Joseph Joachims Jugend Im Spiegel Bislang Unveröffentlichter Briefe
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• THEMA • Otto Biba »Ihr Sie hochachtender, dankbarer Schüler Peppi« Joseph Joachims Jugend im Spiegel bislang unveröffentlichter Briefe ndreas Moser hat in seiner Joachim-Monogra- handelte Vorgeschichte zu wiederholen und ohne hier Aphie einen sowie in seiner Edition von Joseph die Quellen zum Konservatoriumsbesuch im Archiv Joachims Briefwechsel zwei Briefe von Joachim an und Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in seinen Lehrer Joseph Böhm aus den Jahren 1842 und Wien weiter auszuwerten5, muß doch darauf hinge- 1844 publiziert.1 Beide befi nden sich im Archiv der wiesen werden, daß es ungewöhnlich war, wenn ein JOSEPH JOACHIM Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.2 1997 konn- Schüler – wie eben Joachim – bereits in die Dritte ten innerhalb eines bescheidenen Teilnachlasses von Klasse aufgenommen wurde und nur ein Jahr am Joseph Böhm fünf weitere Briefe Joachims an sei- Konservatorium verblieb. Es ist mehrfach belegt und nen Lehrer erworben werden.3 Sie wird auch im ersten der im folgen- werfen ein bezeichnendes Licht auf den Briefe bestätigt, daß Joachim Joachims Persönlichkeit, auf das während seiner Unterrichtszeit bei damalige Lehrer-Schüler-Verhält- Joseph Böhm gewohnt hat. Anzu- nis im allgemeinen und Joachims nehmen ist, daß er von ihm auch Verhältnis zu seinem Lehrer im be- jenen Privatunterricht erhalten hat, sonderen, bringen aber auch Details der ihn zur Aufnahme in die dritte zu Joachims Biographie sowie zur Klasse befähigte. Mit Beginn des Wiener, Leipziger und Londoner Studienjahres 1843/44 bezog er das Musikszene der 1840er Jahre. Ih- Leipziger Konservatorium. re Publikation ist aus allen diesen Damit im Zusammenhang Gründen naheliegend. steht der erste hier zu publizierende Im Studienjahr 1841/42 hat Quelle: Sammlungen der Gesellschaft Musikfreunde in Wien Brief.6 Er ist an »Herrn Hern (!) Jo- Joseph Joachim die von Profes- seph Böhm abzugeben im Schlosse sor Joseph Böhm geführte Dritte zu Plankenberg per Post Siegharts- Klasse der Violinschule des Kon- kirchen bei Wien« adressiert. Schloß servatoriums der Gesellschaft der Joseph Böhm Plankenberg war bis 1822 im Besitz Photographie von Dr. Székely & Massak, Musikfreunde in Wien »mit Prä- Wien um 1860 von Graf Moritz Fries und ging mium mit Anspruch zur [Gesellschafts-] Medaille«, in diesem Jahr durch Kauf an die Fürstliche Fami- das war der zweitbeste mögliche Studienabschluß, lie Liechtenstein über. Damals befand sich hier eine absolviert.4 Ohne hier die von Moser ausführlich be- Internatsschule für Adelige.7 Es spricht für Böhms Stellung in der Wiener Gesellschaft, daß er auf 1 Andreas Moser: Joseph Joachim. Ein Lebensbild, Bd. I, Berlin Schloß Plankenberg die Sommermonate verbrachte. 1908, S. 53 (Brief vom 15. Oktober 1844); Briefe von und an Im Brief geht es um die nicht persönlich mögliche Joseph Joachim, hgg. von Johannes Joachim und Andreas Moser, Bd. I, Berlin 1911, S. 1ff: (Briefe vom 12. Septem- ber 1842 und vom 15. Oktober 1844). 5 Die diesbezüglichen Angaben bei Beatrix Borchard: Stim- 2 Briefe von und an Joseph Joachim (wie Anm. 1), Bd. I, Nr. 15 me und Geige. Amalie und Joseph Joachim, Wien [u.a.] 2005, sind und 16. Der 1908 von Moser veröffentlichte Brief wur- vor allem deshalb mißverständlich, weil dort herangezo- de im übrigen im November 1906 von Victor von Miller gene Publikationen als Akten bezeichnet werden. zu Aichholz für das Archiv der Gesellschaft der Musik- 6 Orthographie und Interpunktion werden übernommen, freunde in Wien angekauft. Abkürzungen in eckiger Klammer aufgelöst. 3 Ebda., Nr. 18–22. 7 Handbuch der historischen Stätten Österreichs, hg. von Karl 4 Verzeichniß und Classifi cation der Schüler des Conservatoriums der Lechner, Bd. I, Stuttgart 1970, S. 184. Schloß Plankenberg Musik in Wien. Schuljahr 1841–1842, S. 4. liegt in der Gemeinde Abstetten in Niederösterreich. 200 • THEMA • Robert W. Eshbach Der Geigerkönig Joseph Joachim as Performer To Eric Rosenblith. Gifted teacher, profound practitioner of our great art. I – The Composer’s Voice that the living witnesses of his achievement go the way of all fl esh.« Twenty years after he died, the o those who knew Joachim in his latter years, vital Joseph Joachim was already fading from public The was the Geigerkönig – the »King of Violi- consciousness, and Flesch noted with regret that nists« – the »Last of a Classic School.« Refl ecting he was beginning »to take on the semblance of a on Joachim’s career, Brahms biographer Florence myth.« »It is not surprising that Joachim’s musical May observed: »[…] from early childhood Joachim and technical advantages are no longer entirely com- never appeared on a platform without exciting, not prehensible to the youth of our day on the basis of only the admiration, but the personal love of his mere description«, he wrote. »For the very essence audience. His successes were their delight. They re- of Joachim’s playing eludes description, in as much joiced to see him, to applaud him, recall him, shout as it was not purely technical, but lay in an indefi - at him. The scenes familiar to the memory of three nable charm, an immediacy of feeling which caused generations of London concert-goers were samples a work played by him to be haloed with immortality of the everyday incidents of his life in all countries in the listener’s recollection. What our time fails to and towns where he appeared. Why? It is impos- understand is not so much Joachim’s violin playing as sible altogether to explain such phenomena, even Joachim’s spirit.«3 by the word ›genius‹. Joachim followed his destiny. Today, the transformation from man to icon is His career was unparalleled in the history of musical complete: Joachim’s position in the musical panthe- executive art. It began when he was eight; it closed on is that of the distinguished, musically conservati- only a few weeks before his death at the age of se- ve violinist, the graybeard gatekeeper of 19th-centu- venty-six.«1 ry Germany’s musical establishment – and especially Five-score years after his death, Joachim remains the eminent »Friend Of Brahms.« Few remember a celebrated artist. There is hardly a biography of any Jussuf Joachim, the youthful Joseph who stood at 19th-century musician in which we do not read his the center of the greatest artistic disputes of his age name. Letters, memoirs, photographs, recordings – an age renowned for its partisan spirit. For a brief and manuscripts survive, giving evidence of his re- period, around mid-century, Joachim was a Zukunfts- markable life, rich in music and association. In that musiker, a member of the musical avant-garde. At the sense he is, as British poet-laureate Robert Bridges dawn of Weimar’s second Golden Age, Franz Liszt wished he would be, hired the 19-year-old violinist to be concertmaster of his orchestra. There, the young man who had Remember’d when thy loving hand is still, grown up under the personal and artistic guidance And ev’ry ear that heard thee stopt with dust.2 of Felix Mendelssohn and Robert Schumann helped give birth to the tone poem and the Wagnerian music And yet, Carl Flesch observed, »the remembrance drama, and contributed some convincing works of of a great interpreter grows weaker in the degree his own in the new »psychological« style. For seve- ral years, he enthusiastically carried the banner of 1 Florence May, The Life of Johannes Brahms, (2 vols) London: William Reeves, n.d. (1905), vol. II, pp. 210–211. 3 Carl Flesch, The Art of Violin Playing, New York: Carl Fi- 2 Robert Bridges sonnet: To Joseph Joachim. scher, 1930, pp. 74–75. 205 • THEMA • Beatrix Borchard Groß – männlich – deutsch? Zur Rolle Joseph Joachims für das deutsche Musikleben der Wilhelminischen Zeit1 Quelle: Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck, 1991.3.22 Joseph Joachim (4. v. li.) mit Professorenkollegen, Berlin, 1897, Photographie im Kabinettformat bgebildet1 auf diesem Photo ist eine Senatssit- denden Künste.2 Die Musik kam erst im Laufe des Azung der Musiksektion der preußischen Akade- 19. Jahrhunderts hinzu. Als Vorläuferinstitution der mie der Künste zu Berlin im Jahre 1897. Von links Musiksektion gilt die Berliner Singakademie unter nach rechts zu sehen sind der Pianist Ernst Rudorff, Carl Fasch und besonders unter Carl Friedrich Zel- der Musiktheoretiker Reinhold Succo, der Kom- ter, dem spiritus rector des Berliner Musiklebens.3 ponist Friedrich Gernsheim, der Leiter der »Aka- Aber erst nach dem Tod Zelters 1832 begann der demischen Musikschule für ausübende Tonkunst Aufbau einer Musiksektion an der Akademie. Die er- bei der Akademie Joseph Joachim, Adolph Schult- sten sieben gewählten Mitglieder: Meyerbeer, Men- ze, der Leiter der Gesangsabteilung derselben, die delssohn Bartholdy, Spontini, Generalmusikdirektor Komponisten Robert Radecke, Heinrich von Her- der königlichen Oper, Karl Friedrich Rungenhagen zogenberg, Max Bruch, Albert Ernst Otto Becker (Singakademie), August Wilhelm Bach (Institut für und Georg Vierling. Diese Herren repräsentierten Kirchenmusik), der Opernkapellmeister und Diri- dem Anspruch nach das Musikleben des wilhel- gent der Musikchöre des Gardekorps Georg Abra- minischen Deutschlands kurz vor der Wende zum ham Schneider und der Königliche Konzertmeister 20. Jahrhundert. Als die Akademie 1696 gegründet Karl Wilhelm Henning. 1834 wurde eine Komposi- wurde, war sie ausschließlich eine Akademie der bil- 2 Vgl. die ausführliche Dokumentation und Analyse der 1 Basis des vorliegenden Textes ist Beatrix Borchard: Stimme Akademiegeschichte: Die Kunst hat nie ein Mensch allein be- und Geige: Amalie und Joseph Joachim. Biographie und Interpreta- sessen. 300 Jahre Akademie der Künste, Ausstellungskatalog, tionsgeschichte (= Wiener Veröffentlichungen zur Musikge- Berlin 1996. schichte Bd. 6, hgg. von Reinhard Kapp, Markus Grassl), 3 Vgl. zur Vorgeschichte der Hochschulgründung unter Wien 2005, 2. Aufl age Wien 2007, und ein Vortrag, gehal- institutionellen Gesichtspunkten: Dietmar Schenk: Die ten am 12. Januar 2007 an der FU Berlin. Der Titel der Hochschule für Musik zu Berlin. Preußens Konservatorium zwischen von Albrecht Riethmüller organisierten Tagung lautete romantischem Klassizismus und Neuer Musik, 1869–1932/33, »Thinking big - Musik zur Zeit des Kaiserreichs 1871ff.« Stuttgart 2004, S.