Kurt-Eisner-Ausstellung Im Stadtmuseum
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Kurt-Eisner-Ausstellung im Stadtmuseum Revolutionär und Ministerpräsident Vor 150 Jahren, am 14. Mai 1867 in Berlin geboren, wächst Kurt Eisner in einer bürgerlich-jüdischen Fami- lie auf. Sein Studium muss er aus finanziellen Grün- den aufgeben und beginnt eine journalistische Lauf- bahn beim Depeschenbüro Herold in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs. Über Frankfurt gelangt er nach Marburg und wird Redakteur der Hessischen Landeszeitung. Als Verfasser von Zeitschriftenbeiträgen kommentiert er mit spitzer Feder die gesellschaftlichen und politischen Kämpfe unter dem »Neuen Kurs« der Regierung Kaiser Wilhelm II. Das bringt ihm einen Ge- fängnisaufenthalt in Plötzensee wegen Majestätsbelei- digung ein. Danach – zum 1. Dezember 1898 – tritt Eisner in die Sozialdemokratische Partei ein und geht nach Berlin in die Vorwärts-Redaktion. Der radikal- liberale, an Kant geschulte »Gefühls-Sozialist« Eisner erarbeitet sich schrittweise eine sozialistische Welt- anschauung, die sich sowohl von dem an Marx orien- tierten, als auch vom sogenannten revisionistischen Parteiflügel unterscheidet: Ersteren hält er ihre »Politik des demonstrativen Nichtstuns vor«, weil sie auf die Revolution warten, die ihrer Auffassung nach auf Grund der sich zuspitzenden Klassengegensätze zwangsläufig unermüdlich die Expansionsgelüste und Kriegstreiberei kommen wird; letzteren wirft er vor, nicht konsequent des deutschen Kaiserreichs angeprangert, jetzt, Ende mit dem herrschenden System brechen zu wollen. Juli 1914, warnt er eindringlich: »Der Zarismus muss Schon früh schrieb er: »Wir müssen uns zur Socialde- gebändigt werden durch die Einmütigkeit der Kultur- mokratie flüchten, selbst wenn wir ihre wirtschaftlichen völker Europas, dann ist der Frieden für immer gesi- Kurt Eisner und taktischen Grundanschauungen nicht teilen. Sie chert.« Er hat offiziösen Informationen seiner Münchner ist die einzige Zuflucht aller Idealisten, um sie kreisen SPD-Genossen vertraut, die bereits 1912 kolportieren, 58 die Sympathien der Gesund-Gebliebenen...Und wenn der Angriff des zaristischen Russland stünde bevor. sie selbst kein anderes Verdienst hätten, diese Soci- Doch für Kurt Eisner dürfen und können die Kriegs- aldemokraten, als daß sie die Massen organisieren, sie ziele der deutschen Reichsregierung nicht die der zu bestimmten Gedanken erziehen und dergestalt aus Sozialdemokratischen Partei sein. Die Parteiführung, dem dunklen Chaos mit seinen unberechenbaren Ex- die Mehrheit der Reichstagsabgeordneten in Berlin plosionen eine in gesetzlichen Bahnen sich bewegende und der Landtagsabgeordneten in München, sehen geordnete Welt schaffen, deren Ideen man kennt und das anders. Schon zum Ende des Jahres 1914 wird mit deren Handlungen daher die Cultur rechnen kann, er zum erklärten Kriegsgegner und sucht Kontakt zur wenn sie nichts besäßen als dieses Glück rücksichts- Antikriegsopposition innerhalb und außerhalb der SPD. loser Ansprache und diesen opferwilligen Mut der Ue- Im April 1917 wird er Mitglied der neu gegründeten Un- berzeugung, es genügte, mit ihnen zu sympathisieren, abhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands selbst wenn man ihre Grundanschauungen nicht teilte. (USPD), die sich für den sofortigen Frieden ohne Anne- Man wird nie das Bedürfnis haben, sie zu bekämpfen, xionen einsetzt. höchsten sie zu reformieren.« In München wirkt er bereits seit 1916 als Integra- 1910 gelangt Kurt Eisner über ein zirka dreijähriges tionsfigur an die Seite junger Sozialisten und Sozialis- Engagement bei der Fränkischen Tagespost nach Mün- tinnen. Die jungen Arbeiterinnen und Arbeiter, darunter chen an das dortige SPD-Blatt Münchner Post. Kurz vor viele verwundete junge Kriegsheimkehrer, lehnen sich Ausbruch des Krieges 1914 ändert der Internationalist gegen die Bevormundung der sozialdemokratischen Eisner seine Überzeugung: Bis zur Balkankrise hatte er Mutter-Partei auf. Sie wollten diesen Krieg nicht. So gewinnt Kurt Eisner diese keimende Jugendbewegung Werner Kreindl, Dieter Eppler | 90 min (1. Teil), 87 min für eine wichtige Protestaktion auf dem Weg zur Re- (2. Teil) | »Die Anarchie, die abzuwehren die staats- volution: den Januarstreik 1918. Der Hunger treibt die erhaltenden Figuren in Hellmut Andics’ Dokumentar- Leute auf die Straße, in Münchner Rüstungsbetrieben spiel trachteten, ist, ins Apolitische und Theatermäßige erwacht die Bereitschaft zum Widerstand. Eisner wird gewendet, selber ein Ingredienz dieser Reihe, das jeden als einer der Streikführer verhaftet und kommt erst mal an die Rampe kommen lässt, wo er eine Bravour- kurz vor Ausbruch der Revolution im Oktober 1918 als nummer abliefern darf, das alles vorher Gezeigte desa- nominierter Spitzenkandidat der Münchner USPD aus vouiert, und damit keinem recht gibt und allem. Poli- der Untersuchungshaft. Die Tage vor der Bayerischen tisches und Historisches ist diesem dramaturgischen Revolution sind geprägt von Parteiversammlungen und Anarchismus schnuppe und höchstens als Vorwand für öffentlichen Kundgebungen, auf denen der begnadete Schnauf- und Dröhn-Arien willkommen, wie man sie Redner Kurt Eisner für Frieden und Revolution spricht. so burgtheaterhaft sonst nirgends mehr im Fernsehen Am 7. November folgen die auf der Theresienwiese ver- sammelten Arbeiter und Soldaten der sich Bahn bre- chenden Bereitschaft zum Umsturz. Noch in der glei- chen Nacht proklamiert Kurt Eisner die Gründung der bayerischen Republik. Er wird der erste Ministerpräsi- dent des Volksstaates Bayern und regiert mit seinem Kabinett in Kooperation mit den in Selbstverwaltung tagenden Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Kurt Eisners unabhängige Sozialdemokraten sind im Kabinett zur Zusammenarbeit mit der Mehrheitssozial- demokratischen Partei (MSPD) gezwungen, die die po- litischen Ziele Eisners nur sehr bedingt toleriert und auf Neuwahlen zum bayerischen Landtag drängt. Gleich- zeitig bringt Eisner mit seinen außen- und friedens- politischen Vorstellungen und Aktivitäten bürgerlich- konservative und politisch stark rechts formierende Kreise gegen sich auf. Als sich Kurt Eisner am 21. Fe- bruar 1919 auf den Weg zum Bayerischen Landtag be- gibt, um seinen Rücktritt zu erklären, wird er von Anton Kurt Eisner Graf von Arco auf Valley erschossen. Arco gehörte zum Umfeld der rechtsnationalistischen antisemitischen 59 Thule-Gesellschaft. Vom 11. Mai bis 8. Oktober 2017 präsentiert das Münchner Stadtmuseum die Ausstel- lung »Revolutionär und erster bayerischer Ministerprä- sident – Kurt Eisner (1867–1919) zum 150. Geburts- tag«. Sie will von ihrer Aufgabenstellung her endlich diesen homme de lettres, den politischen Journalisten, der konsequent seinen ganz eigenen Weg vom sozial- demokratischen zum sozialistischen Politiker vollzog, umfassend darstellen. Das begleitende Filmprogramm zeigt die sehr unterschiedliche Art von drei Fernseh- sendern (ZDF, WDR und BR), sich in den Jahren 1969 bis 1971 mit der Geschichte der Räterepublik ausein- anderzusetzen. Ingrid Scherf Die Münchner Räterepublik | BRD 1971 | R: Helmuth Ashley | B: Hellmut Andics | K: Manfred Ensinger, Jür- gen Schoenemann | D: Charles Regnier, Peter Pasetti, Carl Lange, Christoph Bantzer, Günther Ungeheuer, zu sehen kriegt.« (Melchior Schedler) »Wichtigstes fällt für seine Fernsehfassung Negativfilm und Positivfilm fort im Fernsehspiel; Belanglosigkeiten werden natura- so gemischt, übereinander kopiert, dass der flim- listisch wiedergegeben; ganze Komplexe bleiben außer mernd-unscharf-scharfe Eindruck historischer Filmdo- Betracht; phantasievolle Ergänzungen verfälschen den kumente entstand. Diese ›Verfremdung‹ war nicht die Duktus der Dokumente; Perspektiven und Tendenzen einzige, die Zadek seinem Fernsehspiel zufügte, dabei treten nicht zutag; alles Faktische ist dem Range nach mit Recht von der Überlegung ausgehend, die meis- gleich, rot gilt so viel wie weiß, das Mittel so viel wie ten Fernsehspiele nutzten das Medium nicht aus, son- das Ziel. Die Politik: ein schmutziges Geschäft. Die Ge- dern seien entweder Tagesschau oder abfotografiertes schichte: eine Mischung aus Genre-Szenen und unbe- Theater. Zadek blendete immer wieder distanzierende greifbarer Fatalität, im einzelnen scheinbar vertraut, im Hinweise ein, etwa wer wen spielt, drehte die Aktionen ganzen unerklärlich, irrational und von fremden Geset- aus ungewöhnlichen Perspektiven oder ließ Toller und zen bestimmt.« (Walter Jens) Leviné durch das München von 1968 spazieren, wäh- Dienstag, 16. Mai 2017, 18.30 Uhr (1. Teil: Kurt Eis- rend sie die Probleme von 1919 besprachen. Das war ner – Zwischen Demokratie und Diktatur) | Einführung: ein geschicktes Distanzierungsmittel: den Zuschauer Ingrid Scherf Mittwoch, 17. Mai 2017, 18.30 Uhr nicht zum Schlüssellochgucker der Geschichte zu ma- (2. Teil: Ende mit Schrecken) chen, sondern ihm gleichzeitig den Eindruck zu ver- mitteln, wie die Wirklichkeit die Episode Räterepublik Rotmord | BRD 1969 | R: Peter Zadek | B: Tankred auch in München hinter modernen Kaufhausfassaden Dorst, Wilfried Minks, Peter Zadek, nach dem Stück scheinbar spurlos hinter sich gelassen hat.« (Hellmuth »Toller. Szenen aus einer deutschen Revolution« von Karasek) Tankred Dorst | K: Bruno Hoffmann | D: Gert Baltus, Hel- Dienstag, 23. Mai 2017, 18.30 Uhr muth Hinzelmann, Werner Dahms, Siegfried Wischnew- ski, Wolfgang Neuss, Hans Schweikart, Gernot Duda, Revoluzzer, Räte, Reaktionäre | BRD 1969 | R+B: Rudolf Forster | 85 min | Experimenteller Fernsehfilm Wolfgang Kahle, Georg Walschus | K: Manfred Feicht- nach Tankred Dorsts Theaterrevue. »Peter Zadek hatte ner, Dieter L’Arronge | Mit Helmut Neubauer,