Berichte des Landesamtes 4.3.5 Euplagia quadripunctaria für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (PODA, 1761) – Halle, Sonderheft 2/2010: 169–180 Spanische Flagge

Christoph SCHÖNBORN und Peter SCHMIDT

Lepidoptera: Bärenspinner (Arctiidae)

Abb. 4.3-38: Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761). Männchen; links Ansicht von oben, rechts Ansicht von unten (Zoologische Sammlungen der Martin-Luther-Universität, Coll. BUSCHING, Fotos: A. STARK).

Kurzcharakteristik der Art In Deutschland lebt die Spanische Flagge auf Lichtungen und an Außen- und Binnensäumen Kurzbeschreibung: Ein unverwechselbarer, kon- von Laubmischwäldern, an hochstaudenreichen trastreich bunter, am Tag wie in der Nacht aktiver Säumen von Magerrasen, in blütenreichen Gär- Falter ist die Spanische Flagge, die zur Unterfa- ten in Waldnähe und an trockenen, sonnigen milie der Schönbären gehört. Die Vorderflügel von Felsen oder Schotterhalden oder auch in Stein- Euplagia quadripunctaria tragen auf dunkelbrau- brüchen. Oft als Bewohner luftfeuchter Lebens- nem bis grünschwarzem, metallisch glänzendem räume angegeben, verhält sich die Art in ST, wo Grund schräge, gelbweiße Streifen, deren äuße- sie ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreicht, re beiden sich im Innenwinkel zu einem V verbin- eher xerothermophil. E. quadripunctaria bewohnt den. Blauschwarze Flecken zieren die ansonsten die Hügel- und untere Bergstufe. Eine Bevorzu- roten Hinterflügel. Der Thorax ist schwarz mit zwei gung von Weinbauregionen, wie oftmals ange- gelben Streifen, das Abdomen rot mit einem geben, kann für ST nur sehr eingeschränkt be- schwarzen Punkt auf jedem Tergit. stätigt werden. Lebensraum und Biologie: Der Falter kann in Die sehr vagilen und wenig standorttreuen Imagi- verschiedenen Biotopen vorkommen und wech- nes saugen hauptsächlich an Wasserdost (Eupa- selt darüber hinaus auch gern seinen Aufenthalts- torium cannabinum), Gemeinem Dost (Origanum ort. Während der heißen Tageszeit fliegt E. qua- vulgare) und an Kratzdisteln (Cirsium sp.), wobei dripunctaria zu schattigen, feuchten Stellen, um die Auswahl der Nektarpflanze vom lokalen An- sich vor der Hitze und intensiver Sonnenstrahlung gebot abhängt. In vielen Regionen kommt dies- zu schützen. Man findet ihn dann mitunter in küh- bezüglich dem Wasserdost die größte Bedeutung len Schluchten in großen Aggregationen. Dieses zu (SCHÖNBORN & FRIEDRICH 1995, PETZOLD et al. Verhalten kann in Südeuropa verstärkt beobach- 2004). In ST spielt er aber zumeist eine unterge- tet werden und wird auf der Insel Rhodos (Grie- ordnete Rolle. chenland) im „Tal der Schmetterlinge“ touristisch Die Imagines sind recht langlebig. Auf Rhodos vermarktet. Ansammlungen von Faltern in riesi- können sie sogar bis zu drei Monate alt werden ger Anzahl bilden hier eine echte Attraktion für Ur- (ELGER 1969). Nach WEIDEMANN & KÖHLER (1996) lauber. erfolgt die Eiablage in einschichtigen Spiegeln. Die

169 Art prioritären Schutzstatus. Dies steht im Wider- spruch zu ihrer nahezu ubiquitären Verbreitung in Südeuropa. Bereits für Süddeutschland wird, si- cher mit Blick auf die Spanische Flagge, vor einer zu starken Ausrichtung von Artenschutzprogram- men auf die Arten der FFH-Richtlinie gewarnt (HOFMANN et al. 2005). Hingegen kommt Populati- onen an Arealgrenzen und damit auch den Vor- kommen der Spanischen Flagge in ST eine deut- lich höhere naturschutzfachliche Bedeutung zu.

Kenntnisstand und Vorkommen in Sachsen-Anhalt

Im Gegensatz zur Situation in weiter südlich ge- legenen Regionen ist E. quadripunctaria in ST, an der Nordgrenze ihrer Verbreitung, eine nur lokal vorkommende und stark gefährdete Art. Sie bewohnt(e) hier zwei disjunkte Teilareale, von denen eines die tief in den nördlichen Harzrand eingeschnittenen Täler sowie das nördliche und Abb. 4.3-39: Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761) - östliche Vorland dieses Mittelgebirges umfasst. Spanische Flagge (Foto: Ch. SCHÖNBORN). Hier ist die Spanische Flagge auch heute noch regelmäßig zu finden. Aus dem zweiten Teilareal, Raupen leben polyphag, wobei im Herbst meist dem Saale-Unstrut-Gebiet, liegen seit mehr als an verschiedenen Kräutern und Stauden und nach 30 Jahren keine Nachweise mehr vor. Zu den bei der Hibernation zumindest regional eher an nied- EVSA (2000) zusammengestellten 42 Meldungen rigen Gehölzen gefressen wird (BERGMANN 1953; aus ST sind aus den letzten Jahren noch einige aber vgl. EBERT 1997). aus dem und seinem nördlichen Vorland bis hin zum Stadtrand von Halberstadt hinzugekom- Verbreitung: Das Verbreitungsgebiet erstreckt men, so dass von etwa 50 Nachweisen vor Be- sich von Russland und Vorderasien bis Süd- und ginn der in den Jahren 2005/2006 durchgeführ- Westeuropa. Die Art kommt im Norden bis in das ten Bestandserfassungen auszugehen ist. Diese Baltikum und bis nach Südengland vor. Die nörd- verteilen sich auf die naturräumlichen Hauptein- liche Verbreitungsgrenze verläuft durch Deutsch- heiten Thüringer Becken mit Randplatten (D18), land, wo die Art das Weserbergland, das Nördli- Sächsisches Hügelland mit Erzgebirgsvorland che Harzvorland und die Oberlausitz erreicht. In (D19), Östliches Harzvorland (D20), Nördliches Südeuropa und im südlichen Mitteleuropa ist die Harzvorland (D33) und den Harz (D37). Im Ge- Spanische Flagge weit verbreitet. gensatz zu weiter im Süden gelegenen Vorkom- Bezüglich des Gefährdungs- und Schutzstatus men ist die Art in ST meist einzeln oder in gerin- wird auf Tab. 1-1 verwiesen. ger Individuendichte anzutreffen. Der hohe europarechtliche Schutzstatus der Art Insgesamt wurden im Vorfeld der aktuellen Un- beruht auf einem Versehen (PRETSCHER 2000). Es tersuchungen (EVSA 2000) vier FFH-Gebiete er- war geplant, einen besseren Schutz für die Popu- mittelt, aus denen E. quadripunctaria-Meldungen lation von Rhodos zu schaffen, die als endemi- vorlagen. Zusammengefasst ergaben sich hierfür sche Unterart E. quadripunctaria rhodosensis be- 27 Meldungen, deren Verteilung auf die einzel- trachtet wird und die u. a. durch ausufernden Tou- nen FFH-Gebiete in der nachfolgenden Tabelle rismus bedroht ist (s. o.). Durch Weglassung des dargestellt ist. infraspezifischen Namens erlangte die gesamte

Tab. 4.3-20: Ausgangsdatenlage zum Vorkommen der Spanischen Flagge (E. quadripunctaria) in sachsen-anhal- tischen FFH-Gebieten

Anzahl der Meldungen in Datenbank FFH-Gebiet Zeitraum der Nachweise LAU (Stand 2005)

FFH 0084 4 1905 (REINECKE 1905) - 2000 (leg. SCHÖNBORN) FFH 0096 13 vor 1834 (SAXESEN 1834) - 1999 (leg. HANDKE) FFH 0161 7 1952 (leg. WERNER) - 1999 (leg. SCHÖNBORN) FFH 0243 3 1956 - 1959 (leg. HUTH)

170 Erfassungsmethodik

In vier FFH-Gebieten wurden von 2005–2006 Untersuchungen zur Bestandssituation der Art vorgenommen. Die Recherchen erfolgten entspre- chend der Vorgaben von SCHNITTER et al. (2006). Da die kaum zu übersehenden Falter einen ho- hen Nektarbedarf haben, sind sie zur Flugzeit durch Absuchen geeigneter blühender Hochstau- denfluren vergleichsweise leicht zu finden, wenn es nicht zu heiß ist (siehe oben). Ergänzend zu Erhebungen am Tag wurden Lichtfänge (Misch- licht und HQL) durchgeführt. Auch die Raupensu- che im Mai kam in einem FFH-Gebiet zur Anwen- dung. Das nächtliche Ableuchten der Raupenha- bitate brachte allerdings keinen Erfolg.

Situation in den bearbeiteten FFH-Gebieten

FFH-Gebiet 0084 – „Harslebener Berge und Abb. 4.3-40: Potenzielles Habitat von E. quadripuncta- Steinholz nordwestlich Quedlinburg“ ria im FFH-Gebiet 0084. Eine Bewertung erfolgte nicht, da aktuelle Artnachweise nicht gelangen. Vorkenntnisse: Im NSG „Harslebener Berge und Steinholz“, welches in wesentlichen Teilen auch Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: die Flächen des FFH-Gebietes 0084 umfasst, Eine Bewertung des Erhaltungszustandes des gelang der Nachweis der Spanischen Flagge Gebietes erfolgte nicht, da die Art im Untersu- mehrfach. Bereits REINECKE (1905) meldete die Art, chungszeitraum nicht registriert werden konnte. deren Auftreten im Gebiet für die Jahre 1940 und Im Gebiet waren während der Begehungen für E. 1958 bestätigt werden konnte (JUPE 1968). Zudem quadripunctaria suboptimale Bedingungen anzu- gibt sie SCHÖNBORN im Gebiet für das Jahr 2000 treffen, weil Distelbestände als einzige verfügba- an. Sie wurde im Gipfelbereich des Großen The- re Nektarpflanze aufgrund von trockenheißer Wit- kenberges und bei den „Hinterbergen“ festgestellt. terung und intensiver Schafbeweidung nur punk- Aktuelle Vorkommen: Die Art konnte im FFH- tuell vorkamen. Sie stehen in den wenigen Sen- Gebiet 0084 aktuell nicht nachgewiesen werden. ken (vermutlich Bombentrichter).

Abb. 4.3-41: Habitat von E. quadripunctaria im FFH-Gebiet 0084 (Foto: O. ELIAS).

171 In Anbetracht der aus diesem Gebiet bekannt ge- gelangen. Insgesamt erfolgte – trotz der Konzen- wordenen Nachweise im Jahr 2000 ist gegenwär- tration an besiedelten Teilflächen – eine Bewer- tig noch mit Vorkommen der Spanischen Flagge tung des Gesamtgebietes mit „gut“ (B). Keine der trotz fehlender Neunachweise zu rechnen. Teilflächen war als „hervorragend“ einzuschätzen. Ausschlaggebend dafür war u. a. der Fakt, dass Handlungsbedarf: Aufgrund der recht aktuellen die Spanische Flagge in den Teilflächen nur in Funde der Art aus dem Jahr 2000 bei den „Hinter- geringen Individuendichten auftritt, auch wenn sie bergen“ sowie vom unmittelbaren Gipfelbereich im Gebiet weit verbreitet ist. des Großen Thekenberges ist die Art trotz fehlen- der Neunachweise weiterhin im SDB zu führen, a) Population zumal auch im Umfeld des Gebietes aktuelle An- Der Zustand der Population kann insgesamt mit siedlungen bekannt sind (siehe unten). Im Rah- „gut“ (B) bewertet werden. Die Bestandsgrößen men weiterer Untersuchungen ist die Bestandssi- sind in den einzelnen Teilflächen allerdings nur unter tuation der Art im FFH-Gebiet 0084 abzuklären. „mittel-schlecht“ (C) einzustufen. Die im Bewer- tungsschema (SCHNITTER et al. 2006) vorgegebe- nen Individuenzahlen sind unter den Bedingungen FFH-Gebiet 0096 – „Selketal und Berg- am Nordrand der Verbreitungsgrenze der Art in ST wiesen bei Stiege“ wohl selbst in optimalen Habitaten nicht erreich- bar. Allerdings weist das FFH-Gebiet „Selketal und Vorkenntnisse: Bereits durch SAXESEN (1834) wird die Art für die Burg Anhalt im Selketal unterhalb Bergwiesen bei Stiege“ die für ST individuenreichs- von Mägdesprung vermeldet. Seit dieser Zeit ten Vorkommen der Spanischen Flagge auf. konnten insgesamt 13 Nachweise für das Selke- b) Habitat tal erbracht werden. Das älteste hier zuzuordnen- Insgesamt ist im FFH-Gebiet 0096 eine gute Ha- de Belegexemplar von 1853 befindet sich in der bitatqualität (B) festzustellen. Die wichtigste Nek- Sammlung der Martin-Luther-Universität Halle. tarpflanze ist hier Cirsium palustre, auch C. ar- Seit dieser Zeit gelang es, die Art bei Meisdorf vense wird genutzt. Das Blütendargebot ist aus- (1937 leg. SCHMIDT, 1972 leg. KRONE [RADE- reichend. Im besiedelten Teil des Selketals exis- MACHER in litt.]), an der Selke-Mühle (1987 leg. tiert ein Habitatverbund, der den Austausch zwi- LOTZING), bei Alexisbad-Mägdesprung (vor 1952, schen den einzelnen Teilpopulationen ermöglicht. coll. Museum Bernburg) und am Meiseberg (1953, Hochstaudenfluren und nicht zu feuchte Gehölz- 1954, 1956 [jeweils leg. PATZAK] und 1985 [leg. bestände sind entsprechend den Bedürfnissen der JÄCKEL, Fundortangabe NSG „Selketal“]) nach- Art gegeben. Lokal sind die Bedingungen zuweisen. allerdings infolge der bis an die Waldsäume her- Aktuelle Vorkommen: In den Jahren 2005/06 anreichenden Grünlandbewirtschaftung subopti- wurden in 10 verschiedenen Habitaten ca. 50 mal. Auch befinden sich im Gebiet bislang von der Falter nachgewiesen. Art noch nicht besiedelte Abschnitte, die potenzi- ell als Lebensräume in Frage kommen. Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Im FFH-Gebiet 0096 konnten 10 verschiedene c) Beeinträchtigungen Habitate ermittelt werden, in denen Artnachweise Obwohl abschnittsweise durchaus gut ausgebil- dete Hochstaudenfluren mit zahlreichen Blüten-

Abb. 4.3-42: Bewertung des Erhaltungszustandes der Teilpopulation von E. quadripunctaria im FFH-Gebiet 0096.

172 pflanzen vorhanden sind, limitiert die Nutzung der duendichte vorhanden. Aktuell besiedelte Habita- Grünlandflächen bis an die Waldränder und Säu- te konnten im Gebiet der „Schurre“ und „Roßtrap- me heran das Auftreten geeigneter Falterhabita- pe“ bei , zwischen „Riefen“ und „Wilhelms- te. Eine Bewertung der Beeinträchtigungen erfolg- blick“ sowie an der „Falkenklippe“ bei , te fast durchgängig mit „mittel“ (B). Nur in einem am „Bösen Kleef“ bei sowie außerhalb besiedelten Bereich waren stärkere Beeinträchti- des Bodetales an den „Sommerklippen“ im Wurm- gungen zu registrieren, so dass hier eine Bewer- bachtal bei Stecklenberg ermittelt werden. tung mit „mittel-schlecht“ (C) vorgenommen wer- Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: den musste. Der Erhaltungszustand der Art im FFH-Gebiet kann Handlungsbedarf: Derzeit besteht nur ein gerin- im Ergebnis der aktuellen Untersuchungen zusam- ger Handlungsbedarf zur Förderung der Spani- menfassend als „gut“ (B) eingeschätzt werden. In schen Flagge im FFH-Gebiet 0096. Die Erforder- den fünf untersuchten Habitaten, in denen Bedin- nisse der artspezifisch ausgerichteten Pflege oder gungen vorhanden sind, die den Lebensrauman- Nutzung der Habitatflächen sind im MMP darzu- sprüchen der Art gerecht wurden, gelang auch der legen. Anstrebenswert wäre es, breitere Saum- Nachweis von E. quadripunctaria. bereiche entlang der Selke und an den Waldrän- a) Population dern von der Grünlandnutzung auszuklammern. Die festgestellten Individuendichten sind sehr ge- Gebüschreiche Waldränder sind zu fördern. ring, jedoch konnten an allen geeignet erschei- nenden Lokalitäten im FFH-Gebiet 0161 auch FFH-Gebiet 0161 – „Bodetal und Laub- Falter nachgewiesen werden. Damit ist eine wei- wälder des Harzrandes bei Thale“ te Verbreitung der Art im Gebiet zu beobachten. Aufgrund der hohen Mobilität der Art sind Isolati- Vorkenntnisse: Die Spanische Flagge wurde in der onseffekte auszuschließen. Dennoch konnte der Vergangenheit wiederholt aus dem Bodetal gemel- Zustand der Population insgesamt nur mit „gut“ det, wobei sich die Nachweise entweder auf die (B) eingeschätzt werden, weil zu geringe Indivi- Roßtrappe bezogen oder summarisch für „Thale“ duendichten eine höhere Bewertung nicht zulas- angegeben wurden (1952 leg. WERNER, 1953 leg. sen. In den Habitaten 3 und 4 ist der Zustand der DOBERITZ, 1985 leg. LEMM). Später gelang es, Teilpopulationen nur mit „mittel–schlecht“ (C) zu die Art auch weiter bodeaufwärts am Wilhelmsblick bewerten. bei Treseburg nachzuweisen (1998 leg. SCHÖN- BORN) und erneut für die Umgebung von Thale b) Habitat zu bestätigen („Schurre“, 1999 leg. SCHÖNBORN). Im Bereich der Schurre und der Roßtrappe sind für die wärmebedürftige Art gute Bedingungen Aktuelle Vorkommen: Die Art ist im FFH-Gebiet vorhanden. Ein reiches Angebot geeigneter Nek- 0161 weit verbreitet, aber nur in geringer Indivi- tarpflanzen befindet sich an den lichten Wald-

Abb. 4.3-43: Von E. quadripunctaria besiedeltes Habitat bei Treseburg im FFH-Gebiet 0161 „Bodetal und Laub- wälder des Harzrandes bei Thale“ (Foto: Ch. SCHÖNBORN).

173 Abb. 4.3-44: Habitat 1 von E. quadripunctaria im FFH-Gebiet 0161 (Foto: Ch. SCHÖNBORN). grenzstandorten. In anderen Gebietsteilen sind gerufen werden. Aufgrund ihrer hohen Mobilität Saugblüten jedoch oftmals nur punktuell bzw. scheint die Spanische Flagge in der Lage zu sein, zeitweise gar nicht verfügbar. Die Dominanz von auch weiter entfernte Nektarquellen zu erreichen. Nadelholzbeständen in vielen Teilbereichen des Insgesamt ist die Habitateignung des FFH-Gebie- Gebietes schränkt die Ausbildung offen-sonniger tes mit „gut“ (B) zu bewerten. Nur in einem der fünf Standortbedingungen ein. So reduziert sich durch untersuchten Habitate musste eine Einstufung mit Ausdunklung infolge der Fichtenwaldwirtschaft das „mittel-schlecht“ (C) vorgenommen werden. Angebot von für die Art geeigneten Nektarpflan- zen. Nur vorübergehend (z. B. bei Kahlschlag) c) Beeinträchtigungen halten solche Flächen dann Nahrungspflanzen Beeinträchtigungen sind in den untersuchten Teil- bereit. Die Blütenarmut kann aber auch durch flächen entlang der bei Thale (Habitat 1) und hochsommerliche Hitze und Trockenheit hervor- am „Bösen Kleef“ (Habitat 3, ONO Altenbrak)

Abb. 4.3-45: Bewertung des Erhaltungszustandes der Teilpopulation von E. quadripunctaria im FFH-Gebiet 0161.

174 kaum festzustellen, so dass die Bedingungen hier bieten Sachsen-Anhalts bekannt geworden (EVSA unter „keine“ (A) eingeschätzt werden können. Die 2000); eine weitere Meldung der Art kam im Jahr anderen Untersuchungsflächen wurden mit „B“ 2000 noch hinzu. In zwei der vier zum Untersu- bewertet, was auch zusammenfassend für das chungsprogramm gehörenden Gebieten konnte gesamte FFH-Gebiet zutreffend ist – „mittel“ (B). die Spanische Flagge aktuell bestätigt werden. Sie Wie bereits oben eingeschätzt, ergeben sich vor trat in den FFH-Gebieten 0096 „Selketal und Berg- allem durch forstwirtschaftliche Maßnahmen Ein- wiesen bei Stiege“ und 0161 „Bodetal und Laub- flüsse auf den Lebensraum der Art. Lokal können wälder des Harzrandes bei Thale“ in jeweils meh- auch durch geotechnische Sicherungsmaßnah- reren Habitaten auf. Besiedelt sind vor allem Sel- men entlang felsiger Straßenböschungen (Abnet- ke- und Bodetal (inkl. Wurmbachtal), dabei zen) Negativfolgen eintreten. vornehmlich die unteren, tief in den nördlichen Harzrand eingeschnittenen Abschnitte dieser Handlungsbedarf: Gegenwärtig werden viele der Flusstäler. Hier trat die Art während der Bestands- infolge der Borkenkäferkalamität geschädigten erhebungen allerdings nur in geringen Individu- Flächen wieder mit Fichten und Douglasien be- endichten auf. Durch Sachsen-Anhalt verläuft die pflanzt. Hier sollte stattdessen die sich bietende nördliche Arealgrenze der Spanischen Flagge. Chance zum Aufbau naturnaher Mischwälder ge- Deshalb kann hier nicht mit Individuendichten nutzt werden. gerechnet werden, wie sie in weiter südlich gele- Die Praxis des allzu leichtfertig betriebenen Ab- genen Regionen möglich sind. netzens straßenbegleitender Felsen ist kritisch zu In einem weiteren FFH-Gebiet (FFH 0084 „Hars- hinterfragen. Alternativ könnte lockeres, den Ver- lebener Berge und Steinholz nordwestlich Qued- kehr gefährdendes Gestein einmal jährlich abge- linburg“) ist ein aktuelles Vorkommen von E. qua- sprengt werden, so wie dies früher üblich war. Für dripunctaria sehr wahrscheinlich, auch wenn im die Erhaltung der Habitate der Spanischen Flag- Zuge der Erfassungen in den Jahren 2005/06 kei- ge wäre dies die verträglichere Variante. ne Tiere festgestellt wurden. Möglicherweise hat- ten die vagilen Imagines das im trockenen Som- FFH-Gebiet 0243 – „Schlossberg und mer 2006 blütenarme Habitat nur witterungsbe- Burgholz bei Freyburg“ dingt verlassen. Der letzte Artnachweis erfolgte hier – vergleichsweise aktuell – im Jahr 2000. Vorkenntnisse: Durch HUTH konnte in den Jah- Nach wie vor sind im Gebiet, wenn auch subopti- ren 1956, 1957 und 1959 E. quadripunctaria auf mal, Bedingungen gegeben, die eine Ansiedlung dem Schlossberg bei Freyburg belegt werden. der Spanischen Flagge zulassen. Auch wenn nicht Aktuelle Vorkommen: Die Art wurde im FFH- mit Sicherheit gesagt werden kann, ob die Art hier Gebiet 0243 aktuell nicht nachgewiesen. noch siedelt, ist in Anbetracht ihrer hohen Mobili- tät und der nachgewiesenen Populationen im Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Umfeld des FFH-Gebietes 0084 ein Einflug Die fehlenden aktuellen Nachweise machen eine durchaus in Erwägung zu ziehen. Neubesiedlun- Bewertung des FFH-Gebietes 0243 unmöglich. Es gen sind deshalb zu erwarten. In diesem Zusam- ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon aus- menhang ist auf den Nachweis aus dem Jahr zugehen, dass E. quadripunctaria auf dem 2002 bei Börnecke (siehe unten) hinzuweisen, der Schlossberg in Freyburg nicht mehr vorkommt. nur wenige Kilometer von den „Harslebener Ber- Hier erfolgten seit 1959 mehrfach Bestandserhe- gen“ entfernt liegt. bungen, ohne dass Nachweise der Art gelangen. Die historischen Fundorte sind genau bekannt und Im FFH-Gebiet 0243 im Naturraum D18 wurde der wurden wiederholt gezielt aufgesucht. Der letzte Falter vor rund 50 Jahren beobachtet. Schlossberg ist heute flächendeckend mit Laub- Seither ist der Freyburger Schlossberg als ehe- wald bestanden. Früher ließ sich das Gebiet eher maliger Fundort völlig mit Gehölzen zugewach- als offene Landschaft umschreiben. Durch diese sen, so dass hier keine Bedingungen mehr vor- Habitatveränderungen ist der Art die Lebensgrund- handen sind, die ein Überleben der Art ermögli- lage entzogen worden, so dass die ehemaligen chen. Auch andere Fundorte in diesem Naturraum Vorkommen erloschen sein dürften. sind heute nicht mehr besiedelt. Insgesamt wurde die Spanische Flagge unter Ein- Handlungsbedarf: Die Art ist für das FFH-Gebiet beziehung des wahrscheinlich besiedelten FFH- 0243 im SDB zu streichen. Gebietes 0084 damit in drei der vier untersuchten Vorkommen bestätigt, was 75 % der gemeldeten Gebiete entspricht. Situation im Land Sachsen-Anhalt Im Rahmen anderweitiger Untersuchungen konnte Repräsentanz der Vorkommen innerhalb der die Spanische Flagge in zwei weiteren FFH-Gebie- FFH-Schutzgebietskulisse ten belegt werden. Die Suche nach der Art war im Bis 1999 sind von E. quadripunctaria von FFH-Gebiet 0078 „Laubwaldgebiet zwischen Wer- insgesamt 42 Nachweisen 27 aus vier FFH-Ge- nigerode und Blankenburg“ (leg. SCHÖNBORN,

175 Abb. 4.3-46: Vorkommen der Spanischen Flagge (E. quadripunctaria) in den bearbeiteten FFH-Gebieten Sach- sen-Anhalts.

1 Falter 21.08.2004 Tagfang, Koordinaten H: FFH-Gebieten entsprechend der methodischen 573920, R :442795). Vorgaben (SCHNITTER et al. 2006) erfolgte nicht. Dennoch ist die Spanische Flagge in den SDB sowie im aufzunehmen, der Erhaltungszustand ist derzeit FFH-Gebiet 0092 „Münchenberg bei Stecklen- allein aufgrund des aktuellen Vorkommens mit berg“ (leg. SCHÖNBORN, 7 Falter 11.08.2002 „mittel-schlecht“ (C) zu bewerten. Im Rahmen des Tagfang, Koordinaten H:573417, R:443837) er- weiteren Monitorings sind diese Gebiete intensiv folgreich. zu untersuchen und anschließend einer qualifizier- ten Einschätzung zu unterziehen. Eine durchgängige Erfassung der Art und anschlie- Durch die Neumeldungen ist in Sachsen-Anhalt ßende Bewertung des Erhaltungszustandes der nunmehr von vier aktuell von der Spanischen Flag- Teilpopulationen von E. quadripunctaria in diesen

176 ge besiedelten FFH-Gebieten auszugehen. Hin- Landesweite Bewertung des Erhaltungszu- zu kommt das FFH-Gebiet 0084, in dem die Art standes wahrscheinlich auch vorhanden ist. Die Artnach- Während in zwei der vier untersuchten FFH-Ge- weise in diesen FFH-Gebieten ergaben sich über- biete die Spanische Flagge aktuell bestätigt wer- wiegend erst in den letzten Jahren. In Anbetracht den konnte, blieben in den beiden anderen FFH- der hier auch in der Vergangenheit durchgeführ- Gebieten Falternachweise aus. Für letztere wur- ten Schmetterlingserfassungen, bei denen die Art de keine Bewertung vorgenommen, auch wenn nicht nachgewiesen werden konnte, ist davon in dem Gebiet „Harslebener Berge und Steinholz auszugehen, dass die Ansiedlungen sich erst in nordwestlich Quedlinburg“ davon ausgegangen jüngerer Zeit ergeben haben. werden muss, dass die Population noch existiert. Alle FFH-Gebiete mit bestätigten Nachweisen von Es ist sehr gut möglich, dass das scheinbare Feh- E. quadripunctaria sind dem nördlichen Harzrand len der Art im heißen Sommer 2006 nur ein witte- und dem Nördlichen Harzvorland zuzuordnen. rungsbedingter Artefakt war. Diese Region stellt damit – unter Einbeziehung Beide besiedelten Gebiete wurden mit „gut“ (B) weiterer Meldungen außerhalb der Schutzgebiets- bewertet. Eine bessere Bewertung scheiterte vor kulisse (s. u.) – den einzigen von der Art relativ allem daran, dass die angetroffenen Individuen- geschlossen besiedelten Raum in Sachsen-An- dichten deutlich hinter den Werten zurückblieben, halt dar. die hierzu notwendig wären. Auf die besondere Situation im Zusammenhang mit der durch Sach- Vorkommen außerhalb der FFH-Gebiete sen-Anhalt verlaufenden Verbreitungsgrenze wur- Die Vorkommenssituation von E. quadripunctaria de bereits verwiesen. Dadurch bedingt sind hier im Land Sachsen-Anhalt ist in EVSA (2000) und die in südlicheren Gefilden üblichen Individuen- bei SCHMIDT (2001) dargestellt. In Ergänzung dazu zahlen nicht der alleinige Maßstab, die Stabilität gelangen zwischen 2000 und 2006 im Nördlichen der Populationen zu beurteilen. In Anbetracht der Harzvorland (D33) weitere Nachweise an ins- während der hier vorgestellten Untersuchungen gesamt sechs Lokalitäten außerhalb von FFH- ermittelten Vorkommen der Spanischen Flagge Gebieten, die nachfolgend mit konkretisierten kann deshalb eingeschätzt werden, dass die Be- Angaben aufgelistet sind. stände im Nördlichen Harzvorland und am Nord- rand des Harzes gegenwärtig nicht mehr akut Halberstadt, Klusberge, 20.08.2002 am Licht, H: gefährdet sind, obwohl einschränkend auf die 574835, R: 443512, SCHÖNBORN Möglichkeit von Fluktuationen ohne sichtbare Halberstadt, Spiegelsberge, 2004, H: ca. 574900, R: Kausalzusammenhänge hingewiesen werden ca. 443400, JUNG muss, die sich immer wieder im Randbereich von Langenstein, Altenburg, Datum nicht bekannt, H: Verbreitungsgrenzen abspielen können. 574687, R: 443032, Fotobeleg HELLMANN (UNB Hal- Inwieweit ähnliche Prozesse im Umfeld des FFH- berstadt), vid. SCHÖNBORN Gebietes 0243 zum Tragen kommen, kann nicht Börnecke, Weinberg, 1 Falter am Licht, 09.08. 2002, geklärt werden. Offensichtlich ist das Erlöschen H: 574425, R: 443430, SCHÖNBORN der früher vorhandenen Population auf dem Blankenburg, Teufelsmauer, 2 Falter am Licht, Schlossberg bei Freyburg auf Sukzessionsprozes- 06.08.2003, H: 573892, R: 443005, SCHÖNBORN se in der ehemals offenen Landschaft zurückzu- Timmenrode, FND Küsterberg, 2 Falter, 15.08. 1998, führen, die sich infolge der Aufgabe der habitat- H: 573730, R: 443157, SCHÖNBORN prägenden Nutzung einstellten. Ursprünglich vor- handene Larvalhabitate sind heute mit Wald be- In allen vorgenannten Gebieten lassen sich die deckt. Doch auch im Umfeld dieses Gebietes sind Lebensräume als artenreiche Magerrasen mit gut gegenwärtig keine anderweitigen Vorkommen der ausgebildeten Saumstrukturen charakterisieren, Art mehr bekannt, obwohl geeignete Habitate im wie sie in ähnlicher Form auch im FFH-Gebiet Naturraum D18 nach wie vor vorhanden sind. 0084 vorhanden sind. Das wahrscheinlich noch besiedelte FFH-Gebiet Ein weiterer Fundort für die Art wurde im Harz 0084 liegt komplett im Naturraum D33, der in der (D37) bei Bad Suderode mit den Daten Atlantischen Region liegt. Hierher gehören auch Bad Suderode, „Anhaltinischer Saalstein“, 1 Fal- wesentliche Teile des mit B bewerteten FFH-Ge- ter am Licht, 04.08.2004, H: 573167, R: 443825, bietes 0161, welches sich zudem bis in den Harz leg. SCHÖNBORN (Naturraum D37) hinein ausdehnt. Der Naturraum Harz gehört zur Kontinentalen Region. In diesem registriert. Das felsgeprägte Habitat entspricht Naturraum liegt das ebenfalls mit B bewertete strukturell den Lebensräumen im Bode- bzw. FFH-Gebiet 0096. Wurmbachtal.

177 Tab. 4.3-21: Zusammenfassung der Bewertungsergebnisse zum Vorkommen der Spanischen Flagge (E. quadri- punctaria) in den FFH-Gebieten und Hinweise zur Aktualisierung der SDB Abkürzungen: x: geführt bzw. durchgeführt; -: nicht geführt bzw. nicht durchgeführt; A, B oder C: Bewertungsstufen; N: Vor- schlag zur Neuaufnahme im SDB; S: Vorschlag zur Streichung im SDB; n.B.: aktuell kein Nachweis, Vorkommen aber wahr- scheinlich, in Klammern: Bewertung vorläufig. FFH-Gebiet: Nr. FFH-Gebiet: Nr. FFH-Gebiet: Name letzter Nachweis (Jahr) SDB (alt) SDB (Vorschlag) Bewertung Zustand der Population Habitatqualität Beeinträchtigung Gesamtbewertung Erhaltungszustand Gutachterliche Einschätzung

Laubwaldgebiet zwischen 0078 - N (x) - - - C x Wernigerode und Blankenburg Harslebener Berge und Steinholz 0084 2000 x x n.B - - - - x nordwestlich Quedlinburg 0092 Münchenberg bei Stecklenberg - N (x) - - - C x 0096 Selketal und Bergwiesen bei Stiege 1999 x x x B B B B - Bodetal und Laubwälder des 0161 1999 x x x B B A B - Harzrandes bei Thale Schlossberg und Burgholz bei 0243 1959 x S x - - - - x Freyburg

Tab. 4.3-22: Zusammenfassung der Bewertungsergebnisse zum Vorkommen der Spanischen Flagge (E. quadri- punctaria) in FFH-Gebieten des Landes Sachsen-Anhalt - differenziert nach naturräumlichen Haupteinheiten Anmerkung: In der Tabelle sind Mehrfachnennungen von FFH-Gebieten (z. B. FFH 0161) möglich, wenn die Fläche des Gebie- tes mehrere Naturräume überstreicht. Bei der kumulierten Gesamtanzahl wurden die Mehrfachnennungen nicht berücksichtigt.

Bewertung mit Naturraum A B C Ohne Nachweis FFH-Gebiet n FFH-Gebiet N FFH-Gebiet n Atlantische Region FFH 0078 D33 - - - - 2 FFH 0084 FFH 0092 Kontinentale Region D18 ------FFH 0243 FFH 0096 D37 - - 2 FFH 0078 1 - FFH 0161 Gesamt 2 2 2

Kohärenz der Vorkommen In den weiter südlich gelegenen Mittelgebirgen und Hügelländern kommt die Spanische Flagge Die zwei bestätigten Vorkommen in den für die Art ebenfalls aktuell vor. Durch das mutmaßliche Erlö- gemeldeten FFH-Gebieten einschließlich der FFH- schen der Population(en) des Saale-Unstrut-Ge- Gebiete 0078 und 0092, in denen zwischenzeitlich bietes ist die Verbindung dorthin nicht mehr durch- Erstnachweise erbracht werden konnten, sowie die gängig gewährleistet. Vielleicht wurden diese in- sieben außerhalb der FFH-Schutzgebietskulisse folge von vorübergehenden Bestandsfluktuationen registrierten Fundorte liegen relativ dicht beieinander, unterbrochen, die in Randbereichen von Verbrei- überwiegend in der Blankenburger Kreidemulde tungsgebieten immer wieder auftreten können. sowie in den Durchbruchstälern des anschließen- Augenscheinlich haben sich im Saale-Unstrut-Ge- den Nordharzes. Für eine so mobile Art wie die Spa- biet nicht alle potenziellen Habitate der Art so stark nische Flagge stellt die Überwindung der dazwischen verändert wie der bekannte Fundort am Freybur- liegenden Räume kein Problem dar (vgl. auch LAN- ger Schlossberg und müssten auch heute noch GE 1999), zumal ggf. noch weitere Vorkommen exis- genug Qualität bieten, um ein Überleben von E. tieren und auch geeignete Trittsteine vorhanden sind. quadripunctaria auch dauerhaft zu gewährleisten. Die Kohärenz zwischen den besiedelten Habitaten im Verbreitungsgebiet der Spanischen Flagge in ST EITSCHBERGER & STEINIGER (1980) stufen E. quadri- ist gewährleistet. punctaria als Binnenwanderer (= Saisonwanderer

178 2. Ordnung) ein, so dass Wiederbesiedlungen wicklung zu beobachten. Ursprünglich vorhande- grundsätzlich immer möglich sein müssten. Die ne, für die Falter geeignete Strukturen gehen im nächsten durch die Spanische Flagge beflogenen Zuge dieser Sukzessionsprozesse verloren. Eine Gebiete befinden sich im niedersächsischen Süd- übermäßige Beweidung im Sommer kann eben- harz und im Weserbergland (FÜLDNER 2000, LOBEN- falls zu Beeinträchtigungen führen. Weitere Ge- STEIN 2003) sowie in Thüringen und Sachsen, wo fahren gehen von Fichtenmonokulturen aus, in besonders im oberen Saaletal (SCHÖNBORN & FRIED- denen sich aus Lichtmangel kein ausreichendes RICH 1995) und im unteren Osterzgebirge (PETZOLD Blütenangebot entwickeln kann. Auch geotechni- et al. 2004) größere Populationen vorhanden sind. sche Sicherungsmaßnahmen („Abnetzen“) in den felsigen Larvalhabitaten können sich negativ be- merkbar machen. Insgesamt sind anthropogene Handlungsbedarf Beeinträchtigungen der Lebensräume von E. qua- dripunctaria aber weniger kritisch zu beurteilen, Administrative Maßnahmen als dies bei anderen Schmetterlingsarten des An- Infolge der ermittelten Ergebnisse lassen sich die hangs II der FFH-Richtlinie der Fall ist. Die hier in der nachfolgenden Tabelle dargestellten admi- genannten Beeinträchtigungen auf die Lebensräu- nistrativen Maßnahmen zur Erhaltung der Teilpo- me der Spanischen Flagge zu minimieren, ist eine pulationen von E. quadripunctaria in den FFH- wesentliche Voraussetzung, die Art zu fördern. Gebieten Sachsen-Anhalts ableiten. Das „Habitat“ der Spanischen Flagge ist in seiner Zudem befinden sich die beiden aktuellen Vorkom- räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zu ande- men innerhalb der FFH-Schutzgebietskulisse ren tagaktiven Faltern wesentlich schwerer zu er- ebenso wie das möglicherweise noch existente kennen. E. quadripunctaria besiedelt bei uns xe- dritte Vorkommen der Art in den „Harslebener rotherm beeinflusste Lebensräume. Die Raupen Bergen und Steinholz nordwestlich Quedlinburg“ entwickeln sich in Säumen an Felsen, Blockschutt- weitgehend in großflächigen Naturschutzgebieten. halden, Steinbrüchen und Magerrasen. Weil die Lediglich das Bodetal oberhalb von Treseburg hat Imagines einen sehr hohen Nektarbedarf haben, noch immer keinen adäquaten Schutzstatus nach sind sie bei entsprechendem Angebot in den Lar- nationalem Recht. Hier wurden mehrere Versu- valhabitaten zu finden, bei Mangel an geeigneten che zur Erweiterung des bestehenden NSG „Bo- Ressourcen erlaubt ihnen ihre Mobilität weite detal“ durch die Obere Naturschutzbehörde ergeb- Nahrungsflüge. Im Sommer 2005 mit normalem nislos abgebrochen. Vor dem Hintergrund des Blütenangebot zur Flugzeit blieben die Imagines Vorkommens der Spanischen Flagge sollte das im Bodetal an den warmtrockenen Hängen und NSG erweitert werden. saugten dort an Dost (Origanum). Im heißen Juli 2006 blühte dort nichts mehr. Die Falter waren Von den aktuellen Fundorten außerhalb von für die deshalb oftmals weit entfernt von diesen Orten am Art gemeldeten FFH-Gebieten beziehen sich drei Bodeufer (an Cirsium palustre), auf einer Lich- auf ein NSG oder FND. Für die verbleibenden Ge- tungsflur und entlang eines Waldwegs (auf dem biete scheinen weitergehende hoheitliche Schutz- Plateau an Senecio cf. ovatus) anzutreffen. Da maßnahmen gegenwärtig nicht vordringlich. die Nektarressourcen essenzieller Bestandteil des Habitats sind, müssen bei der Biotoppflege so- Management wohl Larval- als auch Imaginalhabitate berücksich- Eventuell vorhandene Habitate, in denen keine tigt werden, die ggf. räumlich voneinander getrennt Falternachweise gelangen, sind in Saumbereichen liegen können. arm an blütenreichen Hochstauden. Teilweise feh- Die primären Larvalhabitate an Felshängen bedür- len derartige Säume gänzlich. Anderenorts sind fen keiner Pflege. Wo felsige Talabschnitte mit Fich- zunehmende Verbuschungen bis hin zur Waldent- tenforst bestanden sind, sollten die Fichten abge-

Tab. 4.3-23: Vorschläge zur Erweiterung und Ergänzung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und Kartierungs- bedarf für die Spanische Flagge (E. quadripunctaria) in Sachsen-Anhalt

Grenzanpassung Kartierung Ergänzung Nachmeldung erforderlich und Naturraum Fundort/FFH-Gebiet im SDB als FFH-Gebiet (Einbindung von Bewertung erforderlich prüfen Vorkommen) erforderlich FFH 0078 „Laubwaldgebiet D33/ zwischen Wernigerode und - x - x D37 Blankenburg“ FFH 0084 „Harslebener D33 Berge und Steinholz - - - x nordwestlich Quedlinburg“ FFH 0092 „Münchenberg bei D33 - x - x Stecklenberg“

179 trieben oder zumindest aufgelichtet werden. Kritisch Monitoring zu hinterfragen sind Maßnahmen der Verkehrssi- cherheit entlang von Straßen (vgl. SCHÖNBORN & Bundesmonitoring FRIEDRICH 1995), z. B. das allzu leichtfertig betriebe- Die Vorgaben für das Bundesmonitoring sehen für ne Abnetzen von Felshängen. Habitate in Magerra- ST den Totalzensus für die atlantische Region vor, sen sind mit den üblichen Mitteln (Schafbeweidung) für die kontinentale Region ist eine STPE auszu- zu pflegen und vor Verbuschung zu bewahren. Dabei weisen. Alle mit aktuellen Falternachweisen und sollten blütenreiche Staudenfluren nicht zur Falter- höheren Individuendichten belegten Vorkommen flugzeit im Hochsommer überweidet werden. Wo in ST liegen in der kontinentalen Region. In der sinnvoll möglich, können solche Staudensäume auch atlantischen Region befinden sich zahlreiche als „Landschaftselemente“ i. S. des Cross Compli- Fundpunkte von Einzelfaltern aus den Jahren ance ausgegrenzt und später im Herbst durch Mahd 2002–2004, welche sich nach Norden bis an den gepflegt werden. Entsprechende Zusatzleistungen Ortsrand von Halberstadt erstrecken. Im Rahmen sind dem Nutzer zu vergüten und würden auch an- der Ersterfassung zum Monitoring der Art in ST dere Arten fördern. konnte nur eine potenzielle Habitatfläche („Hars- Ein solches Modell könnte auch auf den als Ima- lebener Berge“, D33 „Nördliches Harzvorland“) ginalhabitate bedeutsamen Talwiesen an Bode erfasst werden, welche mit vier aufgefundenen und Selke praktiziert werden, wo mehrere Meter Faltern aus dem Jahre 2000 hinterlegt ist. Diese breite Staudensäume entlang der Waldkanten Fläche wird (auch aufgrund der immer wieder in bzw. der Erlengalerien entlang des Gewässers von der näheren Umgebung getätigten Falterfunde) als der Mahd oder Rinderweide auszusparen sind. STPE in die Flächenkulisse aufgenommen. Dort, wo die Talsohle vollständig bewaldet ist, z. Als STPE für die kontinentale Region wird hier das B. an der Bode unter der Roßtrappe, fliegen die individuenreichste Vorkommen in ST im FFH-Ge- Falter auch über die Böschungskanten hinweg auf biet 0096 „Selketal und Bergwiesen bei Stiege“ die Plateaus. Hier sollten durch entsprechende (NHE D37 „Unterharz“) vorgeschlagen. forstliche Bewirtschaftung ausreichend lichte Stel- len vorhanden sein, an denen Stauden zur Blüte Landesmonitoring gelangen können. Räumlich und zeitlich wechseln- de Blühhorizonte sind für die vagabundierende Art Grundlage für die Auswahl bilden die Gebiete, kein Problem. Keinesfalls sind blühende Wegrän- welche bereits im Rahmen der hier vorliegenden der im Hochsommer zu mähen. Kontraproduktiv Ersterfassung zum Landesmonitoring bearbeitet sind aber vor allem dunkle Altersklassenbestän- wurden und alle wesentlichen bis dahin bekann- de der Fichte, zumal wenn sie nicht mehr im Kahl- ten Vorkommen von E. quadripunctaria in ST ein- schlag bewirtschaftet und stattdessen kleinste schlossen. Lichtungen zugepflanzt werden. Blößen infolge Die im Rahmen des Landesmonitorings zu über- von Borkenkäferfraß oder Windbruch sollten nicht wachenden Flächen gehören zur Naturräumlichen ausgerechnet wieder mit Fichte aufgeforstet wer- Haupteinheit D37 (Harz), die Untersuchungsfläche den, wie dies gegenwärtig leider überall zu beob- im FFH-Gebiet 0084 „Harslebener Berge und Stein- achten ist. holz nordwestlich Quedlinburg“ zur NHE D33 „Nord- Die Erkenntnisse zu gefährdenden Beeinträchtigun- harzvorland“. Sie soll gleichzeitig die zahlreichen gen der Habitate sind mit den zuständigen Behör- Einzelfunde, welche in mehr oder weniger großer den und Eigentümern der Flächen auszuwerten. Distanz erbracht wurden, repräsentieren.

Tab. 4.3-24: Monitoringsystem für die Spanische Flagge (E. quadripunctaria) im Land Sachsen-Anhalt

Bundesmonitoring Landes- Totalzensus in der Naturräumliche Zuordnung Name des Gebietes atlantischen Region, monitoring 1 STPE in der kontinentalen Region Atlantische Region D33 „Nördliches Harzvorland“ Großer Thekenberg x x Kontinentale Region FFH 0096 „Selketal und x x Bergwiesen bei Stiege“ D37 „Harz“ Wurmbachtal bis Sommerklippen x - Bodeufer Bereich Gewitterklippen x - Riefen/Wilhelmsblick x -

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