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Jahrgang 54 31. Januar 2007 Nr.l Sensationeller Fund im Kirchenarchiv

Die Schörzinger Michaelskapelle steht heute mitten im Wohngebiet "Brühl". In früheren Jahren stand das Kirchlein einsam am Fuße des Wochenbergs. Jetzt hat DieterSeifriz einen sensationellen Fund zurKapelle ge­ macht. Genau 255 Jahre alt wird die kleine Michaelskapelle in diesem Jahr. Gebaut wurde es 1752 vom Löwenwirt Johann Michael Drisner (l714 bis 1784) und seiner aus Obernheim stammenden Frau Anna Maria Moser. Dass Drisner die Kapelle vor 255 Jahren auf der "Erb­ hofgutwiesen" im Gewann "Brühl" gestiftet hat war zwar bekannt. Weitere Informationen fehlten aller­ dings. Nun hat der frühere Schörzinger Kirchengemeinde­ rat Dieter Seifriz, der vor sechs Jahren auch einen illus­ trierten Führer der barocken St. Gallus- Kirche heraus­ gebracht hat, einen Aufsehen erregenden Fund im Archiv gemacht. Mit dem so genannten .Pundations­ brief" , dem Stiftungsbrief der Kapelle, lässt sich die Entstehungsgeschichte des sakralen Gebäudes nach­ weisen und nachvollzi ehen. "Ich Johann Michael Drisner bürgerlicher Inwohner und Löwenwirth allhier zu Schörzingen, und Anna Maria Moserin meine geliebteste Hausfrau bekennen, und thun hiermit kund C• ••) " - mit diesen Worten be­ ginnt der Stiftungsbrief der datiert ist vom 4. Juli 1752 und vom .Doctor, Notarius Apostolici At. Barochqkori" Christoph Eduard Hafner, seines Zeichens Pfarrer von Schörzingen von 1750 bis 1776, am darauf folgenden Tag beglaubigt wurde. .Brteillen durch diese erbaute CapelIen Dir ihr Gottestregro wird, und meiner Pfarr­ kirchen nichts proyudirlichts auch die ybrige requista vorhand, als wird diese milde Stüftung mit uns allein von mir angenommen, fon der auch in formverchtres aufder frylichits bestättiget", schreibt Haffner in einem damals üblichen Gemisch aus Schwäbisch und Schrift­ sprache. Drisner bekundet in diesem Stiftungsbrief der von Dieter Seifriz in ein lesbares Deutsch übersetzt worden ist, den Grund für seine Stiftung. Drisner bedankt sich zuerst bei .Maria, der unbefleckt empfangenen Jung­ frau und übergebenedeiten Mutter Gottes". Danach werden die "übrig lieben auserwählten Heiligen zum Trost früher christgläubig verstorbenen Seelen" ange­ sprochen. Dannwendet sich Drisner direkt an Gott "für die gnädigst verliehenen und übernatürlichen Gna­ dengaben und Güte die wir an Leib und Seele zeitle­ bens und ewig Gutes bekommen haben und noch empfangenwerden". Und dann wird's ernst für den da­ mals 38-jährigen Löwenwirt. Er stifte die Kapelle .nichtmlnder zur Auslösung der derzeitig gegen Gott und den Mitmenschen begangenen Sünden, Misseta­ ten, groben Fehlern aus freiem, eigenen Willen".

Nepomuk und Michael Hauptpatron des Kirchleins ist der Erzengel Michael, sowie die heiligenJohannesvon Nepomukund Florian. Eine Nepomuk-Figur, die ursprünglich an der Außen• wand der Kapelle angebracht war, ist heute in der St. Gallus- Kirche. Eine bezeugte Michaelsfigur ist wohl in ', ...-'..­ früherer Zeit gestohlen worden. ~.:A...,,,,, Heute wird die kleine Kapelle liebevoll von Ernst Bayer gepflegt. Die Pieta eines unbekannten Künstlers Die letzte Seite dermehrseitigen Stiftungsurkunde. die Dieter Seifriz im Schörzinger Kirchenarchiv ausgegraben hat. dürfte ebenso aus der Entstehungszeit der Michaelska­ pelle stammen, wie auch das große Gemälde, das die - Krönung Mariens zeigt. Drisner war es wichtig, dass das Kirchlein auch nach gen wir ein Kapital von Zwanzig Gulden. Dem späteren Auf diesem Bild sind auch der Stifter Iohann Michael seinem Tod weiter besteht. Im Stiftungsbrief heißt es: Besitzer hinterlege ich noch 5 Gulden, und ihm sollen Drisner und seine Frau Anna Maria Moser verewigt. "Zur Erhaltung und Reparierung der Kapelle hinterle- . noch jährlich 15 Gulden bezahlt-werden". Januar 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1537

Im Rüttelflug auf Mäusejagd Der Turmfalke - Vogel des Jahres 2007 - Von Dr. Karl-Eugen Maulbetsch - ~! e i l 2 häufigste Falkenart. Starke Einbrüche mit bis zu 50% Gebäuden sind Nischen und Fenster vergittert. Um die Einige Verwandte Abnahmen gibt es in Russland, Frankreich und Eng- Abnahmetendenzen zu stoppen und den Bestand zu _ Der Baumfalke ist mit seiner graublauen Oberseite land. Im gesamten Mitteleuropa leben ungefähr 90 000 stabilisieren wären folgende Maßnahmen hilfreich: und seiner auf hellem Grund schwarz längsgefleckten Brutpaare, 50000 davon allein in Deutschland. Für Ba- Anbringen von Nistkästen an Kirchtürmen, Masten, Unters eite sowie im Flugbild an den sicheiförmigen den-Württemberg liegen die Werte zwischen 5000 und Brückenpfeilern, Feldscheunen, Hochhäusern und Fa­ Schwingen und dem kürzeren zugespitzten Schwanz 9000 Paaren.Turmfalken brauchen für die Jagd offenes brikgebäuden; Bereitstellung von Sitzbrücken im Ge­ gut vom Turmfalken zu unterscheiden. Weitere Kenn­ Gelände mit einzelstehenden Bäumen und mit He- lände als Ansitze für die Falken; Erhalt und Neuanlage zeiche n sind der schwarze Backenbart u nd die weiß e cken. Mancherorts fehlt es an solchen Landschaftsele- von Hecken; Ausdehnung konventionell bewirtschaf­ Wange. Er rüttelt kaum, schlägt seine Beute, die aus menten , die als Ansitze oder als Nistplätze dienen teter Flächen durch entsprechende Förderungen - die­ Kleinvögeln, Libellen und größeren Käfern besteht, im könnten. Die intensiv genutzten Flächen führen auch se Flächen bringen eine größere Artenvielfalt hervor Flug. Baumfalken sind Langstreckenzieher. Sie verlas­ in vielen Gebieten zu einer Verringerung an Beutetie- und bieten somitein höheres Beuteangebot.ÜberBau­ sen ab Mitte August die Brutreviere und ziehen in die ren . Nistmöglichkeiten in Siedlungen sind ebenfalls anleitungen für Nisthilfen und Sitzbrücken informie­ Winterquartiere nach Afrika.Von dort kehren sie Ende knapp. An vielen Kirchtürmen und anderen höheren ren die örtlichen NABU-Gruppen. April!Anfang Mai zurück. Der Baumfalke jagt in unse­ rem Raum in der Feldflur um Ostdorf und im Bereich der Schieferseen auf dem Heuberg in Balingen. Die bei uns vorkommenden Wanderfalken sind Standvögel. Sie halten sich mehrheitlich ganzjährig in ihrem Revier Verteilung der Brutstandorte im Bereich der mittleren Schwäbischen Alb (122 Standorte, verändert nach: auf. Der Name "Wanderfalke" trifft nur auf die no rdeu­ Die Vögel des Landkreises G öppingen, Ornithologische Jahreshefte für BW, Bd. 19, Heft I, Mai 2003) ropäischen Populationen zu, die nach Süden ziehen Standorte Baum- Hochspannungs- Felsen Kirch- Hoch- Feld- ge samt und überwi ntern. Kennzeichen sind die dunkelgrau­ horste masten - türme häuser scheunen blaue Ober seite, die Querbänderung auf der hellen Unterseite, der dunkle Nacken und Oberkopfsowie der Tall agen 3 - - 22, davon 28, davon - 53 breite Backenstreif, der sich deutlich gegen die helle 1 Brut im 16 in Kehle und Brust abhebt. Die weiblichen Tiere sind we­ Nistkasten Nistkästen sentlich größe r als die Terzel. Die Falken nisten an Fels­ wänden und Steilufern . Von einer Sitzwarte aus jagen Steilhang am 1 - 25 - - -r- 26 sie im beschleunigten Sturzflug nach Tauben, Stare n, Albtrauf davon 3 in Drosseln oder Lerchen. Sie greifen ihre Beute in rasan­ Steinbrüchen tem Stoß. Die faszinie renden Flüge können z. B. am Hörnle oder am Lochenstein beobachtet werden. Der Albhochfläche 33 1 - - - 9 43 Merlin ist der kleinste unter den bei uns durchziehen­ gesamt 37 1 25 22 28 9 122 den bzw. auch überwint ernden Falken. Die Oberseite ist grau blau un d die Unterseite rostgelb mit dunklen Flecken, die in Längsrichtung angeordnet sind. Die Einige Verwandte der Brutpaare, Status in BW (Daten nach: Ornithologische Jah reshefte für BW, Bd. 22, Heft 1, Brutgebiete liegen in den Tundrengebieten im nördli­ Dez. 2005) '. chen Europa und in Asien. Der Rotfußfalke, der in Ost­ europa und Mittelasien brütet und auch zu den Rüttel­ Art Brutpaare in BW; Brutpaare in Deutschland Status in BW falken gehört, lässt sich in Süddeutschland während Baumfalke 200 - 300; 2900 Sommervogel, Langstrecken zieher des Frühjahrszuges beobachten. Tab. 2 gibt Auskunft über einige Bestände und über den Status in Baden­ Wan de rfalke 281 (Brutsaison 2006, Au sku nft O. Re naux); 800 Standvogel Württemberg. Merlin - alljährlicher Wintergast, Winterbestand : 100 - 300 Individuen; Bestand, Gefährdung und Hilfen Du rchzügler Der Turmfalke ist nicht nur bei uns, sondern im eu ­ Rotfußfalke - Durchzügler ropäischen Raum mit etwa 350 000 Brutpaaren die Januar 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1538 Ein Leben an der Schwelle zum Mittelalter Martin von Tours und die Ebinger Martinskirche - Von Herbert Friedrich - Teil 3 folger Martins, daran "eine große und wunderbar ge­ tinskirchen im Bereich der Diözese. "Sie waren (und 111. Die Anfänge seiner Verehrung baute Kirche" zu errichten. Mit diesem Bischof setzt sind) die Vororte einer kontinuierlichen Martinsvereh­ eine bewusste und gezielt gepflegte Martinsverehrung rung in der schwäbischen Diözese, zumal sie nicht sei­ Die Verehrung Martins setzte mit seinem Tode ein. ein. Seine "Basilika des hl. Martin" wurde wohl 471, 74 ten mit hervorragenden Bildwerken und Skulpturen Sie ging von der Volksfrömmigkeit aus und nicht etwa Jahre nach seinem Tode, geweiht. Die Übertragung der des Bischofs von Tours ausgestattet waren (und sind) . von den kirchlichen Oberen. Martin war zum ersten Gebeine Martins in die Kirche und ihre neue Bestat­ In diesen Kirchen und Pfarreien stand Martin im Licht Nicht-Märtyrer geworden, dem ein offizieller Kult zu­ tung im zugänglichen Grab in der Apsis der Basilika von Liturgie, Volksfrömmigkeit und Kunst." So ist es in teil wurde. Etwa 200Jahre nach seinemTode finden wir darf als offizielle Heiligsprechung angesehen werden, einem Aufsatz nachzulesen, der im Jahre 1997 erschie­ seine erste Darstellungin der Kunst. Nicht etwadas uns nachdem sie schon, wie wir oben gehört haben, von nen ist. Damals hat die Diözese Rottenburg- allzu vertraute Motiv der Mantelteilung. Nein, er Sulpicius persönlich vorweggenommen worden war. - an den 1600. Todestag Martins mit einer großen Aus­ schreitet in S.Appolinare Nuovo in Ravenna im Mosaik "Reliquien" des heiligen Martin tauchen auf. Sie stellung im Diözesanmuseum in Rottenburg erinnert dem Zug der Märtyrer voran, hervorgehoben durch wurden zu begehrten Heilmitteln und Auslösern von unter der Überschrift "Martin von Tours - ein Heiliger sein weinrotes Gewand. Er steht dem Thron am nächs• Wundern. Solche Wunder ereigneten sich vor allem an Europas." ten, auf dem Iesus als Weltenherrscher Platz genom­ den großen Festtagen Martins, am 4. Juli, der als Tag Bischof Georg Moser hat nach dem Vorbild anderer men hat. Eine solch herausragende Rolle wurde Martin der Bischofsweihe galt, und am 11.November, demTag deutscher Bistümer die "Martinus-Medaille der Diöze• in der Heiligenwelt schon damals zugewiesen. der Beisetzung. Beide Feste wurden jeweils drei Tage se Rottenburg" gestiftet. Sie wurde (und wird) als Zei­ Woher wissen wir all dies? Von Martin selbst sind so lang gefeiert und zogen reichlich Pilger an . chen des Dankes und in Anerkennung besondererVer­ gut wie keine schriftlichen Aufzeichnungen erhalten. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts setzte eine dienste Personen des kirchlichen und öffentlichen Le­ Es gibt nur eine einzige Quelle. Sie heißt Sulpicius Seve­ Zuwendung der Merowinger zum Heiligen von Tours bens vom Bischofpersönlich verliehen. Später, im Jah­ rus . Der hl. Bischof von Tours, so wie er in die Ge­ ein. In dieser Zeit gelangte das Königshaus in den Be­ re 1991, stiftete BischofWalter Kasper eine neue Marti­ schichte und in die fromme Verehrung eingegangen sitz einer besonders kostbaren Martinsreliquie: den nus-Medaille. Eine ähnliche Auszeichnung verleiht der ist, ist ein Produkt des Schriftstellers Sulpicius Severus. halben Soldatenmantel, den Martin nach seiner Lie­ Landesbischof der evangelischen Landeskirche in Ihm kommt zugute, dass er den Heiligen persönlich bestat am Stadttor von Amiens zurückbehalten hat. Württemberg in Form der Johannes-Brenz-Medaille. kannte. Er war in den letzten Lebensjahren öfters zu Woher die kostbare Textilie jetzt etwa 300 Jahre nach Gast in Tours. Er stand auch auf vertrautem Fuß mit dem Tod Martins gekommen ist, wird rätselhaft blei­ IV. Martinsbrauchtum Gefährten des Bischofs von Tours und hatte keine Mü• ben. Der -Mantel wurde für die Herrscher zum Faust­ he, in Martins Leben und Wirken seinen eigenen pfand dafür, dass der Heilige von Tours sie beschütze Wir können uns nicht mit Martin von Tours be­ Traum vom richtigen vollendeten Christenleben ver­ und geleite in ihren weltlichen Unternehmungen und schäftigen, ohne auch auf das vielfältige Brauchtum, wirklicht zu sehen. Dieses Einssein im Verständnis des­ ihrer jenseitigen Hoffnung. In Kriegszeiten wurde die das mit ihm in Verbindung gebracht wird, einzugehen. sen, was christliches und kirchliches Leben ist, hat die­ Relique aufden Feldzügen mitgeführt als Beschützerin "Kein anderer Heiliger ist, von Sankt Nikolaus einmal se beiden von Hause aus grundverschiedenen Männer der eigenen Truppen und Schreckenszeichen für die abgesehen, im Lauf der Jahrhunderte zum Kristallisa­ zusammengeführt. . Feinde. In Friedenszeiten wurde sie in der Palastkapel­ tionskern so vieler und so breit gefächerter Brauch­ Sulpicius Severus stammte aus dem Südwesten des le aufbewahrt. Das kostbare Stück ging übrigens in die tumsformen geworden wie Martin von Tours", so der heutigen Frankreich, dem alten Aquitanien. Er wurde Sprachgeschichte ein. Der berühmte Martinsmantel bekannte Professor für Volkskunde an der Universität um 360 als Sohn einer vornehmen Familie geboren. Er hieß ursprünglich entsprechend der Militärgarderobe Freiburg/Brsg., Werner Mezger. Ein Grund für die un­ studierte wohl in Bordeaux römische Gelehrsamkeit. chlamys. Seit er zur königlichen Reliquie geworden gebrochene Aktualität Martins findet sich im Termin Hier hat er sich vor allem die Kunst des Schreibens und war, wurde er als capella (= Mäntelchen) bezeichnet; seines Festes. In Gallien hatte sich eine Fastenzeit vor Redens erworben, von der sein literarisches Werk später auch capa = Mantel. Die mit dem Schutz der Weihnachten ausgebildet, die am 11. November be­ Zeugnis gibt. Es ist hier nicht der Raum, das Leben des Reliquie beauftragten Priester wurden zu capellani (= gann. Es ist auffallend, dass nicht - wie sonst üblich ­ Biografen von Martin in allen Einzelheiten nachzu­ Kapläne) und der Aufbewahrungsort im königlichen derTodestageines Heiligen auchzu seinem Gedenktag zeichnen. Sulpicius will Martin selbst gründlich ausge­ Palast zur Kapelle, wobei der kostbare Schatz (= capella wurde. Bei Martin hatmandenTag der Beisetzung, den .forscht haben und will auch bei seinen Gefährten aus­ des hl. Martin) dem aufbewahrenden Raum seinen Na­ 11. November, als Gedenktag gew ählt. Es kann vermu­ giebig recherchiert haben. Die Lebensgeschichte, die men gab. . tet werden, dass dies mit der Absicht geschah, den mit Vita Sancti Martini, war noch vor dem Tode Martins dem 11.NovemberverbundenenBauernfesttagmitder fertig und veröffentlicht. Eswar sein Erstlingswerk. Das IV. Martin Patron des Frankenreiches Martinsverehrung zu verknüpfen. Naturgemäß nahm schmale Bändchen ist schnell zum Bestseller gewor­ der Vortag, der 10. November, Formen an, wie wir sie den. Wenige Jahre nach seinem Erscheinen wird seine Letztendlich wurde der Heilige offiziell als Patron des heute noch von der Fastnacht vor Aschermittwoch weite Verbreitung gerühmt: "Ganz Karthago habe es Frankenreiches anerkannt. Mit der Ausbreitung des kennen: Essen, Trinken, Singen, Feiern verbanden sich . gelesen, in Alexandrien sei es fast in aller Hand, in fränkischen Reiches zog auch Martin in die eroberten mit Schlachtfest L,Martinsschlachten"), Probieren des Ägypten, Nitrien, derThebais und in allen Reichen von und dem Frankenreich eingegliederten Länder. Die neuenWeins ("Martinsminne"), Zinstermin ("Martins­ Memphis fände man es." Ergänzt hat Sulpicius diese Martinsheiligtümer vermehrten sich in atemberau­ gänse" u. a. als Zahlungsmittel) und Arbeitsbeginn und Schrift durch zwei Briefe. Nach dem Tode Martins bender Geschwindigkeit. Wie viele Heiligtümer es -ende für das Gesinde. musste ja auch sein Sterben beschrieben werden. Das überhaupt gibt, lässt sich nur vermuten. Allein in Denken wir an die Martinsumzüge, bei denen St. eine ist ein Trostbrief in dem der Verfasser in einem Frankreich sollen es 3600 Gotteshäuser sein. In einer Martin als Bischof oder Soldat zu Pferd mitzieht und Traumgesicht Martin in himmlischerVerklärung, "den 1975 im Historischen Atlas von Baden-Württemberg auch derBettler mit dabei ist, an die Mantelteilung und hl. BischofMartineingereiht unterdie Apostel, Prophe­ veröffentlichten Karte sind 424 Patrozinien eingetra­ an die Martinslieder. Kinder tragen selbst gebastelte ten und Märtyrer, auch wenn ihm das blutige Marty­ gen. Die größte Dichte finden wir um Straßburg, süd• Martinslampen mit sich. Es gibt Martinsfeuer. Das Feu­ rium nichtzuteil geworden ist" sieht (hier liegt die Wur­ lich des Hochrheins und bei uns aufder Schwäbischen er als Symbol für das Licht, das im Dunkeln scheint, wie zel zum ravennatischen Martinus-Mosaik). Der Trost­ Alb. Martinskirchen stehen oft an Orten, deren Namen die gute Tat Martins das Erbarrrien Gottes in die Dun­ brief liest sich wie eine feierliche Heiligsprechungs­ auf -ingen, -heim und -dorfenden. Dazu gehören zum kelheit der Gottesferne brachte. urkunde. Da es damals in der Kirche noch keine festge ­ Beispiel im Zollernalbkreis neben Ebingen Dottern­ Es gibt vielerlei Backwerk, das mit Martin in Verbin­ legten Riten und Gesetze für Heiligsprechungen gab, hausen, Isingen, Ringingen und Rosenfeld. Nach einer dung gebracht wird, z. B. das "Martinshörnchen". Die wird dieser Brief auch tatsächlich als das Manifest zur Liste der "Anzahl der Heiligenpatronate im Bistum Rot­ Brauchtumsforschung argumentiert: Von Martin wer­ Erhebung Martins in die Welt der Heiligen verstanden. tenburg-Stuttgart" kommt gleich nach Maria mit 134 de erzählt, er habe als Soldat Wotans Mantel getragen. Später, in der Zeit von 404 - 406, nahm Sulpicius Se­ Nennungen an zweiter Stelle Martinus mit 70, gefolgt Deshalb verspeise man zu Ehren des Heiligen auch verus die Lebensgeschichte Martins noch einmal auf von Peter und Paul48, Georg 43 und Michael 42. Martinshörnchen aus Hefeteig oder Mürbteig, deren und wählte für dieses neue Erzählen eine andere litera­ Hufeisenform an Wotans Ross erinnern solle. Es gibt rische Form, die des Dialogs. Es handelte sich um ein V. Martin Patron der Diözese ein Schmalzgebäck namens "Martinsküchlein". Der Gespräch zwischen Freunden, die die Verehrung und Rottenburg-Stuttgart "Martinsweck" ist ein Neujahrsgebäck. Bewunderung Martins miteinander verbindet. Sodann gibt es eine Menge Martinslieder, die von Martin hat sein Grab in Tours gefunden. Es lag auf Die Diözese Rottenburg-Stuttgart ist ein Kind der den Kindern bei Martinsumzügen gesungen werden, dem Friedhof wie andere Gräber auch. Es dauerte ge­ Napoleonischen Kriege und der Säkularisation. Nach etwa "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne"! raume Zeit, bis das Grab größere Aufmerksamkeit er­ der Auflösung des Bistums Konstanz wurde Rotten­ Oder "Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne fuhr und zur Stätte der Verehrung wurde. Das geschah burg über viele Stationen hinweg am Ende zum Bi­ mit mir." unter Martins Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von schofssitz erkoren. Am 20. Mai 1828wurdeIohannBap­ Viele Bauernregeln beschäftigen sich mit Martini: Tours. Er hieß Brictius. In bedrängter Lage habe dieser tist von Keller zum Bischofderneuen Diözese inthroni­ am Grab Martins Zuflucht gesucht und der Fürbitte des siert. Es war selbstverständlich, dass der bisherige Pa­ Wolken am Martinstag- Heiligen seine Ehrenrettung mit verdankt. Er ließ da­ tron der Rottenburger Hauptkirche, St. Martin von ' der Winter unbeständig werden mag. nach über dem Martinsgrab eine bescheidene Kapelle Tours, zugleich Patron der neu errichteten Diözese Sankt Martin trüb errichten. Das soll um 435/436 gewesen sein. Der Heili­ Rottenburgwurde. Schrittweisefand der PatronAkzep­ macht den Winter lind und lieb; ge stieg zum bevorzugten Beschützer seiner Bischofs­ tanz in der Diözese. Dies vor allen Dingen aus zwei ist er eher hell, stadt aufund wurde ihr Patron. Gründen: Die jährliche Feier des Mattinsfestes in allen macht er Eis gar schnell. In der frommen Erinnerung lebte Martin als der Gemeinden am 11. November, dem Begräbnistag des Wundertäter und Helfer in allen Nöten weiter. Dieses Heiligen, der vor allem im bäuerlichen Iahreslaufzu­ An Martini Sonnenschein, Ansehen zog nun Pilger an sein Grab. Deshalb ging Bi­ gleich ein wichtiger Stichtag war. Und die ungewöhn• tritt ein kalter Winter ein. schof Perpetuus (458/459 - 4881489), der dritte Nach- lich vielen , teilweise alten, teilweise bedeutenden Mar- (Fortsetzung nächste Seite). . Seite 1539 Heimatkundliehe Blätter Januar 2007 Kunst und Kultur In eigener Sache Manchmal überstürzen sich die Dinge und die an­ gebotenen Artikel häufen sich. Problematisch wird in der Lombardei es immer dann, wenn die Abhandlungen sehr um­ fangreich sind. Dann ist die Redaktion genötigt, die Heimatkundler auf Exkursion - Von Prof. Christoph Roller Artikel in mehrere Folgen au fzusplitten, die norma­ lerwei se in unmittelbarer Reihenfolge veröffent­ Bei der Hinfahrt besuch en wir, nach einer Mittagspau­ herrschende Kultur- und Wirtschaftsmetropole Ober­ licht werden. Unglücklicherweise mü ssen wir in se in Bellinzona, das Varesotto - uraltes wunderschö• italiens. Wir werden uns Zeit nehmen für weitere Se­ der Januarausgabe eine Ausnahme machen. Zu nes Siedlungsgebiet mit Varese, Castiglione und Cas­ henswürdigkeiten. umfangreich sind die Fortsetzungen von drei Arti­ telseprio. Römer, Langobarden und Österreicher ha­ Am fünften Tag fahren wir vormittags zur Zisterze keln, die einer Weiterführung harren. So hat sich ben mit Profan- und Sakralbauten ihre Spuren hinter­ Chiaravalle Colomba, einer Gründung des Zisterzien­ die Redaktion entschieden, die noch verbleibenden lassen. Dann fahren wir nach Piacenzazu un serem Ho­ serabtes Bernhard von Clairvaux um 1135. Herausra­ Fußnoten zumArtikel "Die Firmungim ehema ligen tel Holiday Inn Piacenza, wo wir an allen Tagen Früh• gend ist der gotische Kreuzgang. In der Kreisstadt Fi­ Bistum Konstanz" von Dr. Klaus Peter Dannecker stücksbüfett und Halbpension haben. denza besuchen wir den Kaiser-Dom, der an den Kai­ in der Februarausgab e zu veröffentlichen, da wir es Am zweiten Tag werden wir un s Zeit nehmen für Pia­ ser-Dom von Bamberg erinnert. Nach einerWein - und als wenig sinnvoll erachten, Fußnoten über mehre­ cenza.·In der römischen Militärsiedlung endete im 2. Vesperpause in der Osteria Ardegna werden wir uns in re Ausgaben zu verteilen. Roncole und Bosseto Verdi widmen, dem größten Mu­ Ih.v.Chr. die Via Aemilia, die von Rimini über Ravenna, Auch das für Janaur 2007 geplante Inhaltsver­ sik-Dramatiker Italiens, im Verdi-Land. Bologna, Parma nach Piacenza führte. Römische, ost­ zeichnis für die vergangenen drei Jahre fallen dem Am sechsten Tag besichtigen wir die Königsst adt Pa­ gotische, langobardische und karolingische Einflüsse Platzmangel zum Opfer und werden aufdie näch s­ via. Das Castello Visconteo ist der bedeutendste schufen hochinteressante Kirchen, Konvente und Pro­ te Ausgabe verschoben. Wir bitte um Verst ändnis. fan -Bauten mit Mosaiken, Fresken und Steinmetzar­ Schlossbau der Lombardei. Großartig ist die Universi­ DANIEL SEEBURGER beiten . So stiftete im 9. Ih, KaiserinAngilberga, Gemah­ tät au s dem 14. Ih, und S. Micheie Maggio re. Hier fand lin Kaiser Ludwig Il., den Konvent San Sisto. Für diesen 1155 die Krönung von Kaiser Friedrich 1., Barbarossa, Konvent schuf Raffael die .Sixtinisch e Madonna"(Ori­ statt.Ein Höhepunkt der Baukunst ist die Certosa Di ginal in Dresden ). Im 1O. Ih, wurden im Dom Kaiser Ot­ Pavia, erbaut zum immer währenden Gebet der Mön• to I. der Große und seine Gemah lin Kaiserin Adelheid, che für das Seelenheil des Herzogs von Mailand. Der Königin von Burgund. gekrö nt. war sich einer dringend notwendigen Fürsprache der Termine Am drittenTag fah ren wir auf den Spure n des großen Mönche im Himmel sehr wohl bewu sst. Karthagers Hannibal und seiner Kriegs-Elefanten au f Auch am siebten und letzten Tag de r Exkursi on wer­ Am Donnerstag 1. Februar, findet ein Besuch der die Höhen der liguris chen Seealpen. In Bobbio, der kö­ den wir glan zvolle Orte , die "am Wege liegen " aufsu­ Firma Interstuhl Büromöbel GmbH "& Co KG statt. niglichen Schenkun g des Lango ba rden Agilulf, wirkte che n. Der Zisterzienser-Konvent Chia ravalle Milan ese Treffpunkt ist um 13:45 Uhr in Meßstetten auf dem Columban und sch uf im 7. Ih, das Bildungszentrum für soll wie Chiaravalle Colomba ebe nfalls von Bernhard Parkplatz Lidl (Kreisverkehr). Anfahrt im PKW. Geisteswissenschaft und Volkswirtschaft Oberitaliens . von Clairvaux gegründet worden sein. Entgege n zister­ Eine spätere Klostergrü nd ung ist Vigolo Marchese von ziensische r Regel besitzt diese Zisterze eine n Vierungs­ ' Am Mittwoch, 7. März, trifft mansichum 18Uh r im 1008. Der damalige Markgraf (Marches e) soll Stamm­ tur rn, der zu den schö nsten Bauwerken Oberi taliens der mehrtägigen vater bedeutender europäischer Gesch lech ter sein, wie gehö rt. Monza war kön iglich langobardische Resid enz. -Busreise in die der Welfen , Este, Pallavicini. Beim heutigen "Marc he­ Dann wählte Kaiser Berengar I. von Franken, Enkel Kai­ rriit Prof. Chris­ se" kehren wir ein in seinermittelalterlichen Burg (Roc­ ser Ludwigs 1., des Frommen, Monza zu seiner kaiserli­ öp h Roller, die cal, heute ein moderndes Weingut un d gen ießen Wein chen Residenz. Der Dom S. Giovan ni Battis ta gehört zu rlinsvom und Vesper. Zum Tagesabschluss erklimme n wir Cas­ de n bedeutendste n Kirchenba uten Oberitaliens. Er­ ans Kratt tell Arquato, eine hochgebaute mittelalterliche Burg­ bau t wurde er im 6. Ih. als Krönu ngskirch e von Könige n nd Stadt mit dem Palazzo Pretorio, der langobardisch-ro­ und Kaisern. Dann fahren wir über Bellinzona zurück g. manischen Kollegiatskirche, der Rocca und den Cafe­ in unser Schwabenland. terias. Programmges taltung und Führu ng: Professor Chris­ Am vierten Tag besuch en wir Mailand. die ehe mals toph Roller. Ansons ten haben wir zugelassene örtliche römische Residenz- und Kaiserstadt. Bekannt ist Mai­ Führunge n. land durch das kaiserliche Tolera nz-Edikt von 313, durch das "Abendm ahl" von Leona rdo da Vinci in S. Maria delle Grazie, durch den Dom der in Gotik bis in das 20. Ih, immer weitergebaut wu rde, durch sein Wegen der befristeten Hot elzimmer-Reservierung bitte Opernha us Scala, da s von Kaiserin Maria Theresia umgehende Anmeldung an Erich Mahler, Mörikeweg 6, weitgehend gestiftet worden war und den Opernhäu• 72379 Hechingen, Telefon (0 74 71) 1 5540; Fax(0 74 71) Die Autoren dieser Ausgabe: sern aller Welt zum Vorbild wurde und bekannt als be- 1 2283. DanieI Seeburger ZOLLERN-ALB-KURI ER Grünewaldstr, 15 72336 Balingen

Dr. Karl Eugen Maulbetsch Ein Leben an der Am Stettberg 9 72336 Balingen

Schwelle zum Mittelalter Herbert Friedrich Schloßbergstr. 23 Martin von Tours und die Ebinger Martinskirche - Schluss 72458 Albstadt-Ebingen der durch seine Mantelteilung berühmt und zum Pa­ Prof. Christoph Roller VII. Martin in der darstellenden Kunst tron der Nächstenliebe geworden ist. Am Heuberg 14 Da ist der Glaubensschüler, der Täufling, der Pries ­ 72336 Balingen Nicht zuletzt haben sich Künstler aller Jahrhunderte ter, der Einsiedler, der Klostergründer, der Bischof, der mit dem großen Heiligen besch äftigt: Maler , Holz­ Missionar, derWundertäterund derVerteidiger der rei­ schneide r, Steinmetzen und Holzschnitzer. Auch fin­ nen Glaubenslehre. In diesemJahr erinnernwir uns be­ den wir Szenen aus seinem Leben in der mittelalterli­ sonders an ihn, trägt die Hauptkirche unserer Stadt Herausgegeben von der chen Buchmalerei. (Der Verfasser hat bei eine m beson­ doch seit vielen Jahrhunderten seinen Namen. Und in Heimatkundlichen Vereinigung deren Termin in der Ebinge r Friedhofkapelle durch die der architektonischen Gestalt, wie wir die Kirche heute ZoUernalb Ausstellung "Dars tellungen von Martin von Tours in in ihren äußeren Fassaden vor un s haben, ist sie jetzt der Kunst, von Raven na bis HAP Griesha ber" geführt.) gen au 100 Jahre alt. Vorsitzender: Christoph Roller, Am Heuberg 14, VIII. Abschließende Gedanken 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82 Geschäftsführung: Martin hat in einer bewegten Zeit geleb t, in der Zeit Walter Nigg - "Martin von Tours, Leben und Bedeutung Erich Mahl er, Mörike weg 6, des allmählichen Niedergangs des römischen Reiches des großen Heiligen, des Ritters Christi, wundertätigen 72379 Hechingen und zugleich vom Übe rgang des Götterkults der Antike, Bischofs und mutig en Bekenners". Verlag Herder Frei­ burg im Breisgau 1977. Telefon (07471) 1 55 40 einschließlich des Kaiserkults und derdamit verbunde­ E-Mail: [email protected] nen Christenverfolgungen zum konstantinische n Zeit­ Werner Groß / Wolfgang Urban (Hrsg.) - "Martin von Tours, ein Heiliger Europas" . Schwabenverlag AG, Ostfil­ Redaktion: alter mit dem Christentum als Staatsreligion. Es sind dern 1997. Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, viele Facetten, die das Leben 'von Sankt Marti n um­ Manfred Becker-Huberti - "Der Heilige Martin . Leben, 72336 Balingen , Telefon (07433) 2 66-1 53 schließen: An erste r Stelle steht der römische Offizier, Legenden und Bräuche." Greven Verlag Köln 2003. .Heimatl Zollemalb He~dlicheVereinigung ZollernalbeV

Jahrgang 54 28. Februar 2007 Nr.2 Die alten Heimat bei sich haben Ein wegweisendes Werk über Gruorn ist wieder aufgelegt worden - Von Daniel Seeburger Es war der 15. Februar 1937-einschicksalhafterTag für das Schicksal der die Bewohner eines kleinen Dorfes auf der Schwäbi- rund 700 Men- schen Alb. Die Bewohner von Gruorn erfahren offiziell sehen, die ihre Hei- ,,4· vom Landratsamt in Urach, dass die Räumung der klei- mat verlassen nen Gemeinde wegen der beschlossenen Erweiterung mussten. Von den des Truppenübungsplatzes Münsingen beschlossene ersten Gerüchten Sache sei. Die Einwohner von Gruorn sind schockiert- über das Vorhaben nicht nur wegen der Termine. Bereits zwei Wochen der Machthaber, später, am 1. März 1937, soll die Räumung beginnen. die 1935 im Dorf Bis zum 28. Februar 1939 müssen sämtlich Gruorner die Runde mach­ ihre Heimat verlassen haben."Wie eine Bombe schlug ten, bis hin zur diese Nachricht in Gruorn ein", schrieb Ludwig Schi!- Durchführung der ling in seinem Aufsatz "Die Umsiedlung", die 1967 in Aktion. "Der Ab­ dem Buch "Gruorn - Ein Dorfund sein Ende" erschien. schied von der Hei- Dieses richtungsweisende Werk ist jetzt wieder auf- matgemeinde ist gelegt worden. Federführend dabei ist das "Haus der vielen, insbesonde­ Volkskunst" in Balingen und das Schwäbische Kultur- re den älteren Leu­ archiv. Diesen beiden Einrichtungen ist es zu verdan- .ten sehr schwerge- ken, dass sich auch heute historisch Interessierte über fallen", schreibt das Schicksal des kleinen Albdorfes informieren kön - Schilling. "Man nen - vor allem auch, nachdem der ehemalige Trup- mußte das verlas ­ penübungsplatz Münsingen seit kurzem der Bevölke- sen, was schon EI­ rung wieder zugänglich gemacht worden ist. tern un d Groß - Das Buch behandelt ausführlich Landschaft und eltern besaßen. . wirtschaftliche Voraussetzungen von Gruorn, reißt die Beste Freunde und Dorfgeschichte von der Römerzeit über die Reforma- Nachbarn wurden tion bis zum 19. Jahrhundert an, geht auf kirchliche auseinandergeris­ und schulische Entwicklungen ein und beschäftigt sich sen. Manc he Träne mit dem volkstümlichen Leben. Einige namhafteAuto- ist beim Abschied ren haben sich mit Beiträgen im Buch verewigt, stell- geflossen. Bei je­ vertretende angeführt sei hier Hansmartin Decker- dem Auszuge wur­ Hauff (1917 bis 1994), einer der Begründer der histori- den die Glocken ge­ sehen Landeskunde und profunder Kenner der würt- läutet", führt der tembergischen Geschichte. Er beschäftigt sich in sei- Autor weiter aus. nem Beitrag mit Gruorn und dem Münsinger Hart. Anrührend die So richtig spannend wird das Buch mit dem Artikel. Auszüge aus Brie­ "Die Umsiedlung" von Ludwig Schilling, dem letzten fen der Gruorner Bürgermeister des kleinen Dorfes. Der Autor behandelt ihre Heima t betref- . ' fend und der "Ver­ such, über das Heimweh zu schreiben", offen­ sichtlich von der damaligen Herau sgeberin Angelika geplant worden. Was hier nun leibhaftig daliegt, das ist Bischoff-Luithlen verfasst. "Viele Gruorner schreiben, der Wunsch so vieler Guorner, die alte Heim at wenigs­ sie hätt en Heimweh und würden es nicht mehr los", tens im Buch bei sich zu haben". Im Jahre 1967 wurde heißt es da. Eine r von ihnen habe sich sogar durch Frei- dem kleinen Flecken mit diesem Buch ein bewunders­ toddemAbschie dnehmenmüssen entzogen. In diesem wertes und einzigartiges Denkmal gesetzt, das auch kleine n Artikel ist auc h die Absicht des Buches doku- heute, gerade an gesichts weltweiter Vertreibungen, mentiert: ,,(. . .):dies Buch ist aus dem Heimweh heraus nichts von seine r Aktualität verloren hat. Die Firmung im ehemaligen Bistum Konstanz Zu r Geschichte eines Sakraments - Von Dr. Klaus Peter Dannecker - Fußnoten Vgl. A. Heinz. " Die Feier der Firmun g nach römi scherTradi­ Band IV, Faszikel 2. 2. Aufl. Freibu rg u.a. 1982; G. Riggio. lich von einem Konstanzer Weihbischof und nennt keinen tion. Etappen in der Geschichte eines abendländischen "Lifurgia e Pastorale della Confermaz ion e nei secoli XI-XII­ Namen. Es kann sich aber nur um den damalsamtierenden Sonderwegs": Liturgisches Jahrbuch 39 (1989) 67 - 88. Zi­ XII": Ephemerides Lit urgicae 87/88 (1973 - 1974) 445 - 4721 Weihbischof Balthasar Brenwa lt gehandelt haben. tiert als: Heinz, Firmung, 69 - 74. Eine eingehende Darstel­ 3-31; A. Adam . Firmung und Seelsorge. Pastoralt heologi ­ 3 G. F. C. v. Zimmern . Zimmerische Chro nik urkundlich be­ lung der Entwicklung der Firmung ist in unserem Zusam­ sche und religio nspädagogische Untersuchungen zum Sa­ richtet von Graf Frob en Christof von Zimmern + 1567 und krament der Firmung. Düsseldorf 1959. Zit iert als: Ada m, menhang wed er notwendig noch möglich . Vgl. dazu seinem Schreiber Johannes Müller + 1600. Nach der von Firmung. neben dem schon zitierten Werk: M. Hauke. Die Firmung. Karl Barack besorgten zweite n Ausgabe neu herausgege­ Geschichtliche Entfaltung und theologi scher Sinn. Pader­ 2 Näheres zu Weihbischof Balthasar Brenwalt OP bei W. ben von Dr. Paul Herrmann. born 1999; B. Kleinheyer. Sakramentliche Feiern I. Die Fei­ Haid. " Die Constanzer Weihbischöfe zunächst von 1076­ ern der Eingliederun g in die Kirche. Gottesdienst der Kir­ 1548" : Freiburger Diözesanarchiv7 (1873) 199-229. Zit iert 4 Bde. Meersburg am Bodensee und leipzig 1932, 11 , 445f. 4 che. Handbuch der Litu rgiewissenschaft 7,1. Regensburg als: Haid, Konstanzer Weihbischöfe I, 226f. Haid we ist die F. Hefe le. "Von alten Sitten und Bräuchen " : Oberrheini­ 1989. Zitiert als:Kleinheyer, Eingliederung; B.Neunheuser. in der Zimmerischen Chronik beschriebene Firmung 1517 sche Heimat 28 (1941) 311 - 368, hier: 345. Taufe und Firmung . Handbuch der Dogmengeschichte Weihbischof Brenwa lt zu. Die Chroni k selbst spricht ledig- 5 Heinz, Firmung, 83. (Fortsetzung nächst e Seite) Seite 1541 Heimatkundliehe Blätter Februar 2007

6 W. Haid. "Die Constanzer Weihbischöfe von 1550 -1813": 21 "Tauf-, Ehe- und Todthenbuch" 1609 -1726. 40 DiesesSchlussgebet ist in der Donaueschinger Handschrift Freiburger Diözesanarchiv 9 (1875) 1- 24. Zitiert als: Haid, 22 »Tauf-, Ehe- und Todthenbuch« 1726 - 1784. noch nicht enthalten. Kleinheyer, Eingliederung, 207 Konstanzer Weihbischöfe 11, berichtet in seinen Lebensbe­ schreibt: "Die Oration • Deus, qu i apostolis tu is .. .' ist 23 »Tauf-, Ehe- und Todthenbuch« 1726 - 1784. schreibungen der Weihbischöfe erst ab 1625 von Firmun­ schon vor unserem Zeitraum in einigen Quellen bezeugt gen. Vor diesem Zeitpunkt bleiben die Zeugnisse über Fir­ 24 Zur Kindersterblichkeit liegen keine präzisen Zahlen vor, [.. .l". gibt sie aber leider nicht an. Im GrH (532) ist der An­ mungen recht spärlich . überdies schwanken die Zahlen sehr stark. Wir können fang der .Oration als Collecta enthalten. Das Gebet er­ 7 Aus den Angaben der Diözesansynode 1609 sind die Tage überschlagsweise von einer Kindersterblichkeit im unter­ scheint im Rh 114, 58, und im Pontifikalevon Durandus und ersichtlich: Die niederen Weihen wurden gespendet am suchten Gebiet zwischen 20 und 30 Prozent ausgehen. Vgl. dann fast unverändert im Pontftorn. Vgl. Kleinheyer, Ein­ Freitag nach dem 1. Fastensonntag (Sonntag "Invocavit", E. Labouvie. Andere Umstände. Eine Kulturgeschichte der gliederung, 207; PontRom 1596, 5. Zu den Änderungen ge­ Quatemberwoche), am Freitag nach dem 4. Fastensonntag Geburt. 2. Aufl. Köln tu. a.]2000, 158 -171, hier 160. hören: Statt "dandum" steht im PontRom "tradendum", (Sonntag "Laetare"), am Karfreitag (die Veneris sancto), 25 Vgl. Siegel, Lichter, 63. Leider erlauben die Angaben bei statt "designavimus" steht "signavimus", statt " adve­ am Freitag vor dem Dreifaltigkeitssonntag in der Pfingst­ Siegel keine präziseren Rückschlüsse. niens" "superveniens", statt "habitando" "inhabitando"; oktav und an den Freitagen der Quatemberwoche im Sep­ 26 Dieser Reformimpuls aus der Aufklärungszeit trägt bis die lange Schlussformel ("Qui cum Patre[ ...]") wurde ein­ tember und vor Weihnachten. Vgl. Synodus Constantiensis heute Früchte. Ein vorbereitender Unterricht ist bei der gesetzt. . Constitutiones et Decreta Synodi Dioecesanae Constan­ Firmvorbereitung heute durchweg üblich. Vgl. z. B. die 41 "Ecce sic benedicetur omnis horno, qui temet Dominum" tiensis, Edita ac Promulgata Die XX. Octobris, Anno Incar­ Richtlinien zur Firmpastoral in der Diözese Rottenburg, BO PontRom 1596, 5. nationis Domini nostri JesuChristi M.DC.IX. Praesidente . .. Nr. A 5543 -1.10.90, pfReg. 2.3, V. Firmvorbereitung. Dort 42 "Bene t dicat vos Dominus ex Sion, ut videatis bona Jerusa­ Jacobo [Fugger] . . . Episcopo Constantiensi. Constantiae ist neben den inhaltlichen Vorgaben eine Mindestdauer lem omnibus die bus vitae vestrae, et habeatis vitam aeter­ 1609. Zitiert als: Constitutiones 1609, I. Tit. VII. c. 2. der Firmvorbereitung von 3 Monaten vorgeschrieben. narn." PontRom 1596, 5. Der Text greift Ps 128, 5 auf. Das 8 Vgl. Synodus Constantiensis . Constitutiones Synodales et 27 Vgl. Die Feier der Firmung. in den Katholischen Bistümern Rh 114 hat wie der OR50 einen etwas ausführlicheren Text, decreta synodalia civitatis et dioecesis Constantiensis in ec­ des deutschen Sprachgebietes. Einsiedeln und Köln u.a. vgl. OR 50, c. 29, 75; Rh 114, 57. clesia cathedrali Constantien. kalendis septembris et se­ 1971,31f. 43 Vgl. C. Vogel und R. Elze. Le Pontifical Romano-Germani­ quentibus diebus Anno Dni 1567 statuta ed. et promulgata 28 "Spiritus sanctus superveniat in vos, et virtus Altissimi cus­ que du dixi me si c1e. 3 Bde. Studi e Testi 226/227. Citt dei . .. Marco Sitico S.R.E . tituli S. Georgii in velabro presbytero todiat vos a peccatis." M . Sodi und A. M. Triacca, Hg. Ponti­ Vaticano 1963 -1972,107,38; M. Righetti. Manuale di Sto­ cardinale, episcopo Constantien. et domino augiae maio­ ficale Romanum. Editio princeps (1595 - 1596). Citt dei Va­ ria liturgica. Nachdruck der Ausgabe Milano 1959 -1966. ris. Quibus adjecta sunt acta, seu ordo rei gesta, una cum .t icano 1997. Zitiert als: PontRom 1596, 2. Die Antiphon ist Aufl. Milano 1998,IV, 104; Kleinheyer, Eingl iederung, 208; caerimoniis et orationibus in eadem synode habitis. Dilin­ in der Donaueschinger Pontifikalehandschrift noch nicht Adam, Firmung, 199-201. Nach I. Herwegen (Germanische gae 1569. Zitiert als: Constitutiones 1567, I. Tit. IX, c. 6. Bi­ enthalten, wohl aber im Rh 114. Vgl. Kleinheyer, Eingliede­ Rechtsymbolik, 316 - 319) ist dies im römischen und germa­ schofsvikare (Weihbischöfe) waren zur Zeit Kardinals Mar­ rung, 201. 207; G. Hürlimann. Das Rheinauer Rituale (Zü• nischen Recht ein Symbol für die Besitzergreifung. Der kus Sitt ich von HohenemsJacobus Elinervon 1551 bis 1574, rich Rh 114, Anfang 12. Jh.). Spicilegium Friburgense 5. Fußtritt an einer Person bedeutet die persönliche Gewalt der bei der Diözesansynode 1567 maßgeblich beteiligtwar FreiburglSchweiz 1959, 55. . über die betreffende Person. Im Falle der Firmung, wenn und Balthasar 11I. Wurer von 1574 bis 1598, vgl. Haid, Kons­ 29 .Adlutorlum nostrum [. ..l". "Domine, exaudi orationem ein Untergebener diesen Fußtritt ausführt, drückt das die tanzer Weihbischöfe 11 , 5 - 8; H. Tüchle . "Die Weihbischö• meam [...I" und "Dominus vobiscum - Et cum spirutu tuo" eigene Mündigkeit aus. Diese These ist aber nicht haltbar. fe": F. X.Bischof und B.Degler-Spengler, (Bearb. bzw. Red.) PontRom 1596, 3. Das Rh 114 hat nur "Dominus vobiscum. Vielmehr kann der Fußtritt bei der Firmung als die Inan ­ Das Bistum Konstanz. Das Erzbistum . Das Bistum St. Et cum spiritu tuo." (Rh 114, 55) während das Pontifikale spruchnahme des Rechtsanspruches, des Schutzes und der Gallen. 2 Bde. BasellFrankfurt am Main 1993, 503- 524. Zi­ von Durandus (1293 - 95) schon den Textumfang des Stützung durch den Paten gedeutet werden. Vgl. Adam, tiert als: Tüchle, Weihbischöfe, 517 - 519. PontRom 1596 hat. Firmung, 199 - 201, der sich auf Koster, Righetti und Eisen­ 9 Vgl. Constitutiones 1567, I, Tit. IX, c. 7. Die Beschreibung, 30 Vgl. GeV 451. Leicht verändert im GrH 376 und in der Do­ hofer stützt. wie die Zuwe isung der Termine innerhalb eines Dekanates naueschinger Pontifikalehandschrift: M. J. Metzger. Zwei 44 Vgl. die Darstellung im PontRom 1596, 1. erfolgen sollte, ist sehr ausführlich. Karolingische Pontifikalien vom Oberrhein. Freiburger 45 Vgl. Adam, Firmung, 192.201 . Zuvor hatten die Diözesan• 10 Vgl. Conc. Trid. Sess. 24. de reform. c. 3. Theologische Studien 17. Freiburg i. Br. 1914, 104*. synoden von Chur 1605 und Köln 1662 die Handauflegung 11 Catechismus Romanus . Der Römische Katechismus nach 31 Vg l. TA 21. Vgl. ausführlicher zu den Quellen der Oration eingeführt. dem Beschlussedes Konzils von Trient für die Pfarrer. Auf Kleinheyer, Eingliederung, 198f. 46 Vgl. Schilling, A[ndreas], Hg. »Die religiösen und kirchli­ Befehl der Päpste PiusV. und KIemensXIII. herausgegeben. 32 " consigna eos signo crucis Christi in vitam propitiatus ae­ chen Zustände der ehemaligen Reichsstadt Biberach un­ Übersetzt nach der zu Rom 1855 verÖffentlichten Ausgabe ternam." PontRom 1596, 3. mittelbarvor Einführung der Reformation. Geschildertvon mit Sachregister. Kirchen/Sieg 1970, 2.3.1., S. 150 und einem Zeitgenossen«. Freiburger Diözesanarchiv 19 (1887) 2.3.25., S. 159. 33 "N . signote singo cru t cis: Etconfirmo te Chrismate salutis. In Nomine Pat t ris, et Fi t Iij, et Spritus t sanctis" PontRom 1-191. Zitiert als: Schilling, Zustände Biberach, 176. Vgl. 12 Eswird immerwieder vom geringen Interesse des Konstan ­ 1596, 3f. Die» kleine Sakrarnentenlehre« der RCon 1482 ­ den oben vollständig zitierten Text in Anm. zer Kardinalbischofs an seiner Diözese berichtet, vgl. F. X. 1570 überliefert ein Wort zur Chrismation, das sowohl von 47 Vgl. Siegel, Lichter, 64. Dort sind auch we itere nicht datier­ Bischof, B. Degler-Spengler, H. Mauerer, und R.Reinhardt. dem im Rh 114, 57 ("Confirmo te signo te in nomine patris, te und lokalisierte Zeugnisse erwähnt, die diese Handhabe "Die Bischöfe": F. X. Bischof und B. Degler-Spengler, (Be­ et filii, et spiritus sancti paraclyti. Amen.") als auch von dem zur Übernahme der Firmpatenschaft belegen. arb. bzw. Red.) DasBistum Konstanz. DasErzbistum Mainz. im PontRom abwe icht. Eslautet: "Consigno te signo sancte Das Bistum St. Gallen. 2 Bde. Basel 1 am Main 48 Vgl. Siegel, Lichter, 64. Es gibt Zeugnisse für die rituelle crucis et confirmo te crismate salutis." 1993, 229-494, 407f. Ausgestaltung der Abnahme der Firmbinde, auch aus der 34 1725 taucht zum ersten Mal im von Hieronymus Mainardus Konstanzer Nachbarschaft. Im 17. Jahrhundert gibt es ei­ 13 Die Visitation der Diözese nach dem Plan der Synode von herausgegebenen Auszug aus dem PontRom bei der Ein­ nen -zweisprachiqen Ritus in Augsburg und Würzburg; 1567 wurde nie richtig in die Tat umgesetzt. Erst nach vier zelfirmung die Bestimmung auf, die Hand während der ebenso sehen das Salzburger Manuale 1582 (vgl. Mayer, Jahren ernannte der Bischof die Visitatoren; schon 1572 Chrismation aufzulegen. Der Firmspender sollte während Sakramente Salzburg, 40f), das Würzburger Rituale von wurde die Kommission wegen zu ho her Kosten verkleinert der .salbung die vier freien Finger der salbenden rechten 1564, das Rituale von Bamberg 1587 und das Mainzer Ri­ und schließlich die Visitation in fast wirkungsloser Weise Hand auf das Haupt des Firmanden legen. Danach er­ tuale von 1671 (vgl. Reifenberg, Rituale Mainz,l, 269) die fortgesetzt: Die Dekane der Landkapitel reisten nach Kon­ scheint diese Bestimmung in verschiedenen Ausgaben Abnahme durch die Paten vor . Das RMog 1671 begründet stanz und erstatteten Bericht. Vgl. H. Tüchle. Von der Re­ aber nicht überall. Kleinheyer, Eingliederung (221), kom­ das Anlegen des Chrismale .mit der dem Chrisam geschul­ .formation bis zur Säkularisation. Geschichte der katholi­ mentiert diese Änderung prägnant und zutreffend: "Man deten Ehrfurcht. Die Abnahme können die Paten oder eine schen Kirche im Raum des späteren Bistums Rottenburg­ wird diesen Vorgang zu den 'Unfällen' in der Liturgiege­ andere Person vornehmen, wünschenswert sei es, wenn Stuttgart.Ostfildern 1981. Zitiert als: Tüchle , Von der Re­ schichte rechnen müssen." Vgl. ausführlicher H. Auf der dies ein Priester tue. Bei der Abnahme der Firmbinde wird formation bis zur Säkularisation, 111; H. Tüchle. " Das Bis­ Maur. " Unctio quae fit manus imposit ione. Überlegungen die Stirn gewaschen . Der Ritus des RMog 1671 wurde in die tum Konstanz und das Konzil von Trient.": G. Schreiber, zum Ritus der Firmsalbung": H. Auf der Maur und B. Klein­ nachfolgenden Ausgaben von 1695 und 1696 übernom• (Hg.) DasWeitkonzil von Trient, 2 Bde. 1951, 171-191, 187. heyer, (Hg.) Zeichen des Glaubens . Studien zu Taufe und men, danach verschwand er, vgl. Reifenberg, Rituale 14 Vgl. Tüchle, Von der Reformation bis zur Säkularisation, Firmung. Balthasar Fischer zum 60. Geburtstag. Zürich Mainz, 11, 79f. DasAuqsburqer Rituale von 1580 übernahm 141. 1972,469-483. Zitiert als: Aufder Maur, Unctio, 473f; Klein ­ den ganz volkssprachlichen Ritus des RHerb 1564. Auch die 15 Die Beschlüsseder Diözesansynode von 1609 sind unter Bi­ heyer, Eingliederung, 221f; J. Schmitz. "Salbung mit Chri­ Ausgabe des Augsburger Rituales 1764 beh ielt ihn bei, schof Jakob Fugger gefasst worden, der in der Diözese resi­ sam auf der Stirn unter Auflegen der Hand ." Zum zentra­ dort war er jedoch einem Priester oder Kleriker vorbehal­ dierte und Reformen durchführte, vgl. R. Reinhardt. " Fug­ len Gestusder Firmung: Liturgischesjahrbuch 35 (1985) 58­ ten, vgl. F.A. Hoeynck. Geschichte der kirchlichen Liturgie ger, Jakob (1567 - 1626)": E. Gatz, (Hg.) Die Bischöfe des 62. Zit iert als: Schmitz, Salbung und Handauflegung, 60. des Bisthums Augsburg. Mit Beilagen: Monumenta liturgi­ Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Berlin 1996,209 35 " Pax tecum" PontRom 1596,4. ae Augustanae. Augsburg 1889. Zitiert als: Hoeynck, Augs­ - 211. Zitiert als: Reinhardt, Fugger. Weihbischöfe waren burger Liturgie, 130. Das Churer Rituale 1503 sah lediglich 36 Die Firmungs alapa ist erstmals im Rationa le von Wilhelm zur Zeit Fuggers Jacobus Joannes Mirgel (1598 -1629) und vor , dassdie Firmbinde "ad minus per triduum" getragen Durandus belegt, wenig später im Pontifikale des gleichen Joannes Antonius Tritt von Wilderen (1619 - 1639), vgl. wurde. Nach H. Bissig. Das Churer Rituale 1503 -1927. Ge­ Autors. Nach Durandus hat die Alapa vier Bedeutungen: 1. Haid, Konstanzer Weihbischöfe 11 , 8-11; Tüchle, Weihb i­ schichte der Agende-Feier der Sakramente. Studia Fribur­ Sie soll den Firmempfang nachhaltiger ins Gedächtnis des schöfe, 519f. Die Beschlüssegehen davon aus, dassder Bi­ gensia Neue Folge 56. Freiburg/Schweiz 1979. Zitiert als: Firmlings einprägen. 2. Die Alapa sollte den Firmling er­ schof oder ein Weihbischof die Firmung spendeten, da mit Bissig, Churer Rituale (249), erfolgte das Ablegen in Chur mahnen, im Glauben so stark zu sein, dass er sich des der Anwesenheit des Bischofs qerechnetwurde, vermutlich nicht ohne Feierlichkeiten. Noch bis 18. manch ­ christlichen Glaubens niemals schäme. 3. Der Backenstreich mal sogar 19.Jahrhundert fanden diese Feiern in manchen 16 Vgl. Constitutiones 1609, 1. Tit. VII. c. 2; A. Siegel. Licht er am ist die Mündigkeitserklärung des Gefirmten. 4. Die Alapa Gegenden des deutschen Sprachraums in der Kirche statt. Lebensweg. Aus unserer Volksfrömmigkeit. Karlsruhe wurde als Aufnahme unter die Streiter Christi gedeutet. Vgl. Kleinheyer, Eingliederung, 221f. 1953. Zitiert als: Siegel, Lichter, 63. Au sf ührtlcherdazu: Adam, Firmung, 218 - 236; Heinz, Fir­ 17 Vgl. Constitutiones 1609, I. Tit. VII. c. 3; Siegel, Lichter, 63. mung, 80. 49 Vgl. Schilling, Zustände Biberach, 176; Siegel, Lichter, 64. 18 Vg l. Constitutiones 1609, IV. Tit. VIII. Der Plan f ür die Visita ­ 37 "Proinde, unusquisque confirmandus portet lineam vittam 50 Vgl. Kleinheyer, Eingliederung, 222.ln der Diözese Freising tionen ist nicht im Abschnitt übe r die Firmung enthalten. Er mundam, cum qua legetur caput." PontRom 1596, 2. Die erlosch die Sitte in der 2, Hälfte des 17. Jahrhunderts, vgl. findet sich gesondert in einem Ab schnitt über die Verwal­ Kölner Diözesanstatuten 1662 überlassen die Aufgabe, Mayer, Sakramente Salzburg , 41. tu ng der Diözese. eine saubere Leinenbinde in entsprechenden Abmessun­ 51 Vgl. RCon 1766,361; RCon 1775/1,265. Begründet wurde 19 Schömberg war Dekanats- und Landkap ite lssitz und ge­ gen mitzubringen, den Paten, vgl. Adam, Firmung, 191. dies " Ob majorem pro sacri Chrysmatis reverentiam" . hört heute zum Zollenalb kreis und liegt zwi schen Balingen 38 " Confi rmat o debet ligari frons et sic manere quousque 52 Vgl. Adam, Firmung, 19f. 210. Der Bamberger Fürstbischof und Rottweil a. N. etwa 90 km südlich von Stuttgart. Chrisma desiccetur, vel extergatur." PontRom 1596,2. Das Friedr ich Karl verbot 1741 Geschenke zur Firmung zur 20 Das " Tauf -, Ehe- und Todt henbuch" 1609 -1726 hat keine Pont Rom berichtet diesen Vorgang nicht im Auflauf der Gänze. Seitenzählung. Der. Firmspender ist nicht angegeben. Firmung, sondern in den Vorbemerkungen. Wer das Chris­ 53 ..Illud autem a quibusdam avaris et impiis hominibus, spe Nusplingen liegt von Ratshausen noch 16 km und von Hau­ male umlegte w ird nicht gesagt , vermutlich der Pate. munerum, quae confirmatis elargiri solent, saepius ali­ sen a. T. noch 12 km entfernt, das sind immer noch 31/4 39 "Confirma hoc Deus, quod operatus es in nobis a templo quando reiteratum fuisse, compertum sit. Proinde prohi­ bzw. 2% Stunden Fußweg. sancto tue quod est in lerusalem" PontRom 1596,4. (Fortse tzung letzte Seit e) Februar 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1542 )

Inhaltsverzeichnis 2004 bis 2006 Thema Verfasser Seite 2006 Rosenfeld und die Herren von Zimmern (Manfred Seeger) 1488 Historische Spurensuche in Isinge n, Prof. GillH. Boehringer zu Besuch (Klaus M ay) 1490 Die Herrschaft Schalksburg zwischen Zollern und Württemberg (Dr. Andreas Zekorn) 1491 Taufe in der ehemaligen Diözese Konstanz (Teil 1) (Dr. Klau s Peter Dannecker) 1492 Hünengräber und Knöptlemesser - Die Alamannen (Dr. Christoph Morrisey und Dr. Andreas Zekorn) 1494 "Pfarrer hält sich übel" (Teil 1) (Dr. Peter Thadd äu s Lang) 1496 Die Tauffeier im ehemaligen Bistum Konstanz (Teil 2) (Dr. Klaus Peter Dannecker) 1498 Magnet-Hammer für Kirchenglocke (Frank D.Engelhardt) 1499 Ich bin der letzte Balinger Schwabe - Dr. Chr. Wagner Weltreisender in Sachen Musik (Gudrun Stoll) 1500 "Pfarrer hält sich übel" (Teil 2) (Dr. Peter Thaddäu s Lang) 1501 Die Tauffeier im ehemaligen Bistum Konstanz (Teil 3) (Dr. Klau s Peter Dannecker) 1502 In Balingen wurde einst Lohkäs gebacken (Walde mar Rehfuss) 1504 "Pfarrer hält sich übel" (Schluss) (Dr. Peter Thaddäus Lang) 1505 Die Tauffeier im ehemaligen Bistum Konstanz (Teil 4) (Dr. Klaus Peter Dannecker) 1506 Das Ende des "Alten Reiches" Drei Exkursionen zu diesem Thema (Wolfgang Willig) 1507 Ausverkauf einer Jugend (Teil I) (Gerhard H. Roth) 1508 Die Tauffeier im ehemaligen Bistum Kons tanz (Schluss) (Dr. Klaus Peter Dannecker) 1510 Geschichtliche Vielfalt, Rückblick auf die Exkursion ins Piemont (Wilfried Groh) 1511 Der Landrat gratuliert - 50 Jahre Große Kreisstadt Ebingen (Dr. Peter Thadd äus Lang) 1512 Die einstige Wasserversorgung von Binsdorf (Horst Berner) 1513 Ausverkauf einer Jugend (Teil 2) (Gerhard H.Roth) 1514 Balingens letzter Turmwächter - Pauline und Jakob Haasis (Waldemar Rehfuss) 1516 Ein Opfer der Kirchenmodernisierung: Der Altarbauer Iosef Bertsch (1841 - 1911) (Lina Berner) 1517 Zum Tode von'Dr, Wilhelm Foth (Prof. Chris toph Roller) 1519 100 Jahre Schlossberg-Realschule Ebingen, (Teil I) (lürgen Scheff) 1520 Karl Bertsch - Wissenschaftler und Lehrer (Lina Berner) 1522 Die Firmung im ehemaligen Bistum Konstanz, (Teil I) (Dr. Klaus Peter Dannecker) 1524 100 Jahre Schlossberg-Realschule Ebingen, (Teil 2) (lürgen Scheft) 1525 Ein Leben an der Schwelle zum Mittelalter: Die Ebinger Martinskirche Martin von Tours und die Ebinger Martinskirche (Teil 1) (Herbert Friederich) 1528 Freibier-Marken für den Stammtisch (Waldemar Rehfuss) 1529 Die Firmung im ehemaligen Bistum Konstanz (Teil 2) (Dr. Klaus Peter Dannecker) 1530 Der Turmfalke - Vogel des Jahres 2007 (Teil 1), Im Rütteltlug . (Dr. Karl-Eugen Maulbetsch) 1532 Die Firmung im ehemaligen Bistum Konstanz (Teil 3) (Dr. Klau s Peter Dannecker) 1533 Ein Leben an der Schwelle zum Mittelalter: Martin von Tours und die Ebinger Martinskirche (Teil 2) (Herbert Friederich) 1534 2005 Der Uhu - Vogel des Jahres 2005 (Teil 1) (Dr. Karl-Eugen Maulbetsch) 1442 Ein gutes Stück .Balinger Kultur", Karl Hötzers Gedichte u. Geschichten, neu aufgelegt (Gudrun Stoll) 1443 "Statt Armut das Gottesreich..." (Schluss) (Adolf Klek) 1444 Krippenfahrt nach Gutenzell und Ulm (Hans Kratt) 1444 Vom Hoffräulein zur Frau des Markgrafen (Teil 1) (Manfred Seeger) 1446 Der Uhu - Vogel des Jahres 2005 (Schluss) (Dr. Karl-Eugen Maulbetsch) 1447 In memoriam Gerhard Rehm (Prof, Dr. Konrad Klek) 1448 Das Heilige Grab oder Ostergrab (Dr. Klaus Peter Dannecker) 1450 Vom Hoffräulein zur Frau des Markgrafen (Schluss) (Manfred Seeger) 1451 Der Luftangriff auf Ebingen (Teil 1) (Franz Leiter mann) 1454 "Germans to Franklin County" - Deutsche Einwanderung im 19. Ih, (Teil 1) (David J.Sautter) 1456 Hochwasser im Oberamt Balingen (Hans Geißler) 1458 Der Luftangriff aufEbingen (Schluss) (Franz Leitermann) 1459 "Geimans to Franklin County" - Deutsche Einwanderung im 19. Ih. (Teil 2) (David J. Sautter) 1461 Alles Heuberg - oder was? (Teil I) (Heinrich Stopper) . 1462 "Germans to Franklin County" (Schluss) (David J. Sautter) 1464 Das Jetter-Haus in Dürrwangen (Hans Kratt) 1464 Das Bubenhofer Tal bei Rosenfeld (Manfred Seeger) 1466 Alles Heuberg - oder was? (Teil 2) (Heinrich Stopper) 1468 Das Knacken der Grashalme beim Mähen, ein Buch über Isingen von H. Frommer (Rosalinde Riede) 1469 Lehrer Huzel- Ein Stück Schulgeschichte (Teil 1) (Adolf Klek) 1470 Alles Heuberg - oder was? (Schluss) (Heinrich Stopper) 1471 Karl Hötzer im Original- Eine Loable-.CDdes Heimatdichters (Michael Kaiser) 1472 Wie der Reichsjägermeister einen Rehbock traf- Aus dem Buch "Damals im Killertal " Georg Schuler berichtet aus schicksalhafter Zeit (Daniel Seeburger) 1473 Die Sülzle - Eine Rosenfelder Familie (Teil 1) (Walther Sülzle) 1474 Lehrer Huzel- Ein Stück Schulgeschichte (Teil 2) (Adolf Klek) 1476 Ungeliebt im Schwabenland - ausländ. Arbeitskräfte in Ebingen (Teil I) (Dr. Peter Thaddäus Lang) 1478 Die Sülzle - Eine Rosenfelder Familie (Schluss) (Walther Sülzle) 1480 Kurt Georg Kiesinger in Kompaktform, Buch zum Symposium in Albstadt (Dagmar Stuhrmann) 1481 Eindrucksvolle Kirche im Jugendstll- Ebinger Martinskirche (Herbert Friederich) 1482 Ungeliebt im Schwabenland - ausländ. Arbeitskräfte in Ebingen (Teil 2) (Dr. Peter Thaddäus Lang) 1484 Die Herrschaft Schalksburg zwischen Zollern und Württemberg (Teil 1) (Dr. Andreas Zekorn) 1485 Der Kleiber - Vogel des Jahres 2006 . (Dr. Karl-Eugen Maulbetsch) 1486 Ungeliebt im Schwabenland - ausl änd. Arbeitskräfte in Ebingen (Schluss) (Dr. Peter Thaddäus Lang) 1488 Die Herrschaft Schalksburg zwischen Zollern und Württemberg (Teil 2) (Dr. Andreas Zekorn) 1489 Seite 1543 Heimatkundliehe Blätter Februar 2007 Inhaltsverzeichnis 2004 bis 2006 Thema Verfasser Seite 2004 Der Zaunkönig - Vogel des Jahres 2004 (Or. Karl-Eugen Maulbetsch) 1394 Die Onstmettinger und Philipp Matthäus Hahn (Teil 1) (Or. Peter Thaddäus Lang) 1399 Der Übergang der Herrschaft Schalksburg von Zollern an Württemberg 1403 (Dr. Andreas Zekorn) 1399 Juden tum, Kirche und Staat (Teil'I) . (Or. Peter Thaddäus Lang) 1399 Die Onstmettinger und Philipp Matthäus Hahn (Schluss) (Or. Peter Thaddäus Lang) 1400 Krieg am Himmel von Zillhausen (Kurt Schneider) 1401 Von Ebingen in das Amt desBundeskanzlers - Kurt Georg Kiesinger (Philipp Gassert) 1402 Kurt Georg Kiesinger - Aus seiner Kindheit und Jugend in Ebingen (Prälat Paul Kopt) 1404 Exkurs ion zur Mandelblüte, Rückblick (Prof. Christoph Roller) 1405 Ein Brief von Iohann Tobias Beck (Or. Wilhelm Foth) 1406 Judentum, Kirche und Staat (Schluss) (Or. Peter Thaddäus Lang) 1407 Osterbrauchtum im Laufe der Jahrhunderte (Anton Georg Grözinger) 1408 Knecht des Herrn - Philipp Matthäus Hahn bei den Pietisten (Teil 1) (A1fred Munz) 1410 Besuch auf Bundesfestung U1m (Rückblick) (Hans Kratt) 1413 Geistige Pra cht im Zeitenwan del- Die Lyrik von Eduard Mörike (Helmut Hauser) 1414 Rosenfeld - Stätte des Jammers und Entsetzens (Teil 1) (Manfred Seeger) 1415 Knecht des Herrn - Philipp Matth äus Hahn bei den Pietisten (Schluss) (A1fred Munz ) 1416 . Kunst als Aussage, Versöhnung und Hoffnung, Rückbli ck auf die EXkursion zu Professor H. G. von Stockhausen auf Schlo ss Waldenburg (Prof. Christoph Roller) 1417 Stauffenberg: Bote des Humanismus; (Vortrag) (Or. Klaus Kinkel) 1418 Staufer-Medaille für Prof. Christoph Roller ( Die Redaktion) 1420 Rosenfeld - Stätte de s Jammers und Entsetzens (Schluss) (Manfred Seeger) 1420 Michaels Schöpfung slied , Exkursion zur Welturaufführung des Mysterienspiels (Prof. Christoph Roller) . 1421 Gesucht: Chronik des Klosters Binsdorf (Or. Andreas Zekorn) 1422 "Ein Juwel der Barockrnalerei" zum Buch "Die (Bitzer) Apostel" (N.N) 1424 Exkurs ion in "Das unterirdische Böblingen ", Rückblick (Dr. Ingrid Helber) 1425 Neues Leben blüht aus den Ruinen - Binsdorfer Stadtbrand 1904 (Gerhard Mozer) 1426 Erinnerung an geschichtsträchtigen Ort - Ruine Schalksburg (Prof. Christoph Roller) 1428 Urknall - Mythos - Natur und Kultur; Exkursion ins Oonautal und ins Kloster Beu ron zum Mysterienspiel .Michaels Schö pfung" (Prof. Christoph Roller) 1429 Der junge Kiesinger als Gelegenheitsdichter (Or. Peter Thaddäu s Lang ) 1430 132 Seiten Lust auf die Region - Der Schwäbische Heimatkalend er 2005 (Felix Kösterke) 1433 "Statt Armut das Gottesreich" Gustav Wemer, Prediger u. Sozialreformer (Teil I) (Adolf KIek) 1434 Die Grafenbrüder von Üxküll-Gyllenband (Ien s-Florian Ebert) 1436 Ein Jahr, 14 Monate und 13 Tage auf Achse Ein Rückblick auf fünfzig Jahre heimatkundliehe Exkurs ionen (Prof. Christoph Roller) 1437 Alte Denkmäler aus vergangene r Zeit - Rosenfelder Friedh ofkapelle (Manfred Seeger) 1438 "Statt Armut das Gott esreich " Gustav Wemer, Prediger u. Sozialre form er (Teil 2) (Adolf KIek) 1440 u. Sozialreformer (Teil 2) (Adolf KIek) 1440

Firmung Konstanz, Ende Fußnoten bemus, ne susceptores in Sacramento confirmationis, iis, ment L. Mit einem Anhang, von den besten Mitteln, gute ' turgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 92). quos susceperint seu adduxerint, vel eorum parentibus, Geistliche zu erhalten. Der französischen Nationalsynode Münster 2005, 79. quicquam omnino largiantur, et per hoc alicui iterandi hoc zur Prüfung vorgelegt. Tübingen 1802. Zitiert als: Pracher, 60 H.-J. Ignatzi. "Die Liturgie der Firmung im Ritua le Ignaz sacramentum occasio praebeatur.« Constitutiones 1567, I. Neue Liturgie 1802,75. Heinrich von Wessenbergs (1831). Ein Beitrag zur Reform Tit.IX. c. 10.»Suscept o resvero neque iis,quos susceperunt, 58 Vgl. A. L. Reyscher, Hg. Vollständige, historisch und kritisch neque eorum parentibus largiantur aliquid tale, ex quo oc­ der "Firmspendung" in der Spätaufklärung." : F. Koh l­ bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze. schein, (Hg.) Aufklärungskatholizismus und Liturgie. St . casio Sacramentum hoc it erandi, quod seep lus commis sum 19 Bde. Tübingen 1828-1851, Bd. 10, 610f. audivimus, praebeatur.« Constitutiones 1609, I.Tit .VII. c. 6. Ottilien 1989,93 - 152. Zitiert als: Ignatzi, Firmung im Ri­ Das Problem ist auch aus anderen Bistümern bekannt. Das 59 Vgl. I. H. v. [Wessenbergl. Ritual nach dem Geist und den tuale Wessenbergs, 146f.lgnatzi zitiert einen Ausdruck aus Provinzialkonzil von Köln 1536 beklagte die Veräußerli­ Anordnungen der katholischen Kirche, oder praktische Wessenbergs Vorbemerkungen zum Ritual; 2. Auflage. Anleitung f ür den katholischen Seelsorger zur erbaulichen chung der Firmung durch die Geschenke, mit der sich die 61 Vgl.lgnatzi, Firmung im Rituale Wessenbergs, 150f. Paten gegenseitig übert reffen wollten. Ebenfalls wurden und lehrreichen Verwaltung des liturgischen Amtes. Zu­ 62 Das RHerb 1836 bettete den Firmritus des PontRom in . die Gelage nach Taufe und Firmung getadelt. Das erste gleich ein Erbauungsbuch für die Gläubigen. Stuttgart und Mailänder Provinzialkonzil unter Bischof Karl Borromäus Tübingen 1831. Zur Entstehung des Rituals von Wessen­ volkssprachliche Elemente mit Instruktionen ein, vgl : Rei­ (t 1574) verbot 1565 Geschenke der Firmpaten an die Firm ­ berg vgl. K. P. Dannecker. Taufe, Firmung und Erstkommu­ fenberg, Rituale Mainz, 11, 71. Der gleiche Sachverhalt in linge und deren' Eltern, um einer Wiederholung der Fir­ nion in der ehemaligen Diözese Konstanz. Eine liturgiege­ Rottenburg vgl. Ignatzi, Firmung im Rituale Wessenbergs, mung entgegenzuwirken. Ein ähnliches Verbot erließen schichtliche Untersuchung der Initiationssakramente. (Li: 127f. die Provinz ialkonzilien von Aachen 1585 und Avignon 1594. Die Provinzialsynode von Narbonne 1609 verbot Firmgeschenke sogar unter Androhung der Exkommuni­ katio n, um die Firmw iederholung zu unter-b inden. Vgl. Herausgegeben von der Ada m, Firmung, 19f. 210. Heimatkundlichen Vereinigung 54 K. Schwarzel. Versuch eines deutschen Rituals mit Beybe­ Zollernalb haltung des relig iösen Alterthums und Beysetzung ein iger anpassenden neuern Verbesserungen. Sammt einem An ­ Vorsitzender: hange über die in der kat holi schen Kirche üblichen Segens­ Christoph Roller, Am Heuberg 14, sprüche, nach den Grundsätzen des Alterthums. Augsburg 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82 1809. (159), warnte die Paten vor großzügigen Geschen­ Geschäftsführung: ken, denn "die Schenku ngen, welche da die Pathen ihren M ündeln zu machen pflegen, geben oft zu dem satyri­ Erich Mahler, Mörikeweg 6, schen Missbrauch An lass,dasssich unwissende Leute dieser 72379 Hechingen Schenkung wegen öfter f irmen lassen, welches strenge zu Telefon (07471) 155 40 verbieten ist." E-Mail: [email protected] 55 Vg l. A. Birlinger. Vo lkstümliches aus Schwaben . 2 Bde. Redaktion: Freiburg i. Br. 1861-1862., Bd. 2,167, Nr. 169. Oaniel Seeburger,GrünewaIdstraße 15, 56 Vg l. RCon 1766, 361; RCon 1775/" 265; PontRom 1596, 2. 72336 Balingen,Telefon (07433) 2 66-153 57 B. [Pracher]. Neue Litu rgi e des Pfarrers M. in K. im Departe- ..,.~. ~. --?-- _Al~'~ . ~ . , ( N ' , Cf) Heima:...... dlicheBlätter' Zollemalb He:i:matlqmdlicheVereinigung ZollernalbeV

Jahrgang 54 31. März 2007 Nr.3 Grundlagen desWaagenbaus Die Urwaagen des Philipp Matthäus Hahn - Von Martin Sauter Ernst Kern, Rudi Keinath und ich haben uns aufge­ macht, zu den Grundsteinen des Waagenbaues unse­ res Raumes vorzudringen. Gelegt hat sie der bekannte Pfarrer und Ingenieur Philipp Matthäus Hahn. Doch die Kenntnis, wie seine ersten Waagen nun wirklich ausgesehen haben, ist im Laufe von etwas mehr als zwei]ahrhundertenverlorengegangen. Nun sind sie wieder da, die beiden Ur-Waagen, mit denen hier bei uns alles angefangen hat. Wie der Inge­ nieurPhilippMatthäusHahndachte,ist bekannt. Erselbstformuliert:"Esistmir Gewohnheit,scharfzu denken,ein-unddieselbeSache unbewegtvor denAu­ gen des Gemüthszu haltensowie an allemzu zweifeln, von welchemich keinengenugsamenGrundeinsehe". Zum Zweifeln undInfragestellengab esbeimdamals noch mittelalterlich geprägten Waagenbau mehr als genug. Und so fahrt er fort und postuliert, wie er sich seine neuenWaagenvorstellt: Erstens einfach und be­ quem, zweitens preiswert und drittens mit dem An­ spruch, möglichstviel Nutzenin einem Gerät zu verei­ nen. Dochschauenwir sie nunan , die Grundsteine unse­ resWaagenb aus.

Hauswaage Die erste Waage Hahns ist technisch so neu, dass es noch gar keinen Fachbegriff dafür gibt. Er nennt sie meist eine "bequeme Hauswaage". Im Laufe der Jahre wird sie zum Markenbegriff als .Hahn'schen Waage" und noch später in industrieller Zeit wird dieser Wa­ agentyp, d ~ ohne Gewichtssteine funktioniert, als Neigungsw'tage bezeichnet. c DieVorgeschichte Philipp Matthäus Hahn ist anno 1760 Hauslehrer in Lorch und hat- ausnahmsweise -Zeit. Er versucht, in seinen Freistunden ein Perpetuum Mobile zu bauen, wobei ihm als Materialien nur Holzbrettehen, eiserne DrähteundBleizur Verfügungstehen. BeiseinerBaste­ lei muss er in die Nähe der Waage geratensein, denner schreibt von gleicharmigen Hebeln und angehängten Gewichten. Er beißt sich fest, kommt drei Wochen nicht ins Bett und kann doch - wie viele vor und nach ihm -dasPerpetuumMobilenichterfinden. Nebenher liest er das berühmtesteWaagenbuch seiner Zeit, den .Leupold"von 1726. Drei Jahre gehen ins Land. 1763ist Hahn in Ostdorf, wo er laut Lebenslauf seine bequeme Hauswaage er­ sinnt. Ersinnenist das richtigeWort, erfindenkonnteer sie nicht, denn das Prinzip war seit Leonardo da Vinci bereitsbekannt. Ein bissehen später, möglicherweise in Tieringen oderaberdannin Onstmettingennimmtsie Gestaltan, zwei Gulden Feines bekommt. Der Schlusssatz dieses Die Bedienungsanleitung ist unverlierbar auf der wiederum bestehend aus Holzbrettchen, eisernen Briefes lautet: "Meinen gehorsamsten Respekt seiner Vorderseite angebracht und von Philipp Matthäus Drähten und Blei. Auch Uhren aus Holz entstehen in Magnifizenz Herrn Papa und Frau Mama bitte zu ver­ Hahnselbstgeschrieben. dieserZeit. DasArbeitenin Metall stecktbei Hahnnoch melden". indenAnfängen. Wir mache n nun eine n großen Sprungüber 234Jah­ DieWeiterentwicklung Doch nunkommtLicht in die Szene: 1767schneitei­ re.Hier istsiewieder, dasguteSt ück!DieWaage bes teht Ab 1769 ist die bequeme Hauswaage in Schmiede­ ne höfliche Anfrage von zwei Studenten ins Onstmet­ ganz aus Holz, eisernen Drähten und Blei. Und das ist eisen lieferbar, wobei sehr wahrscheinlich die Dorf tingerPfarrhaus, die anfragen, ob sie dennauchso eine der Pfiff: Die Waage funktioniert gänzlich ohne Ge­ schmiede Saut er in Onstmettingen als "Geburtshel­ Waage haben können,wie der Herr Verwalter in Balin­ wichtssteine. Man kann das Gewicht direkt an eine r fer" fungierten. Wir vermuten, dass Iohann Jakob gen eine hätte. "Papa und Frau Mamalassen grüßen". Skala ablesen. Es ist - mo dern gesprochen- eineauto­ Sauter I. am Werk war, der sich vom Schm ied bis zum Höfliche Antwort des Pfarrers Hahn vom ,,4. Septem­ matischeWaage, die vermutlich erste brau chb are Nei­ Uhrmacher entwickelte. Nun konnten die Wägebe• bris 1767": gungswaageDeutschlandsfür einenLastbereichbis20 reiche erhöht werden, zunächst auf 50 Pfund, dann "Hochedle, hochgeehrte Herren Reussen! Aber sehr Pfund,also etwazehnKilogramm . auflOOPfund un d schließlich auf200 Pfund , was etwa gerne, ich hab 's meinem Bruder dem Barbier in Ost­ Eintypisches Hahn-Produkt: einer Tragkraft von immerhin 100 Kilogramm ent­ dorf übergeben, der Waagen solcher Art sehr accurat - bequem zu bedienen sprach. Die kleinste Ablesbarkeit von V2 Quint, also verfertigt" . - vielseitig einsetzbardurch3Wägebereiche etwa zwei Gramm, ist ein sehr günstiger Wert. Die Anschließendbeschreibterdetailgetreuwas manfür - und günstigim Preis. modernen elektronischen Industriewaagen in dieser Seite 1545 Heimatkundliehe Blätter März 2007

Leistungsklasse können es auch nicht besser. entweder einer Flüssigkeit oder eines festen Körpers verschiebbar war, um die beiden Hebelarme links Die neue Waage findet Gefallen, so dass sich Hahn ab. und rechts gleich lang zu machen. Wir Waagenbauer im Jahre 1777 recht stolz zu Worte meldete: "Das sind Die Dichte - wie wir heute sagen - war zur Zeit sagen "Justieren" dazu. Hauswaagen ganz neuer Art und nicht wie jene Waa­ Hahns ein wichtiges Kriterium, um beispielsweise die Im Originaltext liest sich das so: "Wenn eine stäh• gen mit Federn die einer Veränderung ausgesetzt Reinheit von Stoffen zu bestimmen. Wem käme da lerne Zunge gemacht wird, die sich schieben lässt, als sind, sondern solche, die beständig dauren", Will sa­ nicht die Krone des Königs Hieron von Sizilien in den ein Blättelein,woran der Wellbaum eingelötet ist, so gen: Aufihre Genauigkeit ist Verlass. - Sinn, die der schlaue Arehirnedes schonvor etwa2200 kann man denArm versilbern odervergülden". Nach Hahns Tod lassen sich Weiterentwicklungen Jahren mit einer hydrostatischen Waage auf ihren Schließlich, nach langem Suchen, fand ich die Lö• nachweisen. Die Konstruktion wird modernisiert und wahren Goldgehalt hin untersuchte. sungim OnstmettingerWappen. die Lagerung verbessert. Hier dürfen wir die Hand­ Schauen Sie sich diese wenigen Stiche an. Sie stel­ schrift des Onstmettingers Simon Sauter vermuten, Die Vorgeschichte len eine Fassung für den mittleren Drehpunkt der dem Sohn jenes Hahn-Mitarbeiters Johann Jakob Hahn war mittlerweile von Onstmettingen auf die Waage dar. Die beiden Schraubenlöcher sind etwas Sauter I. Offensichtlich war der Waagenbau in Onst­ Pfarrstelle nach Kornwestheim versetzt worden, als er größer gebohrt, so dass kleine seitliche Verschiebun­ mettingen damals ausschließlich Sache der Schmie­ von einem Gelehrten veranlasst wird, über eine neue gen möglich sind. Jetzt war der Korken aus der Fla­ de- und Uhrmacherfamilie Sauter, seltsamerweise Dichtewaage des berühmten Augsburger Instrumen­ sche! Das Onstmettinger Wappen könnte als Patent­ tauchen bis in die 1840er- Jahre im Zusammenhang tenbauers Brander nachzudenken, ob diese nicht ein­ zeichnungdienen. mitWaagen nie andere Familien-Namen auf. facher und mit weniger Kosten zu bauen sei. Hahn Und plötzlich machtder geheimnisvolle Satz Sinn: Neben der bekannten Wandwaage werden jetzt lässt sich nicht zweimal bitten und kommt nach eini­ Das ist die stählerne Zunge, hier das verschiebbare auch Stativ-Waagen für Postbüros hergestellt, die gen Voruntersuchungenmesserscharfzum Schluss: Blättelein und der Hahn'scheWellbaum ist in unserer teilweise noch in den 1920er- Jahren, also nahezu 100 "Die Akkuratesse" - also die Genauigkeit - "genügt heutigen Sprache die Mittelschneide. Jahre im Einsatz sind. nicht". "Meine Waage wird um ein Halbteil wohlfeiler Die vielseitige Anwendung der allgemeinen hydro­ Interessante Konstruktionen fallen auf, ich kann sein als die Brander'sche" - also: Ein besseres Produkt statischenWaage: von zwei Nachbauten berichten, die Waage aus Otto­ zumhalben Preis. Zuerst ist sie eine Krämerwaage, also eine Kauf­ beuren von 1780 sowie eine Postwaage aus Frankfurt Große Worte - vielleicht zu große Worte, denn mannswaage für feine Wägungen. Auch Apotheker um 1840. schließlich hatte weder Hahn noch seine kleine Uhr­ sind aufsolch feine Waagen angewiesen. Dann ist sie Anno 1845 hört man noch von einemVersuch, eine machermannschaft in Kornwestheim jemals etwas Gold- und Münzwaage zur Prüfung der damaligen Art Kugellager einzubauen, doch dann wird es still um mit einerwirklich genauenWaage zu tun gehabt. Münzgewichte. Schließlich ist sie auch eine Probier­ die Hahn'scheWaage, denn jetzt drängen andereWa­ Doch was soll's, mit Schwung machten sie sich im waage, die Waage des Chymisten. Das Wort Chemiker agentypen aufden Markt: Die bekannte Dezimalwaa­ Sommer 1773 ans Werk. Aber Wochen und Monate gab es offensichtlich noch nicht. ge mit dem Übersetzungsverhältnis 1:10 ab etwa verstreichen, ohne dass eine brauchbare Waage ent­ In der vierten und wichtigsten Variante ist sie, wie 1820,danndie Tafelwaage ab etwa 1840. steht. Nun aber läuft die Zeitschiene heiß, Hahn will schon erwähnt, eine hydrostatische Waage zur Be­ Beide Waagen haben von oben frei zugängliche im Frühjahr des Folgejahres ein Büchlein mit seinen stimmung des spezifischen Gewichtes, also eine Wägeplatten und sind somit praktischer zu bedienen astronomischenUhren herausbringen, in dessen drit­ Dichtewaage. Nun aber machen Dichtemessungen als die hängendeWaagschale der Hahn'schenWaage. tem Teil die neue Waage beschrieben werden soll. nur dann Sinn, wenn die Genauigkeit der Waage Zudem sind die beiden neuen Waagen nach dem un­ Der Stress nimmt zu, Klagen werden laut und im Ta­ überaus groß ist. Teilen Sie einmal eine Stecknadel in ter preußischer Federführung entstandenen Eichge­ gebuch ist zu lesen: "Ich schreye in meinem Inwendi­ 50 gleiche Teile, dann haben Sie das kleinste Gewicht, setz eichfähig und somit in allen Verkaufsgeschäften gen zu Gott, das er mich doch aus diesen Feßlen erlö• das die Waage anzeigen musste. Damit war ihre Ge­ einsetzbar. Diese Eichung aber wird der Neigungs­ sen wolle". Kein Wunder, denn über das viele Arbei­ nauigkeit 4mal höher, als die des berühmten Herrn waage hartnäckigverweigert, denn nach dem damali­ ten vergisst er unter anderemauch das Essen. Konkurrenten aus Augsburg. gen Verständnis taugt eine Waage nur dann etwas, Irgendwann im November 1773 reißt der Gedulds­ Mit seiner neuen Waage konnte Hahn natürlich wenn sie mit richtigen Gewichtssteinen bedientwird. faden. Philipp Gottfried Schaudt, der Schulmeister auch die Dichte des süßen Traubenmostes bestim­ Doch das Blatt wendet sich aufganz seltsame Wei­ von Onstmettingen muss her, nur er kann die ver­ men, eine wichtige Größe für den Weinbau im hei­ se. Im Zuge der Industrialisierung ist die Neigungs­ trackte Lage retten. Und Schaudt kam postwendend. matlichen Neckartal. Hahn formulierte: _ "Der waage in anderen europäischen Ländern längst eine In einer Nacht- und Nebelaktion bringt er die ,Waage schwerste Traubenmost gibt den geistreichsten nützliche Kaufrnannswaage geworden. So setzten ins Lot. . Wein". Jetzt ist Hahn auf dem besten Wege, den spä• ausländische Waagen-Hersteller 1921 im Anhang Hahn schreibt im Dezember, einen Tag vor Weih­ teren Oechsle-Grad des Weines zu erfinden, doch die zum Versailler Vertrag durch, dass die Neigungswaa­ nachten, ganz befreit ins Tagebuch: "Nun endlich ist Zeit hierfür war - im Gegensatz zu den Trauben- ein­ ge auch in Deutschland zur Eichung freigegeben wer­ sie da, meine Waage" - und setzt sich sofort hin, um fach noch nicht reif. den muss, was auch geschah. Doch die ausländischen umfangreiche Messreihen zu machen. Man muss an­ Interessanterweise können wir in der Beschreibung Fabrikanten, die auf den deutschen Markt drängten, nehmen, dass er sich mit dem Weihnachtsfest 1773 nicht nur alle damals am Neckar angebauten Weine, hatten nicht mit der Tüchtigkeit schwäbischer Waa­ nicht lange aufgehalten hat. Lapidar schreibt er ins sondern erfahren auch etwas über ihre Güte. Ein Bei­ genbauer gerechnet. Bizerba Balingen tritt ab 1924 Tagebuch: "Nachts hydrostatisches geschrieben". spiel zum Weinjahrgang 1773: Bekannte Weinsorten auf den Markt und-bietet als erste deutsche Firma Die letzten Messungen sind Ende Dezember ge­ sind Burgunder, Traminer, Silvaner, Gutedei und Ru­ Neigungs-Schaltgewichtswaagen an. Ein absoluter macht, die Tinte noch nicht- trocken, und schon am lander. Keine Erwähnung dagegen finden erstaunli­ Volltreffer, denn schon vier Jahre später ist Bizerba 27. Januar 1774 geht das Manuskript in den Druck. cherweise Trollinger und Riesling. Hahn hat nicht nur die größte deutscheWaagenfabrik. _ Managerstress also schonvor über230Jahren. bei der Genauigkeit Wort gehalten: Auch der Preis war Der nächste Innovationsschub ist die optische mit 22 Gulden exakt die Hälfte des Konkurrenzprei­ preisanzeigende Neigungswaage - bei Bizerba Typ ZurTechnikderWaage _ ses, also ein Halbteil, wie Hahn selbst vorausgesagt OP ab 1952 - deren Leben erst zu Ende geht, als rein Hahn greift aufdie klassische Balkenwaage zurück, hatte. elektronische Waagen Ende der 1970er-Jahre mit bricht aber vollkommen mit der Tradition der mittel­ Macht das Feld besetzen. Die mechanische Nei­ alterlichen Gold- und Münzwaage. Als nüchternem Wie ginges weiter? gungswaage hatte ein langes Leben gehabt. Sie konn­ Ingenieur sind ihm die überkommenen Schnörkel Hahn hatte mit dieser Waage langfristigen Erfolg, te immerhin noch in sehr rüstiger Form ihren 200. hinderlich. Er konstruiert im heutigen Sinne modern, so dass er über die Jahre .auch größere und kleinere Geburtstag feiern und bot Ende der 1960er- Jahre al­ ästhetisch und in den Proportionen ausgewogen. hydrostatische Waagen herstellen ließ. Aus diesen lein in unserem Raum 2.500 Beschäftigten Lohn und Sein Credo: Die Waage muss einfach sein und in ihrer größeren und kleineren hydrostatischen Waagen Brot. Wirkung so sinnreich, wie die Werke der Natur. Und wurden einige Zeit nach Hahns Tod Tarierwaagen für eine Reisewaage soll es sein, um sie "in den Sack" zu Apotheker - und jetzt sind wir schon ganz nahe ari stecken. Onstmettingen, doch darüber gleich mehr. Allgemeine hydrostatische Waage Das Besondere an dieser Waage ist, dass sie heute Verlassen wir Deutschland nun für einen kurzen Nun möchte ich die zweite Konstruktion Pfarrer in mehrfacherWeise patentfähigwäre. Augenblick und machen einen kleinen Ausflug nach Hahns vorstellen und zwar die "Allgemeine hydrosta­ Schweden. Dort war der älteste Sohn des uns schon tische Waage" von 1774. Dieses Urmodell aller Präzi• DasPatentNr.l bekannten Johann Jakob Sauter I. wiederum ein Io­ sionswaagen unseres süddeutschen Raumes ist in Auf der rechten Waagbalkenseite befindet sich ein hann Jakob II als Uhrmacher und Waagenbauer tätig. den napoleonischen Wirren vor etwa 200 Jahren re­ Schieber, um die kleinen Gewichte bequem einstellen Dort lernte er den berühmten schwedischen Chemi­ gelrecht verloren gegangen, auch hat sich weltweit in zu können. An sich nichts Neues, doch es wäre nicht ker Iöns Jakob Berzelius kennen, für den er eine Waa­ keinem Museum mehr ein Exemplar finden lassen. Hahn, wenn er sich mit nur einer Skala zufrieden ge­ ge baute. Wahrscheinlich kam er in diesem Gefolge Und so ist es erklärbar, dass auch den Onstmettingern geben hätte. Gewiss nicht - er arbeitet mit einer Dop­ auch mit dem Bergwerksingenieur und Chemiker Io­ ihre eigentliche feinmechanische Wurzel abhanden pelskala, eine auf der Oberseite und eine an der Vor­ hann Gottlieb Gahn in Kontakt, der ein außerordent• kam. derseite des Waagbalkens. lich talentierter Konstrukteur von feinmechanischen Man hat bei geschichtlichen Betrachtungen zum Der Geistesblitz ist genial. Mit der oberen Skala Instrumentenwar. Waagenbau Onstmettingens fälschlicherweise immer werden Grane, also ganz feine Gewichtseinheiten Jedenfalls taucht unser Patent der verschiebbaren nurdie eiserne Neigungswaage vor Augen gehabt und gemessen, und aufder vorderen Skala zeigt Hahn die Mittelschneide bei den Gahn'schen Waagen wieder offensichtlich mit dem Widerspruch gelebt, dass sich damals allerneuesten Dichtewerte nach Muschen­ auf. Philipp Matthäus Hahnlässt grüßen. hieraus nun wahrlich keine Feinmechanik ableiten broek an - denn es ist ja eine hydrostatische Waage. Dies alles verfolgte der bekannte deutsche Apothe­ lässt. Bei diesem, seinem zweiten Waagenprodukt Zwei Fliegen also auf einen Streich und im Sinne ker Dr. Carl Friedrich Mohr um 1830, der die schwedi­ war Hahn sehrtreffsicher mit seiner Namensgebung. Hahns doppelter Nutzen. schen Waagenmerkmale lobte und selbst anwandte. "Allgemein" steht für einen vielseitigen Gebrauch Es darf aber spekuliert werden, ob er je erfuhr, dass sowohl als Dichtewaage, als auch für andere Wägun• Das PatentNr. 2 am Anfang eine schwäbische pfarrherrliche Erfin­ gen. Das Wort "hydrostatisch" will sagen, dass man Dies ist wesentlich geheimnisvoller und konnte dung stand. Mohr war es auch, der die berühmte Gegenstände ins Wasser taucht und misst, umwie viel lange Zeit nicht enträtselt werden. Nur eine einzige Mohr'sche Waage angab, eine Dichtewaagemit im­ diese unter Wasser leichter werden. Wir nennen das knappe Andeutung im Werkstattbuch III ließ den mer noch erkennbaren Spuren der Hahn'schen Ori­ Auftrieb und leiten hieraus das spezifische Gewicht Schluss zu, dass der mittlere Drehpunkt der Waage ginalkonstruktion. März 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1546

Spätestens aber jetzt wird man fragen: "Wo bleiben deeisen baut und verbessert. Eine Generation später hat die hiesige Waagenin­ sie denn, die wackeren Onstmettinger?" Mit einerZu­ Auch präzise Waagen rücken ins Blickfeld. Es gibt dustrie bereits Weltgeltung. Die große Zeit der me­ schauerrolle haben Sie sich ja bekanntlich nicht be­ Indizien, dass Simon Sauter mit dem bekannten Fer­ chanischen Waage sollte noch 3 weitere Mechaniker­ gnügt. Doch zunächst muss ich etwas gestehen: Wir dinand Oechsle in Pforzheim in Berührung kam, der Generationen anhalten. Doch dann wird der mecha­ wissen wirklich nicht, ob die allgemeine hydrostati­ laut Preisliste von 1825 feine Apotheker-Tarierwaa­ nische Präzisionswaagenbau ebenso heftig, wenn sche Waage schon zu Lebzeiten Hahns in Onstmet­ gen baute. An einigen Details lässt sich eine konstruk­ auch etwas später als die Neigungswaage von der tingen gefertigt wurde. Kann sein - muss aber nicht. tive Verwandtschaft von Oechsle zu Philipp Matthäus Elektronik eingeholt. Die berühmte Onstmettinger Technisch wäre es jedenfalls für die Uhrmacher im Hahn ableiten. Auch die Verkaufspreise im Vergleich Apotheker-Handwaage - ein direkter Nachfahre der Ort machbargewesen. Doch möglicherweise mussten zu Hahn sind identisch. Ferdinand Oechsle - der spä• Hahn'schen hydrostatischen Waage - konnte aber die Älbler aufpassen, dem großen Herrn und Meister tere Namensgeber des Oechsle-Grades des Trau­ immerhin noch ihren 220. Geburtstag feiern, ehe die in Kornwestheim und später in Echterdingen nicht benmosts - war eine gute Adresse. Immerhin wurde Produktion eingestellt wird.. ins Gehege zu kommen. seine Werkstatt im Laufe der Jahre zur Bedeutendsten Einem jugendlichen Philipp Matthäus Hahn gelingt Nachgewiesen ist in Onstmettingen zu Lebzeiten in ganz Süddeutschland. es mit seinen beiden Erstlingswerken auf Anhieb Hahns nur der Uhrenbau mit maximal fünf Beschäf• Belegt ist noch nichts, doch auf der Kunst- und In­ Grundsteine zu legen, die den Waagenbau unseres tigten. Vom Waagenbau gibt es mündliche Kunde, dustrieausstellungvon 1827in Stuttgart tauchtSimon Raumes über sieben Mechaniker-Generationen prä• dass Iohann Jakob Sauter I. die Hahn'sche Neigungs­ Sauter unter einer Handelskompanie mit Associas gen sollten. Wir heute sind die achte und letzte Gene­ waage gebaut habe. Wenige Jahre nach Hahns Tod ganz versteckt auf und bietet wortgleich wie Oechsle ration und mit uns geht der mechanische Waagenbau verdüsterte sich allerdings die Wirtschaftslage in feine Apotheker-Tarierwaagen an. Doch die Szene unwiderruflich seinem Ende zu. Ernst Kern, Rudi Kei­ Württemberg rapide. Gründe waren die Franzosen­ bleibt dunkel bis zum Jahre 1831. Nun tritt der älteste nath und ich sind dankbar und auch ein bissehen einfälle ab 1795 und eine gleichzeitig auftretende Sohn Simon Sauters, wiederum ein Johann Jakob III stolz darauf, dass es uns gelungen ist, zu diesen Viehseuche. . auf den Plan. Er ist der Vater des bekannten August Grundsteinen Hahn's vorzudringen, um sie ein aller­ Die dann folgenden napoleonischen Kriege mit den Saurer, der 1856in Ebingen eine eigene Waagenwerk­ letztes Mal hier in Onstmettingen - also an histori­ anschließenden Hungerjahren 1816 und 1817 taten stätte gründen sollte. Das Waagenprogramm dieses schemOrt - nachzubauen. ein Übriges, so dass sich die Wirtschaftskraft Würt• Johann Jakob Sauter III. trägt nun schon ganz deutli­ Die Zeit drängte und die Uhr läuft ab. Umso mehr tembergs in denJahren um 1820nahezu halbierte. che Züge des späterenOnstmettingerWaagenbaues. freuen wir uns, dass wir die beiden wieder erschaffe­ Der Uhrenbau hat diese rund 20-jährige Rezession, Er ging zu Oechsle nach Pforzheim in die Fremde, nen Ur-Modelle in die Obhut des Philipp-Matthäus• oder sagen wir Pause, auf kleiner Flamme überlebt, wie zehn Jahre später sein jüngerer Bruder Philipp Hahn-Museums in Onstmettingen geben können. wie dies die Onstmettinger Uhrmacherfamilie Kein­ Matthäus Sauter zusammen mit seinem Freund Gott­ Meinen Mitstreitern nun einen ganz, ganz herzlichen ath belegt. Ebenso blieb die Hahn'sche Waage prä• lieb Kern. Diese beiden jungen Mechaniker kehren Dank. Es war ein spannendes Unterfangen mit kräfti• sent. nach ihrer Wanderschaft nach Onstmettingen zu­ gen Knackpunkten, doch mit Philipp Matthäus Hahn Doch auch diese vaterländische Heimsuchung ­ rück, um hier den Präzisionswaagenbau endgültig zu kann ich sagen: wie man damals sagte - ging vorüber. In Onstmettin­ etablieren. Ab etwa den 1850er- Jahren entstehen "Willdie Zeit nicht reichen, so nehme ich die Nacht gen ist jetzt der uns schon bekannte Simon Sauter am nennenswert Arbeitsplätze und die industrielle Phase hinzu. Am rechten Gebrauch der Zeit und am frischen Werk, der die Hahn'sche Neigungswaage in Sehrnie- nimmt ihrenAusgang. Angriffder Sachen ist alles gelegen" . August Bertsch - Philologe und Theologe Verfasser einer renommierten "Hebräischen Sprachlehre" - Von lina Berner SeinLeben Alter von 71 Jahren nacheinem erfüllten Leben mit­ August Bertsch wurde am 21. Ja­ ten aus seinerArbeit heraus. nuar 1887in Dormettingen geboren. Er war der Sohn des Alterbauers Io­ SeinWerk sefBertsch und dessen Ehefrau Emi­ August Bertsch hat den Priesterbeiufergriffen, sei­ lie, geb. Ott, und der jüngere Bruder ne Veranlagung und Befähigung wiesen ihn von An­ von Prof. Dr. KarlBertsch. fang an in den Lehrerberuf. Über 40 Jahre lang war er Anfangs ging August Bertsch in als Geistlicher ein hochgeschätzter Lehrer und väter• Dormettingen zur Schule. Er wollte licher Freund. Daneben hat er als stiller Gelehrterjah­ Priester werden und besuchte des­ relang forschend auf geisteswissenschaftlichem Ge­ halb die Lateinschule in Rottenburg biet gearbeitet. Sein Hauptinteresse galt den Spra­ und anschließend das Gymnasium chen. 1926 bis 1927 verbrachte er einen viermonati­ in Rottweil. Dort wohnte er im Kon­ gen Studienaufenthalt in Rom und Neapel. Studien­ vikt. Von 1907 bis 19121 studierte er reisen nach Frankreich, Spanien, Portugal und Frank­ katholische Theologie und Germa­ reich folgten. In kürzester Zeit lernte er Italienisch so nistik in Tübingen. Nach den theo­ perfekt, dass es ihm möglich war, deutsche Werke , logischen Dienstprüfungen empfing wie zum Beispiel "Die Iudenbuche" von Annette von er 1912die Priesterweihe. Er arbeite­ Droste-Hülshoff, in einem italienischen Verlag her­ te im Lehrerinnenseminar des Klos­ auszugeben. Übersetzungsarbeiten beschäftigten ihn ters Bonlanden und trat 1915 in den sein Leben lang, so auch die Ansprachen des damali­ höheren Schuldienst ein. Nach kur­ gen Papstes Pius XII., die unter dem Titel "Das Wort zen Einsätzen an Schulen in Horb, des Heiligen Vaters" vom Verlag der religiösen Bil­ Mengen und Munderkingen kam er dungsarbeit in Stuttgart laufend herausgegeben wur­ 1918 an das spätere Graf-Zeppelin­ den. Gymnasium in Friedrichshafen. Er Lange Zeit suchte er nach einer neuen Lehrmetho­ unterrichtete Religion, Philosophie de für die hebräische Sprache. Die Frucht dieser Ar­ und Sprachen. Am 30. Juli 1929 beit war eine neue hebräische Grammatik, erschie­ promovierte er zum Dr. phil. an der nen 1956 als "Hebräische Sprachlehre". Sie galt als Philosophischen Fakultät in Breslau. das beste bisher in der deutschen Hebraistik. An der Von 1945 bis 1946 wurde er von der Universität Tübingen übernahm er einen Lehrauftrag französischen Militärregierung zum für hebräischen Sprachunterricht. ehrenamtlichen kommissarischen Bürgermeister von Friedrichshafen bestellt, eine Aufgabe, die er nur un­ Die Schriftrollenvon Qumran gern wahrnahm. 1948 wurde er als In einem Bericht über die Bedeutung der bekann­ Oberstudienrat und stellvertreten­ ten Schriftrollen von Qumran richtet sich das Interes­ der Schulleiter an das Leibniz-Gym­ se auch auf das Studium der Geschichte des Hebräi• nasium in Rottweil berufen, an dem schen und der Entwicklung seiner Orthografie. Es er bis 1952arbeitete. werden verschiedene Hebräisch-Lehrbücher mit Neben seiner umfangreichen Tä• entsprechenden Kommentaren aufgeführt, folgender tigkeit als Lehrer und später als Pen­ Text schließt sich an: "Auch die gründliche Darstel­ sionär ha sich August Bertsch als stil­ lung der Entwicklungsgeschichte des semitischen ler Gelehrter ganz seiner wissen­ Sprachstamms, wie wir sie in der ,Hebräischen schaftliehen Arbeit gewidmet. Seine Sprachlehre' von Dr. August Bertsch (Kohlhammer, Interessen galten ganz allgemein Stuttgart) finden, berücksichtigt weitgehend die aus den Geisteswissenschaften, den Sprachen Italienisch Buch "Hebräische Sprachlehre" und die Leitung des den neuen Funden gewonnenen Forschungser­ und Hebräisch, der Theologie und der Altertums- und städtischen Museums in Rottweil zeugen von seinen kenntnisse. Bertsch belehrt uns auch, dass die Spra­ Heimatforschung. vielfältigen Interessen. Der Tod riss den umtriebigen che, die im neuerrichteten Staat Israel gesprochen Viele Übersetzungen aus dem Italienischen, das Forscher und Wissenschaftler im November 1958 im wird, zweckmäßigerweise als ,Modernhebräisch' zu Seite 1547 Heimatkundliehe Blätter März 2007 bezeichnen ist, während sich das so genannte .Neu­ Studien waren zwei bedeutsame Ausstellungen in eIl im Amt bliebe und August Bertsch nur die vorbe­ hebräische' in natürlichem Wachstum unter starkem "seinem" Museum: ,,4000 Jahre Keramik" und "Das reiteten Aktenstücke unterschreiben müsse, was aramäischen Einfluss aus dem ,Althebräischen' ent­ Ifflinger-Granegg-Geschlecht". wohl nicht zu viel verlangt sei. Drei Wochen später wickelt hat." Im Dritten Reich hatte August Bertsch eine schwie­ wurde der Alt-Bürgermeister verhaftet. Als Erfül• Mit scharfem Geist und mit Genauigkeit engagiert rige Zeit. Es gab für ihn ab dem Jahr 1933 einige lungsgehilfe der Besatzer hatte August Bertsch jeden er sich auch in Religion und Geschichte. Er war Mit­ Strafmaßnahmen: eine Bestrafung wegen antinatio­ zweiten Tag zum Befehlsempfang anzutreten und arbeiter des Lexikons für Theologie. nalsozialistischer Einstellung, Entzug des Ge­ unversehrte Wohnungen und Radiogeräte 'Zu be­ 1952 wurde er durch Beschluss des Gemeinderats schichts-, Philosophie- und Deutschunterrichts, eine schlagnahmen. Diese Anordnungen waren ihm uner­ zum Leiter des Städtischen Museums in Rottweil be­ scharfe Warnung des Kultusministeriums und die träglich. Am 13. Juni 1946 trat er deshalb zurück. rufen. Er brachte für diese Aufgabe nicht nur die Streichung aufder Gehaltsvorrückerliste auffünfIah­ Daraufhin wurde er von der französischen Militärre• Kenntnisse des Wissenschaftlers mit, sondern auch re. gierung vier Wochen lang, zusammen mit ehemali­ jene Begeisterung, die andere zu begeistern vermag. Als der Krieg zu Ende ging, kamen für August Bert­ gen nationalsozialistischen Parteigrößen, in einer Die römische Sammlung des Museums wurde neu sch wohl die unglücklichsten Monate in seinem Le­ ehemaligen KZ-Baracke in Manzell inhaftiert. Er at­ geordnet, das Lapidarium im Museumshof wurde ben. Als ehrenamtlicher Leiter der Graf-Zeppelin­ mete auf, als er wieder in die Schule zurückkehren aufgebaut, die Sammlung römische Münzen wurden Oberschule in Friedrichshafen suchte er im Juni 1945 konnte. neu angelegt und erweitert. Er erbrachte den Nach­ die französische Kommandantur auf, um die Ge­ In Rottweil, wohin er 1948 berufen wurde, konnte weis, dass Albertus Magnus 1268 tatsächlich in den nehmigung zur Wiedereröffnung der Schule zu erbit­ er seine schulische Lebensarbeit beschließen. Auch Mauem der Stadt Rottweil weilte, was anlässlich der ten. Dort war man auf der Suche nach einem Bür­ nach seiner Pensionierung erteilte er am Albertus­ Einweihung' des Lapidariums von Bürgermeister germeister. Kurzerhand ernannte der Gouverneur Magnus-Gymnasium weiterhin Hebräisch-Unter• Gutknecht als großer Triumph bezeichnet wurde. der französischen BesatzungAugust Bertsch zum eh­ richt, ebenso an der Universität Tübingen. Gleichzei­ Eine Reihe von Veröffentlichungen zur Stadtge­ renamtlichen kommissarischen Bürgermeister der tig übernahm er die Leitung des Städtischen Muse­ schichte ergänzte diese Tätigkeit. Die Herkunft des Stadt. Er wehrte sich gegen dieses Amt und wandte ums in Rottweil, was ganz seinen Interessen ent­ Namens Rottweil (Rotunvil) und seine Schreibung ein, dass er als katholischer Geistlicher für diese Tä• sprach. Mitten aus seiner erfüllten und lebendigen wurden von August Bertsch wohl endgültig geklärt. tigkeit nicht in Betracht kommen könne. Man erklär• Arbeit heraus wurde er am 26. November 1958 abbe­ Eine schöne Frucht seiner heimatgeschichtlichen te ihm, dass der alte Bürgermeister weiterhin inoffizi- rufen.

DAS AKTUELLE BUCH

, sion irllBus zumW a-Kräut a 0 Klimawandel und Kulinarisches mit Besichtigung der Stauferkirche und der Kunst­ gießerei Strassackerin Süssen und in Bronze gegos­ Landgockel, hohe literatur und Wetter - Von Daniel Seeburger er Kunstwerke statt. Abfahrt um 7 Uhr am Ebin- us L Gibt es den durch das unverantwortliche Handeln von re "Kleine Eiszeiten" und ab 1750 steigen die Tempe­ Menschen verursachten Klimawandel wirklich, oder raturen langsam, aber kontinuierlich an. Ein wichti­ en. erliegen wir gerade einem medialen Hype? Dass der ger Grund für die Klimaänderung: der Einfluss von gen, Telefon 07471 115540. weltweit ansteigende C02-Ausstoß für die Wetterän• Sonnenflecken-Schwankungen. - .Am Sonntag, 29. April,beginnteine siebentägi• derungen verantwortlich ist, scheint sicher zu sein. Von der hohen Wissenschaft in die Niederungen ge Studienfahrt in die Lombardei mit Prof. Chri­ Denkste! Es gibt seriöse Wissenschaftler, die das ve­ der Gaumenfreude. Man muss lange suchen, bis man LanObarden. hement anzweifeln. Christian Bartsch fasst in der ein entsprechendes Werk findet. Gertrud Löbell, g Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. März diese Eberhard Löbell und Thomas Rathay nehmen die Le­ Zweifel in seinem Artikel "Mehr Licht im Dunkel des ser mit auf "Eine kulinarische Entdeckungsreise Klimawandels" zusammen. Nach der Lektüre ist durch Schwaben". Das im "Neuen Umschau Buch­ plötzlich alles nicht mehr so offensichtlich, wie zuvor. verlag" erschienene Werk hat es in sich. Schon beim Zitat gefällig? "Mensch und Tier atmen Luft ein, rei­ Durchblättern läuft einem das Wasser im Munde zu­ chem sie mit einem Anteil von 4 Prozent C02 an, die sammen. Ob Haute Cuisine oder gehobene Landkü• in die Umgebung ausgeatmet werden. Am Tag sorgt che - der Gourmet findet Beispiele in ganz Baden­ der Mensch im Durchschnitt für eine C02-Emission Württemberg, wo sich das Schmausen lohnt, zu ei­ von etwa 10 Kilogranun. Da heute 6,7 Milliarden Men­ nem Erlebnis wird. Wer .Slowfood", zubereitet mit al­ Schönenbergund nach Wasser3Jingen. schen auf der Erde leben, beträgt ihr Anteil an der lerbesten Zutaten, schätzt, kommt ohne dieses Werk C02-Emission im Jahr 24,5 Milliarden Tonnen. Und nicht aus. Natürlich lassen sich die Kochkünstler auch jetzt kommt das Auto ins Spiel: Alle Autos dieser Welt in ihre "Häfen" schauen - wer die "gerauchte Schwei­ emittieren in einem Jahr weniger als ein Zehntel da­ nebäckchen auf Gemüselinsen mit Rote-Beete-Chut­ von, nämlich rund 2,1 Milliarden. Selbst wenn in ney" oder die "Gefüllte Brust vom deutschen Landgo­ Deutschland alle Verbrennungsmotoren verboten ckel an gebratenem grünen Spargel und Kartoffel­ wiirden, hätte das nicht die geringste Auswirkung auf plätzchen" nachkochen will, für den gibt es das Re­ Die Autoren dieserAusgabe: das Klima (...I", Bartsch geht auch auf die globalen zept. Aber Vorsicht: Der Landgockel hat niemals eine Klima-Änderungen ein, die sich in den vergangenen Gefriertruhe von innen gesehen und sein Leben frei­ MartinSauter Jahrtausenden ereignet haben. So besiedelten die Wi­ laufend im Gartengenossen. Ziegelei 1 kinger vor tausend Jahren ein schneefreies Grönland ­ Zu Ehren kommen auch Häuser aus der Region. So 72336 Balingen "Grünland". Und an den finnischen Küsten gedieh servieren Martina und Klaus Sauter aus dem Ratshau­ damals Wein. Der Name .Vinland" heißt übrigens sener "Adler" den Lesern .Burgunderschnecken auf LinaBerner nichts anderes als Weinland. Knoblauchpüree und Brennnesselsaft", im Hotel Holderweg7 Ein inhaltlich brandaktuelles Buch, obwohl schon Gasthof Rössle in Frohnstetten wird "Grießflammerie 72358 Dormettingen 2002 erschienen, beschäftigt sich mit der Wetterent­ mit Himbeersauce und Minzpesto" aufgefahren und wicklung in Württemberg in den vergangenen 800 im Haigerlocher "Schwanen" präsentieren Chris Gro­ Jahren. Die Meteorologin Waltraud DüweI-HösseI• en und Pablo Gonzales "Umbrische Berglinsenravioli barth beschreibt in ihrem im Theiss-Verlag erschie­ mit Gorgonzola Dolce überbacken". nenen Werk "Emteglück und Hungersnot" die Wet­ In der Sparte Literatur gibt es einen fast Vergesse­ terentwicklung im Ländle. Sie zeigt eindrucksvoll die nen wiederzu entdecken. Der Pforzheimer Schriftstel­ Herausgegebenvonder Beziehung zwischen Wetter und C02-Werten in der ler Klaus Nonnenmann (1922 bis 1993) verfasste 1959 HeimatkundlichenVereinigung Atmosphäre auf. Lassen wir Stuttgarts Ex-OB Man­ , "Die sieben Briefe des DoktorWambach" - ein Buch, Zollemalb fred Rommel zu Wort kommen. In seinem Geleit zu das durch einen bestechenden, fast schon singend­ Buch schreibt er: "Es ist natürlich auch wichtig zu wis­ poetischen Duktus so liebenswert wird. Am Ende sei­ Vorsitzender: sen, ob und inwieweit die menschliche C02-Produk­ ner Tage begegnet der 80-jährige Arzt Dr. Wambach Christoph Roller, Am Heuberg 14, tion das Weltklima verändert und wie sich dies aus­ der fünfjährigen Ise, die ihre Lieblingspuppe verloren 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82 wirkt. Ich habe immer behauptet, dass die Verände• hat. Er schreibtsieben "Trostbriefe" an die Kleine und rung erfolgt, weil dies ein Argument für die Kernener­ rekapituliert auf diese Art sein ganzes Leben. Man Geschäftsführung: gie ist, für die ich eintrete und weil Menschen, die da­ kann angesichts der luftig-leichten Sprache und des Erich Mahler, Mörikeweg 6, von mehr verstehen, mir sagten, dass es so sei. Ich fast unbemerkten Ganges in die Tiefen der Existenz­ 72379 Hechingen entnehme nun dem Buch von Frau Düwel-Hössel• philosophie durchaus von einer wichtigen Wieder­ Telefon (0 74 71) I 5540 barth, dass der Sachverhalt komplizierter ist, als ich entdeckung sprechen. Das Buch behandelt dieses E-Mail: [email protected] bisher angenommen habe". Soweit Rommel. Weitere komplexe Thema derart liebenswert und freundlich, interessante Aspekte: Die Temperaturen zwischen dass man sich darüber freut, dass der Tübinger Verlag Redaktion: 1000 und 1250 waren ähnlich hoch wie heute. Zwi­ Klöpfel & Meyer das kleine, 147 Seiten umfassende Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, schen 1250 und 1470 stabilisierten sich die Tempera­ Werk endlich wieder aufgelegt hat. Ganz große Litera­ 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 turen. Vom 15. bis zum 18.Jahrhundert gab es mehre- tur, die man einfach entdecken muss! iff~; " v ·~ID i ::.::: , <. uJ .... ~ H eima:..... dlicheBlätter Zollemalb He~d1icheVereinigung Zollernalb e"V

Jahrgang 54 30. April 2007 Nr.4 Die Orgelstifter von Heselwangen Ei n frommer und angesehener Mann - Von Adolf Kiek Es grenzt an ein Wunder, dass die Dorfbewohner von Heselwangen im Jahre 1830 ihre alte, enge Kirche abbrechen und eine neue, größere Kirche schuldenfrei erbauen konn­ ten. Sie verdankten das dem jun­ gen, tatkräftigen Pfarrer Fried rich Hoffmann, der als zweiter Pfarrer (Diaconus) in Balingen noch die Fi­ lialgemeinde Heselwangen zu be­ treuen hatte. Er sicherte bei der Auf­ lösung der für das Oberamt Balin­ gen gemeinschaftlichen Kirchen­ kasse, der .Heiligenvogtei". sofort den Geldanteil für Heselwangen. Außerdem verstand er es auch, zu­ sammen mit dem Dorfvogt Jetter zusätzliche Geldquellen zu er­ schließen und kostenlose Hilfsleis­ tungen aus der Einwohnerschaft und den Nachbargemeinden zu mobilisieren. Zu einer Orgel für die neue Kirche wäre aber das Dorf noch lan ge nicht gekommen, wenn nicht ein Bürger namens CasparIetter einst dazu 300 Gulden gestiftet hätte. Nach dem Tod seiner Ehefrau waren sie schon im Jahr 1800von einemVerwandten der Verstorbenen, dem örtlichen Verwalter des Kirchenvermögens . dem "Heiligenpfleger", ausbezahlt worden. Wie konnte es in diesem Dorf, das damals für seine Armut bekanntwar, dazu gekommen sein? Die "arme Commun" Über den Zustand der Gemeinde Heselwangen schreibt kurz vorher im Pfarrbericht zur Visitation des Jahres 1797 der Pfarrer Ernst Uh­ land, ein Onkel des Dichters Ludwig Uhland:"Es herrscht Sitte und Ord­ nung nicht nur in der Kirche, son­ dern auch auf den Straßen. Arbeit­ samkeit, Sparsamkeit, Mäßigkeit Eugen Gröner fotografierte dieHeselwangerOrgelim März1979 können als herrschende Tugenden gerühmt werden, wiewohl freilich die Not "dazu treibt. Die Männer und ledigen Söhne me Commun gefallen, so würde die Einführung des sich zu dieser Zeit noch dreimal im Dorf. 6) Es be­ beschäftigen sich auch im Winter mit Holzhauen in . neuen Gesangbuchs gewiss zustande gekommen stand wohl ein Gemeindebackhäuschen, in dem die den Balinger Stadtwaldungen ... oder mit Dreschen sein ." -, vier Bäcker abwechselnd tätig sein konnten. Bei der in der Zehntscheuer oder mit Strohschneiden und al­ Teilung des Erbes von Caspar Ietter ist nur von "Be­ len andern Taglöhner-Arbeiten. Manche reinigen Werkonnte 300 Gulden stiften? ckengeschirr", nicht aber von einem Backofen im ei­ und kartätschen auch die Baumwolle, welche ihre Wer in diesem armen Dorf wollte und konnte einen genen Haus die Rede. 7) Weiber und Kinder für die Sulzer Fabrik spinnen .. . so hohen Geldbetrag der Kirchengemeinde schen­ Weshalb verbindet der Stifter die Anschaffung einer Sauer muss sich der größte Teil der Bürger nähren." 1) ken? Immerhin entsprach er dem Wert eines Bauern­ Orgel mit einer Erweiterung der Kirche? Die Antwort Bei den Angaben über die Einkünfte seiner Pfarr­ hauses. Bei der Erbteil ung des Stifterehepaares wur­ lässt sich aus dem Pfarrbericht von 1803 erschließen: stelle gibt Magister Uhland an, er sollte die Gebühren den für ein neu erbautes Haus 300 Gulden verrechnet. "Die Kirche hätte eine Reparation und völlige Erwei­ von Taufen, Hochzeiten und Leichen erhalten, doch Im Stiftungsverzeichnis für Heselwangen, das dem terung nötig, denn sie ist so klein und eng, dass man sei das "sehr unbeträchtlich, weil der an sich kleine Visitationsbericht 1803 beigefügt ist, werden u. a. fol­ die jungen Leute, wenn sie alle kommen, nicht mehr Ort so viele arme Taglöhner enthält, denen man ge­ gende Eingänge festgehalten (fl. = Florentiner Gul- zu stellen weiß, auch wäre zu Stellung einer Orgel, wissenshalber nichts abnehmen kann." den) . 3) . wozu wir eine Stiftung haben, nicht einmal ein Platz In den Gottesdiensten muss noch immer aus dem 300 fl 1.) Caspar Ietter, Bek, zu Anschaffung ei­ vorhanden, wenn sie nicht erweitert und hinlänglich alten Gesangbuch gesungen werden. Es sei aber nicht nerOrgel und Erweite rung der Kirche, gestiftet 1799. vergrößert würde." 8) Widerwille gegen das neue Gesangbuch die Ursache. 20 fl. 2.) Von Ebendemselben zu Haltung einer Die 300 Gulden fielen allerdings erst 1799 an, als die "Wären nicht so manche drückende Lasten durch jährlichen Predigt am Ostermontag, gestiftet 1799. Ehefrau CatharinaJetter, geb. Luipold, im Alter von 84 Winterquartiere, durch die noch immer fortdauern­ Dieser Caspar Jetter wurde 1721 in Heselwangen Jahren Ende Oktober an "Wassersucht" gestorben den Einquartierungen durchziehender Truppen 2), geboren und starb 1783 im Alter von 62 Jahren an war . Sie hatte im Jahre 1740 im Alter von knapp 25 durch Vorspann, welcher immer mit Geld abgetragen "Nachlass der Natur" . 4) Sein Stiftungsversprechen Jahren den 18-jährigen Caspar Jetter geheiratet. Sie werden musste, weil nicht Pferde genug im Orte sind, zugunsten der Orgel gab er als Todkranker zwei Jahre stammte wohl aus Pfeffingen ode r Zillhausen. Dem und dergleichen neuerdings auf die schon vorhin ar- vorher 5). Seine Beru fsbezeichnung .Beck" findet Ehepaar waren keine Kinder beschieden. In einem Seite 1549 Heimatkundliehe Blätter April 2007 gemeinsamen Testament hatten sie sich schon 1766 ten berufen. Die Deputierten aber wurden von den von Balingen zerstörte 1809 fast die ganze Stadt und gegenseitig als Universalerben eingesetzt. Das Ver­ Bürgern gewählt. Es hat also offensichtlich zwischen forderte zu vielerlei Hilfeleistungen der Nachbar­ mächtnis für die Orgel ("Legat") war darin gesichert, Caspar Jetter und den übrigen Dorfbewohnern ein schaft heraus. Kalte und nasse Witterung führte zu aber erst nach dem Tode des Letztsterbenden fällig. Verhältnis gegenseitiger Wertschätzung bestanden. Missernten und Hungerjahren. Allerdings verschärf• Der Überbringer der 300 Gulden am 2. Februar 1800, te sich in Heselwangen der Platzmangel in der Kir­ dem üblichen Zahlungstermin "Lichtmess" im Bau­ Einer der "Vermögenden" che, denn die Zahl der Einwohner stieg außerge• ernjahr , hieß Theobald Maute und wird wohl ein Als Bau einer neuen Kirche ab 1828 von Pfarrer wöhnlich an . 19) Neffe der Stifterfrau gewesen sein. 9) Hoffmann betrieben wurde und er dafür einen Nach verschiedenen Verwaltungsreformen im neu Staatszuschuss beantragte, betonte im Begleit­ entstandenen Königreich Württemberg und schwie­ Ein frommer, angesehener Mann schreiben der Amtmann in Balingen zur Bestätigung riger Geschäftslage in der Heiligenvogtei wurde diese Die zweite Stiftung im obigen Verzeichnis in Höhe der Bedürftigkeit, "dass unter den Bürgern sich nur im Jahre 1827 aufgelöst. 20) Vom gemeinsamen von 20 Gulden soll dazu dienen, dass von den Zin­ wenige Vermögliche finden" und die Heselwanger Vermögen floss jeder beteiligten Gemeinde ein antei­ sen der Pfarrer eine Sonderzahlung erhält, sofern er Einwohner "meistens in Balingen als Taglöhner ar­ liger Geldbetrag zu. Heselwangen als eine der ärms• in Heselwangen nicht nur am Ostersonntag, son­ beiten". 15) Die üblichen kleinbäuerlichen Hand­ ten Gemeinden erhielt 2020 Gulden. Der jetzt für dern auch am Ostermontag eine Predigt, d. h. einen werker wie Bäcker, Leineweber, Schneider, Schuma­ Heselwangen zuständige Pfarrer Hoffrnann strebte Gottesdienst hält. Die jährliche Ostermontagspredigt eher usw. blieben dabei unerwähnt. Zu den wenigen sogleich an, diesen Betrag als Grundlage für den gehörte nicht zu den Dienstpflichten des Ortspfar­ Bürgern mit größerem Vermögen, die es im armen Neubau eines Schulhauses und einer Kirche zu ver­ rers. Jeder Gottesdienst in Heselwangen bedeutete Dorf doch auch schon immer gab, hat gewiss der wenden. Er pochte darauf, dass zusätzlich dazu noch für den zweiten Balinger Pfarrer, dass er von seiner Orgelstifter gehört. die Caspar-Ietter-Stiftung für eine Orgel samt den Dienstwohnung neben der Stadtkirche den be­ Sowohl er wie auch seine Frau gehörten zu den Zinsen von jetzt 30 Jahren in die Heselwanger Stif­ schwerlichen Weg über die Neige in einem dreivier­ wenigen Personen der dörflichen "Oberschicht", die tungskasse zurückfließen müsse. Der Balinger Stadt­ telstündigen Fußmarsch zweimal zurückzulegen bestimmten, dass nach ihrem Tode aus dem Nach­ schultheiß stellte als stellvertretender Oberamtmann hatte, sofern er sich nicht eines gemieteten Reitpfer­ lass ein Geldbetrag in die kirchliche Stiftungskasse tatsächlich 1828 fest, dass die 300 Gulden der Stif­ des oder einer Kutsche bediente. Die Anhöhe konnte zugunsten der .Hausarmen" gezahlt wird. Laut Stif­ tung nun mit Zinsen auf eine Forderung von 554 noch nicht über die Heselwanger Straße oder die tungsverzeichnis von 1803 bestanden zehn Stiftun­ Gulden angewachsen seien. 21) Hirschbergstraße umgangen werden. gen, meistens mit je 20 Gulden, für die armen Leute, Der Heselwanger Kirchenkonvent beschloss 1830, Caspar Jetter war sicher ein treuer Kirchgänger, die im Dorf ansässig waren. Als Stifter sind darunter beim "Orgelmacher" Anton Braun in Spaichingen für dem es wichtig war, dass das Osterfest als wichtigs­ zwei verstorbene Dorfvögte, zweimal deren Witwe, die im Bau befindliche neue Kirche eine Orgel in Auf­ tes Fest im Kirchenjahr auch in Heselwangen unver­ ein Richter (= Gemeinderat), eine Richters-Witwe trag zu geben. Sein Kostenvoranschlag sah 9 Regis­ kürzt begangen werden konnte. Das Dorf sollte wohl und 1783 Caspar Ietter, Bek, sowie 1799 seine Witwe ter, ein Manual und ein kurzes Pedal zum Preis von darin der Nachbarstadt Balingen nicht nachstehen. Catharina je mit 20 Gulden verzeichnet. 16) Die Zin­ 580 Gulden vor. Braun versprach darin auch, einen Dass er viel Geld für die Anschaffung einer Orgel sen aus diesen Stiftungen wurden jährlich vom Kir­ Spieltisch "zum Vorwärtsspielen" , also freistehend spendete, entsprach dem neuen, aufklärerischen chenkonvent unter die armen Gemeindeglieder ver­ statt als Schrank im Gehäuse zu bauen. 22) Er hatte Zeitgeist, der für die Gottesdienste mehr Festlichkeit teilt. die Spieltisch-Technik dazu wohl an der berühmten anstrebte. Dabei sollten die Gemeindelieder sehr Wie groß das Vermögen von Caspar Jetter genau Gabler-Orgel im Münster zu Weingarten kennen ge­ langsam und würdevoll gesungen werden, am bes­ war, geht aus der Liste seiner Besitzungen hervor, lernt, wo er kurz zuvor länger mit Reparaturarbeiten ten unterstützt von einer Orgel. Bisher hatten aller­ die vier Tage nach seinem Tod 1783 als Inventurum beschäftigt war. Im Juli 1831 konnte der Balinger orts - auch in Heselwangen und Balingen - die amtlich angelegt wurde. Hier sind aufgeführt: 17) Fuhrmann Metz das Orgelwerk für Heselwangen in Schulmeister als Vorsänger ("Kantor") den Gemein­ - eine ganze Behausung, Hofraitin und Scheuer Spaichingen abholen. 23) degesang ohne Orgelbegleitung anzuführen. Der nebst V2 Viertel 5 Ruten Garten dabei, mitten im Anton Braun baute damals mit seinen Mitarbei­ lang gediente Heselwanger Schulmeister Johannes Dorf, zwischen Hanß Martin Ietter, Beck, und Kas­ tern für weitere Dorfkirchen der Umgebung kleine­ Schuler sang aber - wie es in einem späteren Pfarr­ par Ietter, Metzger, ererbt von der MutterWert 250 fl. rer Orgeln , so 1830 in Margrethausen und Trichtin­ bericht heißt - "selbst jämmerlich". 10) Es war je­ - eine neu erbaute Behausung mitten im Dorf gen, 1835 in Täbingen und Neuhausen ob Eck, 1838 doch nach altbewährter Ordnung ein Platz neben neben Hans Conrad Ienter und Conrad Ietter, Vogt in Zillhausen. 24) Die Orgel in der Balinger Stadtkir­ dem Kirchenstuhl des Schulmeisters für einen weite­ 250 fl. che baute er 1833 so um, dass ebenfalls der Spiel­ ren Mann mit guter Stimme "zur Stärkung desCho­ - neu erbautes Haus, vom Bruder ererbt 300 fl. tisch frei vor dem Gehäuse zu stehen kam. Er starb rals" bestimmt. 11) Summe der "Häuser und Gebäu" 800 fl. 1840.25) Pfarrer Uhland berichtet 1797, dass die Heselwan­ Dazu kommen noch "Liegenschaften" im Wert Das Geld reichte doch nicht­ ger die Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen von 2805 fl., bestehend aus Wiesen, Äcker, Wald so­ der Verwandten wegen fleißig besuchen und sich alle andächtig und still wie als "Fahrnis" das Beckenhandwerkszeug, Bier­ Bei der Annahme, die neue Orgel mit dem Legat verhalten. Auch in den Betstunden an allen Mittwo­ und Branntweingeschirr - weil der Verstorbene gerade bezahlen zu können, war aber übersehen chen und Freitagen sind "ziemlich viele Zuhörer" demnach eine Brauerei und Brennereibetrieb - Bü• worden, dass in früheren Jahren schon zweimal, anwesend. Der Schulmeister hält diese Betstunden cher, Kleider nämlich 1814 und 1824, an die Erben des Orgelstif­ und führt seine Schüler direkt von der Schulstube in usw. Für jeden Gegenstand wurde ein Schätzwert ter-Ehepaares eine Auszahlung geleistet worden war. seinem Privathaus dazu in die Kirche. Die Schüler angegeben. Dabei ergaben sich als Gesamtvermögen Die 15 Erben hatten auf dem Prozesswege dies er­ "sind gewohnt, während der. Gebete zu knien". Am 4062 Gulden, 20 Kreuzer stritten. Sie hatten jedesmal argumentiert, die Kir­ heiligen Abendmahl nehmen die Gemeindeglieder Die Ehefrau Catharina als Universalerbin durfte chengemeinde habe den Willen des Stifterehepaares ganz,treu teil. Wer einmal verhindert ist, lässt dies dies bis zu ihrem Tode nützen. Sie hatte selbst au­ nicht erfüllt und noch keine Orgel angeschafft. Im dem Pfarrer melden und erscheint umso gewisser ßerdem von ihrer Mutter bei der Verheiratung be­ Wege des Vergleichs hatten sie dann praktisch die beim nächsten Abendmahlsgottesdienst. .Im Unter­ kommen: "die Hälfte an einer Behausung, Hofraitin Zinsen des Kapitals bekommen und insgesamt 235 schied zu anderen Orten fällt dem Pfarrer auf, dass und Scheuer samt 1 Viertel Gartens dabei mitten im Gulden erhalten, die sie unter sich verteilten. 26) alle Heselwanger dazu nicht in einem besonderen Dorf'. Damit das ganze Haus, das 550 fl. wert war, Die Stiftungspflege in Heselwangen erhielt schließ• Festgewand erscheinen, sondern im üblichen Sonn­ ihr Eigentum wurde, hatte sie an ihren Bruder Abra­ lich von der Heiligenvogtei nur 336 Gulden des Let­ tagsgewand. Deshalb "braucht auch der ärmste ham Luipold 250 fl. ausbezahlt. gats. Sie musste bei der bürgerlichen Gemeinde Taglöhner" kein besonderes Kleidungsstück zu ent­ Nach dem Tod von Frau Catharina Jetter 16 Jahre noch ein Darlehen aufnehmen, um dem Orgelbauer lehnen, "wenn er sich dem Tisch des Herrn nähern später (1799) umfasst die amtliche Niederschrift "In­ auf 13. Juli 1831 für sein Werk die 580 Gulden aus­ will". venturum und Real-Theilung" wegen des reichhalti­ zahlen zu können. Das Gehäuse fertigte im klassizis­ Nach Caspar Jetters Tod enthält das Inventarium gen Besitzes und der 15 Erben aus ihrer und ihres tischen Stil des Kirchengebäudes. das Bauinspektor über seinen Besitz eine Anzahl Bücher, was sonst in Mannes Verwandtschaft sage und.schreibe 124 Sei­ Nieffer von Balingen geplant hatte, Schreiner Eppler bäuerlichen Häusern kaum vorkam. Sie sprechen al­ ten im handschriftlichen großformatigen Buch. 18) von Streichen für 15 fl. 30 x. 27) le für seine Frömmigkeit, denn es sind zwei Bücher für die Hausandacht ("Arnd's "Wahres Christen­ Die Orgel erst nach 30 Jahren Nach Erweiterung ein Kleinod tum", 2 Expl. .Erqutckungsstunden", drei "Gesangs­ Die 300 Gulden "zur Anschaffung einer Orgel und Noch heute ist das Werk von Anton Braun wegen büchle", ein Neues Testament und ein Psalter. 12) Erweiterung der Kirche", die an Lichtmess 1800 ein­ der sehr differenziert und kernig klingenden Register Das Ehepaar Caspar und Catharina Jetter muss im gingen, leitete der Heselwanger Stiftungspfleger an eine Freude für die Organisten und die Gemeinde. Ort in hohem Ansehen gestanden sein. Im Seelenre­ die Heiligenvogtei in Balingen weiter. Sie verwaltete Im Pedal wurde es 1948 auf Normalumfang gebracht gister von 1782/83, das im Dorf insgesamt 375 See­ das Vermögen der 22 Kirchengemeinden im damali­ und um ein Register erweitert, dessen Zinkpfeifen len= Einwohner registriert, wird das Paar der Rang­ gen Balinger Oberamt, ausgenommen Balingen bei einer Generalreinigung 2001 durch bessere ordnung nach an vierter Stelle aufgeführt. Die erste selbst. Der Sinn dieser "Confraternität" (= Verbrüde• Zinnpfeifen ausgetauscht werden konnten. Im Jahre Stelle hat der Dorfvogt mit seiner Familie inne. Der rung) bestand darin, von den aus kirchlichen Le­ 1976 waren fünf Register für ein zweites Manual hin­ Orgelstifter stammte aus einer der führenden Fami­ hensgütern eingehenden Abgaben (Zehnten und zugekommen, ohne dass dabei das denkmalge­ lien im Dorf. Die "Jetter" stellten häufig das Orts­ Gülten) den einzelnen Gemeinden, vor allem den schützte Gehäuse angetastet wurde. Es war Orgel­ oberhaupt, den Vogt, oder Mitglieder in den Rats­ ärmeren, streng nach ihrem aktuellen Bedürfnis fi­ baummeister Diethelm Berner aus Stuttgart in ein­ gremien. Seit Generationen gehörten sie beim nanzielle Unterstützung zu gewähren. Heselwan­ zigartiger Kunstfertigkeit gelungen, dieses zusätzli• Abendmahlsgottesdienst zur ,,1. Rott", also zur ers­ gens Legat verschwand gewissermaßen im großen ' che Positiv-Werk in den Spieltisch einzubauen. Or­ ten Gruppe, die zum Altar kommt. 13) Topf. Jährliche Zinsen davon wurden nicht ausbe­ gelmacher Braun hatte ihn ja frei aufzustellen ge­ Im Inventurbuch wird Caspar Jetter auch als zahlt ... wagt und jetzt ragt er nur etwas weiter in die Kirche "Gemeinde-Deputierter" bezeichnet. 14) Die Ge­ Baurnaßnahmen an der alten Kirche erfolgten zu­ hinein. meindedeputierten hatten als ein Kontrollorgan ge­ nächst nicht. Andere Nöte standen noch stärker im Mit einem Konzert- und Lichtbilderabend feierte genüber dem Gemeinderat zu wirken. Die Gemein­ Vordergrund. Die Kriegsereignisse der Napoleonzeit die Kirchengemeinde Heselwangen im November deräte wurden damals nicht von der Bürgerschaft mit Einquartierungen und Abgaben belasten die Be­ 2006 das 175-jährige Bestehen der Orgel. gewählt, sondern vom Vogt und den bisherigen Rä- völkerung der ganzen Gegend. Der große Stadtbrand April 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1550

Quellennachweis und Anmerkungen handene Haus und Garten samt Beckenh andwerks­ 20) Vgl. Harald Müller-Baur, Die Balinger Heili­ 1) Pfarrbericht auf27. Mai 1797, verfasst von Pfar­ zeug sowie das Bier- und Branntweingeschirr und genvogtei. In: 750 Jahre Stadt Balingen, 2005 rer Mag. Ernst Christian Ioseph Uhland, Pfarramtsar­ übernahm die Auszahlung des Orgellegats. wofür ihm 21) Kreisarchiv Zollernalbkreis, Bestand chiv Heselwangen, Büschel Alte Pfarrberichte 1740­ insgesamt 735 Gulden angerechnet wurden. Er wird Oberamt/Heiligenvogtei, Niederschrift vom 12. April 1868 dann 1802als "Bäcker undWirt" aufgeführt 1828 2) Von den Jahren der Revolutions- und Napo­ 10) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Alte Pfarrbe­ 22) Stadtarchiv Balingen, Bestand Heselwangen, leonischen Kriege sagt die Amtliche Kreisbeschrei­ richte, 1832 "Schul- u. Kirchenbau", Rechnung 1830 - 33 bung, Bd. 1, 1960, S. 363: ,,1796: Der Bezirk ist ganz ll) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Kirchenkon­ 23) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Stiftungspfle­ von den Franzosen besetzt ... Im Juli Ausschreitun­ ventsprotokoll vom 12. Juni 1726 ge-Rechnung 1830 - 32 gen der Franzosen in Engstlatt . .. 1797: Stand- und 12) Stadtarchiv Balingen, Inventuren 1782 - 84, 4. 24) Quelle für Margrethausen und Täbingen: Pres­ Winterquartiere der Kaiserlichen im Bezirk. Häufige Dez. 1783 sebericht im Zollern-Alb-Kurier 29. 4. 1985 (Verfasser Reibereien zwischen Truppen und Einwohnern . .. 13) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Altes Commu­ wohl Pfr. Dr. Deetjen); für Trichtingen und Neuhau­ 1800 - 01: Französische Durchmärsche und Einquar­ nikanten-Verzeichnis ab 1696 sen ob Eck: Holger Brandt, Orgelbau in Spaichingen, tierungen." 14) Stadtarchiv Balingen, Inventuren 1782 - 84, S. Diplomarbeit an der Musikhochschule Trossingen, 3) Stadtarchiv Balingen, Stiftungsverzeichnisse 174 2000; für Zillhausen: Stadtarchiv Balingen, Pfarrbe­ • Heselwangen, Beilage zur Relation 1803 , 15) StaatsarchivLudwigsburg, Bestand E 177-1, Nr. richt1902 4) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Tauf-, Ehe-, To­ 3169, Kreisregierung Reutlingen, Bericht an das Kö­ 25) Ein Neffe von ihm, Blasius Braun, heiratete die tenbuch 1775 - 1851. nigl. Ministerium des Innern vom 22. Novem ber 1828 Tochterdes Balinger Oberamtswundarztes Huzel und 5.) Stadtarchiv Balingen, Inventuren 1782 - 84, S. 16) wieNr. 3 richtete am Balinger Steinenbüh l eine Orgelwerkstatt 174:prot. d. 11.Juni 1781 17) Stadtarchiv Balingen, Inventur v. 4. Dezember ein. Quelle: Stadtarchiv. Beibringensinventar Nr. 514, 6) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Seelenregister 1783 im Bd. 1782 - 84, S. 172 f., nebst Angaben im In­ 2.7.1857 sowie Stichwort-Materialsammlung "Orgel­ 1782/83 ventarium 4. Nov. 1799nac h dem Tod der Ehefrau h ütte" 7) StadtarchivBalingen, Inventuren 1782 - 1784 18) Stadtarchiv Balingen, Inventuren u. Teilungen 26) Kreisarchiv Zollernalbkreis, Bestand Ober­ 8) Pfarramtsarchiv Heselwangen, Büschel Alte ·1797 -1802 am t 1 Heiligenvogtei, .Aktenmäßige Darstellung der Pfarrberichte, 1803, S.3 19) Amtl. Kreisbeschreibung Bd. 1, 1960, Tabelle Verhältnisse, welche auf das von einem Caspar Jetter 9) Laut Seelenregister 1784, 1786, 1799 war seine 17. Zwischen den Jahren 1807 und 1820 nahm die in Heselwangen zu Erweiterung der Kirche in Hesel­ Mutter eine Anna, geb. Luipold in Zillhausen, also Einwohnerzahl um 41 Prozent zu, während der Zu­ wangen u. Erstellung einer Orgel gestiftete Legat Be­ wohl eine Schwester der Catharina Jetter. Er kaufte wachs in Nachbargemeinden einschließlich der Stadt zug haben ...u laut Inventuren S. 105b aus der Erbmasse das vor- Balingen jeweils unter 20 Prozent lag 27) wie Nr. 22 Schalksburg und Rosenfeld Stammvater Werner von Rosenfeld - Von Hans Peter Müller

Ritter Werner von Rosenfeld (1360/1408) war nicht gers ging, die Werner nur der Stammvater des Adelsgeschlechts von Rosen ­ als Erbe üb ernommen feld, das Anfang des 16. Jahrhunderts ausgestorben hatte. Dort wird gesagt, ist, sondern zugleich dessen bedeutendster Vertreter. dass Burkhard dem Insbesondere in der altwürttembergischen Ge­ Werner "Wappen und schichtsschreibung wurde seinAndenken hochgehal­ Helm" und seinen ge­ ten, hat er doch in der Schlacht von Döffingen 1388 samte n Besitz vor dem den Württembergern den Sieg gegen die Reichsstädte Rottweiler Hofgericht gesichert. Im Bekanntheitsgrad hat ihr allerdings eine übe rgeben habe. späte Nachfahrin inzwischen den Rang abgelaufen, Ob Burkhard mögli­ nämlich Ursula von Rosenfeld (t 1538), die Gemahlin cherweise der Stiefva­ des Markgrafen Ernst von Baden. ter Werners gewesen Die Karriere Werners begann 1391 als Vogt zu Ro­ ist, sei dahingestellt; senfeid; 1381 wurde er Vogt zu Herrenberg; 1390Vogt jedenfalls deutet die zu Tübingen und zuletzt war er bis 1403 Landvogt zu Rottweiler Transaktion stark darauf hin, dass er als Mömpelgard. Er war mit Adelheid Böcklin verheiratet Letzter des Schalksburger Geschlechts den Rosenfel­ und ist 1408gestorben. der adoptiert hat. Wenn oben gesagt wurde, dass Während Werners Nachkommenschaft bestens be­ Werner bürgerlicher Abstammung war, so muss hin­ kannt ist, findet man in der Literatur über seine Vor­ zugefügt werden, dass er möglicherweise ein würt• fahren folgende Version. Er sei derSohn des Burkhard tembegischer Leibeigener gewesen ist. Im Jahre 1347 von Schalks burg gewesen und habe die jüngere Linie hatte nämlich der Graf von Württemberg von Burk­ der Herren von Rosenfeld begründet. Von seinem Va­ hard von Ebingen einen Hof zu Ostdorf nebst mehre­ ter habe er das Schalksburger Wappen (eine silberne ren Leibeigenen gekauft, darunter der Schultheiß von Burg im roten Schild) übernommen, während die äl• Rosenfeld und dessen Geschwister. Dadurch erst wird teren Herren von Rosenfeld drei Rosen im Wappen eine Verschreibung Werners von 1385 für den Grafen geführt hätten. Entsprechend heißt es über Burkhard Eberhard von Württemberg verständlich. Darin ver­ von Schalksburg. dass er der Letzte dieses Namens pflichtete er sich bei hoher Geldstrafe weder seinen gewesen sei, da sein Sohn Werner den Namen von Das Wappen des Werner von Rosenfeld mit den drei Rosen Leib noch Weib und Kinder sowie Güter der Herr­ Rosenfeld angenommenhabe. (rechts oben) undmit der Bu rg(oben). schaftWürttembergzu entfremden. Diese Deutung ist auch im längst herausgekomme­ Offenbar war diese erzwungene Verpflichtung eine nen Schalksburg-Sammelband zu lesen, nur das dort Eberhard Stoll, der 1338/57 als Schultheiß zu Rosen ­ Reaktion des Grafen aufdie Adoptio n von 1381.Ange­ für Burkhard ein Todesdatum vor 1377 angenommen feld amtierte, 1362 als ehemalige Vogt bezeichnet sichts dieser Vergangenheit ist es umso erstaunlicher, wird. Nun hat schon Fritz Scheerer (1955) festgestellt, wird und 1366 als Vogt. In den beiden letztgenannten dass Werner wenig später den Rittertitel erlangen dass Burkhard von Schalksburg von 1343 bis 1385 be­ Urkunden trat er zusammen mit seinem Bruder konnte, den er seit 1393 führte. zeugt ist. Er war mit Beth von Isenburg verheiratet, Heinz auf, der später noch als Heinrich der Schult­ Übrigens wurde in der Rosenfelder Familie der wohnte aber nicht mehraufder Schalksburg. sondern heiß von Rosenfeld vorkommt. Name des Adoptivvaters Burkhard nicht aufgenom­ zu Streichen. Da er 1366 als der Ältere bezeichnet Im Jahre 1379 stiftete Vogt Werner zusammen mit me n; stattdessen finden wir den Namen des leibli­ wird, muss es auch einen jüngeren gegeben haben, seinem Blutsverwandten Heinric h Schu ltheiß die chen Vaters Eberhard bei Werners Sohn und dessen der vermutlich mit dem zu jener Zeit bezeugten ita­ Frühmesspfründe zu Isingen. Werner führte seit 1371 ältes ten Sohn und schließlich noch bei dem 1525 ge­ lienischen Soldritter identisch ist. Ansonsten ist von als Vogt ein Siegel mit den drei Rosen, wohingegen er storbenen Pfarrervon Bühl. Bürkli, dem Sohn des verstorbenen Heinrich, nur be­ 1381 mit den beiden Tortürme n der Schalksburger kannt, dass er einen Teil am Hirschberg und an Sach­ siegelte. In dieser Urkunde verzichtete er gegenüber .UTERATUR sen besaß, den er an Berthold von Balgheim und des­ dem Kloster Margrethausen auf Ansprüche an ein Gut sen Ehefrau Beth von Schalks burg verkaufte, von de­ zu Pfeffingen, die "sein Vater" Burkhard von Schalks­ Archiv der Freiherren Kechler von Schwandorf, Schloss Unter­ nen er 1378an die Stadt Balingen gelangt ist. burggehabthatte. schwandorf. Bearbeitet von Dagmar Kraus und Meike Talken­ Zunächst stellt sich einmal die Frage, ob Burkhard Wie es zu dieser Vatersc haft gekommen ist, belegt berger, Stuttgart 1996, Urkunden Nr. 14 und 15. Daraus ergibt von Schalksburg überhaupt der leibliche Vater Wer­ eine andre Urkunde aus de msel ben Jah r, worin Burk­ sich, dass dieRottweiler Hofgerichtsurkunde von1381 nachdem ners gewesen sein kann. Diese Frage ist deshalb be­ hard von Schalksburg vor de m Rottweiler Hofgericht Aussterben der Rosenfelder Familie an die Herrenvon Frauen­ rechtigt, weil Werner (Wernlin) bei seinem erstenAuf­ sein "Wappen, Helm und Schild" an Werner von Ro­ berg gekomm en ist und nach deren Aussterben an die Kechler treten 1360 anlässlich einer Belehnungdurch die Gra­ senfeid übergab. Dieser Vorgang wird auch in einer von Schwandorf. Bei der Req istrierunq des Kechler-Archivs in fen von Württemberg als Sohn des Vogts von Rosen­ Balinger Urkunde von 1385 erwäh nt, worin es um ei­ Unterschwandorf 1894 wurde sie verzeichnet, ist aberseitdem feld bezeichnet wird. Dieser Vogt ist kein anderer als ne Schuld des inzwischen verstorbenen Schalksbur- verschollen. Seite 1551 Heimatkundliehe Blätter April 2007

Albstädter Museenlandschaft Folge 5 - Von Dr. Peter Thaddäus lang Anmeldungen .zu den Exkursionen bei Geschäfts• führer ErichMahler, Mörikeweg 6, 72379 Heehin­ Es ist schon eine besondere Auszeichnung, wenn eine zeigten Exponate in einem Museum aufDauer auszu­ gen, TelefonO}4 71/155 40. Stadt auserkoren wird, die "Heimattage Baden-Würt• stellen. Geeignete Räume waren bereits ausgespäht, temberg" auszurichten - und diese Auszeichnung sie mussten allerdings noch baulich hergerichtet wer­ wurde 1987 der Stadt Albstadt zuteil. Natürlich .gab den: Der Onstmettinger Kasten. Im November 1989 sich Albstadt größte Mühe, sich von seiner allerbesten war es dann soweit: Das Waagen-Museum im "Kas­ Seite zu zeigen - und so befand sich unter den vielfäl• ten" konnte eingeweiht werden - ein großer Tag für tigen Darbietungen eine große Ausstellung über Me­ die Onstmettinger. Die AutorendieserAusgabe: chaniker-Pfarrer Philipp Matthäus Hahn, der Teile Die Schwerpunkte des Hahn-Museums sind zum seiner Kindheit und seines Berufslebens als Pfarrer einen die Mechaniker-Tätigkeiten des Pfarrers Hahn (1764 - 1770) in Onstmettingen zubrachte und der als in seiner Onstmettinger Zeit, zum anderen aber auch der Begründer der Waagenindustrie unserer Region die vielfältigen Auswirkungen, die seine technischen AdoIfKlek gilt. Diese Ausstellung erfreute damals eines äußerst Erfindungen im Ort selbst und darüber hinaus in der Wolfsbühlstr.6 regen Zuspruchs, und man dachte daran, die dort ge- ganzen Region hatten. 72336 Balingen

Hans PeterMüller DAS AKTUELLE BUCH Weiherplatz 7 72186 Ernpfingen Literarische Reisen Dr. PeterThaddäus Lang Interessante Neuerscheinungen - Von Daniel Seeburger StadtarchivAlbstadt Postfach 125 Der Sommer steht zwar noch nicht vor der Tür, das Bodensee zu Annette von Droste-Hülshoff. Irene Per­ 72422 Albstadt Wetter lädt trotzdem zum Reisen ein. Wer seine chi nennt ihr im Klöpfer & Meyer-Verlag erschiene­ Sommerfrische schon gebucht hat, dürfte allerdings nes Werk ,,Annette von Droste-Hillshoff arn Boden­ mit außerplanmäßigen Reise so seine liebe Not ha­ see. "Diezweite Hälfte meinerHeimat..." selbst einen ben. Wer aber sagt, dass die Tour immer in die Feme "literarischen Reiseführer". Einen Führer zu den Wir­ Daniel Seeburger gehen muss? Es gibt auch andere Arten zu reisen -Iite­ kungsstätten der Dichterin vom Fürstenhäusle über ZOLLERN-ALB-KURIER rarische beispielsweise. ihre Ausflugsziele Überlingen, Bimau, Salern, Schaff­ Grünewaldstr.15 Geht es Ihnen manchmal auch so: da drückt Ihnen hausen, Tübingen und Stuttgart bis zum Meersburger 72336 Balingen ein guter Bekannter ein Buch in die Hand - "musst Du Friedhof, wo die Droste beerdigt ist. Gespickt ist das unbedingt lesen!" - Sie schauen den Einband an und wunderschöne Büchlein mit Gedichten, literarischen stöhnen innerlich. "So dick, und ich habe doch gar Zeugnissen und Briefen der Dichterin. keine Zeit!Außerdem schonwieder Landeskunde - wo Spannend wird die Reise, zu der der Reutlinger ist mein Krimi!" So ähnlich ging es mir bei Hermann Journalist Jürgen Meyer einlädt. Es ist eine Reise zu Herausgegebenvonder Bausingers "Berühmte und Obskure. Schwäbisch• den noch weißen Flecken der Heimatgeschichte. In HeimatkundlichenVereinigung alemannischeProfile", das vor kurzem bei "Klöpfer & seinem mit zahlreichen Bildern illustrierten Buch Zollemalb Meyer" in Tübingen erschienen ist. Und dann nimmt "Das dunkle Mittelalter. Geheimnisvolle Schauplät• man den 441 starken Schmöker doch zur Hand, ze zwischen Neckar und Donau" (Oertel-Spörer-Ver­ Vorsitzender: schnuppert rein, liest sich fest - und wirft der Uhr lag Reutlingen) begibt sich Meyer auf Spurensuche. Christoph Roller,Am Heuberg 14, nach zwei Stunden vernichtende Blicke zu. "Ätsch", Er sucht (und findet) beispielsweise ein verborgenes 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82 scheint sie zu rufen, .Bausinger hat dich eingefan­ Kelten-Heiligtum an der Wiesaz-Quelle, erforscht die gen". Der Grandsegnieur der Tübinger Kulturwissen­ alemannische Siedlungsgeschichte anband der Orts­ Geschäftsführung: schaft nimmt die Leser mit auf eine Reise durch die namen und kann dann auch erklären, was das Endin­ Erich Mahler, Mörikeweg 6, schwäbische Geschichte und trifft dort nicht nur Be­ gen bei Balingen mit dem Endingen im Kaiserstuhl zu 72379 Hechingen rühmtheiten, sondern auch die schrillen und stillen tun hat. Meyer beleuchtet die Schlacht bei Tübingen Telefon (0 74 71) 1 5540 Schwaben, die berühmten und kauzigen Landsleute. 1164 genau so wie eine mysteriöse Bluttat in Harn­ E-Mail: [email protected] Und Phillipp Matthäus Hahn. Diesem setzt er mit metweil. Die Schwefelquellen in Hechingen und Ba­ "Uhren für die Ewigkeit" ein literarisches Denkmal. lingen werden untersucht und die ,,-hausen"-Orte auf Redaktion: Dieses besondere Reisebuch ist unser Buch des Mo­ dem Kleinen Heuberg unter die Lupe genommen. Daniel Seeburger. Grünewaldstraße 15, nats. Selbst historische Alleswisser finden aufMeyers Reise ­ 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 Ein weiteres literarische Reisebuch führt uns an den Stationen, die sie bishernoch nicht besuchthaben. if~ - ~\ ~~~~~ ) Heima-....· dlt·er;hl-e.. B'· ~. a···tter- Zollemalb H eimatkjmdlichevereinigung ZollernaIb eV

Jahrgang 54 31. M ai 2007 Nr.5 Schultheiß Gustav Blickle Kommunalpolitiker, Mäzen und Heimatforscher aus Winterlingen ':'" Von Jürgen Scheff 1. Einleitung "Am 25. Januar 1919 ist unser seit November 1917 in den Ruhestand getretener früherer Schultheiß Gustav Blickle abends 7 Uhr gestorben. Er litt schon längere Zeit an einer Herzkrankheit, dazu kam die in der letz­ ten Zeit stark auftretende Krankheit (die Grippe) mit noch anderen Beschwerden, die den kräftigen Mann nach einigen Wochen bezwangen. Er wurde 62 Jahre alt und war hierfast32 Jahre lang Ortsvorsteher. Erwar ein seltener gut begabter energischer Mann, mein lie­ bsterund treuester Freund ist mitihm dahingegangen, ich wünsche, dass ich ihm bald nachfolgen möchte aus diesem zerrütteten Weltgetriebe." Mit diesen Zeilen beginnt ein handschriftlicher Nachruf in der Winter ­ linger Ortschronik. Verfasst wurde er von Schuhma­ chermeisterJohannes Stauss (1853- 1920), der sich als Ortschronist (seit 1902) und Heimatforscher große Verdienste um die Gemeinde Winterlingen erworben hat. Dass Schultheiß Gustav Blickle während seiner un­ gewöhnlich langen Amtszei t von 1885 - 1917, in einer Periode umwälzender technologischer und sozialer Neuerungen, bedeutendes für seinen Ort geleistet hat, ist in Winterlingen heute noch weithin bekannt. Hier­ zu beigetragen hat ein umfangreicher Tätigkeitsbe ­ richt, den Gustav Blickle anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums im Jahr 1910 drucken ließ (Blickle 1910). Auflebhafte Weise schildert er hier den Wandel seines Ortes vom technisch rückständigen und geo­ graphisch benachteiligten Bauerndorf des 19. Jahr­ hunderts zum modernen, bereits industriell geprägten Gemeinwesen des beginnenden 20. Jahrhunderts. Mit keinem Wort erwähnt Blickle dabei jedoch seine eher privaten Tätigkeiten als engagierter und weitblicken­ der Heimatforscher. Dank der Neuordnung des Win­ terlinger Gemeindearchivs kamen dort nun bislang nie publizierte Schriftwechsel Blickle mit zahlreichen wis­ senschaftlichen Institutionen zutage. Sie erlauben es erstmals, die in den Ortsakten des Landesamtes für Denkmalpflege, Tübingen, fragmentarisch erhaltenen Fundmeldungen zu einem Gesamtbild zu ergänzen und die heimatgeschichtliche Forschungstätigkeit von GustavBlicklezu würdigen.

2. DerKommunalpolitikerund Mäzen Am 4. Januar 1857 wurde Gustav Blickle als einziger Sohn des Winterlinger Schultheißen Karl Blickle (1822 - 1867) und dessen dritter Ehefrau Anna Maria, geb. Stierle in Winterlingen geboren. Zusammen mit sei­ nen beiden älteren Halbschwestern Karoline Wilhel­ mine und Marie Magdalene wuchs er im Elternhaus heran und besuchte zunächst die Volksschule in Win­ terlingen. Obwohl er bereits mit 10 Jahren den Vater verlor und seine Mutter sich erneut verheiratete, wur­ de ihm der Besuch der Realschule in Ebingen ermög• licht , was auf eine weiterhin solide finanzielle Situati­ on der Familie schließen lässt. Anschließend machte Gustav Blickle eine dreijährige kaufmännische Lehre in Stockach (Baden) und war dann zwei Jahre in St. Georgen im Schwarzwald tätig. Nach dreijähriger Sch ultheißGustav Blickle(1857 -1919) Dienstzeit beim Infanterieregiment Nr. 119 Königin Olga arbeitete er in einem Maschinengeschäftin Karls­ ge Gustav Blickle ein Spezerei- un d Kurzwarenge­ Obmann und 1883 auch in den Gemeinderat gewählt. ruhe. Der Tod der Mutter veranlasste ihn, wieder nach schäft sowie eine Korsettweberei ein. Am 25. Novem ­ Sofort machte er sich zum Sprecher für die Lösung Winterlingen zu ziehen, um Erbschaftsangelegenhei­ ber des gleichen Jahres ehelichte er die 19-jährige Sofie zweier wichtiger sozialer Problemfelder. Blickle er­ ten mit seinem Stiefvater zu regeln. Finanziell war der Keinath (1860- 1920) aus Winterlingen. Sie gebar ihm kannte, möglicherweise aus eigener Erfahrung, dass es 23-jährige Gustav Blickle offensichtlich in der Lage, bis 1899 insgesamt zwölf Kinder, von denen aber fünf mit dem Kreditwesen für die ländliche Bevölkerung bereits 1880 die hiesige Wirtschaft zum Hirsch zu kau­ bereits im Kleinkindalter starben. schlecht bestellt war und dieses Faktum ein Hemmnis fen, um im gleichen Haus neben dem Ausschank noch Der erfolgreiche und anscheinend vor Ideen strot­ für die Entwicklung von Handel, Gewerbe und land­ Landwirtschaft, eine Branntweinbrennerei und eine zende Jungunternehmer Blickle wurde 1881 als Mit­ wirtschaft darstellte. In mehreren Vorträgen warb Bäckerei zu betreiben. Überdies richtete der umtriebi- glied in den Bürgerausschuss, bereits 1882 zu dessen Blicklein der Bevölkerung für die Gründung eines Dar-

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Gustav Blickle mit EhefrauSofie (geb. Keinath) undKindern: (von links) Fanny, Karl, Arnold, Mathilde, Eugen, Berta und(imVordergrund) Emma. (Aufnahme umca. 1905). FOTOS: PRIVATBESITZ FAMILIE MAlER-LORCH, WINTERLINGEN

lehenskassenvereins, welche am 12 März 1884 zu­ lang, das Gemeideratskollegium dazu zu bewegen, wirtschaften auf, davon 7 mit Brauerei (OAB 1880: sammen mit 37 Winterlinger Bürgern beurkundet und den Bau einer Wasserleitung in das bislang unzurei­ 525). Mit der Fertigstellung der Eisenbahnlinie Tübin• Geldgeberin und dadurch zum größten Segen gewor­ chend erschlossene und auch sonst im Abseits ste­ gen-Sigmaringen im Jahr 1878, die sich für zahlreiche den. Verluste hat die Kasse noch keine zu verzeichnen hende "Oberdorf' von Winterlingen zu beschließen, Albgemeinden als segensreich erwies, stand Winter­ gehabt". (Blickle1910:5) steigerte seine Popularität. So war es wohl auch keine lingen von einem Tag zum andern verkehrspolitisch Geradezu modern mutet ein zweites soziales Projekt große Überraschung, dass Gustav Blickle bei der im Abseits. Neben der Landwirtschaft diente die an, das Blickle im Jahr 1884 anpackte und zum Teil Schultheißenwahl am 13.August 1885 mit 281 von 385 Heimarbeit - fast in jedem Haus stand eine Strickma­ persönlich vorfinanzierte: die Kinderbetreuung für abgegebenen Stimmen (73%) der Wahlberechtigten schine - dem Broterwerb; zahlreiche Personen pendel­ erwerbstätige Mütter. Seine Vorgehensweise zeigt zum Ortsvorsteher von Winterlingen gewählt wurde. ten zudem zur Arbeit nach Ebingen. In der Beschrei­ Blickleals Mann derTat: "In derimmerzunehmenden Das lobenswerte soziale Engagement wurde von ge­ bung des Oberamts Balingen (1880: 525) wird zurück• Industrie wurden der Hauptsache nach Frauen und wissen konservativen Kreisen offensichtlich mit haltend formuliert: "Die Vermögensverhältnisse gehö• Mädchen beschäftigt. Für die kleinen Kinder hatte das großem Argwohn verfolgt. Blickle (1910: 4) berichtet: ren nicht zu den besseren." Blickle (1910: 19) berichtet zur Folge, dass sie vielfach ohne Aufsicht waren und "Von Seiten der Regierung und des Oberamts suchte deutlicher: -"Auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge der dieser Umstand legte mir daher die Notwendigkeit ei­ man alles vor, um meine Wahl nicht bestätigen zu Gemeinde fehlte es auch nicht an Tätigkeit, eine Reihe ner Kleinkinderschule nahe. Unterstützt von einigen müssen, denn ich war bei der Regierung nicht beliebt, von Personen gingen selbst auf den Bettel oder sand­ weitsichtigen Männern, wandte ich mich an die Ge­ weil ich mit mehr als einem Tropfen demokratischen ten ihre Kinder aufden Bettel aus, im Laufe der letzten meinde um Abgabe des Holzes zu dem Bau einer Oels gesalbt war, was dazumal ein böses Ohmen war: 25 Jahre sind nicht weniger als 30 Kinder in Zwangs­ Kleinkinderschule. welchem Gesuch dann auch nach Es fand sich aber nichts und so musste die Bestätigung bzw. Fürsorgeerziehung gebracht worden, um dieses _ mehreren Verhandlungen stattgegeben wurde, und erfolgen, da ich mehr als zwei Drittel der abgegebenen Übel auszurotten. Auch eine größere Anzahl von woraufich mit einemAufwand von über5000 Mark die Stimmen erhalten hatte". Die Amtseinsetzung erfolgte Hilfsbedürftigen sind durch Anstaltsversorgung un­ Kinderpflege erbaute. Dieselbe enthält einen großen am 17.September 1885. tergebracht worden und aus derGemeinde entfernt." Saal für die Kinderschule, ferner die Wohnung der Gustav Blickle übernahm die Leitung einer Gemein­ Die Neuerungen, die Schultheiß Gustav Blickle Kleinkinderschwestern und einen Zeichensaal. Zu die­ de mit mannigfaltigen wirtschaftlichen und sozialen gleich nach seinemAmtsantritt in Angriffnahm- trotz sem Bauwerk erhielt ich von der Gemeinde das Bau­ Defiziten, welche sich nicht über Nacht lösen ließen. vielfältiger Kritik und wiederholter Blockadehaltung holz, von der ZentraIIeitung der Wohltätigkeitsvereine Winterlingen hatte seit Jahrhunderten von seiner ver­ konservativer Kreise der Winterlinger Bürgerschaft ­ ca. 850 Mark, von Sr. Majestät 250 Mark, von Ihrer Ma­ kehrsgünstigen Lage amTreffpunkt alter Handelswege zeigen seinen Weitblick, aber auch sein Talent, die je­ jestät 150 Mark und so fort, so dass ich nur 2500 Mark profitiert: einerseits der alten Römerstraße (Hoch­ weils wichtigen Gremien von der Notwendigkeit sei­ Schulden auf das Haus bekam. Seit dem Jahr 1896 ist sträß) Ebingen-Sigmaringen als idealer Nord-Süd• ner Vorhaben zu überzeugen und für sich zu gewin­ das Gebäude aufdie Gemeinde übergegangen." (Blick­ Passage über die Alb/andererseits der bedeutenden nen. Noch 1885 wurde Winterlingen an das Telefon­ le 1910:5f). Das auch späterfür Blickletypische Talent, mittelalterlichen Handelsstraße Ulm-Rottweil (Verin­ netz angeschlossen, 1886 wurde eine neue Orgel für auf zum Teil unkonventionelle Weise Spendengelder ger Straße) mit einer in Straßberg abzweigenden Vari­ die Kirche angeschafft, im Folgejahr auch das Pfarr­ zum Nutzen der Gemeinde locker zu machen - in die­ ante direkt über das Hardt. Das Fuhrgewerbe war bis haus grundlegend renoviert und im Ort erstmals eine sem Beispiel vom württembergischen Königspaar ­ ins 19. Jahrhundert von größter Bedeutungfür Winter­ Straßenbeleuchtung mit 10 Petroleumlampen instal­ wird schon früh erkennbar. lingen, davon zeugte auch eine enorme Anzahl von liert. Die ebenfalls 1887 gegen massive Widerstände in Dass es Blickle im gleichen Jahr 1884 auch noch ge- Gaststätten. Im Jahr 1880 wies der Ort noch 21 Schild- Angriff genommene Flurbereinigungstärkte aufDauer Mai 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1554 die Leistungsfähigkeit von Landwirtschaft und Forst­ lingen - Bitz in den Jahren 1891/92 wurde in einem ein unerwartet schnelles Ende. Einige wenige Feuer­ wese n und somit die Wirtschaftskraft der Gem einde. Trocke ntal nördlich von Winterlingen ein gut erhalte­ steinwerkzeuge des Magd aleniens sowie der Unterkie­ Im Laufe der Jahre 1885 bis 1888 wurde Winterlingen nes Teilstück einer Römerstraße angeschnitten. Gu­ fer eines Halsbandlemmings wurden im durchwühl• durch den Bau einer Hochdruckwasserleitung aus stav Blickle kümmerte sich, in enger Verbindung mit ten Schutt aufgefunden. Ungestörte eiszeitliche dem "Ried" mit fließendemWasserversorgt. Als kluger der Direktion der Königlichen Staatssammlung vater­ Schichten lieferten Reste von Fellnashorn, Höhlenbär Schachzug Blickles erwies sich, den für seine Verdiens­ ländischer Kunst- und Alterthumsdenkrnale in Stutt­ und Wildpferd, eine höhere, nacheiszeitliche Schicht te um die Wasserversorgung im Königreich Württem• gart, in vorbildlicherWeise um die Dokumentation der Knochen von Dachs, Wildkatze, Reh, Hirsch, Wild­ berg bereits 1883 in den Adelsstand erhobenen Baurat üb er eine Strecke von ca. 500 Meter erkennbaren Tras ­ schwein und Haustieren. Ausschließlich Schermau s­ Karl von Ehmann (1827 - 1889) bei der Eröffnung des se. Durch GeometerMaute aus Ebingen erfolgte im Ju­ reste enthielt eine mit Kalksinter verbackene Nagetier- Wasserwerks zum Ehrenbürger von Winterlingen zu li 1892 eine Einmessung in die Flurkarte sowie die An­ schicht. " ernennen. Karl von Ehmann zeigte sich ob der Ehre lage eines Querprofils durch den 4,8 m breiten, mit Gustav Blickle, weiterhin von der wissenschaftli­ mit einer Spende von 1200 Mark erkenntlich, welche Kalksteinen gepflasterten Straßenkörper. Die Kosten chen Bedeutung seiner Kühstellenhöhlen überzeugt, po stwendend in die Errichtung einer Gemeindebaum­ von 21,75 Mark wurde von der Staatskasse beglichen. wandte sich Hilfe suchend an Robert Rudolf Schmidt schule und die Pflanzung von 2400 Obstbäumen bis In den "Besonderen Beilagen des Staats-Anzeigers für (1882 - 1950) vom Geologisches Institut der Universi­ zum Jahr 1910verwendetwurde. Württemberg" publizierte Gustav Blickle (1892: 206 f) tät Tübingen. Dieser hatte 1907 bei Ernst Koken mit Nachdem die Gem einde im Jahr 1889 von einem seine Ansichten über den Verlauf dieser Paralleltrasse seiner Arbeit über das Paläolithikum der Sirgenstein­ verheerenden Hagels chlag getroffen worden war , zur nur wenige hundert Meter östlich verlaufenden, höhle promoviert und neue Forschungsansätze aufge­ wurde von der Württembergischen Regierung als Not­ bereits bekannten Römerstraße Laiz - Burladingen zeigt. In einer Postkarte an Blickle vom 12. Februar standsmaßnahme der Bau der Straßen nach Bitz und ("Alblimes "). 1909 stellte R. R. Schmidt eine erneute Grabung in den Harthausen genehmigt und großzügig gefördert. Offenbar angespornt durch diese Neuentdeckung Kühstellenhöhlen in Aussicht: "Sehr geehrter Herr, ich Erstmals konnten nun die umfangreichen Waldungen ließ Gustav Blickle am 14. Oktober 1892 in den unweit danke Ihnen sehr für Ihre freundliche Mitteilung und und Feldfluren von Winterlingen besser erschlossen der Römerstraße gelegenen Kühstellenhöhlen eine denke, dass ich im Sommer oder Herbst dieses Jahres und genutzt werden, zudem verbesserte sich die Ver­ halb tägige Probegrabung durchführen. Im Auftrag der weitere Versuche in den Winterlinger Höhlen anstel­ keh rsanbindung zu den Nachbargemeinden grundle­ Königlichen Altertümersammlung in Stuttgart folgte len kann und werde dann Ihre Hilfe gern in Anspruch gend. Für seinen Einsatz auf dem Gebiet der Verbes se­ vom 10. bis 30. November die Hauptgrabung. Sie ist nehmen." Diese Ankündigung und die Hoffnung, wei­ rung der Land- und Forstwirtschaft wurde Schultheiß dank der umfangreichen Korrespondenz zwischen tere Höhlen auf der Markung als mögliche Touriste­ Blickle am 27. September 1893 von der Königlichen Blickle und Stuttgart gut dokumentiert und spiegelt nattraktionen zu erschließen, veranlassten Blickle, die Regierung mit einer silbernen Medaille und einem die damalige museale Grabungs- und Sammelpraxis Gründung eines Höhlenvereins in Winterlingen zu Geldgeschenkvon 250 Mark bedacht. wider, welche rein dem Erwerb neuer Funde diente. planen, von dem sich die Satzung erhaltenhat: Ein dringendes Bedürfnis der Bevölkerung war die Auf die heute übliche exakte Dokumentation der "Winterlingen am . ..1909 Einrichtung einer Arztpraxis im Jahr 1891, eine Filial­ Fundumstände wurde noch kein Wert gelegt . Mit bis Zum Zwecke der Erforschung der im Bitzer Thal of­ apotheke, von Ebingen aus betreut, kam 1895 hinzu; zu vier Tagelöhnern aus Winterlingen (Iohann Georg fenbar vorhandenen Höhlen wird ein .Höhlenvereln beide Einrichtungen wurden ab 1896 in einem Haus Faigle, Johannes Faigle, Eugen Plankenhorn, Karl Winterlingen" gegründet. . " vereint. Von der Notwendigkeit einer öffentlichen Ba­ Baumann) wurde gegraben; derTageslohn betrug 1,70 deanstalt waren die bürgerlichen Gremien Winterlin­ Mark pro Person. Das Ministerium für Kirchen- und Für dieGründung werden folgende Satzungen auf­ gens noch nicht zu überzeugen. Blickl Schulwesen bewilligte einen Geldbetrag von maximal gestellt: Am 25. Februar 1901wurde Gustav Blickle eine hohe 50 Mark. Die Funde, aus einer Tiefe von bis zu 2 m ge­ Ehru ng zuteil. Aus der Hand Seiner Majestät, König borgen, erwiesen sich als reichhaltig: Knochenreste 1.) Mitglied kann jeder Rechtsfähige Deutsche wer­ Wilhelms von Württemberg, wurde er für seine Ver­ einer würmeiszeitlichen Fauna" (Mammut, Fellnas­ den. dienste um die Gemeinde Winterlingen mit der golde­ horn, Höhlenbär, Wildpferd), Steinwerkzeuge der jün• 2.) Der Verein ist eine Gesellschaft mit beschränkter nen Verdienstmedaille ausgezeichnet. Doch bereits geren Altsteinzeit, Tonscherben der Bronzezeit, Ur­ Haftung. 1906/07 machte sich ein schweres Herzleiden be­ nenfelderkultur, Hallstattzeit sowie des Mittelalters. 3.) Die Höchstsumme der Einzahlungist mit 50 M. pro merkbar, von dem sich der unermüdlich weiter arbei­ Gustav Blickle, der die wissenschaftliche Bedeutung Mitglied beschränkt, während 25 Mark sofort ein­ tende Blickle nie mehr ganz erholen sollte. Zu seinem der Fundstelle erkannte und seine Arbeiter mit der zuzahlen sind, der Rest mit Beschluss der General­ 25-jährigen Dienstjubiläum im Jahr 1910 schrieb sich fachgerechten Fundbergung überfordert sah, bat wie­ versammlung. Schultheiß Gustav Blickle noch selbstbewusst eine ei­ derholt um das Hinzuziehen eines Fachmannes, was 4.) Für die zu entdeckenden Höhlen bzw. für deren gene Festschrift, in der er seine Verdienste um die Ge­ leider unterblieb. Nachdem die Stuttgarter Behörden Ausnutzung durch Eintrittsgelder ez. ez. steht dem meind e detailliert auflistete - mit deutlichen Seiten­ davon Kenntnis erhielten, dass der Etat Ende Novem­ Verein das Erbbaurecht seitens der Gemeinde auf hieb en gegen seine kommunalpolitischen Widersa­ ber bereits um 11,20 Mark überzogen worden war, 50 Jahre zu. che r und persönlichen Neider. Im August 1913 organi­ mussten die Grabungen sofort abgebrochen werden. 5.) Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Schult­ sierte Blickle erstmals ein Kinderfest im Schützental; Blickle, der dies offenbar vorausgesehen hatte, wandte heiß Blickle hier bestellt, der für sich bis zu dem Be­ es sollte das einzige bleiben. Der Ausbruch des Ersten sich in zwei Schreibenvom 22. November 1892 sowohl trag von 25 M. pro Mitglied über das Vermögen zu Weltkriegs 1914 beschränkte die Tätigkeit Gustav an dem Schwäbischen Albverein bzw. an den im Jahr Vereinszwecken verfügen kann. Blickles auf die Verwaltung des sich rasch zeigenden 1889 gegründeten Schwäbischen Höhlenverein mit Änderungen an den bestehenden Satzungen blei­ allgemeinen Notstands. Gesundheitsbedingt trat der Bitte um finanzielle und logistische Unterstüt• benvorbehalten. Blickle im November 1917 in den Ruhestand. Er zung, jedoch ohne Erfolg. Mit Datum vom 7. Februar Diesem Verein schließen sich unter den obigen Sat­ verstarb am 25. Januar 1919 an einer in Winterlingen 1893 sandte Gustav Blickle einen handschriftlichen zungen an Kraft eigenen Entschlusses: grassierenden Grippeepidemie. Bereits zu Lebzeiten Grabungsbericht nach Stuttgart, der leicht verändert - GustavBlickle Schultheiß". hatte der tief gläubige Christ Gustav Blickle seine Be­ bzw. teilweise verfälscht in den "Besonderen Beilagen Die Ausgrabung durch R. R. Schmidt, die im Juni erdigung vorausgeplant und zwei für sein Wesen cha­ des Staats-Anzeigers für Württemberg" (Blickle 1893: 1909 erfolgte, erfüllte die hochgesteckten Erwartungen rakteristische Leichentexte ausgesucht: "Ich muss 158 f) abgedruckt wurde. Auch ein weiteres Schreiben offenbar wieder nicht; eine wissenschaftliche Publika­ wirken, solan ge es Tag ist, es kommt die Nacht, da vom 7. April 1893 an die Königliche Staatssammlung tion der heuteverschollenen Funde erfolgte nie. Ledig­ niemandwirken kann" und" Hätte ich der Liebe nicht, vaterländischer Altertümer in Stuttgart mit der drin­ lich Forstwart Wintterle aus Ebingen, der an der Aus­ so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende genden Bitte, die Grabung wieder aufzunehmen, blieb grabung teilnahm, zitiert in einem Brief vom 2. Sep­ Schelle". Nach Blickles letztem Willen erhielt sein erfolglos. tember 1929 aus seinem Tagebuch: "Am Eingang der • Grabstein die Inschrift: "Er versuchte, seine Pflicht zu Mit der "freien Pürsch" von Winterlingen befasste Höhle wurde gegraben und auch in einer Tiefe von et­ erfüllen." (Der Alb-Bote, 5. Febr.1919) sich Gustav Blickle in den Blättern des Schwäbischen wa 70 cm sehrviele Knochen & eine Feuerstelle gefun­ Albvereins des Jahres 1894 (Blickle 1894: 72). Die jahr­ den.Alle Fundewurden sofort in Papier eingeschlagen 3. DerHeimatforscher hundertelangen Grenzstreitigkeiten entlang der ehe­ und darauf vermerkt in welcher Tiefe sie gefunden Als Anfang des Jahres 1892 die Ortsgruppe Winter­ maligen Forstgrenze, welche die Jagdausübung (freie wurden.;' Der Traum von einer speläologischen Tou­ lingen des Schwäbischen Albvereins unter der Füh• Pirsch) der Winterlinger Bürger einerseits und der ristenattraktion war nun endgültig geplatzt. Blickle rung von Vertrauensmann Schullehrer Münz au s der herrschaftlichen Jagd (Forst) des Hauses Hohenzol­ war und blieb der einzigeUnterzeichner der Satzung Taufe gehoben wurde, gehörte Schultheiß Gustav lern bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts schied, wur­ des "WinterlingerHöhlenvereins". Blickle zu den zwölf Gründungsmitgliedern. Von 1898 den anhand historischer Quellen in einem lesenswer­ 1910 (Brief vom 17. Aug.) und 1912 (Brief vom 22. bis 1905 fungierte Gustav Blickle selbst als Vertrau­ ten Aufsatz dargelegt. Sept.) botJohannes Stauß derAltertümersammlung in ensmann. Anlässlich der Mitgliederversammlung der Im Jahr 1905 erntete Gustav Blickle für die Organisa­ Stuttgart weitere Funde aus den Kühstellen zum Ver­ Ortsgruppe im Januar 1917 wurde ihm für 25-jährige tion einer Exkursion anlässlich des Deutschen Geolo­ kauf an. Ob es sich um zurück behaltene Funde der Mitgliedschaft die Ehrenurkunde und das Ehrenzei­ gentages nach Winterlingen Lob von Prof. Ernst Ko­ Grabungskampagnen von 1905 bzw. 1909 oder um chen des Schwäbischen Albvereins überreicht. Noch ken , dem Leiter des Geologischen Instituts der Univer­ solche eigener Grabungen handelte; ist den dürftigen eine n Tag vor seinem Tod bestellte Blickle bei der Ge­ sität Tübingen: "Schließlich möchte ich Ihnen noch Notizen nicht zu entnehmen. Der erhalten gebliebene schäftsstelle in Tübingen etliche Verlagswerke. In ei­ herzlich danken für die Freundlichkeiten bei demAus­ Komplex von 1910 (Inv, Nr. ASA255 ; BieI1975 :71) um­ nem Nachruf in den Blättern des Schwäbisch en Alb­ fluge der Geologen nach Winterlingen; es hat mich fasst neben einem Tierknochen und einigen unver­ vereins (1919, Sp. 23) würdigt der Schriftleiter Prof. aufrichtig gefreut, dass die Exkursion so gelungen und zierten prähistorischen Tonscherben zwei der Hügel• Eugen Nägele den von ihm sehr geschätzten Gustav so gemütlich ausfiel und man so manches anerken­ gräberbronzezeit und einen der Urnenfelderkultur.An Blickle: "Er war ein prächtiger Mann voll Tatkraft und nende Wort auffangen konnte. Dazu hat Ihr zuvor­ Stauß zurück gesandt wurden die 1912 ang ebotenem Humor; seine Gemeinde hat hauptsächlich ihm ihr kommendes und liebenswürdiges Verhalten viel bei­ Funde, über die er schreibt: "Der größere Knochen Emporkommen und die reiche n Stiftungen zu verdan­ getragen." (Brief an Blickle, 23. Aug. 1905). Zudem war und noch ein kleinerer lagen in der Humusschicht ca. ken... . Den Albverein hat er oft und viel aufs bes te es Blickle gelungen, Ernst Koken an einer erneuten 20 - 25 cm tiefer als die Feuerstelle der Glacialzeit­ unterstützt, namentlich auch bei man cherlei Alter­ Untersuchung der Kühstellenhöhlen zu interessieren. menschen, die weißeren Knochen aus derselb en Höh­ tumsforschungen in der Umgebung von Winterlin­ Die Grabung unter Mitwirkung von Johannes Stauß le sowie der mit eingewickelte Kiefer aus dem Lehm in gen. " am 11. Nov. 1905 zeigte, das s die Höhlen seit 1892 welchem ich die Rinozero ßzähne fand." Der Verbleib Anläss lich des Baues derVerbindungsstraße Winter - durch Unbefugte geplündert worden waren und fand des Fundkomplexes ist unbekannt. (Fortsetzung folgt) Seite 1555 Heimatkundliehe Blätter Mai 2007

Die Wallanlagen um Burladingen (ZoIlHrnalbkreis) Vo~- und frütJgeßchichtlictJe Befestigungen 18

Die Autoren dieserAusgabe:

IürgenScheff Im Raidental66 72358 Albstadt Regierungspräsidium Stuttgart - Landesamt für Denkmalpflege Daniel Seeburger Konrad Theiss Verlag Stuttgart ZOLLERN-ALB-KURIER Grünewaldstr. 15 72336 Balingen

DAS AKTUELLE BUCH Spannend wie ein Roman Herausgegebenvon der Wallanlagen um Burladingen - Von Daniel Seeburger HeimatkundlichenVereinigung Zollernalb Spannend wie ein Wissenschaftsroman liest sich die beiden Autoren archäologische Geländedenkmä• das 56 Seiten umfassende "Die Wallanlagen um Bur­ ler vor, die bisher in der einschlägigen Literatur ein ladingen (Zollernalbkreis)" von Christoph Morrissey Schattendasein geführt haben. Vorsitzender: und Dieter Müller, erschienen als 18. Folge in der Rei­ Die intensiven Forschungen haben Interessantes Christoph Roller.Am Heuberg 14, he "Vor- und frühgeschichtliche Befestigungen" im zutage gebracht. Teilweise konnten die Wissenschaft­ 72336 Balingen, Telefon (07433) 77 82 Konrad Theiss Verlag in Stuttgart. Gerade mit Chri­ ler sogar bisher unbekannte Details ans Licht fördern. stoph Morrissey hat sich ein Wissenschaftler mit die­ Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung: ser Thematik beschäftigt, der im Zollernalbkreis kein dem Archäologen Morrissey und dem für die topogra­ Erich Mahler, Mörikeweg 6, Unbekannter ist. Vor vier Jahren veröffentlichte er fische Aufnahme zuständige Diplom-Ingenieur (FH) 72379 Hechingen ., ebenfalls im Theiss-Verlag den "Führer zu archäologi• Dieter Müller gerade im Hinblick auf die Tatsache, Telefon (07471) I 5540 schen Denkmälern in Deutschland - Zollernalbkreis"­ dass die vergangenen Jahre immer mehr "Gras über E-Mail: [email protected] ein bisher unübertroffenes Standardwerkzurregiona­ die historischen Denkmäler wachsen ließ". Das um­ len Frühgeschichte. fassende und äußerst genaue Kartenmaterial bietet Redaktion: Was Morrissey mit diesem Werk oberflächlich ge­ nun auch dem interessierten Laien die Möglichkeit, Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, streift hat, vertieft er jetzt mit Dieter Müller exempla­ den "Kobel" in Stetten, das .Käpfle" in Melchingen, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-I 53 risch. Mit den Wallanlagen in Stetten unter Holstein, der .Hausener Kapf" bei Burladingen-Hausen und Melchingen, Hausen im Killertal und Starzein stellen den .Kapf" bei Starzein näher kennenzulernen. ~< . ,~~ .:j 08~ Heima:...... dlicheBlätt '(fr~~ Zollemalb He~d1ichevereinigung Zollernalb e:V: Nr.6 30 . Juni 2007 Jahrgang 54 Stauffenberg, 20Juli 1944 Thaddäus lang 50 JahreGedächtnisfeier in lautlingen, 1957-2007 - Von Dr. Peter

bis 1953 Bundesminister für die Ange­ bereiten und die dafür ihr Le ben lassen mussten. schek, der 1949 Wie in zahllosen anderen Städten und Gemeinden zu riebenen war, dann der baden­ ganz hervorgehobenen , künstlerischen Akzent legenheiten der Vert Europas, so verspürten auch die Menschen in Lautlin­ Einen nister Dr. Wilhelm Simp­ lle d urch die Skulptur "Auferstehen­ württembergische Kultusmi gen nach dem Ersten Weltkrieg das Bedürfnis, ihrer erhielt die Kape 1953-1958), des­ von dem dam als hoch a ngesehenen fendörfer (1888-1973, Kultus minister Kriegstoten zu gedenken. Während man andernorts der" , angefertigt Innenmi­ hard Marcks (18 89-1981). Eine Verbin ­ sen Ko llege, der baden-württembergische sehr häufig an markanter Stelle eine entsprechend ge­ Künstler Ger -1966, Innenminister Lautlingen und dem in Köln lebenden nister Viktor Renner (1899 staltete Skulptur aufstellte, gingen die Lautlinger einen dung zwischen war durch einen der maßgeblichen 1956-1960) wie a uch der baden-württembergische anderen Weg: Sie errichteten gut sichtbar südlich ne­ Kunstschaffenden hard Müller höchstselbst. des Tü binger Landesdenkmalsamts gege­ Minister präsident Dr. Geb ben ihrer Pfarrkirche eine Gedächtniskapelle. Die Beamten großen Konfessionskirchen waren ben, der ei-nerseits mit der Gedächtniskapelle in Laut­ Seitens der beiden Namen der Gefallenen wurden auf der Innenseite der Hagen aus Rottenburg anwesend, lingen dienstlich befasst war, an dererseits d en K ünst• Generalvikar August Kapelle hinter dem Altar eingemeißelt. Oberkirchenrat Dr. Manfred Müller aus Stutt­ man in ganz ler gut kannte. sowie Nach dem zweiten Weltkrieg wollte gart. Die Universität Tübingen war durch den Rektor gedenken. In Lautlin ­ Die Einweihung erfolgte im Jahr 1957, und passen­ ähnlicher Weise der Kriegstoten So viele und die Professoren Hans Rothfels (Historiker, einer gründlichen Renovie­ derweise entschied man sich für d en 20. Ju li. gen verband man dies mit n Lautlin­ 1891-1976, schrieb bereits 1948 .The German Opposi­ Kapelle: zu den Namen hochgestellte Persönlichkeiten hatten sic h i rung und Neugestaltung der Tag: tion to Hitler") und Walter Erbe (Iurist, 1909-1967) ver­ nicht nur jene aus gen noch nie zuvor versammelt wie an jenem aus dem Ersten Weltkrieg kamen ­ treten. Im Auftrag der Bundesregierung legte Staatsse­ Außerdem wurde nun Nicht nur die Familienmitglieder des Hauses Stauffen dem Zweiten Weltkrieg hinzu. wei­ kretärAnders einen Kranz nieder, verbunden mitWor-. Berthold und Claus berg waren gekommen, sondern auch zahlreiche der beiden Widerstandskämpfer der Widerstands­ ten des Gedenkens. Die Hauptrede indes hielt Paul gedacht, die mit vielen anderen zu­ tere Angehörige und Hinterbliebene ere von Stauffenberg fand sich eine ganze Reihe Graf Yorck von Wartenburg (1902-2002), der ält am 20. Juli 1944 versucht hatten, durch ein kämpfer. Darüber hinaus Attentat sammen ein, nämlich Hans Luka- Bruder des im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler dem Nationalsozialismus ein Ende von hochrangigenPolitikern Seite 1557 Heimatkundliehe Blätter Juni2007 vom 20. Juli hingerichteten Peter GrafYorck von War­ tenburg. Die letztenSätze seinerunsheuteziemlich pa­ thetisch erscheinenden Rede scheinen recht typisch für das Koordinatensystem, in welchem das Attentat aufHitlerdamals gesehenwurde: "Der Name .Stauffenberg" ist Scheidewasser. Für die einen, die Unbelehrbaren, wird er, wie für jenen Gene- ' ral, der Name bleiben, den sie nicht mehr kennen. Für uns aberist er Auftrag, Verpflichtung, Sendung. Für uns ist er der Inbegriff des ewigen Deutschland, das als mahnendesBildvor unsererSeele steht." Das heißt mit anderen Worten: In ihrer Beurteilung des Attentats zerfielen die Deutschen damals in zwei Lager: Während ihn die einen für einen Vaterlandsver­ räter hielten - seinerzeit wohl die Mehrheit- verehrten ihndie anderenals Vorbild undals Helden. Weitere Reden hielten der Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller und der Oberbürgermeister von Ulm, Theodor Pfizer, der die Brüder Stauffenberg sehr gut kannte, weil er mit ihnen zusammen das Eberhard­ Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart besucht hatte. Wäh• rend der Ministerpräsident das Attentat als einen Bei­ trag Südwestdeutschlands zum deutschenWiderstand interpretierte, hebt der Ulmer Oberbürgermeister ab aufdie gemeinsam verbrachte Jugend und aufdie ver­ wandtschaftlichen Beziehungen zu anderen adeligen Widerstandskämpfern. ' Bemerkenswertscheintdie Ansprache, die derdama­ lige Vikar Paul Kopf in Vertretung des Lautlinger Orts­ pfarrers Alois Stoll bei der Einweihung des Ehrenmals hielt. Pfarrer Stoll war verhindert, denn er lag zur Zeit der Gedenkfeier in der Folge eines Autounfalls im Ba­ linger Krankenhaus. Der junge Vikar aus der benach­ barten Ebinger Pfarrei St. Josefhätte in seiner Anspra­ cheden offiziellen Standpunkt der katholischen Kirche vertreten müssen. Deren Moraltheologen hielten 1957 nämlich noch unverrückbar an der Gültigkeit des Fah­ neneides fest. Mit anderen Worten: Soweit sie diesen Eid geleistet hatten, galten die Widerstandskämpfer aus kirchenoffizieller Sicht als eidbrüchig und damit moralisch verwerflich. Der Rottenburger Generalvikar August Hagengab deshalb demjungenVikarden Rat, in seinerAnsprache die Namen der beiden Stauffenberg­ Brüder nichtzu erwähnen. Die Einstellung der katholi­ schen Kirche hat sich mittlerweile gewandelt, aller­ dings erst im Zuge des zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). In den folgenden Jahren verlor die Gedächtnisfeier rasch an Glanz: die hochkarätigen Teilnehmer blieben aus , und auch die Lokalzeitung berichtete nur noch sporadischdar-über. Nichteinmalder20.Jahrestagdes Attentats 1964 war der örtlichen Presse einen Artikel wert. Erst zum30.Jahrestag erschien wieder einmal ein ausführlicherer Bericht, aus dem zu ersehen ist, dass neben mehreren Mitgliedern der Familie Stauffenberg auch der Ebinger Oberbürgermeister Dr. Hans Hoss zugegen war. Vom Landrat des damals frisch gebacke­ nen Zollernalbkreises Heinrich Haasis ist indes nicht die Rede. Dieser war jedoch am 40. Jahrestag bei der Feier zugegenundhieltsogar eineAnsprache, die in der Zeitungausführlich zitiert wurde. Auch Hans Pfarr, der erste OberbürgermeisterAlbstadts, war mitdabei. Und das nichtnurbei demrundenGedenktag 1984,sondern regelmäßigbis zumEnde seinerAmtszeit 199L In den 1990er Jahren ging es mit den Feierstunden steil abwärts. Wenn die Erinnerung nicht täuscht, wa­ Grund- und Hauptschule Sommerhalde in Albstadt­ vortrag. Mehr als 300 Gäste lauschten ihm, darunter ren Landrat Fischer und der Albstädter Oberbürger• Truchtelfingen. Wie man sieht, ist eine Art Turnus un­ auch die baden-württembergische Sozialministerin meister Hans-Martin Haller nach 1991 am 20. Juli in ter den Schulen angestrebt, wobei ältere Schüler ein Tanja Gönner und mehrere Mitglieder der Familie Lautlingen nicht mehr gesehen worden. Auch die Teil­ Projekt beisteuern und jüngere Schüler die musikali­ Stauffenberg. Die eindrucksvolle Kulisse des Schlosses nahme insgesamt ließ spürbar nach. Ende der 1990-er sche Umrahmung. mit den alten Bäumen und den mittelalterlichen Um­ Jahre kamen kaum mehr als vielleicht zwanzig Perso­ Auch die Lautlinger Vereine ließen sich gerne zu ei­ fassungsmauern schuf eine würdevolle Stimmung. nen. "Die Gestaltung der Feier durch den Kreisjugend­ ner intensiveren Beteiligung bewegen: Sie waren 2003 Während des exzellenten Vortrags warf die unterge­ ring begann dann auch, mehr und mehr lust- und ein- mit einer Fahnen-Abordnung präsent. Seitdem sind hendeSonnerotgoldenes Licht aufdie Szene. . fallslos zu wirken. ' die Lautlinger Vereinsfahnen fester Bestandteil der Esbleibtzu wünschen,dass die Feierstundeamzü .Iu­ Auf Betreiben des Albstädter Oberbürgermeisters Feierstunde. Die am 20. Juli stets anwesendenSoldaten li in Lautlingen auch in Zukunft immerwieder aufähn• Dr. Jürgen Gneveckowblies seit 2003 ein frischer Wind : der Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen wurden um lich würdevolleWeise begangenwird. Um die Jugendstärkereinzubinden, setztesich die Alb­ einen substanziellen Beitrag gebeten, was dazu führte, städter Stadtverwaltung mit den heimischen Schulen dass Generalmajor Eike Krüger seitdem alljährlich eine zusammen. So befassten sich 2003 mehrere Schüler­ gehaltvolle Ansprache hält. Dazu ergänzte ein Bläser• gruppen der Walther-Groz-Schule mit einem Projekt quartett der Bundeswehr die musikalische Umrah­ Quellen und Literatur: zum Thema "Widerstand", dessen Ergebnisse am 20. mung. Juli in Lautlingenvorgestelltwurden. Um auchjüngere Dieser nun wesentlich anspruchsvoller gewordene Kath. PfarrarntAlbstadt-Lautlingen: - Pfarrchronik1919-1957 Schüler zu beteiligen, wurde die musikalische Um­ Rahmen wird seitdem beibehalten. Es soll auch nicht - GünterBusch(Hrsg.),GerhardMarcks-dasplastische rahmung in jenem Jahr einem Lautlinger Schülerchor vergessen werden, dass der Albstädter Oberbürger• Werk. MiteinemWerkverzeichnisvonMartinaRudloff, unter der Leitung von Klaus Hetges übertragen. 2004 meister Dr. Jürgen Gneveckov seit seinem Amtsantritt Frankfurt/M.1977(die LautiingerSkulpturdortS.380) wurden das Ebinger Gymnasium mit einem Projekt be­ 1999 mit steter Regelmäßigkeit anwesend ist und jedes StadtarchivAlbstadt: teiligt und die Grundschule Margrethausen mit musi­ Mal einen angemessenen, perspektivenreichen Rede­ - StaatsanzeigerBaden-Württemberg,24.7.1957 kalischen Beiträgen, 2005 entsprechend das Hau swirt­ beltragleistet. - EbingerZeitung1957-1972;Zollernalb-Kurier ab 1973. schaftliche Gymnasium und die Oststadtschule; 2006 Die 60. Wiederkehr des Attentats 2004 bildete einen - 'PaulKopf, DasgewandelteBildvom20.Juli 1944imSpiegei persönlicherEreignisse,in:RottenburgerJahrbuchfür waren es wiederum die Walther-Groz-Schule (diesmal Glanzpunkt dieser höchst erfreulichen Entwicklung: Kirchengeschichte21,2002,S.341-253. miteinem äußerst ansprechendenKunst-Proj ekt unter Bei dem Festakt im Schlosshofhielt Prof. Dr. Wolfgang -StadtverwaltungAlbstadt:Weihnachtsbriefdes der Anleitung von Frieder Zimmermann) und die GrafVitzthum von der Universität Tübingen den Fest- Oberbürgermeisters,2004.

------Juni 2007 Heima tkundliehe Blätter Seite 1558 Schultheiß Gustav Blickle Kommunalpolitiker, Mäzen und Heimatforscher aus Winterlingen, TeilZ - Von Jürgen Scheff Dass Gustav Blickle auch nach den Misserfolgen bei hauen und die gan ze Lage in krampfhafter Stellung, A. A. (1917): OG . Winterlingen. Jahresbericht 1916. - Blätter der Erforschung der Kühstellen weiterhin Interesse derlinke Arm unter dem Becken, der rechte am Kopf." d. Schwäb.Albvereins, 29(1/2): Sp. 35f; Tübingen. an der Höhlenforschung zeigte , belegt ein Brief vom Da weder Skelett noch Sarg erhalten sind, ist eine Al­ A.A. (1919): Winterlingen, 3. Febr. - Der Neue Alb-Bote, 32 1. Juni 1918 an Prof. Peter Goessler von der Altertü• tersdatierung heute leider nicht mehrmöglich. (27): 3. Febr. 1919; Ebingen. mersammlung in Stuttgart : "Sehr geehrter Herr Pro­ A. A. (1919): Winterlingen, 4. Febr. Beerdigung. - Der Alb­ fessor! Zwischen hier und Bitz ist ein Trockental das 4. Epilog Bote, 86(29): 5. Febr. 1919; Ebingen. viele un d große Erdfälle hat und sicher unten ein grö• Dass Schultheiß Gustav Blickle in seiner Amtsfüh• A. A. (1919): In Winterlingen. - Blätter d. Schwäb. Albver­ ßeres Höhlensystem liegt. Um dieses zu öffnen habe rung nicht unumstritten war - trotz seiner unzweifel­ eins, 31 (112): Sp. 23;Tübingen. ich vor 6 Jahren Grabungen vorne hmen lassen, muss­ haften Verdienste um seinen Heimatort - zeigte sich BIEL, J (1975): Winterlingen (Lkr. Balingen). - Fundberichte te aber nachdem ich selbst 200 h aufgewandt hatte nach seinem Tode deutlich. Sein selbstbewusstes Auf­ aus Baden-Württemberg, 2: 71 , Taf. 179, 180; Stuttgart. aufhören in Folge Regen und Einsturz. Bei diesen treten, die aus heutiger Sicht nicht immer saubere BUCKLE, G.(1892): Beschreibung einer Römerstraße aufder Grabungen stieß man in einer Doline etwa 6 m tiefer Trennung zwischen kommunalem und privatem Ge­ Gemarkung Winterlingen. - Besondere Beilage des Staats­ auf dem Grund der selben auf einen Stein der völlig winnstreben, sei es im Aufbau des Elektrizitätswesens Anzeigers fürWürttemberg: 206f; Stuttgart. rechteckig war . Das Eck der Anlage wurde wieder ver­ oder in der geplanten Regelung seiner Nachfolge im BUCKLE, G. (1893): Menschliche Wohnstätten aus derälte• schüttet und glaube ich bestimmt dass das kein Na­ Schultheißenamt durch einen Verwandten, provo­ ren Steinzeit aufderAlb. - Besondere Beilage des Staats-An­ turs piel sondern Arbeit von Menschenhand ist - viel­ zierte offenbar Widerspruch. Der Ortschronist Io­ zeigers fürWürttemberg: 158f; Stuttgart. leicht eine Wohngrube etc. In Nähe befinden sich hannes Stauß zeigte sich ob dieser Kritik geradezu BUCKLE, G.(1894): Die Winterlinger "freie Grabhügel und Höhlenwohnungen aus der alten schockiert: "Wie Winterlingen seine Söhne ehrt, hat "Pürsch". - Blätter d. Schwäb. Albvereins, 6 (4): 72;Tübin• Steinzeit in denen ich schon früher Grabungen veran ­ sich bei unserem Verstorbenen gezeigt! Der ganze Rat gen. staltete und Kohleschichten 1,5 m tief, Knochen von und Bürgerausschuss. sowie Lehrerschaft und übrige BUCKLE, G. (1910): Blätter derErinnerung anmeine 25-jäh• Mamuth, Rinozeroßen, Rehen, Lemmingen etc. fest­ Honoratioren Winterlingens, brachten es nicht ein­ rige Tätigkeit alsSchultheiß derGemeinde Winterlingen. Ba­ stellte. Diese sind dorthin gekommen. Ich würde es mal fertig, diesem Mann in öffentlichem Blatt einen lingen. nu n für sehr erwünscht halten wenn vielleicht nach .Nachrufzu widmen." HERTLEIN, F. u. GOESSLER, P. (1930): Die Straßen und dem Krieg der Sache nachgegangen würde, da die Bei der Schultheißenwahl in Winterlingen am 6.' Wehranlagen des römischen Württemberg. - Die Römer in Grabungen einfach sind, eine Besichtigungvon Ihn en April 1919 - erstmals waren auch Frauen wahlberech­ Württemberg 11 : 214, 225-227; Stuttgart. . dürfte zweckmäßig sein. Außerdem habe ich bei Gra­ tigt - gaben etwas über 1100 Bürgerlinnen ihre Stim­ KOKEN, E. (1912): DieGeologie undTierwelt derpaläolithi• barbeiten vor 30 Jahren ein en ca. 80 cm breiten Bohn­ men ab. Neben den beiden einheimischen Kandida­ schen Kulturstätten Deutschlands. - In: erzgang angeschnitte n was vielleicht jetzt auch von ten, Actuar Paul Herrmann. bislang Schultheißen• SCHMIDT, R. R. (1912): Die diluviale Vorzeit Deutschlands. Bedeutung wird und festgehalten werden sollte. Herr amtsverweser und zudem Schwiegersohn Blickles, 178; Stuttgart. Professor Koken hat sich bei Anwesenheit des deut­ und dem Verwaltungsfachmann Karl Maier stellte NÄGELE, E. (1909): Alb und Römerreich . - Blätter d. schen Geologentages hier eingehend über die oben sich der aus dem Badischen stammende katholische Schwäb. Albvereins, 21 (3): Sp. 78f; Tübingen. gena nnten Dolinen aus gesprochen. Es wäre mir sehr Unteroffizier Otto Butz als Außenseiter der Wahl. Vol­ PARET, O. (1932): Die Siedlungen des römischen Württem• angenehm, Ihre Ansicht zu hören. Ihr ganz ergebens­ ler Sarkasmus kommentierte der Ortschronist Iohan­ berg. - Die Römer inWürttemberg 111: 99, 395; Stuttgart. ter G. Blickle." Das desaströse Kriegsende und Blick­ nes Stauß das Ergebnis: "Das Wahlresultat war frap­ RIEK, G. (1935): Kulturbilder aus der Altsteinzeit Württem• les Tod bereits im folgenden Jahr ließen dieses Höh ­ pierend. Otto Butz, ein Mann, der wohl Winterlingen bergs. - Vorgeschichte vonWürttemberg, 1:5;Tübingen. lenforschungsvorhaben nicht mehr zur Ausführung noch nie ganz gesehen hatte, erhielt die größte Zahl RIETH, A. (1938): Vorgeschichte der Schwäbischen Alb. - kommen. der Stimmen und wurde also mit 439 Stimme n zum Mannus-Bücherei 61 : 25,27Abb. 4 C; Leipzig. Bei Drainagearbeiten im Spätherbst 1907 in der Schultheißen von Winterlingen gewählt. In einer SCHEFF, J. (2003): Höhlenarchäologie im Zollernalbkreis. ­ Flur Herdweg. südöstlich von Winterlingen, kamen evangelischen Gemeinde einen katholischen Schult­ Zollernalbkreis. Führer zu archäologischen Denkmälern in an mehreren Stellen römische Funde zutage. Schult­ heißen, die ganze Umgebunglacht überWinterlingen Deutschland 43:86- 104; Stuttgart. heiß Blickle ließ ein nahezu komplettes Tongefäß si­ - und mit Recht, so etwas wird wohl den Winterlin­ SCHEFF, J. (2003): Winterlingen: Die Kühstellenhöhlen. ­ cherstellen, beauftragte seinen Freund Johannes gern niemand nachmachen." Zollernalbkreis. Führer zu archäologischen Denkmälern in Stauß mit der weiteren Überwachung der FundsteIle In Erinnerung an Gustav Blickle blieb in Winterlin­ Deutschland 43:209- 211; Stuttgart. und informierte die Stuttgarter Altertümer-Samm• gen' neben den Verdiensten um die Gemeinde sein SCHMIDT, R. R. (1908): Der Sirgenstein unddieeiszeitlichen lung am 7. Dezemb er. Ein strenger Winter verhinder­ schlagfertiger Humor, wie eine Anekdote schildert. Kulturepochen Schwabens. - Fundberichte aus Schwaben, te zunächst die weiteren Fundbergungen. Vom 12. bis Als Schultheiß Blickle einmal bei einem Minister in 15(1907): 2 - 7; Stuttgart. 15. April 1908 führte Dr. Ludwig Sontheimer im Auf­ Stuttgart vorstellig wurde, um für seine bettelarme SCHMIDT, R. R. (1910): Der Sirgenstein und die diluvialen trag des Königlich Württ. Landes -Konservatoriums Geme inde eine finanzielle Unterstützung zu erb eten, Kulturstätten Württembergs. - Inaugural-Dissertation: 43; eine von Gustav Blickle wohl vorbereitete Grabung sagte jener, aufden stattlichen Leibesumfang Blickles Tübingen. durch, die neben Siedlungsresten auch die Existenz anspielend: "Aber Ihnen sieht man die Not der Ge­ SCHMIDT, R. R. (1912): Die diluviale Vorzeit Deutschlands. einer gut erhaltenen römischen Zisterne belegte meind e nichtan." Worauf Blickle erwidert haben soll: 49f; Stuttgart. (Sontheimer 1909: 89 - 91). Gerade letztere .lieferte "Exzellenz, diesen Bauch habe ich mit ins Amt ge­ SCHMIDT, R. R. (1914): Aus der ältesten Kulturgeschichte reichhaltige Metall- und Keram il

So ist's richtig: Fehlerteufel schlug zu Durch einen technischen Fehler ginge n in der ersten Kosten und mit eigenem Gewinn. Die Badeanstalt mit der ersten Dörfer der Schwäbischen Alb konnte ganz Folge des obigen Artikels (Ausgabe Mai 2007) einige kalte n und warmen Wannenbädern, die von Schul­ Winterlingen 1906 mit elektri schem Strom versorgt Abschnitte unter. kindern unentgeltlich benutzt werd en durfte, wurde werden. Blickle hatte privat ein Elektrizitätswerk sam t 1. Seite 2, erster Absatz, nach "...beurkundet": dann einige Jahre später doch von der Gemeinde Stromnetz errichtet und stellte, nicht ganz uneigen ­ "werden konnte. Blickle übernahm für 14 Jahre den übe rnommen. Eine eigene Schwesternstation mit nü tzig, die Weichen für die Entwicklung Winterlin­ Vorstand. Im Jahr 1910 resümierte er zufrieden: 'Der zwei Pflegerinnen verbesserte das Gesundheitswe­ gens zu einer rasch aufblühenden Industriegem ein­ Umsatz betrugbis heute ca. 15Millionen Mark, gegen sen. Der Bau des Schlachthauses durch die neu ge­ de. 1907erhielt Winterlingen eine selbstständige Apo­ 190 Mitgliede r zählen zu ihm. Der vormals ganz in Ju­ gründete Metzgereigenossensc haft, deren erster Vor­ theke, 1910 nahm erstmals eine Hebamme hier die denhänden gelegene Handel mit Vieh und Zielern ist stand Gustav Blickle wurde, beendete die unter man­ Arbeit auf, 1911 wurde ein großzügig angelegtes neu­ verschwunden; die Darlehenskasse ist die Vermittle­ gelhaften hygienischen Bedingungen durchgeführte es Schulhaus erba ut. Die Wasserversorgung des auf­ rin (...)'''. Hausschlacht ungen. Mit der systematischen Kanali­ blühenden Ortes war mittlerweile an seine Grenzen 2. Seite 3, Ende dritter Absatz: .Blickle und einige sation Winterlingens seit 1904 wurde ein weiteres hy­ gestoßen. Es gelang der Gemeinde 1911 dank ge­ weitere Bürger .errichteten sie trotzdem auf eigene gienis ches Ärgernis der Gem einde beseitigt. Als eines schickterVerhandlungen (FortsetzungaufnächsterSeite) Seite 1559 Heimatkundliehe Blätter Juni 2007

Zum Tod von Christoph F. Riedl Termine Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist Am Donnerstag, 12. Juli, führtWolfgang Willigzu Christoph F. Ried!, ehemaliger Chef­ den Truchsessen von Waldburff Besucht werden redakteur des ZOllERN-ALB-KURI­ die Stammburg in Waldburgsowie die Schlösser in ER, der Internationalen Bodensee Kißlegg, Wurzach und Wolfegg. Abfahrt ist um 6.30 und Boot Nachrichten (IBN) und in .Balingen bei der Stad ,.,um7Uhr .in langjähriger verantwortlicher Redak­ en amBusbahnhof. . teur der Heimatkundlichen Blätter gestorben. "Schreiben ist mein Leben", sagte Christoph F. Riedl in einem Interview zu seinem 70. Geburtstag. Sein Wer­ degang untermauert diese Aussage. Am 31. Juli 1927 wurde er in Eger ge­ boren, der Vater war Egerländer, die Mutter stammte aus Tirol. Im Som­ mer 1945 wurde die Familie enteig­ net und des Hauses verwiesen. Sie zog zunächst zu Verwandten nach Tirol. In Innsbruck beendete Chri­ stoph F. Riedl dann seine Gymnasi­ alzeit, die er in Eger unterbrechen musste, weil er als Luftwaffenhelfer eingezogen wurde. Knapp ein Jahr später jedoch wurde die Familie als "staatenlos" des Landes verwiesen Am Donnerstag, 6. September, findet eine Exkur­ und nach Deutschland abgescho­ sion.mit dem Bus nach Rottenburg zum Kunstgar­ ben. In Denkendorf bei Esslingen ten von Gabi Doschka und Prof. Roland Doschka fand sie ihr erstes Domizil. Christoph statt. Die Leitung haben Frau Pemsel und Prof. Rol­ F. Riedl volontierte bei den Stuttgar­ ler. ter Nachrichten, ging zunächst zur EsslingerAllgemeinen und kam dann Am Donnerstag, 13. September, findet eine zwei­ zur Lokalredaktion der Stuttgarter tägige Bus-Exkursion mit W9lfgang Willig 'auf die Zeitung. talb und übers Härtsfeld mi bernachtung in Im Jahr 1954 machte sich der da­ Kapfenburg statt. mals 27-Jährige selbstständig, nach­ dem er in der Franckh'schen Ver­ lagshandlung zwei Bücher heraus­ gebracht hatte: Das .Motorradhand­ buch für jedermann" (1952 und 1957) und ;,Tempo-Vollgas, schnelle Motoren, schnelle Männer" (1956). Er war fortan Herausgeber einer Pressekorrespondenz für Motor- und Verkehrsthemen. Zusätzlich hatte er zwei Jahre lang die Geschäftsführung des "Verbandes stoph F. Riedl drei Jahre langVorsitzender des Musik­ der Motorjournalisten" inne. vereins Balingen und gestaltete zwei .Balinger Hei­ Das einzige Kind von Elisabeth und Christoph matabende", Für drei Jahre übernahm er den Vorsitz Riedl, Sohn Markus, wurde im Jahr 1959geboren. im Bürgerverein Balingen. Die AutorendieserAusgabe Zum 1. Januar 1963 wurde Christoph F. Riedllei­ Doch das Schreiben vernachlässigte er dabei nicht. tender Redakteur im Druck- und Verlagshaus Her­ Zusammen mit seiner Ehefrau - beide bildeten jahr­ Dr. PeterThaddäus Lang mann Daniel in Balingen, später Chefredakteur des zehntelang beruflich ein Team - gab er zwei Bücher StadtarchivAlbstadt ZOLLERN-ALB-KURIER und der IBN. heraus:"Partnerschaft am Wendepunkt - Die Chance Postfach 125 Für 30 Jahre prägte sein Kürzel "CFR" eine großen der Frau". Im Verlag Hermann Daniel erschien das 72422 Albstadt Teil der Zeitungslandschaft in der Region. Unter dem Buch "Adams Rippe". Theater und Musik waren zwei Synonym .Felicitas, die Meise " erfüllte er eine Om­ weitere Leidenschaften. In seiner Jugend stand er mit buds-Funktion zwischen Bürger und Verwaltung. Un­ Begeisterung selbst aufder Bühne. In Balingen beglei­ Jfugen Scheff ter den Pseudonymen .Hieronymus" und .Paul Peter tete er mit profundem Wissen das kulturelle Gesche­ Im Raidental66 Punkt" beobachtete Christoph F. Riedl Menschen und hen und rezensierte die Aufführungen in derStadthal­ 72358 Albstadt Umwelt, kritisch, ironisch und mit viel Humor. le. Seine musikalische Ader stellte er mit Auftritten im Zudem übernahm er auch die Redaktion der .Hei­ kleinen Kreis an derelektrischen Orgel unterBeweis. matkundlichen Blätter", war Gründungsmitglied der Auch in seinem Ruhestand, den er ab 31. Juli 1992 Thomas Godawa .Sfnggru ppe 69", brillierte von 1965 bis 1983 in der genießen konnte, blieb er "seiner" Zeitung treu als ZOLLERN-ALB-KURIER Liederkranz-Sitzungsfasnet als "Narr" in der Bütt und freier Mitarbeiter, solange es seine Erkrankung zuließ. Grünewaldstr.15 zuletzt als Sitzungspräsident, war aktiver Sänger und Und als Großvater freute er sich über die vier Enkel­ 72332 Balingen Texter im kleinen Chor. töchter, die er ins Herz geschlossen hatte. In den Jahren zwischen 1970 und 1980 war Chri- THOMAS GODAWA

Der Fehlerteufel schlug zu (2) Herausgegebenvon der HeimatkundlichenVereinigung "... Blickles, die Straßberger Dorfmühle samt der Zierde für den Ort und wird von Jahr zu Jahr schöner ZoUernalb dort austretenden starken Quellen zu erwerben, so und wertvoller. Dieser Mitbürger wurde am 27. Juli dass die Wasserversorgung Winterlingens bis in die 1896 zum Ehrenbürger ernannt. Ich legte ihm nahe, Vorsitzender: 50-erJahre gesichert war. seinen Geburtstort mit einem Kranken- und Armen­ Christoph Roller, Am Heuberg 14, Beinahe wäre Winterlingen auch noch zu einem ei­ haus zu bedenken; er starb leider schon im gleichen 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82 genen Kranken- und Armenhaus gekommen. Blickle Jahre [am 4. Juli 1898], und es zeigte sich, daß er die (1910: 12 t) berichtet: ' Im Jahre 1896 kam ein hiesiger Gemeinde mit einem Legat von 120 000 Mark zu dem Geschäftsführung: Bürgersohn, Wilhelm Keinath, der in Amerika reich genannten Zwecke und weiteren 20 000 Mark zur Un­ ErichMahler, Mörikeweg6, geworden war, hierher auf Besuch. Bei diesem Anlass terhaltung des Parks bedachthatte, welches nach dem 72379 Hechingen erklärte er mir, daß er einen Park in Mitte des Ortes Tode seiner Frau der Gemeinde gehört.' Nach Aus­ Telefon (07471) 1 5540 erstellen wolle, wenn ich ihm an die Hand gehe. Ich bruch des Ersten Weltkriegs und dem Eintritt der Ver­ E-Mail: [email protected] stellte mich Herrn Keinath sofort zur Verfügung und einigten Staaten in die Allianz gegen Deutschland er baute den Park mit einem Aufwand von 24 000 wurde diese Stiftung widerrufen; Winterlingen blieb Redaktion: Mark; drei Häuser mußten entfernt werden und die als Andenken an seinen großmütigen Förderer Wil­ Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, Grundfläche der alten Hilbe wurde dazu genommen. helm Keinath (1828 - 1898) aus Amerika allein der 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 Dieser Park, der jedermann zugänglich ist, ist eine Park neben dem heutigen Rathaus." H~dlicheVereinigung ZollernafueV

Jahrgang 54 31. Juli2007 Nr. 7 Rausen sind nicht immer Rausen Ein Wort für zwei Begriffe - Von Manfred Seeger Im April 1996 habe ich meinen ersten Artikel zur Herkunft des Ortsnamens Rosenfeld in den Heimat­ kundlichen Blättern veröffentlicht: .Rausenfeld - Feld zwischen Rausen. u Ich habe damals versucht, eine weitere - wie ich glaubte - einleuchtende Variante den bisherigen Na­ mensdeutungenvon Rosenfeld hinzuzufügen. Nahezu elf Jahre gab es dazu keine kritischen Kommentare. Doch jetzt wird plötzlich von einigen versucht, diese meine Namensdeutung in Frage zu stellen. Das ist ihr gutes Recht, nur sollte man als Gegenargumente nicht alte überholte Zöpfe herbeiholen. Der Name der Stadt rührt mit Sicherheit von dem früheren Flurnamen her, denn Rosenfeld war eine "aus wilder Wurzel" um 1200 gegründete Stadt mit ersturkundlicher Nennung 1255. Dass früher bereits eine Burg hier existierte, wie Gustav Bossert mutmaßt, ist nicht nachweisbar. (Wie Stuttgart seinen Namen von dem sich dort frü ­ her befindlichen Flurnamen Stutengarten ableitet, ist das wahrscheinlichauch bei Rosenfeld so abgelaufen.) Ich habe michjüngstmit dem Staatsarchivin Sigma­ ringen in Verbindung gesetzt. Dort empfahl man mir, den baden-württembergischen Ortsnamens-Experten Dr. Lutz Reichardt anzuschreiben, dem 1999 für seine Verdienste im Bereich der Ortsnamensforschung der in Historikerkreisen hoch begehrte Schillerpreis der Stadt Marbach verliehen wurde. So übermittelte ich Mitte März Herrn Dr. Reichardt eine Reihe Unterlagen zu meiner Ortsnamenstheorie. Schon zwei Wochen später bekam ich von Dr. Reichardt ein Antwort­ schreiben, in welchem er unter anderem mitteilte: "Ich stimme Manfred Seeger zu, wenn er die Bildung mit dem Mundartwort Runse/raus bevorzugt. ... Tatsächlich beziehen sich die Runsen /Rausen auf die zahlreichen in den Boden eingeschnittenen Wasserrinnen aufdem oder am Rand des Feldes. Der Ortsname bezog sich aufeine Eigenschaft dieses Fel­ des." Dieser Erklärung konnte ich ohne Einschrän­ kung zustimmen. An der Südseite gab es zu meiner Jugendzeit vier Wasserrinnen oder Runsen, die der .Stunzach" zuflos­ sen. Heute sind sie weitgehend verdohlt und daher kaum erkennbar. Eine weitere Runse fließt noch heute am NordhangdemWeingartenbachzu. Die eindeutigen Anmerkungen von Lutz Reichardt scheinen den Skeptikern aber immer noch nicht aus­ zur eichen. Stattdessen halten sie sich nach wie vor an der Nam ensherleitung Rose = Blume fest, Weiterhin argume ntieren sie mit der Lautverschiebung, die aber laut Lutz Reichardt hier keine Rolle spielt (telefonische Auskunft). Auch das Wappen der älteren Linie der Herren von Rosenfeld, welches drei stilisierte Rosen zeigt, wird als Argument angeführt. Dieses Wappen ist laut Kurt Ro­ ckenbach, dem früheren Kreisarchivar, erst seit 1376 bekannt, also 121 Jahre nach der Ersterwähnung der Stadt. Dies ist im Rückblick für uns eine relativ kurze Zeit, doch vergegenwärtigen wir uns mal, was 1886 für Verhäl tnisse herrschten . .. Nun ist mir per Zufall in den letzten Tage n eine Pu­ blikation in die Hände geraten mit dem Titel: "Das bayerische Irin-Oberland" aus dem Jah re 2004. Es handelt sich um die Zeitschrift des Historischen Ver­ eins Rosenheim. Darin steht ein sehr umfangreicher wissenschaftlicher Aufsatz mit über 27 Seiten von Eu­ I--_--L-----:------C..-_~:...:::..._L_ _ gen Patera über: Rosenheim am Inn und die Rosen­ a Städte ' Ortsnamen. Mit nicht wenigerals 150 Quellenangaben ist diese wissenschaftliche Arbeit versehen, eine wah ­ o .Dörfer und (jemeinden re Fleißarbeit. •W i/er Einöde, So osti e Um das Ergebnis vorwegzunehmen - der Name Ro­ senheim hat mit Rosen nichts zu tun.Auch dort hat Verteilungder Ortsnamen mit n Rosen" in Deutschland. (Aus:DasbayerischeInn-Oberland; 57.Jhrg2004,5.166. Seite 1561 Heimatkundliehe Blätter Juli 2007

man früher versucht den Namen .volksetymolo­ von Eugen Patera - nicht den Ortsnamen des 13. gisch" von Rosen abzuleiten. Ich zitiere im Folgenden Jahrhunderts zugrunde liegen! "Das Vertauschen der den Verfasser Eugen Patera: .Übersehen werde dabei, althochdeutschen Namen beider Pflanzen , Hiufa und dass die Rose in Mitteleuropa damals gar nicht wuchs, Rosa, für die Zwecke der Ortsnamensdeutung ist des­ unddie deutsche Sprache das Wort als Pflanzennamen halb kaum zulässig. . . Die Ansicht, dass das althoch­ nicht kannte. .. Im 11. und 12. Iahthundert wurde es deutsche Wort .rose' als Etynom (= Stammwort, d. h. von Minnesängem dem Adel nahegebracht understab ursprüngl. Bedeutung eines Wortes) den meisten Ro­ dem 13. jahrhundert wurde die Rose wegen ihrer roten sen-Ortsnamen zugrunde liegt, ist nachweisbar und Farbe von der Kanzel aus dem Volk bekanntgemacht. unlogisch. Sie widerspricht auch der allgemein übli• Der Ortsname von Rosenheim am Inn erscheint erst­ chen Ortsnamensbildung. " Trotzdem wird diese mals schriftlich um das Iahr 1230. .." Volksdeutung durch die Fachliteratur immer wieder "Die Rosen-Ortsnamen gehören zu einer der umfang­ verbreitet. reichsten Ortsnamengruppen. . . ,Müllers Großes Der Verfasser der Rosenheim Namenskunde fahrt Deutsches Ortsbuch' nennt 1982/83 in der alten Bun­ nun mit der Hinzuziehung der Personennamen (Vor­ desrepublik 122 Rosen-Orte. .. 163 Rosen-Siedlungen namen) fort: "Schon vor über 100 Jahren beobachte­ sind in den Ortsverzeichnissen für Deutschland zu fin­ ten renommierte NamenskundIer, wie Ernst Förs• den."Laut einer dort aufgeführten Tabelle sind es in temann oder Wilhelm AmoId, dass sich Personen­ Baden-Württemberg eine Stadt, drei Dörfer, zwei und Ortsnamen oft nicht nach den lautverschie­ Weiler und drei sonstige geografische Bezeichnun­ bungsregeln richten. Dies wurde auch in neuerer ~~ . Zeit mehrfach...festgestellt." Weiter bemerkt Patera: "Eine Besonderheit der Ro­ Zusammenfassend wird bei Patera hierbei ausge­ sen-Orte ist, dass sie erstmals im letzten Viertel des 12. führt, dass die offizielle Namenskunde mit dem Hin­ jahrhunderts urkundlichfassbar werden. Häufiger er­ weis auf die Rosenheim Namenskunde von der "Blu­ scheinen sie dann im 13. und 14. [ahrhundert. " Laut men-Etymologie" Abstand genommenhabe. einer weiteren Tabelle gibt es in Deutschland fünf "Die Irrungen der Namenskunde sind oft dadurch und in Österreich zwei Rosen-Ortsnamen mit dem Minnesängern. In Predigten war dies aber die edle ro­ verursacht, dass man alles mit den .hochdeutschen' Beiwort -feld bzw. -felde. (Rosenfeld l. te Gartenrose als Symbol für Märtyrertum. Auch die Sprachsätzen aufzuklären versuche. Man übersieht AIs"ein glänzendes Beispiel blumiger Volksetymolo­ Rose der Minnesänger war als Symbol der Minne im­ dabei oft, dass die Namen aus den regionalen undört• gie"wird angesehen, dass Rosenheim seinen Namen mer rot. Eine weiße Rose wird erstmals im 13. Jahr­ lichen Dialekten entstehen undsich nach den Sprach­ den vielen Rosen verdanke, welche die Römer in die­ hundert bei AIbertus Magnus erwähnt. regeln dieser Dialekte richten. Viele namhafte Na­ ser Gegend gezüchtet hätten. Nach dem Abzug der Zu berücksichtigen wäre auch, "dass man die euro­ menskundler. .. berichteten dementsprechend, dass Römer hätten die Rosen, so die Legende, gewuchert päische Blumengattung, die man heute unter Rosen ,manche Ortsnamen den Sprachsätzen keine Folge und einen Rosenhain gebildet. Aus dem Rosenhain zusammenfasst, im Mittelalter nicht als Rose bezeich­ leisten' ." sei der Stadtname Rosenheim geworden. Zum Ge­ nete. Die so genannte wilde Heckenrose, die in Europa Aufgrund des Studiums zahlreicher deutscher Ur­ dächtnis daran werde im Wappen eine weiße Rose ge­ heimisch ist, hatsprachlich mitder altdeutschen Rose kunden kann man schließen, dass sowohl Zwielaute führt. Laut Patera "eine romantische Fabel, die nicht nichts gemein . Sie hieß im Alt- und Mitteldeutschen au und ou, als auch die Monophthonge ö und u, einen emstgenommen werden darf" nicht.Rose', sondem .Hiufa'," und denselben Laut, das dunkle 0 beziehungsweise Bereits 1888wurde vermutet, der Name Rosenheim Bemerkenswert ist außerdem, dass "das Wort Wildro­ au repräsentieren." weise auf ein Heim des Ruozo oder Rozo hin. Diese se im ,Mittelhochdeutschen Handwörterbuch ' von Was geschrieben wird, entscheidet der Akzent des von einem Personennamen abgeleitete Etymologie Matthias Lexer als auch im ,Mittelhochdeutschen Schreibenden. Soweit die zusammengefassten Aus­ hielt sich bis 1930, als Karl Finsterwalder schrieb, dass Wörterbuch' von Benecke / Müller / Zamke überhaupt führungen von Eugen Patera. der Name Rosenheim "bei einigen unverbildeten nicht erscheint. . . Heinrich Marzell bringt in seinem Wenn ich mit diesen Ausführungen den einen oder Schichten der Bevölkerung beiderseits des Inns rausn­ Werk ,Pflanzennamen t eine Obersicht der Heckenro­ anderen Kritiker überzeugen konnte, bin ich beruhigt ham lautete, was auch der Aussprache rausn für die sennamen in Europa. Keine Aufzeichnung stammt undzufrieden. Mit Sicherheit haben die Rosenheimer BlumeRoseentspräche." aber aus Quellen vor dem 16. jahrhundert. Die ältes• genauso ungern wie die Rosenfelder die Ableitung ih­ Dem widerspricht Eugen Patera, weil "die germani­ ten sind Hagrosen (1500), Heckrose (1591), vild rose res Stadtnamensvon Rosen aufgegeben. . schen Völkerschaften für die Rose eine eigene Bezeich­ (1600), Hundrose (1673) und Domrose (1775). Im 14. Was macht das schon? Der schöne Name bleibt nung nie hatten. "Die Entlehnung ins Deutsche habe jahrhundert begegnet man veitdom ' und im Iahre trotzdem, samt Rosenmarkt, üppigem Rosenblumen­ ziemlich spät stattgefunden. Erst zu Beginn des 12. 1485dem hagdom - aber keiner Rose." schmuck und anderen schönen, dem Namen nach Jahrhunderts erscheint das Wort in Predigten und bei Der Pflanzenname kann also - so die Feststellung empfundeneVeranstaltungen.

Rosenfeld Rosenheim

Wenn man dieaktuelle Darstellung des Rosenfelder Stadtwappens (links) betrachtet, muss manfeststellen, dasses sich im Laufe derZeit stilistisch immer wieder geändert hat. Zwar zeigt es immer eine weiße (silberne) Rose im roten Feld, aberdieDarstellung derselben wieauchdieSchildform variieren. Vor etwa50Jahren glich dieRose im Wappen Rosenfelds ziemlich exaktderRosenheimer Rose, aller­ dings um 36Grad gedreht. Juli2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1562 Das Balinger Strasser-Areal Firmengeschichte(n) und Industriearchitektur 1) - Von Dr. Ingrid Helber - Teil 1 GedankenzurIndustriegeschichte undzurIndustriearchitektur

Industriebauten sind ein Teil unserer Geschichte, wobei hier eine besonders starke Verzahnung mit un­ terschiedlichen historischen Fachbereichen besteht ­ mit der Kunst-, Architektur-, Industrie-, Technik-, Wirtschafts-, Firmen-, Sozial-, Kultur- sowie Landes-, Stadt- und Ortsgeschichte. Die Forschung zur Industriegeschichte und Indus­ triearchitektur ging dabei zunächst überwiegend von derSozialgeschichte aus. Die Industrialisierung ist die Basis unserer moder­ nen Gesellschaft. Aber wie stehen wir zu ihren Relik­ ten? Zunächst sollen allgemeine Informationen in das Themaeinführen. Danach werden historische Details zu den betref­ fenden Firmengeschichten und zur Baugeschichte des Strasser-Areals aufgezeigt.

Industriearchitekturund Technische Kulturdenkmale

Schon in den Jahren 1927/28 gab es eine "Deutsche Arbeitsgemeinschaft zur Erhaltung technischer Kul­ turdenkmäler", eine Publikation "Bauten der Tech­ nik" und ein Inventar "Technische Kulturdenkmale" kamenschnell hinzu. 2) In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich dann der Begriff der In-dustriearchäologie, die die Vorarbeit und die Bewertung für die heutige Denkmalpflege darstellt. 3) Die Initiative, Denkmale der Industrie und Technik zu inventarisieren und zu schützen, ging nur in gerin­ gem Maße von der Denkmalpflege selbst aus, son­ dern mehrvon derSozialgeschichte. In Deutschland begann man mit der Erforschung der Industriegeschichte und -Archirektur in Westfa­ len , dann folgte das Rheinland. In diesem Zusam­ menhangist auch aufdie großräumige Umstrukturie­ Die Vorderansicht desGebäudes anderStingstraße. rung im Ruhrgebiet hinzuweisen (lBAEmscher Park). In den 80er Jahren setzte sich in Deutschland die Be­ Idendity" gab . Die Repräsentation der Firma nach aufgenommen wie die Zeche Zollverein Essen (2001) schäftigungmit dem industriellen Erbe verstärkt fort. außen wurde durch entsprechende Gebäude de­ oderdie Eisenhütte in Völklingen (1994). An dieser Stelle soll nur auf einige wissenschaftli­ monstriert. Das wird auch auf den meist geschönten che Untersuchungen hingewiesen werden. Einen um­ Briefköpfen deutlich, wo die Firmengebäude viel grö• fassenden Überblick gibt Reclams Führer zu den ßer dargestellt sind, als dies in Wirklichkeit der Fall Muss dieIndustriegeschichte . Denkmalen der Industrie und Technik in zwei Bän• war. Balingens umgeschriebenwerden? den. 4) Int eressante wissenschaftliche Publikationen Errungenschaften in der Bautechnik, die wir heute gibt es zum Beispiel für Hamburg 5), fürs Ruhrgebiet für selbstverständlich ansehen, wurden für die Errich­ Durch die Diskussion um die Neubebauung des im 6), für Frankfurt 7) und für Leipzig 8). Eine relativ tung von Industriebauten entwickelt. Zu nennen sind Volksmund so genannten Strasser-Areals, einer seit neue Publikation ist den "Schauplätze der Industrie­ hier der Stahl- und Spannbeton für Brücken und über 14 Jahren bestehenden Industriebrache, sind ei­ kultur in Bayern" gewidmet. 9) Auch die Industrie­ große Hallen oder der Betonrahmenbau und die so nige Facetten der Industrie- und Architekturge­ bauten der Landeshauptstadt Stuttgart 10) wurden genannte .Tageslichtfabrik" 14) mit großen Fenstern schichte in Balingen gerade aktuell und es lohnt sich schon erforscht. Für Albstadt führte die Verfasserin und innen liegendem Stahbetongerüst bis hin zu den ein entsprechenderRückblick. eine umfassende Untersuchung durch, die 1998 in ih­ "curtainwalls", den vorgehängten Fassaden aus Glas. Schon längere Zeit besteht für die Verfasserin das rer Dissertation veröffentlicht wurde. 11) Der dama­ Forschungsdesiderat, neben Albstadt auch in Balin­ lige Vorschlag der Verfasserin zur Einrichtung eines gen das Thema der Industriegeschichte und Indus­ Industrielehrpfades in Albstadt fand bei den zustän• Chancenfürehemalige Industrieareale triearchitektur aufzugreifen. Die wichtigsten Quellen digen Stellen zwar Gehör, wurde jedoch bisher leider hierzu sind im Balinger Stadtarchiv und beim Städti• abgelehnt. Die Möglichkeit der Neubebauung eines Geländes schen Hochbauamtzu finden. 15) kann natürlich als Chance angesehen werden. Auf der .Die Industrialisierungsetzte in Balingen relativ spät Zollernalb hat sich eine besondere Form der Umnut­ ein - nach bisherigen Erkenntnissen etwas später als Problemehinsichtlich derIndustriebauten zung noch nicht durchgesetzt. In vielen Großstädten im Raum Albstadt 16) , wo die Durchsicht der seit den ist das .Loftliving" jedoch schon lange Zeit beliebt. Es 1840er Jahren erhaltenen Bauakten, der Gewerbe­ Industriebauten gelten landläufig als ,!ungeliebte" handelt sich dabei um großflächige Wohnungen in al­ steuerkataster und der Feuerversicherungsbücher oder "hässliche" Denkmale und werden oft als stö• ten Industriebauten. und anderer Quellen eine lückenlose Erfassung er­ rend empfunden, besonders dann, wenn sie schon Oft wird auch vergessen, dass bei der Umnutzung möglichte. 17) jahrelangohneNutzung "brach" liegen. 12) und beim Umbau eines alten Industriegebäudes der Ganz typisch für Balingensinddie sich aus dem Ger­ Immer mehr Relikte der Industrialisierung sind in Rohbau - genügt er den Anforderungen der heutigen ber- und Schuhmacherhandwerkheraus entwickeln­ den letzten Jahrzehnten verschwunden. Reyner Ban­ Statik- doch bereitsvorhanden ist. den Handschuh- und Schuhfabriken. Hierzu zählt ham sprichtvom "gebautenAtlantis" 13)- im Original In der Nutzung eines Gebäudes liegt der Schlüssel auch die Schuhfabrik GeorgStrasser,die dem .Stras­ "a concreteAtlantis" - einAtlantis aus Beton, das dem für seinen Erhalt - das gilt für Schlösser oder Klöster ser-Areal" seinen Namen gab. Untergang geweiht oder bereits untergegangen ist. ebenso wie für Industriebauten. Bei den Recherchen ergaben sich diesbezüglich Selbstverständlich kann nicht jedes Gebäude um je­ Auch Industrie- und Technikdenkmale können sowohl zur Firmengeschichte als auch zu den Gebäu• den Preis erhalten werden. Bestimmte Denkmalkrite­ sich zur großen Attraktion entwickeln wie der Indus­ den interessante und teilweise unbekannte bezie­ rien sollten auch bei Industriebauten erfülltwerden. trietourismus im Ruhrgebiet beweist. Zwei Beispiele hungsweise vergessene Fakten. Diese müssen sich der Produktion anpassen. Heute sollen dies verdeutlichen. Der Gasometer in Ober­ So handeltes sich nicht nurum eine, sondern um gelten andere Maßstäbe als vor hundert Jahren. Da­ hausen ist nicht erst seit Christos Installation "The zweiFirmengeschichten!Kaufmann CarlMartzwar mals baute man in die Höhe und setzte nach und Wall" - bestehend aus 13.000 Ölfässern - berühmt derjenige, derdas an derStingstraße gegenüberdem nach Gebäude um Gebäude aneinander wie Mosaik­ (1999). Auch die Zeche Zollern II in Dortmund zieht Arbeitsamt liegende, erste Gebäude des .Strasser­ stei ne . Heute jedoch werden große Flächen in einge­ mit ihrer besonderen Architektur Touristenströme Areals " schon 1889 errichtethatte. schossigen Gebäuden bevorzugt. an. Was oft nicht beachtet wird ist die Tat sache, dass es Denkmale der Industrie und Technik werden seit Fortsetzungfolgt schon vor über hundert Jahren eine Art .Corporate einigen Jahren auch ins UNESCO-Weltkulturerbe

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DAS AKTUELLE BUCH Handlicher Kirchenführer Von Christoph Seeger, M.A. Nachdem der 1976 erschienene Kirchenführer von dienst gewidmeten Gebäude der Kernstadt beschrie­ Balingen längst vergriffen war, stellte die von der Ba­ ben. Die schönen, durchweg farbigen Abbildungen linger Kunsthistorikerin Dr. Ingrid Helber 2006 ver­ (20)wurden eigens für die Neuauflage aufgenommen. fasste Publikation ein Desiderat dar. Im Auftrag der Ansprechend für jeden an Architektur und Kunst in­ Evangelischen Gesamtkirchengemeinde erschien er teressierten Kirchenbesucher ist das gefällige Layout nun wie die Erstauflage im renommierten Regensbur­ wie auch der eingängig formulierte Text. ger Verlag Schnell und Steiner. Damit besitzt die Ba­ linger Stadtkirche, die kunstgeschichtlich bedeu­ tendste evangelische Kirche im Zollernalbkreis nach der alten Michaelskirehe in Albstadt-Burgfelden wie­ Helber: Evangelische Kirchen in Baling en. 2., völlig neu­ der einenkunstgeschichtlichenAbriss. bearbeitete Auflage. Schnell Kunstführer Nr. 1065. In dem handlichen, 28 Seiten umfassenden Führer Schnell & Steiner Regensburg 2006. ISBN-10: sind zum ersten Mal alle dem evangelischen Gottes- 3-7954-4795-X, ISBN-13:978-3-7954-4795-3.

Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion w ieder, außerdem sollten sie den Umfan von 80 Zeilen nicht überschreiten. Geschichte ist sone Geschichte

Zur Titelgeschichte der "Heimatkundliche Blätter len und gut besuchten Gedächtnisfeier zurück gefun­ Zollernalb", Nr. 6/2007 Beilage im "Zollern-Alb Ku­ denwurde. rie r" vom 30. Juni 2007 erreichte uns folgender Le­ Weiter vorne schreibt Dr. Lang: "Wenn die Erinne­ serbrief: rungnichttäuscht,warenLandratFischerundderAlb­ städter Oberbürgermeister Hans-Martin Haller nach 1991 am 20. Juli in Lautlingen nicht mehr gesehen Am 30.Juni erschienen die .HeimatkundlichenBlät­ worden." Die Erinnerungtäu scht- und zwar gewaltig. Die AutorendieserAusgab e ter Zollernalb" als Beilage des .Zollem-Alb Kurier. Die Dr. Lang ignoriert zum Beispiel vollkommen, dass Titelgeschichte. verfasst vom Albstädter Stadtarchivar derJugendring1994 zum50. Jahrestag einelandesweit Dr. Peter Thaddäus Lang, beleuchtete ,,50 Jahre Ge­ beachtete Feier organisierte. Festredner war der da­ dächtnisfeier in Lautlingen, 1957-2007" anlässlich des malige Innenminister Dr. Frieder Birzele. Ein Gruß• Manfred Seeger Attentatversuchs aufHitler durch Claus von Stauffen­ wort hielt LandratFischer. Wir organisierten eine gan­ Pamoramastraße8 bergam20.Juli 1944. ze Woche lang die "Sommerakadernie Nationalsozia­ 72348 Rosenfeld Als diejenige Organisation, die über vier Jahrzehnte lismus und Widerstand" mit Vorträgen und Exkursio­ lang besagte Gedächtnisfeier ausgerichtet hat, waren nen. Unter anderem entstand ein von Jugendlichen wir natürlich sehr interessiert und gespannt. Wir wur­ errichtetesMahnmal, das derStadtAlbstadt geschenkt den von einer seh r eigenwilligen Auffassung von Ge­ wurde und heutenoch unweitderGedächtnis-Kapelle schichtsschreibungüberraschtundverärgert. steht. Über die Aktivitäten in die-serWoche wurde das Nach einer durchaus aufschlussreichen Aufzählung Buch "Verblendung, MordundWiderstand" veröffent• namhafter Teilnehmer an den frühen Feiern wird der licht. Zwei der Beiträge wurden von Dr. PeterThaddä• Kreisjugendring erst spät im Artikel und nur ein einzi­ us Lang verfasst, der aber diese bedeutende Gedenk­ Dr. Ingrid HeIber ges Mal genannt. Dabei heißt es, bezogen aufdas Jahr feier offensichtlich vollkommen aus seinem Gedächt• Westerwaldstr.17 1991: "die Gestaltungder Feier durch den Kreisju-gen­ nis gelöschthat. 72336 Balingen dring begann dann auch, mehr und mehr lust- und Auch sonst gäbe es noch einiges Erhellendes über einfallslos zu wirken." Die Leser werden sich zunächst die Zeit zwischen 1994 und 2004 zu berichten. Es wundern, was urplötzlich der Jugendring mit der gan ­ kommt nur darauf an, ob man die Augen offen hält zen Sache zu tun hat, und dann gleich wieder da s In­ oder doch lieber verschließt. Es ist halt so 'ne Ge­ teresse daranverlieren, weil es ja sowieso lust- undein ­ schichte mit der Geschichte. Auch (und gerade) für fallslos zuging. . promovierteGeschichtsgelehrte. ChristophSeegerM.A. Dann macht Dr. Lang eine n großen Zeitsprung. um Karl-Dieter-Straße 16 erfreut berichten zu kön nen , da ss ab 2003 auf Betrei­ WilliBürkle 71636 Ludwigsburg ben von Obe rbürgermeister Dr. Jürgen Gneveckow Vorsitzender wieder ein frische r Wind blies und zu einer würdevol- Zollernalbkreisjugendring e.V. L- ----.J

Herausgegebenvon der HeimatkundlichenVereinigung Text spiegelt die Ouellen Zollernalb Der Al bst ädte r Stadt rachivar Dr. Peter Thaddäus sohne vorhandene) Leistung des Kreisjugendrings Vorsitzender: Lang nimmt im folgenden Stellung zu obige m Le­ erwähnt. Mein Text spiegelt hier lediglich die Quel­ Christoph Roller,Am Heu berg 14, ser br ief len. 72336 Balingen ,Telefon (0 74 33) 77 82 2. Wie aus Text und Bebilde rung eindeutig her- Sehr geehrter Herr Bürkle, vorgeht, war mein The m a au sschließlich die Ge­ Geschäftsführung: der Geschäftsführer der .Heimatkundltchen Verei­ schichte der Gedächtn isfeiern vor der-Gedä chtniska­ Erich Mah ler, Mörikeweg 6, nigung", Herr Erich Mahler, ließ mir Ihren "Leser­ pelle ne ben der kath olischen Kirche in Lautlingen. 72379 Hechingen brief" zukommen. Zu zwei Punkte Ihres Schreibens Natürlich weiß ich um diverse Jubiläumsfeiern an ­ Telefon (07471) 1 5540 möchte ich Stellung beziehen: dernorts. Aber um diese ging es hier nicht. E-Mail: [email protected] L Wie Sie aus den Quellenangaben ersehen kön ­ Nota bene: Erst genau lesen, dann schreiben! nen, stützte ich mich bei der Ausarbeitung schwer­ Redaktion: punktmäßig auf Zeitungsberichte (Staatsanzeiger, Dr. PeterThaddäus Lang Daniel Seeburger. Grünewaldstraße 15, '- Ebinger Zeitung, ZOLLERN-ALB-KURIER, Schwarz­ StadtverwaltungAlbstadt. 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 wälder Bote). In keinem der Berichte ist die (zweifel- StadtarchivAlbstadt ~, cd •, ts ~I He:ima~ dliche Blätter~~? Zollernalb HeimatkundhcheVereinigung Zoll.ernalb eV

Jahrgang 54 31. August 2007 Nr.8 Eine Vi lla auf Wanderschaft Vor 100 Jahren, im August 1907, wurde die alte Villa Haux.um 50 m verschoben - Von Hans Geißler

Vorgeschichte- Die älteste Trikotfabrik in Ebingen war die Firma Fabrikant geehrt. Er war der dritte Ebinger Unterneh­ die PionierleistungEbinger Fabrikanten Linder & Schmid, 1862von Gottlieb Schmid gegründet mer mit diesem Titel. Der erste war seit 1900 Gottlieb (Steuerzahler an zweiter Stelle 1915), 1880 folgte dann Schmid von Linder & Schrnid, der zweite 1903 Albert Fabrikant Friedrich Haux, einer der erfolgreichsten Christian Ludwig Maag (als Steuerzahler an achter Sautervon der Waagenfabrik Gottlieb Kern & Sohn. Als und mutigsten Ebinger Unternehmer des 19./20. Jahr­ Stelle) und 1885 die heute unbekannte Firma Eppler & vierter Kommerzienrat in Ebingen erhielt dann Chris­ hunderts gründete 1885 mit vier Webern und einigen Künzel, die 1897von Steinkopfund Gussmann gekauft tian Ludwig Maag 1913und als fünfter Albert Ott, Sohn Näherinnen eine Trikotwarenfabrik in einem im glei­ . wurde, Steuerzahler 1915 an fünfter Stelle). von Traugott Ott, Samtfabrik, dieseAuszeichnung. chen Jahr erbauten ebenerdigen Produktionsgebäude Die alte Villa Haux war im Stil der Gründerzeit ge­ Friedrich Haux machte sich parallel zur Textilpro­ mit einem großen Wohnhaus nebenan. Die Baupläne baut. Zwölf Jahre später war das Unternehmen Haux duktion als Energieversorger einen guten Namen: Für für dieses Wohnhaus, die alte Villa Haux, hatte der so gewachsen, dass das Fabrikgebäude an der Garten­ seine Ebinger Fabrik und für weitere Ebinger Betriebe Ebinger Werkmeister Friedrich Baur gefertigt. Um die­ straße um drei(!) Stockwerke erhöht werden musste. baute er in Veringendorf aus der Abtsehen Mühle das se Villadreht es sich in diesem Beitrag. Auch das Wohnhaus sollte nobler und repräsentativer erste Elektrizitätswerk, 1904 um die Faulersehe Mühle Haux brachte sein zunächst kleines Unternehmen, sein und erhielt Erker mit Türmchen und Rosenorna­ erweitert. Schon 1902 verband eine 10 kV-Drehstrom­ die vierte Textilfabrik in Ebingen, an die Spitze der mente als Schmuckim beginnendenJugendstil. leitung dieses Werk mit Ebingen. Unter den ersten Ebinger Betriebe, so dass er zu Beginn des Ersten Wiederum zwölfJahre später, 1907, wurde Friedrich Fremdabnehmern war der Drechsler Rominger im Weltkriegs der größte Steuerzahler der Stadt war. Die Haux vom württembergischen König Wilhelm 11. mit Hundshof, der seine Drehbänke mit Elektromotoren­ Nadelfabrik Groz stand damals erst an neunter Stelle. dem Titel Komerzienrat für seine Pionierleistung als antrieb, gespeist mit Haux-Strom, Seite 1565 Heimatkundliehe Blätter August 2007

Angst zu tun und wollte durch den Spalt zwischen Fundament und Gebäude ausbüxen. Da empfing ihn der pflichtbewusste Landjäger Zink und fragte: "Wo­ hin, mein Junge?" Dieser antwortete, dass er da drun­ ten nicht mehr bleiben wolle, dennwenn das Haus zu­ sammenfällt' wäre er ja hel Da meinte der Landjäger: .Do send die Männer do donne au he, no kommts auf di au nimmer a. Marsch, ab ens Loch!" Und der Junge kehrte dann heudersehe an seinen Arbeitsplatz zu­ rück. Im Oktober 1907.war der Plan für die neue Villa fer­ tig, der Bau konnte bald beginnen. LeitenderArchitekt war Egon Diemer. Am 23. November schließlich kam die endgültige Genehmigung zur Verschiebung und die Gebühren• rechnung über 30 Mark "Sportel", das wären heute et­ was mehr als 300 Euro. Das mutige Unternehmen in Ebingen war gut ge­ gangen.

Quellen . . . ~l StadtarchivAlbstadt. Dr. P.Th.Lang W. Stettner, Ebingen. Thorbecke 1986 -:' " J: '" ~~- - -;- .- N. Geibell H. Geißler. Festschrift zum lOO-jährigen Jubiläum der Firma Haux 1985 Gerhard Penk , Modernes Wohnen im Württemberg der Jahr­ Die alteVillaHaux 1885 Die alteVillaHaux nach derRenovierung 1897 hundertwende. Friedrich Haux und seineVillen. 1988.

Überlegungen übereinengroßbürgerlichen, schrieben waren sie von Architekt Egon Diemer - und repräsentativen Neubau übernahm den Auftrag zur Verschiebung der alten Haux-Villa in den Zwickel GartenstraßelUntere Vor­ Etwas ganz Mordernes sollte entstehen und das stadt unmittelbar neben der Talgangbahntrasse. Die möglichst am gleichen Platz. Ein Gebäude an der Bit: W ürtt, Eisenbahngesellschaft sicherte sich nach allen zer Steige mit einer Seilbahn zur Fabrik wurde u.a, Seiten ab . Trug sie bis jetzt jede Haftung für Schäden auch erwogen. Überzeugender war der Vorschlag ei­ die durch Funkenflug usw. entstehen konnten, so ner Verschiebung. Diese problematische Technik war musste jetzt Haux unterschreiben, dass er diese Haf­ Exkurison gerade in Mode gekommen und Werkmeister August tungfür sein Bauwerkallein übernimmt. Zimmermann aus Ravensburg war hierfür ein erfahre­ Nun ging es Schlag aufSchlag. Ebinger Gemeinderä• nerMann. te und die kgl. Baubehörde im Oberamt Balingen zo­ Zimmermann stam mte aus einem Ravensburger gen am gleichen Strang. Am 27. Juli 1907 war das Bau- . nach Dettingen Bauunternehmen und betrieb selber ein Baugeschäft. gesuch von Böcklin und Feil fertig und Friedrich Haux Er hatte an der Kgl. Bauschule und an der Techn, Uni­ unterzeichnete es am 30. Juli. Am nächsten Tag schon Von Prof. Christoph Roller versität in Stuttgart studiert und mit der Baumeister­ handelte die Bauschau. Wieder war es der jungeArchi­ prüfung abgeschlossen. Heute würde er den Titel tekt Egon Diemer, der mit dem Baugeschäft Zimmer­ Eine Exkursion der Heimatkundlichen Verei­ Dipl.- Ingenieurführen. mann die Pläne für die Verschiebung ausarbeitete und Pläne für die neue Villa am Platz der alten in Fabri­ sie am 3. August nach Ravensburg brachte. Am 5. Au­ nigung führte nach Rottenburg-Dertingen. Dort knähe an der Gartenstraße wurden von dem jungen gust sprach sich der Ebinger Gemeinderat für die Ver­ standen wir, beinahe 50 Personen, im Regen und Architekten Egon Diemer von dem renommierten schiebung aus und tags darauf lag das Gesuch beim warteten auf Professor Roland Doschka. Dann StuttgarterArchitekturbüro Böklen und Feil vorgelegt. Kgl.Oberamt in Balingen. Am 10.August wurde Antrag kam er, verspätet, seine Straße von Freiburg bis auf provisorische Baugenehmigung gestellt und am nach Dettingen glich mehrfach einem Sturzbach. Die Tatfolgte aufdemFuße 16. August nachmittags um 4 Uhr wurde mit der He­ Gott sei Dank wohlbehalten stieg er au s: "Jetzt bung der alten Haux-Villa begonnen. führe ich sie durch den Garten". Das Wetter lich­ Friedrich Haux war ein Mann mutiger und schneller Vorher hatte man die Kellerfenster zugemauert, Lö• tete sich, die Stimmung auch, Begeisterung kam Entschlüsse und Werkmeister August Zimmermann cher in die Wand geschlagen und das Gebäude durch auf über all da s Schöne dieses Gartens, da s hatte Erfahrung im Versetzen von Gebäuden. In Ra­ Zugankervon Fenster zu Fensterstabilisiert. Mit Loten vensburg hatte er den Defener Bau, ein Fabrikgebäude an den Dachvorsprüngen beobachtete man über Ni­ Doschka hierher gezaubert hatte. durchgesägt, angehoben und zu einem großen Hotel veaumessgeräte den Hebevorgang. umgestaltet. Allerdings fiel bei dieser Prozedur ein Ne­ Das gesamte Mobiliar blieb im Haus lastausglei­ Und dann: "Euch führe ich durch meine Aus­ bengebäude zusammen, das ebenfalls in das neue Ho­ chend verteilt. 13 Doppel-T-Träger in Ost-West-Rich­ stellung in Rechberghausen, merkt Euch den tel integriert werden sollte. In Metzingen verschob tung und je vier Träger in Fahrtrichtung trugen die Termin: Mittwoch, 3. Oktober. Zimmermann einWohnhaus um 65 m unter gleichzei­ vom Fundament getrennte, 40 to schwere Baurnasse. tiger Drehungum 90 Grad. 37 Spindelwinden, von je zwei Mann gleichmäßig auf So was muss man erlebt haben. Dank, Hände• Pannen - aus Leichtsinn - waren allerdings bei Ge­ Kommando bedient, besorgten die Bewegung. 80 schütteln, aufWiedersehen im Oktober! bäudeverschiebungen auch schon passiert. In Nagold Männer waren im Einsatz, zum großen Teil Arbeiter sollte ein Hotel bei vollem Wirtschaftsbetrieb gehoben vom Ebinger BaugeschäftFriedrich Baur. und durch ein weiteres Stockwerk unterbaut werden. Am ersten Tag schaffte man 45 cm Hebung, am drit­ Wir fuhren weiter mit unserem Bus aufSchloss Nach dreiviertel Hebung - der leitende Architekt igno­ ten Tag war nachmittags 5 Uhr die Hebung beendet. Weitenburg. Fürstliches Mittagsmahl. Dann Lieb­ rierte die aufgetretenen Risse im Mauerwerk - stürzte Dann musste die Schienenbahn gebaut werden und frauenhöhe. Die Kirche ist der Himmelkönigin das Gebäude zusammen und begrub 110 Menschen nach drei Tagen, am 21. August, begann mittags um 2 Maria geweiht. Folglich gestaltete eine Künstlerin unter sich : 50 starben und 60 waren schwer verletzt. Uhr die Verschiebung auf 80 Eisenrollen. 5 m schaffte eine Krone. Zentralbau, Zeltdach. Die Fenster Die vier Monate Gefängnisstrafe konnte der Architekt man noch an diesem Nachmittag. Tags darauf gelan­ dieser Krone leuchtten bei umlaufender Sonnen­ aber nicht antreten, weil er mit der Last seiner Schuld gen 15 m. Der ca. 50 m lange Verschiebungsweg war einstrahlung von Ost nach West wie Diamanten vorher starb. Die oberste kgl.-württembergische Bau­ am 25. August, also nach 4 Tagen, geschafft und die und Edelsteine auf. Eine großartige Stimmung. behörde erließ dann strenge Auflagen für Hausver­ Absenkung wurde sofort begonnen. Am 27. August schiebungen. abends stand dann die Villa auf dem neuen Funda­ Haux blieb mutig und zuversichtlich. Einen Abriss ment, das vom Baugeschäft Baurvorbereitet war. Wir fuhren weiter nach Glatt zum uralten Was­ der alten Villa hätten die Ebinger bei der damals noch Zimmermanns letztes Kommando war:"Feier­ serschloss mit Ausstellung, Schlosskapelle und herr schenden Wohnungsnot nicht hingenommen; die abend! Alles in den Hasen!" und das wurde sofort be­ Kaffee mit Kuchen. Super! Flott! politische Karriere des beliebten Fabrikanten wäre folgt. Keine Uhr war stehen geblieben, kein Glas zer­ auch beendet gewesen. Haux war liberal und als sol­ brochen, kein Bild von der Wand gefallen. So berichte­ Zum Abschluss war Halt bei der Stadtkirche cherauch im Gemeinderat und im Landtag.Außerdem te die Zeitung. Tags darauf schickte das Oberamt die Sulz. Was bedeuten wohl diese plastischen Tier­ kostete die Verschiebung gerade mal 8000 Goldmark vorläufige Baugenehmigung. gestalten, diese Köpfe , die se Verzierungen am (das wären heute weniger als 100000 Eur o) bei einem Ein kleiner, zum Glück harmloser Zwischenfall: uralten Turm, der alle Stadtbrände überstanden Gebäudewert bei der Feuervers icherung von 42 000 Beim Heben plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. hat? Ein schöner Tag ging zu Ende und regte an Goldmark. Ein irrtümlich nicht abgesägtes Toiletten-Gussrohr Zimmermann hatte die Pläne ausgearbeitet - unter- war geborsten. Ein junger Arbeiter bekam es mit der zum Nachdenken und zum Dank. August 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1566 Das Balinger Strasser-Areal Firmengeschichte(n} und Industriearchitektur 1) - Von Dr. Ingrid Helber - Teil 2

Sch uster bleib bei deinen Leisten gut. 1877 bis 79 belief sich da s Steuerkapital mit 4593 unterderbesonderen Berücksichtigung derStandortentwick­ Bei der Durchsicht der Balinger Gewerbes teue rka­ Mark auf etwas weniger als die Hälfte von CF, Behr. lungundderproduktions-spezifischen Gebäudeformen. Diss. taster, die ab 1829 vorhanden sind, und der Feuerver­ Carl Martz war damals einer der größten Gewerbe­ d. Techn. Hochschule Darmstadt. BeiträgezurStadtentwick­ sicheru ngsbüche r kame n bisher unbekannte ..Fabri­ steuerzahler Balingens. Ab 1880 fiel Martz jedoch aus lung. Frankfurt 1984. nicht ersichtlichen Gründen um ein Drittel seines bis­ ken" 18)zum Vorschein. 8) Hans-Christian Schink ! Peter Guth ! Ulrich HeB!Ulrich Krü• herigen Steuerkapitals zurück. 31) Wicht ig für die zahl reiche n Schuster und die frühen ger: Industrialisierung in Leipzig. Hrsg. v. Deutschen Werk­ Schuhfabriken war siche rlich Hugo Krämer. Er über• bund Sachsen. Leipzig 1998. nahm 1866 von Bierbr auer GeorgVollmerein Gebäude Carl Martz undseinFabrikneubauvon 1889 '9) Werner Kraus ' (Hrsg.), Verband der bayerischen Bezirke: ..in Altachen " (im Stadtplan von 1839 Nr. 600). Alta­ ehen ist das Gebiet östlich der Steinach, in der oberen Eine neue Geschäftsidee und ein 1889auf..freiem Schauplätze derIndustriekultur in Bayern. Regensburg 2006. Ebertstraße im Bereich von Amtsgericht, Turnhalle Feld" westlich oberhalb der Eyach errichtetes Fabrik­ 10) Gabriele Kreuzberger: Fabrikbauten in Stuttgart. Ihre Ent­ und Finanzamt. Die Stein ach besaß dort auch eine gebäude verdoppelten die Steueransätzevon Carl wicklung vonderMitte des 19.Jahrhunderts biszum Ersten kleine Staustufe. 19) Hugo Krämer hatte ein Gebäude Martzjedoch wieder. 32) Dieser besaß nun eine Weltkrieg. Veröff. d.Archivs derStadt Stuttgart Bd. 59.Hrsg. südlic h der heutigen Gaststätte Südbahnhof erwor­ Schnupjtabak[abriksowie eine Mechanische Strickwa­ v. Paul Sauer. Stuttgart 1992. renfabrik. Der Begriff ..mechanisch" deutete darauf ben. 11) Ingrid Helber: Studien zur Industriearchitektur in Albstadt. Nach Veränderungen wurde das Hau s mit eine r hin, dass eine Dampfmaschine oderein motorisierter Antrieb vorhanden war. Das Gelände des heutiges Eine architektur-historische Untersuchung zur Entwicklung Brauereizubehö r ein Jahr spä ter als Wohnhau s mit vom Beginn derIndustrialisierung biszum ZweitenWeltkrieg ..eingerichteter Laistfabrik' bezeichnet. 20) Krämer Strasser-Areals hatte Carl Martzvon derWitwe C.F. mit einem Ausblick bisin die90er Jahre des 20. Jahrhunderts pro duzierte also fabrikmäßig die Leisten für die Behrs erworben. 33) 1890 wurde für die Feuerversi­ Schuhherstellung der zahlreiche n Handwerker. Leis­ cherungfür die Fabrik ein Betrag in Höhevon 34.500 und einer Darstellung von Besonderheiten im Industriebau ten sind die Fuß nachbildungen, über die die Schuhe Mark veranschlagt. 34) Diss. Tübingen 1998. gear beitet werden. Leisten benötigten die Schuster für Das neue Fabrikgebäude wurde über einem U-för• 12) Norbert Huse: Unbequeme Baudenkmale. Entsorgen? Schüt­ jede Größ e (rechts und links) sowie für jede Schuhart. migen Grundriss errichtet und besaß zwei bis zwei­ zen? Pflegen? München 1997. Aus der Schuh herstellung stammt auch obiges einhalb Geschosse über einem Sockelgeschoss. Die 13) Rayner Banham: Das gebaute Atlantis. Amerikanische Indus­ Fassade war achsensymmetrisch gestaltet und erhielt Sprichwort. triebauten unddiefrühe Moderne in Europa. Aus d. Engl. Ky­ Schon 1867, sieben Jahre bevor die Eisenbahn nach eine Verkleidung aus kleinen Holzschindeln. Beide Seitenflügel wiesen nach Süden und bildeten einen ra Stramberg. Basel!Berlin! Boston 1990 (A Concrete At­ Balinge n fertigge stellt war , besaß Hugo Krämer bei lantis. MITPress Cambridge, Massachussets USA 1986). Lokomobile, kleinen Innenhof. Oberamtsbaumeister Carl Heinz seine r eine Sägemühle eine sehr wertvolle 14) Vgl. Banham, Atlantis, S.24und47. deren Wert 1873 au f 3000 fl geschätzt wurde. Die fertigte die Pläne. Stilistisch ist das Fabrikgebäude tra nsportable, vielleicht auch auf einem Wagen fah r­ dem in dieser Zeit sehr beliebten Heimat- oder 15) Dank an Stadtarchivar Dr. Hans Schimpf-Reinhard, an Man­ bare Dampfmaschine diente dem Antrieb der Ar­ Schweizerhaus-Stil zuordnen. Es gibt viele Vergleichs­ fred Erdmann (Registratur Bauakten) und an das Amt für beitsmaschine n. Ihr Einsatz führte siche rlich zur Stei­ beispiel e. Die Fabrik glich einem großen Wohnhaus Stadtplanung fürdiegewährte Einsicht indieQuellen. gerung der Produktio n von hölzernen Leisten. Mögli• und besaß relativ kleine, schmale Fenster. Eine künst• 16) Der Landkreis Balingen. Amtliche Kreisbeschreibung. Hrsg. cherweise handelte es sich um die erste Dampfma­ liehe Beleuchtung der Arbeitsräume war notwendig v. Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in Verbin­ und es gab eigens einen Lampenputzraum. schine in Balingen. dung mit dem Landkreis Balingen. 2 Bände. Balingen 1960 Dies war Voraussetzung für die fabr ikmäßige Im Untergeschoss stan den die beiden Tabak­ schneidmaschinen. Hinzu kamen ein ..Deutz'scher" und1961. Hier Band 2, S. 48ff. Schuhherstellung. Es bestand wohl großer Bedarf an Beschreibung des Oberamts Balingen (OAB). Hrsg. v. König­ Leisten. Wäh rend 1828 schon 71 Schuster in Balingen Benzinmotor, Schwungrad und Transmissionswelle. lichen statistisch-topographischen Bureau . Stuttgart 1880. verzeichnet waren 21), zählte die Oberamts beschrei­ Die anfänglich vier Strickmaschinen - darunter eine ' bungvon 1880 sogar 153 Meistermit 400 Gesellen . Jaquardmaschine - wurden nach und nach ergänzt 5.271 ff. Damitwaren damals von 3374 Einwohnern üb er 550 und erneuert. 1895 befanden sich im Arbeitssaal des 17) Helber, Industriearchitektur in Albstadt. Hier Band 1, Ebin­ Personen in derSchuhherstellung tätig. 22) Erdgeschosses 12 Tische, auf denen die Strickmaschi­ gen, S. 48ff. nen befestigt waren. Weitere Räume de s Gebäudes 18) Ebd., 5. 16f. Im 18.und 19. Jahrhundert wurden besonders dienten als Lager. bei Behörden die Begriffe Fabriken und Manufakturen oft Carl Martz- einBalinger Industriepionier Möglicherweise beendete Carl Martz 1903 alters synoym verwendet. Kommen wir nu n zur ersten Firmenges chichte, die halber sein Unternehmen. Schon während des Neu­ sich auf das ..Strasser-Areal" bez ieht. Kaufmann Carl baus 1889 hielt er sich in Stuttgart auf. Er hatte damals 19) Dank an Stadtarchivar Dr. Hans Schimpf-Reinhard für die Martz (1839-1912) 23) war eine r der Industriepioniere schon dem Balinger Kaufmann Georg Dantler eine freundliche Auskunft. StAB, Flurkarte und Stadtplan von ' Balingens. In seinem Beruf als Kaufmann war er zu­ Vollmacht zur Vertretung seiner Interessen ausge­ 1907. nächst als Tuch- und Spezereyhä ndler sowie als Aus­ stellt. 35) 20) StAB, B656, Gebäude Nr.600. wanderungsagent tätig. 24) Im Jah r 1903 trat nun eine einschneidende Ände ­ 21) Liste zurUmsetzung derAllgemeinen Gewerbe-Ordnung von -Der Name Martz begegnet dem Leser in der Balinger rung ein. Das Gebäude wurde verkauft und ging an Ja­ 1828. Zitiertnach Frank Meier: Das Handwerk vomvorindus­ Stadtgeschichte öfters - zum Beispiel in der Vereinsge­ kob Strasser, den Sohn des Schuhfabrikgründers Ge­ triellen Balingen; In:850Jahre Stadt Balingen 1255 - 2005. schichte: ..Kaufmann Martz und Genossen" - es waren org Strasser, über. 36) Ab diesem Zeitpunkt kann man Veröffentlichung des Stadtarchivs Balingen Band 7. Heraus­ durchweg Honoratioren der Stadt - beantragten 1833 nun tatsächlich vom ..Strasser-Areal" sprechen. gegeben von der Stadtverwaltung Balingen. 5. 215- 225. die Bildun g eines ..Bürger-Museums" mit dem Zwecke der ..gefälligen Unterhaltung und gemeinnützigen Hier S. 218, Anm. 14, StAB, A 1Nr.4000. Lektüre". Es war eine der frühesten Vereinsgründun• 22) OAB, 5.259und272. gen Balingens. 25) 23) Walter Schnerring: Der Maler Friedrich Eckenfelder. Ein - Auch hinsichtlich der Mode ragte die Familie heraus. Quellennachweis und Anmerkungen Münchner Impressionist malt seine schwäbische Heimat. Die Kaufmannstochter Auguste Martz aus Sulz heira­ Stuttgart, 1984. Hier 5.288, Anmerkung 93. tete 1835 den Kaufmann Gottlieb Vollmer aus Lud­ 1) Der Aufsatz basiert aufderRede vom 11 . Juni 2007 anlässlich 24) StAB, B575, 576, 577, 578, Gewerbe-Kataster. wigsburg. Sie ließen sich nach der Hochzeit ebenfalls der Hauptversammlung des Bürgervereins Balingen im Zol­ 25) Ingrid Helber: Vereine in Balingen; In: 750Jahre Stadt Balin­ in der Balinger Friedrichstraß e nieder. Augustes Aus­ lernsch loss in Balingen gen, S. 469- 486, hier5.470. steuer war prächtig und farbenfroh. 26) 2) Werner Lindner: Bauten derTechnik. Berlin 1927. 26) Dies.: Vier Jahrhunderte Mode in Balingen, In: 750 Jahre Das Geschäftshaus des Kaufmanns Carl Martz lag in Conrad Matschoss: Technische Kulturdenkmale. Hrsg. Von der Friedric hstraße Nr. 54, Ecke Dammstraße. Heu te Stadt Balingen, S. 442 - 453, hier5. 450. befindet sich im Gebäude das Esprit-Modehau s. Werner Lindner. München 1932. StAB, B915, Nr.32 vom 26.8. 1835, geheiratet am26. Mai Laut Feuerversicherungsbuch war Carl Martz seit 3) Rainer Siotta: Einführung in die Industriearchäologie. Darm­ 1835. 1868 Eigentümer. 27) Auf dem Stadtplan von 1839. stadt1982. 27) StAB, B655. handelt es sich um das Bauwerk Nr. 182. Viele Balinger 4) VolkerRödel Reclams: Führer zuden Denkmälern derIndus­ 28) Dank für die freundlichen Hinweise an Max Hildinger, Else erinne rn sich noch gut an seine Tochter EIsa Martz trie undTechnik in Deutschland. 2 Bände. Stuttgart 1992 und MüllerundWaldemar RehfuB, Balingen. (1879-1956), die prominente Musiklehrerin und Altis­ 1998. Schnerring, Der MalerEckenfelder, S. 129mit Foto, Anm. 93, tin, die mit Kunstmaler Friedrich Eckenfelder be­ 5.) Anne Frühauf: Fabrikarchitektur in Hamburg. Entwicklung 96,97. freunde twar. 28) und Bestand bis 1914. Arbeitshefte zur Denkmalpflege in 29) StAB, B654. 1864 hatt e Kaufmann Wilhelm Friedrich Martz ­ Hamburg. 10.Hrsg. V.d. Kulturbehörde ! Denkmalschutzamt wohl der Vater von Carl Martz - das dreigeschossige 30) StAB, B575. Wohn- und Ökonomiegebäude in der Friedric hstraße Hamburg. Hamburg 1991 . 31) StAB, B576. von den Erben des Kau fmanns Georg Hartmann er­ 6) Bert undHilla Becher: Die Zeche Zollern 11. Aufbruch zur mo­ 32) StAB, B 577, Registratur Städt. Hochbauamt Ba lingen, hier: worben. 29) Laut Gewerbesteuer-Kataster hatte Carl dernen Industriearchitektur undTechn ik. Entstehung undBe­ StingstraBe 4. Martz nach dem Gebäude 1868auch die Geschäfte von deutung einer Musteranlage in Dortmund um die Jahrhun­ 33) Registratur Städt. Hochbauamt Balingen. Das Gebäude er- Georg Hartmann ..zum Adler" übernommen. Aufge­ dertwende. Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts Bd. 34. hieltnach dem Stadtplan von 1839 dieNr.692. führt wurden beide untereinander unter der Rubrik München 1977. 34) StAB, B659. ..Handlungen, Fabriken und Manufakturen". 30) Die 7)Volker Rödel: Fabrikarchitektur in Frankfurt am Main 1774­ 35) Archiv Bauamt Stadt Balingen. Unternehmunge n von Carl Martz entwickelten sich 1924. Geschichte der Industrialisierung im 19. Jahrhundert 36) StAB, B663. Seite 1567 Heimatkundliehe Blätter August 2007

DAS AKTUELLE BUCH "Der Weg zu Gott ist ohne Ende " .Ebinqer Gedichte" von Kurt Georg Kiesinger - Von Dan iel Seeburger Manchmal werden sie belächelt, die Gedichte­ Denken zu. Seine Suche na ch Gott, sein Schrei nach schreiber, die die Reime in ihrer Heimatzeitung un­ dem höchstenSinn ist atemberaubend: terbringen. Bewundernswert ist aber die Tapferkeit, sich dem Leser in Versform zu stellen. Denn Lyrik zu Wer bis Du, Gott? "produzieren" ist gar nicht so einfach. Das beginnt Aufschreiich es zu Dir, schon bei der Form. Schreibt man eine Ballade oder Ich will es , daß Du hö rend dich mir neigst; eine Elegie, soll's ein kleiner Vierzeiler werden oder Antworte, wenn Du bist! setzt man sich zu einer vielspaltigen Hymne an den ...doch nurein Echo hö hnt. Du aberschweigst... Schreibtisch, entscheidet man sich für ein inniges Lie­ ("Ge be t") besgedicht, bringt Natureindrücke zu Papier oder widmet sich gar der Heimat und, nicht zu vergessen, Kiesinger kämpft in seine n Zweifeln, windet sich entscheidet man sich für den Reim oderdie freie Lyrik? und kommt letztlich doch zu einem Ergebnis: Es gibt Aber selbst dort sollte man aufRhythmus und Sprach­ einen Gott. duktus achten. Er "dilettiert in Öl", heißt es in Thomas Manns (...) .Zauberberg" über Hofrat Behrens, der ansonsten in Du Tor hast dein Lebe n zu tragen gemeint, der Medizin zuhause ist. Kurt Georg Kiesinger , Bun­ Und hastdich gebrüstet und trugst dich zur Schau, deskanzler von 1966 bis 1969 und Ministerpräsident Und fiihItest im tiefsten Grunde genau, Baden-Württembergs von 1958 bis 1966 "dilettierte in Daß deineSeele zugrundegeht Lyrik" - wobei der Begriff heute einen etwas anderen Ohneden Gott, den sie versc hmäht... Klang hat, als noch zu der Zeit vor 80 Jahren, als Tho ­ C, [Ohne Titel]") mas Mannseinen "Zauberberg" schrieb. Denn der "di­ lettierende" Hofrat fertigte ein überaus ansprechen­ Kiesinger erreicht schließlich das Ziel seiner Wall­ des Bildnis vonClawdia Chauchat. fahrt, seinerGottsuche: Wenn also Kiesinger in der Lyrik "dilettierte", dann ist das durchaus nicht abwertend gemeint. In dem Dies aberist der Wallfahrt Schluß, Buch .Ebinger Gedichte" haben der Albstädter Stadt­ Und mit ihrmeines LebensWende: archivar Dr. Peter Thaddäus Lang und Olaf Baldauf Ichweiß es: Ignorabimus­ Gedichte des späteren Bundeskanzlers zusammenge­ DerWegzu Gott ist ohne Ende! tragen, die der 1904 geborene zwischen 1921 und 1926 geschrieben hat und die zum großen Teil im "Neuen (...) Alb-Boten" in Ebingenabgedrucktworden sind. In seiner Einfiihrung setzt sich Lang mit Kiesingers Doch Eines fühl ich, tiefbeglückt. Gedichten und ihrer zeitlichen Eingebundenheit aus­ Daraufwill ich die Zukunft bauen: einander. Kiesinger war als Absolvent des katholi­ Ob Gott sichewig mir en trückt- schen Lehrerseminars in Rottweil darauf an gewiesen, Ich darfihmblindlings do ch vertra uen! sich seinen Unterhalt selbst zu verdienen. Aus der ("Ende") neunköpfigen Großfamilie im heimatlichen Ebingen DieAutoren war nicht viel finanzielle Unterstützung zu erwarten. Gerade mit diesem Gedichtszyklus "Die Wallfahrt dieserAusgabe: Also arbeitete der junge Kiesinger unter anderem als zu Gott" gewährt der spätere Bundeskanzler einen tie­ freier Mitarbeiter der Lokalzeitungen in Ebingen und fen Einblick in sein Seelenleben - un d das durchaus Rottweil, verfasste Sportreportagen, besprachKonzer ­ sprachgewaltig und sicher im Umgang mit der Lyrik. te und Theateraufführungen und hatte so auch einen Es ist ein wichtiges zeitgeschichtliches und durchaus guten Draht zu den Herausgebern. Nach der täglichen auch literaturgeschichtliches Dokument und es ist Pe­ Hans Geißler Zeitungspflicht durfte er auch seine Gedichte bringen, ter Thaddäus Lang und Olaf Baldauf zu danken, dass Schützenstraße 37 die dann vor allem im .Neuen Alb-Boten" veröffent­ sie es aus den Tiefen der Archive ausgegraben un d ei­ 72458 Albstadt-Ebingen licht wordensind. ner breiten Leserschichtzugänglich gemachthaben. Kiesingers lyrisches Schaffen fiel in die Periode der Obwohl Kiesinger in Gottfrie d Benn einVorbild sah, Spätphase des Expressionismus. Krieg, Zerfall, Angst, ist seine Naturlyrikweit entferntvon der Expressionis­ Dr. Ingrid Helber Ich-Verlust und WeItuntergang waren vorherrschen­ ten-Ikone. Interessant ist der Vergleich.von Benns de Themen vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Lyri­ "Kleiner Aster" mit Kiesingers "Weiße Astern". Wäh ­ Westerwaldstr. 17 ker wie Georg Trakl, Georg Heym oderJakob van Hod­ rend Benn kühl-distanziert die Obduktion eines Bier­ 72336 Balingen dis fielen entwederim Krieg odergingen an dengesell­ fahrers beschreibt, in dessen Brusthöhle der Patholo­ schaftliehenStrukturen zugrunde. ge eine "dunkelhelllila Aster" packt, ist Kiesinger pro­ phetisch-mystisch. Wo Benn verdinglicht, den Men­ Daniel Seeburger DemBürgerfliegt vomspitzenKopf der Hut. schen zur Sache und die Aster zum einzigen Zeiche n In allen Lüften hallt es wie Geschrei. des Lebens wird, bekommen die Astern bei Kiesinger ZOLLERN-ALB-KURIER Dachdeckerstürzenab undgehnentzwei, menschliche Züge und sehen sich der unheimlichen Grünewaldstr.Iö Undanden Küsten -liest man - steigtdie Flut. Urgewalt des Todesausgesetzt: 72336 Balingen Der Sturm ist da, die wilden Meere hüpfen Sie witternEinen überTann undTal. An Land, umdicke Dämmezu zerdrücken. Sie wittern Einen mit sausendemStahl, Die meistenMenschenhaben einen Schnupfen. Und neigensich Die Eisenbahnenfallen von den Brücken. Undseufzen bitter. Es kommtEinerferne, stumm und fahl, So schreibt Jakob van Hoddis in "WeItende", einem Ein Schnitter... Herausgegebenvonder der berühmt esten Gedichte des Expressionismus, das HeimatkundlichenVereinigung zugleich Programm für eine ganze Generation war. Kurt Georg Kiesingers Lebe n und Wirken wird durch Zollernalb Kurt Georg Kiesinger war kein ausgewiesener Expres­ das Buch mit seine n Ebinger Gedichten komplettiert. sionist, diesem Stil aber durchaus verhaftet. Sein Sujet Es beschreibt aber nicht nur eine skurrile biografische Vorsitzender: war auch die Heimat, die Alb, manchmal rau, aber Randerscheinung im Wirken des späteren Bundes­ Chris top h Roller, Am Heuberg 14, immernahe, unentrinnbar nahe. Dabei wird Kiesinger kanz lers. Denn Kiesinger hatte großes lyrisch es Ta­ 72336 Balingen, Telefon (07433) 77 82 nie kitschig, er"türnelt" nicht, da reimt sich nicht Herz lent. Das Buch beschreibt vielmeh r einen ersten wich­ aufSchmerz. Er ist eher ein genauer Beobachter. Aber tigen Schritt im Leben eines späteren Bundeskanzlers. Geschäftsführung: Kiesinger konnte durchaus expressionistisch schrei­ Ein jungerMensch aufder Suche nach einemWeg, der Erich Mahler, Mörikeweg 6, ben, sah auch im Lyriker Gottfried Benn ein Vorbild. diese Suchein einerein drucksvollen Lyrikaus drückt. 72379 Hechingen Und er zeigt sich verhaftet in seinem christlichen Telefon (0 74 71) 1 5540 Glauben, der bei ihm tief gründet. Seine Gedicht­ E-Mail: [email protected] sammlung "Die Wallfahrt zu Gott" von 1924 zeigt die tiefgreifende Auseinandersetzung des 20-Jährigen mit Redaktion: dem Glauben, mit seiner Suche nach Gott und seiner Peter Thaddäus Lang I Olaf Baldau f (Hrsgg.): Kurt Georg Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, Hinwendung zum Spirituellen. Hier wendet er sich Kiesinger. Ebinger Gedichte 1921-192G. Baldauf, Alb­ 72336 Balingen,Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 aber auch am Intensivsten dem expressionistischen stadt200G . ~Cft/v Heima...... Zollemalb ~dlicheVereinigung ZollernalbeV

Jahrgang 54 30. September2007 Nr.9 Der Heuberg ist offen" " Eine Geschichte aus alter Zeit - Von Theodor Streble Unter diesem Namen (Heuberg) begreift das Volk Schlag sechs Uhr ertönte ein kurzes Zeichen; die Ge­ zu spielen, die Jugend stampfte denTakt dazu, dass eine wellenförmige, mit vielen engen Tälern durch­ nieindefahne entrollte sich. "Hoch, Halloh" schrie man aus der aufsteigenden Staubwolke das Tempo furchte üppige Acker- und Wiesenlandschaft. Nach donnernd die ganze Jugend. Eine dreimalige Fanfare ermessen konnte. Voran ging der Tambour mit der warmem Frühlingsregen blühen gegen Mitte Mai die erscholl und die Musikanten huben an einen Marsch großen Trommel, der allerlei Gestikulationen mach­ Pflanzen auf und es ersteht eine Vegetation, wie sie te, hinter ihm die Bläser; machten sie eine Pause, nur die gesegnetsten Striche Schwabens aufzuweisen dann begann der Gesang der Jugend. Das "Morgen­ vermögen. In diese weiten Flächen teilen sich die Orte rot" kam zuerst an die Reihe. Auch fielen manche hei­ Binsdorf, Dormettingen und Geislingen. Seit neuerer tere Scherze, Stichreden und wurden gegenseitige Zeit errichteten der Staat und Freiherr Schenk von Begrüßungen der jungenWelt getauscht. . Stauffenberg einzelne Meiereien in dieser einsamen Kam man aufdem sog. langen Ziel an, so ward, wo Gegend. Früher entweihte der Pflug nie diese Pflanz­ die Leute der andern Gemeinde noch nicht gekom­ stätte; keine Herde zertrat die Gemeinwiesen. Bis zu men waren, die Fahne aufgepflanzt, verlesen und den einem gewissen Feste behieltensie ihren Schmuck. einzelnen ihre Plätze und Geschäfte angewiesen, die War die eigentliche Heuerntevorüber, so ließen die Verhaltungsmaßregeln eröffnet, zur Eintracht, Fleiß verständigten Gemeindevorsteher dieser Ortschaften und Anstand beim Tanz ermahnt, ein wenig ausge­ durch den Büttel ausrufen: "Der Heuberg ist offen." ruht und ein heiter Lied gesungen. Blieb der andere Alles freute sich auf diesen Tag. Die Jünglinge übten Teil zu lange aus, so förderten die einen das Backwerk Lieder ein, richteten Kränze für ihre Pferde und Och­ an seinen Bestimmungsort, andere wetzten die Sen­ sen her; jeder wollte die schönste Sense, die reichste sen oderwetzten mit ihrenWetzsteinen den spät Ein­ Gurt, das weißeste Hemd, die glänzendste Lederhose, treffenden ein spöttisches und herausforderndes den breitesten Hosenträger, die stärksten Arme und Klingen und Rauschen entgegen. Ein freundlicher die dicksten Waden haben. Die Alten lebten frisch auf Willkomm und guter Morgen erschallt bei ihrer An­ beim Anblick der kräftigen munteren Jugend. Küch• kunft. Näher Bekannte und Verwandte besuchten len und Straubezen, Hockerln und Vaudelen wurden sich gegenseitig, luden einander ein etc. Dann folgte gebacken. Am Abend zuvor die Sensen gedengelt, es ein Morgenlied, drei Märsche, zugleich mit einander, ward gesungen und am Blättle gepfiffen. Die Rollen bildeten den Übergangzur Tagesordnung. wurden verteilt, Tänzer und Tänzerinnen bestellt, die Nun gings an ein Mähen, die Sensen rauschten, das Reihenfolge der Familien im Mähen ausgemittelt, die üppige Gras im Morgentau reihte sich Matte an Mat­ Musikanten zusammengesucht, die Geigen besaitet, te. Scherze über Stellung, Schwung, Matte und Sense die Klarinetten-Köpfe umwunden und die rostigen würzten die Arbeit. Eltern- und Vorsteher-Augen und Trompeten und Hörner gesammelt, Wägen mit Fou­ andere Augenstrahlen spornten zur Kraftentwick­ rage beladen und so dauerte diese Vorbereitung die lung. War der Vormann ohne Unterbrechung ans Ziel halbe Nacht. Mancher verspätete sich auch bis zum gelangt, so verkündete ein tüchtiger Juheschrei oder Morgen. Bei der Ankunft ward solcher mit einer Art ein artiger Jodler sein Glück. Schalkhafte Mägde und Katzenmusik nach dem Rufe: "Ihr kommet wie der freudentrunkene Bauerntöchter hatten die Matten zu mit dem Palmen nach"der Kirche", empfangen. zerstreuen. Ihre gebräunten starkenArme, ihr kräfti- Seite 1569 Heimatkundliehe Blätter September 2007 ger Bau, ihre vollen, gesunden Gesichter, ihr heiterer weil verzehren die "schaffigen" Mädchen ihr Abend­ Uhr ward die gestrige Arbeit fortgesetzt. Nach einigen Humor, ihr schelmisch-freundliches Blicken, die frohe brot. Doch kurz ist ihre Rast. Der Vormäder kommt Stunden rasselten unter Peitschenknall die Wagen da­ Arbeitslust zeugten von ihrer Unverdorbenheit und schnalzend angesprungen, fasst die gebräunten Arme her. Unter Singen und Jodeln wird aufgeladen und Natürlichkeit. Nicht am Strickrahmen und Nähtisch in seiner Auserlesenen und eilt mit seiner Dirndei dem heimgefahren, die weite Ebene ist geräumt und wird der Fabrik, nein aufdem Felde des frischesten Lebens Tanzboden aufgrünem abgemähtemWiesenplane zu, nunden Schäfern feierliehst übergeben. befand man sich. Züchtig war die altertümliche um den Reigen zu eröffnen und die Ehre auch des Die Abgrenzung der betreffenden Anteile besorgten "Kleidung, blendend weiße Hemden und Schürze, tau­ Vortanzes zu haben. Im Nu eilt alles herbei und harret die Gemeindevorsteher. Es ward um diese Plätze das sendfältige braune oder schwarze Röcke, unter denen der Minute, einzutreten in den munteren Reigen und .Hälmle gezogen", welcher Gemeinde sie zufallen sol­ blaue Strümpfe und hübsche Schnallenschuhe die zu walzen und schnalzen, bis goldene Sternlein ihr len. Sie an die Schäfer zu übergeben, war ein Recht der kräftigen Füße bedeckten, ein nach MailänderArt um glänzendes Lichtehen aufzünden und der Vater Mond Vormünder der drei Gemeinden. Für den Spruch da­ den Kopf geschlungenes weißes Batisttüchlein und ein das fröhliche Gewusel und Gejubel zu belächeln an­ bei gab der Oberschäfer der Tänzerin der Vormäders in den Hüften befestigtes Schweißtüchlein bildeten fängt. Laue Abendwinde streichen über den wirbeln­ einen Kram, wogegen diese des Schäfers Hut mit ei­ den Anzug der scherzlustigen Mädchen. Bei jedem Iu­ den Kreis und trocknen die triefende Stirne und treuen nem Strauß und den Leithammel mit einem Kranze heschrei riefen sie einander zu; "der mei, der dei, der . Hände; kein Stäubchen belästigt die Lunge, kein Gas zierte. Das wardie letzte Feierlichkeit. Man schrittzum eiser usw. der kanns". Und musste einer wetzen und und Schiefer-Oel erzeugt Schnupfen und Husten, kei­ Einkaufdes Krams. Die weite große Wiesenfläche war wollte sich mit einem Iuheschrei unter die besseren ne Krinoline versperrt die Umsicht um den Kreislauf, ja schon in einen Marktplatz verwandelt. Der Schäfer schmuggeln, so schrie alles: Ätsch , Ätsch und lachten kein Schnürleib bindet das keuchende Leben zusam­ muss ehrenhalber tief in die Tasche greifen, denn die dem Verunglückten an den Fingern Rüben schabend men. Frei und lüftig, rein und züchtig war dieser alte Tänzerin als Primadonna macht heute Ansprüche. entgegen. Doch die unparteiischen Richterinnen in nationale Walzer und fügte so sauber zum ewigen Aber auch die übrigen bleiben nichtzurück. In Reihen, diesem landwirtschaftlichen Turnier fuhren wacker in Sphärentanz der Sterne, dass der Astronom gut getan Arm in Arm, durchziehen sie die Reihen der Krämer• ihrer Arbeit fort, dass sie fast mit den Turnierenden hätte, die ruhende Achse der beiden munteren beweg­ buden und mustern sie scharf. Indes kommen die selber fertig wurden. War die letzte Schmeld dem ten Kreise in Einklang zu bringen. Doch! er hat nicht heimgefahrenen Burschen, der Kram hat sich gefun­ Schnitt der Sense erlegen, so spielten die drei Musiker Zeit, der Vortänzer schreit ja: "einen Hopser!" Die Au­ den, ist gekauft, bewundert. Dafür aber kaufen und wieder eins. Endloser Jubel hallte über die geschorene gen aufl Da gehts durcheinander, dass du meinst, eine verehren auch die Tänzerinnen ihren Tänzern Pfei­ Fläche hin. Lieder ertönten; Iuherufen, Pfeifen und unsichtbare Hand habe aufein dürres Gras geschlagen fenketten etc. als Andenken an den offenen Heuberg. Schnalzen wollten kein Ende nehmen. Nun war denen und ein Heer von langbeinigen Heuschrecken hüpfen Aber nicht bloß sie, 0 nein! Die ganze Nachbarschaft zu Haus durch eine Pistolensalve die vollbrachte Ar­ neckend ein wenig weiter. Und welch' ein Höllenspek• ist da und das Bild einer improvisierten Volksmesse ist beit verkündet. Der Hornist gab das Signal der Ruhe. takel, wenn ein stolperndes Paarumwarf, und wie flink gegeben. Der Hanswurst fehlt nicht und Taschenspie­ Nun begann der geordnete Überfall auf die Vaudelen war's wieder auf und in taktmäßigem Lauft Der Engel ler zeigen ihre Künste. Das nahe Forchenwäldle über• und Hockerln und Straubezen, die Bier- und Wein­ der unschuldigen Freude besprengte endlich den schattet die Baracken der umlagerten Wirte mit ihren und Mostflaschen, Milchtöpfe und Brandweingläser Tanzboden mit kühlendem Tau, die Dame Natur öff• Erfrischungen. Der Engelwirt von Dormettingen und und so lustig als wie bei der Arbeit gings nun hier zu. nete ihr Riechfläschchen und ließ entströmen den der von Geislingen haben gute Plätze und in den Glä• Nach althergebrachtem Gebrauche musste die Magd würzigen Duft des kräftigen Heus. Ein schönerAbend, sern feinen Stoff; aber der Sephle sorgt für Most. Jung oder die nächstdem sich verheiratende Tochter zu wahrlich! Er hatte Städter und Dörfler, Reiche und Ar­ und Alt, ja ganze sieben Gemeinden sind heute ver­ vomTische beten, das durfte und wollte keine schlecht me, Hohe und Niedrige, Bürger und Herren in trautem brüdert und gar mancher Gelegenheit zu ehlichen machen. Wer erinnert sich nicht da an die Speisung in Kreise vereinigt. Wenn sonst Nachbarn aus anderen Bündnissen ist hier Tür und Tor geöffnet in ehrsamer der Wüste? Wo gleicht ein landwirtschaftliches oder Herren Ländern zu den ehemaligen kernigen Oberho­ Weise . Doch der Jubel geht aus, die Zeit drängt, die Turnerfest an Naturwüchsigkeit, Innigkeit und Feier­ henberger kamen, gab's Eifersüchteleien, Sticheleien Fässer sind leer, die Zungen müde, die Wirte brechen lichkeit diesem einfachen Feste? Trotz seiner langen und alldazumal jedweder unter seinem weißen auf und alles eilt der Heimat zu. Der Heuberg schließt Dauer ermüdet es nicht, trotzder Einfachheit entleidet Zwilchkittel einen Knittel trug, so setzte es nicht selten sich. ber Geist der Einsamkeit senkt sich hernieder, es nicht. War dem hungrigen Magen Recht widerfah­ Holzereien ab und die Umwohner hatten Respekt vor nur der Schafe monotones Blöken tönt, bis der Schnee ren, ein Pfeifehen geschmaucht, Besuche gewechselt, ihren kaiserlichen Nachbarn. Hier aber ging unter hei­ die Wiese in ihrer Nachthaube einkleidet. hatte die Julisonne die Matten gedörrt und die Uhr terem Tanze und fröhlichem Mahle des ersten Tages zwei geschlagen, so wurde ein Zeichen gegeben und Abend unter die Nacht machte dem Feste ein gemütli­ die flinken Mädchen stunden aufder Wiese , das wür• ches Ende. Wie man kam, mit Musik und Gesang, zog Anmerkung: 1825 schloss sich der "Heuberg" zum zige Futter zu wenden, das Gras in Schlauen zu rechen man ab und die christliche Nachgrüße schickten sich letzten Male . Verschwunden ist die reiche Wiese, und zu häufeln. Nun mussten sie, die zuvor so strenge die Scheidenden zu ..Sechs zurückgelassene Wächter schlechte, nie gedüngte Felder tragen magere Saaten. gerichtet, die Prüfung bestehen. Der und der "gehts schützten diese Nacht das Gemeingut und noch weit DüstereWehmut dunkelt das erinnerungsheitereAuge aus den Hände", "siehst das Hexle, wie flink" - flüster• hallte es "Gute Nacht, gute Nacht." derer, die sich noch an die Wiese, den Markt, den hei­ ten sich die Burschen zu und manchen reute es, einer Diese Nacht umfing ruhiger Schlummer, ein geseg­ teren Tanz erinnern und nun sagen müssen: "Der Langsamen den Tanz zugesagt zu haben. Doch Ver­ neter Schlaf sämtliche Streiter des Tages . Doch nur Heuberg ist und bleibt geschlossen." Die Volksfeste sprechen war heilig. "Ein Mann, ein Wort ." Nachdem kurz war die Nacht für sie; der Hahnenschrei weckte rücken ein, eines nach dem andern, aber das Volk ist der letzte Rechenzug getan, nahte der Höhepunkt des die müden Glieder, aber munter wie Tags zuvor fand nicht kräftiger, nicht patriotischer. Der Aufschwung Festes. Die Musikanten griffen zu den lustigen Waffen. sie der Morgen. Doch heute brauchte es ja nicht zu ei­ fehlt, denn die Flügel sind ihm beschnitten; ein In der Nähe eines ebenen Platzes stellten sie sich auf, len, zuerst muss die Sonne den Tau von den Häuflein drückender Alp hält es darniedergebannt. Alles ordnet die jeden Ortes für sich besonders. Ein Signal verkün• ablecken. Dann erst konnte auf den erwärmten Rasen jetzt die Obrigkeit; aber was sie noch nicht geboren, det des Tages Neige. Feierabendlieder ertönen, der- das erstwelke Gras ausgestreut werden. Morgens zehn das ist der Patriotismus. September 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1570 Das Balinger Strasser-Areal Die Schuhfabrik Georg Strasser 37) - Von Dr. Ingrid Helber - Teil 3 1903 war das Gebäude an der heutigen Stingstraße wohl recht gut, so dass in den 60er und 70er Jahren bis zahlte man damals zirka 25 bis 30% weniger aus. An von Carl Martz, Kaufmann, Schnupftabak- und Trikot­ zu 15 Schuster teilweise sogar in Strassers Haushalt Krankengeld fielen 12 bis 36 Pfennigan und außerdem fabrikant, an die Schuhfabrik Georg Strasser verkauft wohnten. Gute Arbeiterwaren gesuchtund man muss­ einige Pfennige für die Altersversicherung. Die Zwi­ worden, womit wir zur Firmengeschichte Strasser te vorsichtig mit ihnen umgehen, da sie sonst schnell ckerei arbeitete im Akkord.68) kommen. Erst seit diesem Zeitpunkt sind das Areal anderswo Arbeit suchten und auch fanden. Außerdem Trotz der Mechanisierungwar die Schuhherstellung und der Name der Schuhfabrik Strasser miteinander wurde an zahlreiche Stepperinnen Heimarbeit verge­ allgemein eine sehr harte Arbeit mit teilweise schlech­ verbunden. Im Stadtarchivbefinden sich eine Firmen­ ben, die den Zuschnitt abholten und dann die fertigen ten Arbeitsbedingungen. Außerdem handelt es sich chronik aus dem Jahr)933, eine Biografie samt Porträt Schäfte ablieferten. Anschließend nahmen Schuster hier für die Arbeiterlinnen um den Niedriglohnsektor. Georg Strassers 38) sowie eine handschriftliche Auf­ die Ware mit nach Hause undlieferten diese fertig dem Zur Ausführung der Arbeiten war eine Lehre nicht un­ zeichnung des langjährigen Buchhalters Wilhelm jungen Unternehmer, der hier als "Verleger" auftrat, bedingt erforderlich.69) Strasseraus demJahr 1951. 39) wieder ab. Die meiste Ware exportierte das aufstre­ 1898 konnte bei Strasser nochmals eine Steigerung bende Unternehmen in die Schweiz. Zweimal jährlich der Gewerbesteuer um ein Drittel verzeichnet werden (4675 M). Diese Zahl hatte bis 1903 Bestand.70) Einige FirmengeschichtederSchuhfabrikGeorgStrasser war man auf der Messe in vertreten, Weiterhin wurden die schweizerischen Märkte bis nach Fribourg Großhändler nahmen die Maschinenware ab.71) Die Firmengeschichte reicht weit ins 19. Jahrhun­ und Bellinzona besucht. Die Reise dorthin dauerte oft Vertreter und Reisende, darunter auch der Sohn dert zurück. Die Situation der Schuster war damals in dreiTage lang. 55) Theodor Strasser, vertrieben die Ware nach Bayern, Balingen wohl aufgrund der großen Anzahl nicht ein­ Nicht selten gab es Probleme mit der Arbeitsmoral, später in ganz Deutschland- bis nach Königsberg und fach. Um 1850 wanderten viele aus, was als Indiz für wenn die Gesellen traditionell am Montag oder sogar Tilsit. 1904 konnten 100 Arbeiter gezählt werden. Des­ die schwierige wirtschaftliche Lage angesehen wird noch länger "blau" machten. Um das Arbeitspensum halb wurde schon damals eine eigene Betriebskran­ (Frank Meier) 040) zu erreichen, wurde meist am Sonntag noch gearbei­ kenkasse gegründet, die aber 1946/47 aufbehördliche Als Datum der Firmengründung wird das Jahr 1858 tet. In Handarbeit wurden hauptsächlich Damen- und Anordnung aufgelöst und in die AOK überführt angegeben. Mit der Eintragung ins Handelsregister Herrenzugstiefel. Knopfstiefel. Schnürstiefel, Halb­ wurde.72) begann offiziell die "fabrikmäßige" Produktion durch schuhe in verschiedenen Lederarten - teils mit Lack­ Georg Strasser - noch vor der Aufhebung der Zünfte blättern oder Lackkappen -, Zeugschuhe (aus Stoff), Dergestiefelte Kater und der EinführungderGewerbefreiheit 1862.41) Feldhalbschuhe. Calwer- und Strickerstiefel gefer­ Die Gründung des "Freiwilligen Vereins zur Unter­ tigt.56) Nach dem Umzug in die Stingstraßewurdenweitere stützung in Krankheitsfällen" ging 1861 auf die Initia­ Nachdem die Arbeiten zunächst noch in der Art der Maschinenangeschafft. Die .Rahrnenware" wurde un­ tive der auswärtigen Schuhmachergesellen aus dem "Manufaktur" vom Verleger an Heimarbeitervergeben ter der Marke .Suevla", die Makay-Ware unter "Ge­ ganzen süddeutschen Raum zurück. Unter den 73 Un­ wurden, konnte durch die Übernahme des heutigen straba" verkauft.73) terzeichnenden waren nur einzelne Schneider und .Speidel-Hauses" in der Neuen Straße ab 1868 auch Gestraba (Georg Strasser Balingen) zeigte einen ge­ Messerschmiede.42) Dies verdeutlicht, wie viele "fabrikmäßig" innerhalb eines Gebäudes produziert stiefelten Kater, der einen Schuh präsentiert. Das Ba­ Schuster man zusätzlich zuden einheimischen benö• werden. linger Heimatmuseum besitzt ein Werbe-Blechschfld tigte. Der Aufschwung war vor allem Mitte der 70er Jahre mit dem Kater.74) Die Markenzeichen waren auch auf Im Jahr 1864 wurden in Balingen 14 Schuhfabrikan­ des 19. Jahrhunderts feststellbar. Besonders gut lief den Briefköpfen derSchuhfabrikangebracht.75) ten mit je 30 bis 40 Arbeitern verzeichnet und 20 mit je derVerkaufin der Schweiz. 57) Das Gewerbesteuerpro­ 20 Arbeitern. Neben Falkenstein und Link zählte Stras­ tokoll von 1877/78 erfasste wohl die 10 bis 12 Arbeiter, ser in der Folgezeit zu den drei bedeutendsten Fabri­ die innerhalb des Firmengebäudes produzierten, Theodor (Iakob Georg) Strasser (1881 - 1942) kationsstätten. 43) nicht die HeimarbeiterI innen.58) Theodor Strasser, der Sohn von Jakob Strasser, war 1903 in den kaufmännischen Bereich der Firma einge­ Die Vorfahren Jakob (Georg) Strasser (1859 - 1932) treten und wurde 1915 alleiniger Firmeninhaber.Zß) Der Stammbaum des Schuhfabrikanten Georg . Laut Gewerbesteuerprotokoll ging die Schuhfabrik Um 1917 erfolgte die Gründung eines landwirtschaftli­ Strasser lässt sich zurückführen bis zu seinem Ur­ 1886/87 an das einzige Kind Jakob (Georg) Strasser chen Betriebs durch Theodor Strasser, unter anderem großvater Johannes Strasser, der als Bäcker der würt• über.59) Dieser hatte 1880 Emilie Falkenstein geheira­ auch der Kauf der .Kronenscheuer".77) tembergischen Garnison auf dem Hohentwiel tätig tet, die Tochter des Rotochsenwirts Johann Jakob Durch den Beginn des Ersten Weltkriegs kam der war. Der dort geborene GroßvaterJakob AndreasStras­ Falkenstein.60) Die junge Frau war eine gute und si­ Absatz derWare ins Stocken. Bald wurden jedoch Mili­ ser (1760 - 1827) war später Bäcker und Wirt in Balin­ cherlich auch ebenbürtige Partie. Sie war fast mit dem tärstiefel gefertigt. Die Lagerbestände an alter "Zivil­ gen. Er besaß die Hälfte eines Hauses samt Bäckerei gleich großen Barvermögen ausgestattet worden wie ware" wurden im Verlauf des Krieges ebenfalls ver­ aufdem ViehmarktA4) der Ehemann, brachte aber eine weitaus wertvollere kauft.78) Aussteuer mit.61) Aufgrund derweiteren Expansion derSchuhproduk­ tion war in den 20er Jahren Theodor Strasser für die Iohann GeorgStrasser (1794 - 1875) Das Wohn- und Geschäftshaus in der Neuen Straße wurde wohl in dieser Zeit erweitert. Nach und nach Erstellung des .Htnrerbaus" und die Erhöhung des Fa­ Der Vater des Fabrikgründers war der Schuster schaffte man Nähmaschinen, eine Knopflochnähma• brikgebäudes an der Straße "Im Roßnägele" verant­ Iohann GeorgStrasser. Er erscheint 1829 im neu ange­ schine sowie Stanzmaschinen neu an. Nach dem Tod wortlich. Außerdem vergrößerte man die Dampfanla­ legten Gewerbesteuer-Kataster mit der Bemerkung: des Vaters wurde Jakob Strasser ab 1897 Alleininhaber ge und stockte denVorderbau auf. "Junger Anfänger, der Gehilfe ist Lehrjunge". Sein der Fabrik.62) Im Sommer 1925 hatte sich Theodor Strasser mit Steueransatz betrug damals 2 Gulden und 42 Jakob Strasser konnte die Geschäfte in dem vom Va-. dem wilden Streik der Schuhmacher auseinander zu KreuzerAS) Im Nachfolgeband erfahren wir, dass Io­ ter erreichten Umfang weiterführen (bis 1893 - 987 setzen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte ein Auf­ hann Georg meist mit 4 bis 5 Gehilfen arbeitete. Au­ Mark)63) und ausbauen. Bis 1897 erfolgte eineVerdrei­ schwung der Schuhindustrie stattgefunden. Die Arbei­ ßerdem ist vermerkt, dass er 1874 den BerufaufgabA6) fachung des Steuerkapitals (3075 M).64) ter beschwerten sich nun über die schlechte Entloh­ Im Jahr 1820 hatte er Catharina, die Tochter des 1897 trat Wilhelm Strasser aufdie Bitte seines "Vet­ nung. Die Arbeitgeber nahmen eine starre Haltung Bäckerobermeisters Iohann Georg Sting, geheira­ ters" Jakob Strasser als Kaufmann und Buchhalter in ein. Dem von Reichsarbeitsministerium gefällten tetA7) Sie erbte nach dem Tode des Vaters einige die Schuhfabrik ein.65) Unter die Ägide von Jakob Schiedsspruch und der Erhöhung des Stundenlohns Grundstücke.48) Die Eintragung der Immobilien Io­ Strasser fielen die noch vom Vater angestrebte Me­ um 4 Pfennig beugten sich die Balinger nicht. Die hann Georg Strassers ins Güterbuch ist eingeschoben chanisierung. 1903 der Kauf des Fabrikgebäudes von Schuhfabrikarbeiter begannen am 18. August mit ei­ zwischen dem Schwiegervater und dem Großvater der Carl Martz für 34 000 Mark sowie wichtige An- und nem Streik. Von diesem war auchTheodor Strasser be­ EhefrauA9) Umbauten auf dem neuen Firmenareal in der troffen. Im Volksfreund rief er die Streikenden auf, Stingstraße.66) Unter Jakob Strasser erfolgte der Aus­ nach drei Tagen die Arbeit wieder aufzunehmen. Am 26. August war der Streik beendet. Der Stundenlohn (Iohann) GeorgStrasser (1831-1897) bauzu einerdergrößten Fabriken Balingens. 1911 verkaufte Jakob Strasser das frühere Produkti­ wurde um 6 Pfennigerhöht.79) 1857 ist im Gewerbesteuer-Kataster erstmals .Jung onsgebäude in der Neuen Straße 6 (Speidel-Haus), Er Die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich Georg Strasser", der spätere Schuhfabrikgründer. zu erbaute eine Villa "in seinem Garten auf Clausen" jedoch schon Ende 1925 rapide. Zeitweise schlossen finden.50) Er beschäftigte damals einen Gehilfen und (heute Postgelände). Jakob Strasser starb 1932 in die Schuhfabriken zeitweise oder führten Kurzarbeit zahlte zunächst 3 fl 36x Gewerbesteuer. Das Datum Stuttgart und wurde dort auf dem Waldfriedhof ein. Auf dem Arbeitsmarkt herrschte große Anspan­ der Fabrikgründungwurde im Zuge der Eintragungins begraben.67) nung. Theodor Strasser lieferte sich über seine Äuße• Handelsregister auf1858 angegeben.51) 1864 arbeitete rung bezüglich des Luxusverhaltens von ArbeiternI -innen einen Schlagabtausch mit den Vereinigten Ge­ Georg Strasser mit vier bis fünf Gehilfen. Diese Grö• Mechanische Schuhproduktion ßenordnung hatte auch schon sein Vater erreicht.52) werkschaftenim Volksfreund.80) Georg Strasser (1831 - 1897) hatte nach der Ausbil ­ Anfang 1898 wurden die ersten aus Amerika impor­ Finanziell waren 1928 die ArbeiterIinnen in der dung in der väterlichen Werkstatt als Geselle in der tierten Maschinen in den beengten Räumen in der Schuhindustrie besser gestellt als in der Textil­ Schweiz Erfahrungen gesammelt. Mitte der 50er Jahre Neuen Straße aufgestellt. Schon ab Sommer 1898 gab industrie.81) Insgesamt verschlechterte sich nachfol- . war er aber nach Balingen zurückgekehrt.53) Im Jahr es fast keine Handarbeit mehr. In der Fabrik wurden gend die wirtschaftliche Lage. Seit 1930 war Lohnab­ der Firmengründung heiratete er 1858 Susanna, die nun 35 bis 40 Leute beschäftigt. An den Wochentagen bau im Gespräch. Der Zentralverband der Schuhma­ Tochterdes SchustersJakob Haasis.54) . mussten 13 Stunden, am Samstag 12 Stunden gearbei­ cher stellte in einer Beschäftigungsstatistik von 1931 Die in derSchweiz geknüpften Beziehungen wurden tet werden. Die Männer verdienten 15 bis 24 Mark pro eineArbeitslosigkeitvon 13%fest. Weniger als ein Vier- " weiter ausgebaut. Das Geschäft lief in der Folgezeit Woche, Jugendliche 8 bis 12 Mark. Arbeiterinnen be- tel war vollbeschäftigt. der Rest musste sich mit Kurz- Seite 1571 Heimatkundliehe Blätter September 2007

arbeit begnügen.82) Bis 1933 verschärfte sich die Si­ weit expandierte, deren Absatz aber ab 1971 sehr stark Viehmarkt.99) tuation immermehr.83) sank.94) Es kam zu einer ähnlichen Krise wie in der Bei der Hochzeit mit Katharina Sting besaß das Da seit Beginn des Zweiten Weltkriegs , Material­ Textilindustrie. Die teure Arbeit an den Maschinen Brautpaar bereits ein Vermögen in Höhe von 550 mangel und Materialbewirtschaftung herrschten, be­ wurde nach und nach in Billiglohnländer umgesiedelt. tl.l00) Der Entschluss zum Hauskauf fiel in den Zeit­ gründete der Geschäftsleiter der Schuhfabrik Strass er Die Schuhproduktion wurde zunächst stark von Ita­ raum. in dem die Ehefrau - trotz neun Geschwistern ­ den Bauantrag für eine kleine Überdachung im In­ lien bedrängt, dann nach Spanien, Portugal und Ost­ nach dem Tode ihres Vaters, des Bäckerobermeisters nenhof mit folgendem Argument: "Ich habe haupt­ europaverlagert.95) Johann Georg Sting, knapp über 300 tl geerbt sächlich Heeresgutanzufertigen...".84) Nach 1970 kam es in Deutschland zu zahlreichen hatte.lOl) Das notwendige Startkapital für einen gut Leder der Balinger Schuhfabriken wurde während BetriebsscWießungen. Nachdem auch der Schwieger­ gehenden Handwerksbetrieb war somit von beiden des Krieges ins nahe gelegene Dorf Tieringen aus­ sohn von Theodor Strasser früh verstorben war und es Seiten vorhanden. Räumlich gesehen blieb die junge gelagert. 85) keinen Nachfolger in der Familie gab. fiel 1975 der Ent­ Familie in der gewohnten Umgebung des Viehmarkts. Georg Strasser, derals Nachfolgervorgesehene Sohn schluss zur freiwilligen Liquidation. Die Maschinen Das Gebäude war 1829 von Zimmermann Karl Heinz von Theodor Strasser, starb während des Zweiten wurden verkauft und die Arbeiterlinnen erhielten je neu erbaut worden. Ein Jahr später erfolgte bereits ei­ Weltkriegs in einem Kriegsgefangenenlager in Sibi- . nach Betriebszugehörigkeit eineAbfindung.96) ne Aufstockung.102) Eslag neben dem Schwefelbad an rien.86) Die Töchter verheirateten sich in Balingen. der Steinach und besteht heute noch. Wie damals be­ 1942 starb Fabrikant Theodor Strasser. Als Geschäfts• Bizerba- Service undWerbung schrieben handelt es sich um ein "auf drei Seiten frei führer der Schuhfabrik wurde Prokurist Carl Höfel stehendes, dreistöckiges Wohnhaus". Iohann Georg bestellt.87) Die Balinger Firma Bizerba erwarb noch 1975 das Strasser gehörte eine Hälfte des Gebäudes. Von hier Strasser-Areal und siedelte dort die Abteilungen Ser­ aus baute er sein Geschäft aufund aus . Erst 1874 ging vice und Werbung an. Seitdem die Firma Wilhelm dieserHausanteil an Ioh. Münchingen über.103) Die Nachkriegszeit Kraut die Anlage am 1. Januar 1994 an die Stadt Balin­ Nach dem Zweiten Weltkrieg ordnete der Balinger gen verkauft und das Gelände verlassen hatte, gab es Umzugin die NeueStraße Bürgermeister Wahl an, dass die im Winter 1945/46 keine dauerhafte Nutzung mehr. Das Areal entwickelte modisch gewordenen hohen Damenstiefel nicht her­ sich zurIndustriebrache. Der Umzug in die Neue Straße erfolgte durch den gestellt werden durften. Er ließ damals sogar die Werk­ Fabrikgründer GeorgStrasser (1832- 1897) und stand stätten kontrollieren.88) Wahrscheinlich setzte er auf im Zusammenhangmit dessen Ehefrau. Susanna Haa­ das Programm der "Jedermann-Schuhe", das die Er­ siswarbei der Hochzeit 1858 eine reiche Erbin. 104) Ihr höhung der Schuhpreise verhindern sollte.89) Auch sehr vermögender Vater, der Schuster Jakob Haasis, das nach Tieringen ausgelagerte Leder tauchte bei ein­ Baugeschichte war zu einem Zeitpunkt gestorben, als sie noch min­ zeinenAufträgeh wohl nach und nach wieder auf.90) derjährig war, weshalb sie einen Vormund erhalten Die normale Produktion scheint auch 1947 in der zurSchuhfabrikGeorg Strasser hatte.lOS) Bei der Hochzeit war ihr Heiratsgut samt Schuhfabrik Strasser wieder eingekehrt zu sein. In ei­ mobilem Vermögen fast doppelt so hoch wie das des Ehemanns und betrug nahezu 1000 tl.l06) Susanna ner Erhebungdes Arbeitsamts Balingen war in diesem Wurzeln amViehmarkt Jahr Strasser nach der Bizerba (345 Mitarbeiter), Sie­ Haasis stammte aus der Neuen Straße und besaß ne­ mens und Halske (302 bei C. F. Behr) und den Merce ­ Der Großvater des Pabrikgründers Georg Strasser ben der Mutter und zwei Schwestern auch ein Achtel des- Schuhfabriken (204) der viertgrößte Arbeitgeber war Jakob Andreas Strasser (1760 - 1827), der als Bä• am elterlichen Haus- einenAnteil im Wert von 675 fl, derStadt (113).91) cker und Wirt die Hälfte eines Wohnhauses "auf dem Laut Feuerversicherungsbuchwechselte 1868 dieses Eine Statistik von 1955 zeigt den steilen Aufschwung Viehmarkt" besaß. Es handelte sich um das Gebäude Gebäude in der Neuen Straße 6 an Schuhfabrikgrün• in der Schuhproduktion zu Beginn der 50er Jahre. Die Nr. 390 (heute Kunsthandlung Chr. Pollermann).97) , der Georg Strasser über (Stadtplan 1839 Nr. 439).107) Mercedes-Schuhfabriken beschäftigten nun 460, Nach dem Tod von Jakob Andreas im Jahr 1827 wurde In dem früheren Wohn- und Ökonomiegebäude be­ Strasser 160 und Falkenstein 50 bis 60 Personen.92) der nicht unbeträchtliche Nachlass in der Höhe von findet sich heute das Geschäft von "Farben-Speidel". über 2500 tl unter die drei Söhne aufgeteilt. Johann Das Gebäude wurde für 1869 von der Feuerversiche­ Das EndederSchuhfabrikStrasser Georg, der Vater des Gründers und sein BruderIohann rungauf3600 Mark angeschlagen. Jakob, erbten die Haushälfte gemeinschaftlich mit ei­ Aufgrund der guten Entwicklung des Unternehmens Zwischen 1960 und 1970 erreichte die Schuhpro­ nem geschätzten Wert von 600 Gulden (fl). Allerdings erfolgte wohl 1880 der Aufbau eines weiteren Stock­ duktion und die Nachfrage nach Maschinen für neue stritten sich die beiden und der Hausanteil ging beider werks. Ende der 80er Jahre wurde aufgrund der guten Schuhmoden ihren Höhepunkt. Nach 1970setzte aber Versteigerung an den Eigentümer der anderen Hälfte Geschäftsentwicklung noch eine dreigeschossige Fa­ derNiedergang der deutschen Schuhindustrie ein. Die über.98) brik entlang der heutigen Straße "Auf dem Graben" Schuhmaschinenfabriken verloren ebenfalls fast den Der Vater des Schuhfabrikgründers Iohann Georg angebaut.108) Durch die Umstellung auf die maschi­ ganzen inländischenAbsatzmarkt.93) Strasser (1794 - 1875) kaufte danach am 1. September nelle Produktion Ende der 90er Jahre des 19.Jahrhun­ Diese Tendenz kann auch an der großen Salaman­ 1832 die Hälfte des Gebäudes Inselstraße 10 - im derts waren die Räumlichkeiten jedoch schnell zu be- der-Schuhmarkeaufgezeigt werden, die ab 1960 welt- Stadtplan von 1839 Gebäude Nr. 421 auf dem engt. ' Neue Stucke für Ter.ine Die Autoren dieserAusgabe: die Samrnlunq Uhrig TheodorStreble Die Kunstsammlung Uhrig im Kloster Kirchberg ist - AIn Mittwoch, 3. Ok(ober (Tag der deutschen Infos zum bereits verstorbenenAutoren bei um zwei Prunkstücke reicher:Aus der Ulmer Paul-Ger­ Einhei) fährt die HeimatlCUndliche Vereinigung Zol­ hardt-Kirche kamen ein von dem schwäbischen Künst• lernalb nach Rechbergtla~sl:ln;Dort führt Prof. Dr. HorstBerner ler gestalteter Taufstein und das Steinbild an der Kan­ Roland Doschkadurch' ~fausstellung. Zollernstraße3 zel zu der umfangreichen Uhrig-Ausstellung im Klos­ 72351 Binsdorf ter. Die Paul-Gerhardt-Kirche in Ulm soll nochin diesem Jahr abgerissen werden. 1957 wurde die Ulmer Kirche Dr. IngridHelber eingeweiht. aus diesem Jahr stammen auch die beiden Westerwaldstr. 17 Werke, die Uhrig aus Maulbronner Sandstein gearbei­ 72336 Balingen tet hat und die jetzt auf dem Kirchberg eine neue Hei­ mat gefunden haben. Seit demJahr 2000 gibt es hier ei­ ne ständige Ausstellung der "Kunstsammlung Helmut Uhrig", eine Sonderausstellung zeigt jedes Jahr neue Schwerpunkte aus dem umfangreichen Werk des ge­ bürtigen Heidenheimers. Herausgegebenvonder Uhrig war Mitglied der Evangelischen Michaelsbru­ HeimatkundlichenVereinigung derschaft, die als eine der drei Berneuchener Gemein­ Zollemalb schaften ihr geistliches Zentrum im Berneuchener - Am Samstag, Haus Kloster Kirchberg hat. Vor seinem Tod im Jahr Ha üptversammlun Vorsitzender: 1979verfügte er, das sein NacWass-Bilder, Skulpturen, gungim Staufrenbergs Christoph Roller,Am Heuberg 14, Briefe, die Entwürfe seiner Sprechzeichnungen und 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82 seine Bibliothek, ins Kloster Kirchberg gebracht wer­ den sollten. Geschäftsführung: Helmuth Uhrig wurde 1906 in Heidenheim geboren Erich Mahler, Mörikeweg 6. und studierte an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule 72379 Hechingen in Stuttgart bei Professor Alfred Lörcher.Er gestaltete Telefon (0 74 71) 1 5540 . vorwiegend evangelische Kirchen aus und fertigte zahl- . Anmeldungen zu (jenEilCursionen E-Mail: [email protected] reiche Gefallenenmahnmale und Plastiken für öffentli• undzumKäsese .. ' t che Gebäude vom Bodensee bis zur Ostsee. Erieh Mahler, Mö Redaktion: Die Kunstsammlung kann immer an den ersten und 72329Hechingen Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, __ dritten Sonntagen des Monats von 15 bis 17 Uhr be­ Telefon (0 74 71 72336 Balingen, Telefon (0 7433) 2 66-1 53 sich tigt werden. '1,), Heima:-..-.

He~dliCheVereinigung Zollernalb eV

Jahrgang 54 31. Oktober 2007 Nr.l0 "Getreu und gehorsamn" Wie drei Ortschaften aus dem Kreis zu Württemberg kamen - Von Volker Trugenberger, Teil 1 Ihrer neuen gnädigsten Landesherrschajft getreu undgehorsam- wie Geislingen, Lautlingen und Marg­ rethausen zu Württemberg kamen' IGraf Klemens SchenkvonStiuffenberg Vorgeschichte Eigentlich sollte er Geistlicher werden, wie 16 ande­ re Angehörige seiner Familie vor ihm: Graf Klemens Schenkvon Stauffenberg, geboren 1777, hatte bereits als Elfjähriger 1788 eine Domherrenpfründe in Würz• burg erhalten. Dagegen sollten die beiden älteren Brüder Iosef und Ignaz den Besitz erben und die Fa­ milie fortsetzen. Doch nachdem sein Bruder Iosef 1796 kinderlos verstorben war und man absehen konnte, dass aus der Ehe des anderen Bruders Ignaz keine Kinder hervorgehen würden, hatte sein Vater Anton auf dem Totenbett 1803 testamentarisch be­ stimmt, dass Klemens die geistliche Laufbahn aufge­ ben und zusammen mit Ignaz das Erbe übernehmen solle. Klemens wurden im Testament seines Vaters im Wesentlichen die Herrschaften Geislingen, Lautlin­ gen mit Margrethausen und Rißtissen (südwestlich von Ulm) sowie die ehemalige Burg Eutingertal (nordöstlich von Horb) zugesprochen. Aufgrund ei­ ner Übereinkunft mit seinem Bruder erhielt er außer• dem Baisingen bei Horb mit dem Gut Hennental.l) Insgesamt herrschte er über ungefähr 2500 Unter­ tanen. Wieviele es genau waren, wusste Klemens nicht, denn exakte Bevölkerungszahlen wurden erst in württembergischerZeit erhoben.2) Die Hoffnung des Vaters, Klemens würde zum Wei­ terbestehen der Familie beitragen, erfüllte sich nicht: Klemens blieb Junggeselle und damit ohne leibliche Erben. So starb mit ihm 1833 die Linie der Schenken von Stauffenberg aus, die sich nach dem zwischen Sigmaringen und Riedlingen gelegenen Wilflingen nannte. Es erbte die Amerdinger Linie der Familie. Der Name dieser Linie rührt von dem stauffenbergi­ sehen Besitz Amerdingen im Nördlinger Ries her. Die beiden Linien hatten sich im 16. Jahrhundert ge- _ trennt. Die Wilflinger Linie war 1791 unter Klemens' Vater in den Reichsgrafenstand erhoben worden. Damit hatte diese Linie seit dem Mittelalter den Aufstieg vom Dienstmannenadel über den Freiherrenstand bis zum Grafenstand geschafft.3) Die Schenkenvon Stauffenbergwaren im Hochmit­ telalter Schenken, das heißt Mundschenken, der Gra­ fen von Zollern gewesen. Damals nannten sie sich noch nicht nach der Burg Stauffenberg bei Rangen­ dingen, dies taten sie erst seit dem frühen 14. Jahr­ hundert. Das Schenkenamt war eines der Hofämter, die es an den Höfen der Fürsten und Grafen gab. Der Schenk hatte dafür zu sorgen, dass der Becher seines Herrn bei Bedarf immer gefüllt war. Für den Teller, selbst, sondern gaben es an Bauern weiter, die ihnen Ehen mit Bürgers- oder gar Bauerntöchtern einzuge­ das heißt für das Essen, war der Truchsess zuständig. dafür Abgaben zu entrichten hatten. Abgaben der hen. Denn wer zur Adelsgesellschaft gehören wollte, Der Marschall war für die Pferde verantwortlich, und Bauern bildeten bis ins 19. Jahrhundert hinein im musste in Ahnenproben seine adlige Abkunft über dem Kämmerer oblag die Aufsicht über die Schlaf­ deutschen Südwesten die Grundlage adliger Existenz . Generationen hinweg nachweisen. Wer an einem kammer, aber auch über das Geldvermögen. Die Ho­ Vor allem aus den Ministerialen formierte sich 'im Turnier teilnehmen wollte, wer in ein Domkapitel fämter waren allerdings im 13. Jahrhundert reine Eh­ 13. Jahrhundert der so genannte niedere Adel oder oder einen Ritterorden eintrat, musste dies tun. renämter geworden, die ursprünglich damit verbun­ auch Ritteradel. Wie der Name Ritteradel schon sagt, In den Stand des niederen Adels oder den des ho­ denen Funktionen wurden von anderen wahrge­ war seine Hauptaufgabe die Kriegführung. Die Ritter hen Adels wurde man grundsätzlich hineingeboren. nommen. Spätestens im 14. Jahrhundert wurde die bildeten das Rückgrat der mittelalterlichen Heere. Man gehörte dem niederen Adel an, weil Vater und Bezeichnung "Schenk" zu einem reinen Namensbe­ Dagegen umfasste der hohe Adel die Freiherren, Gra­ Mutter diesem Stand angehörten; man gehörte dem standteil. fen und Fürsten. hohen Adel an, weil Vater und Mutter diesem Stand Die Inhaber der Hofämter waren Dienstmannen Hohen und niederen Adel trennte eine strenge angehörten. oder mit dem lateinischen Wort Ministeriale, die von Standesgrenze. Diese Standesgrenze zeigt sich nicht Allerdings hatte der Kaiser das Recht, Standeserhö• ihren Grafen oder Fürsten zur Bestreitung ihrer Auf­ zuletzt darin, dass es beim hohen Adel verpönt war, hungen vorzunehmen. So konnte er einen Bürgerli­ gaben und ihres Lebensunterhaltes Land erhielten. eine Angehörige des niederen Adels zu heiraten. Beim chen in den (Ritter-)Adel erheben, einen Ritter in den Dieses Land bewirtschafteten sie allerdings nicht niederen Adel wiederum bemühte man sich, keine Freiherrenstand, einen Freiherren zum Grafen ma- Seite 1573 Heimatkundliehe Blätter Oktober 2007

ehen oder einen Grafen zum Fürsten. In der Zimme­ hatten hier nichts zu sagen. terschaftlichen Dörfer gerne in ihren Herrschaftsbe­ rischen Chronik au s der zweiten Hälfte des 16. Jahr­ Um 1800 umfassten die reichsritterschaftliehen reich integriert.7) Der ritterschaftliehe Inhaber hät• hunderts heißt es angesichts der zahlreichen kaiser­ Herrschaftsgebiete zusammen 5000 Quadratkilome­ te damit nicht mehr unmittelbar ~ immediat- unter lichen Standeserhebungen bedauernd, dass der frei­ ter mit 200 000 Einwohnern. Die einzelnen Ritter­ dem Kaiser gestanden, sondern, da sich ein anderer herrenstand zu unsern zeiten in ein grose verklaine­ herrschaften waren allerdings klein . Oft bestanden Herr zwischen ihn und den Kaiser geschoben hätte, rung [das heißt: Minderung des Ansehens] kommen, sie nur aus einem einzigen Dorf. Die Wahrung der nur noch mittelbar - mediat, er wäre mediatisiert seitmals auch kaujleut und ganz geringe leut ires Unabhängigkeit gelang deshalb nur durch korpora­ worden, ohne dass er dadurch allerdings Einbußen herkomens von den römischen kaisern gefreit und zu tiven Zusammenschluss des reichsunmittelbaren bei seinen anderen Rechten, seinem Vermögen oder freiherren sein gewürdiget wordenA) Niederadels in drei so genannten Ritterkreisen. Die seinen Einkünften aus Abgaben der Bauern gehabt Die Schenken von Stauffenberg waren zwar nicht Ritterkreise wiederum waren untergliedert in Kan­ hätte. ganz geringe leut, aber auch sie gehörten zu denje­ tone. Geislingen, Lautlingen und Margrethausen Die schwäbischen Reichsritter waren deshalb kai­ nigen, die vom Kaiser in den Freiherrenstand erho­ gehörten zum Ritterkanton Neckar-Schwarzwald sertreu und gehörten immer zur österreichischen ben wurden bzw. meist sich gegen Bezahlung einer des Schwäbischen Ritterkreises.5) Klientel in Südwestdeutschland. Aus Wiener Sicht größeren Summe Geldes in den Freiherrenstand er­ In den ritterschaftliehen Orten übte der einzelne _ sprach ein weiterer Grund gegen eine Mediatisie­ heben ließen. Kaiser Leopold machte 1698 sowohl adlige Ortsherr die Gerichtsbarkeit aus , und er rung der Reichsritter im deutschen Südwesten. die Wilflinger als au ch die Amerdinger Linie zu konnte die Konfession seiner Untertanen bestim­ Denn es war - wie 1803 zwei österreichische Minis­ Freiherren. Dagegen blieb die Erhebung in den Gra­ men. Zwei andere wichtige Hoheitsrechte, die Mili-­ ter dem Kaiser vortrugen - davon auszugehen, dass fenstand von 1791 auf die Wilflinger Linie be­ tärhoheit und die Steuerhoheit. lagen in den Hän• Österreich in Schwaben dabei nur ein Achtel dessen schränkt. Erst im 19. Jahrhundert sollte ein Zweig d en des Ritterkantons, nicht des einzelnen Adligen . durch die Akquisition der schwäbisch-österreichi­ der Amerdinger Linie im 19. Jahrhundert vom bayri­ Die Steuern waren größtenteils von den Unterta­ sehen Rittergüter erhielte, wovon die übrigen sieben sehen Kön ig zu Grafen gem acht werden. nen aufzubringen, denn die adligen Inhaber der rit­ Achtel jedoch an andere Fürsten fallen würden.8) . Auch die Verfassung des Heiligen Römischen Rei­ tersc haftlichen Orte beanspruchten grundsätzlich . Dagegen stellte Württemberg im 18. Jahrhundert ches, wie sie sich um 1500 herauszubilden begann, Steuerbefreiung für ihr Privatvermögen und ihre die Reichsunmittelbarkeit der Reichsritter juristisch tru g dem Standesunterschie d zwischen hohem und Einkünfte. in Frage . Allerdings konnte Württemberg sich mit niederem Adel Rechnung:Auf den Reichstagen war Nur in Ausnahmesituationen erklärten sich die seinen diesbezüglichen Vorstellungen auf dem neben geistlichen Würdenträgern - Erzbischöfen , Adligen bereit, einen eigenen Beitrag zu leisten. Ei­ Reichstag nicht durchsetzen.9) Bischöfen und Äbten - und neben den Reichsstäd• ne solche bestand um 1800. Der Kaiser führte Krieg Preußen setzte nicht auf Recht und Diplomatie, ten nur der hohe Adel vert reten. gegen das revolutionäre Frankreich, und in der sondern auf seine militärische Macht, nachdem es Die Erhebung in den Freiherren- oder Grafen­ Reichsritterschaft glaubte man, lediglich ein Sieg 1791 auf dem Erbweg in den Besitz der Markgraf­ stand bedeutete nicht automatisch, das s die Familie des Kaisers könne ihre Selbständigkeit retten. Des­ schaft Ansbach-Bayreuth gekommen war. Ansbach­ nun auch auf den Reichstagen vertreten war, denn halb unterstützte man den Kaiser mit großen Sum­ Bayreuth, nunmehr preußische Provinz, war wie es galt der Grundsatz, dass neben.dem Rang au ch men. Nach den militärischen Erfolgen Frankreichs kein anderes Territorium des Reiches von ritter­ eine entsprechende Herrschaft, mei st eine Graf­ setzte man 1802/3 erhebliche Mittel zur Pflege der schaftlichem Besitz durchsetzt. An der Spitze der schaft, vorhanden sein musste. Dies war bei den politischen Landschaft in Paris ein. All diese Belas­ neuen preußischen Provinz stand ein relativ junger Stauffenberg nicht der Fall, denn ihre Besitzungen tungen wollte man nicht ausschließlich auf die Un­ ehrgeiziger Beamter: Karl August von Hardenberg. galten auch nach den Standes erhö hungen der Fami­ tertanen abwälzen, sondern die Adligen sollten sich Jahrgang 1750, der nachmalige preußische Refor­ lie in den Freihe rren- bzw. Grafenstand imme r noch selbst nach Vermögen und eigenem Gefühl daran be­ mer. Hardenberg unterwarf nun die innerhalb der nur als reichsritte rliche Güter. teiligen, um den Vorwurfabzulehnen, daß man alles Provinz gelegenen Ritterherrschaften der preußi• Die reichsritterlichen Güter waren reichsunmit­ den Untertanen allein aufbürde, selbst aber nicht schen Landeshoheit. Dabei kam ihm seit 1795 die telbar, in der Sprache der Zeit im mediat, das heißt einmal zu einem geringen Opfer sich entschließen politisch e Großwetterlage zu Hilfe: Österreich , der ihre Inh ab er unterstanden direkt dem Kaiser. Die könn e.6) . Rivale Preußens in Deutschland, und mit ihm Kaiser benachbarten ho chadligen Territorialherren wie et­ Die Fürsten, deren Territorien an reichsritter­ und Reich befanden sich gegen das revolutionäre wa im Bereich des heutigen Zollernalbkreises die schaftliehe Gebiete grenzten oder sie sogar völlig Frankreich im Krieg, während Preußen sich 1795 mit Herzö ge von Württemberg oder die österreichischen umschlossen, waren von der Selbständigkeit der dem Basler Sonderfrieden aus dem Krieg gegen Hab sburger als Inhab er der Grafschaft Hohenberg Reichsritterschaft nicht begeistert und hätten die rit- Frankreich ausgeklinkt hatte. (Fortsetzun g folgt) \ ~) Oktober 2007 Heima tkundliehe Blätter Seite 1574 I Das Balinger Strasser-Areal (Die Schuh-Fabrik Georg Strasser 37) - Von Dr. Ingrid Helber - Teil 4 Umzug in die Stingstraße seit dem Zweiten Weltkrieg machte sich auch in Balingen bemerkbar. Auf den internationalen 1903 kaufte Jakob Strasser da s Fabrikgebäude an Häute- und Ledermärkten kam es zu starken der Stingstraße. Die vorhandenen Einbauten der Preisschwankungen. Zudem drängten italieni­ Martz'- sehen Schnupftabak- und Trikotwarenfabrik sche Hersteller mit sehr modischen und hoch­ entsprachen aber nicht den Ideen und Notwendigkei­ wertigen Waren auf den deutschen Markt.1 24) ten des aufstrebenden SchuhfabrikantenJakob Stras­ Die hohen Lohnkosten machten den deutsche ser. Umnutzung und Anpassung waren notwendig. Schuhherstellern ebenfalls zu schaffen. Sala­ Die Räume wurden vergrößert, Zwischenwände her­ mander in Kornwestheim traf schon 1968 ein au sgenommen, ein zweites Treppenhaus angefügt. Umsatzeinbruch.125) Der Sog des Produktions­ Die damals geschaffene doppelläufige Freitreppe mit rückgangs traf in dieser Zeit auch die Balinger den Initialen G. S. und dem Gründungsjahr 1858 ist Schuhhersteller. Die Schuhfabrik Strasser wählte heute no ch zu sehen. Außerdem wurde nach Plänen deshalb rechtzeitig die Einstellung des Betriebs von Werkmeister Heinz sogleich ein Maschinen- und im Jahr 1975. Kesselhaus mit einem 21 Meter hohen Kamin au s ro­ Die Entwicklung der Firma Strasser und ihre tem Backstein errichtet. Im selben Jahr baute man baulichen Anlagen können als typisch für die Re­ auch noch neue Sanitäranlagen sowie einen Stall.l09) gion angesehen werden. Nun konnten weitere neue Maschinen angeschafft Das Unternehmen startete in einer Werkstatt werden. lIO) und siedelte dann in ein größeres Geschäftshaus über. Danach erfolgten entsprechend des be­ Expansion trieblichen Erfolgs mehrere Erweiterungen als Anbauten und Aufstockungen in der Neuen Da die Räumlichkeiten für den expandierenden Be­ Straße.- trieb zu knapp waren, wurde 1910 unter Jakob Stras­ Ankleideräume.1I6) In dieser Zeit erfolgte wohl auch Als man feststellte, dass in der Innenstadt keine ser für die Stanzerei und für den Maschinensaal ein die Erhöhung des .Vorderbaus" über der räumlichen Erweiterungen mehr möglich waren, zweigeschossiger Neubau errichtet.lLl) Steppereill7) mit einem Mansardwalmdach: 1922 plante man einen Neubau auf der "grü nen Wiese" Es handelt sich dabei um den Südflügel entlang der erbaute man auch ein neues Kesselhaus südlich der oder kaufte ein passendes Industriegebäude. Dies heutigen Straße "Im Roßnägele". Die Pläne wurden Werkstatt für ein Lokomobil nach den Plänen von Ar­ verhielt sich bei der Schuhfabrik Falkenstein ebenso, vom Architektu rbüro Steck und Diemer aus chitekt Hermann Link.1i8) die kurz nach Strasser ebenfalls eine ehemalige Tri­ Balingen / Ebingen gefertigt. Die beiden Architekten Eine Besonderheit ist für das Jahr 1923 zu verzeich- kotfabrik erwarb.126) planten zum Beispiel auch das Fabrikgebäude Schel­ _nen. Bei den Plänen der Baumaßnahme handelt es Typisch für die Baustile der neuen Architekturauf­ lenberg 112), das der damaligen Brücke zur Behrstra­ sich um besonders schöne, aquarellierte Zeichnun­ gabe "Fabrik" waren Ende des 19. Jahrhunderts ne­ ße den Namen gab , wie auch die Fabrik von Max Pfaf­ gen. Im Innenhof wurde damals eine "Biologische ben dem Historismus der .Heimatstil" oder der fenroth in Ebingen.l13) Kläranlage" eingerichtet. Die Entwiirfe stammen vom "Schweizer Stil". Für Fabriken im Schweizer Stil gibt Die Baupläne-für Strasser waren so ausgerichtet, Ingenieurbüro Hartenstein aus Stuttgart. Die Kläran• es Beispiele in Böblingenl27) wie auch in dass spä ter ein zweigeschossigerAufbau möglich war. lage war auf250 Personen ausgelegt- nicht aufIndus­ Ebingen.128) Im Raum Albstadt wurde bei der Fassa­ Im Gegen sat z zum "Vordergebäude" an der Sting­ trieabwässer. Zu sehen sind auf den Zeichnungen -dengestaltung jedoch ein Mittelrisalit bevorzugt. Nur straße sollte der Neubau massiv errichtet werden. Zur zwei Faulräume und ein Oxidationsraum. Die Ge­ wenige Industriebauten wie das erste Fabrikgebäude Gestaltung große r Arbeitssäle waren als Inn en gerüst nehmigung der Stadt wurde nachträglich am 2. Fe­ von Theodor Groz in der Ebinger Bahnhofstraße 10 "Eisenständer" vorgesehen. Die Decke über dem Un­ bruar 1925 erteilt. Schon 1922 hatte der Gemeinderat oder Christian Ludwig Maag, Sonnenstraße 100, wie­ tergeschoss sollte mit .Bisengebälk" konstruiert wer ­ der Einleitung des gereinigten Wassers in die Eyach sen im RaumAlbstadt Seitenrisalite auf.129) den. Das Dach wurde nach der damals aktuellen Ar­ nichts entgegengesetzt (Protokoll vom 28. 2. 1922). Dreiflügelanlagen mit Seitenrisaliten über einem chitekturauffassung flach ausgeführt, hier als Sattel ­ Vermutlich hatte die Firma Strasser diesen Beschluss u-förmigen Grundriss samt Bildung eines "Ehren­ da ch über einem Holzgebälk. Dieses wurde mit "Ru­ schon als Genehmigungaufgefasst.1I9) hofs" - wie bei Strasser - gehen auf die barocke beroid", einer Art Dachpappe, gedeckt. 1928 traten Bemängelungen wegen der Kleiderab­ Schlossarchitektur zurück. Der Bestand an Fabriken Die große n Fenster sind zwischen die zusätzlich lage auf. Möglicherweise hatten sich ArbeiterIinnen dieser Art ist heute noch als relativ selten zu bezeich­ stabilisierenden Wandpfeiler eingespannt. Dieses bei der Gewerbeaufsicht beschwert. Ein Jahr später nen. Im Raum Albstadt war nur eine ähnliche Anlage Gebä ude kann man auch als "Tageslichtfabrik" be­ war die Kleiderablage immer noch nicht eingebaut. zu finden, die Zweigniederlassung der EbingerTrikot­ zeichne n. Dur ch die neue Bautechnik, eine Kombina­ Der Gewerberat der Württembergischen Gewerbe­ fabrik Linder und Schmid in Albstadt-Onstmettingen. tion aus den an der Fassade sichtbaren, stützenden und Handelsaufsicht beanstandete außerdem die Allerdings besaß diese Fabrik in Onstmettingen nach Wandpfeilern und innen liegendem nicht ausreichenden, nach Geschlechtern getrennten Anbauten längere Seitenflügel (1884/85 ).130) Mögli• Stahl(beton) gerüs t, war es möglich geworden, größe• Wasch- undAnkleideräume.120) cherweise war dort derselbe Planer am Werk wie bei re Fenster öffnungen frei zu lassen und damit mehr 1940 erstellte man Pläne zum Einbau von Luft­ Carl Martz - Oberamtsbaumeister Carl Heinz au s Ba­ natürliches Licht in die Gebäude hineinzubringen. schutzräumen und zu einer Werkssanitätsstelle im lingen. Er fertigte auch Entwiirfe für Fab riken in den Auffallend ist die Verkleidung der Fassade mit roten Untergeschoss. 1941/42 sollte der Hofraum mit der Teilgemeinden des heutigen Albstadt. In Backstei nklinkern. Wahrscheinlich wurde damals Verladerampe überdacht werden, damit da s Regen­ Stuttgartl31) konnte ein Beispiel, im Raum Böblingen scho n die Verkleidung des alten Fabrikbaus zur Sting­ wasser nicht in die darunter liegende Kläranlage lau­ keine derartigeAnlage mehr festgestellt werden.132) straße hin durchgeführt, um dort durchgän gig eine fenkonnte. Backsteinbauten - wie bei der Schuhfabrik Strasser Backsteinfassade aufzuweisen. Nach Süden zu m In­ Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Unterla­ - kamen in der Region im letzten Drittel des 19. Jahr­ nenho f hin sieht man heute noch die ursprüngliche gen für nennenswerte bauliche Erweiterungen mehr. hunderts auf. Das "neu entdeckte" Baumaterial, das Verkleidung mit kleinen Holzschindeln . 121) Fotos im Stadtarchivzeigen, das s der südlich des vor allem durch die norddeutsche Backsteingotik be­ Auf den Briefköpfen der Firma Strasser sind die Ge­ Fabrikgebäudes gelegene Garten wohl um 1970 zu ei­ kannt war, wurde nun gerne für öffentliche Gebäude bäude - wie allgemein übli ch - etwas ged ehnt, ver­ nem Parkplatz umfunktioniertworden war. sowie für den Industrie- und Wohnungsbau verwen ­ größert und geschönt dargestellt.114) deU33) Über den von der Stadt nur "vorläufig" genehmig­ Zusammenfassung Änderungen in der Architektur setzten sich in ten Nebenbauten schwebte ständig die Sorge des Ab­ Deutschlandkurz nach 1900 durch wie Pete r Behren s' risses . Seit 1904 war westlich de s Geländes die Durch­ Die Vorfah ren von Georg Strasser waren sch on zu bahnbrechende Gestaltung der AEGin Berlin / Volta­ führung der .Eyachs traß e" entlang des Fluss ufers in Beginn des 19. Jahrhunderts nicht unvermögend. straße. RichtungSüden geplant. Auch die Eheschließungen erwiesen sich finanziell Vom Historismus kam der Übergang zu funktion a­ 1918/1 9 wurde als Notbehelf ein einges chossiges gesehe n als günstig. Die Firmengründung fiel 1858 leren Gestaltungselementen und zum Neuen Bau en Lager errichtet, der "Hinterbau". Der von Fr. Reh fuss mit der Heirat des Fabrikgründers zusammen. Das (Bauhaus). Von großer Bedeutung war - ausgehe nd gezeichne te Plan zeigt ein ma ssives Gebäude au s notwendige Kap ital für den Übergang vom Handwerk von Amerika - die aus Stahlbeton kon struierte Tages­ Backstein mit Krüppelwalmdach. Die Transmission zur Fabrikation, das oftmals trotz guter Ideen fehlte , lichtfabrik mit großen, zwischen Pfeilern eingespann­ wurde mit eine m Elektromo tor betrieben. Ein Wohn­ war bei Strasse r vorhan den.122) Möglichkeiten der ten Fenstern. Eine Erweiterung in diesem Sinne wur­ gebäude für Angestellte au f dem Firme ngelän de wur­ Finanz ieru ng waren in Balingen schon früh gegeben. de bei Strasser 1910 errichtet und später noch erhöht. de 1921 erbaut. Es erhielt nach Süden einen Anbau Bereits 1836 erfolgt e die Gründung der Oberamtss­ Zur Erinnerung an die im 19. Jahrhundert so zahl ­ mit eine m Satteldach (Fr. Rehfuss). Darin befand sich parkasse (he ute Sparkasse) und 1865 wurde in BaIin­ reich vertretenen Schuster wurde im Haus der Muse ­ der Aufenthaltsraum. Für dieses Gebäude musste die gen die Gewerbebank (heute Volksbank) en in der Balinger Zehntscheuer auch eine Schuster­ Baulinie - wegen der ehe mals geplanten Eyachstraße eingerichtet.123) werkstatt eingerichtet. - geändert werden. Die endgül tige Baugenehmigung Natürlich war nicht nur das Geld, sondern auch da s Von den Schuhfabriken ist wenig übrig geblieb en. erfolgte 1933.1I5) Geschick und die Tüchtigkeit eines Meisters notwen­ Wie die Entwicklung auf dem Strasser -Areal weiter­ Ins Jahr 1922 fiel der Stockaufbau auf das Fabrikge­ dig. geht, wird die nahe Zukunft erweisen. bäude "Im Roßnägele" zu einemveranschlagten Preis Siche rlich erwies es sich für die Schuhfabrik als Wer sich über die Schuhproduktion kundig ma­ von 1 Million Mark. Deutlich wird hier scho n die In­ günstig, dass sowohl für Jakob als au ch für Theodor che n möchte, kann das Deutsche Schuhmuseu m flation sichtbar. Von der Gewerb eau fsicht gab es Auf­ Strasser als Einze lkinder keine größeren Erba uftei- samt der "gläsernen Schuhfabrik" in Hau enstein zwi­ lagen wegen der Toiletten für die weibliche Beleg­ lungen ans tanden. _ schen Landau und Pirmasens besuchen.134) schaft sowie wegen der Wasch- und Die Strukturkrise der .Schrumpfbranche Leder" (Fortsetzung folgt) Seite 1575 Heimatkundliehe Blätter Oktober 2007 Musen, Modelle und Malerlegenden Heimatkundler bei Prof. Doschka in Rechberghausen - Von Prof. Christoph Roller Am Tag der Deutschen Einheit war die Heimat­ kundliehe Vereinigung Zollernalb von Herrn Profes­ sor Dr. Doschka eingeladen zu seiner Ausstellung "Musen- Modelle - Malerlegenden" in Rechberghau­ sen. 45 Gemälde, Zeichnungen Skulpturen und Photo­ grafien von Renoir bis Warhol hat Professor Dr. Doschka aus Privatsammlungen hier zusammenge­ tragen. Da hing der goldgerahmte Picasso an der Wand, genauso lag .Monika L." auf der Havanna als splitternackte Kunstharzfigur. Herr Professor Dosch­ ka führte die nahezu 50 Damen und Herren der Hei­ matkundlichen Vereinigung persönlich durch seine Ausstellung in Anerkennung unseres standhaften Be­ suches bei strömendem Regen in seinem Garten in Dettingen. Bei seiner Führung brachte er uns er die Entwick-. lung in Malerei und Kunst nahe, die von Monets Far­ ben über Virgulismus, Kubismus, Corvismus, Photo­ ismus bis zum Plakatismus und anderen "Ismen" führte. Diese Einführungbelebte er mit seinerpersön• lichen Empfindung und Ausstrahlung. Am Ende sei­ ner temperamentvollen hoch engagierten und farbi­ gen Darstellunglud er uns wiederum in seinen Garten ein. "Also Auf wieder sehen ! aber bringt mir dieses Mal Sonnenschein stattRegen mit!" . Eine weitere Führung folgte. Frau Honecker, eine versierte Kunstgeschichtlerin führte uns entlang des SkuIpturenweges in der Stadt einschließlich Rathaus und Kirche. Entlang dieser Kulturmeile begegneten wir den großartigen Fotos von Giacinte Calucci im Rathaus. In. der vor kurzem renovierten Kirche stie­ nen-imBreisacher Raum und in Beuron erleben durf­ des .Schöpfungsliedes" von Lutz.. ßen wir auf den Künstler, Maler und Bildhauer Lutz ten. In Neubreisach bereicherten damals die Flamm­ Die Leitung dieser schönen und erlebnisreichen aus Breisach, den wir bereits bei früheren Exkursio- kuchen des Bürgermeisters, Tanz, Kunst und Musik Exkursion lag bei Frau IngeborgPemsel. Willi Fischer neuer Vorsitzender DieAutoren dieserAusgabe: Prof. Christoph Roller hört nach 34 Jahren auf - Von lena Klein Nach 34 Jahren gab Rektor a.D. Professor Christoph VolkerTrugenberger Roller aus Altersgründen sein Amt als Vorsitzender Finkenweg6 der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb ab. 72488 Sigmaringen Seit 1973 hatte der heute 83-jährige das Amt inne. Die stellvertretende Geschäftsführerin Ingeborg Pemsel, hielt im Namen des stellvertretenden Vorsitzenden Dr, Ingrid Helber Dr.Andreas Zekorn eine Laudatio, in der dieser seinen Westerwaldstr.17 Dank für die kontinuierliche und engagierte Arbeit von Christoph Roller aussprach. Danach wurde er 72336 Balingen zum Ehrenvorsitzenden, erhielt einen edlen Tropfen Wein und eine Ehrenurkunde von dem Verein, den er Prof. ChristophRoller so lange geführt hat. Von den Mitgliedern wurde der ehemalige Landrat Am Heuberg 14 Willi Fischer einstimmig zum neuen Vorsitzenden 72336 Balingen gewählt. Sein vorrangiges Ziel: Er will mehrjunge Mit­ gliederwerben. Ein weiterer Punkt war ein Vortrag von Dr. Winfried LenaKlein Hecht über "Die Reichsstadt Rottweil und die Reichs­ ZOLLERN-ALB-KURIER, Redaktion Albstadt abtei Rottenmünster 1802/1803, das Ende des Alten UntereVorstadt 3 Reiches am oberen Neckar. " Zum Abschluss gab es für Der neue Vorsitzende Willi Fischer, diestellvertretende Geschäfts• alle Anwesenden noch ein Essen und Getränke. Musi­ führerin Ingeborg Pemsel, derlangjährige Vorsitzende Prof. Chri­ 72458 Albstadt kalisch umrahmt wurde der Abend von Andrea und stoph Roller und Geschäftsführer Erich Mahler (von links). Wolfgang Schneider. FOTO: lENA KLEIN

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Jahrgang 54 30. November 2007 Nr.ll Stauffenberg zum 100. Geburtstag Rede zur Einweihung der lautlinger Stauffenberg-Gedenkstätte - Von Prof. Dr. Klaus Steinbach Am 100. Geburtstagvon Stauffenberg, sechzigJahre stands gehört, schon deshalb;weil die Familienange­ nach dem Anschlagvom 20.}uli 1944 scheint die Wür• hörigen der NKFD-Prominenz ebenso verfolgt und digung des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von geächtet wurden wie die Angehörigen des Attentäter Stauffenberg und seiner Tat einfach zu sein. Alljähr• des 20. Juli 1944 [Nationalkomitee freies Deutsch­ lich erinnert seit Jahrzehnten die zentrale Gedenk­ land: Ein Zusammenschluss kriegsgefangener deut­ veranstaltung im Innenhof des Bendlerblocks an den scher Soldaten und kommunistischer deutscher Emi­ Anschlag im ostpreußischen Führerhauptquartier, granten gegen den Nationalsozialismus]. der dem Ziel, Hitler zu töten, denkbar nahe kam. Ver­ Der Deutung Finkers wurde hüben rasch wider­ gessen ist schnell, wie schwer es sich die Deutschen sprochen, mit überzeugenden Argumenten. Stauf­ mit der Würdigung dieser Tat und des Attentäters fenberg wurde nun zunehmend als ein Regimegegner Stauffenberg über viele Jahrzehnte hinweg getan ha- gezeichnet, der entschieden antikommunistisch war. ben. . Das war gewiss nicht sein Hauptmotiv, denn es galt in Zunächst bestimmte die NS-Propaganda das Bild. erster Linie, Hitlers Herrschaft zu beseitigen. Verges­ "Ehrgeizzerfressene Offiziere" hätten versucht; ihn zu senwurde deshalb gern, dass er [den SPD-PolitikerIu­ töten, verkündete Hitler schon in den frühen Abend­ lius] Leber [1891-1945] ermutigt hatte, Kontakte zu stunden in seiner ersten Rundfunkansprache. Die kommunistischen Widerstandskämpfern zu suchen, meisten Deutschen machten in den folgenden Tagen denn ein Widerstand ohne Volk musste ja auch eine aus ihrem Abscheu keinen Hehl, und der Sicherheits­ Massenbasis haben. Deshalb waren Kontakte zu Ge­ dienst registrierte fleißig, wie sehr die Deutschen der werkschaftern, zu Vertretern der SPD und der alten "Vorsehung" vertrauten. Stauffenberg wurde nur ins­ KPDwichtig. geheim von jenen bewundert und gerechtfertigt, die Dass die Bundeswehr Stauffenberg seit den Mitt­ wussten, dass Deutschland allein durch eine Nieder­ fünfziger Jahren in ihr Traditionsverständnis aufge­ lage von der NS-Herrschaft befreit werden konnte. nommen hatte, kann man verstehen, denn die Bun­ Die meisten Zeitgenossen sahen in seiner Tat nur den deswehr sollte keineswegs mehr durch die Pflicht Versuch eines hohen Offiziers, in letzter Minute die zum unbedingten Gehorsam charakterisiert werden eigene Haut zu retten. Welcher Mut zur entscheiden­ können. Ein Kamerad von Stauffenberg, Graf Baudis­ den Tat gehörte, was Stauffenberg, schwer verletzt in sin, hatte das Konzept der Inneren Führung entwi­ Nordafrika, verheiratet, Familienvater, mit dieser Tat ckelt und der Auseinandersetzung des Soldaten mit riskierte, wollten sie weder wissen noch würdigen, den ethischen Grundlagen des Soldatentums und den und nurzu gerne glaubten sie den Ausfällen national­ Grenzen des Gehorsams einen hohen pädagogischen sozialistischer Propaganda gegen Adelige und Gene­ Stellenwert zugeschrieben. Aber sicherlich schoss ralstabsoffiziere. man in den Deutungen weit über das Ziel hinaus, als Die Mitverschwörer Stauffenbergs luden überdies man behauptete, Widerstandskämpfer des 20. Juli in den Verhören einen großen Teil ihrer Verantwor­ 1944 hätten die freiheitlich-demokratische Grund­ tung aufden bereits in der Nacht zum 21. Juli 1944 er­ ordnung verwirklichen wollen. Warum ist es für His­ schossenen Verschwörer ab: denn sie wussten, dass toriker so schwer, Menschen aus den Denkvorstel­ man einen Toten nicht zusätzlich gefahrden kann. So lungen ihrer Zeit zu entwickeln und zu würdigen? Wa­ wurde er zur entscheidendenAntriebskraft eines Um­ rum vergaßen die Nachlebenden so rasch, dass sie sturzversuches, der bis in die letzten Kriegstage hin­ Gerechten, dessen Existenz Deutschland vor dem wussten, was sie wussten, nur weil es sich ereignet ein Opferforderte. Verderben bewahren sollte, wurde oft zitiert. Nicht hat? Wäre es nicht angemessenergewesen, Menschen Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus selten schien es, als sei das Deutsche Reich das erste wie Stauffenberg aus der Mitte historischer Entwick­ wechselte die Perspektive der Deutschen. Nun wurde von den Nationalsozialisten besetzte Land gewesen ­ lungen und politischer Entscheidungen zu bewerten, Stauffanberg nicht mehr offen als Verräter diffamiert, mit Stauffenberg als Freiheitskämpfer. Die beiden um auf diese Weise ein Gefühl für die Leistung zu wurde seine Familie nicht mehr geächtet. Geachtet Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches und damit entwickeln, die er verkörperte? Nur ein Biograf wie wurde der Attentäter freilich auch nicht. Vielmehr des NS-Staates wollten zehn Jahre nach der Niederla­ Eberhard Zeller war in den Lage, Stauffenbergs Aus­ suchten Mitläufer - Theodor Heuss sprach von den ge der Wehrmacht einen Teil ihrer Traditionen aus strahlung zu erfassen - manche anderen seiner Bio­ "moralisch Anspruchslosen" - vor allem ihre eigene dem Widerstand begründen. In der DDR sah die Füh• grafen wurden zu trockenen Buchwissenschaftlern, Passivität zu rechtfertigen, wenn sie Stauffenberg we­ rung die Sache einfach: In entscheidendem Maße sei zu Besserwissen. ohnejedes Gefühl dafür, dass es sich niger das Attentat als vielmehr dessen angeblich dilet­ der Widerstand von den Kommunisten angeleitet - in den Worten von Reinhold Schneider - bei Stauf­ tantische Ausführung anlasteten. Viel zu spät sei der worden, und die Moskauer Kommunisten seien die fenberg wirklich um einen "Zeugen im Feuer" des 20. Bombenanschlag erfolgt, nicht konsequent sei seine führende Kraft des Gesamtwiderstands gewesen. Hü• Jahrhunderts gehandelthatte. Ausführung gewesen, und an den deutschen Stamm­ ben las sich das anders: Die Regimegegnerhätten sich So drohte der angemessenenWürdigungvon Stauf­ tischen zeigten die mehr oder minder Bezechten, wie der Vollmacht eines Gewissens gebeugt, das vor allem fenberg wieder Gefahr, denn flächige Deutungen man es hätte machen müssen. Respekt fand Stauf­ die Menschenwürdezum Maßstab gemacht hätte. provozierten zu allen Zeiten den Widerspruch der fenberg nicht. Wie konnte man in einer solchen Situation mit Historiker. Diese betonten denn auch, dass Stauffen­ Die meisten Deutschen lehnten es bis weit in die Stauffenberg umgehen? Seine Herkunft und seine berg aus den Denkvorstellungen des Obrigkeitsstaa­ fünfziger Jahre strikt ab, eine Schule oder eine Straße Funktion konnte man nicht verändern. Vielleicht ließ tes heraus seinenWeg in den Widerstand gesucht und ihrer Gemeinde nach dem Attentäterzu nennen. Die­ sich aber seine innere Überzeugung ein wenig korri­ bis in die letzten Wochen vor dem Attentat noch in se Ablehnung lässt sich wohl nur tiefenpsychologisch gieren? Der Potsdamer Historiker Kurt Finker, ein der Sicherung einer deutschen Hegemonialstellung erklären. Denn Fragen der Nachwachsenden nach Vertreter der DDR-Geschichtswissenschaft, deutete in der Mitte Europas ein wichtiges Ziel seiner Bestre­ der Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern wur­ Stauffenberg als Attentäter, derzumindest Kontakt zu bungen gesehen hätte. Stauffenberg wurde zum Ob­ den in der Regel so beantwortet, dass sich fast immer den Kommunisten gesucht hätte. Er machte ihn so in jekt einer Kritik des bürgerlich-militärischen Wider­ .eine Entlastung, fast eine Rechtfertigung für die An­ der DDR akzeptabel. Natürlich hatte Stauffenberg stands und vielleicht sogar ein besonders prominen­ gepassten und Mitläufer ergab, die durch ihr Verhal­ niemals eine programmatische Nähe zu den Zielen tes Opfer vieler Deutscher, die sich von den Wider­ ten vieles von dem ermöglicht hatte, wogegen sich , des kommunistischen Widerstands bewiesen, so sehr standskämpfern im Umkreis des 20. Juli 1944 ab­ Stauffenberggestellt hatte. er sich darum bemühte, mit Vertretern einer demo­ wandten. Keine Veranstaltung einer Evangelischen Dennoch kam seine Tat und seine Herkunft Mitte kratischen Arbeiterbewegung aus dem Widerstand Akademie, keine Schulstunde, keine Rundfunksen­ der fünfziger Jahren vielen der Deutschen gelegen, ohne Volk 'einen Widerstand aus dem Volk zu ma­ dung, die nicht in den sechziger Jahren betont hätte: die für Deutschland einen Platz in der Welt schaffen chen. Finker machte Stauffenberg geradezu zu einem "Es gab nicht nur den 20. Iuli.;" Bald musste betont wollten und den Widerstand als Ausdruck eines ande­ Protagonisten des Nationalkomitees Freies Deutsch­ werden: "Diesen 20.Juli gab es auch." ren Deutschland deuteten. Das Wort von dem einen land, das ohne Zweifel in die Geschichte des Wider- (Fortsetzungfolgt) Seite 1577 Heimatkundliehe Blätter November 2007

Verstellt wurde in den Deutungen und Umdeutun­ dem Attentäter. Diesen maß man am Grundgesetz keit einesAttentats verschaffte. Er hatte bis zum Über­ gen der Blick aufden Menschen Stauffenberg, aufdie und lastete ihm die Folgen seiner Sozialisation als An­ fall auf Polen eine glanzvolle militärische Karriere ge­ Leistung, die es bedeutete, innerlich eine Position zu gehöriger des südwestdeutschen Adels, als Reichs­ macht, war aber niemals in die frühen Umsturzpläne überwinden, die er partiell zunächst mit den Natio­ wehrleutnant, als Wehrmachtsoffizieran. In den Krieg einbezogen worden, die andere Regimegegner schon nalsozialisten teilte und die ihn zunächst keineswegs sei er gezogen, hätte sich sehr abschätzig über die be­ 1938 entwickelt hatten. zu einem geborenen Gegner der Nationalsozialisten siegten Polen geäußert und hätte vom Landserleben Im Polenfeldzug hatte er sich fast menschenverach­ gemacht hatte. Keinen Blick hatte man für die Stufen in Frankreich, von besetzten Schlössern und geplün• tend über die Besiegten geäußert. Den Krieg gegen seiner Distanzierung von Zeitströmungen. Immer derten Weinkellern geschwärmt. Das Attentat aber Frankreich hatte er begeistert akzeptiert und war ent­ wieder war zu lesen, er hätte sogar vor einer Haken­ bewertete man aus der Perspektive der Angepassten, täuscht, als er nach wenigen Wochen in die Heereslei­ kreuzfahne salutiert, er sei ohne Zögern in den Krieg die bis Kriegsende treu zur Hakenkreuzfahne gestan­ tung versetzt wurde, um die Umorganisation des Hee­ gezogen. Das Gespür für die Dramatik, die gerade in den hatten. Deshalb machte man sich nicht klar, dass res und der Wehrmachtsführung zu begleiten. In die­ der Überwindung individueller Verstrickungen in jeder Soldat nicht nur die "Heimat" verteidigt, son­ ser Funktion bekam er früh Einblick in eine verbre­ Zeitströme verborgen liegt, war nur schwach ausge­ dern damit auch die Vernichtungslager geschützt hat­ cherische Kriegsführung - verbrecherisch vor allem, prägt - man suchte den reinen Helden, die Lichtge­ te. Man fragte deshalb nicht, welche Kriegsopfer ein so empfand er es, den eigenen Soldaten gegenüber, stalt, und verfehlte so die Wirklichkeit eines Lebens an erfolgreiches Attentat verhindert hätte, sondern laste­ die oftmals von karrierebewussten Generälen geop­ der doppelten Front: von Bomben und Gestapo, von te Stauffenberg und seinen Freunden an, zu spät ge­ fert wurden, weil Hitler als Oberbefehlshaber es so be­ Kooperation und Konfrontation, von Gehorsam und handeltzu haben. fahl. Die Generalität lernte er in dieser Zeit zu verach­ Widerspruch. . Das Grundgesetz gab es 1944 nicht einmal als Visi­ ten. Ihre Passivität erklärte das Scheitern des Um­ Bekannte und Freunde Stauffenbergs betonten sei­ on. Zu[r Verfassung von] Weimar aber, das war klar, sturzversuches eher als die angeblich mangelhafte ne Entschlossenheit und Selbstlosigkeit, seine Begeis­ wollte kein Regimegegner zurück, denn auf dem Bo­ Durchführungdes Anschlags. terungsfähigkeit und Konsequenz. Er wurde zwar erst den dieser Verfassung hatten sich die Nationalsozia­ Stauffenberg setzte auch auf die Unterstützung der spät-1943 - zum Motordes Widerstands in Berlin. Als listen in die Macht wählen lassen. Plebiszitär hatten Ukrainer und Weißrussen, welche die deutschen er aber diese Funktion übernommen hatte, schreckte sie sich anschließend immer wieder abgesichert, De­ Truppen zunächst als Befreier von der stalinistischen er niemals zurück, er zögerte nicht einmal, sondern mokrat konnte man nicht sein; lediglich an einen Herrschaft begrüßt hatten. Er wollte sie in den Kampf suchte Verbindungen, drängte über den Kreis der Mi­ Neuaufbau von unten aus dem Geist der Selbstverwal­ gegen die Rote Armee einbinden. Deshalb kritisierte litärs, der Verwaltungsbearnten und Großbürger, vor tungglaubte man. er die Ausbeutung der osteuropäischen Bevölkerung, allem auch des Adels hinaus, wollte die Basis des Wi­ Natürlich musste man angesichts der Proklamation in der die NS-Führung nur Untermenschen sah, die derstands vergrößern. Faszinierend ist es bis heute zu des Widerstands als Wurzel der Nachkriegsordnung als Arbeitssklaven ausgebeutetwerden konnten. Auch sehen, wie immer mehr Menschen in seinen Bann ge­ fragen, welches Deutschland-, Verfassungs- und Zu­ die Ausrottung des osteuropäischen Judentums war rieten. Stauffenberg war kein Bedenkenträger und kunftskonzept die Regimegegner hatten. Sie waren ihm nicht verborgen geblieben. Es waren junge Leut­ suchte die Verantwortung. Dass er scheiterte, lag Kinder ihrerZeit geblieben undkonnten mit den Prin­ nants, die ihm Ereignismeldungen aus der UdSSR zu­ nicht an ihm, sondern an seinen Kameraden in den zipien eines westeuropäischen Verfassungsstaates gänglich machten, in denen akribisch die Resultate Berliner Kommandos und in den Wehrkreisen, die wenig anfangen. Sie hatten nicht selten zunächst die der Mordaktionen verzeichnet waren. Unmittelbare sich in denAbendstunden plötzlich aufihre Eidesbin­ außen- und innenpolitischen Ziele der Nationalsozia­ Empörung resultierte aus diesen Kenntnissen freilich dungan HitlerbesannenundStauffenbergverrieten. listen geteilt und erst im Laufe der Zeit ihre Haltung noch nicht. Ein Erfolg seiner Tat hätte viele Menschen vor dem korrigiert. Den Bestand des Reiches stellten sie so we­ Zu dem Zeitpunkt, als die 6. deutscheArmee beiSta- . Tod bewahrt. Er wollte die Deutschen von Hitler be­ nig in Frage wie die Vormachtstellung in Mitteleuro­ lingrad aufgerieben worden war, wurde Stauffenb~ freien - danach hätten die Überlebenden ohne Zwei­ pa. Selbst in der .Judenfrage" argumentierten sie viel­ als wichtigster Generalstabsoffizier in Rommels fel um die Struktur und die Prägung Deutschlands ge­ fach pragmatisch und keineswegs prinzipiell. Die Ju­ Afrikakorps versetzt. Anfang April 1943 wurde sein rungen. Welches Deutschland das Resultat dieser denverfolgung hatte ihren Protest nicht angestoßen, Kübelwagen beschossen - von vorn. Vermutlich ist er Auseinandersetzungen geworden wäre, wissen wir sowenig wie die Ausschaltung der Arbeiterbewegung in diesem Augenblick seinen Tod gestorben - jeder nicht. Stauffenberg nur zum Symbol des Rückwärts• oder die Behandlung der .Premdvölkischen" in den weitere Tag war ein Geschenk, das er nicht nutzen gewandten zu machen, weil er aus den Horizonten besetzten Gebieten. wollte, um den Krieg zu retten. Viel spricht dafür, dass seinerZeit handelte, wäre unhistorisch. Es wäre eben­ Stauffenberg war bis knapp zwei Jahre vor der Tat, nun eine Entscheidung reifte, die sich moralisch so leichtfertig, ihn zum Träger der freiheitlichen die ihn mit der deutschen Zeitgeschichte verband, ein durch die Rückerinnerung auf seine Zugehörigkeit Grundordnung zu erhöhen. Diese Ordnung war ein Kind seiner Zeit und teilte viele Vorurteile, Begren­ zum George-Kreis auflud. George-Zitate erleichterten Resultat der Niederlage. Der Mensch Stauffenberg zungen der Wahrnehmung und die daraus resultie­ die Verständigung mit Gesinnungsfreunden, sie ver­ aber bleibt faszinierend. Er handelte nicht, als es zu rende Gleichgültigkeit. Er empörte sich keineswegs stärkten die Distanzierung von der Wirklichkeit, sie spät war, sondern er handelte, weil er zu den wenigen über die Übergriffe des NS-Regimes, die Nachgebore­ kräftigten den Anspruch, stellvertretend zu handeln, seiner Zeit gehörte, die wirklich entscheidungsfähig ne dann so entschieden verurteilt hatten. Die Aus­ Politik aufneuer Grundlage zu ermöglichen, durch die -waren, die Verantwortung suchten und deshalb den grenzung Andersdenkender, die Entrechtung der Ausschaltung Hitlers Spielräume zu schaffen. Nach "entscheidenden Wurf' riskierten. Dies war weitaus deutschen Juden, die Diffamierung bekenntnistreuer derTötungHitlers sollte eineAktion einsetzen, die mit gefährlicher, als bis zum Ende des Krieges zur Fahne Christen, die Vorbereitung der Angriffskriege hatten Billigung der NS-Führung geplant worden war, um zu stehen, die das Hakenkreuz trug, wie es viele taten, ihn nicht in dem Maße empört, wie das politisch kor­ Aufstände im Reich zu unterdrücken. Das Attentat die ihre Feigheitals Eidestreueverklärten. rekte Nachlebende erwartenwollten. sollte die Voraussetzung für die Einleitung der Opera- Wenn sich aber die Stammtischstrategen nach 1945 Die Reaktionen derjenigen Historiker und Publizis­ tion Walküre schaffen, die Zernierung der Nazis, die selbst bescheinigen wollten, klüger, besser und wir­ ten, die den Widerstand zum Aufstand des Gewissens Besetzung von Schlüsselpositionen in Berlin, die Iso­ kungsvoller als Stauffenberg gehandelt zu haben, so erhöhten, zielten deshalb oftmals darauf, Stauffen­ lierung des Führerhauptquartiers. stand .dieses Gerede im Widerspruch zu den Stim­ berg mit tausendfach erfragten Zitaten der Überle• Die Aktion schlug fehl, auch, weil in Berlin die Be­ mungen der Zeit. Wenn man in den Fünfziger Jahren benden von jedem Schatten zu reinigen, der nicht zu­ fehle zu spät abgesetzt worden waren. Das war nicht den Deutschen prophezeit hätte, dass einmal die bei­ letzt in seiner Karriere sichtbar wurde. Historiker Stauffenbergs Schuld. Er bemühte sich nach seiner den großen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten stützten sich aufZeugenaussagen, die nicht selten auf Rückkehr, die Wehrkreise zu mobilisieren. Aber nur in mit diesem Thema um Quoten kämpfen würden, so die Diskussionen, Diffamierungen und Vorbehalte Paris konnte die Gestapo gefangen gesetzt werden. hätte man das als Phantasterei abgetan. Beruhigen reagierten, mit denen Stauffenberg nicht zuletzt auch Die meisten verweigerten sich. Alle haben uns verlas­ dürfen wir uns deshalb nicht. Stauffenbergs Ziele ver­ unter dem Eindruck der geschichtspolitischen Legi­ sen, das war die Einsicht Stauffenbergs in den Stun­ wandeln sich den Nachlebenden nicht von selbst an . timationskonflikte im geteilten Deutschland in das den vor seiner Erschießung in der Nacht zum 21. Juli Traditionen fallen einem nicht in den Schoß. Sie müs• Zwielicht von Kooperation und Gehorsam gerückt 1944. sen erarbeitet werden. Gerade dann, wenn zeitliche wurde. So sehr er immer wieder überhöht wurde, so unan­ Distanz überbrückt, befremdende Wertvorstellungen Immer wieder erwähnte man, der spätere Attentä• gemessen ist es, ihn aus der Haltung der Mitläufer zu nachempfunden werden müssen. Dabei kann der ter sei am Tag der Machtergreifungan der Spitze eines bewerten. Er schaute - gewiss zu spät, aber immerhin Film helfen. Denn gerade weil Geschichtsbilder nicht Zuges von begeistert jubelnden Bambergern gesehen - genau hin und durchschaute das NS-System in allen mehr durch Erzählungen oder Schulunterricht ge­ worden. Dass darüber erstmals fünf Jahre nach dem verbrecherischen Aspekten. Er empörte sich und schaffen werden, sondern medial vermittelt sind, Krieg berichtet worden war und dass ein politisch be­ handelte, ohne Rücksicht aufsich und seine Angehö• werden filmische Geschichtsdarstellungen wichtig. lasteter deutscher General diese Geschichte geradezu rigen, die in Sippenhaft kamen. Sein Bruder Berthold Allerdings ersetzen sie nicht die eigene Anstrengung begeistert mit dem Ziel seiner Entlastung kolportiert wurde am 10. August gehängt. des Gedanken - schon gar nicht, wenn es um den Wi­ hatte, thematisierte man nicht. Dabei war offensicht­ Heute ist Stauffenberg in der deutschen Gesell­ derstand geht. lich, dass Stauffenbergs angebliches Versagen als Ent­ schaft angekommen. Filme wie Io Baiers "Stauffen- . Stauffenberg sei "unser", hatte ein deutscher Kanz­ lastung für das eigene Fehlverhalten diente. Wenn berg" erreichen Millionen Zuschauer. In Stuttgart ler Jahrzehnte nach demAttentat vom 20. Juli 1944 er­ Stauffenberg sogar begeistert war, wie konnte man wurde eine Stauffenberg-Gesellschaft gegründet, im klärt. Er befandsich damals im Einklang mit den meis­ dann Mitläufern ihreVerblendung anlasten. Alten Schloss hat man eine Gedenkstätte eingerichtet, ten Deutschen. Das war nicht immer so. Den Natio­ Heute sollte man das Leben Stauffonbergs anders im Familiensitz Lautlingen wurde am 100. Geburtstag nalsozialisten galt Stauffenberg als Verräter. Viele sei­ würdigen. Er überwand - spät, gewiss zu spät - eine eine weitere Gedenkstätte eingeweiht, in Berlin erin­ ner Kameraden haben dieses Urteil weit in die fünfzi• Position, die er ursprünglich weitgehend mit den Na­ nerte der Verteidigungsminister an Stauffenberg und ger Jahre hinein getragen und die deutsche Gesell­ tionalsozialisten geteilt hatte. Bis heute stellt sich die integrierte ihn noch einmal in das Geschichtsbild der; schaft beeinflusst. Nach Stauffenbergeine Straße oder Frage nach den Voraussetzungen seiner Entschei­ Bundeswehr, die einen ihrer Traditionsstränge auf gar eine Schule zu nennen, hatten große Teile der Be­ dung gegen die Machthaber. Sie lässt sich auf wenige den Widerstand .bezieht. Nicht vergessen darf man völkerung lange abgelehnt. An deutschen Stammti­ entscheidende Monate eingrenzen. Denn Stauffen­ aber, dass Stauffenberg keinen Militärputsch anstreb­ schen hatte man zudem ein klares Urteil und lenkte berg stieß erst 1942 zu den Verschwörern und rückte te; sondern einen Umbruch. Er selbst hätte sich mit von der eigenen Folgebereitschaft ab: zu spät gehan­ erst Ende 1943 aufgrundeinerschwerenVerwundung, der Funktion eines Staatssekretärs begnügt. Einen delt, zu dilettantisch agiert, zu rückwärtsgewandt ori­ die ihn endgültig zum Verwaltungsoffizier machte, in Putsch strebte er nicht an, sondern einen Umbruch, entiert sei Stauffenberggewesen. die entscheidende Position im Zentrum der Macht der Deutschland die Rückkehr in den Kreis der zivili­ Mit dem Attentat tat man sich so schwer wie mit ein, die ihm Zugang zu Hitler und damit die Möglich- sierten Nationen bahnen sollte. November 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1578

Diesen Weg schlug die deutsche Politik dann ein. hatte und die er allen anderen Überlegungen, die. man Stauffenbergs Leben von Anfang her denken, Stauffenberg wurde dabei zunächst fast vergessen. sein Handeln hätten lähmen können, unterordnete. ein Leben, das er vorwärts lebte, das nur wir Nach­ Dann rückte er in eine Ferne, die den Menschen Seine Frau und seine Kinder liebte er, aber deshalb lebenden rückwärts verstehen, um ein Wort Hölder• Stauffenberg aus dem Blick verlor: den Freund, den verleugnete er nicht seine Pflicht. So sticht er aus lins abzuwandeln. Anhänger Georges, den Schüler, der als Externer der Gruppe von Menschen heraus, die Hannah A­ Traditionen fallen uns nicht in den Schoß, wir sein Abitur nachmachte, um mit familiären Bezie­ rendt einmäI als die großen Abenteurer des 20. müssen sie erarbeiten. Dabei lassen wir uns helfen, hungen in ein Traditionsregiment einzurücken, in Jahrhunderts bezeichnet hat: die Familienväter, de­ durch Bücher, durch Vorträge, durch Filme, durch dem auch Verwandte gedient hatten. Man fragte nen man alles befehlen und alles zumuten kann, Ausstellungen. Ich freue mich, dass nun gerade in nicht mehr nach den Rahmenbedingungen seiner weil sie überleben und ihre Familie schützen wol­ Lautlingen an Stauffenberg erinnert wird, auf eine Karriere, maß ihn an wenigen überlieferten Schrif­ len. Weise, die den Nachvollzug seines Lebens gestattet. ten, stilisierte ihn zu einem Offizier von den Dimen­ So wird Maß gegeben. Gewiss: Dass Hollywood sionen Gneisenaus und verlor das Gespür für die Ei­ einen Actionfilm vorbereitet, könnte ebenso Chance . genschaft, die ihn besonders auszeichnete: Zivilität, wie Gefährdung angemessenen Erinnerns sein. Das Maß, Disziplin, Kultur. ·Er spielte Cello und las die aber bleibt abzuwarten. Was vorliegt, das kann be­ Gedichte des von ihm verehrten Stefan George , wertet werden. Wie diese Ausstellung, wie die Be­ während andere im Casino tranken, redeten, das mühung der Gemeinde, wie das bürgerschaftliehe große Wort führten. Man übersah den Ehemann, Engagement derjenigen, die jetzt Besucher, unter den Familienvater, den Kameraden. Und so übersah ihnen hoffentlich viele Schüler, durch die Ausstel­ man die konkreten Entscheidungen, die in den Wi­ lung führen, und nicht zuletzt durch das Interesse derstand, in die befreiende Tat, in eine Situation derjenigen, die hier Stauffenberg, dem Menschen, führten, die sein Bruder Alexander als "ganz Tat" Deshalb findet ich es absurd, dass ein Schauspieler, seiner Herkunft, seiner Familie und seiner Zeit, sei­ bezeichnet hatte. wie gut oder wie schlecht er ist, von einem Regisseur ner mörderischen Gegenwart, begegnen können. eine neue Rolle zugeschrieben bekommt: Stauffen­ Das wünsche ich allen, die Zeit, Kraft und Geld in . Stauffenberg macht deutlich: Gefährdet ist der berg zu erhöhen. Wer sind wir, dass wir sagen kön• diese Art bürgerschaftlicher Erinnerungsarbeit ge­ historische Protagonist durch Heroisierungen, die nen, eine heroische Tat? Wer sind wir, dass wir uns steckt haben. Er hat sich, allen Kritikerrufen zum die Nachwelt vornimmt. Sie formuliert ein Maß, das einbilden, Schau-spieler könnten Menschen zusätz• Trotz, inzwischen einen Platz im Gedächtnis der sich schließlich gegen den Geehrten wendet. Diese liche Bedeutung - Erhöhung eben - zuteilen? Und Deutschen gesichert, in seiner Breite und Vielfalt, Gefahr hatte PerikIes bereits erkannt, als er im Pelo­ wenn dieser Regisseur dann publizistische Unter­ auch in seiner Widersprüchlichkeit. Niemand ver­ ponnesischen Krieg die erste große Totenrede hal­ stützung erhält durch die These: In Deutschland körpert dies besser als Stauffenberg, als Tresckow, ten musste [Athen gegen Sparta, 431-404 v.Chr.]. dürfe Stauffenberg heute nicht einmal sich selbst als manche der Regimegegner, die Positionen über• Die einen würden sagen, dass die geehrten Toten spielen, weil er sich an Stefan George orientierte, der wanden, die sie, zumindest teilweise, mit den Na­ größer als geschildert waren, die anderen würden gedeutet wird wie ein Sektenanführer, dann ist auch tionalsozialisten geteilt hatten. Sie trauten sich zu, dagegen Widerspruch einlegen und betonen: so das mehr als abwegig. Denn in der modernen, poli­ Verantwortung zu übernehmen, obwohl und weil sie groß, wie geschildert, waren sie nicht. Es geht um tisch-ethisch orientierten und Wertmaßstäbe rekon­ wussten, das Diktaturen immer schuldig machen. das menschliche Maß, das wir begreifen müssen. struierenden, das heißt nachvollziehenden Wider­ Insofern ist zu hoffen, dass wir wirklich durchden­ Denn Stauffenberg war ein Mensch, der seine Ver­ standsgeschichte kommt es darauf an, Entschei­ ken, was Reinhold Schneider meinte, als er schrieb: antwortung wahrnahm, weil er Schuld empfinden dungspunkte zu finden, zu erklären, warum Men­ "Gehen Sie mitten hinein! Retten werden Sie nichts, und Verpflichtungen daraus ableiten konnte. Er schen klarer sahen als andere, weshalb sie sich über denn der Herr rettet, nicht die Menschen. Werden ' handelte nicht, um sich zu retten, sondern um die das, was sie sagen, empörten, weshalb sie ihre Em­ Sie zum Zeugen, mitten im Feuer! Aber Sie müssen Dinge zu wenden, aus Notwendigkeit, die er erkannt pörung in eine Tat münden ließen. Deshalb muss wissen, wofür Sie einstehen sollen."

"Getreu und gehorsam" Wie drei Ortschaften aus dem Kreis zu Württemberg kamen - Von Volker Trugenberger - Teil 2 Zurück zu Württemberg: Einen Vorgeschmack, wie Wirtemberg unseren.Schutzherrn gehabt, itzo aber gelungen, Bayern, Baden und Württemberg auf seine der Herzog vonWürttemberg mit den Schenken von haben wir wirklich an Wirtemberg unseren Sturzher­ Seite zu ziehen. Stauffenberg umzugehen dachte, gab es bei der Säku• ren gefunden.'10) Für das Bündnis mit Frankreich sagte Napoleon larisation des Franziskanerinnenklosters Margret­ Der Herzog von Württemberg kam durch den dem württembergischen Kurfürsten Friedrich die hausen im ' Rahmen des Reichsdeputationshaupt­ Reichsdeputationshauptschluss vom März 1803 nicht Souveränität für Württemberg und Gebietserweite­ schlusses. Bereits im Oktober 1802, ein halbes Jahr nur in den Besitz vieler Klöster wie Margrethausen rungen insbesondere durch Herrschaften der Reichs­ vor der Verabschiedung des Reichsdeputations­ und mancher Reichsstadt wie Rottweil, sondern wur­ ritter zu. Frankreich schützte die Reichsritter - wie hauptschlusses, ergriff im Vorgriff auf die zu erwar­ de auch zum Kurfürsten erhoben. noch 1803-nichtmehr.ll) tenden Regelungen Württemberg von dem Kloster Die Reichsritterschaft konnte im Reichsdeputati­ Ob die Zusage Napoleons eingelöst werden konnte, Besitz. Der Ortsherr von Margrethausen, der Graf onshauptschluss allerdings ihre Unabhängigkeit be­ hing vom Kriegsverlauf ab. Am 17. Oktober 1805 kapi­ Schenkvon Stauffenberg, wurde nicht gefragt. wahren. Bayrische und württembergische Forderun­ tulierte der österreichische General Mack in Ulm vor Von stauffenbergischer Seite protestierte man ver­ gen nach Mediatisierung, also Eingliederung in die den Franzosen, vier Wochen später, am 13. Novem­ gebens unter Hinweis auf die andurch ganz offenbar größeren Staaten, waren im Vorfeld abgelehnt wor­ ber, wurde Wien durch Napoleon besetzt. Die süd• verletzte Reichsgräflich Stauffenbergisch Lautlingi­ den, nicht zuletzt dank der Unterstützung Frank­ deutschen Verbündeten Napoleons hatten jetzt freie sehe TerritorialHoheit, inner welcher gedachtes an­ reichs. Diese hatte sich die Reichsritterschaft durch Hand, sich der reichsritterschaftliehen Herrschaften hero dienstbares Kloster nebst ihren hohe Bestechungssummenan französische Diploma­ zu bemächtigen. Zugehörungen. .. sich durchaus befindet. Der zu­ ten, namentlich den französischen Außenminister ständige württembergische Besitzergreifungskom­ Talleyrand, erkauft. missar Weckerlin schickte einfach auf höchsten Be­ Doch bereits noch 1803 besetzte Bayern ritter­ Württembergische Besitzergreifung fehl jene anmaßliehe Protestation in der Original-An­ schaftliehe Gebiete in der Nähe seines Territoriums, lage mit dem Anfügen zurück, das man Herzoglicher und andere Fürsten folgten sofort diesem Beispiel. Am 19. November 1805 erging ein Edikt Kurfürst Seits ganz keine Rücksicht aufdie vermeynte Anspra­ Unter Androhung militärischer Gewalt wurden die Friedrichs von Württemberg.12) Darin erklärte er, er che dortseitigen Herrschaft zu nehmen gesint sey. Es Fürsten allerdings 1804 vom Kaiser noch einmal zu­ habe es für höchstwichtig und nothwendig erachtet, galt das Recht des Stärkeren. rückgepfiffen. der jezigen Lage der Dinge angemessene Vorkehrun­ Immerhin bescherte die Säkularisation des Klosters Der Ablauf der Säkularisation der Klöster im Vor­ gen zu treffen, wodurch in dem ganzen Umfang Un­ Margrethausen durch Württemberg der stauffenber­ feld des Reichsdeputationshauptschlusses und die serer Staaten und in jeder mit den Zeit-Umständen in . gisehen Seite eine gewisse Genugtuung. Die Nonnen Vorgänge um die Besetzungritterschaftlicher Besit­ Verbindung stehenden Rüksicht eine vollkommene hatten sich nämlich seit dem Spätmittelalter bei Kon­ zungen 1803/4 hatten zweierlei gezeigt.nämlich Gleichförmigkeit hervorgebracht werde. Er habe sich flikten mit dem Ortsherren immer wieder an Würt• 1) dass das Schicksal der Reichsritterschaft we­ deshalb entschlossen, unter anderem alle in und an temberg um Hilfe gewandt, die Württemberg selbst sentlich davon abhing, ob der Kaiser, gegebenenfalls Unseren Churfürstlichen alten und neuen Staatenl3) nach der Einführung der Reformation immer gerne auch Frankreich eine schützende Hand über sie hal­ liegenden Ritterschaftliehe Besizungen... in Besiz gewährt hatte. Dabei ging es Württemberg natürlich ten wollte und konnte; nehmenzu lassen. in erster Linie nicht darum, den Nonnen zu helfen, 2) dass es bei einer Mediatisierungder Reichsrit­ Die württembergischen Oberamtleute erhielten Be­ sondern darum, es dem Schenken von Stauffenberg terschaft für die Fürsten wichtig sein würde, bereits fehl, alle dergleichen in dem Euch gnädigst anvertrau­ zu zeigen. Nach der Säkularisation Margrethausens vor einer endgültigen Regelung Fakten zu schaffen, ten Oberamt und an dessen Gränzen gelegenen Orten '> konnte der stauffenbergische Oberamtmann Endres indem man die Gebiete, die man haben wollte, be­ und Besizungen mitteIst Affigirung [das heißt: An­ seinem Grafen resignierend und zugleich schaden­ setzte. bringung] der beigeschlossenen Proklamationen und froh nun berichten: Sollte man jedoch seine gerechte 1805 brach der Dritte Koalitionskrieg zwischen den Aufstellung Unseres Landeshoheits-Zeichens an die Sache gegen Wirtemberg zu verfechten unvermögend verbündeten England, Russland und Österreich (und Stelle des bisherigen in Besiz und die Orts-Vorsteher seyn, so bleibet den Klosterfrauen das Kläg. Lied zu damit dem Kaiser) sowie Schweden gegen das Frank­ gegen Uns in Pflichten zu nehmen. singen übrig: .wir haben schon seit 1491 und 92 an reich Napoleons aus. Diesem war es bis Oktober 1805 (Fortsetzung folgt) .Seite 1579 Heimatkundliehe Blätter November 2007 Das Balinger Strasser-Areal Die Schuh-Fabrik Georg Strassers 37) - Von.Dr. Ingrid Helber - Schluss Quellennachweis 73) Ebd. 118) Registratur Städt. Hochbauamt Balingen. 74) Dank für den freundlichen Hinweis an Stadtarchivar Dr. 119) Ebd. und Anmerkun en Hans Schimpf-Reinhardt. 120) Ebd. 75) StAB, Schuhfabrik Strasser, Briefkopf. 121) Ebd. 37) Der Aufsatz basiert aufderRede vom11.Juni 2007 anläss• 76) StAb. Wilhelm Strasser, Werdegang. 122) Vgl. Harald Winkel: Kapitalquellen und Industrialisie­ IichderHauptversammlung des Bürgervereins Balingen im 77) Ebd. rungsprozess. In: Otto Borst (Hg.): Wege in die Welt. Die Zollernschloss in Balingen. 78) Ebd. Industrie im deutschen Südwesten seit Ausgang des 18. 38) Georg Strasser (1831 -1897). In: Pioniere derdeutschen . 79) Steinhart, Balingen 1918 - 1948,·S. 95- 99. Abb. S. 98, Jahrhunderts. S. 107- 128. Schuhwirtschaft. 25. Folge. Schuhfabrikanten-Zeitung, Der Volksfreund vom20.8. 1925. 123) Der Landkreis Balingen, Band 2,S.49f.. Frankfurt/Main o.J. 80) Ebd., S. 105f. Volksfreund Nr. 168vom22. 6. undNr.171 124) Boelke, Wirtschaftsgeschichte Baden-Württembergs, S. 39) StAb, Schuhfabrik Strasser. Dank für die freundliche Mit­ vom 26.6.sowie Nr.174vom29. 7.1926. 518ft. . teilung an den Enkel von Wilhelm Strasser, Herrn Ingo 81) Edb., S. 113. 125) Ebd., S. 673ff. Haas, Balingen. Wilhelm Strasser war auch Gemeinderat. 82) Ebd., S. 118und120. 126) Eugen Gröner: Inderältesten Balinger Schuhfabrik wurde Vgl. Margarete Steinhart: Balingen 1918- 1948. Klein­ 83) Monika Schwedhelm: Industrie in Balingen. In: 750Jahre erstgenäht. ImZollern-Alb-Kurier vom11 . 11.1992. stadt im Wandel. Veröft. des Stadtarchivs Balingen Band Stadt Balingen, S.248f. . 127) Ingrid Helber: Industriearchitektur in derStadt Böblingen. 3, Balingen 1991. Hier S. 104mitAbbildung, 1923 - 1928. 84) Registratur Städt. Hochbauamt Balingen. In: Böblingen. Vom Mammutzahn zum Mikrochip. ImAuf­ . 40) Ebd.,S.217. 85) StAB, MaxHildinger: Erinnerungen eines Hans Sachs Jün• trag der Stadt Böblingen hrsg. von Söhnke Lorenz und 41) Meier, Handwerk imvorindustriellen Balingen, S. 222. gers. S. 26. . Günter Scholz, Filderstadt2003. S.318- 327. 42) Ingrid Helber: Vereine in Balingen. In:750Jahre Stadt Ba­ 86) Evangelische Kirchengemeinde Balingen, Familienregister 128) Helber, Industriearchitektur in Albstadt, Band 1, S. 256ff. Iingen, S. 474. Band 111 , S. 355ff. Hier Gebr. Haux. 43) Einwohner- undHeimatbuch der Kreisstadt Balingen. Ba- 87) StAB, Wilhelm Strasser, Werdegang. 129) Ebd., Band 1, S. 326ft. Iingen 1936, S. 16. 88) Hildinger, Erinnerungen, S. 27. 130) Helber, Industriearchitektur inAlbstadt, Band 2, S. 84f. 44) StAB, B621. 89) Willi A. Boelke: Wirtschaftsgeschichte Baden-Württem- 131) Kreuzberger, Fabrikbauten in Stuttgart, Rundwirkmaschi­ 45) StAB, B574. bergs vonden Römern bisheute. Stuttgart 1987. S. 518. nenfabrik C. Terrot Söhne, S. 21 Of. 46) StAB, B575. 90) Hildinger, Erinnerungen, S. 27. 132) Ingrid Helber: Industriearchitektur in Böblingen mit Ver­ 47) Evangelische Kirchengemeinde Balingen, Familienregister 91) StAB,Erhebungvom27.1 .1947. gleichsbeispielen aus dem Kreisgebiet. In: Leben mit Ver­ Band 111, S. 355ft. 92) Schwedhelm, Industrie in Balingen, S. 238- 254. Hier S. gangenheit. Jahrbuch des Heimatgeschichtsvereins für 48) StAB, B715, S. 352ff.Die Eintragung im Güterbuch zuJo­ 251. Schönbuch und Gäu e.V. Hrsg. vonGerald MaierundHa­ hann Georg Strasser steht eingeschoben unter .Hannß 93) www.hessischeswirtschaftsarchiv.de/bestaende/135.html. raidMüller-Baur. Band 4.2004. S. 59- 72. MartinSting, Biersieder" , dem Großvater Catharina Stras­ Zugrift18.7.2007. 133) Ingrid Helber: Kunst- und Kulturdenkmale im Zollernalb­ sers sowie deren Vater Johann Georg Sting. 94) http://de.wikipedia.org/wiki/Salamander %Schuhe%29. kreis. Hrsg. vom Zollernalbkreis. Zollernalb-Profile Reihe 49) StAB, B715, Band 111, S. 352f. _ Zugriff 18.7.2007. Heike Bertram: Das Wandern der Band 1. Schriftenreihe des Zollernalbkreises. Stuttgart 50) StAB, B575. _ Schuhindustrie innerhalb Europas. Geographische Rund­ 2001. S.15. 51) StAB, Georg Strasser, Pioniere derSchuhwirtschaft. schau Jg. 57 Nr. 12, 2007, S. 46-53. Michael Nemes: 134) z. B.www.schuhmuseum.deoderwww.deutsches-schuhmuseum.de 52) StAB, B575. Strukturwandel derösterreichischen Schuhindustrie 1990 53) StAB, Georg Strasser, Pioniere derSchuhwirtschaft. Innsbruck Univ. Dipl.-Arb. 1990. 54) Evangelische Kirchengemeinde Balingen, Familienregister 95) http.llde.wikipedia.org/wiki/Geschichte_deUtadUirmasens. Band 111, S. 355ft. Xxx Zugriff 18.7.2007. 55) StAB, Wilhelm Strasser: Werdegang der Fa. G. Strasser 96) Dank für diefreundliche Information anFrau Susanne Bra- Schuhfabrik Balingen. Handschriftlich Balingen 1951. bant, Balingen 56) Ebd. 97) StAB, B620. 57) StAB, Georg Strasser, Pioniere derSchuhwirtschaft. Es sol- 98) StAB, B911 (Inventuren undTeilungen). DieAutoren dieserAusgabe: lendamals 50Gesellen beschäftigt gewesen sein. 99) StAB, B566undB655. 58) StAB, B576. 100) StAB, B904, Nr.79(Inventuren undTeilungen). 59) StAB, B577 101) StAB, B913Nr. 100(Inventuren undTeilungen). 60) Evangelische Kirchengemeinde Balingen, Familienregister . 102) StAB, B620. Prof. Dr. PeterSteinbach Band 111, S. 355ff. 103) StAB, B658. Universität Mannheim 61) StAB, B 980 (Inventuren und Teilungen) 11 1187 vom 104) StAB, B939,1652, (Inventuren undTeilungen) Historisches Institut 13.130. Dez. 1880. 105) StAB, B925, 1124, (Inventuren undTeilungen). Bei seinem 62) StAB, Wilhelm Strasser, Werdegang. Tod wurde das Vermögen auf17.181 fl ermittelt. 68131 Mannheim 63) StAB, B578. 106) StAB, B939,1652. 64) StAB, B579. 107) StAB, B658. 65) StAB, Wilhelm Strasser, Werdegang. 108) StAB, Wilhelm Strasser, Werdegang. 66) Ebd. ' 109) Registratur Städt. Hochbauamt Balingen. VolkerTrugenberger 67) Ebd. 110) StAB, Wilhelm Strasser, Werdegang. Finkenweg6 68) Ebd. 111) Ebd. 72488 Sigmaringen 112) Registratur Städt. Hochbauamt Balingen. 69) http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Stadt] ir­ 113) Helber, Fabrikarchitektur inAlbstadt, Band 1, S. 399. masens. Xxx Zugriff18.7.2007. 114) StAB. 70) StAB, B580. 115) Registratur Städt. Hochbauamt Balingen. Dr. Ingrid HeIber 71) StAb, Wilhelm Strasser, Werdegang. 116) Ebd. 72) Ebd. 117) StAB, Wilhelm Strasser, Werdegang. Westerwaldstr.17 72336 Balingen

- Mitte )anuar findet untet 'der Leitung Von klm c en ere'imgung unter der er ung von Herausgegebenvon der Ingeborg Pemsel eine Krippenfahrt nach Hans Geißler. Am Januar kommenden Jahres HeimatkundlichenVereinigung ."Augsburg statt. Der Termin wird noch bekannt wird Dr. Peter Thaddäus Lang den Stammtisch Zollernalb '7gegeben. . leiten. Vorsitzender: Christoph Roller,Am Heuberg 14, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 77 82

Geschäftsführung: Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Hechingen Telefon (07471) 1 5540 E-Mall: [email protected]

Redaktion: - Jeweils am ersten Mittwoch des Monats Daniel Seeburger. Grünewaldstraße 15,­ trifft sich der Ebinger Stammtisch der Heimat- 72336 Balingen,Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 . He~dJicheVereinigung ZollernafueV

Jahrgang 54 31. Dezember 2007 Nr.12 Kuckuck, ruft's aus dem Wald 11 " Der Kuckuck ist der Vogel des Jahres 2008 - Von Dr. Karl-Eugen Maulbetsch Ein durch Kinderlieder und vielerlei Redensarten, Mythen und Geschichten sowie durch die Kuckucks­ uhr sehr populärer und bekannter Nicht-Singvogel bekam den Titel "Vogel des Jahres". Trotz des hohen Bekanntheitsgrades ist er in manchen Regionen sel­ ten geworden. Gründe dafür sind u. a. die Prägung auf bestimmte Wirtsvögel, der Landschaftsverbrauch, der Trend zu imm er großflächigeren Monokulturen und der Kli­ mawandel. Die Verbände, der Naturschutzbund Deutschland und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern , werben mit dieser Wahl für den Erhalt geeig­ neter Leben sräume. Die Kuckucke bilden eine eigene Ordnung. Viele Vertreter bauen Nester und legen weiße Eier. Der eu­ ropäische Kuckuck (Cuculus canorus), ein Mitglied einer Unterfamilie mit dem Namen "Eigentliche Kuckucke oder Gauche" ist, ebenso wie die anderen Vertreter dieser Gruppe, ein Brutparasit. Die Beziehungen der Menschen zu dieser Vogelart sind vielfältig. Der Kuckuck gilt als Frühlingsbote. Zahlreiche Kinderlieder, Volksweisen und Gedichte künden davon. Bekannt sind die Lieder: "Kuckuck, Kuckuck rufts aus dem Wald", "der Kuckuck und der Esel", "Winter ade, Scheiden tut weh" zu denen Hoffmann von Fallersleben die Texte schrieb sowie die Volksweise aus dem Bergischen: "Auf einem Baum ein Kuckuck saß". Die Melodien verwenden als Tonabstände die kleine und die große Terz, abgeleitet von den Tonintervallen des Kuckuck -Doppelrufes. Auch in der klassischen Musikliteratur tauchen die Kuckucksterzen auf. So in der Sinfonie Nr. 1 von Gu­ stav Mahler oder in dem Werk "Karneval der Tiere" des französischen Komponisten Camille Saint-Saens. Der einprägsame Ruf und die parasitäre Lebens­ weise haben ebenfalls die Volksfantasie angeregt und zu verschiedenen Sitten, Gebräuchen und Redensar­ ten geführt. So soll in manchen Gegenden der Blickin den Geldbeutel beim ersten Ruf des Kuckucks über die finanzielle Situation während des Jahres ent­ scheiden. Auch die Anzahl der Rufe ist mancherorts von Bedeutung. Die weiteren Lebensjahre werden davon abgeleitet. Ausrufe wie: "zum Kuckuck noch mal", .hols der Kuckuck", "der Kuckuck ist los" oder "scher dich zum Kuckuck" bringen den Kuckuck mit dem Teufel in Zu­ sammenhang. Dies geschah etwa ab dem 16. Jahr­ der Flüsse Kocher und Jagst, im Vorland der Schwäbi• Ende des Schwanzes gemessene Länge beträgt rund hundert. Die Redewendung "jemanden ein Kuckuck­ schen Alb, in der Donauniederung und im Bodensee­ 34 cm. Rücken und Kopf sind beim Männchen schie­ sei ins Nest legen" bedeutet im weitergehenden Sinn, becken. Das Bild der vertikalen Verbreitung zeigt ab fergrau. Die hellere Unterseite ist ähnlich wie beim jemanden etwas heimlich unterschieben. Vorstellun­ etwa 600 m in einigen Landesteilen z. B. im Schwarz­ Sperber dunkel quer gebändert. Beim mehr rostfar­ gen deren Inhalte nicht zu verwirklichen sind oder wald und aufderSchwäbischenAlb einige Lücken . ben getönten Weibchen ist die Bänderung etwas Träumereien werden mit "Leben im Wolken­ schwächer und sie beginnt bereits bei der Kehle. Der kuckucksheim" umschrieben. Wanderungenund Zug Kuckuck unterscheidet sich vom Sperber durch den Die Kuckucke gehören wie z. B. die Mauersegler nur leicht gebogenen Schnabel, durch den relativlan­ Verbreitung oder die Pirole zu den Langstreckenziehern. Das gen abgerundeten und weiß gefleckten Schwanz und Die Brutgebiete des europäischen Kuckucks erstre­ Hauptüberwinterungsgebiet liegt in Afrika südlich durch die spitzen Flügel. cken sich von der mediterranen Zone im Süden bis in der Sahara. Die Zugrouten unserer heimischen Popu­ Von einem Baum oder Busch ertönt der meist zwei­ den Gürtel des borealen Nadelwaldes in Skandinavi­ lationen dürften in südwestlicher Richtung über die silbige Ruf "gu-kuh". Die Lautäußerungen erfolgen en. Die Nordgrenze verläuft hier etwa um den 70. Iberische Halbinsel verlaufen. Die tagaktiven adulten mit vorgestrecktem Körper und mit hängenden Flü• Breitengrad. In Westeuropa ist allein Island nicht be­ Kuckucke ziehen ab August einzeln und bei Nacht aus geln. Die Männchen grenzen damit ihre Reviere ab siedelt. Im Osten reichen die Areale vom osteuropäi­ den Brutgebieten vor den Jungvögeln ab. Der Heim­ und nehmen mit Weibchen Kontakt auf. Bei starker schen Tiefland über die Taiga bis nach Kamtschatka. zug in die Brutareale beginnt hauptsächlich ab der Erregung kommen auch fauchende Rufe vor, die zum Die Nordgrenze schwankt um den Polarkreis und die zweiten Aprilhälfte und dauert bis in den Mai. Die Vö• lautnachahmenden alten deutschen Namen "Gauch" Südgrenze umfasst noch das Südchinesische Berg­ gel bewältigen dabei eine Gesamtflugstrecke zwi­ geführt haben. Die Weibchen machen sich mit triller­ land. Verbreitungslücken gibt es in den winterkalten schen 8000 und 12000 km. Die pro Tag zurückgelegte artigen Lauten bemerkbar. Halbwüsten- und Wüstengebieten östlich des Kaspi­ Strecke beträgt etwa 50 km. Der bei uns heimische Kuckuck istdie einzige Art in sehen Meeres und im Hochland von Tibet. Die Mitteleuropa. In Spanien und in einigen anderen Ge­ Schwerpunkte in Baden-Württemberg liegen in den Kennzeichen und Gesang, Verwandte genden des Mittelmeerraumes kommt noch ein Ver­ tieferen Lagen des Lande s sowie in halb offenen, reich Der im Flug leicht mit dem Sperber verwechselbare wandter, der Häherkuckuck, vor. Dieser legt seine Bi- gegliederten Landschaften. Dazu gehören Gebiete in Kuckuck ist etwa so groß wie sein Jahresvogel-Vor­ . er in die Nester größerer Wirtsvögel , z. B. in Krähen ­ der Oberrheinebene, im Neckarbecken, in den Tälern gänger, derTurmfalke. Die von der Schnabelspitze bis und Elsternnester, und bei ihm fehlt der Trieb Eier Seite 1581 Heimatkundliehe Blätter Dezember 2007 '.' und Nestlinge der Pflegeeltern zu entfernen. Sie sind dem Verlassen des durch ihre hellgraue Federhaube und die weiße Un­ Nestes wird der Jung­ terseite von unsererArt gut zu unterscheiden. vogel noch einige Zeit von den Pflegeel­ Lebensraum und Brutbiologie tern gefüttert. Ab Au­ Der Kuckuck bewohnt aufgelockerte, vielfältig gust begeben sich die strukturierte Landschaften wie Heiden, Moore, Mar­ Jungkuckucke auf schen, Riede, Flussauen und Sumpfgebiete. In Wald­ den Zug in das tropi­ gebieten bevorzugt er Lichtungen, ältere Kahlhiebs­ sche Afrika. Dies, und Windwurfflächen. Als ' Habitate werden auch obwohl sie ihre ei­ gerne Landschaften angenommen, in denen Streu­ gentlichen Eltern obstwiesen mit Wiesen, Feldgehölzen, Steinriegeln nicht kennen und die und Äckern abwechseln. Auf dem Zug kann man ihn Pflegeeltern unter­ öfter aufZäunen von Viehweiden beobachten (Beob­ schiedliche Überwin• achtungen von C. und K. E. Maulbetsch in der Weide terungsgebiete auf­ der Domäne Bronnhaupten, angrenzend an das Ge­ suchen. Vererbte wann Nachtigall, am 28.7.03 und am4. 5. 04). Programme steuern Unser Kuckuck gehört zu den Brutschmarotzern. dieses Verhalten. Er baut keine Nester, überlässt die Bebrütung der Eier .und die Aufzucht der Jungen anderen Arten. Das Bestandund Weibchen legt 8 bis 15, gelegentlich bis zu 25 Eier, in Siediungsdichte: die Nester anderer Vögel, die kleiner sind als er selbst. Der Bestand in Eu­ In jedes Nest wird nur ein Ei gelegt. Die Wirtsvögel ropa wird auf 4.2 bis versuchen durchaus die Eiablage zu verhindern, in­ 8.6 Millionen Brut­ dem sie auf den Kuckuck zufliegen, auf ihn hassen, paare geschätzt. In aber das Männchen lenkt ab, so dass es dem Weib­ Deutschland leben chen schließlich gelingt ein Ei in das Nest zu legen. zwischen 51000 und Wird vorher noch eines durch den Kuckuck entfernt, 97 000 Paare. Fast alle dann wird der Fremdkörper meistens nicht als stö• Länder West- und rend empfunden. Es gibt jedoch auch Fälle, bei de­ Mitteleuropas mel­ nen das Gelege aufgegeben wird. Färbung und den seit einiger Zeit Bestandsrückgänge. In England weitungvon Siedlungen und für den Straßenbau, und Zeichnung des Eis gleichen oft demjenigen der Wirts­ gingen die Populationen um 60% zurück. Die Roten in der Ausräumung der Landschaft durch die Beseiti­ vogelart. Wahrscheinlich prägte sich das Kuckucks­ Listen der Schweiz und Luxemburgs führen den gung von Hecken, Feldgehölzen und Randstreifen weibchen seine Pflegeeltern und den entsprechen­ Kuckuck in den Kategorien potenziell gefährdet bzw.. sowie in der Trockenlegung von Feuchtgebieten zu den Nesttyp ein, um später nach ähnlichen Bedin­ gefährdet, In der Roten Liste der Brutvögel Deutsch­ suchen. Gehen z. B. Schilfbestände und damit Brut­ gungen zu suchen. Häufige Wirtsvögel sind der lands erscheint der Kuckuck in der Vorwarnliste und möglichkeiten für den Teichrohrsänger verloren, Teichrohrsänger, die Bachstelze, der Wiesenpieper, die Abnahmen von 1975 bis 1999 werden mit über dann wirkt sich dies auch aufden regionalen Bestand der Neuntöter, der Hausrotschwanz und das Rot­ 20% angegeben. Einige Bundesländer melden für die des Kuckucks aus. Auch der Klimawandel kann sich kehlchen. Für Baden-Württemberg sind 26 Arten si­ letzen 10 Jahre Minderungen zwischen 20 und 30%. für den Kuckuck negativ auswirken. Wenn einige sei­ cher als Wirtsvogelarten nachgewiesen (s. Tab.). Am stärksten davon betroffen sind die Länder Nord- ner Wirtsvögel, z. B. Rotkehlchen oder Hausrot­ schwanz, früher brüten, der Kuckuck aber als Lang­ streckenzieher seine Zugzeiten beibehält, dann hat er Tab.: Die wichtigstenWirtsvogelarten des Kuckucks in Baden-Württemberg, es immer schwerer solche Nesterzu finden, in denen (verändert nach: Hölzinger, J. und Mahler, U.: Die Vögel Baden-Württembergs, gerade mit der Eiablage begonnen wird. Ein weiterer Faktor ist der Mangel an Nahrung. Der Nicht-Singvögel 3, Der Kuckuck) Kuckuck als Insektenfresser bevorzugt Sehrnetter­ lingsraupen, insbesondere auch behaarte Raupen, die von anderen Vogelarten gemieden werden, Libel­ len und Heuschrecken. Käfer stehen ebenfalls auf Wirtsart Anteil in % dein Speiseplan. Durch den Einsatz von Insektiziden (448 Fälle,30 Wirtsvozelarten) verminderten sich die Angebote an Insekten und ent­ Bachstelze 33 sprechend auch die Populationen des Kuckucks. Ver­ Teichrohrsänger folgungen durch den Menschen, oft aufgrund von 31 Verwechslungen mit dem Sperber, führen ebenfalls Rotkehlchen 8 zu Verlusten. Waldlaubsänger 8 Damit der Kuckuck auch von künftigen Generatio­ Sumpfrohrsänger 3 nen gehört werden kann, schlagen die Verbände zur Sicherung seines Lebensraumes folgende Maßnah• Gartenrotschwanz 3 menvor: Heckenbraunelle 2.5 • Erhaltungundnaturnahe Entwicklung der Grauschnäpper 2 Auwälder, der Nieder- und Hochmoorgebiete; Zaunkönig Erhaltungvielfältig strukturierter 2 Landschaften; Gartengrasmücke 2 Ausweitungvon extensiv bewirtschafteten Flächen; Minimierungdes Einsatzes von Insektiziden; Beim spät brütenden Teichrohrsänger fallen die rhein-Westfalen, Niedersachsen, Saarland und Ba­ • Einstellung derVerfolgung durch Hauptlegezeiten zwischen Wirtsvogelart und den-Württemberg. Kartierungen in den Jahren den Menschen. Kuckuck in etwa zusammen. Bei Rotkehlchen und 1990-92 im Bodenseebecken zeigen im Vergleich zu Bachstelze erfolgt die Eiablage früher, so dass hier den Erhebungen 1980-81 eine Abnahme um 14.3%. mehrheitlich Zweitbruten von der Parasitierung be­ Geringere Meldungen deuten auch im Allgäu, im Be­ troffen sind. Die Brutdauer ist mit 11 bis 12 Tagen re­ reich der Südwestalb, in der Region Stuttgart und im Literatur: lativ kurz. Der nackte und blinde Jungkuckuck be­ Raum Göppingen auf beträchtliche Rückgänge hin. - Bauer, H.-G.IBerthold, P.:Die Brutvögel ginnt bald nach dem Schlupf alle Eier und Jungvögel Über die Siedlungsdichte liegen nur sehr wenige si­ Mitteleuropas, 1996 seinerWirtseltern aus dem Nest zu verdrängen. Dazu chere und neuere Angaben vor. Studien im Vorland Berthold, P.:Vogelzug, Darmstadt 2000 befördert er ein Ei nach dem anderen sowie die meis­ der Ostalb im Raum Giengen-Süßen (1995) lieferten Deutscher Rat für Vogelschutz, NABU-Natur­ ten Nestlinge der Zieheltern auf seinen Rücken und eine Dichte von 0.03 Reviere pro 10 ha. Aus Untersu­ schutzbund Deutschland: Berichte zum transportiert diese, indem.er sich rückwärts bewegt chungen am Stromberg (1999) konnte ein Wert von Vogelschutz, Heft Nr.39, 2002 über den Nestrand. Nach etwa vier Tagen erlischt 0.13 Reviere pro 10 ha ermittelt werden. Beobachtun­ Fitter, R.:Buch derVogelweit Mitteleuropas, dieser Trieb. Der Jungvogel steigert innerhalb von gen am Rohrsee in Oberschwaben (1999/2001) erga­ Stuttgart 1973 drei Wochen sein Gewicht von 2g um das Fünfzigfa• benWerte von 004bis 0.3 Reviere pro 10ha . . Grzimeks Tierleben: Bd.VIII, Vögel 2; che . Das leuchtende Rosa des weit aufgesperrten Ra­ Die Zahlen bestätigen die Präferenz des Kuckucks Lizenzausgabe 1977 chens spornt seine Wirtseltern zu fleißigem Füttern für bestimmte Habitatstrukturen. Höhere Siedlungs­ Hölzinger, J/Mahler, U.:Die Vögel Baden­ an. Er wächst so schnell, dass manchmal das Nest zu dichten werden in Moorgebieten und Auenwäldern Württembergs, Nicht-Singvögel 3, Stuttgart 2001 eng wird und die Pflegeeltern sich aufseinen Rücken erreicht. . NABU-Naturschutzbund Deutschland: stellen müssen, um ihn mit Nahrung zu versorgen. Der Kuckuck, Vogel des Jahres 2008 Diese besteht überwiegend aus kleineren Insekten. Gefährdungund Schutzmaßnahmen: NABU und LBV: Kuckuck ist Vogel des Die Nestlingszeit ist wirtsspezifisch und beträgt zwi­ Die Ursachen für die rückläufigen Bestände sind Jahres 2008, Presseerklärung, Berlin, 5. 10.08 schen 16 und 24 Tagen. In Baden-Württemberg komplex. Die Populationsgrößen sind natürlich ab­ Reche, Jean C.lSinger, D.:Die Vögel MitteIeuro­ schwanken die Angaben für die Bachstelze als Wirts­ hängig von der Entwicklung der Wirtsvogelarten. Bei pas und ihre Stimmen auf 2 COs, Stuttgart 1997 vogel zwischen 16 und 22 Tagen und für den Teich- · diesen gingen zahlreiche Bruthabitate verloren. Die Singer, 0.: Die Vögel Mitteleuropas, rohrsänger zwischen 15 und 21 Tagen. Auch nach Gründe sind im Flächenverbrauch, z. B. für die Aus- Kosmos Naturführer, Stuttgart 1998 Dezember 2007 Heimatkundliehe Blätter Seite 1582 "Getreu und gehorsam" Wie drei Ortschaften aus dem Kreis zu Württemberg kamen - Von Volker Trugenberger - Teil 3 Bei den genannten Proklamationen handelte es warttder Zeugen meineAufträge mitdem Anhang, wie len und verabschiedet worden, nachdem dem Vogt sich um großformatige Papiere (48x63 cm) mit einem man von Seiten der höchsten Territorial-Herrschajft Henger nochmals oberamtlich befolen worden, die vorgedruckten Text, dass der Kurfürst von Württem• erwarte, man werde sich dieser BesizErgreifung willig Einschikung des Selen-Registers und die Erklärung in berg Besitz von dem Ort ergreife. Das Landeshoheits­ fügen und keinen widrigen Folgen aussezen wollen. Ansehungder Verpflichtung nichtzu versäumen, auch zeichen war ein kleines Blechtäfelchen (32x24 cm) Der Herr Beamte legte hieraufProtestation gegen die bis auf weitere Verfügung die schuldige Steuergelder mit dem württembergischen Wappen und der Auf- . Besizergreifung vor dem zu erwartenden Friedens­ fernerhin an ihre Cantonskasse einzuliefern, der be­ schrift Chur-Württembergische Hoheit. schluß und vor allerhöchster Kaiserlicher Entschei­ reitsein Kurfürstlicher Commissarius beigeordnet sey. Wichtig war dem Kurfürsten Friedrich, dass die dung ein und reservierte seiner Gnädigen Herrschajft Bei seinem Abschied von Geislingen trug der Ober­ neuen Gebiete auch weiterhin ihre Steuern bezahl­ Reseruanda, bat aber zugleich um Erlaubnuß. dem amtmann dem Graf Staujfenbergischen Herrn Beam­ I ten. Er wies die Oberamtleute nämlich eigens an: Was Herrn Grafen von Staujfenberg den höchsten Auftrag ten Endres auf, dem Herrn Grafen zu melden , dass er ! die zu den Ritter-Cantonen. .. steuerbare Orte betrifft, communiciren zu dürfen . Ich gestattete ihm dieses den Besiznehmungsakt am 30. November auch in so habtIhr die Guts-Besizer,deren Beamte undMagis- zwar; nachdem er aber wieder mit der Nachricht zu­ dem hieher zur Beamtung Geislingen gehörig gewese­ , trate derselben dahin anzuweisen, daß sie bis aufwei­ rückkam, daß der kranke Herr Graf würklich schlafe nen Staujfenbergischen Ritterschaftlichen Ort Laut­ tere Verfügung die schuldigen Steuer-Gelder fernerhin und daraufantrug, daß man die ganze Sache bei der lingen in höchstem Namen meiner durchläuchtigst an ihre Kantons-Cassen, welchen Wir bereits einen Nähe vonBalingen aufeinen anderen Tag verschieben gnädigsten Herrschajft vornehmen werde, welchen Akt Churfürstlichen Commissarium beigeordnet haben, möchte, wogegenaber obige Protestation undReserva­ der Herr Graf entweder selbsten oder durch den Herrn einliefern sollen. tion wiederholt werde, so erklärte ich, daß ich dieser Beamten um so gewieser anwohnen möchte, als ich im Damit sich Württemberg einen Überblick über die Protestation undReservation ohngeacht nunmehrden Nicht-Erscheinungsfall jeden noch mit der Besiznah­ neuen Besitzungen verschaffen konnte, sollten von gnädigsten Auftragohne Verzug vollziehen werde. me vorschreitten müsse undwerde. denen in Besiz genommenen Orten Seelen-Tabellen Der OrtsvorsteherPhilipp Henger, in derdamaligen Am 29. November nahm Gunzenhauser die Besitz­ ~. nach Stuttgart geschickt werden, und wo dergleichen Terminologie der Dorfvogt. wurde herbeizitiert. Die­ ergreifung von Dotternhausen und Roßwangen vor. nicht sogleich zusammengetragen werden könnten, ser sollte die zwölfDorfrichter holen lassen, die in ih­ Am darauffolgenden Tag, den 30. November 1805, war ungesäumt den Orts-Vorstehern und Magistraten rer Funktion heutigen Gemeinderäten begab er sich wie angekündigt nach Lautlingen. Bei die nöthige Weisung zu ertheilen und für deren mög• entsprachen.14) Außerdem hatte der Dorfvogt in­ sich hatte er wieder zwei Mitglieder des Balinger lichst schnelle Einsendungbesorgtzu sein. nerhalb von 48 Stunden dem Oberamtmann eine Se­ Stadtmagistrats als Zeugen und den Schlosser Hös• Der Balinger Oberamtmann Johann Jakob Gun­ lentabell nach dem ihm zugestellten Fomular zu über• chle, der das württembergische Hoheitszeichen an­ zenhauser sollte für Württemberg die stauffenbergi­ geben und bekannt zu machen, daß die ganze Ge­ bringen sollte. Auch der stauffenbergische Oberamt­ sehen Orte Geislingen, Lautlingen und Margrethau­ meinde dafür verantwortlich gemacht werde, im Fall mann Endres hatte sich nach Lautlingen begeben. sen in Besitz nehmen sowie Dotternhausen und von dem nun affigirt werdenden Wirtembergischen Denn dieser erschien gleich nach der Ankunft Gun­ Rosswangen. die den Freiherrenvon Bissingen gehör• Patentoder Wappen etwas verlezt werden sollte. zenhausers in Begleitung des Schultheißen Antoni ten. Die Beiholung der Richter verhinderte aber der Leupold, der beiden Dorfrichter Carl Leupold und Io­ Ganz arg eilig hatte man es mit der Besitznahme Staujfenbergische Beamte unter Wiederholung seiner sefSchmid und der drei Gemeindedeputierten Franz der ritterschaftliehen Orte nicht. Denn Gunzenhauser Protestationen und Verwahrungen mit der Bemer­ Nufer, Pranz MauteundJohannes Schmid. erhielt erst am 27. November durch den Ordinari-Bo­ kung, daß die Staujfenbergischen Untertanen vorher Lassen wir Gunzenhauser wieder den Verlauf der ten, also durch den gewöhnlichen Boten und nicht von dem iztschlafenden Herrn Grafen ihrer Pflichten Besitzergreifungselbst schildern: durch Eilboten, die entsprechende Anweisung zu­ entlassen seyn müssen. Wegen denen Wirtembergi­ Diesen eröfnete ich, daß ich von Seiner Kurfürstli• sammen mit dem kurfürstlichen Befehl vom 19. No­ sehen Patenten und Wappen verwahrte sich der Vogt chen Durchlaucht von Wirtemberg, meinem gnädigs­ vemberzugestellt. und der Beamte, daß sie deren Affigirung zwar nicht ten Hern, den höchsten Auftraghabe, von allen in und Am folgenden Tag, dem 28. November fragte der behindern, sondern blos sich verwahren können, daß an hochdero Staaten gelegenen Ritterschaftlichen Be­ Landvogteiassessor Mieg, der den Auftrag erhalten aber weder sie noch die Gemeinde verantwort seyn sizungen, folglich auch allhier, in höchstem Namen hatte, die Ritterherrschaften im Bereich der Oberäm• können, wenn von einzelnen hinterwarts undohne ihr Besiz zu nehmen, . ..undermahntesie, sich der höchs• ter Rottweil und Rottenmünster für Württemberg in Wissen und Willen etwas daran verlezt werden sollte. ten Verordnung in Untertänigkeitzu fügen. Besitz zu nehmen, vorsorglich beim Balinger Ober­ Auch das Selenregister könne nicht in der geforderten Der Herr Oberamtmann Endres legte hiegegen die amtmann nach, ob Euer Wohlgebohren bestimmte Ob­ Zeit verfertigt werden. Immerhin gab man ungefähr nämliche Protestationen und Reservationen wie bei jecte zur Besiznahme angewiesen seien und welche, die Anzal der Burgerschaft15) auf200 an, welche 3 Geislingenein undbemerkte in dem Augenblick, da die oder wenn dis nicht der Fall wäre, welche sie in Besiz Personen aufeine Familie gerechnet eine Seelenzal von Vorsteher in Pflichten gegen die neue durchleuchtigste zu nehmengedächten, damitich mich aufder Seite ge­ 600 producirte. Mit dieser Schätzung lag man aller­ Landesherrschajft genommen werden wollten, daß sie gen Balingen darnach zu richten wüße und nichtetwa dings nicht ganz richtig: Wie die im Dezember durch­ nicht wol gegen eine andere Herrschaft verpflichtet eine doppelte Besiznahmestatthätte. geführte Volkszählung ergab, lebten in Geislingen werden können, ehe sie vorher ihrer Pflichten gegen ih­ Der Ebinger Oberamtmann (Ebingen bildete mit damals 827 Menschen. re bisherige Herrschajft entlassen seyen. Diese Bemer­ Bitz ein eigenes Oberamt) hatte eine andere Befürch• Der Oberamtmann ließ nun durch den aus Balin­ kung machte sie bedenklich, Handtreu abzulegen; sie tung, was Margrethausen und Lautlingen betraf. Bei­ gen mitgebrachten Schlosser Iohann Georg Höschle legten aber solche jeden noch ab, nachdem der Stauf­ de Orte grenzten sowohl an das Oberamt Balingen als das Kurwirtembergische Patent. .. an die Kirchtuer, fenbergische Herr Beamte erklärte, daß man höherer auch an das Oberamt Ebingen. Er wollte sicherstellen, das Kurwirtembergische Landeszeichen aber an das Macht nicht widerstehen könne, wenns dessen ohner­ dass sich nicht der eine Oberamtmann aufden ande­ Gemeindehaus anschlagen . Während diesem begrijf achtetseyn müsse: ren verließ und so die beiden Orte versehentlich von sich auch der Vogt Philipp Henger so gut, daß er mit Das Seelenregister versprachen sie nach dem ihnen der württembergischen Besitzergreifung ausgenom­ drei Richtern und einem Gemeindedeputierten. die er zugestellten Formular inner 4 Tagen zu verfertigen men würden. So vergewisserte er sich bei seinem Ba­ eben zu Haus antrejfen konnte, vor mir aufdem Ge­ undmirdem Commissario zu übergeben. Innzwischen linger Kollegen am 29. November: Wird der Herr Bru­ meindehaus erschiene, welche auf den eröfneten gaben sie die Zal der hiesigen Bürgerschajft auf90 an der Besiz von Geislingennehmen undsolchen auch auf höchsten Auftragerklärten, daßsie höherer Machtsich und rechneten nach dem Masstab der hiesigen Bevol­ Lautlingen undMargrethausen ausdehnen? unterwerfen und weder etwas an denen Affixier verle­ kerungaufeine Familie in die andere 4 Personen,folg­ Die Frage war überflüssig. Denn der Balinger Ober­ zen noch auch verschweigen wollen, falls sieeinen Ver­ lichSeelen im Ort-360. In Wirklichkeitwaren es 485. amtmann hatte bereits am 28. November mit der Be­ lezer derselben in Erfahrung bringen sollten. Alls man Gunzenhauser stellte beruhigt fest, es sei auch sitznahme der ritterschaftliehen Orte begonnen. sie aber hierauf im Namen der neuen Landesherr­ nicht irgend ein herrschaftliches Wapen hier zu sehen. Am Nachmittag dieses Tages hatte Gunzenhauser schajft würklich in Pflichten nehmen wollte, so erklär• Durch den Schlosser ließ er die Kurfürstlich Würtem• sich in Begleitung zweier Mitglieder des Balinger ten sie, sie wollen mit der ganzen Burgerschajft der bergische Proclamation so wol als das Kurwirtember­ Stadtmagistrats als Zeugen, zweier zurBedienung und neuen gnädigsten Landesherrschajft getreu sein, nur gisehe Landeshoheitszeichen an hiesiges Rathauß an­ Ausschikung erforderlicher Bediensteter des Ober­ müssen sie sich zur Verhütung aller Vorwürfe würkli­ schlagen, und denen Communvorstehern erklärte er, amts und eines Schlossermeisters nach Geislingen ehe Handtreu-Leistung [Versprechen durch Hand­ dass sie und die Gemeinde für die Unverlezbarkeit die­ begeben. schlag] vorbehalten, bis sie vorher die Gemeinde zu­ ser Affixonien [Anschläge] verantwortlich gemacht samengezogen und ihr solches vorgetragen haben werden, worauf sie versicherten, daß nicht nur sie Lassenwir ihn selbstzu Wort kommen: werden, welchesgleich morgen geschehen solle. nicht das mindeste daran uerlezen, sondern auch die Ich stieg im Wirtshaus zum Rößlen ab, schikte so­ Anschließend kümmerte sich der Oberamtmann Gemeinde ernstens dafür verwarnen wollen. gleich zu dem Graf Staujfenbergischen Hern Ober­ noch um den Zollstock, indem er dem Zolleinneh­ Die Vorsteher wurden nun entlassen, unter der wie­ amtmann Endres, dem ich mein Compliment machen mer, der den Zoll bisher heljftigfür Staujfenberg und derholten Erinnerung, Ihrer neuen durchleuchtigsten und den ich ersuchen lies, mich dem Herrn Grafen von helfftig für Oesterreich eingezogen hatte, den Befehl Herrschajft getreu undgehorsam zu seyn, die ohngese­ Staujfenberg zu melden, bei dem ich wichtigeAufträge erteilte, die bisher stauffenbergischen Zoll-Einkünjfte umte Einschikung des Selenregisters ja nicht zu ver­ mich zu entledigen hätte. Der Staujfenbergische Herr nunmehro der neuen Landesherrschajft zu verrech­ säumen und bis aufweitere Verfügung die schuldigen Beamte erschien bald darauf selbst bei mir und be­ nen. Dann überprüfte er, ob noch irgendwo im Ort Steuergelder fernerhin an ihre Cantonskasse einzulie­ zeugte das Bedauren seines Herrn Grafen, daß ihn zu­ Wappen als herrschaftliche Hoheitszeichen ange­ fern, deren bereits ein Kurfürstlicher Kommissarius gestossene Unpässlichkeit verhindere, meinen Besuch brachtwaren. Beruhigtkonnte er feststellen: Nirgends beigeordnet sey. vor heute anzunehmen, daß er sich aber das Vergnü• wurde ein Staujfenbergisches oder ander Herrschaft Den Staujfenbergischen Herren Beamten wollte gen, mich zu sprechen, gleich nach seiner Wiedergene­ Wapen angetrofen, als blos an dem Staujfenbergischen Gunzenhauser auch veranlassen, zu dem Besizneh­ sung vorbehalten haben wolle. Ich gieng hierauf mit Schloß und andern herrschaftlichen Gebäuden das mungsakt in dem zu seiner Beamtung bisher gehörig dem Staujfenbergischen Herrn Beamten aufsein Ne­ Staujfenbergische Familienwappen. gewesenen kleinen Ort Margrethausen von hier aus benzimmer im Schloß und eröfnete ihme in Gegen- Womit also vor dieses Mal beschlossen, sich empfo- mitzureisen: Endres entschuldigte sich aber mit der Seite 1583 Heimatkundliehe Blätter Dezember 2007

Unmöglichkeit bei dem fatale n Weeg und dem Mangel um da s badische Besitznahmepatent zu entfern en. 17) an einem hierzu erforderlichen Gefährt, fügte jedoch Bayern setzte sich durch: Rißtissen blieb bei Bayern hinzu, daß seine bisherigeProtestation en und Reserva­ und kam 1810 an Württemberg. tionen auch bei Margrethausen gelten sollen, und der Schultheiß Franz Scheurer in Margrethau sen schon Integration in WürttembergundHuldigung wisse, wie ersich in diesem Fallzu verhalten habe. Österreich und der Kaiser des Heiligen Römischen Mittags um 12 Uhr war Gunzenhauser in Lautlin­ Reiches konnten dem Grafen Klemens und den übri• gen fertig und begab sich nach Margrethaus en , wo er gen Angehörigen der Reichsritterschaft nicht mehr gegen ein Uhr die Besitzergreifung dieses Ortes ab­ helfen. Bereits am 2. Dezember 1805 hatten Öster• schloss, indem er - wie er selbst schreibt - dem hiesi­ reich und das mit ihm verbündete Russland gegen gen Schultheißen Franz Schairer und beden Richtern Napoleon eine vernichtende Niederlage bei Austerlitz Antoni Stumpp und Tomas Stumpp mein Comissoria­ erlitten. • le [Auftrag] eröfnete, diese Vorsteher, währendsich der Napoleon stellte sich nun öffentlich hinter die Ein­ Schultheiß aufdes Herrn Obermamtmann Endres Pro­ verleibung der ritterschaftliehen Gebiete durch Bay­ testationen .und Reservationen bezog, samentlicli ge­ ern, Württemberg und Baden. Am HJ. Dezember 1805 gen die neue durchläuchtigste Herrschafft in Pflichten ließ er seinen GeneralstabschefBerthier einen Tages­ namunddas ihnen vorher deutlich verleseneKurfürst• befehl erlassen, in dem die französischen Truppen­ lich Wirtembergische Proklama [Proklamation] nebst kommandanten angewiesen wurden, die drei Staaten dem Kurwirtembergischen Hoheitszeichen an des bei der Besitznahme der reichsritterschaft)ichen Ge­ Schultheißen Haus - in Ermanglung eines Rathauses­ biete zu unterstützen. Denn Napoleon habe Bayern, durch den Balinger SchlosserA. Johann GeorgHöschle Württemberg und Baden die volle Souveränität in ih ­ anschlagen ließ, sie und durch sie auch die Gemeinde ren Staaten zugestanden, außerdem habe der Ritter­ fü r die Unverlezbarkeit derselben verantwortlich stand Österreich unterstützt. machte, ihnen 4 Tagezu Einschikung ihres Selenregis­ Österreich musste am 26. Dezember 1805 mit ters nach dem vorgeschriebenen Formular Zeitfrist ge­ Frankreich den Friedenvon Pressburgschließen. Dar­ stattete und übrigens dieselbe anwies, bis auf weitere in verzichtete es unter anderem auch auf seine Besit­ Verfügung die schuldigen Steuergelder fernerhin an zungen in Südwestdeutschland. und zwar zu Gunsten ihre Cantonskasse einzuliefern, deren bereits ein Kur­ Bayerns, Württembergs und Badens. Bayern und für stlicherKommissarius beigeordnet sey. Württemberg wurden Königreiche, Baden Großher­ Ein herrschaftliches Wappen fand sich nicht im Ort, zogtum. die Zahl der Bürgerschaft gaben die Vorsteher auf30 Eine Gesandtschaft der Reichsritter suchte am 12. vorläufig an, was eine Familie in die andere nach dem Januar 1806 Napoleon, derdamals in Münchenweilte, Maasstab der Bevölkerung auf 4 Selen gerechnet, persönlich auf. Napoleon gewährte ihnen zwar eine überschlägig au f 120 Seelen schließen ließ. Wie be ­ Audienz, erklärte ihnen aber unumwunden, die reits in Geislingen und Lautlingen stimmte diese Zahl Reichsritterschaft wie auch die kleinen Fürsten seien nur äuße rst ungefähr. Denn in Wirklichkeit waren es, stets von Österreich abhängig und er müsse seineAlli­ wie die Volkszählung einige Tage später ergab, 172 ierten im Kampf gegen Österreich stärken. Immerhin Seelen . tröstete er die Reichsritter damit, dass sie zwar ihre Souveränitätverlören, aberihr Privateigentum behiel­ ten. Daraufhin zeigte die Ritterschaft am 20. Januar 1806 dem Reichstag ihre Vernichtung an . Dem Recht des Stärkerenkönnten sie sich nicht widersetzen.18) In einem am 18. März 1806 erlassenen Organisati­ onsmanifest regelte der nunmehr König gewordene Fried rich von Württembergdie Rechtsstellung derAd­ ligen und deren bisherigen Untertanen in seinem Kö• nigreich. Das Korporationsrecht der ehemaligen Reichsritter, das im Zusammenschluss zur Reichsritterschaft sei­ Sie wurden hieraufunter der nochmaligen Ermah ­ nen Ausdruck gefunden hatte, wurde au fgehoben, in­ nung entlassen, ihrer neuen gnädigsten Landesherr­ dem nun bestimmt wurde: Sie stehen in keiner politi­ schafft getreu undgehorsam zu seyn. schen Verbindung unter sich. Von den Adligen wurde Die Ablieferung der Seelentabelle dauerte etwas der Eid der Treue und des Gehorsams gefordert, wäh• länger als die geforderten vier Tage. Auf den 6. De­ rend ihre Beamten und Hintersassen dem König zember wurden die Geislinger auf das Oberamt nach einen Huldigungseid leisten mussten. Der Adel wurde Balingen zitiert. Es erschienen der Dorfvogt Henger von der Personalsteuer befreit und behielt seine guts­ und die beiden Bürgermeisterl6) Conrad Winterhol­ herrlichen Einkünfte, die Forst- und Jagdgerichtsbar­ Die Autoren dieserAusgabe ler und Mathias Träger. Sie übergaben die Seelenta­ keit. Gegenüber seinen bisherigen Untertanen beließ belle mit Protestation und erklärten, mitAbnehmung man ihmzunächst auch seine übrigen Gerichtsrechte. der Verpflichtung auf den Kurfürsten von Württem­ Diese wurden von adligen Patrimonialgerichten Dr. Karl-EugenMaulbetsch berg möchte man sie doch der Zeit nach verschonen, wahrgenommen. Bei der Strafgerichtsbarkeit muss­ Am Stettberg 9 indem sie ja der Pflichten gegen ihre bisherige Herr­ ten allerdings Rechtsgutachten bei vorgegebenen 72336 Balingen schafft noch nicht erlassen seyen. Allerdings wollten Stellen eingeholt und die Akten vor der Urteilsver­ sie gegen die Verordnungen der neuen Herrschaft kündung dem Oberjustizkollegium vorgelegt und eingetrettene Verhältnisse nichts unternehmen werden.19) oder sich in irgendeinem Theil ioidersezen, sondern Aufgrund dieser zunächst bis 1809 geltenden be­ Volker Trugenberger selbige respektiren. Beim Abschied empfahlen sie sich sonderen Rechtsstellung der bisherigen adligen Ge­ Finkenweg6 dem Oberamt und kussltlen dem Oberamtmann die biete wurden Geislingen, Lautlingen, Margrethausen 72488 Sigmaringen Hand. und Baisingen zu einem Patrimonial-Obervogteiamt Am 9. Dezember, ebenfalls auf Citation, also auf Geislingen unter einem stauffenbergischen Obervogt Aufforderung, kamen die beiden Schultheißen von zusammengefasst. Das Obervogteiamt unterstand Lautlingen und Margrethausen nach' Balingen und dem staatlichen Oberamt Balingen bzw. für Baisingen brachten die Seelen-Tabelle von beiden Orten, zugleich dem Oberamt Horb. aber auch ein Protestations-Schreiben von dem Stauf­ Im Juli 1806 schloss Napoelon die mit ihm verbün• Herausgegebenvonder fenbergischen Oberamt Geislingen. Dabei zeigten sie deten deutschen Fürsten zu einem Staatenbund unter HeimatkundlichenVereinigung aber ihrerseits an, daß sie nicht dafür könn en, sie ihrer­ seiner Protektion zusammen, dem Rheinbund. Klei­ Zollemalb seits wollen und müssen Gehorsam leisten.Am 11. De­ nere Fürstenwie die Hohenlohe. Waldburg oder Fürs• zember .konnte der Balinger Oberamtmann schließ• tenberg verloren nun ebenfalls ihre Selbstständigkeit Vorsitzender: lich berichten, die stauffenbergischen Orte hätten in ­ und wurden von Bayern, Württemberg und Baden Christoph Roller, Am Heuberg 14, zwischen Handtreuund Pflichten gelobt. mediatisiert. In unserem Bereich blieben nur die bei­ 72336 Balingen, Telefon (07433) 77 82 Auch Baisingen, das ja ebenfalls zur Herrschaft des den Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Grafen Klemens Schenk von Stauffenberg gehörte, Hohenzollern-Hechingen davon ausgenommen, und Geschäftsfiihnmg: wurde vonWürttembergin Besitz genommen. das wegen der guten persönlichen Beziehungen der Erich Mahler, Mörikeweg 6, Dagegen stritten sich um sein Dorf Rißtissen zwei Sigmaringer Fürstin Amalie Zephyrine zum Umfeld 72379 Hechingen andere Verbündete Napoleons: Am 17. Dezember Napoleons. Telefon (0 74 71) 1 5540 1805 nahm der badische Oberamtsr at Müller aus Bi­ Die Rheinbundakte bestätigte nachträglich auch E-Mail:[email protected] berach (diese ehemalige Reichsstadt war durch den die Mediatisierung der ritterschaftliehen Besitzungen, Reichsdeputationshauptschluss an Bade n gefallen indem sie in ihremArtikel 25 bestimmte: Ein jeder der Redaktion: und sollte erst 1806 an Württemberg kommen) provi­ konföderirten Könige undFürsten soll die in seinen Be­ Daniel Seeburger. Grünewaldstraße 15, sorischen oder vorsorglichen Besiz von diesem Ort. Am sitzungen eingeschlossene ritterschaftliehe Güter mit 72336 Balingen,Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 27. Dezember erschienen jedoch .sobayrische Reiter, vollerSouverainitätbesitzen.20) Fortsetzung folgt