Taiji-Meisterinnen Interview Mit Hella Ebel
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NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 20 Fachliches Taiji-Meisterinnen Interview mit Hella Ebel Von Gabriele Bührer In den chinesischen Kampfkünsten sind die weiblichen Stars eher eine Rarität. Im letzten Magazin begannen wir da- mit, eine chinesische Meisterin zu por- trätieren. Diesmal stellen wir mit Hella Ebel eine deutsche Taiji-Koryphäe vor. Sie leitet die Tai-Chi-Schule in Osna- brück, bildet seit vielen Jahren Lehre- rInnen aus und gibt Workshops in Europa und Asien. Sie begann ihre eige- ne Taijiquan-Ausbildung Ende der sieb- ziger Jahre bei Petra und Toyo Kobayas- hi. Heute lehrt sie in der Tradition des Meisters Huang Sheng Shyan und ge- hört zum inneren Schülerkreis von Wee Kee Jin, einem der Nachfolger von Meis- ter Huang. Gabriele Bührer (GB) befrag- te Hella (HE) zu ihrer Taiji-„Kariere“. GB: Lass uns mit dem Begriff Meister oder Meisterin beginnen. In Deutsch- land werden Lehrer häufig als Meister bezeichnet, sie sind aber weder ausge- zeichnet noch ernannt worden. Was macht für dich einen Meister oder eine Meisterin aus? Was muss man dafür tun, Meisterin zu werden? Wer kann ei- nen solchen Titel verleihen. Hast du ei- nen solchen Titel? HE: Mein Lehrer (Wee Kee Jin) bezeichnet sich selbst nicht als Meister, wobei ich sage, er ist ein großer Meister. Ich glaube im chinesischen Denken hat der Begriff Meister etwas Vollkommenes, Fertiges. Deshalb bezeichnet man sich in der Tra- dition nicht gern als MeisterIn aus Angst stehen zu bleiben. Im westlichen Denken ist es leichter, sich als Meister zu bezeich- nen. Ich sehe mich als Meisterin, die wei- ter verfeinert. Nach meinem Verständnis hat ein Meister das ganze System gelernt und entwickelt es weiter. GB: Wie ist es mit dem Begriff innere Schüler oder Schülerin? Ist das mit dem Begriff MeisterIn verknüpft? 20 Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019 NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 21 Fachliches HE: Ich bin innere Schülerin von Wee Kee Jin. Normalerweise war ein Meister inne- rer Schüler eines Meisters. Ich habe Leute, die seit 25 Jahren bei mir trainieren, die würde ich als innere Schüler bezeichnen oder auch viele meiner Ausbildungsteil- nehmer. GB: Wie kamst du zur Kampfkunst? Wann war das und wie alt warst du damals? HE: Ich war Mitte zwanzig. Ich war am Su- chen und probierte in Richtung Meditati- on und Körperarbeit vieles aus, auch Be- wegungsmeditationen. In dieser Zeit bekam ich während einer Rebirthing- Session – eine Form von Atemarbeit – die Es gab hier kaum Lehrer, deshalb schaute kopiert. Es gab wenig Erklärungen in ein- Botschaft, etwas mit Bewegung zu ma- ich mich auch in der Taiji-Szene außer- fachem Englisch, und viel Schauen, Beob- chen. Ich war frisch nach Köln gezogen halb von Osnabrück um. So geriet ich an achten und körperlich Nachmachen. Das und fand in meiner Nachbarschaft ein Schüler von Toyo und Petra Kobayashi hatte auch was. Man kam sehr ins Fühlen, Faltblatt, das Taiji anbot. Das hat mich und wurde selbst Kobayashi-Schülerin, sehr schnell auf diese körperliche Ebene. angesprochen. Ich wusste von der ersten 12 Jahre lang! Heute wird viel mehr erklärt, das macht Stunde an, das ist meine Sache und habe es schon viel leichter. das intensiv geübt. Das war damals Pe- GB: Was war dein erster king-Stil. Der Lehrer war gut und es hat Eindruck vom Taiji? GB: Und wie war das Angebot mir viel Spaß gemacht. HE: Es kommt etwas ins Fließen und ich überhaupt? Gab es nur die Peking-Form? glaube, mich hat auch die Taiji-Haltung, HE: Nein, es gab auch Yang-Stil in vielen GB: Wie ging es dann weiter? respektive die Beckenhaltung, körperlich Variationen. Der Zheng Manqing Stil war HE: Ich war nicht sehr lange bei ihm, weil sehr angesprochen. Das hat mir einfach z. B. sehr verbreitet. Ich hatte mich ja ich dann nach Osnabrück zog und dort zu- sehr gutgetan. Mein Rücken mochte das auch umgestellt auf die Zheng Manqing nächst verzweifelt einen Lehrer suchte. sofort, meine Hüfte auch. Ich hatte das Ge- Form der Kobayashis. Chen-Stil gab es fühl – wie die Chinesen das ausdrücken – damals nicht so viel, aber Yang-Stil war das Qi fließt und es gibt mir Kraft und bekannt. Ruhe zugleich. GB: Wie ging es dann weiter mit deiner GB: Wie war es angesehen, wenn man Taiji-Karriere. Du hast dann irgendwann Taiji gemacht hat? deine eigne Schule gegründet, hast Wee HE: Es war schon ein etwas exotisch. Kee Jin kennengelernt, bist heute Lehre- Wenn ich draußen geübt habe, gab es rin, Ausbilderin, wie kam das alles? manchmal merkwürdige Begegnungen. HE: Ich hatte lange Zeit eine gute Koope- Aber dann wurde es relativ schnell zum ration mit der Volkshochschule hier. Ich Trend. Es kam die Phase, in der jeder Taiji hatte praktisch meine Taiji-Schule in der lernen wollte. Aber es gab zu wenig Leh- Volkshochschule. Da war es immer schwie- rer. Deshalb habe ich sehr früh schon an- rig gute Räume zu finden. Auf einmal war gefangen zu unterrichten, obwohl ich sel- da ein Angebot, geeignete und bezahlba- ber erst zweieinhalb Jahre dabei war. Ein- re Räume zu mieten. Gleichzeitig fühlte fach weil es kaum Lehrer gab. ich mich reif dafür diese Verantwortung zu übernehmen. Das war der Beginn mei- GB: Wurde damals anders ner eigenen Schule. unterrichtet als heute? HE: Ja, das hat sich sehr unterschieden. Wie kam ich zu Wee Kee Jin? Ich hatte Toyo Kobayashi zum Beispiel hat in den mich schon immer, auch während der Ko- ersten Jahren einfach nur die Form vor- bayashi Zeit, viel umgesehen, war bei Ben gemacht und wir haben die Bewegungen Lo, bei William Chen und anderen Meis- Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019 21 NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 22 Fachliches tern. Ich hatte aber immer das Gefühl, GB: Das heißt neben Jin gab es bei dir Positiven entwickelt, vielleicht weil der dass ich bereits einen guten Lehrer für das nicht viele andere Lehrer über diesen Stil bekannter wurde, vielleicht auch, weil Taiji habe. Die Hamburger Frei-Push-Sze- langen Zeitraum? ich bekannter wurde. Mittlerweile habe ne hat mich damals auch sehr interessiert. HE: Nein. Gut, ich habe mir immer wieder ich das Gefühl, es spielt keine Rolle mehr. In Hamburg kam es 1992 zum ersten Kon- mal andere Lehrer angeschaut. Ich war Aber in den ersten Jahren gab es schon takt mit Patrick Kelly und da dachte ich: bei Feng Zhi Qiang, einem Chen-Stil-Leh- das Bild: Gut Pushen können nur Männer. „Oh das ist ein ganz interessantes Sys- rer. Ich habe mich schon immer mal wie- Man sah ja auch meist Demonstrationen, tem.“ Eine Münchener Freundin förderte der umgeschaut und hatte viel Aus- die ein Mann mit einem Mann vorführte. meine Neugier. „Komm doch mal nach tausch. In den Jahren 2005, 2010 und Dieses Bild – muss ich zugeben – hatte ich München, da ist Wee Kee Jin, du musst ihn 2017 war ich mit Wee Kee Jin zum Bei- auch und konnte sogar bei mir beobach- kennenlernen“, meinte sie. Ich glaube, es spiel in einigen Huang-Schulen in Malay- teten, dass, wenn ich was zeigen wollte, war 1994, Wee Kee Jin kam damals mit sia und China. Ich war lange bei Patrick mir einen Mann aussuchte, statt einer Yek Sing Ong zusammen nach Deutsch- Kelly, viele Jahre habe ich bei beiden ge- Frau. Aber ich glaube, es hat sich mittler- land. Und ich war so beeindruckt, vor al- lernt. Auch Tony Ward war wichtig. Ich weile sehr angeglichen. lem auch von der Art, dass egal, ob man habe einiges von ihm gelernt und Work- die Form macht, die Lockerungsübungen shops mit ihm organisiert. Durch diese GB: Wer waren deine wichtigsten oder Pushing Hands, dass man sich immer drei sehr unterschiedlichen Lehrer konn- Lehrer oder Lehrerinnen? nach den Taiji-Prinzipien bewegt und dass te ich ein besseres Verständnis des Hu- HE: Wee Kee Jin, Patrick Kelly, Toyo und man das, was man in der Form übt, in die ang-Systems entwickeln. Petra Kobayashi und Ben Lo, der war auch Partnerarbeit mitnimmt. Und, dass wir es wichtig. auch konsequent immer weiter ins Freie GB: Außerdem hast du ja auch aquati- Pushen bringen. Ich war so begeistert, sche Körperarbeit gemacht und bist GB: Wer sind oder waren deine Vorbilder? dass ich Wee Kee Jin gleich fragte, ob er auch noch Goldschmiedin. Wie geht Gibt es auch weibliche Vorbilder? nach Osnabrück kommen wolle. Er wollte. das alles zusammen? HE: Wen ich gefunden habe als weibliches „Wir kommen. Kein Problem. Und wir HE: (Lacht) Also, am Werktisch sitze ich Vorbild, ist Wu Ying-hua, die Frau von Ma wohnen dann bei dir“, sagte er noch. kaum noch, nur noch ab und zu. Aber Yueliang und die Tochter des Wu-Stil Be- aquatische Körperarbeit ist Taiji im Was- gründers. Von der habe ich mal ein Video GB: Das heißt, du bist dann in diese ser. Im Wasser lässt jeder los. Warmes gesehen, wie sie pusht, unspektakulär, Schule eingestiegen und dortgeblieben? Wasser, Hauttemperatur, 35° und da ent- einfach, schlicht, aber man sieht, sie pusht HE: Ja, das war am Anfang nicht leicht, spannt jeder. Ich liebe diese Arbeit. ... mit innerer entspannter Kraft. Vielleicht mich umzustellen. Meine Schüler wollten ist es so, dass die Frauen nicht so spekta- mich lynchen: „Was, wir sollen von vorne GB: Wie kam es, dass Taiji kulär die Leute durch die Gegend werfen. anfangen?“ Obwohl es auch die Zheng dein erstes Standbein wurde? Manqing Form war, musste ich komplett HE: Ich musste mich einfach entscheiden. GB: Du unterrichtest seit mehr als 30 von vorne anfangen. Ich hatte ja immer einen kleinen Laden, Jahren, welches Ansehen genießt du ein kleines Atelier. Früher in einem Kunst- als Taiji-Lehrerin in Deutschland? Hat handwerkerhaus, nachher alleine.