Hofmannsthal-Blätter . Heft 35/36 Leopold Andrian Über Hugo Von Hofmannsthal
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HOFMANNSTHAL-BLÄTTER . HEFT 35/36 LEOPOLD ANDRIAN ÜBER HUGO VON HOFMANNSTHAL Auszüge aus seinen Tagebüchern Mitgeteilt und kommentiert von URSULA RENNER Vor nunmehr zwanzig Jahren erschien der umfangreiche Briefwechsel zwischen Hofmannsthai und Andrian, der erstmals ein genaueres Bild der Beziehung zwischen den beiden Freunden ermöglichte. Darüber hinaus gab und gibt es nur wenige Darstellungen zur Person Leopold von Andrians, zu seiner Rolle im Kreis des )Jungen Wien< oder zu seiner Lyrik und der 1895 unter viel Beachtung erschienenen Erzählung )Der Garten der Erkenntnis< 1 • Andrians literarischer Nachlaß, bestehend vor allem aus seinen Tage 2 büchern, Aufzeichnungen und Briefen , lagerte zunächst, schwer zugäng• lich, in den USA und kam vor einigen Jahren ins Deutsche Literaturarchiv nach Marbach. Die hier wiedergegebenen Auszüge aus Andrians Tagebüchern stützen sich zum größten Teil auf Exzerpte, die von meiner ersten Beschäftigung mit Andrian herrühren. Mein Hauptinteresse galt damals der Frühphase, der Zeit also, in der Loris/Hofmannsthal sich einen Namen zu machen b.egonnen hatte und Andrian durch seine Gedichte in den )Blättern für die Kunst< und durch den )Garten der Erkenntnis< zwar zu kurzfristigem Ruhm, aber zu keiner anhaltenden künstlerischen Betätigung gelangen 3 konnte • Um diese wichtige Phase der Jugendfreundschaft geht es daher auch in der hier vorgelegten Dokumentation. In den für Andrian krisenbelasteten Jahren vor der Jahrhundertwende brauchte er die Gespräche mit den Freunden, aber auch seine Tagebücher als Unterstützung und Spiegelfäche für seine unaufhörlichen Bemühungen, sich seiner selbst zu vergewissern. Dies belegen Aufzeichnungen und Briefe ebenso wie all jene Aussagen, die wir inzwischen über ihn aus seinem Freundeskreis (vergl. beispielsweise Schnitzlers Tagebücher) kennen. Dem Anliegen der )Hofmannsthal-Blätter< entsprechend steht bei den 3 folgenden, bis auf wenige Passagen bisher unveröffentlichten Tagebuch I. TAGEBUCH INv. NR. 43 (Beobachtungen, Ideen, Sensationen, Gehörtes, auszügen der »Blick« Andrians auf Hofmannsthai im Mittelpunkt. Es Gelesenes vom 20.0ctober 1893 - 28 ten November 1893) werden also vornehmlich die Passagen geboten, in denen Hofmannsthai direkt erwähnt wird. An einzelnen Stellen, wo es mir aufschlußreich [Andrian erwähnt Hofmannsthai bereits vor der ersten persönlichen Begeg erschien zu zeigen, wie Andrian andere gemeinsame Freunde einschätzte nung in einer Notiz über ein Gespräch, das er mit seinem damaligen Freund 4 oder wo er gemeinsame Erfahrungen wiedergab, wurde Seitenblicken Erwin Slamecka geführt hatte; nach dem 10. November; S. 49] »Ich möcht stattgegeben. Dich malen lassen vom Lenbach - nein eigentlich besser vom Tizian, - Exzerpte aus einem Notizbuch zu Vorlesungen der Philosophen Jerusa wenn der nicht schon so lange tot wäre. [... ] Wenn ich nur ein Maler wäre lern und Eckstein zur Erkenntnistheorie und zu Kant wurden aufgenom statt ein Dichter. - Du cl propos, mir hat jemand gesagt Hofmannsthai, men, um daran exemplarisch etwas von der offensichtlich gemeinsamen Dörmann und ich wären die einzigen talentierten unter den jungen \Viener Beschäftigung (s. u. Tagebuch Nr. 58) mit ihren akademischen Studienge Dichtern.« genständen zu zeigen - wohl wissend, daß hier der se1bstgewählte Rahmen etwas überschritten wird. Den Abschluß bilden Andrians Notizen aus dem Jahre 1948 zu seinem 11. TAGEBUCH INv.-NR. 199 [10. Nov. - 4. Dez. 1893] Aufsatz über Hofmannsthai für Helmut A. Fiechtners Sammelband, in denen der Freund den Freund nur wenige Jahre vor seinem 'Tod rückblik• [So 33] 4te [Dez. 1893f kend und nachdenkend noch einmal »entwirft«. Das ist spaßig: Hofmannsthai, der begabte, der reizende Dichter, den ich einmal bei W[alzel]6 gesehen, wobei wir uns Sie gesagt haben, antwortet Den Tagebuchauszügen wurden die Inventarnummern des Andrian-Nach mir auf einen Brief mit »Geehrter Herr« u. »beste Grüße« mit »lieber lasses beigefügt; runde Klammern stammen aus dem Text oder· enthalten Andrian«, »Du«, »Herzlich« --- Er muß hinterdrein gemerkt haben, daß Daten, die im Text selbst vorkommen; in eckigen Klammern stehen Zusätze das mehr du monde ist, aber andrerseits zeigts auch wieder, daß die von mir. Orthographie und Interpunktion wurden belassen und nur dort gescheitesten Leute, sobald sie von der Welt sein wollen Dummheiten resp. verändert, wo es für das Verständnis unbedingt notwendig war oder Tactlosigkeiten begehen. Auf einen Brief hin einen quasi corrigiren. - Und offenkundige Schreibfehler vorlagen. dafür haben wirkliche Leute von der Welt einen unfehlbaren Instinct. Danken möchte ich dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach und der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien für die 111. TAGEBUCH INv. NR. 45 (vom 6 December 93 - 30 Dec. 93) Erlaubnis, bislang unpubliziertes Material einsehen und veröffentlichen zu ter dürfen. Daß, trotz größter Mühe, ein paar Trans~riptionslücken - durch 12 Dec. [... ] » xxx« gekennzeichnet - geblieben sind, bedaure' ich sehr. Wer Andrians [So 34] Gestern Abend war Loris bei mir, der Dichter, dessen Werke ich so Tagebuchschrift kennt, wird es verzeihen. Auch all denen, die unverdrossen liebe, und der trotz mancher Fehler ein sehr anregender, sehr subtil und - im Wortsinne - mitgeklügelt haben, mein herzlicher Dank. einen verstehender, sehr gut und fein nuancirender Mensch ist. Aber man muß die doppelte oder eigentlich dreifache Zusammensetzung seiner Natur zu verstehen [suchen] - erstens ist er ein sehr begabter moderner Künstler, sensible wie eine hysterische Frau, eine Sensibilität, die seiner Dichtung den" Parfum, seiner Schilderung das nagelnde, die Essenz der Charakteristik treffende giebt, und alles leise, scheu und tastend. Wie eine hypnotisirte 4 5 Katze -- so verschieden von der schneidend-stechenden Art der früheren Tag -- das mit die Stimmungen bilden sich die Dilettanten ein - ich sage Geistreichigkeit a la Heine -- zweitens spielt er sich auf den gentleman, ihm, wies bei mir ist, und von meinen Tagebüchern, die mich beschäftigen wenn nicht auf den Cavalier, er spricht etwas durch die Nase, sagt sollen und heranbilden zum Produciren - Recept Goncourt - dann kommt manchmal charmant und execrable7, alles mit einem Wienerischen An die Rede auf den Roman - ich entwickele Theorie, die ich vorhin aufge ll strich, -- denn das kehrt er auch sehr heraus --- Und unter a11 dem [... ], schrieben -: er darauf »Das ist sehr gescheit!« mit einem Accent +12 und bei gewissen erregten Momenten, der Accent der Juden, aber ich weiß nicht Gesicht a la Epstein. Und auf mein: »Findest Du« - »Ich küsse Dir die warum, gerade der niedrigsten, der Watschenjuden - des Epstein und Hand, Du darfst das nicht übel nehmen wenn man unter Künstlern so etwas Markbreiter8 [So 35] Aber immer nur auf einen Moment. Und dann sagt ist das ganz anders« - und eine Fluth von Entschuldigungen, wobei er meistens eine herzige Comtessenentschuldigung - mit einem ich » küss Dir sich herzig zu machen sucht - Franchetti Wienerisch 13 - die Hand« - etc. - N° 5. Zusammenhängend mit 3 od 4 vieles vom Snob, Wir gehen dann mit ihm und sprechen über die Meister: Schiller, der ihm (Brief N° I). Er spricht von allen Comtessen per Vornamen. Spricht viel mit ein cauchemar14 ist, Baudelaire zu rhetorisch, Musset, [So 38] Swinburne, Lady Paget9 herum --- übrigens harmlos --- Verlaine seine Ideale: »Den (d. Verlaine) suche ich so viel als möglich Kaum ist er da so liegt das Gespräch schon auf dem Thema des in-die nachzumachen 15 - leider gelingt mir sehr wenig. « Ich sage ihm von seinen Welt-gehens bei einem Künstler a) Wie er seitens der Welt behandelt wird. Sachen gefalle mir >Centaur und Weib<16 am wenigsten »Das ist auch ein b) Ob die Welt günstig oder schlecht auf ihn wirkt. Der Künstler sieht Schmarn, - die Pandora nachgemacht, - ich habs an einem Vormittag meine Gründe ein, der Snob leckt am Thema. Endlich schließe ich mit den gemacht, die hübschesten Sachen sind in Centaur und Weib, was?« -- ich Worten: ich glaube, wir sind uns beide klar, daß wenn ein Künstler aus der deute an, daß mir der Fall der Verse besser gefällt im Tod des Tizian. Ja, ja Welt ist, er schauen soll, hinauszukommen, und wenn er nicht drin gewesen »das ist etwas >Goetheisch<<< - »Ganz richtig, das andere ist mehr Hof ist, seinem Herrgott dafür danken soll. Anschließend daran und während mannsthai « »Ja weißt Du, man verliert sich und man findet sich (das geht ich ihm einen Thee mache, der nach russischem eau de cologne schmeckt, immer durcheinander.)« _16a [So 36] wir hatten die Casserolle zuerst leer auf den Schnellsieder gesetzt Ich vergleiche die Verse von Baudelaire mit einer Atlasschleppe de chez und den daraus entstehenden Gestank durch r. e. c. [russisches eau de Worth,t7 die über eine Operntreppe zieht -- Nachher, wie ich etwas cologne] vertrieben - frage ich ihn nach dem Salon Todesco - und mit Bourget18 citire, sagt er: »Der liegt Dir nicht, man darf den eben nicht von seiner un~uhigen, zappelnden Redeweise - dabei sagt er immer: Nur keine Worth. anziehen «. Nervosität Kind - meint er: weißt Du, der Salon Todesco ist sehr angenehm Noch zwei komische Sachen: Ich hatte mir den Kopf zerbrochen, warum - man ist ganz ungenirt - so angenehm - nicht ganz Ronacher und nicht es der >Chor und der Tod< hieße. Es heißt Thor - ich bitte Dich, so ein ganz Salon - und man kann über alles reden - Weißt Du, so wie ich Dir halt affectirter Dichter wie ich gebraucht, wo er kann, eine Alliteration. sagen würde, komm um die und die Stund ins Cafe Central, da plauschen [So 39] Den