Shengguan tu („Tafel der Beamtenkarriere“), eine makkaronische Volksballade aus der mittleren Qing-Zeit

Martin Gimm (Köln)

Einleitung 1. Das Shengguan tu-Spiel Unter der Bezeichnung Shengguan tu 陞官圖 1 versteht man in erster Instanz ein traditionelles chinesisches Glücksspiel (dubo 賭博 , manjurisch2 mekden), das nach den Quellen und neueren Untersuchungen3 auf das caixuan 彩選 oder bo guan duo 百貫鐸 der Tang-Zeit zurückgehen soll. Hervorgegangen aus der chinesischen Vorstellung, daß Macht und Reichtum für (fast) jeden erreichbar ist, der die staatlichen Prüfungen absolviert und die Beamtenkarriere4 – den „direk- ten Aufstieg zu den weißen Wolken“ (qingyun zhishang 青雲直上 ) – erfolgreich erklommen hat, kommt es bei diesem Hasardspiel darauf an, mit dem Glückserfolg beim Würfeln5 (touzi 骰子 , manjur. sesuku) in immer höherrangige Beamtenpositionen vorzurücken. Der aus Holz oder Papier gefertigte Spielplan ist meist in 64 oder 66 Felder6 unterteilt, die – gruppiert nach den Ministerien und offiziellen Institutionen – mit den Bezeichnungen von jeweils 2 bis 17 Beam-

1 Volkstümlich wird das Zeichen sheng in den Quellen auch 升 oder 昇 geschrieben. 2 Ich bevorzuge die Schreibung “manjurisch” und schließe mich hier dem Gebrauch von BERTHOLD LAUFER, KARL MENGES (man¯u) u. a. an, da diese einerseits der einheimischen Transliteration und üblichen Lesung entspricht – nach der IPA-Transkription ist der ‘j’-Laut eher ein ‚ als ein d – und sich andererseits auch in der universitären Fachbezeichnung “Manjuristik” usw. eingebürgert hat. Die von WALTER FUCHS (in Opposition zu ERICH HAENISCH) ‘erfundene’ Schrei- bung “mandju” etc. entbehrt ebenso wie die auf CONON v. d. GABELENTZ zurückgehende Form “mandschu” (früher “mantschu” u.ä.), die dann von WILHELM GRUBE, ERICH HAENISCH u. a. übernommen wurde, m. E. der Grundlage. 3 Bibliographische Hinweise, die ausführlich im Quellen- und Literaturverzeichnis im Anhang genannt sind, werden im folgenden verkürzt wiedergegeben. Die für unser Thema weniger wichtigen und selten gebrauchten Literaturangaben sind nur in den betr. Anmerkungen vollständig aufgeführt. Literaturüberblick zum Shengguan tu-Spiel: Gaiyu congkao (1791), j. 33, S.18a-19a; Qing jialu (1830), j.1, S.8a; HERBERT A. GILES, A Glossary of Reference on Subjects Connected with the Far East, 3.ed., London (1900), S.230 („Promotion“); J. DYER BALL, Things Chinese or Notes Connected with , 4.ed., London (1904), S.584 („The Shing Kwún T’ò“); WU SHOULI 吳守禮 , Shôkanto o kataru 陞官圖を語る , in: Nampô do- zoku 南方土俗 , 3, 3, Taihoku (1935), S.297-306; TAKIZAWA TOSHISUKE 瀧澤俊亮 , Shôkanto 陞官圖 , in: Manshû shi- gaku 滿洲史學 , 3, 1, Mukden (1939), S.26-32; NAGAO RYÛZÔ 永尾龍造 , Shina minzokushi 支那民俗誌 , Bd.2, Tôkyô (1941), S. 762/8; HIBINO TAKEO 日比野丈夫 , Shôkanto 陞官圖 , in: Gakkai 學海 , 4, 2, Tôkyô (1947), S. 28-31; LIN GUANGHAO 林光灝 , Shengguan tu zahua 陞官圖雜話 , in: Wenshi huikan 文史薈刊 , 1, Taipei (1959), S. 71-722; LIANG SHIQIU 梁實秋 , Qiushi zawen 秋室雜文 , Taipei (1963), Nachdr. (2002), S. 129-131; TONG YAN 童燕 , Touzi 骰子 , in: Forbidden City, 35, (1986), 29-31; ausführlich s.a. bei STOVER (1974), S. 215-225; anonym, in: Gujin lunheng 古今論衡 Disquitions on the Past & Present, 8, Taipei (1999), S. 46. – Den umfassendsten Überblick über die verschiede- nen Arten chines. Freizeitbeschäftigungen und Spiele bietet gegenwärtig XU HAIRONG 徐海榮 (Hg.), Zhongguo yule da- dian (2000); zum Shengguan tu s. dort S. 1145. 4 Cf. HO PING-TI, Ladder of Success in Imperial China, Aspects of Social Mobility 1368–1911, New York, London (1962); STOVER (1974), S. 215. 5 Hierzu s. KARL HIMLY, Die Abteilung der Spiele im „Spiegel der Mandschu-Sprache“, in: T’oung Pao, vol. IX (1898), S. 321-327. 6 S. die Liste bei STOVER (1974), S. 216/7, die bei (1.) „Starting an Official Career“ beginnt und bei (66.) „Office for the Transfer of Provincial Officials“ endet.

OE 44 (2003/04) 212 Martin Gimm tenfunktionen beschriftet sind. Noch in neuerer Zeit ist das Spiel, das in mehreren Varianten7 kursierte, in modernisierter Form im Gebrauch.8 Nicht nur im Volke scheint es sich großer Beliebtheit erfreut zu haben, zumal nach diesem Verfahren auch ähnlich strukturierte Varian- ten, sogar buddhistischen Inhalts9 (genannt Shengfo tu 升佛圖 ), gestaltet wurden, sondern auch bis hinauf zum Kaiserhof.10 Nach der Klassifikation des Deutschen Spiele-Archivs11 gehört Shengguan tu zu den „Start-Ziel- Spielen“, als deren bekanntester Vertreter das nach klassischen (letzlich wohl nach orientali- schen) Vorbildern gestaltete, seit dem 16. Jahrhundert in Europa überaus beliebte „Gänse- spiel“12 (Jeu de l’Oie usw.) mit seinen meist 63 (hier oft spiralig angeordneten) Feldern gilt. Die Ähnlichkeit der europäischen Ausprägung mit dem vorgenannten chinesischen Pendant er- schien zu Beginn des 19. Jahrhunderts so offensichtlich, daß in einer frühen, anonymen Be- schreibung13 einer chinesischen Spielvorlage aus den alten Sinikabeständen deutscher Biblio- theken diese mit dem europäischen „Gänsespiel“ in Verbindung gebracht wird.

7 S. z. B. bei WU SHOULI (1935), S. 301; TAKIZAWA (1939), S. 27; NAGAO (1941), S. 763; HIBONO (1947), S. 29; TONG YAN (1986), S. 30-31. 8 Mir liegt die Spielvorlage einer auf die Institutionen der Republik-Zeit abgestimmten Form vor – betitelt Gailiang qingdai Shengguan tu 改良清代陞官圖 –, die in Taipei (1962) gedruckt wurde. Auch ist zu dieser Art eine ausführliche Spielanleitung erschienen: Zuixin dingzheng qian Qing manhan Shengguan quantu shuomingshu 最新訂正前清滿漢陞官全圖 說明書 , Taipei: Yiwen zongshe 藝文總社 , o. J., 30 S. 9 Hierzu s. TIMOTHY RICHARD, Guide to Buddhahood, (1907), S. V; NAGAO (1941), S. 767. 10 Eine aufwendig ausgestattete Shengguan tu-Spielvorlage der kaiserlichen Werkstätten aus der Guangxu-Ära (1875– 1908) hat sich z. B. im Kunstmuseum von Macao, Aomen yishu bowuguan 澳門 藝術博物館 / Museu de Arte de Macau, erhalten: 1 tao, Titelschild Shengguan tu, 4 Hefte, Größe: 31,4 x 16,5 cm. 11 „Klassifikation der Brett- und Tischspiele“ des Spiele-Archivs der Universität Marburg; s. Internet: http://www.uni- marburg.de/spiele-archiv/archivklassifikation.html. Shengguan tu ist damit der Taktik in dem wohlbekannten Spiel shuanglu 雙陸 (japan. sugoroku, manjur. jurjun) ähnlich. Zu diesem Brettspiel s. ausführl. bei KARL HIMLY, Die Abteilung der Spiele (1898), S. 299-321: „6) ”ur•un [d. i. manjur. jurjun], chin. Ñuang-lu (Puff).“ Zu unserem Shengguan tu vermerkt HIMLY auf S. 308/9, Anm. 326: „Wie bei uns sind aber auch andere Stoffe zu derartigen Würfelbretspielen bearbeitet. Ein älteres in China noch übliches Spiele der Art ist das 陞官圖 Ñöng kuan thu (“Bild der Beamtenbeförderung“) […]. Statt des Brettes dient auch wohl ein grosser Bogen Papier, oder Pappe mit 64 ungleichen Feldern in 3 Reihen; die Ungleichheit der Felder wird durch die verschiedene Anzahl der Rangstufen einer Behörde bedingt. Man wirft mit 4 Würfeln und setzt eine der jedem Spieler zustehenden Karten (牌 p’ai), Bambusstäbe oder Marken (籌 ƒhou), indem man unten am Rande bei 出身 ƒhu Ñön “die Laufbahn betreten“ (eigentlich „mit seinem Leibe hervortreten“) beginnt. Man spielt um einen Einsatz.“ 12 Mit der großen Popularität dieses Spieles, bei dem es darauf ankommt, daß verwaiste Gänsekücken auf ihrem Weg zum Erwachsenendasein verschiedene Hindernisse erfolgreich bestehen, hängt auch zusammen, daß GOETHE (1817–1885) ein Gedicht (entstanden 1814) diesem Thema widmete und in seinen West-östlichen Divan, Kap. Tefkir Nameh, Buch der Betrachtungen, aufnahm; s. JOHANN WOLFGANG VON GOETHE, Werke, München: Winkler (1972), Bd. 1, S. 356-357: „Das Leben ist ein Gänsespiel: / Je mehr man vorwärts gehet, / Je früher kommt man an das Ziel, / Wo niemand gerne stehet. // Man sagt, die Gänse wären dumm, / O, glaubt mir nicht den Leuten: / Denn eine sieht einmal sich ‘rum, / Mich rückwärts zu bedeuten. // Ganz anders ist’s in dieser Welt / Wo alles vor- wärts drücket, / Wenn einer stolpert oder fällt / Keine Seele rückwärts blicket.“ „Mit einem Gänsespiel vergleicht Goethe das Leben auch in den Briefen vom 3. 1. 1828 an Marianne von Willemer und vom 14. 12. 1830 an Zelter“ (GOETHE, Werke, s.o., Anmerkungen, S. 742). 13 „Chinesisches Spiel, in der Art wie das Deutsche Gänsespiel. Wird mit Würfeln gespielt.“ – So zitiert bei W. FUCHS (1966), S. 91, Nr. 175, der die folgende Beschreibung anfügt: „Druck, 1 Blatt, 61,5 : 64,4 cm. Plan eines Spieles, bei dem man durch Würfeln über die aufgedruckten Namen der Pekinger Behörden und ihrer Titelträger von den unte- ren bis zu den höchsten Stellen vorrücken darf.“ Das Blatt befindet sich in der Herzog-August-Bibliothek in Wol-

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Die wohl früheste, schon recht ausführliche Darstellung des chinesischen Shengguan tu-Spiels in Europa – dort „Shing quon tu“ [i. e. Promotionis Mandarinorum tabula] genannt – findet sich bereits am Ende des 17. Jahrhunderts, und zwar in dem im Jahre 1694 erschienenen Werk Historia nerdiludii14 des bekannten Oxforder Orientalisten THOMAS HYDE (1636–1703). Wie man sich den Übergang vom alten Würfelspiel zu der im folgenden (Abschn. 4) vor- gestellten gleichnamigen Volksballade vorzustellen hat, ist unklar. Möglicherweise ist letztere als eine Art Travestie dieses allseits bekannten ‘Promotion’-Spiels aufzufassen – eine Art eroti- scher Grobianismus, bei der das Moment des Zufälligen zur spezifischen Zielgerichtetheit verkehrt wird.15

2. Chinesische Volksballaden und zidi shu Nach üblichem Verständnis gehört der Text unserer Volksballade zu einer Untergruppe der „Literatur zum Erzählen und Singen“ (shuochang wenxue 說唱文學 ), die man früher auch shuoshu 說書 (Volksballaden) oder – spezifischer – danchang guci 單唱鼓詞 (Sologesänge mit Trom- melbegleitung) nannte und die man als episch-dramatische (z. T. gesungene) Volksliteratur heute meist unter dem Gesamtbegriff quyi 曲藝 (performed narrative arts, [Balladen]gesangs- kunst)16 zusammenfaßt. In unserem Fall handelt es sich um ein Stück des zidi shu-Genres17

fenbüttel; Sign.: Cod. Guelf 62.2 Extrav. Hierzu s.a. HARTMUT WALRAVENS (Hg.), China illustrata, Das europäische Chinaverständnis im Spiegel des 16. bis 18. Jahrhunderts (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 55), Wein- heim (1987), Nr. 227. 14 S. das Quellen- und Literaturverzeichnis im Anhang. Die Beschreibung des Spieles findet sich auf S. 70-101 von Historia nerdiludii: „De ludo promotionis mandarinorum“, auch genannt „Shing quon tu, i.e. Promotionis Mandarinorum tabula“, mit Darstellung des Spielvorgangs und (S. 70-71) Reproduktion des Spielplans mit chines. Zeichen; S. 77-101: Be- schreibung der Beamtenpositionen. – In diesem Werk finden sich auf S. 1-16 auch ausführl. europ. und oriental. Materialien zum deutschen „Bretspiel, engl. tatles (Historia nerdiludii)“ sowie (S. 65-68) zum chines. ‘Schach’ (qi 棋 ), „De nerdiludii chinensium“; dazu s.a. S. 195-211. – Als Quellen dieser Ausführungen haben wohl die von Jesuitenmis- sionaren und Reisenden übermittelten Nachrichten zu gelten. 15 Heri tuqi ba mei yang 何日吐氣把眉揚 ; so die Charakterisierung in einem frühen zidi shu-Katalog, zit. bei HU WENBIN (1986), S. 272. 16 Die üblichen europäischsprachigen Literaturgeschichten übergehen meist die außerordentlich vielgestaltige volks- nahe Literatur Chinas, die im Unterschied zur „hohen Literatur“ (gao wenxue 高文學 etc.) als „Profanliteratur“ (su wenxue 俗文學 ), und heutigentags meist als „Volksliteratur“ (minjian wenxue 民間文學 ), bezeichnet wird und in unse- rer Gegenwart leider einem rapiden Schwundprozeß unterworfen ist. Für die neuere Zeit siehe u.a. V. HRDLI„KOVÁ (1968), S. 97-115, sowie allgemein die Beiträge von JAROSLAV PRæÒEK, Die Literatur des befreiten China und ihre Volkstraditionen, Prag (1955), passim; ders., Chui-tzu-shu, Folksongs from Ho-nan (ursprüngl. deutsch, 1954), in: ders., Chinese History and Literature, Prag (1970), S. 170-198, s.a. dort die Beiträge S. 366 flg. u. S. 396 flg.; zum Umkreis s. TSAO PEN-YEH (1988); V. BØRDAHL (1996); ST. JONES (1998); als Überblick s. W. L. IDEMA, Popular Li- terature, II. Prosimetric Literature, in: NIENHAUSER (1986), S. 83-92 etc. Über die histor. Zusammenhänge dieser Kate- gorie des ‘Bänkelsangs’ auch mit den benachbarten Literaturtraditionen von Europa bis Indonesien und ihrem an- geblichen Ursprung in Indien s. die Ausführungen bei VICTOR H. MAIR (1988), S. 2-16 u. ö. 17 Zu dieser Gattung s. u.a. LIU FU (1932), S. 219; BODDE (1936), S. 96-97, 115; FU XIHUA (1946), S. 57, erweiterte Ausg. (1957, dort auch frühere Lit.), S. 96; FU XIHUA (1953), S. 118-119; GUAN DEDONG (1958), S. 123-126 sowie S. 88; 啍 A (1963), S. 202-203; WANG YAO (1966), Bd. 4, S. 621-622; GENG YING (1982), S. 66-72; REN GUANG- WEI (1983), S. 619; QIGONG (1984), 239-251; Zhongguo yinyue cidian (1984), S. 520-521; M. GIMM (1984), S. 201-203; W. L. IDEMA, in: NIENHAUSER (1986), S. 85; J. D. SCHMIDT (1986), S. 844-845; P.K.CROSSLEY (1990), S. 82-86, 91, 94, 251; S.A.WADLEY (1991), S. 1-7; JI YONGHAI und ZHAO ZHIZHONG (1991), S.161-183; Dongbei su wenhua shi (1992), S. 179-185; H. OKADA (1992), S.168-169; P.K.CROSSLEY und E.S.RAWSKI, A Profile of the Manchu Lan-

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子弟書 („Texte der jungen [Adligen und Bannerangehörigen]“), auch baqi zidi shu 八旗 ||| („Texte der Jugend der Acht Banner“) oder qingyin zidi shu 清音 ||| („Texte der Jugend im Qing-Stil“) genannt, dessen Vorläufer man in den Kultgesängen der manjurischen Bannerleute der drei Nordost-Provinzen zu suchen hat. Die Kategorie zidi shu ist ein spezielles, in der Qing-Hauptstadt Beijing entstandenes Balladengen- re, vorgetragen von einem einzelnen Sänger, dessen gestisch untermalte Gesangsdarstellung von einer Nebenperson (Mann oder Frau) durch nuancenreiche rhythmische Markierung mit der „achteckigen Trommel“18, bajue gu 八角鼓 (manjur. jakôn hošoi tungken?), begleitet wird. Nach späteren Berichten19 setzte man in Anlehnung an andere Volksmusikkategorien statt der Trom- mel auch das bekannte dreisaitige Zupfinstrument sanxian20 三弦 (manjur. tenggeri) als Melodie- träger ein. Letztere Vortragsart ähnelte nach QIGONG21 damit der der südlichen pingtan-Balla- den22 評彈 aus . Die Stücke wurden durchgängig gesungen vorgetragen; die aus anderen Gattungen bekannten, eingeschobenen Prosapartien fehlen hier ganz. Längeren Texten ist oft ein siebensilbiger Einleitungsgesang, genannt shipian 詩篇 oder touxing 頭行 , vorangestellt. Inte- grierter Bestandteil der zidi shu-Stücke war eine musikalisch hochentwickelte Gestaltung,23 die

guage in Ch’ing History, in: Harvard Journal of Asiatic Studies, 53, 1 (1993), S. 94; P. K. CROSSLEY, Manchu Education, in: BENJAMIN A. ELMAN u. ALEXANDER WOODSIDE (ed.), Education and Society in Late Imperial China, 1600– 1900, Berkeley, Los Angeles (1994), S. 353, 374, Anm. 44; Zhongguo minjian wenxue da cidian (1996), S.6-7; Zhongguo quxue da cidian (1997), S. 71; XU HAIRONG (Hg.), Zhongguo yule dadian (2000), S.787; sowie die im folgenden genann- te Literatur. – Zur Erforschungsgeschichte der Zidi shu nach neuem Stand s. bei CHAN KAM-CHIEW (2003) mit de- taillierten Literaturangaben. Als bislang ausführlichste Darstellung dieses Gattung ist die chines. Diss. von CHEN JINZHAO (1977) hervorzuheben. 18 bajiao gu ist organologisch eine zweifellige, achteckige Rasseltrommel, eine Art Tamburin der Größe ca. 7 x 20 cm, in deren acht Seitenwände – diese symbolisieren angeblich die Acht Banner – aus Birnen- (limu 梨木 ) oder ‘Rotholz’ (hongmu 紅木 ) acht oder mehr kleine, bewegliche Metallscheiben (tong bo 銅鈸 ) eingelassen sind. Die Spielflächen, die mit einem Holzschlegel oder mit der bloßen rechten Hand geschlagen werden, sind mit Schlangen-, Schafs- oder Pferdehaut bespannt. S. Zhongguo yinyue cidian (1984), S. 6-7; Zhongguo shaoshu minzu yueqi zhi 中國少數民族樂 器志 , Beijing (1986), S. 287; Abb. s. in Zhongguo yueqi tujian 中國樂器圖鑒 , hgg. v. LIU DONGSHENG 劉東升 u.a., Taipei (1993), S. 29; s.a. ZHAO ZHIHUI 趙志輝 , «Bajue gu» «zidi shu» kaolue 《八角鼓》、《子弟書》考略 , in: Shehui kexue jikan 社會科學季刊 , 1 (1990), S. 134-139. – Bajue gu ist auch die Bezeichnung einer von den Manjuren praktizierten volkstümlichen Liedgattung. 19 S. QIGONG (1984), S. 242; OKADA (1992), S. 168; ELLIOTT (2001), S. 265 n. HATANO. 20 sanxian („Dreisait“) ist ein seit der Mongolenzeit populäres Langhals-Chordophon, dessen kleiner, ovaler Korpus auf beiden Seiten mit Schlangenhaut bespannt ist. Die mit den Fingernägeln oder mit einem Plektrum gezupftem Saiten werden meist in Quint-Qartstimmung (A, d, a) gespannt. Von der Verwendung dieses Instrumentes rührt auch eine andere, weniger übliche Bezeichnung der zidi shu her, nämlich xianzi shu 弦子書 – xianzi ist ein anderer Name für das sanxian. Hierzu s.a. QIGONG (1984), S. 242; ZHOU YIBAI (1986), S. 678. 21 QIGONG (1984), S. 239. – QIGONG (geb. 1912), mit Familiennamen JIN 金 (AISIN GIORO), ist ein direkter Nach- fahre des engen Verwandten Kaiser QIANLONGs, HÔNG JEO / HONGZHOU 弘晝 (gest. 1770); s. M. GIMM, in: Oriens Extremus, 41 (1998/9), S. 182. QIGONGs enger Verwandter JIN QICONG 金啟孮 (1918-2004) wurde als Fachgelehrter für Jürchensprache und Manjurisch bekannt. 22 Hierzu s. Zhongguo yinyue cidian (1984), S.296, 376-378; LIAN BO 連波 (Hg.), Zhongguo minzu yinyue daxi 中國民族音樂大系 , Band Quyi yinyue juan 曲藝音樂卷 , Shanghai (1989), S. 1-47. TSAO (1988), S. xiii: „P’ing-t’an, in Su-chou dialect, is the most representative among the various forms of southern Chinese storytelling“; hierzu s.a. dort S. 1-18 etc. 23 Es handelt sich hierbei nicht um eine Art psalmodierenden Sprechgesangs (langsong 朗誦 ), sondern um ein Singen nach festen Melodiemodellen (s.u.). – Zu den unterschiedlichen volkstümlichen Interpretationsformen s. den zusammenfassenden Beitrag von CHAO YUAN REN, Tone, Intonation, Singsong, Chanting, Recitative, Tonal Composition

OE 44 (2003/04) Shengguan tu („Tafel der Beamtenkarriere“) 215 heute leider nur noch in Ansätzen aufzuspüren ist. Es haben sich angeblich etwa 5 Texte mit sog. gongchi-Notation24 工尺譜 erhalten, aus der man indes lediglich die Melodielinien (ohne jegliche Akzidentien, Rhythmisierungen, Verzierungen, Vortragsbezeichnungen etc.) erkennen kann.25 Einen Eindruck von der Lebhaftigkeit der Melodiegestalt vermittelt das beigefügte Notenbeispiel,26 dessen Quelle jedoch nicht genannt ist. Die melodische Struktur folgt, wie die meisten der volksnahen Balladenformen, dem banqiang-Prinzip27 板腔體 , bei dem man den viergliedrigen Takt (yiban sanyan 一板三眼 : „ein harter Schlag, drei weiche Schläge“) bevorzugt. Wie der Name zidi shu andeutet, bezeichnet diese Kategorie Vortragsstücke junger manjuri- scher Bannerangehöriger,28 baqi zidi 八旗子弟 , (manjur. jakôn gôsai enen) – verkürzt zidi, „junge Leute“ –, die diese in Gemeinschaftsarbeit und in Anlehnung an traditionelle, im Volke weit- verbreitete Stoffe nach überkommenen literarischen und musikalischen Vorbildern zu einer neuen Spielart geselliger Unterhaltung gestalteten. Seit alters wird den Manjuren eine besonde- re Vorliebe für jegliche Art musikalisch-dramatischer Präsentation29 nachgesagt. Die kulturelle

and Atonal Composition in Chinese, in: For Roman Jacobson, Essays on the Occasion of his Sixtieth Birthday, 11. Oct. 1956, The Hague (1956), S. 52-59; davon auch chines. Übers.: ZHAO YUANREN 趙元任 , Zhongwen de shengdiao, yudiao, yinchang, yinsong, langyong … 中文的聲調,語調,吟唱,吟 誦,朗誦 …, in: Zhongguo yinyue 中國音樂 , 1987, Heft 2, S. 1-3, 5; s.a. CONAL BOYCE, Recitation of Chinese Poetry, in: Journal of the American Oriental Society, 100 (1980), S. 503-509. 24 Überblick s. bei M. GIMM, Notation (China), in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hgg. v. L. FINSCHER, Sachteil, Bd. 7, Kassel (1997), Sp. 400-401. 25 S. FU GENGYE 傅耕野 , in: Manzu yanjiu 滿族研究 (1988), Heft 1, S. 36. Mir ist gegenwärtig nur eine einzige ein- schlägige Handschrift mit Musiknotation, betitel Zidi shu 子弟書 , bekannt, die sich in der Stadtbibliothek von 天津市人們圖書館 befindet (2 Hefte, Fragment). QIGONG (1984), S. 242, weist darauf hin, daß am Ende der Qing- Dynastie ein Literat namens GOLMIN (chines. GUOLEMIN 果勒敏 oder GUOERMIN 果爾敏 ), der auch als Verfasser einer Xisu zhai shicao 洗俗齋詩草 betitelten Gedichtsammlung bekannt wurde, als Komponist von zidi shu-Melodien tätig war. 26 S. Abb. 1 im Anhang; aus Zhongguo yinyue cidian (1984), S. 521. 27 Im Unterschied zu der zyklischen Gestaltung (qupai ti 曲牌體 ) der üblichen Singspielgattungen folgt die Tradition der musikalischen Volksballaden der sog. ban-Anlage (banqiang 板腔 ), bei der eine ausgewählte Melodie oder auch mehrere kombiniert durch Veränderungen in Tempo, Rhythmus oder durch Verkürzung und Erweiterung verar- beitet werden. Zugrundegelegt werden dabei meist zwei unterschiedliche Melodiekategorien, die man jeweils für die Untermalung trauriger oder freudiger Emotionen einsetzt und durch Intervalländerungen etc. in ihrem Aussagege- halt variiert. Hierzu s. u.a. Zhongguo yinyue cidian (1984), S. 15; M. GIMM, China (1995), Sp. 749. 28 Eine andere Ableitung der Bezeichnung erwähnt ZHOU YIBAI (1986), S. 679. – Unter (baqi) zidi verstand man die Söhne von manjurischen Bannerangehörigen und Adligen, die in der betreffenden Zeit nicht fest angestellt waren oder keinen Kriegsdienst zu leisten hatten und deren Familien Unterstützung durch staatliche Deputatleistungen genossen. Als Auswüchse bildeten sich im Laufe des 19. Jhs. besondere Gruppen junger Müßiggänger heraus, über deren Luxusleben sich u.a. der JIAQING-Kaiser i. J. 1811 in seinen „Heiligen Erlassen“ zur Kritik veranlaßt sah. Hierzu s. YI ZENGXUN 伊增塤 , in: Manzu yanjiu 滿族研究 , Jg. 2004, Heft 1, S. 63. 29 Für die Vorliebe der Manjuren für musikdramatische Gattungen, die letztlich auch zur Herausbildung der aus mittelchinesischen Traditionselementen erst in der Qianlong-Zeit gestalteten, heute meist als „Beijing-Oper“ be- zeichneten Singspielgattung führten, sind genügend Belege in den Quellen zu finden. – Noch bevor die Manjuren i. J. 1644 das chines. Reichsgebiet erobert hatten, stand die Pflege musikalischer und artistisch-dramatischer Formen als höfische Unterhaltung regelmäßig auf dem Programm. Über die Musik der Manjuren liegen neuerdings zahl- reich chines. Einzelstudien vor; als zusammenfassende Arbeit hierzu ist Manzu yinyue yanjiu 滿族音樂研究 des SHI GUANGWEI 石光偉 , Beijing (2003), 304 S., zu nennen. – Wie mir i. J. 1982 der damals noch lebende letzte Eunuch des Kaiserhofes, SUN YAOTING 孫耀庭 (1902–1996), der bis zuletzt im Tempel Guanghua si 廣化寺 in Beijing (Adresse: Yaer hutong 鴉兒胡同 , No. 16) lebte, in einem Tonbandinterview berichtete, stand für höfische Opernauf-

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Mission der jungen manjurischen Aristokraten und ihre Bedeutung für die Integration der neuen Herrscherschicht in die chinesische Traditionsumgebung sind in letzter Zeit öfter her- vorgehoben worden.30 Die Blütezeit der zidi shu-Balladen, deren Einfluß auch auf andere volksmusikalischen Gattun- gen zu spüren ist, fiel in die Periode Ende-Qianlong- bis Daoguang-Ära, d.h. in das Jahrhundert 1750–1850. Danach verfiel diese Kunst allmählich und sank zeitweilig zu einem Broterwerb blinder Straßenmusikanten31 herab. Nach Beschreibungen32 in der Literatur, die auch den qualitativ hohen Stand dieser Gat- tung hervorheben,33 hatten sich bei den zunächst nur in Beijing34 beheimateten zidi shu- Gruppen in fortgeschrittenem Entwicklungsstadium zwei Haupttypen35 herausgebildet, die man als dongcheng diao 東城調 , „Melodien der Oststadt“, oder dongyun 東韻 und xicheng diao 西城調 , „Melodien der Weststadt“ oder xiyun 西韻 (seltener auch shiyun 石韻 ) bezeichnete. Unter dongcheng und xicheng verstand man die beiden Teile der ‘Kaiserstadt’ (huangcheng 皇城 ), in denen die Elitegarden des Einfachen und Umränderten Gelben Banners stationiert waren.36 Die erstgenannte, oststädtische Kategorie soll in ihrer ernst-heroischen, vorherrschend syl- labisch strukturierten Gestaltung, der man meist martialische Stoffe zugrundelegte, eher dem Stil der Gaoqiang-Singspiele37 高腔 und die letztere, weststädtische mit ihren ausdrucksstarken, melismatischeren Melodien und bevorzugt romantischen Stoffen dem Arienstil der kunstrei-

führungen bis zum Dynastieende eine speziell in Operngesang, Schauspiel und Akrobatik ausgebildete Gruppe von Eunuchen bereit, die sowohl die männlichen wie die weiblichen Rollen übernahmen. SUN war bis 1911 selbst als Sänger und Schauspieler am Hofe tätig gewesen. Hierzu s.a. SUN YAOTING, LING HAICHENG, Der letzte Eunuch (aus dem Chinesischen von UWE FRANKENHAUSER), Leipzig: Kiepenheuer (1993), S. 233-279; Der Spiegel, 39. Jg., Nr. 25 (1985), S. 187 etc. Nach dem Zusammenbruch der Dynastie lebten Eunuchen noch bis in die 1940er Jahre auch in dem Tempel Huguo si 護國寺 im Nordwesten der ‘Tatarenstadt’, der einstigen Residenz des mongolischen Fürsten TOTO (gest. 1355). 30 Zusammenfassend s. die Monographie von TENG (1989). 31 S. Tianzhi ouwen (1907), j. 7, S. 175. 32 S. Tianzhi ouwen (1907), j. 7, S. 175; danach auch in Qing bai leichao 清稗類鈔 (1917), Neudruck Beijing (1984/7), Bd. 10, S. 4954. Weitere Belegstellen s. bei WANG YAO (1966), Bd. 4, S. 621-622. 33 Es handelte sich dabei nicht, wie WALTER FUCHS (1902–1979) manchmal äußerte, um eine Art niedere „Knei- penliteratur“, sondern um einen in geselliger Gemeinschaftsarbeit gestalteten, gehobenen Bänkelgesang. So vermerkt das Peijing zashu (Druck v. 1878); zitiert bei FU XIHUA (1954), S. 98; WANG YAO (1966), Bd. 4, S. 621: „說書人有四等最上者為子弟書 – Von den Balladensängern kennt man vier Klassen. Die höchste von ihnen sind die [Interpreten der] zidi shu.“ S.a. Yanjing suishi ji (s. BODDE, S. vii) aus der Zeit um 1900: „子弟書音調沈 穆詞亦高雅 – The songs of the tzu-ti-shu are sad and lovely, and their words are refined.“ (BODDE, S. 97). V. HRDLI…KOVÁ (1968), S. 103, notiert hierzu: „During the Ch’ing dynasty (1644–1911), singers of a select class called tze-ti [zidi] were asked to sing ballads in wealthy homes. These were Manchus, themselves well to do, who sang as a hobby and never accepted renumeration for performing. They were treated as guests of honor and showered with special attention in the form of food and drink. […] Yet such was their pride in their artistic heritage that they could not accept payment directly.“ S.a. ELLIOTT (2001), S. 265-267 (n. HATANO). 34 SUSAN NAQUIN, Beijing Temples and City Life, 1400–1900, Berkeley, Calif. (2000), S. 370: „The Inner City became a special zone for these ‘sons and brothers’ (zidi) of the Eight Banners. “ 35 Hierzu s. u.a. Tianzhi ouwen (1907), j. 7, S. 175; FU XIHUA, Zidi shu zongmu (1954), S.6; Zidi shu congchao (1984), S. 821; JIN SHOUSHEN (1989), S. 303. 36 S. OKADA (1981), S. 16. 37 Hierzu s. DOLBY (1976), S. 136, 223-226; GIMM (1995), S. 749 etc.

OE 44 (2003/04) Shengguan tu („Tafel der Beamtenkarriere“) 217 chen Kunqu-Oper38 崑曲 nahegekommen sein. Um 1798 erlangte die dongcheng diao-Spielart Eingang in die alte Manju-Hauptstadt Mukden (heute ), so wie die xicheng diao-Form sich in das nahe Tianjin verbreitete, wo sie sich mit einheimischen Gattungen zur sog. wei zidi shu 衛子弟書 (oder xicheng ban 西城板 ) verband. Als Ausläufer seit der Mitte des 19. Jahrhun- derts bildeten sich sekundär eine Süd- und eine Nordstadt-Gattung39 (nancheng diao 南城調 und beicheng diao 北城調 ) heraus, die beide eine raschere Vortragsart bevorzugten. Die den Texten zugrundegelegten Stoffe sind vorwiegend den allgemein bekannten belle- tristischen und dramatischen Werken (wie den Romanen Jin Ping Mei, Sanguo zhi yanyi, Honglou meng40, dem Singspiel Xixiang ji etc.) entnommen. Als Vorlagen dienten in zweiter Linie auch zeitgenössische Themen aus dem damaligen sozialen Leben. In ihrer formalen Struktur41 bestehen die chinesischen zidi shu-Stücke aus Versen unterschied- licher Länge mit pro Kapitel jeweils wechselnden Reimen, wobei der Siebensilbigkeit der Vor- zug eingeräumt wird. Wie aus Volkssingspielen bekannt, konnten je nach den verwendeten Melodiemodellen in weiten Teilen rezitativisch gesungene Partien eingefügt werden. Es reimen meist die geradzahligen Zeilen, und zwar nach dem Schema des seit der Ming-Zeit für Dra- men- und Balladendichtungen nördlichen Stils üblichen Systems der 13 Reimgruppen42 (shisan zhe 十三轍 ), das in einzelnen Fällen von der heutigen Aussprache differiert. Die durch Zu- satzwörter (chenzi 襯字 ) erweiterten, d.h. über die Heptasyllabilität hinausreichenden Zeilen wurden durch melodische Tropierung (melismatische Einschübe) auf das taktische Grund- schema der Siebensilbigkeit zurückgeführt, so daß man trotz ungleich langer Textzeilen ein musikalisch-metrisches Ebenmaß erreichte. Für die Länge der einzelnen Werke scheint es keine feste Regel gegeben zu haben. Die Skala reicht hier (wie im Falle des Shengguan tu) von sehr kurzen Stücken bis zu langen Darbietungen mit einigen Dutzend Kapiteln, deren Vortrag durchaus mehrere Abende in Anspruch nehmen konnte.

38 Hierzu s. DOLBY (1976), S. 71, 164/71 u.ö.; GIMM (1995), S. 748/9 u.ö.; QIGONG (1984), S. 241, weist auf die außerordentlich gedehnte Ausführungsart hin. S.a. JIN SHOUSHEN (1989), S. 303/4. 39 S. REN GUANGWEI (1983), S. 619. 40 Der Stoff dieses Romans erfreute sich besonderer Beliebtheit. So verzeichnet YI SU 一粟 (Pseudonym) in seinem Honglou meng shulu 紅樓夢書錄 , Shanghai (1958), S. 328-339, allein 39 Stücke des zidi shu-Genres dieser Kategorie. S.a. die Sammelausgabe von HATANO TARÔ (s. Lit.verz.), Honglou meng zidi shu 紅樓夢子弟書 , Taipei (1977). 41 Zu diesem Abschnitt s.a. FU XIHUA (1954), S. 95-96; CHEN RUHENG (1958), S. 225-231. 42 Hierzu s. u.a. XU JIALU (1990), S. 374; (mehrere Verfasser) Zhongguo yuyanxue da cidian 中國語言學大詞典 (Encyclope- dic Dictionary of Chinese Liguistics), Nanchang (1991), S. 134-135; ergänzend s.a. QIGONG (1984), S. 242.

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3. Die zidi shu-Texte

Die bis heute erhaltenen zidi shu-Stücke – FU XIHUA registriert in seinem Katalog (1954) 446 Werke,43 inzwischen sind noch etwa 100 dazugekommen – sind bis auf wenige Ausnahmen44 alle anonym überliefert. Man kann zwei Hauptkategorien unterscheiden: (A.) rein-chinesische zidi shu-Texte – dies ist der weitaus überwiegende Teil –, (B.) hybride, gemischtsprachige zidi shu-Texte. Von rein-manjurischen zidi shu-Stücken ist bislang nichts bekannt. Bei der uns im folgenden ausschließlich interessierenden Gruppe (B.) wurden aufgrund der primär bilingualen45 Ausrichtung der Qing-Dynastie nur zweisprachige, nämlich chinesisch- manjurische Texte – dazu leider nur in sehr geringer Anzahl (s. u.) – gefunden. Ob ehemals etwa auch chinesisch-mongolische, manjurisch-mongolische, rein-manjurische oder gar drei- sprachige Stücke existierten, ist bislang völlig ungewiß. Die Bedeutung derartiger Texte für die linguistische Erforschung mancher kontaktinduzierter Phänomene der damaligen Umgangssprache und Volksideomatik ist nicht gering einzuschätzen.46 Bei den genannten chinesisch-manjurischen Mischdichtungen (B.) lassen sich zwei Anlage- formen47 unterscheiden:

43 S. die im Anhang genannten Kataloge. Im Lexikon Zhongguo minjian wenxue da cidian (1996), S. 1342–1351 werden über 100 zidi shu-Werke näher charakterisiert; das Shengguan tu fehlt dort aus den unten angegebenen Gründen. 44 Zu den wenigen bekanntgewordenen Autorennamen gehören u.a. LUO SONGCHUANG 羅松窗 , der in der Qianlong- Ära lebte und zur Tradition der „westlichen Hauptstadt“ zählte. Eines seiner als anspruchsvoll gerühmten Werke, Zhuangshi xiangxiang 莊氏降香 , erschien 1756 im Druck. Weiterhin sind nachweisbar: HAN XIAOCHUANG 韓小窗 , der in der 1. Hälfte des 19. Jhs. die „Oststadt“-Tradition vertrat, und HUOLÜ 霍侶 (auch YIGENG 奕賡 genannt) aus der Mitte des 19. Jh.s; beide wirkten auch in Mukden. 45 Zur Frage des Bi- und Polylingualismus in der Qing-Dynastie s. M. GIMM, Zum mongolischen Mah~k~la-Kult und zum Beginn der Qing-Dynastie, in: Oriens Extremus, 42 (2000/1), S. 69, Anm. 1, sowie ausführl. in einer in Vorbereitung befindlichen Monographie über die Mehrsprachigkeit in der Qing-Dynastie. Zum Umfeld s. u.a. WILLIAM F. MACKEY, Biligualisme et contact des langues, Paris (1976); MARIO WANDRUSZKA, Die Mehrsprachigkeit des Menschen, München (1979), Taschenbuch DTV (1981); neuere chines. Beiträge: Zhongguo shaoshu minzu shuangyu yanjiu lunji 中國少數民族雙語研究論集 (Aufsatzsammlung von 37 Verfassern), Beijing (1990); HE JUNFANG 何俊芳 , Zhongguo shaoshu minzu shuangyu yanjiu: lishi yu xianshi 中國少數民族雙語研究 : 歷史與現實 , Beijing (1998) usw. 46 Dennoch ist die Existenz solcher manjur.-chines. hybrider Volksballaden allein kaum als Beleg dafür zu verwenden, daß „the actual language among ‘Manchu’ commoners was a kind of pidgin language – heavily Manchuized Chine- se or Sinicized Manchu“, wie der japan. Linguist HASHIMOTO MANTARÔ festzustellen glaubte. S. HASHIMOTO, The Altaicization of Northern Chinese, in: JOHN MCCOY u. TIMOTHY LIGHT (ed.s), Contributions to Sino-Tibetan Studies (Cornell Linguistic Contributions, 5), Leiden 1986, S. 76-97; s.a. STEPHEN A. WADLEY, Altaic Influences on Beijing Dialect, The Manchu Case, in: Journal of the American Oriental Society, 116 (1996), S. 99-100. 47 Manjur.: manju nikan hergen-i kamcibuha (araha).

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(I. ) manhan jian 滿漢兼 – simultane Struktur: Die Zeilen sind hier aus manjurischen und chinesischen Textteilen, die strukturell vonein- ander abhängig sind, gemischt. Dabei können die manjurischen Wörter entweder (a.) in manjurischen Buchstaben48 (Normalfall) – s. u. die Texte (1.) und (4.) – oder (b.) in chinesischer Transkription49 – s. u. Text (3.) – erscheinen. Im Unterschied zum Typ (I. a.), bei dem normalerweise jede einzelne chinesische Zeile auch manjurische Elemente enthält, können bei Typ (I. b.) manche Zeilen auch rein-chinesisch abgefaßt sein. Der leichteren Verständlichkeit halber kann im Falle (I. a.) den manjurischen Wörtern auch eine chinesische Übersetzung (meist in Kleinschrift) beigegeben sein. (II.) manhan hebi 滿漢合璧 – separate Struktur: Der manjurische Text (") und der chinesische Text ($) erscheint im Wechsel von jeweils einer Zeile (" $ " $ …). Dabei folgen beide Sprachteile ihren eigenen grammatischen und prosodischen Regeln – s. u. Text (2.). Während Stücke der Anlageformen (I.) nur Lesern (oder Zuhörern) verständlich sind, die in beiden Sprachen heimisch (bilingual) sind, können einsprachige Personen den Sinn der Texte der Gruppe (II.) durchaus erfassen. In den erhaltenen Beispielen scheint der chinesische Anteil jeweils das wichtigere Element (Superstrat) darzustellen. Einige Stücke der erhaltenen Mischdichtungen – s. u. Texte (1.) und (5.) –, bei denen sowohl die Vortragenden wie das Publikum in beiden Sprachen versiert sein mußten, kann man zu- dem dem Bereich einer burlesken Sonderentwicklung, der sog. makkaronischen Dichtung50, zurechnen, bei der Elemente der unterschiedlichen Sprachen humoristisch-spielerisch mitein- ander verwoben werden. Obwohl solche Erscheinungen im chinesischen Bereich auch sonst nicht unüblich waren, lassen sich Texte dieser Art nur schwer aufspüren.51 – Neben den zidi

48 Für die Gruppe (I. a.) führte ZHAO JIE (1996), S. 144, eine neue, separate Bezeichnung ein: han jia man 漢夾滿 ; s.a. ZHAO ZHIZHONG (1991), S. 138. 49 Trankriptionen manjurischer Übersetzungstexte in chinesischen Zeichen sind auch in anderen Kategorien nach- weisbar; sie bilden indes die Ausnahme. – Rein-chines. zidi shu-Texte, in die nur ganz sporadisch manjur. Wörter (in chines. Transkription) eingeflossen sind, werden hier nicht zu dieser Gruppe gezählt. Hierzu s. CHEN JINZHAO (1977), S. 264-265. 50 Die angeblich nach der ital. Satire Maccharonea des Paduaners TIFI degli ODASI (gest. 1488) benannte Scherzdichtung, deren Vorläufer indes bereits bei griech.-latein. Satiren zu finden sind, erlebte ihre Blüte im Zeitalter des Humanismus des 15.–16. Jh.s. Als Beispiel solcher lateinisch-deutscher humoristischer Volkspoesie sei hier die bei W. PREßLER an- geführte Probe zitiert; s. ders., Witz, Humor und Komik in der deutschen Volkskunde, in: Germanien, Heft 9, Berlin (1942), S. 318: „Hic liber est mein, / Ideo nomen meum scripsi drein. / Si vis hunc librum stehlen, / Pendibus an der Keh- len; / Tunc veniunt die Raben / Et volunt tibi oculos ausgraben. / Tunc clamabis Ach, ach, ach! / Ubique tibe recte geschach.“ S.a. FRIEDRICH WILHELM GENTHE, Geschichte der Macaronischen Poesie und Sammlung ihrer vorzüglichsten Denkmale, Leipzig (1829), auch Nachdr. Wiesbaden (1966), Genf (1970); JÜRGEN DAHL, Maccaronisches Poetikum oder Nachtwächteri veniunt cum Spießibus atque Laternis, Ebenhausen b. München (1962); LEONARD FORSTER, The Poets Ton- gues, Multilingualism in Literature, Cambridge (1970), auch dt. Übers. Dichten in fremden Sprachen, München (1974). 51 So haben sich einige khitanesisch-chinesische Proben aus dem 11. Jh. erhalten; hierzu s. HERBERT FRANKE, Two Chinese-Khitan Macaronic Poems, in: WALTHER HEISSIG u.a. (Hg.), Tractata Altaica Denis Sinor sexagenario optime de rebus altaicis merito dedicata, Wiesbaden (1976), S. 175/80; s.a. ders., Bemerkungen zu den sprachlichen Verhältnissen im Liao-Reich, in: Zentralasiat. Studien, 3, Wiesbaden (1969), S. 43. Zu gemischtsprachigen Beispielen anderer Genres (Lieder aus Singspielen der Mongolenzeit) s. ARTHUR WALEY, Chinese-Mongol Hybrid Songs [in Yuan-Dramen], in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies University of London, vol. 20, London (1957), S. 581-584.

OE 44 (2003/04) 220 Martin Gimm shu sind auch gemischtsprachige Volksgesänge anderer Kategorien (z. B. ge 歌 / ucun) dieser Art aus der Qing-Dynastie bekannt.52 Ob den erwähnten sprachlichen Gestaltungen eine historische Entwicklung zugrundeliegt, bedarf noch genauerer Untersuchung. Nach HATANO TARÔ53 soll die Anordnung (II.) die ursprünglichere gewesen sein, die im Zuge schwindender Manju-Kenntnisse später von der Form (I.) überlagert und schließlich durch rein-chinesische Gebilde (A.) ersetzt wurde. ZHANG JIASHENG (1999), S. 430, vertritt dagegen die Meinung, daß ehemals neben dem rein- chinesischen Typ (A.) gleichzeitig (!) eine rein-manjurische Form existierte, die später durch den chinesisch-manjurisch gemischten Typ (B. I.) und schließlich durch den chinesisch- manjurisch parallelen Typ (B. II.) ersetzt wurde. Von hybriden zidi shu-Texten der Kategorien (I.) und (II.) wurden bislang die folgenden bekannt: (1.) „Das Krabbenessen“,54 chinesischer Titel: Pangxie duan’er 螃蟹段兒 , Na pangxie 拿螃蟹 oder Chi pangxie 吃螃蟹 ; manju- rischer Titel: Katuri jetere 子弟書 , Katuri jetere duwan oder Katuri jetere juben-i bithe. Anonym überliefert; mehrere unterschiedliche Fassungen (Manuskripte und Drucke). Entstehungszeit: um 180055 oder etwas früher. Inhalt: Skurrile Ereignisse um eine in Beijing neu zugewanderte Familie, auf deren Speiseplan Krabben bislang unbekannt waren. Besonderheit: Gemischt manjurisch-chinesischer Text innerhalb einer Zeile; nur in manchen (späteren?) Ausgaben ist den manjurischen Teilen auch eine chinesische Übersetzung bei- gegeben. Form: Typ (I.a.).

52 Hierzu gehört auch der erst kürzlich teilweise veröffentlichte Entwurf der Daoguang-Zeit für ein Theaterspiel, genannt Yangui tan 煙鬼嘆 , „Das Stöhnen des Tabaksteufels“, das sich gegen die seit 1840 sich ausbreitende Unsitte des Opiumrauchens richtet; s. ZHAO ZHAN 趙展 , Manhan hebi juben 係 angui tan» chuyi 滿漢合璧劇本《煙鬼嘆》芻議 , in: Manyu yanjiu 滿語研究 , Nr. 31 (2000), Heft 2, S., 99-105; s.a. GIMM (1984), S. 203. Weiterhin ist hier zu nennen: Bian guan diao 邊關調 ; s. GUAN (1958), S. 88, sowie eine Reihe verschiedenartiger Sprüche, Gedichte, Liedertexte usw.; hierzu s. ZHENG ZHENDUO (1953), S. 452-453; GIMM (1984), S. 199-205; G. Stary, Neues Material zur man- dschurischen Literaturgeschichte: Mandschurisch-chinesische „Mischgedichte“, in: Zentralasiatische Studien, 18 (1985), S. 88-164; ders., Ars poetica manjurica, Sieben sibe-mandschurische Lieder- und Gedichtsammlungen in Umschrift (Asiatische Forschungen, Bd. 107), Wiesbaden (1989); JI YONGHAI und ZHAO ZHIZHONG (1991), S. 139-213 u.ö. 53 S. HATANO TARÔ (1973), Einleitung, S. 28. HASHIMOTO MANTARÔ, s.o. (1986), S. 92, hält die manjur.-chines. Mischform allgemein für die frühere Ausprägung. 54 Zu dem bekannten Stück „Das Krabbenessen“, das sich in mindesten 8 unterschiedlichen Versionen erhalten hat, liegen zahlreiche Arbeiten vor. Als neuere Beiträge seien hier nur erwähnt: WADLEY (1991), S. 8-59, und MARC C. ELLIOTT, The „Eating Crabs“ Youth Book, in: SUSAN MANN u. YU-YIN CHENG (ed.s), Under Confucian Eyes, Writings on Gender in Chinese History, Berkeley, Los Angeles (2001), S. 262-297; s.a. CHEN JINZHAO (1977), S. 259-264. Als Besonderheit der hybriden Mischdichtung ist zu vermerken, daß allein dieser Text im Druck erschienen ist, und zwar bei den Pekinger Buchhandlungen Wencui tang 文萃堂 und Bieye tang 別埜堂 . Näheres hierzu bleibt noch zu ermitteln. Das in Büchersammlungen nur selten erhaltene Titelblatt lautet in ersterem Falle: (links) Katuri jetere juben-i bithe, (Mitte) Wencui tang zihang 文萃堂梓行 , (rechts) Pangxie duan’er 螃蟹段兒 ; s. Nachdr. (ohne Titelblatt) bei WAD- LEY, l. c. – Manche Ausgaben (so auch diese Drucke) richten sich nach der manjurischen Zeilenfolge (von links nach rechts), andere nach der chinesischen (von rechts nach links). 55 Nach WALTER FUCHS, Neue Beiträge zur mandjurischen Bibliographie und Literatur, in: Monumenta Serica, 7 (1942), S. 14-15.

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(2.) „Die Suche nach dem Ehemann“,56 chinesischer Titel: Xunfu qu 尋夫曲 oder Meng Jiangnü xunfu 孟姜女尋夫 ; kein manjurischer Titel. Anonym überliefert (Manuskript). Entstehungszeit: 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Inhalt: Volksüberlieferung um die bekannte Heroine MENG JIANGNÜ 孟姜女 . Besonderheit: Der gereimte manjurische Text erscheint mit interlinearer chinesischer Parallel- übersetzung. Form: Typ (II.). (3.) „Grenzwache“,57 chinesischer Titel: Chaguan 查關 ; kein manjurischer Titel. Anonym überliefert (Manuskript). Entstehungszeit: ? Inhalt: Nach einem historischen Stoff (noch nachzuprüfen). Besonderheit: Rein-chinesischer Text mit eingesprengten manjurischen Wörtern, die – von nur einer der handelnden Personen (einer Art lustiger Figur) verwendet – chinesisch transkri- biert sind. Form: Typ (I.b.). (4.) „Beamtenbezeichnungen“ (?), chinesischer Titel: Guanxian tan 官銜嘆 ; manjurischer Titel: ? Inhalt: ? Entstehungszeit: ? – Dieser Text war mir bislang nicht zugänglich.58 Form: Typ (I. ?). (5.) „Tafel der Beamtenkarriere“, chinesischer Titel: Shengguan tu 陞官圖 ; kein manjurischer Titel (in einer externen Quelle59 Hafan wesire durugan benannt). Anonym überliefert (Manuskript). Entstehungszeit: wohl um 1800 oder kurz zuvor. – Weiteres siehe im folgenden Abschnitt. – Form: Typ (I.a.).

56 Bearbeitung s. HATANO (1973), getr. Pag. 1-41, mit zahlreichen Zusatzmaterialien; TULLI (1992), S. 307-391; Zidi shu zhenben baizhong (2000), S. 46-86. 57 Bearbeitung s. WADLEY (1991), S. 61-109; hierzu ist zu ergänzen: C. NÄHER, in: Nachrichten der Deutschen Gesellschaft für Natur- u. Völkerkunde Ostasiens, 167/70 (2000/01), S. 455-459; TULLI (1992), S. 291-306; s.a. JI YONGHAI und ZHAO ZHIZHONG (1991), S. 179-180; OKADA (1992), S. 170-174 (Übersetzung u. Text S. 181-187). 58 Existenz fraglich; erwähnt bei ZHANG JIASHENG (1999), S. 430. 59 So in einem anonymen Gedicht innerhalb einer unbetitelten Manuskript-Serie aus der Sammlung ERICH HAE- NISCH, die sich heute in der Staatsbibliothek Preuss. Kulturbesitz Berlin befindet (Sign.: 34981), Heft 11, ohne Pa- gin.; s. W. FUCHS (1966), Nr. 243, S. 148.

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4. Die Shengguan tu-Ballade 4.1 Obwohl sich zur Entstehungszeit der Volksballade Shengguan tu60 bislang kein Anhalts- punkt gewinnen läßt, ist aufgrund sprachlicher Phänomene zu vermuten, daß sie etwa in die- selbe Periode wie das unter (1.) genannte „Krabbenessen“, d. h. in das Ende des 18 Jahrhun- derts, einzuordnen ist. Im Unterschied zu diesem Stück humoristisch-burlesker Ausrichtung könnte man vermu- ten, daß das Shengguan tu als explizit erotischer Gesangstext61 in der konfuzianisch-puritanischen Qianlong-Zeit – wie viele andere – der Unterdrückung unterworfen war. Offenbar waren jedoch derartige Balladen wohl deshalb nicht generell den kaiserlichen Literaturverboten62 anheimgefal- len, weil ihre Pflege auf einen exklusiven Kreis junger Bannerleute beschränkt war und die Stük- ke somit nur eine limitierte Verbreitung fanden, so daß sie dem chinesischen Bevölkerungsteil weitgehend verborgen blieben. Vielleicht räumte man den spezifisch-manjurischen Unterhal- tungsprodukten zudem eine größere Toleranz63 ein als denen, die das ‘gemeine Volk’ favorisier- te. Wie ein Edikt erkennen läßt, war es der Bannerjugend ohnehin verboten, sich unter das niedere Volk der Komödianten zu mischen64 oder in der Öffentlichkeit Balladengesänge zu präsentieren.65 Dennoch ist anzunehmen, daß die Erhaltung des Shengguan tu-Textes nur einem glücklichen Zufall zu verdanken ist; denn nach QIGONG (geb. 1912), einem Angehörigen des

60 Hierzu s.a. ÔTA (1963), S. 202-203; CHEN JINZHAO (1977), S. 259-260. 61 Unter den rein-chines. zidi shu-Texten scheuen u.a. die folgenden nicht vor gemäßigten erotischen Passagen zurück, die in den Neuausgaben indes fast immer ausgemerzt sind: Dengcao heshang 燈草和尚 , Kap. 1-4 (s. in: Qing menggu Che wangfu cang quben, 1991, tao 308, Heft 4); Gongzi xi xuan 公子戲嬛 , Kap. 3 (s. in op. cit., tao 303, Heft 2); Gun lou 滾樓 (s. in op. cit., tao 308, Heft 1); Jiazhu xi xuan 家主戲嬛 , Kap. 3 (s. in op. cit., tao 304, Heft 2); Putao jia 葡萄架 ; Song zhentou 送枕頭 (s. in op. cit., tao 294, Heft 3); Yuanyang kou 鴛鴦扣 (s. in op. cit., tao 306, Heft 1-2). 62 Aktenkundig geworden ist die in einer Eingabe des DING RICHANG 丁日昌 (1823–1882) – damals Gouverneur der Provinz – vom 15. und 21. IV. (7. und 13. Mai) des Jahres Tongzhi 7 (1868) genannte Serie von 112 Gesangs- texten erotischen Inhalts (xiaoben yinci changpian 小本淫詞唱片 ), die indes – bezeichnenderweise – nicht die zidi shu, die zu dieser Zeit noch lebendig waren, sondern andere Kategorien der Volksliteratur, wie suqu 俗曲 , shan’ge 山歌 etc., betraf. Zu diesem Text s. WANG LIQI, erweiterte Ausg., Shanghai (1981), S. 142-149. Näheres hierzu s.a. CHE XILUN 車錫倫 , Qing tongzhi jiangsu chajin „xiaoben changpian mu“ zhong de suqu 清同治江蘇查禁 “小本唱片目” 中的俗曲 , in: shifan xuebao 揚州師範學報 (Abt. shehui kexue), Jg. (1992), Nr.2, S. 41-44; ders., Qing tongzhi jiangsu chajin „xiaoben changpian mu“ kaoshu 清同治江蘇查禁“ 小本唱片目” 考述 , in: Wenxian 文獻 , Peking (1996), Heft 2, S. 56-70; LIU SHUIYUN (2003), S. 208. Zu ähnlichen Verboten aus der Qianlong-Zeit, in der auch manche Singspiele auf dem Index standen, s. WANG LIQI (1981), S. 49-50 etc. sowie TANAKA ISSEI (1968). Auch war in dieser Zeit Schauspie- lern untersagt, sich an dem Vortrag solcher Volksgesänge (yinci xiaoqu 淫詞小曲 ) zu beteiligen; s. WANG LIQI (1981), S. 49-50. 63 Erinnert sei hier an den charakteristischen ‘Fall’ der manjurischen Übersetzung des Romans Jin Ping Mei aus dem Jahre 1708, die möglicherweise von einem kaiserlichen Prinzen initiiert wurde und in den kaiserlichen Werkstätten im Druck erschien, und zwar exakt in der Zeit, als Kaiser KANGXI Verbote von Romanen dieser Kategorie ver- kündet hatte. Hierzu s. M. GIMM, Hans Conon v. d. Gabelentz und die Übersetzung des chinesischen Romans Jin Ping Mei (Si- nologica Coloniensia, Bd. 24), Abschn. 4.2 (im Druck). 64 Ein Edikt zum Verbot für die Bannerjugend (baqi zidi 八旗子弟 ), sich in Schauspielerkreisen herumzutreiben, war i. J. 1806 verkündet worden; s. WANG LIQI, S. 60-61, 74. Beispiele von ähnlichen Verboten aus der Qianlong-Zeit s.a. in der Zeitschr. Lishi dang’an 歷史檔案 , (2001), Heft 1, S. 28-46. 65 Ein Edikt mit dem Verdikt für Bannersoldaten, Balladengesänge auszuführen, wurde i. J. 1838 erlassen; s. WANG LIQI, S. 60-61, 74 usw. Weiteres zu den Literaturverboten s.a. M. GIMM, Hans Conon v. d. Gabelentz … Abschnitt 4.2.4 (im Druck).

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Kaiserklans, der in seiner Jugend noch zwei alte, blinde zidi shu-Sänger erlebt hatte, unterlag die Tradition solcher erotischer Stücke einer besonderen Geheimhaltung.66 4.2 Bei den erhaltenen Texten des Shengguan tu, von denen mir z. Zt. nur die im folgenden unter (1.) bis (3.) genannten zugänglich sind, handelt es sich ausnahmelos um Manuskript-Fassungen67: (1.) Manuskript, Taipei, Sammlung d. Academia Sinica, Institute of History and Philology, Fu Ssu-Nien Library / Fu Sinian tushuguan 傅斯年圖書館 , Signatur: T 27-336; 5 pagin. Doppelseiten, Größe 10,8 x 21,9. (2.) Manuskript, fast identische Kopie von (1.);68 Taipei (wie oben), Signatur: T 27-337, T 27-338; 5 unpagin. Doppelseiten (die Endseiten enthalten eine unfertige Kopie; zu Beginn: Schreib- übungen), Größe 10,5 x 22,7 cm. Beide Versionen (1) und (2) entstammen wahrscheinlich der Kollektion des bekannten manju- rischen Literaturhistorikers FU XIHUA 傅惜華 (1907–1970), der den Studionamen BIQU GUAN 碧蕖館 führte. – Kennzeichen von (1.) und (2.): Die manjurischen Wörter sind in manjurischer Schrift und nicht in chinesischer Transkription geschrieben.

(3.) Manuskript, aus der Sammlung des Palastes des Prinzen Che;69 z. Zt. nur in Teilausgabe (chinesischer Text) zugänglich; hier nach dem gekürzten Neudruck70 Qing menggu Che wangfu cang zidishu (1994), Bd. 1, S. 122.

66 S. QIGONG (1985), S. 240-241, ed. (1999), S. 312-313. 67 Derartige Manuskripte der Volksliteratur – meist von Buchhandlungen vertriebene Kopien (so u.a. von Baiben tang 百本堂 , Bieye tang 別埜堂 , Jujuan tang 聚卷堂 , Yiben tang 億本堂 in Beijing) – wurden von renommierten Bibliophilen nur selten gesammelt. Eine gewisse Ausnahme bildet hier die Bücherkollektion des unten genannten mongolischen Prinzen CHE. 68 Die geringfügigen Abweichungen sind im Textteil vermerkt. 69 Die sog. Che wangfu-Kollektion 車王府集 des theaterliebenden Prinzen CHEDENGBAZAR 車等巴咱爾王 (geadelt 1758), auch CHEBUDENGZHABU 車布登札布 genannt, vom Sayin Noyan-Stamm der Khalkha (Qalqa)-Mongolen ist besonders durch die umfangreiche, meist handschriftlich bewahrte Sammlung von 1.585 Dramentexten bekannt ge- worden. – Prinz CHE war ein Nachkomme 5. Generation der 10. Tochter Kaiser KANGXIs, namens HOŠOI CHUN- QUE GONGZHU 和碩純愨公主 (1685–1710), die 1607 mit dem mongolischen Fürsten TSERENG verheiratet wurde. (Der ehemalige Prinzenpalast Che wangfu in Beijing ist heute unter dem Namen Na wangfu 那王府 bekannt). Hierzu s. den Nachdruck Qing menggu Che wangfu cang quben (1991), Einleitung. Die hier interessierende Teilsammlung Che wangfu quben 車王府曲本 , die sich heute in der Bibliothek der Beijing-Universität (Beijing daxue tushuguan 北京大學圖書館 ) und (ein kleinerer Teil) in der Stadtbibliothek (Shoudu tushuguan 首都圖書館 ) von Beijing befindet, enthält verschiedenartige volksdramatische Texte, darunter ca. 275 Stücke der zidi shu-Gattung. Zwei in der Bibl. der Beijing-Universität befindli- che Manuskripte mit dem Titel Shengguan tu (yi hui) 陞官圖壹回 (7 und 5 Doppelseiten; 20,3x10 cm; alte Sign. 0019431, heutige Sign. 812.08.5105:111), die angeblich dieser Sammlung angehörten – s. Qing menggu Che wangfu cang quben 清蒙古車王府藏曲本 , Beijing (1991), tao 299, Heft 1 –, haben mit unserem Shengguan tu-Text keinen Zusammenhang: Es handelt sich hier um einen rein-chines. Teil (Kap. 6) des Stückes Yuzan ji 玉簪記 , das keinen Bezug zu unserem Jin Ping Mei-Stoff hat. Möglicherweise ist den Bearbeitern bei der Zuordnung des unbetitelten Manuskripts hier ein Irr- tum unterlaufen.

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Die im folgenden genannten, mir nur aus der Literatur bekannten Manuskripte standen z. Zt. nicht zur Verfügung:

(4.) Manuskript aus der Sammlung des ZHANG (BAIBEN TANG) 張百本堂 ,

(5.) Manuskript aus der Sammlung des DU YINGTAO 杜穎陶 ,

(6) Manuskript aus der Sammlung des MA YANXIANG 馬顏祥 . 4.3 Hintergrund des Shengguan tu-Stoffes71, der auch von einigen anderen zidi shu-Texten72 übernommen und bearbeitet wurde, ist der bekannte Roman Jin Ping Mei 金瓶梅 , der seit Kai- ser KANGXI mehrfach Verbotsaktionen73 unterworfen war. Der anonyme Autor bediente sich daraus zweier handelnder Hauptpersonen und erwähnte zwei weitere Nebenpersonen. Es sind dies (1.) XIMEN QING 西門慶 , der Protagonist74, (2.) PAN JINLIAN 潘金蓮 , seine Lieblingskon- kubine75, (3.) WU YUENIANG 吳月娘 , seine Hauptfrau76, und (4.) WANG PO(ZI) 王婆子 , eine Nachbarin, die PAN JINLIAN mit XIMEN einst verkuppelt hatte.77 4.4 Der hier erstmals veröffentlichte78 Shengguan tu-Balladentext – ein seltenes Dokument für die bilingual geschriebene, volksnahe Umgangssprache des 18. Jahrhunderts – liegt uns in einer sprachlichen Traditionsform vor, die, obwohl inhaltlich einen Vorgang höchst profaner Natur vermittelnd, als recht kunstvoll zu charakterisieren ist. Im Verein mit ähnlichen zeitgenössi- schen Produkten bedürfen die strukturellen Aspekte79 und die durch die Durchmischung beider Sprachen bedingten grammatischen Irregularitäten und dialektalen Besonderheiten

70 Die Neuausgabe enthält nur etwa 2/3 des Textes. Die letzten 524 Zeichen sind wegen der erotischen Anspielungen gestrichen. Auch in der ausführlichsten Edition, Qing menggu Chewangfu cang quben, erscheint der Text unbrauchbar verkürzt. – In anderen Werken, wie HUANG LIN 黃霖 , Jin Ping Mei ziliao huibian 金瓶梅資料彙編 , Beijing (1987), S. 407, und Qing Che wangfu chaocang quben, dizi shu ji (1993) ist das Shengguan tu gänzlich übergangen. Hierzu s. LIU SHU- IYUN u.a. (2003), S. 207. Ein vollständiger Text ist mir in der Che wangfu-Version z. Zt. leider nicht zugänglich. 71 Die unter dem Titel Shengguan tu bekannten sog. ‘Beijing-Opern’ haben mit unserem Jin Ping Mei-Stoff keinen Zusammenhang. Hierzu s. ZENG BAIRONG曾白融 , Jingju jumu cidian 京劇劇目辭典 , Beijing (1989), S. 544, 913, 1209. Dies gilt auch für eine Shengguan tu betitelte satirische Komödie des Dramendichters CHEN BAICHEN 陳白塵 (geb. 1908) aus dem Jahre 1945, Druck Shanghai (1948); s.a. den Neudr. Shengguan tu, Beijing (1957), 8(1981) u. ö. Ein weiteres Drama, betitelt Qingguan ce 清官冊 mit Untertitel Shengguan tu, das LONG ZUPENG 龍祖彭 zum Autor hat, war mir nicht zugänglich; Druck Shanghai (1935). 72 Hierzu s. die Zusammenstellung bei FU XIHUA (1954), S. 41, 76, 98, 112/9, 137, 148. Von den zidi shu-Texten, die auf dem Jin Ping Mei-Stoff beruhen, erschienen drei in engl. Übersetzung; s. HAN XIAOCHUANG (übers. v. MARY SCOTT), Three Zidishu on Jin Ping Mei, in: Renditions, No. 44, Hongkong (1995), S. 33-65. – A. H. PLAKS weist darauf hin, daß dramatische Bearbeitungen des Jin Ping Mei bereits für das Jahr 1628 belegt sind; s. ANDREW H. PLAKS, The Four Masterworks of the Ming Novel, Princeton (1987), S. 69 u. Anm. 55. 73 Näheres hierzu s. M. GIMM, Hans Conon von der Gabelentz … (s. o.), Abschnitt 4.2.4. 74 S. Jin Ping Mei-Text, Kap.1; cf. FR. BISCHOFF, S. 129. 75 S. Jin Ping Mei, Kap.1; FR. BISCHOFF, S. 159. 76 S. Jin Ping Mei, Kap. 9; FR. BISCHOFF, S. 146. 77 S. Jin Ping Mei, Kap. 1; FR. BISCHOFF, S. 290. 78 Als erster hatte im Jahre 1948 GUAN DEDONG, Professor für chinesische Literaturwissenschaft an der - Universität in , zwar eine Reihe von Substitutionsvorschlägen veröffentlicht, aber nicht gewagt, den Gesamt- text zu veröffentlichen; s. GUAN DEDONG (1948, 1958). In ähnlicher Weise folgte ihm ÔTA TATSUO (1965). 79 Hierzu siehe u.a. die Arbeit von ANTONELLA TULLI (1992II).

OE 44 (2003/04) Shengguan tu („Tafel der Beamtenkarriere“) 225 noch eingehenderer Analyse, die an dieser Stelle jedoch nicht geboten werden kann. Es sei daher erlaubt, nur einige herausragende Merkmale kurz zusammenzufassen: (A.) Äußere Struktur: (1.) Verslängen: Der Text besteht aus 72 Versen von unterschiedlicher Zeilenlänge – die Silbenzahl variiert zwischen 7 und 17 pro Zeile –, bei denen, wie oben (siehe Abschnitt 2) bemerkt, in der Vor- tragspraxis (durch Einfügung melodischer Melismen) an unterschiedlichen Stellen je nach Sinnzusammenhang jeweils 2–4 Silben auf einen Taktschlag zusammengefaßt werden, so daß man trotz scheinbarer taktischer Aperiodizität im Normalfall ein Gleichmaß von 7 metrischen Schwerpunkten pro Zeile erreicht. Auch im Schriftbild wird versucht, durch zweireihige Schreibung einen Ausgleich zu erzielen und die Siebentaktigkeit anzudeuten. Weitere Einzel- heiten zur Ausführungsart sind bislang nicht bekannt. (2.) Reime: Wegen der Gestalt der Zeilenanfänge, die ausnahmslos chinesischsprachig sind, kommt in unserem Text die autochthone Anfangsreimung80, die sog. alliterierende Assonanz (touyun 頭韻 ), der Manjuren nicht zur Anwendung. Charakteristisch ist hier indes die durchgängige Endreimung (weiyun 尾韻 ) nach chinesischem Stil. Es reimen alle geradzahligen Verse (Nr. [2], [4], … bis [72]) einschließlich der 1. Zeile regelmäßig81 auf -a in ebenem Ton; d. i. die Reim- gruppe fahua zhe 發花轍 des oben (in Abschn. 2) genannten shisan zhe-Systems.

(B.) Innere Struktur: Unseren Text kann man dem Bereich der Sprachspiele zurechnen, speziell dem der Parono- masie oder Annomination – den Wortspielen, die auf Lautähnlichkeit beruhen. Dank der Beamten- und Institutionenbezeichnungen (im folgenden Textteil: ‘AB’ abgekürzt), die in jedem der 72 Verse auftreten, erscheint der Text prima facie als ‘harmlos’, aber weitgehend unverständlich. Zur rechten Interpretation ist es notwendig, diese „Schlüsselwörter“ (im Text- teil unterstrichen), von denen die Hälfte (35) auch in manjurischer Übersetzungsgestalt er- scheinen, durch phonetisch identische oder ähnliche Termini der ‘anderen’ Provenienz zu substituieren. Diese Umdeutung aufgrund von Homonymität (xieyin shuangguan 諧音雙關 ) mittels auszutauschender homophoner Schriftzeichen (tongjia zi 通假字 )82 war früher auch unter der Bezeichnung double-entendre 83 bekannt.

80 Zu dieser aus altaischer Tradition herrührende manjurische Reimpraxis s. den Überblick bei M. GIMM, Kaiser Qianlong (1711–1799) als Poet (Sinologica Coloniensia, 15), Wiesbaden (1993), S. 116-118, sowie die dort genannte Literatur. 81 Das Zeichen ba 罷 in Vers. Nr.[20] und [34], das normalerweise im 4. Ton gesprochen wird, ist als Satzendpartikel (wie das neuere ba 吧 ) im 1. Ton zu lesen. 82 Über den seit dem Altertum nachweisbaren Austausch homophoner oder lautlich ähnlicher Zeichen, ist eine vielgestaltige Sekundärliteratur entstanden. Hingewiesen sei hier nur auf das umfangreiche Nachschlagewerk Citong 辭通 von ZHU QIFENG 朱起鳳 , Shanghai (1934), Nachdr. (1960) mit dem Ergänzungsband Citong xubian ||續編 mehrerer Verfasser, Shanghai (1991). Als neues, umfangreiches Lexikon dieser Art ist u.a. Tongjia da zidian 通假大字典 , mehrere Verfasser, (1993), 34, 1032 S. zu empfehlen. 83 S. ALEXANDER WYLIE [1815–1887], Translation of the Ts’ing wan k’e mung, a Chinese Grammar of the Manchu Tartar Language; with Introductory Notes on Manchu Literature, Shanghae (1855), S. xliii: „This alludes to a custom

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Die zu ersetzenden Beamtenbezeichnungen,84 deren Reihenfolge indes nicht aufsteigendem Rang entspricht, sondern ausschließlich zum jeweiligen Kontext passend ausgewählt ist, bilden das eigentliche Problem des Textes, zumal die oft mehrsilbigen Amtsbezeichnungen manchmal nur teilweise durch ein (oder mehrere) Schriftzeichen zu ersetzen sind. Dabei kann es sich um einen exakten oder nur ungefähren Ersatz85 handeln, wobei die chinesischen und manjurischen Bestandteile jeweils für einander eintreten können.86 Nur in wenigen Fällen sind die AB auch wörtlich, in metaphorischem oder symbolischem Sinne (yinyu 隱喻 ), aufzufassen.87 4.5 Die im folgenden Teil wiedergegebene Textgestalt richtet sich so eng wie möglich nach den oben (Abschn. 4.2) angeführten Manuskripten (1.) und (2.). Aus typographischen Grün- den wurden lediglich einige seltene Zeichenvarianten durch die üblicheren Formen ersetzt. Die dort wiedergegebenen Übersetzungen, bei denen versucht wurde, einen ‘Mittelweg’ zu finden, sowie die in den „Erläuterungen“ vorgeschlagenen Deutungen sind als ein erster Ver- such zu werten, der mangels ausreichender Belegstellen in vielem diskutabel und korrekturbe- dürftig ist.

Anordnung der Zeilen:

Zeile 1: chinesischer und manjurischer Text (letzter transliteriert nach dem System von HANS CONON v. d. GABELENTZ), Zeile 2: Transkription (chinesische Textteile: kursiv, manjurische: normal), Zeile 3: Übersetzung, Erläuterung: Erklärungs- und Deutungsversuche.

Abkürzungen:

{ –}: zweireihig geschriebene Textteile, : Unterstrichenes: „Schlüsselwörter“ (Beamten- und Institutionenbezeichnungen), (kursiv): chinesische Wörter (im Unterschied zu den manjurischen), AB: Bezeichnung von Amtstiteln und Institutionen (einschließlich einiger Verwaltungstermini und Akzidenzien) – der Einfachheit halber ist hier meist nur auf die Handbücher von HUCKER und BRUNNERT-HAGELSTROM (mit Angabe der Nummern) verwiesen –, JPM : Jin Ping Mei 金瓶梅 , Mskr.(1.), (2.): Hinweis auf die verwendeten Manuskripte (s. o. Abschnitt 4.2).

in writing these low books, where the characters used are unobjectionable to the eyes of the reader, but are equivalent in sound to other words, at once conveying to the ear of the hearer expressions of the most licentious character.“ 84 Nur wenige Verse enthalten jeweils 2 Beamtenfunktionen; s. Nr. [15], [16], [62]. 85 Die auszutauschenden Silben können entweder homophon (Beispiele: [1] shi3 – shi3, [2] yi4 – yi4) oder nur lautähn- lich (Beispiele: [8] chuo4 / coo – chao3 (?), [24] cha2 – cha4) sein. 86 Hierbei ergeben sich dreifache Ersetzungsmöglichkeiten: (1.) chines. Wörter durch chines. (Beispiele: [1] (shi), [4] (siyu); mit Verkürzung: [3] menjun – men, [6] sula – la); (2.) manjur. Wörter durch chines. (Beispiele: [11] aisilame – ai), [29] niru – ni); (3.) manjur. Wörter durch manjur. (Beispiel: [40] kadala- – gadara-). 87 Hierzu s. z. B. [43], huahu („Blütentor“), [58] galai da („Flügelkommandant“).

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Text88

[1] {西門慶調情把 }錢大史花 Ximen Qing tiaoqing ba qian da shi hua – XIMEN QING gab für seine Eskapaden das Geld mit vollen Händen aus. Erläuterung: Die AB da shi3 („Großhistoriograph“; s. HUCKER, 6018) ist durch das homo- phone da shi3(yong) 大使 (用 ), „verausgaben, verprassen“, zu ersetzen.

[2] {請潘金蓮 }去裁那 {booi da 包亦達 }89 qing Pan Jinlian qu cai na booi da / baoyida – Er forderte PAN JINLIAN auf, sich umzukleiden. Erläuterung: Von der AB baoyi4da, < manjur. boo-i da („Vorsteher des Hauses“; s. HUCKER, 4482, ungenau; BRUNNERT-HAGELSTROM, 104 D u.ö. – chines. meist mit guanling 管領 wiedergegeben –), ist vermutlich nur die Silbe yì relevant, die hier in das homophone Zei- chen yi4 衣 , „Kleidung“, umzudeuten ist.

[3] {王婆子他倒上門軍 }躲出去 Wang Pozi ta dao shang menjun duo chuqu – Die alte WANG stürzte zur Tür und zog sich zurück. Erläuterung: Die AB ménjun („Torwächter“; BRUNNERT-HAGELSTROM, 801) ist mögli- cherweise in das phonetisch ähnliche menjiong 門扃 , „Türbalken“, aufzulösen oder – wahr- scheinlicher – durch das Zeichen men allein zu ersetzen.90

[4] {西門慶他色膽如天 }把司獄發 Ximen Qing ta sedan ru tian ba siyu fa – XIMEN QINGs Leidenschaft war grenzenlos und schlug in Begierde um. Erläuterung: Die AB si1yu4 („Gefängnisdirektor“; s. HUCKER, 5829; BRUNNERT- HAGELSTROM, 830A) ist durch das homophone Binom si1yu4 私慾 („heimliche Begierde“) zu ersetzen.

88 Für vielfältige Hilfe und zahlreiche Anregungen habe ich meinem Kollegen LUTZ BIEG herzlich zu danken. 89 Die manjurischen Teile der Hauptzeilen stehen im Mskr. (1.) links und die chines. Entsprechungen rechts; im Mskr. (2.) ist es umgekehrt. 90 Der Neudruck (3.) ersetzt shang menjun fälschlich (?) durch kou junmen 扣軍門 .

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[5] 走到跟前伸砲手 zoudao91 genqian shen paoshou – Er näherte sich ihr mit ausgestreckten Händen Erläuterung: Von der AB paoshou („Kanonier, Artillerist“; BRUNNERT-HAGELSTROM, 850) ist vermutlich nur das Zeichen shou, „Hände“, bedeutungsrelevant.

[6] {將潘金蓮 }的袖子一 {sula 蘇拉 } jiang Pan Jinlian de xiuzi yi sula / sula – und schob einmal den Ärmel von PAN JINLIANs Kleidung zurück. Erläuterung: Die AB sula (eigentlich: „frei, unbeschäftigt“, hier üblicherweise: „Beamter im Ruhestand“;92 s. HUCKER, 5853) ist entweder wörtlich zu verstehen („jdn. von etw. befrei- en“) oder in la („ziehen, ausziehen“) zu verkürzen.

[7] {滿臉嘻嘻 }那們護軍校 manlian xixi namen hujun xiao – Über das ganze Gesicht lachend freute er sich sehr. Erläuterung: Die AB hujun xiao4 („Leiter der Palastgarde“; HUCKER, 2780, 2375) ist wohl kaum in huchen xiao 胡嗔笑 („närrisch lachen“) o.ä. umzudeuten, sondern wohl nur in xiao4 笑 („lachen“) zu verkürzen. Das Zeichen men 們 ist nach Volksgebrauch wahrscheinlich im Sinne von mo / me 麼 (name, „derartig, so“) zu verstehen.

[8] {說趁著沒 }人偺們 {ujen cooha 烏真輟哈 } shuo chen zhe moren zanmen ujen cooha / wuzhen chuoha – Er sagte: „Nutzen wir die Gelegenheit des Alleinseins und treiben es miteinander!“ Erläuterung: Von der AB wuzhen chuo4ha, < ujen cooha (eigentlich „schwere Truppen“),93 ist vermutlich nur die 3. Silbe von Belang, nämlich coo [übliche chines. Transkr. chao] (chuò), das vielleicht in das phonet. ähnliche chao3 吵 oder zhao3 找 umzuwandeln ist.

91 Der Neudruck (3.) ersetzt das Zeichen zou durch wei 未 (Variante?). 92 Bei HUCKER, 5853, ungenau „Office Boy“. Unter sula wurden auch die „jungen Diener“ (speziell der Eunuchen) im alten Peking verstanden. 93 D.i. die übliche Bezeichnung für die chines. Bannertruppen (hanjun 漢軍 ; s. HUCKER, 2134; BRUNNERT- HAGELSTROM, 718, 731). Hierzu s. ausführlich URA RENICHI 浦廉一 , Kangun (ujen cooha) ni tsuite 漢軍(烏真超哈)にい就て , in: Kuwabara hakushi kanreki kinen TÇyÇshi ronsÇ 桑原博士還曆記 念東洋史論集 , KyÇto (1931), S. 815/47. – Die Sprache dieser Bannerabteilung bildete die Grundlage für das offizielle Chinesisch am Hofe, das man auch guanhua 官話 , manjur. hafan-i gisun (daraus > europäisch „Mandarin“) nannte. Hierzu s. H. OKADA (1992), S. 175/6: „[…] what was the historical origin of the Chinese component of the Peking Mandarin lan- guage [guanhua] of the Ch’ing times? As already explained, the Heavy Armed (Ujen Cooha / Han-chün) bannermen were mainly descendants of the Chinese inhabitants of the Liao River Delta, with additions from Sinizised Manchus and Korean prisoners of war. Naturally the Chinese language they spoke was a form of the Shantung dialect […] When Nurhaci […] rose in the Northeast and conquered the Liao River Delta in 1621, the local Chinese-speaking popula- tion was first absorbed into the Eight Banner organization and later classified as the Heavy-Armed bannermen. […] It is a strongly Altaicized form of Chinese.“

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[9] {這淫婦春心難按把 }協尉動 zhe yinfu chunxin nan anba xieyu dong – Die zügellose Frau konnte, von Wollust getrieben, ihre Begierde kaum beherrschen. Erläuterung: Statt der AB xie2yu4 („Polizeimajor“; s. BRUNNERT-HAGELSTROM, 799) ist das homophone xie2yu4 邪慾 („illegale Wollust“) einzusetzen.94

[10] 心裏覺著 {aisilambi 艾什拉密 } xinli juezhe aisilambi / aishilami – Im Herzen spürte sie Liebessehnsucht. Erläuterung: Wahrscheinlich ist das manjur. Verbum aisilambi („helfen“ etc., chines. bangz- hu 幫助 ) gemäß der chines. Transkription (ai4shilami) in seiner gerundialen Form aisilame aufzufassen. In solchem Falle wäre es der erste Bestandtteil verschiedener AB, so z. B. aisi- lame kadalara da („Oberst“; s. HAUER, S. 22). Für unsere Verwendung ist wohl nur die Silbe ai4 – in der Bedeutung von aiqing 愛情 („Liebe“) – von Belang.

[11] {那話頭兒相畫稿的 {janggin 占音 }他會 }湊達 na huatouer xiang huagao de janggin / zhanyin ta hui couda 95 – Den (von ihr) hervorgebrachten Lautäußerungen paßte er sich an (?). Erläuterung: Die Bedeutung dieses Satzes ist mir unklar. – Von der AB zhanyin (üblicher- weise auch zhangjing 章京 geschrieben), < manjur. janggin („Sekretär“ verschiedener Behö- ren, auch militär Funktion; s. HUCKER., 107; BRUNNERT-HAGELSTROM, 129 B, 724 u.ö.), ist wahrscheinlich nur die Silbe yin 音 („Lautäußerung“ u.ä.) zu verwenden.

[12] {說你這有情有 }義一等子 suo ni zhe you qing you yi 96 yideng zi – Sie sagte: „Du bist gefühlvoll und ein Mensch mit Passion. Erläuterung: Hier ist als AB die Adelsbezeichnung yideng zi („Graf ersten Grades“, der 4. Adelsrang; s. HUCKER, 7519; BRUNNERT-HAGELSTROM, 944) aufzufassen, von der ver- mutlich nur der Endteil zi (hier: „Mann, Mensch“) zu verwenden ist.

[13] {我情愿意一輩子給你當 }個 {gosiha 郭什哈 } wo qingyuan yi yibeizi ji ni dang ge gosiha / guoshiha – Mein Begehr ist, dir ein ganzes Leben lang ergeben zu sein.“ Erläuterung: Hinter der chines. Schreibung guoshiha verbirgt sich als AB das manjur. gocika (volkstümlich auch gosiha) amban („Beamter in Herrschernähe“; s. HAUER, S. 369: „Ober-

94 Die ursprünglich an dieser Stelle eingefügte Textzeile (kabadang de mao etc.) wurde, da nicht in den Zusammenhang passend, hinter [37] verschoben. 95 Mskr. (1.) schreibt die beiden letzten Silben mit den Zeichen 輳塔 . 96 Mskr. (1.) schreibt hier 意 .

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hofmarschall“), d. i. chines. yuqian dachen 御前大臣 (HUCKER, 8120) oder vielleicht auch huwei 護衛 („kaiserliche Leibgarde, Truppenkommandant d. Prinzenpalastes“; HUCKER, 2802). Möglicherweise ist gosiha – Partizipium perfekti des manjur. Verbs gosimbi („lieben, zugeneigt sein“), das als guoshi 果實 („lieben“)97 auch als Lehnwort im Chinesischen er- scheint – wörtlich zu verstehen.

[14] {門慶說你模樣長的比 {gabsihiyan 嘎巴什先 }}官學生還俊 (Xi)men 98 Qing shuo ni muyang 99 chang de bi gabsihiyan / gabashixian guan xuesheng huan jun – XIMEN QING sagte: „Dein Aussehen ist noch viel stattlicher als das eines gewandten Zöglings der Palasthochschule. Erläuterung: Das manjur. Wort gabsihiyan bedeutet sowohl „stattlich, flink“ (chines. minjian 敏健 ) wie als AB auch „militärische Vorhut“ (qianfeng 前鋒 ; s. HUCKER, 892). Die weitere AB, guan xuesheng, „Student der Palasthochschule“ (s. HUCKER, 3299; BRUNNERT- HAGELSTROM, 961, 87 u. ö.), ist vermutlich wörtlich aufzufassen.

[15] {恰好似員外郎新開一朵 }探花 qiahao si yuanwailang xin kai yiduo tanhua – Du bist wie eine neu sich öffnende Blüte im Garten. Erläuterung: Von der ersten AB, yuanwailang („Vizedirektor einer Ministerialabteilung“ s. HUCKER, 8251; BRUNNERT-HAGELSTROM, 291 u.ö.), ist vermutlich nur yuan2 zu verwen- den und das Zeichen in das phonetisch identische yuan2 園 („Garten“) zu verwandeln. Von der zweiten AB, tanhua („Tertius bei den Palastexamen“; s. HUCKER, 6275), ist nur das 2. Zeichen hua („Blume“) heranzuziehen.

[16] {怪不淂王婆子在我的跟前保你卓 }異 guaibude Wang pozi zai wo de genqian bao ni zhuoyi – Kein Wunder, daß die alte WANG mir gegenüber bei dir für etwas Außergewöhnliches bürgte.100 Erläuterung: Als AB ist hier möglicherweise bao („Einheit einer Selbstverwaltung“ oder „Empfehlung für eine Rangerhöhung“; s. HUCKER, 4450) aufzufassen.

97 Entsprechend manjur. gosi (eigentl. Imperativ von gosimbi), auch gaoshi 高士 (!) geschrieben; hierzu s. Qingshi manyu cidian (1990), S. 103. 98 Der Neudruck (3.) ergänzt hier das in den Handschriften fehlende Xi. 99 Der Neudruck (3.) ergänzt hier das Zeichen er 兒 . 100 Die alte Frau WANG hatte beide zusammengebracht und die erotischen Qualitäten der PAN gerühmt.

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[17] {你真是個養漢 }的 {mukôn-i da 木昆呢達 } ni zhen shi ge yanghan de mukôn-i da / mukun nida – Du bist eine Meisterin, die Männer wahrhaft zu verwöhnen weiß. Erläuterung: Die AB mukun nida, < manjur. mukôn-i da („Chef einer Sippe oder eines Stammes“, chines. zuzhang 族長 ; cf. HUCKER, 4057, 7048), ist hier in übertragenem Sinne zu verstehen.

[18] {怎耐吳月娘作我的 }治儀正 zen nai Wu Yueniang zuo 101 wo de zhiyi zheng – Wie kann ich es ertragen, daß WU YUENIANG102 da noch als meine Kontrollbeamtin fungiert? Erläuterung: Die AB zhiyi zheng, < manjur. faidan be dasara hafan („Abteilungsleiter des kai- serlichen Wagenparks“; s. HUCKER, 1003, BRUNNERT-HAGELSTROM, 123, 125), ist hier vermutlich im wörtlichen Sinne aufzufassen, etwa als Kontrolleur(in) der guten Sitten.

[19] {娶了你算一個 {araha janggin 阿拉哈占音 }你混 }著罷 quliao ni suan yige araha janggin / alaha zhanyin 103 ni hun zhao ba – Seit ich dich zur Frau genommen, zählst du als stellvertretende Chefin. Anerkenne das!“ Erläuterung: Die AB alaha zhangjing, < manjur. araha janggin; d. i. chines. fu zhangjing 副章京 („Vizekommandeur eines Bannerregiments“, s. HUCKER, 107; BRUNNERT-HAGELSTROM, 874), ist möglicherweise im übertragenen Sinne – als zweite Frau neben WU YUENIANG – aufzufassen.

[20] {金蓮說多謝官人的 }恩騎尉 [Pan] Jinlian shuo duoxie guanren de en qiwei – [PAN] JINLIAN sagte: „Vielen Dank, Herr, für deine Güte. Erläuterung: Von der AB en qiwei („Kavalleriehauptmann durch Gnade“, d. i. der niederste der 9 Ränge des Erbadels; s. HUCKER, 1813; BRUNNERT-HAGELSTROM, 944 E) ist wahr- scheinlich nur das Zeichen en („Güte“) zu verwenden. – Falls die letzte Silbe (wei) hier volkstümlich yu4 gelesen wird, könnte auch en yu4 als 恩遇 verstanden werden.

101 Das Mskr. (1.) schreibt 做 . 102 D.h. meine reguläre Hauptfrau. Mskr. (1.) schreibt für das Zeichen yue 月 irrtümlich 越 . 103 Das Mskr. (1.) transkribiert hier zhangjing 章京 .

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[21] 我入 {faidan 夫外單 }就不怕他 wo ru faidan / fuwaidan jiu bu pa ta – Seitdem ich deiner ‘Truppe’ beigetreten104 bin, fürchte ich sie [die Hauptfrau] nicht mehr.“ Erläuterung: Die AB fuwaidan, < manjur. faidan („Reihe, Schlachtordnung, Eskorte“; d. i. chin. yizhang 儀仗 ), ist hier wohl im übertragenen Sinne – als die Schar der Frauen, Konku- binen und Dienerinnen – zu verstehen.

[22] {兩個人眉來眼去動 }了額色 liangge ren mei lai yan qu dong liao ese – Beide tauschten Blicke miteinander aus, und ihre Leidenschaft regte sich. Erläuterung: Möglicherweise ist das Binom e2se4 sowohl im Sinne des phonetisch fast identi- schen e4se4 惡色 („böse Begehrlichkeit“) wie als Anklang an die AB e2zhen 額真 , d. i. manjur. ejen (eigentl. „Herr“, „Leiter einer Bannerkompanie“; s. HUCKER, 4352), aufzufassen.

[23] 男貪女愛要京察 nan tan nü ai yao jingcha 105 – Der Mann und die Frau begehrten einander und wollten sich aneinander messen. Erläuterung: Was sich hinter der AB jingcha2 („hauptstädtische, alle 3 Jahre stattfindende Beamteneinschätzung“; s. HUCKER, 1189) verbirgt, ist mir unklar. Vielleicht ist das phone- tisch ähnliche jincha4 進岔 („s. einlassen“) gemeint (?).

[24] {西門慶那 {dalambi 達拉密 }}起了興 Ximen Qing na dalambi / dalami qi liao xing – XIMEN QINGs ‘Herabhängendes’ bäumte sich auf. Erläuterung: Hinter der AB da2la1mi, < manjur. dalambi („an der Spitze stehen“, chines. wei shou 為首 , yuan 員 , s. HUCKER, 8217, SONG XIAOCAI, S. 123), verbirgt sich möglicherweise das Pekinger Dialektwort da1la1 搭拉 , auch 耷拉 etc. geschrieben („herabhängen“; s. XU SHIRONG, S. 76).

[25] {潘金蓮那未入流的浪水亂滴 }達 Pan Jinlian na weiru liu de niang shui luandi da – PAN JINLIAN, seine ‘Amtsgehilfin’, reagierte auch. Erläuterung: Der Terminus weiru liu („Amtsgehilfe ohne Beamtenstatus, Laufbursche“; s. HUCKER, 7670; BRUNNERT-HAGELSTROM, 965) ist als AB in übertragenem Sinne aufzu- fassen. Das Binom di1da2 ist wohl als di1da1 滴嗒 etc. des Pekinger Dialektes („tropfenweise herabrinnen, feucht werden“; s. XU SHIRONG, S. 103) aufzufassen.

104 Der Neudruck (3.) ergänzt hinter ru : liao了 . 105 Von hier ab unterliegt der Neudruck (3.) wegen der erotischen Stellen einer Textkürzung; s. Abschn. 4.2.

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[26] {官人說這床上無有教習可怎麼幹 } guanren shuo zhe chuangshang wuyou jiaoxi ke zenme gan – Der Herr sagte: „Auf dem Bett gibt es keine Schlafmatte. Was können wir tun?“ Erläuterung: Von der AB jiaoxi2 („Lehrkraft“ u. a. der Bannerschulen; s. HUCKER, 729; BRUNNERT-HAGELSTROM, 637 u.ö.) ist vermutlich das 2. Zeichen in das homophone xi2 席 („Schlafmatte“) umzudeuten.

[27] {淫婦說那不是 {doron-i janggin 多鑾呢占音 }你墊 }上他 yin fu shuo na bushi doron-i janggin / duoluan zhanyin ni dian shang ta – Die wollüstige Frau sagte: „Ist da nicht eine Wolldecke? Breite sie darauf aus.“ Erläuterung: Die AB duo1luan2ni2 (sonst üblich auch: duoluoni |囉 |) zhanyin, < manjur. doron- i janggin (d. i. zhangyin zhangjin 掌印章京 , „Siegelverwalter“; s. BRUNNERT-HAGELSTROM, 308, 495A; HUCKER, 217), ist vermutlich in das etwa gleichlautende duo1luo2ni2 哆囉呢 („Wolldecke“) umzudeuten.

[28] {解開了 {niru 牛彔 }脫下 }了銀紅襖 jiekai liao niru106 / niulu tuoxia liao yinhong ao – Sie öffnete die Knöpfe und zog ihre silberrote Jacke aus. Erläuterung: Von der AB niu2lu, < manjur. niru („Bannerkompanie“; s. HUCKER, 4314), ist wohl nur die erste Silbe zu verwenden und in das phonetisch ähnliche niu3 鈕 („Knopf“) umzudeuten.

[29] {那 {uksin 烏克身 }子白淨像 }那棉花瓜 na uksin / wukeshen zi bo jing xiang na mianhua gua – Ihr Körper war weiß und rein wie eine Baumwollblütenkapsel. Erläuterung: Von der AB wukeshen, < manjur. uksin („Harnisch, Kürass“, chines. kuijia 盔甲 ), ist wohl allein das Zeichen shen(zi) („Körper“) zu verwenden.

[30] {西門慶接 }住金蓮的 {bošokô 撥什戶 } Ximen Qing anzhu Jinlian de bošokô / boshihu – Ximen Qing berührte [Pan] Jinlians Hals. Erläuterung: Von der AB boshihu (sonst auch boshiku ||庫 geschrieben), < manjur. bošokô (d. i. lingcui 領催 , „Korporal“; s. Brunnert-Hagelstrom, 746, 874), steht entweder der Be- standteil bo1 für bo2zi 脖子 („Hals“) oder kô (ku4) für ku4 褲 („Hose“).

106 Mskr. (1.) schreibt ungenau nirui.

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[31] {連忙的拿把總 }去摸咂咂 lianmang dena bazong qu mo zaza – und strich rasch mit seinen Händen über ihre Brüste. Erläuterung: Von der AB bazong („Schwadronkommandeur“; s. HUCKER, 4384, BRUNNERT- HAGELSTROM, 752 u.ö.) ist vermutlich nur ba4 zu verwenden und als ba1zhang 巴掌 („Hand- flächen, Hände“) umzudeuten. Zu zaza s. SONG XIAOCAI, S. 790.

[32] {隔著 }司庫就摸一下 gezhe siku jiu mo yi xia – Nur getrennt durch die Hose streichelte er sie. Erläuterung: Von der AB siku („Speicherverwalter“; s. HUCKER, 5674; BRUNNERT- HAGELSTROM, 77) ist vermutlich nur das 2. Zeichen ku4 („Speicher“) zu verwenden und in das phonetisch identische ku4 褲 („Hose“) umzudeuten.

[33] {金蓮說 {ara 阿拉 }你別鬧 {keifu 克伊夫 }}快幹罷 Jinlian shuo ara / ala ni bie nao keifu / keyifu kuai gan ba – [PAN] JINLIAN sagte: „Ach, laß das schon (?). Kommen wir schnell zur Sache!“ Erläuterung: Dem manjur. ara entspricht chines. aiyo 哎喲 . Wie hier die AB keyifu, < man- jur. keifu (eine besondere militär. Pfeilsorte, chines. da piqian 大披箭 ), aufzufassen ist, ist mir bislang unklar.

[34] 回手解開紅黃帶 hui shou jiekai hong huang dai – Er zog seine Hand zurück und löste ihren Gürtel. Erläuterung: Von der AB huang dai („gelber Gürtel“, gemeint sind damit die Angehörigen des Kaiserklans in direkter Abstammung vom Dynastiegründer NURHA…I) und hong dai („roter Gürtel“, die Angehörigen des Kaiserklans in kollateraler Linie von NURHA…I; s. HUCKER, 2857, 2907) ist nur das Zeichen dai („Gürtel“) zu verwenden.

[35] {就往 }那邊駕司里爬 jiu wang nabian jiasi li 107 pa – Darauf ging er hinüber zum Bett und stieg hinein. Erläuterung: Die AB jiasi, eine Verkürzung von chejia4 si 車駕司 (Amt für Ausrüstung des Kriegsministeriums“, s. HUCKER, 355; BRUNNERT-HAGELSTROM, 415A, 425A, 433A), ist vermutlich mit dem etwa gleichlautenden jia4zi 架子 („Bettgestell“) auszutauschen.

107 Mskr. (1.) schreibt hier unverkürzt li 裏 .

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[36] {又脫 }下柘榴紅的 {ejeku 額折庫 } you tuoxia zheliu hong de ejeku / ezheku – Er zog ihr auch die granatapfelrote Hose aus. Erläuterung: Von der AB ezheku, < manjur. ejeku (Bezeichnung für verschiedene Beamten- gruppen; chines. zhushi 主事 , „Sekretär“; s. HUCKER, 1420, 1050), ist lediglich die letzte Sil- be ku4 im Sinne von ku4 褲 („Hose“) zu verwenden.

[37] {他身上連知縣全無把人 }愛殺 ta shenshang lian zhixian quan wu ba ren aisha – Auf ihrem Leib gab es keinen einzigen Faden mehr, was seine Begierde aufflammen ließ. Erläuterung: Die AB zhi1xian4 („Kreisvorsteher“, s. HUCKER, 993) ist vermutlich in das homophone zhi1 xian4 只線 umzudeuten. Sha 殺 (oder 煞 ) dient als verstärkendes Adverb.

[38]108 {喀吧襠的毛那 }們 {jalan-i da 扎蘭呢達 } kabadang de mao namen jalan-i da / zhalan nida – Die Härchen im Schritt wurden sichtbar. Erläuterung: Das Pekinger Dialektwort kabadang 109 bezeichnet den Raum zwischen den Schenkeln, den Schritt. Von der AB zha1lan nida, < manj. jalan-i da (d. i. jiala zhang 甲啦長 , „Leiter einer Bannerabteilung“; cf. HUCKER, 667), ist vermutlich nur die Anfangssilbe zha zu verwenden; d. i. das Pekinger Dialektwort zha1 扎 , auch erweitert zhasha 扎煞 , 挓煞 usw. („öffnen, ausstrecken“); s. CHEN GANG, S. 322; SONG XIAOCAI, S. 803.

[39] {仰把插像 {buku 布庫 }吃 }了個多活洛 yang ba cha xiang buku /buku chi liao ge duohuoluo – Nach oben blickend ausgestreckt, glich sie einem Ringer, der sich zum Kampf bereit macht. Erläuterung: Als AB ist hier vielleicht buku (布庫 , „Speicher für Stoffe“; s. HUCKER, 4788) anzusehen. Die letzten Silben sind möglicherweise die Transkription des manjur. Wortes do- holo(mbi), „jdn. beim Ringkampf mit den Beinen umschlingen“ (s. HAUER, S. 203).

108 Diese Textzeile, wegen des Zusammenhangs hier umgestellt, ist ursprünglich an 10. Stelle eingeordnet. 109 kabadang, kabedang etc., in unterschiedlicher Schreibung vorkommend, 卡巴襠 , 呵吧襠 usw. (cf. < manjur. kaba, „paarig, paarweise“; dang 襠 , „Hosen“); s. XU SHIRONG (1990), S. 217. Unsere Texte schreiben das Zeichen dang links verdeutlichend mit Radikal 130 (Fleisch).

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[40] {漏出了小肚子 }低下的 {kadalaba 喀達拉巴 } lou chu liao xiao duzi dixia de kadalaba / kadalaba – Unter seinem Bauch lugte etwas Gewichtiges hervor. Erläuterung: Als Verwaltungsbezeichnung ist wahrscheinlich kadalaba, < manjur. Verb kada- lambi („verwalten, regieren“, chines. guanli 管理 , s. HUCKER, 3315), anzusehen, was wieder- um in manjur. gadara(mbi) („s. stabilisieren, steif werden“) umzudeuten ist.110

[41] {毛烘烘四面都 }是藍翎長 mao honghong simian dou shi lan ling chang – Seine Haare, buschig rundherum, waren lang wie Federn. Erläuterung: Mit dem Binom lan ling („blaue Federn am Zeremonialhut“; s. HUCKER, 3558; BRUNNERT-HAGELSTROM, 950B, 990) ist auf eine AB unterhalb des 6. Ranges hingewiesen.

[42] {當中間你睄罷好像那八旗合操的仰山 }窪 dang zhongjian ni shao ba haoxiang na baqi hecao de Yangshan wa – Schaut einmal auf die Mitte: Hier ähnelte es den Yangshan-Gewässern111 bei den Aktio- nen der Acht Banner. Erläuterung: Als AB ist baqi („Acht Banner“; s. HUCKER, 4358) anzusehen.

[43] 東西別名叫花戶 dongxi bieming jiao huahu – Eine anderer Name für dieses Ding lautet ‘Blütentor’. Erläuterung: Als AB ist vermutlich huahu („Person auf einer Einwohnerliste“; chines. huji 戶籍 , cf. HUCKER, 2770) anzusehen.

[44] {好像胡子嘴可 }無有四衙 haoxiang huzi 112 zui ke wuyou si ya – Es gleicht einem Mund mit Bart, dem die Zähne fehlen. Erläuterung: Von der AB si ya(men) („Vier Ämter“, d. i. zhanshi fu, „Verwaltung für den Kronprinzen“, hanlin yuan, „Hanlin-Akademie“, jishi zhong, „Zensoratsamt“ und jiancha yu- shi, „Untersuchungsamt“; s. HUCKER, 80, 587, 795, 2154) ist nur das Zeichen ya2 zu ver- wenden und in ya2 牙 („Zahn“) umzudeuten.

110 Wahrscheinlich besteht kein Zusammenhang mit dem mongolischen Wort qalda(a (Penis). 111 Yangshan wacun 仰山窪村 , ein Gelände 10 Meilen nördlich von Peking, in dem jährlich am 15. Tag des X. Monats Manöver der Bannertruppen stattfanden; s. DERK BODDE, Annual Customs and Festivals in Peking as Recorded in the Yen-ching Sui-shih-chi 燕京歲時記 by Tun Li-chen, Peiping (1936), Nachdr. Taipei (1977), S. 76. 112 Mskr. (1.) schreibt unverkürzt huzi 鬍子 .

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[45] 官人連忙翻譯舉 guanren lianmang fanyi ju – Der Herr schwang sich rasch herum. Erläuterung: Von der AB fanyi ju(ren) 翻譯舉人 („Graduierter des Übersetzungswesens“; s. HUCKER, 1870; BRUNNERT-HAGELSTROM, 309, 496A u. a.) ist lediglich das Zeichen fan, im Sinne von fan shen 翻身 („s. umwenden“), zu übernehmen.

[46] {像過馬的 }一般往上爬 xiang guo ma de yiban wangshang pa – So wie man über ein Pferd springt, kletterte er hinauf. Erläuterung: Hier ist wohl nur ma („Pferd“, s. HUCKER, 3895) als AB anzusehen.

[47] {把淫婦兩條腿那們 {funde bošokô 一分淂撥什戶 } ba yin fu liangtiao tui namen funde bošokô / yi fende boshihu – Die beiden Schenkel der lüsternen Frau auseinandertreibend, Erläuterung: Von der AB fende boshihu, < manjur. funde bošokô (d.i. xiaoji xiao 驍騎校 , „Garde- leutnant“; s. HUCKER, 2381, 2375; BRUNNERT-HAGELSTROM, 727), ist lediglich das Zeichen fen („trennen“) von Belang.

[48] {西門慶把挺硬的遊擊往 }裏插 Ximen Qing ba ting ying de you ji wangli cha – lenkte XIMEN QING sein Gemächt zu deren Mitte hin. Erläuterung: Von der AB youji („Brigadekommandant“; s. HUCKER, 8036; BRUNNERT- HAGELSTROM, 752B, 800) ist nur ji1 von Belang, das hier wohl mit dem homophonen ji1 雞 (Membrum virile) gleichzusetzen ist.

[49] 金蓮害怕伸守備 [Pan] Jinlian haipa shen shou 113 bei – Doch JINLIAN fürchtete sich und streckte die Hände aus, ihn abzuwehren. Erläuterung: In der AB shoubei („Stellvertretender Brigadekommandant“; s. HUCKER, 5393, BRUNNERT-HAGELSTROM, 752D) ist das Zeichen shou3 守 durch das homophone shou3 手 („Hand“) zu ersetzen.

113 Mskr. (1.) schreibt hier shou 手 .

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[50] {慌忙 }托主了 {kôwaran-i da 夸蘭達 } huangmang tuo zhu liao kôwaran-i da / kualanda – Mit aufgeregten Hüftbewegungen hielt sie ihn zurück. Erläuterung: Von der AB kualanda, < manjur. kôwaran-i da („Lagerkommandant“, chin. bing- ying zhang 兵營長 ; s. HUCKER, 3259, BRUNNERT-HAGELSTROM, 656F, HAUER, S.609), ist le- diglich das Zeichen kua1 zu verwenden und durch das phonetisch ähnliche kua4 胯 („Hüfte, Becken“) zu ersetzen.

[51] {說你摺鳥鎗雄壯我 }耽不住 shuo ni zhe niaoqiang xiongzhuang wo dan bu zhu – Sie sagte: „Deine gebogene ‘Muskete’ ist so kraftvoll, ich halte das nicht aus.“ Erläuterung: Die AB niaoqiang („Gewehr“, möglicherweise auch „Musketier“; s. HUCKER, 4302) ist im symbolischen Sinne verstanden.

[52] {西門慶說你把 }陰門 {baitangga 柏唐阿 } Ximen Qing shuo ni ba yinmen baitangga / baitang’a – XIMEN QING sagte: „Öffne das Yin-Tor!“ Erläuterung: Unter baitang’a, < manjur. baitangga, sind als AB niedere Ränge, wie „Amts- diener“ (zhishi shi 執事侍 ; s. HUCKER, 1055) etc. zu verstehen. Hier ist das Zeichen bai1 oder bo 柏 (sonst meist bai 拜 geschrieben) durch das phonetisch identische bai1 掰 („mit beiden Händen öffnen“) zu ersetzen.

[53] {手頭兒招 }呼著內廷館 shou touer zhaohu zhe neiting guan – Mit der Hand lenkte er nun seine Männlichkeit. Erläuterung: Von der AB neiting guan („Ämter des Kaiserhofes“; s. HUCKER, 4267) ist mög- licherweise nur das Zeichen ting2 廷 zu verwenden und durch ting3 挺 („aufrecht, gerade, steif“) zu ersetzen.

[54] {晃 114兒上的 }海巡亂串達 huanger shang de haixun luan chuanda – Aufgeregt stieß er ungezügelt voran. Erläuterung: Von der verkürzten AB haixun, die möglicherweise in haidao xunfang guan 海道巡防官 („Kommandeur der Küstenverteidigung“; s. HUCKER, 2129) o.ä. zu erweitern ist, soll hier wohl nur xun („visitieren“) verwendet werden.

114 Dieses Schriftzeichen ist links mit Radikal 61 (Herz) zu schreiben.

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[55] {金蓮說你比射 {bosoi aigan 撥遂艾罕 }的還 }不准 Jinlian shuo ni bi she bosoi aigan / bosuiaihan de huan bu zhun – [PAN] JINLIAN sagte: „Du zielst weniger genau als beim Scheibenschießen. Erläuterung: Als AB ist hier bosuiaihan, < manjur. bosoi aigan („Schießscheibe bei militär. Übungen“; chines. bazi 靶子 ), anzusehen.

[56] {你底下沖著中 }書加勁呀 ni dixia zhongzhe zhongshu jia jing ya – Wenn du da unten angreifst, muß es energischer sein. Erläuterung: Die AB zhong1shu1 („Palastsekretär“, s. HUCKER, 1606; BRUNNERT- HAGELSTROM, 137, 583, 618B u.ö.) ist wahrscheinlich in das homophone zhong1shu1 中樞 („Körpermitte“) umzuwandeln.

[57] {你睄睄傳官急的青 }筋疊暴 ni qiaoqiao chuanguan ji de qingjin die bao – Sieh doch, wie die blauen Adern des ‘Übermittlungsbeamten’ hervortreten. Erläuterung: Die AB chuanguan ist möglicherweise als chuanling 傳令 („Befehlsübermittler“; s. HUCKER, 1499) aufzufassen.

[58] {低下跑暈 }了兩個 {galai da 嘎來達 } dixia pao yun liao liangge galai da / galaida – Da unten verausgaben sich die zwei ‘Flügelkommandanten’.“ Erläuterung: Die AB galaida, d.i. < manjur. gala-i da, bezeichnet den „Flügelkommandanten eines Banners“, chines. yizhang 翼長 (s. HUCKER, 2928). Gemeint sind wohl kualuan 胯卵 (Testikel).

[59] {西門慶說雀兒 }上有榜眼 Ximen Qing shuo qiaoer shang you bangyan – XIMEN QING sagte: „Das Spätzlein besitzt zwar nur ein ‘Auge’, Erläuterung: Unter qiaoer wird normalerweise der Penis eines Knaben verstanden. Von der AB bangyan („Sekundus der Examensabsolventen“; s. HUCKER, 4448; BRUNNERT-HAGEL- STROM, 629 C) ist wahrscheinlich nur yan („Auge, Öffnung“) zu verwenden.

[60] {睄著 }倒像個頭等 {hiya 瞎 } qiaozhe dao xiang ge toudeng hiya / xia – aber es sieht doch wie ein Blinder sieht, [der sich mit seinem Stock vorwärts bewegt].“ Erläuterung: Die AB toudeng xia ist hier mit xia 瞎 („blind“) statt richtig xia 轄 ( manjur. hiya) geschrieben und bedeutet chines. shiwei 侍衛 („Kaiserlicher Gardist 1. Klasse“; s.

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HUCKER, 5333; BRUNNERT-HAGELSTROM, 99). In obigem, möglicherweise ironisch ge- meinten Satz ist lediglich xia („blind“) zu verwenden.

[61] {金蓮說少 }不得我當 {kadalambi 喀達拉密 } Jinlian shuo shaobude wo dang kadalambi / kadalami – [Pan] Jinlian sagte: „Ich muß ihn unbedingt auf den richtigen Weg bringen.“ Erläuterung: Als AB ist kadalami, < manjur. kadalambi („verwalten, ordnen“ etc., chines. guanxia 管瞎 usw.; s. Hucker, 3315), zu verstehen.

[62] {西門慶說得了 {mejige 莫几格 }就進了 }{hiya-i ba 瞎衣巴 } Ximen Qing shuo de liao mejige / mojige jiu jin liao hiya-i ba / xiayiba – XIMEN QING sagte: „Hat man erst die ‘Weizengrannen’ erreicht, ist man fast auf dem Paradeplatz.“ Erläuterung: Von der AB mojige, < manjur. mejige („Amtsbote, Nachricht“ etc., chines. chuanshi ren 傳事人 usw.; cf. HUCKER, 1502), sind möglicherweise die beiden ersten Silben mo4ji3 in das phonetisch ähnliche mo4[neu: mai4] chi3 麥齒 (d. i. Labia minora) umzudeuten; xiayiba, < manjur. hiya-i ba, ist der „Platz der Palastgarde“ (chines. shiwei chang 侍衛場 ; s. HUCKER, 3770/1).

[63] {兩個卵子像 {bayara 柏拉 }拿門的一 }般樣 liangge luanzi bayara / bo(ya)la 115 na men de yiban yang – Die beiden ‘Zwillinge’ ähnelten völlig den Wachsoldaten an einer Toreinfahrt. Erläuterung: luanzi bezeichnet den Didymus (eigentl. ‘Zwilling’), Testikel, Orchis. Die AB bo(ya)la (sonst auch bayala 巴牙喇 u. a. geschrieben), < d. i. manjur. bayara, entsprechend chines. hujun 護軍 („Gardesoldat“; s. HUCKER, 2775; BRUNNERT-HAGELSTROM, 734), ist im übertragenen Sinne zu verstehen.

[64] {几老八出來進去他得了 }{juwan-i da 專呢達 } jilaoba chulai jinqu ta deliao juwan-i da / zhuannida – Seine Männlichkeit kam in Bewegung, und er hatte Erfolg. Erläuterung: Von jilaoba sind die beiden Silben ji1ba1 (Penis) zu verwenden, ein Wort, das sonst u. a. auch 雞巴 geschrieben wird. Von der AB zhuannida, < manjur. juwan-i da (ei- gentl. „Leiter einer Zehnergruppe“, hier für hujun xiao 護軍校 , „Leutnant der Palastgarde“; s. HUCKER, 2775), ist vermutlich nur die manjur. Silbe i (= chines. assimiliert zu ni) zu verwenden und in yi4 意 umzudeuten: de yi 得意 („zufrieden sein“ etc.).

115 Hier ist das Zeichen ya 押 ausgefallen.

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[65] {金蓮說我是捐納監生假金頂 }兒 Jinlian shuo wo shi juanna jiansheng jin dinger – [PAN] JINLIAN sagte: „Ich bin nur ein eingekaufter Zögling der Nationalakademie, der Abgaben kassiert und einen falschen Goldknopf trägt. Erläuterung: Die AB jiansheng bezeichnet „Akademiestudenten 4. Grades“, die nicht durch reguläre Examina, sondern durch Geldzahlung ihre Position erlangten (s. HUCKER, 856, 1701; BRUNNERT-HAGELSTROM, 412, 959). Der „goldfarbene Knopf“ auf dem Beamten- hut (jin ding) steht nur Beamten vom 7.–9. Rang zu.

[66] {八子里比秀才還酸你慢 }著罷 bazi li bi xiucai hai suan ni manzhe ba – Meine Weiblichkeit fühlt sich unangenehmer an als ein Kandidat im Examen. Mach et- was langsamer voran!“ Erläuterung: Die AB bazi bezeichnet in der Frühzeit die „kaiserlichen Konkubinen“ (s. HUCKER, 4385), hier jedoch, auch bazi 把子 geschrieben, das weibliche Genitale. Unter xiu- cai (s. HUCKER, 2633) sind die Kandidaten für das Palastexamen zu verstehen.

[67] {官人得意他哈 }撒的更 tojin {托錦 } guanren deyi ta hasa de geng tojin / tuojin – Der Herr aber wars zufrieden, und er wurde schneller und heftiger Erläuterung: Mit hasa ist sicherlich auf manjur. hasa(mbi) („schnellmachen, eilen“; s. HAU- ER, S. 421) hingewiesen. Von der AB tuojin, < manjur. tojin („Pfau“), – gemeint ist die „Pfauenfeder“ (kongque ling 孔雀翎 ) für Beamte ab 5. Rang (s. BRUNNERT-HAGELSTROM, 950, 950A) –, ist wohl nur das Zeichen jin3 錦 zu verwenden, das wohl in das phonetisch identische jin3 緊 („fest, heftig“) umzudeuten ist.

[68] 把 {jingkini janggin 京奇呢章京 }出了 {一大 }窪 ba jingkini janggin / jingqini zhangjing chuliao yi da wa – und ergoß seine Essenz in großer Menge. Erläuterung: Von der AB jingqini zhangjing, < manjur. jingkini janggin („ordentlicher Banner- offizier“, chines. zheng zhangjing 正章京 (s. HUCKER, 107), ist vermutlich allein das Zeichen jing1 京 gültig und in das phonetisch identische jing1 精 („Sperma“) umzudeuten.

[69] {歇息 }了一會纔拔貢 xiexi liao yihui cai bagong – Nachdem er sich etwas ausgeruht hatte, befreite er sich wieder. Erläuterung: Von der AB bagong („Auswahl von Examenskandidaten“; s. HUCKER, 4372; BRUNNERT-HAGELSTROM, 582A, 628, 629A) ist lediglich ba („herausziehen, ausreißen“) zu verwenden.

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[70] {好像回了圍的 {karan gida 喀蘭幾達 }更 }覺乏 haoxiang hui liao wei de karan gida / kalan jida geng jue fa – Er fühlte sich erschöpfter als ein Jäger, der von einer Treibjagd heimkehrt. Erläuterung: Unter der AB kalan jida, < manjur. karan gida, ist die „Tigerjagende Brigade“, chines. huqiang ying 虎鎗營 („Elitejäger bei kaiserlichen Jagden“; s. HUCKER, 2772; BRUN- NERT-HAGELSTROM, 739; HAUER, S. 574) zu verstehen.

[71] {金蓮說這 }{bithesi 筆帖式 }可怎麼好 Jinlian shuo zhe bithesi / bitieshi ke zenme hao – [PAN] JINLIAN sagte: „Wie beseitigen wir die Spuren?“ Erläuterung: Von der AB bitieshi, < manjur. bithesi („Schreiber“; HUCKER, 4601; BRUN- NERT-HAGELSTROM, 293 u. ö.), ist wahrscheinlich nur die letzte Silbe shi4 zu verwenden und in das phonetisch ähnliche shi1 溼 („feucht, Nässe“) umzudeuten.

[72] 門慶說你不必著急 }拿 {olbu 敖尒布 }搽 Men Qing shuo bi bu bi zhaoji na olbu / aoerbu cha – [XI]MEN QING sagte: „Mach dir keine Sorgen! Nimm ein Tuch und wisch’s weg!“ Erläuterung: Von der AB aoerbu, < manjur. olbo 116 („Reitjacke; Bannersoldaten, die die spanischen Reiter tragen“; s. HAUER, S. 733; BRUNNERT-HAGELSTROM, 731/2), ist ledig- lich die letzte Silbe bu („Baumwolltuch, Lappen“) zu verwenden.

完 wan 117 – Ende.

116 Im Text – im Anklang an bu („Tuch“) – mit der Nebenform olbu (statt korrekt: olbo) geschrieben. 117 Nur in Mskr. (2.).

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Abbildungen:

Abb. 1: Melodieprobe eines zidi shu-Stückes, Abb. 2: Reproduktion der chines.-manjur. aus Zhongguo yinyue cidian (1984), S. 521 Handschrift Nr. (2.).118 (ohne Quellenangabe). [7] [5] [3] [1]

[8] [6] [4] [2]

1

118 Einige Stellen sind der Klarheit halber aus Mskr. (1.) übernommen. - Die Zeilen sind more sinico von rechts nach links zu lesen.

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[22] [20] [18] [16] [14] [12] [10] [9]

[23] [21] [19] [17] [15] [13] [11] [38]

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[39] [36] [34] [32] [30] [28] [26] [24]

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[55] [53] [51] [49] [47] [45] [43] [41]

[56] [54] [52] [50] [48] [46] [44] [42]

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[71] [69] [67] [65] [63] [61] [59] [57]

[72] [70] [68] [66] [64] [62] [60] [58]

5

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