zum Brunnen, bis sondern begeisterte sich für das Theater. Er er bricht“. tingelte als Schauspieler unter dem Künst- Als Journalist und Chronist des Thea- lernamen Karl Ludwig Giesecke mit ver- terlebens hat Giesecke sich in Regensburg schiedenen Wanderbühnen von Bremen, von 1784 bis 1786 und in Salzburg von Pyrmont, Köln, Bonn, Mainz, Frankfurt/ 1786 bis 1787 hervorgetan und zwei Thea- Main über Regensburg, Augsburg, Salz- terjournale geschrieben. burg, Esterhazy, Linz, Graz nach Wien. In Der Theaterdichter Giesecke verfasste Wien verweilte er von 1789 bis 1800 am von 1786 bis 1800 nachweislich insgesamt Freihaus-Theater auf der Wieden bei dem 35 Textbücher zu Lust-, Schau- und Sing- Theaterprinzipal Emanuel Schikaneder. spielen, zu Komischen und Zauberopern Die Wiener Zeit war sein erfolgreichster sowie zu Burlesken und Travestien. Er be- Lebensabschnitt am Theater. tätigte sich auch als Dichter für Liedtex- Der Schauspieler Karl Ludwig Metzler- te und Lobreden für die verschiedensten Giesecke wurde im Jahr 1786 am Augsbur- Anlässe sowie als Autor von Gelegenheits- ger Theater von Emanuel Schikaneder zum gedichten. Metzler-Giesecke war Schau- Theaterdichter ernannt. Giesecke befass- spieler, Übersetzer von Theaterstücken, te sich neben der Schauspielerei auch mit Librettist, Dramaturg und Inspizient, also Übersetzungen und Nachdichtungen itali- ein echter Tausendsassa in der Theaterwelt, enischer und französischer Operntexte und weil er das Theater über alles liebte und verfasste 1787 in Salzburg sein erstes Lib- sich in diesem Milieu wohlfühlte. retto zu dem Lustspiel in drei Akten „Das Ausbildung Gieseckes zum Geologen und Mineralogen Während seines Aufenthalts in Wien Born, Ignaz Edler von (1790): Catalogue von Anfang 1789 bis Mitte des Jahres 1800 Méthodique et Raisonné de la Collection befasste sich Giesecke ab 1794 im Selbst- des Fossiles de Mlle. Eléonore de Raab. 2 Bände. – Wien. studium mit Geologie und Mineralogie. Klaproth, Martin Heinrich (1797): Beiträge Seine umfangreiche Privatbibliothek, die zur chemischen Kenntnis der Mineralkörper. wegen Mietschulden am 13. September 2 Bände. – Berlin. 1802 versteigert werden musste, enthielt Werner, Abraham Gottlob (1785): Von den äu- u. a. auch die folgenden Bücher über die ßerlichen Kennzeichen der Foßilien. – Wien. Geowissenschaften: Werner, Abraham Gottlob (1791 – 1792): Ver- zeichnis des Mineralienkabinetts des Berg- Born, Ignaz Edler von (1774): Mineralogische hauptmanns Pabst von Ohain. 2 Bände. – Briefe durch Ungarn. – Frankfurt. Freiberg. Born, Ignaz Edler von (1786): Über das An- Werner, Abraham Gottlob (1792): Orykto- quicken der gold- und silberhältigen Erze, gnosie oder Handbuch für die Liebhaber der Rohsteine, Schwarzkupfer und Hüttenspei- Mineralogie. – Leipzig. se. – Wien. Naturhistorica BERICHTE DER NATURHISTORISCHEN GESELLSCHAFT HANNOVER 153 · 2011 Karl Ludwig Giesecke (1761 – 1833) 75 Der Besitz dieser Werke legt nahe, dass sich Giesecke in Wien bereits intensiv mit den Geowissenschaften beschäftigt hatte, bevor er sich dazu entschloss, vom Thea- terbetrieb abzulassen und sich beruflich dem Mineralreich zuzuwenden. Giesecke reichte am 1. Mai 1800 beim Magistrat der Stadt Wien ein Gesuch um Zulas- sung zum Mineralienhandel ein. Per Re- gierungsdekret vom 16. Mai 1800 wurde er als „K. K. privilegierter Mineralienhändler“ – also mit landesfürstlichem Privileg ver- sehen – zum gewerblichen Mineralienhan- del zugelassen [Quelle: Archiv der Stadt Wien, Hauptregistratur B 1/48, fol. 175 v]. Zur Vervollständigung seines Wissens über Mineralogie und Geologie reiste Gie- secke Anfang 1801 nach Berlin und weil- te dort vom 17. Februar bis 3. Juni 1801 Giesecke-Porträt von Sir Henry Raeburn, 1813. [Stammbuch Nr. 3]. Er belegte vermutlich in diesem Zeitraum ein Studienseminar bei Mineralsystems [strikte Trennung der dem bekannten Mineralogen und Ober- Wissensgebiete Mineralogie, Gesteins- bergrat Dietrich Ludwig Gustav Karsten kunde und Geologie]*. (1768 – 1810). D.L.G. Karsten hatte sich Werner, Professor für Mineralogie, Geo- am 5. März 1801 mit einer Widmung in logie und Bergbaukunde, hatte sich am 16. Gieseckes Stammbuch Nr. 3 eingetragen. Juli 1801 in Gieseckes Stammbuch Nr. 3 Auf Seite 1 seines Stammbuchs Nr. 5 eingeschrieben. ist in Gieseckes Handschrift vermerkt: In den Akten des Archivs der Techni- „Souvenir für Karl Ludwig Gieseke, Kön. schen Universität Bergakademie Freiberg Preuss. Bergrath“. befinden sich die folgenden Informatio- Diesen Eintrag dürfte Giesecke frühes- nen: „Karl Ludwig Giesecke (1761 – 1833) tens nach dem Sommer 1801, also nach alias Johann Georg Metzler hielt sich im dem viermonatigen Aufenthalt in Berlin Zeitraum vom 27. Juni bis 3. Oktober 1801 bzw. nach Abschluss des Lehrgangs über in Freiberg auf.“ Dies belegt ein Eintrag das Berg- und Hüttenwesen bei D.L.G. im Besucherbuch der Bergakademie Frei- Karsten, gemacht haben. berg vom Sommeranfang 1801. Der im Von Berlin reiste Giesecke in die Berg- Anschluss an seine geowissenschaftlichen bauregion des sächsischen Erzgebirges und Studien in Berlin folgende viermonatige blieb vom 27. Juni bis 6. Oktober 1801 in Aufenthalt in Freiberg und Umgebung mit Freiberg [Stammbuch Nr. 3]. An der Berg- Belegung eines Kurses über Mineralogie akademie in Freiberg nahm er bei dem und Geologie bei A. G. Werner lässt den berühmten Geologen und Direktor der Schluss zu, dass Giesecke auch praktische Bergakademie Abraham Gottlob Wer- ner (1749 – 1817) Unterricht und wurde * In eckige Klammern gesetzte Anmerkungen so ein Verfechter des neuen Wernerschen stammen vom Autor. Naturhistorica BERICHTE DER NATURHISTORISCHEN GESELLSCHAFT HANNOVER 153 · 2011 76 Gerd Ibler Erfahrungen in der Bergbauregion des und den Bergbau. Es könnte aber durchaus Erzgebirges sammelte zur Vervollständi- sein, dass der Studiengang bei A. G. Wer- gung seiner gerade erlangten theoretischen ner Voraussetzung war für die Qualifikati- Kenntnisse über die Erdwissenschaften on als „Bergrat“ (Waterhouse 1969). Geowissenschaftliche Forschungs-, Studien- und Sammelreisen Als Professor für Mineralogie von der Gieseckes zum „Kön. Preuss. Bergrath“ Royal Dublin Society (1814 – 1833) er- erst nach Oktober 1801 erfolgt sein. Eine nannt, war Karl Ludwig Giesecke neben Ernennungsurkunde ist in den einschlägi- vielen anderen Wissenschaftsgesellschaf- gen Archiven für das preußische Berg- und ten und Akademien auch der Wernerian Hüttenwesen nicht nachweisbar. Bergrat Natural History Society in Edinburgh/ war eine Dienststellung im preußischen Schottland als Mitglied beigetreten. Diese Staatsdienst. Giesecke war aber nicht als Gelehrtengesellschaft, die von dem Profes- Beamter im preußischen Staatsdienst tätig. sor für Naturgeschichte an der Universität Bei der Verleihung des Titels zum „Kön. Edinburgh, Robert Jameson (1774 – 1854), Preuss. Bergrath“ könnte es sich um einen zusammen mit anderen Naturwissen- sogenannten Titularratstitel gehandelt ha- schaftlern am 12. Januar 1808 gegründet ben, also einen Ehrentitel ohne behördli- worden war, ernannte A. G. Werner zum che Funktion. – Wie die Sachlage im Fall Ersten Ehrenmitglied, und trat für die Giesecke gewesen war, bleibt bis auf Wei- Annahme und Verbreitung von Abraham teres ein Rätsel. Gottlob Werners Lehre in den damaligen In Sachen Mineralogie und Naturwis- internationalen Fachkreisen ein. Robert senschaft hielt sich Giesecke im Herbst Jameson kannte A. G. Werner persönlich 1803 in Kopenhagen/Dänemark auf. An- von seinem Studium der Mineralogie und schließend von November 1803 bis Juli des Bergbauwesens von September 1800 1804 unternahm er eine mineralogische bis 10. Februar 1801 an der Bergakademie Reise durch Schweden [nach seinen eige- in Freiberg. nen Angaben vom 12.06.1819 bei der Kö- Giesecke und Jameson hielten sich zur niglichen Akademie der Wissenschaften in gleichen Zeit in Freiberg/Sachsen auf und München besuchte er auch Lappland und hatten als Studenten der Mineralogie per-