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Mic 60-4058

GUDDAT, Kurt Herbert. : KINK STUDIK ZUR DICHTKRISCHKN SC HA FFKNS VVEISK. [Gorman Text].

The Ohio State University, Ph.D., 1959 Language and Literature, modern

University Microfilms, Inc., Ann Arbor, Michigan HUGO VON HOFMANNSTHAL: EINE STUDIE ZUR DIGHTSRISCHEN SCHAFFENSWEISE

DISSERTATION

Presented in Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree Doctor of Philosophy in the Graduate School of The Ohio State University

By

KURT HERBERT GUDDAT, B.A., M.A.

The Ohio State University

1959

Approved by:

Adviser Department of German INHALT

EINLEITUNQ...... 1

GEOPSYCHISCHE GESETZMASSIGKEIT ...... 9

Das W e t t e r ...... 12 Die Jahreszelt ...... 22 Die Tageszelt ...... 31 Der Arbeltsraum ...... 42 Die landschaft ...... 57 DIE MITMENSCHLICHEN EINFLUSSE ...... 79

Der F r e u n d ...... 88 Die Abgeeohlossenheit ...... 153 Die Atmosphere dee Or t e s ...... 178 Das Kllma der Z e l t ...... 207 Die Sorge und die berufllche F r e l h e i t ...... 221

BEMERKUNGEN ZUR INNEREN SCHAFFENSWEISE .... 228

DIE FIGUR DES SCH0PFERISCHEN MENSCHEN UND DIE DARSTELLUNG DER KBNSTLERI SCHEN SCHAFFENSWEISE IM WERK HOFMANNSTHALS...... 261

MARKSTEINE IN HOFMANNSTHALS LEBEN UND SCHAFFEN ...... 328

BIBLIOGRAPHIE ...... 3^9

11 EINLEITUNG

Wer aber war er, und wer war er nioht? (Zum GedSchtnis des Schauspielers Mitterwurzer)

Als Hugo von Hofmannsthal lm Jahre 1929 plStzlich verschied, nahmen die, die lhn persi5nlich gekannt hatten, mlt Bestdrzung wahr, dass eln grosser Qichter gestorben war, von dem zwar manche ahnten, was er In der Geschlchte der deutsohem Literatur zu seln bestlmmt war, von dera aber nur wenige wussten, wer er gewesen war. Hofmannsthal hatte es abgelehnt, eine Biographie zu autorisleren, well er von seinem persbnllchen Daseln kein Aufheben hatte machen wol- len. Flit fast belsplelloser Bescheidenheit war er mlt zu- nehmendem Alter immer mehr hlnter seln Werk zurdckgetreten und hatte sogar daran gedacht, belm Herannahen des Todes alles Biographlsche, lessen er habhaft werden kSnnte, zu vernlchten, Imraer mehr war es ihm um das Verstandnis sei­ ner Werke zu tun gewesen, immer wenlger um persdnliche An- erkennung. Hun war Hofmannsthal tot, und man befdrchtete, dass er das Geheimnis seiner kdnstlerischen PersGnllchkeit, wie es ihm mBgllch gewesen war zu leben und zu schaffen, ins Grab genommen hatte.

Was wusste man damals von ihm? Ausser den Auszdgen aus dem Briefwechsel mlt Strauss, in deren VerQffentlichung

- 1 - - 2 - Hofmannsthal nur deshalb elngewilligt hatte, damlt der Ernst der gemelnsamen Arbeit in Evlaenz gebracht und durch den briefllchen Kommentar das noch fehlende Verstandnis fllr einige Werke herbeigeflihrt werde, waren nur wenige Brie- fe Hofmannsthals der Offentllchkelt zuganglich. An auto- biographischen Barstellungen lag Offentllch nlchts vor. Die Freunde hatten dem Wunsch des Dichters entsprochen und wenig Biographisches niitgeteilt. Hofmannsthal selbst hatte ganz wenige Zellen aus seinem Tagebuch veriJffent- licht und nur, wie im Fall des Briefwechsels mit Strauss, um das Werk zu kornmentieren und zu interpretieren. Der Verfasser war berdhmt, der Mensch und Kunstler der brei- ten Offentlichkeit so gut wie unbekannt.

Seln Tod ISste das Siegel der Verschwlegenhelt. Einige, denen Einblicke in sein Leben und Schaffen ge- stattet worden waren, empfanden es als ihre Pfllcht, den absurden Gerttchten ttber Hofmannsthal, den verwShnten, weltfremden Xstheten eln Snde zu setzen. Anderen ging es darum, das Wesen seiner FersSnllchkeit der Nachwelt zu erhalten. Schon kurz nach Hofmannsthals Tod erschlenen die ^rsten Erinnerungen1 an den Dlchter, denen im Lauf der nachsten Jahre weltere folgten. Rudolf Borchardt trat mlt

1 Im Jahr 1929 unter anderen von Rudolf Borchardt, Willy Haas, , Felix Salten, Rudolf Alexander SchrOder, Jakob Wassermann, Franz Werfel. - 3 - dem Plan einer Hofmannsthalbiographie an die Offentllch- p keit und Hess ein Kapitel daraus erscheinen. Walter Brecht veriSff entllchte das Ad me lpsum,3 welches ihm Hof­ mannsthal im Jahre 1919 zum besseren Verstandnis des Werkes tlberlassen hatte. Der S. Fischer Verlag begann die VerSf- fentlichung der Briefe. In Corona und Die Neue Rundschau erschienen AuszUge aus dem Tagebuch und Notizen des Nach- lasses.

Die Zeit war diesen BemUhungen ungUnstig. Der Her- ausgbber elnes der schSnsten Lesebttcher, die die deutsche Literatur hat, wurde aus dem Deutschunterricht verbannt, sein Werk als "dekadent" abgelehnt. Es gelang noch von New York aus, den Briefwechsel mit Wildgans herauszubrin- gen. Walter Perl verOffentlichte in seiner ZUricher Dis­ sertation manches Wlssenswerte ttbei* den jungen Hofmannsthal. Ein Jahr vor dem "Anschluss" konnte noch der zweite Brief- band in Wien, und im Jahre 1938 der Briefwechsel mit George in erscheinen. Dann wurde Hofmannsthal in Deutsch­ land totgeschwiegen.

Es 1st das Verdienst Helmut Fiechtners, die ver- streuten Erinnerungen gesammelt und mlt vlelen neuen Ori-

^ "Hofmannsthals LehrJahre", Stiddeutsche Monatshefte 28 (1930), Heft 1, S. 53f*f. 3 "Hugo von Hofmannsthals 'Ad me lpsum' und seine Be- deutung", Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstlfts Frank- furt am Main,' 1330," 5 ' . 1 W ; ------k - ginalbeltrfCgen vermehrt zum zwanzigsten Todestag des Dich­ ters In elnem Buch herausgebracht zu ha.ben. Selten 1st das Leben elnes Verfassers so lange unbekannt geblieben; selten hat aber auch ein Dichter nach elnera so langen Ver- schweigen seiner Existenz einen solchen Siegeszug erlebt wie Hofmannsthal. Seine Schrlften zahlen dreisslg Jahre nach seinem Tod zum Lebendigsten in der deutschen Llteratur. Die mlt ZSgern begonnene Herausgabe seiner Werke in Ein- zelausgaben wurde ein verlegerischer Erfolg und auf fUnf- zehn Bande erweitert. In den Jahren 1952 bis 1956 erschie- nen die Gesamtausgaben der Briefwechsel mit Strauss und George und die Briefwechsel mit Bodenhausen, Borchardt und Burckhardt. Die VerSffentlichung der Korrespondenz mlt Schnltzler 1st angekttndir;t. Andere BriefbSnde sind in Aussicht gestellt. FUhrende Zeitschriften verbffentlichen weitere Briefe des Dichters und Erinnerungen der Freunde und Eekannten. In den Sammelbiographien der grossen Deutschen und Osterrelcher nimmt Hofmannsthal einen Ehren- platz ein. Doch die grosse Hofmannsthalbiographie steht immer noch aus.

Die Vielzahl von verdffentlichten biographischeu Zeugnlssen trdstet zwar nicht darhber hinweg, gibt uns aber Aufschluss tlber Hofmannsthal, den Menschen und Kftnstler. 1st auch vieles zum Leben und Schaffen des Dichters noch ungeklart, so dokumentlert das bisher zu- - 5 - gangllch gemachte Material In konsolldlerter und berei- nlgter Form das Leben Hofmannsthals von der Schulzeit bis zum Tod. Erlnnerungen und Forschungen schliessen die LUcken In den autoblographischen Zeugnissen. Alle grbsse- ren Arbelten slnd nunmehr werkgeschlchtlich belegt. DarU- ber hlnaus berlchtet das Material von Hofmannsthals Schaf- fenswelse, den Zeiten hdchster Erhdhung und tiefster Ver- zvjelflung, wie sle zu seinen Lebzeiten und noch lange nach selnem Tode nur den intimsten Freunden bekannt waren.

Wenn borchardt, der unter den persSnlichen Freunden neben H.A. Schrdder Hofmannsthal am langsten kannte, das Elnmalige und Aussergewbhnliche der Personllchkeit Hof­ mannsthals herausstellt, so gilt das auch ftlr seine Schaffenswelse. Kaum einen anderen Dichter hat die Pro- blematlk seiner Arbeltsv;eise so ausfilhrllch und das ganze Leben lang beschSftlgt wie Hofmannsthal. Kaum ein anderer hot so schwer um das Gelingen seiner Produktion ringen mUssen wie er. Und doch 1st gerade dieser Aspekt in der Betrachtung der kUnstlerlschen Persbnllchkelt Hofmanns­ thals noch nicht dargestellt. In der bisher einzigen grdsseren Arbeit tiber Hofmannsthal, den Dichter, beleuch- tet die Verfasserln "das Wesen des Dichters Hofmannsthal" und seine "Auffassung vom Wesen des Dichters", tut _&ber, ohne den Brlefen des Dichters und den Erlnnerungen der - 6 - Preunde Beachtung zu schenken, seine Schaffensweise mit den folgenden Satzen ab: Hofmannsthal 1st in seinem Dichten von der Aussenwelt unabhangig. «Er wird durch Jahreszeit und Wetter weder gUnstig noch ungUnstig beeinflusst. Bel ihm 1st die Inspiration Unberechenbar und unvermlt- telt. Im schBpferlschen Augenblick fUhlt er sich im Einklang mit allem Daseln, aber nicht, well er von aussen her zum Schaffen angeregt worden 1st, sondern , well seine Seele sich die Welt erschuf.^ Gerade well die Arbeit sonst Uberaus grttndlich 1st, muss man ihr vorwerfen, auf Grund einiger Verse des Sechzehn- jahrigen und frdher Prosastellen eine Feststellung zu ma- chen, die in direktem Wlderspruch zu vielen Aussagen des Dichters und seiner Freunde steht. Immer wieder - und mehr als andere Dichter - unterstreicht Hofmannsthal die Bedeutung der Susseren Schaffensbedingungen und sptlrt den ihm eigenen Gesetzmassigkeiten nach.

ttberhaupt zeigt die Durchsicht der Hofmannsthal- kritlk eine fast erschreckende Gleichgdltigkelt den bio- graphischen Zeugnissen gegeniiber. Immer wieder erscheinen falsche Da ten und irrige Angaben.-? Leider kann man auch

^ Annemarie Felder, Das Wesen des Dichters und der Dichtung bel Hugo von Hofmannsthal, dissertation votn b , Marz 195^1 Preie Univ'ersitat, Berlin (Masch.), S. 106.

5 Nur ein Belsplel: In der sonst so anerkennenswer- ten Studle H.A. Hammelmanns Hugo von Hofmannsthal (New Haven, 1957)» 3-©® ersten Buch uber Hofmannsthal' In engll- scher Sprache, wimmelt es in den "Biographical and Biblio­ graphical Notes" von falschen Angaben. - 7 - den Herausgebern der Briefe den Vorwurf nlcht ersparen, nicht Immer phllologisch grilndllch vorgegangen zu seln und damlt ktinftiger Porscliung Irrefdhrendes in die Hande £ zu geben, wortlber schon Borchardt geklagt haben soil.

siehe Karl Eugen Gass, "Aus einem Plsaner Tage- buch"T Neue Deutsche Hefte, Heft 10, Januar 1955* S. 757* - Auch dazu nur Beispiele: Zehn Jahre nach der VeriJffent- lichung von einlgen Briefen des Dichters an Eberhard von Bodenhausen in der Samtnlung Briefe 1900-1909 (Wien, 1937) verrautet im Namen "Bodenhausen" einen Schrelbfehler und identlfizlert diesen Freund Hofmannsthals mit dem im Jahre I856 geborenen Dlrektor der Kasseler Redekunstschule Bodo von Badenhausen (Melster und Melster- brlefe um Hermann Bahr, Wien, 194?, S. 221). fein Vergleich der Briefe an Bodenhausen Ira oben erwahnten Briefband (1937) und im kompletten Briefwechsel (1953) zelgt oft verschiedene Lesarten. In den Drucken des Briefes vora 21. August 1904 alleln flnden sich 16 Unterschiede in der Wortgebung (u.a. "fast ganz allein" - "sass ganz allein"; "dazu gelaunten" - "nur dazu geplanten"; "so verzeiht" - "so vergesst"; "die Lust dazu kommt" -"dla-Zeit dazu komrat"), dazu 22 in der Zeichensetzung. Nicht immer ttberzeugt die spatere Lesart. Andererseits 1st man aber geneigt, ftlr die Briefe an Borchardt der Lesart der Herausgeber der Gesamtausgabe den Vorzug zu geben. K8nnen dlese Diskrepanzen mlt der schwer lesbaren Handschrift Hofmannsthals erkl&rt warden (dber die Schwierigkeiten der Entzlfferung vgl. Herbert Steiner,"The Harvard Col­ lection of Hugo von Hofmannsthal".Harvard Library Bulle­ tin VIII (1954), S. 5^ff), so mtissen doch Schnitzer wie fehlerhafte Anmerkungen und lrrige Briefelnreihungen befremden, die besonders im Briefwechsel mit Bodenhausen auffallen. Zum Beispiel entstand Per Tor und der Tod 1893, nicht 1892; wurde am 16. Oktober 1919 in Wien uraufgefUhrt, nicht 1912 in Dresden; die Mfirchenfassung steht in den ErzShlungen. nicht in Prosa III, wo sich nur das Vorwort zur Oper findet; der Brief vora "10.XI.08" aus Budapest dber die Auffdhrung der "neuen Christina" gehSrt ins Jahr 1910 (vgl. den Brief an Strauss vora *f. Mai 1910, S. 74: "Ich fahre morgen nach Budapest, zu einer Auffdhrung von •Christina' in neuer, verkdrzter Fassun£); der Brief vom "30.IV.12" dber den Besuch bel Borchardt stammt aus dem Jahr 1913 und ware dort einzurelhen. - 8 -

Es erscheint uns notwendlg, das bisher zuganglich gemach- te Material zu samraeln und einen bescheldenen Anfang zu einer Zelttafel von Hofmannsthals Leben und Schaffen zu machen.

Die vorliegende Arbeit verfolgt somit zwel Ziele. Sie untersucht Hofmannsthals Schaffensweise, indem sie von den biographischen Zeugnissen ausgeht und mit einer Betrachtung der Figur des schBpferischen Menschen und der Darstellung der ktlnstlerlschen Schaffensweise im Werk endet. Gleichzeitlg sammelt sie wlchtige Daten und werk- geschichtliche Belege, die in einer tjbersicht "Marksteine in Hofmannsthals Leben und Schaffen" zusammengestellt sind. GEOPSYGHISCHE GESETZMASSIGKEIT

Es liegen ... produktivmachende Kr&fte in der Huhe und im Schlaf; sie liegen aber auch in der Bewegung. Es liegen solche Krafte im Wasser, und ganz besonders in der Atmosphere. Goethe (Bckerraann, 11* Marz 1828)

Sind nicht die GefUhle, die HalbgefUhle, alle die geheirasten und tiefsten Zustande unseres Inneren in der seltsarasten Weise mit einer Landschaft verflochten, mlt einer Jahreszeit, rait einer 3eschaffen- helt der Luft, mit einem Hauch? Hofmannsthal (Das Gesprach ttber Gedichte)

In der Untersuchung der Susseren Schaffensweise unterscheiden wir zwel Gruppen von EinflUssen: 1. die geopsychlschen, die Einwirkungen der unraittel- baren Natur, wie des Wetters, der Jahreszeit, der Tages- zeit, der Landschaft; 2. die sozlalpsychischen, wenlger leicht zu erfassenden EinflUsse, die entweder von menschllchen Beziehungen aus- gehen, wie die EinflUsse durch Freunde, durch die Famllie, oder in denen menschllche Beziehungen eine Ubergeordnete

Wir gebrauchen den von Willy Hellpach gepragten Ausdruck und machen uns im Allgemelnen seine Abgrenzung von geopsychlsch zu sozlalpsychlsch zu eigen. Vgl. das einleitende Kapitel von Hellpachs Geopsyche, Stuttgart, 1950, (6. Auflage).

- 9 - - 10 - Rolle splelen, wie die Einwirkungen der historlschen Epo- che oder der geistigen At®osphare eines bestlmmten Ortes* In dlesem Sinn gehOrt die landschaftllche Umgebung zu der ersten Gruppe, das Milieu der Stadt dagegen, da es aus vorwlegend mltmenschlichen Elernenten besteht, zur zweiten Gruppe.

In seinen Brlefen klagt Hofmannsthal oft il'ber Zei- ten der Unproduktivltat. Auch die Erlnnerungen an den Dichter sprechan von selnem Kampf mlt den Elernenten Sfter als von seinen "guten Stunden". Es glbt welt mehr Belege tlber ProduktionsstSrungen als Zeugnisse ftlr dlchterische Produktivitat. Dlese Tatsache erklart sich ftlr die Eigen- aussagen daraus, dass Hofmannsthal in produktiven Zelten weniger Korrespondenz pflegt. Er selbst Sussert sich dazu: ... ich kann kaum sagen, was es mir so unmogllch macht, manchmal durch halbe Jahre, an Menschen wie Sie ... zu schreiben. Ich glaube es 1st das: ein heftlges Bediirfnis, diesen Menschen durch meine Arbeiten etwas zu geben, ISsst mich schweigen, solange ich arbelte, well ich hoffe, lieber bald die Arbeit zu geben ... ^ Das Werk 1st das beste Zeugnis ftlr ProduktlvltSt. Ahnll- ches gilt fUr die Erlnnerungen. Selten sehen die Freunde den Dichter bel der Arbeit. Hofmannsthal isoliert sich

an Ria Schmujlow-Claassen, 22. Dezember 1901, Briefe II, S. 6l. - 11 - In den Zeiten der Erh5hung. Wir wissen also welt mehr tlber die ungtlnstigen Schaffensbedingungen als tlber die fSrdernden und gehen deshalb von jenen aus, um erst dann zu versuohen, die gtlnstlgen Elnfltlsse zu rekonstruleren und wenn mSgllch auch bestatlgt zu finden. -12

DaB Wetter Das Wetter, ftlr andere Leute ein ennui, ein Sozialtlrger welter nichts, iat ftlr mich, wie ftir den Landmann eine Katastrophe.

(Hofmannsthal an Bodenhausen)

Ftir die grosse Empfindllchkeit dem Wetter gegen- ilber finden sich die ausftihrlichsten ausserdichterlschen

Zeugnlsse in Erika Brechts Erlnnerungen und in Jakob

Wassermanns "Hofmannsthal der Freund":

Ftlr Hofmannsthal war . . • die Atmosphere seln tUgliches Schicksal. Sie brachte ihm Leichtlgkelt und Produktivit&t, oder uner- trSglichen Druck, Dumpfhelt, Arbeitsunffl- hlgkeit.’

Durch seine AbhUngigkelt von Klima und Be- wfllkung, von Feuchtigkelt und Luftdruck, Einflilssen, die gewtJhnlichen Sinnen kaum zugttngllch waren, erschien er so kreattir- lich und so wehrlos leidend, daBS man in- nlg wtlnschte, er mflchte nicht bloss mehr Gewalt tlber seinen eigenen preisgegebenen Kflrper haben, sondern auch tlber die Gestir- ne und Elemente, deren Felndseligkelt ihn zu bitteren KLagen hinriss und von para- diesischen L&ndern trfiumen liess, wo Atmen, Denken, Bilden selbstverstfindliche Lust war, nicht dem Zufall derrgtlnstigen Stunde abgetrotzt werden musste.

Immer wieder klagt der Dichter tlber das dem Schaffen

ungtlnstige Wetter. Der Satz "Den Schluss [zum Rosenkava-

5 Erika Brecht, S. 36.

^ Jakob Wassermann in Fiechtner* S. 104. llerl hltte Ich schon lflngst gefunden, wenn nicht seit

Wochen bo BCheussllches, die Stimmung verdtleterndeB

Wetter wflre"^ mag als Beispiel ftir die vielen, durch die ganze Lebenaspanne reichenden Belege geniigen. Die ungewfJhnlich starke Wetterfilhllgkeit macht ihm so sehr zu schaffen, dass er sich urn die Erkl&rung ihrer Ursa- che bemtlht: "Ich habe tibrigens die ttberempfindllchkeit gegen das Atmosphflrische nicht etwa erst in hiJherem

Alter, sondern von Jeher, ein Erbteil von der Mutter."^

Versuchen wir, die ungtlnstigen Witterungsbedin- gungen im elnzelnen zu verfolgen. Eine die Produktivi- tftt hlndernde klimatische Erscheinung 1st der Wetter- wechsel an sich: "Der kleinste WetterwechBel • • • grelft mich unglaublich an.Erika Brecht beschrelbt, wie durch einen pltJtzlichen Wetterumschwung des Dich­ ters Stlmmung sich verdtlstern kann.®

Vor allein leidet Hofmannsthal unter Gewitter, tie- fem Barometerstand und hoher Luftfeuchtigkeit. Er schreibt solchem Wetter physische wie auch psychlsche

Einwirkungen zu:

5 an Strauss, 4. Mai 1910, S. 74.

** an Strauss, 2. Juli 1929, S. 612.

^ an Strauss, 30. MErz 1920, S. 390.

Q Erlnnerungen. 9. 37f. -14-

Selt 9 Tagen 1st wieder das Wetter, das melner physlschen Natur und vor allem mei- ner Phantasle am unertrflglichsten 1st: tlefer Barometer, sehr feuchte, gewlttrige Luft, bald ktlhl, bald schwttl • . • was mel- ne Denk- und Elnbildungskraft so herabsetzt 1st das tiefe Barometer und die ttbergrosse Feuchtlgkeit in der Luft.”9

Zwel Tage spflter heisst es: MDas schwtil gewlttrige, un-

ruhige Wetter, das mich bei der Arbeit beeintrflchtlgt, hfl.lt an.M^° Burckhardt berichtet: "Eigentlich arbeiten

konnte er nur bel sehr hohem Barometerstand.Als das

Barometer einmal "anhaltend auf seinem tiefsten StandH

verharr.t, beschliesst Hofmannsthal, an den Lido zu ge-

hen, denn" . . . man muss etwas tun, um da herauszukom-

men.H^2

Als besonders lflhmend wird der Fflhn, der Scirocco

empfunden. Hier zwei Briefstellen, in denen diese Wet-

tererscheinung ftlr das Misslingen von dichterlschem

Schaffen verantwortlich gemacht wird:

• • . es drtlckt daB Fflhn- und Scirocco- wetter seit WOchen und Wochen so auf mein Gemtlt und meinen Vers tand, dass ich mir Einzelhelten nicht zurechtlegen kann.- Diese fast beisplellosen klimatlsohen Um- stflnde sind schuld, dass ich zu der gros-

9 an Strauss, 30. «Iuni 1929, S. 6llf.

10 an Strauss, 2. Jull 1929, S. 6L2.

Erlnnerungen, S. 48.

12 an Burckhardt, 13. Juni 1926, s. 201. -15- sen Zusammenfassung fttr den Vten Act des Trauerspiels C Der Turin ] . . . nicht die Kraft fand* -*-3

. . . es herrscht seit 4 bis 5 Tagen ein schveres drttckendes Fdhnwetter, das der Fhantasie sehr ungttnstig 1st, den Geist matt und unf&hig zu kombina- torischem Denken macht. Eb ist auch dieses mlch besonders beschwerende Wet­ ter, das mich verhindert, der schon ge- nau ausgedachten Szene Matteo-, die in ihrer Mischung von Liebe und Re­ signation besonders zart ausgeftthrt werden muss, die endgiiltlge Fassung zu geben.14

In diesem Wetter lebt Hofmannsthal in einer "ttberm&ssi- gen Spannung", doch 1st der Einfluas des FfJhns offenbar mehr allgemein physischer Art. Oft beschreibt Hofmanns­

thal im Zusammenhang mit dem Fflhn kiJrperliches ttbelbe-

finden,zum Beispiel: • • • "ich arbeite mlt ebensoviel Be- miihung und Ernst als Vergndgen und Laune - jetzt wieder,

nachdem ich acht Tage lang durch das Ftthnwetter, schlaf-

lose Ntichte, ewige Kopfschmerzen und Angstgefdhle richtlg

krank war.11 ^

Aussergewtihnliche Temperaturen sind ungtinstig. Hof­

mannsthal klagt tlber die "absurde Hitze, die einen etwas

^5 an Schrader, 25. Oktober 1923, Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 385f.

^ an Strauss, 1. August 1928, S. 572f•

an Strauss, 1. November 1923, S. 432. -16- faul und dumm macht . • .'*16 "Hier [in Rodaun] 1st es ttberaus sommerllch, heute so schwere drilckende Hitze, dass man am liebsten In den Immer ktthlen Zimmern ist."17

An elnem Apriltag schreibt er: M [Statt zu schreiben] bln ich selber in der miserabelsten Verfassung, tells durch elende Nilchte, tells durch eine ganz grflssliche

KHlteperiode • • • Ich bin glaub ich der Mensch auf der

Welt, der solche Sachen am heftigsten spilrt und von Jahr zu Jahr mehr.'*1® In der Hitze sucht er gern kilhle Umge- bung auf, um arbeiten zu kfinnen;1^ In der Kftlte hofft ?0 er auf wMrmeres und freundllcheres Wetter.

Das ganze Leben hindurch bedrilckt Ihn in Zeiten, in denen er arbeiten mflchte, das Fehlen des Sonnenscheins.

Sowie sich das Wetter bessere, wolle er die Slektra be- ginnen: "Eben behauptet die arme Gerty zum hundertstenmal, dass es sich im Westen aufheitert. Einmal wird es Ja doch wahr seln.,,2l Zum angefangenen Palpus und die Sphinx

Mussert er sich: "in mir 1st sie [diese Arbeit] stark,

an Strauss, 2. August 1921, S. 400.

^ an die Eltern, ohne Datum (1901), Briefe II, S. 49.

an Bodenhausen, 11. April 1910, S. 117.

^ an Strauss, 12. Juni 1913, S. 200.

an Leopold von Andrian, 7. M&rz 1900. Briefe I. S. 297.

21 an den Vater, 4. Oktober 1901, Briefe II, S. 57. -17- nur aussen drttckt daa 8de sonnenlose Wetter auf mich."22

An Strauss schreibt Hofmannsthal Im September 1912: "Ich will vieles aufschreiben, von der Frau ohne Schatten min- destens den ersten Akt festhalten, zunflchst hungers und dttrste ich nach Sonne; hier ist Regen, Regen seit 7 Tagen, nach einem schon verdorbenen August. "23

Ein anderes Naturelement, das immer wieder gesucht wird, ist die Hflhenluft. HIch habe manchmal Luft- und Son­ ne nhalluclnationen wie ein Verdurs tender. "2^ Es f&llt auf, dass schon der Siebzehnj&hrige die genaue Hiihenlage des

Ferienaufenthaltes mitteilt.2^ Handelt es sich hier mehr darum, den Abstand zu der Kleinkr&nerei der Wiener Freien

Btihne "dort unten" herauszuheben, so wird doch die HiJhen- luft spMter als wertvolle Stimulans ftlr die Arbeit er- w&hnt. Der Semmering zum Beispiel wird wegen der "wunder- voll belebenden LuftH "des ktihlen Luf tstroms"27 ge- priesen. Immer wieder geht Hofmannsthal mit seiner Arbeit dort "hinauf". Vom Trafoi Hotel schreibt er elnmal: "Hier auf 1570 Meter filhle ich mich mit einem Schlag ausgezeich-

p p an Bodenhausen, 6. Oktober 1904, S. 50.

8. September 1912, S. 167. 24 an Bodenhausen, 12. August 1913. S. 151.

25 an Beer-Hofmann, 9. Juli 1891, Briefe I, S. 19. 26 an den Vater, 23. Juni 1906, Briefe II, S. 232. 27 an den Vater, 22. September 1908, ebda.. S. 341. net, bin guter Laune, ohne fieberhafte ttberrelzt* 2 8 belt • • • Hflchst merkwtlrdig, was 250 Meter ausmachen."

Dem ftlteren Dichter wird die HiJhenluft zum notwendigen

Lebens- und Schaffenselement. "ich habe ein unendliches

Verlangen nach Sonne und hoher Luft"29.

Ich selber bin auch zlemlich auf dem Hund, aber wenn ich ein paar Wochen in hoher Luft verbringen kann - und gltick- licherweise nimmt mich das Tauernhaus in Ferleiten, 1150m. und gute Verpflegung, auf, so werde ich wieder belsammen seln und munter den Spuren der drei Oder vier opern-, singspiel-, operettenartigen Su- Jets folgen, die mir vorschweben, und hoffe mehr als elnes davon zur Strecke zu bringenT^O

Nach gldcklichen produktiven Tagen auf dem KHrtner Isels- berg wtlnscht sich der Dichter, Burckhardt ktinnte ihn ein- mal sehen, "an einem Ort von 1200m. Hfihe Oder etwas dar- tlber," wenn er im ganzen Besitz seiner KrUfte und "ohne

jede Verdunkelung und Hemmung" sei.^1 Zur Arbeit am 5.

Akt des Turms braucht er neben anderen gdnstigen Schaf-

fensbedingungen einen Aufenthalt "in einer Luft von tlber

1000m. "52 e t denkt an Kitzbtlhel, doch kilnne er auch

2® an den Vater, 15. August 1908, ebda. , S. 537.

29 an Wlldgans, 5. Mai 1919, S. 40.

50 an Strauss, 1. Juli 1919, S. 382f.

51 5. Juli 1922, S. 86f.

^2 an Burckhardt, 23. Dezember 1922, S. 111. -19- "nach einem andern Ort im Tirol gehen - so 1000 Oder

1200m."33 Auf Burckhardts Vorschlag, in die Valle Maggia zu kommen, wo Hofmannsthal gewiss gttnstige Schaffensbe- dingungen finden wttrde, erfolgt die besorgte Frage:

HIst der Ort wirklich 1200 Meter hoch? (der Baedecker gibt viel geringere HiJhen an),"^

Es wird noch spHter im Abschnitt "Die Landschaft"

zu zeigen sein, wie wichtig die Hflhenlage als landschaft-

llcher Faktor fdr das dichterische Schaffen ist.

Es liegt nahe, nach dem bisher Dargestellten anzu-

nehmen, dass Hofmannsthal im "schfinen" Wetter eine we-

sentliche Schaffensbedlngung sieht. Wir ktinnen Jedoch

nicht einfach schlechtes Wetter im landlfluflgen Sinn mit

schlechten Schaffensbedingungen gleichsetzen. So mag zum

Beispiel einmal der anhaltende'Regen arbeltshemmend wir-

ken,33 doch wttrde Hofmannsthal, wie er an anderer Stelle

schreibt, "vielleicht bei Regen und Msse noch intensi-

ver in [ sichj selbst und aus CsichJ selbst leben,Of-

33 an Burckhardt, 2. Januar 1923, S. 114.

34 4. Juni 1924, S. 149.

33 Vgl. den Brief an Strauss, 8. September 1912, S. 167. 36 an Strauss, 18. September 1919, S. 384. -20- fenbar warden die RegenfMlle in diesem Fall nicht als niederdrttckendes Wetter, sondern als das angenehm rie- selnde Wasser empfunden, das der Dichter so arbeitsftfr- dernd findet.^

Zusammenfassend l&sst sich feststellen, dass es ziemlich klar definierbare Wetterverh<nisse gibt, die auf Hofmannsthals Schaffen ungtinstig einwirken, und oft zu einem solchen Grad, dass sie, in des Dichters eigenen

Worten, "die Aufhebung einer productiven Existenz be- deuten."3®

Wie so oft, bestfltigt auch hier die Ausnahme die

Regel. Wenn die erkannte GesetzmHssigkeit einmal durch- brochen ist, erwflhnt Hofmannsthal das ausdrtlcklich:

"Aus der Aufeinanderfolge meiner Briefe wisst Xhr, dass der gilnstlge Stand meiner Stimmung mich momentan, vom

Wetter ziemlich unabhflngig qiacht • • ^us meinen Kar- ten und Briefen werdet Ihr gesehen haben, dass meine

Stimmung anhaltend gut und durch das abominable wiederum bleigraue Wetter nicht gestflrt ist."^® Diese Belege

^ Siehe unten, "Die Landschaft".

3® an Bodenhausen, 16. August 1913* S. 153.

39 an &ie Eltern, 21. Oktober 1902, Briefe II, S. 95.

an die Eltern, 27. Oktober 1902, ebda. . S. 96f. stammen aus dem Aufenthalt im Jahre 1902 in Italian, als Hofmannsthal am Geretteten Venedlg arbeitet. Zwel

Jahre spftter berlchtet er, dass er trotz des unfreundli-

chen, windigen und finstern Wetters in Venedig ftdipus und die Sphinx angefangen habe,^1 was umso bemerkens- werter ist, als Hofmannsthal den Beginn einer Arbeit mehrmals als besonders schwierig bezelchnet. Wir kflnnen

in diesen Brlefstellen einen Hinweis darauf sehen, dass

es ftir den Dichter Zeiten gibt, in denen das ungtinstige

Moment des Wetters durch andere_gtinstige Momente, wie

das der Landschaft oder das des gelstigen Kllmas aufge-

wogen und manchmal sogar flberwunden wird* Bevor wir im

einzelnen darauf eingehen, wollen wir versuchen, aus

dem blsher Angeftthrten Schlilsse tiber eine PeriodlzitMt

in Hofmannsthals Schaffen zu ziehen.

^ an Bodenhausen, 6. Oktober 1904, S. 50* -22

Die Jahreszeit

Der Herbst 1st Immer meine entscheldende Zelt.

(Hofmannsthal an Dora von Bodenhausen)

Da die melsten der angeftihrten ungiinstigen kllmati- schen Verhftltnlsse Jahreszeitlich gebunden slnd Oder doch wenlgstens in bestimmten Jahreszeiten hftuflger als in anderen vorkommen, erhebt sich die Frage nach der Perio- dizitflt des Schaffens lm Wechsel der Jahreszeiten. Der tiefe Stand der Sonne im Winter zum Belspiel lttsst uns vermuten, dass diese Jahreszeit ungtinstig ist. Tats&ch- lich ist os geradezu die Regel, dass Hofmannsthal den

Winter als unproduktiv bezeichnet. "Ich habe einen enorm unproduktiven Winter gehabt"^2 schreibt er zum Belspiel im Mttrz 1902. So erwartet er denn auch vom kommenden

Winter 1902/03 nicht viel Produktivitflt. Im September berichtet er, wie schwer die Gestaltung der sei.

Werde das Stilck nicht in ein paar Vfochen fertig, so mttsse er es bis zum Frtihjahr aufgeben".^ Eine mit solcher Si-

cherhelt vorausgesehene Unterbrechung der Produktivit&t

im Winter gibt es aber bei dem Jungen Dichter noch nicht.

an Bodenhausen, 15. MMrz 1902, S. 20.

an Bodenhausen, September 1902, S. 21. -23- In den Brlefen aus der EinjShrlgenzelt eteht raehrmals

die Hoffnung, lm kommenden Winter gut arbelten zu kbn- nen. Nachdem aber elnmal die Jahreszeitllche Gebunden-

helt erkannt 1st, plant Hofmannsthal fttr den Winter

kelne grSsseren Arbelten. In den spateren Jahren 1st

der November Oder noch der Anfang Dezeraber das Ende der

jShrllchen Arbeltszelt In Aussee. Die Erfahrung, lm

Winter nlcht produktlv oder wenlgstens nlcht so produk-

tlv wle zu anderen Jahreszelten zu seln, fuhrt auf dlese

Welse zu festen Lebens- und Arbeltsgewohnheiten.

Wenn wlr versuchen, aus dem Vorangehenden die op-

timalen kllraatlschen Bedlngungen herauszustellen, so

muss uns der Sommer als die gUnstigste Jahreszeit er-

scheinen. Die Grupplerung der Elgenaussagen Hofmannthals

erglbt aber elne sehr grosse Mehrhelt der Belege vlber

Unproduktlvltat In der ersten HSlfe des Jahres und elne

nlcht vlel gerlngere Mehrhelt der Belege Qber Produk-

tlvltSt In der zwelten HSlfte. Es Uberrascht, dass der

Friihllng, der von so vlelen Dlchtern als die insplra- iLil, tionsreichste Zelt empfunden wlrd, weder in den Brlefen

^ Vgl* Richard Marla Werner, Lyrlk und Lyrlker, Hamburg und Leipzig, 1890; ferner: Richard M. Meyer, "Zur Psychologie der Produktlvltat", Neue JahrbOcher fiir das klasslsche Altertum, GesdhlchTe uncT deutsche LlteraTur, 25 (191U), S. 536ff.------24- als die beste Jahreszeit genannt 1st, noch in den Ent- stehungsgeschichten der Werke eine wesentliche Rolle spielt. Hofmannsthal hat sich dartlber nicht ausftthrlich ausgesprochen* Wir vermuten einen Musseren und einen in- neren Grund. Auffallend sind die vielen Klagen ttber

Kranfcheitszust&nde im Frtthjahr, die mit zunehmendem

Alter immer regelm&ssiger wiederkehren. Auch 1st das

Fflhnwetter, unter dem Hofmannsthal physisch so sehr lei- det, im Frtthjahr h&ufiger als zu anderen Jahreszeiten.

Der entscheidendere Grund mag in der inneren Schaffens- weise liegen. Immer wieder schreibt Hofmannsthal von den Schwierigkeiten des ,,HineinkommensH in die auszu- ftlhrende Arbeit. Bezeichnend 1st eine Briefstelle aus der zweiten Augusth&lfte des Jahres 1906, in der von

"nach langen unproductiven Monaten nun leicht schwingen- den, ihre Schwingung beginnenden Kreisen"^ 33.© Rede ist.

Die gtlnstigste Jahreszeit ist der SpMtsommer, der Herbst.

In dem ausftthrlichsten Brief tlber die Problematik sei­ ner Musseren Schaffenswelse schreibt Hofmannsthal:

an Bodenhausen, 21. August 1906, S. 86 Du weisst kaum, bis zu welchem Grad der Sommer mein Alles ist: fflr gute gltlckli- che Regung, vor allem fflr die Production. Die Wintermonate hindurch fflhre lch kaum ein halbes Leben. Fflr die Production kam immer alles auf August September an, dann hfilt sich's - bestenfalls - bis in den November hinein, dann brfJckelts a b . 4 o

Hofmannsthal wird sich schon frilh seiner jahres- zeitllchen Gebundenheit bewusst. Schon als ZwanzlgJ^h- riger schreibt er: "lch habe kaum 3 - 4 gute Monate im

Jahr."^7 Zweimal erinnert er sich in Briefen an Strauss an die erste bewusste Erfahrung der Jahreszeitlichen

Periodizitftt: " . • . seit meinem achtzehnten Lebens-

Jahre weiss ich, dass ich in den Herbstmonaten meine fruchtbarste Zeit zu sehen h a b e . "48 . . . "ich weiss es von meinem zwanzigsten Jahr an: diese Monate, Au­ gust bis September, sind die eigentlich produktlven meines Jahres, sie entscheiden fiber die Ernte des gan-

zen Jahres, oft fiber die mehrerer • . ."49

an Bodenhausen, 12. August 1913* S. 131*

47 an Bahr, 8. August 1894, Brlefe I, S. 111.

8. September 1912, S. 167.

^ 18. September 1919, S. 383. - Interessant ist die Tatsache, dass Strauss dieselbe Perlodizitfl,t fflr sein Schaffen erkennt. Nach dem schu.nen Sommer sei der Herbst seine fruchtbarste Jahreszeit. (Brief an Hofmanns­ thal, 20. April 1914, S. 227). -26-

Dle Umkehrung ins Unproduktive geht mit mathemati- scher Genauigkelt auf. In. der Folge der Monate sind Fe- bruar und Mftrz die am weiteeten entfernten Entsprechun- gen zu August und September. "DieBe Zeit (Februar-M&rz)

[Hofmannsthals Klammer] ist mir nie aehr gilnstig.

Er fllrchtet sich geradezu vor dem Monat M&rz: H . • •

Jetzt im MMrz muss lch besonders achtgeben, MMrz 1st eln kritischer Monat, 1917» 18, 19 wurde lch im MMrz krank, sterbe auch gewiss einmal im MMrz, wie meine Mutter.f,51

Hofmannsthal beugt sich der .Jahres zeitllchen Gesetz- mMsslgkeit. Die Tatsache, dass nur wenige Monate der

Produktion gtlnstig sind, fordert Opfer. Vieles SchMne muss aufgegeben werden, damit die Herbsttage in ununter- brochener IntensitMt ktlnstlerisch gentltzt werden. An ei­ nen alten Jugendfreund schreibt Hofmannsthal im August, dass ein Treffen fflr den Rest des Jahres ausgesChiossen sei, “urn der Arbeit willen, die mich auf manches zu ver- zichten zwingt, soil nlcht der Sommer in meinem Bewusst- sein als vergeudet und vertan erschelnen. "52 per Arbeit

5° an Strauss, 23. MMrz 1929, S. 604.

51 an Strauss, 10. MMrz 1920, S. 390.

^2 an Georg Franckenstein, 10. August 1905, Briefe II, S. 209. -27- in den gtinstigen Herbsttagen wegen verBagt er sich, un- erbittllch dem eigenen Wunsch gegenllber, den Besuch beim erkrankten Bodenhausen,^ einen lflngeren Aufent- halt in Griechenland, sogar das Zusammensein mit der Fa- mille.-^ Fast mfichte er wttnschen, so schreibt er 1910, dass Reinhardt seine ttbertragung des Ktfniff Odious nlcht spiele. Kftme es aber doch dazu, so fahre er nur fttr zwfllf Stunden nach Mtlnchen, um die Auffdhrung ein elnzi- ges Mai zu sehen, denn dies ist “die krltlsche Zeit deB

Jahres, vrie fttr den Landmann die Reifewochen der Ernte."55

Nicht einmal die Gewtthr ftir das Gelingen der Premiere der Frau ohne Schatten - ein Werk, das Hofmannsthal be- sonders lieb ist - ist wichtiger als das neue Schaffen im Herbst: "Wenn die Premiere in Wien am 1. X. [ 1919J ist, so kann ich natttrlich mit bestem Willen nur (ftir) die drel letzten Proben vom Land zurtickkommen. Denn

September-Oktober sind meine eigentliche Arbeitszelt und eigentlich das, was mlr das Leben lebenswert macht."-^ Dies schreibt der Dichter zehn Monate vor der geplanten Premiere, Im Jahre 1924 muss er den Besuch der

53 siehe den Brief an Bodenhausen, 19. September 1907, S. 95f.

5^ Siehe den Brief an Bodenhausen, 18, Juli 1908, S. 105,

55 an Bodenhausen, 10*. August 1910, S. 120f.

5$ an Strauss, 4. Januar 1919, S. 369. Die Premiere fand am 10. Oktober 1919 statt. -28-

Wiener Erstaufftthrung von Der Bttrger als Edelmann opfern: "lch kflnnte - so schwer es mir w&re - nlcht bis zum 1. [ Oktober] blelben; ich kann in diesem Moment des Jahres vierzehn verlorene Arbeitstage nicht wieder einbringenJ"57 Erika Brecht berichtet, dass ftlr ein

Zusammensein mit Hofmannsthal "nur die Monate von etwa

Mitte November bis Ende Juli" in Betracht kamen, "denn der Hochsommer war Hofmannsthals beste Arbeltszeit

. . ."58 es ist durchaus nicht Formel, wenn Hofmanns­

thal einen Brief mit dem Satz schliesst: "lch mdchte noch manches sagen, schliesse aber, um den stillen, friedvollen Novemberabend noch ftir eine Szene zu ntttzen."59 es gilt wirklich, die fruchtbare Zeit des

Jahres zu ntttzen*

In einigen angefilhrten Belegen erscheint der Ver-

gleich des Dichters mit dem Landmann. Wir stellen sie,

um weitere Auszttge bereichert, noch einmal kurz zusammen:

57 an Strauss, 28. September 1924, S. 453*

5® Erinnerungen, S. 14. 59 an Strauss, 1. November 1923* S. 433* -29- Die Herbstmonate sind die Erntezelt;^0 sie entscheiden ttber die Ernte des ganzen Jahres, oft tiber die mehrerer; der Herbst 1st die fruchtbarste Jahreszeit; eine Unter- brechung kann den Dichter um die Frucht eines Jahres bringen, denn dieBe Zeit ist die krltlsche, wie fttr den

T^ndmnnn die Reifezeiten der Ernte; man darf in schlech- ten Zeiten mit seinem Kopf nlcht so umgehen, wie ein un- kluger Landwlrt, der den Boden schlndet. ^ Der Arbeits- platz in Aussee beschliesst Ruhe, Gltlck, Inspiration,

Saat und Ernte^2 in einem. Einen Stoff muss man ent- wickeln, nflhren, aufziehen;^^ zur Relfe bringen; ^ die

Gestalten eines Werkes bedttrfen zu ihrem unterlrdischen

VTachstum^^ zeit. Ein fertiger, aber noch nicht ganz be- friedigender Akt Ist wie ein wohlgepflegtes, besonntes

Blumenbeet, das aber des Regens bedarf, damlt die 3amen

aufgehen^^. Schliesslich muss man das Werk wie die Ernte

an Helene von Nostitz, 6 . Oktober 1910, Corona 10 (1941), S. 771.

^ an Bodenhausen, 16. Februar 1905» S. 59.

an Bodenhausen, 12. Augusjt. 1913» S. 151.

^ an Strauss, 22. September 1923» S. 424.

^ an George, 23. November 1898, S. 142.

65 an Strauss, 9. Juli 1912, S. 166.

66 an Strauss, 7. Mai 1929, S. 607. -30- herelnbrlngent^ unter Daoh bringen. ^ Das relohe System

der Metaphorik des organlschen Waohsens deutet an, wie

tlef das Wlssen Hofmannsthals um die Parallelitflt der

elgenen Arbeit mit der des Landmanns und um die jahres-

zeltliche Gebundenhelt wurzelt.

67 an Bodenhausen, 19« September 1907, S. 9 6 .

an Strauss, 3 1 . Dezember 1917, S. 3^3 . Eecht hAufig erschelnt der Ausdruck "unter Daoh", zum Belspiel: "Die Spleloper rPer Rosenkavaller 1 . . . 1st unter Daoh", an Max Mell, 2 0 . August l9o9. Briefe II, S. 371. - "Sobald lch die Komodle [Cristinas kelmrelse] unter Daoh habe, gehe lch an den III. Akt M e s kosenkavallers1." an Strauss, 20. September 1909, S. 7±. -31- Dle Tageszeit . Angewtthnungen sind darum so schwer zu bekMmpfen, well slcb In lhnen die Trllgheit, die sonst Jedem Tun entgegenwirkt, mit ei- nem gewissen rhytmischen Tfttig- kelteslnn verbttndet.

(Buch der Freunde)

Hofmannsthal schreibt einmal an George, dass er

bald einige Gedichte zur Ver8ffentlichung schicken werde,

"die das zunehmende Tagesllcht wohl n&chstens zu schrei-

ben gestatten w i r d . " 6 9 Obwohl die Stelle eigentlich in

den Abschnitt zur Jahresperiodizit&t gehdrt, filhren wir

sie hier an, well sie sich auf das Element bezieht, das

sowohl filr die gtinstigste Jahreszeit, als auch filr die

gUnstigBte Tageszeit - und, wie wir spttter sehen werden,

auch filr den Arbeitsraum - das wlchtigste ist: das Licht.

Im Gegensatz zu der Ftllle an Belegen tiber die

Jahresperlodizit&t - wir zitierten nur die wichtigsten -

gibt es nur wenige Belege zu der des Tages. Die Abwesen-

helt elner Diskussion der besten Tageszeit ist so bedeut-

sam wie die Fttlle der Belege Uber die beste Jahreszeit*

Wfthrend Rilke oft bei Nacht schafft und dlese Tatsache

69 24. Januar 1896, 3. 83 . -32-

ln seinen entstehungsgeschichtlichen Mitteilungen hervor-

hebt,7° scheint ob ftir Hofmannsthal gar keine andere Mflg-

lichkeit zu geben, als die, am Tage zu arbeiten. Nur ver-

einzelt stossen wir auf Wendungen wie: M • . • das Trauer-

spiel [Das gerettete Venedlg] . . .das mich . . . bei Tag

und zuweilen bei Nacht beschUftigt • • ."71 oder: "Den

ganzen Tag, Ja eigentlich Tag und Nacht mit fast gleicher

Intensitftt arbeiten, kann man nicht gut linger als 14

Tage."72

Zweimal wird das n&chtliche Schaffen anderer Kilns t-

ler als eine Besonderheit herausgestellt, Als der mit se-

viel Anderem besch&ftigte Schnitzler schreibt, dass er es

zuwege gebracht habe, "auch nachts literarisch zu arbel­

ten" ,75 antwortet Hofmannsthal mit einem einschrMnkenden: 74 "VorlMuflg ist es sehr gut, dass Sie nachts schaffen."

7° siehe zum Beispiel die EntBtehungsgeschichte von Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke in Marie von Thum und Taxis. Erlnnerungen an Rainer Marla Rilke. 1933 (2. Auflage), S. 99.

71 an George, 14. Dezember 1902, S. 174.

72 an die Eltern, 4. Oktober 1898, Brlefe I, S. 274f.

73 Mitgeteilt von Olga Schnitzler in "Der Junge Hof­ mannsthal", Die_Neue__Runds^ 65 (1954), S. 521.

7* 19. Juli 1892, Brlefe I, S. 49. -33-

Ein anderes Mai heisst as: "Strauss 1st In einem wah- ren Arbeltselfer am zweiten Act der Helena, er sagte mir, er bleibe oft bis sp&t In auf, um die

Einffllle festzuhalten."75

Hofmannsthal arbeitet am Tage. Wir fanden keinen

Beleg, der vom Schaffen in der Nacht berichtet. Das vom Einfall abhllngige Gedicht allerdings kann in der

Nacht entstehen,76 wie eben auch Inspirationen pliitz- lich in der Nacht kommen kdnnen. Hofmannsthal erzllhlt einmal: "Heute nacht 1st mir so viel Dramatisches ein- gefallen, dass ich aufstehen, Licht machen und mehrere

Seiten lang Notizen machen musste, wodurch ich heute sehr verschlafen bin . . . "77 anderes Mai berichtet er, wie ihm eine Menge eingefalien sei und er, anstatt

Licht zu machen und "die Nachtfalter zu fangen,"78 ©in_ geschlafen sei, Der Inspiration sind keine zeitlichen

Grenzen gesetzt, und so mag es eben auch Nachtfalter

75 an Burckhardt, 6 . August 1925» S. 184.

^ Siehe z.B. die Datlerung von "Ich ldsch das Licht": "19. Dezember nachtB" [1893J lu der Nachlese der Gedlchte, S. 29.

77 an den Vater, ohne Datum (1908), Brlefe II, S. 323.

7® an Leopold Andrian, ohne Datum (1893), Brlefe I, S. 93. - Zur nllchtlichen Inspiration siehe auch den Ab- schnitt "Der Einfall" in den "Bemerkungen zur lnneren Schaffensweise". -34- geben; die bewusste dichterische Tfltigkeit aber gehflrt in den Tag*

Das lm oblgen Zitat erwflhnte Versflumnis BChreibt

Hofmannsthal selnen Msehr philistrfJaen Lebensgevrohn- heiten" zu* Wir dfirfen dies nicht nur als eine gelegent- liche Bemerkung eines Neunzehnjflhrigen nehmen, Noch mit achtundvierzlg Jahren schreibt der Dichter, dass er an 7Q neun Stunden Schlaf gewflhnt sei. ^ Fflr tlberraschungen und Improvisationen 1st er nlcht zu haben. Mehrere der

Erinnerungen berichten, wie sehr erschrocken Hofmanns­ thal fiber einen nicht angemeldeten oder verfrfihten Be­ such sein korrnte, denn der so fiberauB feinnervige

Mensch musste unter unvorhergesehenen flusseren Ereig- nissen mehr leiden als andere. Als er einmal in der La- ge ist, einen gemelnsamen Aufenthalt mit Schnitzler zu verlftngern, wundert er sich spflter selbst fiber die Im­ provisation und fragt den Vater, ob sein Leben nicht doch Hlm allgemeinen etwas zu sehr geordnet und voraus- bestlmmt und zu wenig improvisiert"8® sei. Fast anekdo- tenhaften Charakter trflgt sein Bericht fiber ”einen

79 siehe den Brief an Burckhardt, 23. Dezember 1922, S. 111.

80 17. Jull 1907, Brlefe II, S. 283. -35- gross en Rout bei Llebermann, wo" - er lmltiert Lieber- mann - " 1 tout Berling* erschelnt, - und das Souper

1st um l/2 12 welch "elne entsetzllche Stunde"I®l

Diese Solidit&t findet sich auch In der hfluell- chen Tageselntellung. Schon der SechsundzwanzigjUhrlge plant, ein Jahr vor der Hochzelt und noch dazu In Paris, ernsthaft seine zuktinftige Tageselnteilung:

. . . da es Immer die weltaus schBnsten und angenehmsten Stunden sind, die lch In der UngestBrtheit meines Zimmers ver- brlnge, so betrachte ich Jeden Tag als einen halb verlorenen, wo ich vor 5 Oder 6 Uhr auf die Gasse muss • • • Wenn lch einmal in Wien Oder lrgendwo einen selbstBndigen Haushalt habe, werde ich diese [hiesige Tages-3 Elnteilung be- halten. Frtihsttick um 1 Uhr, Essen um 7 Uhr. Es ist die, welche meiner Arbeit entspricht, und in der richtigen Ein- teilung zu leben, 1st eine wahre ErlB- sung fur die N e r v e n . ° 2

Von der regelmEssigen Lebensweise des Blteren Dich- ters berichtet Carl J. Burckhardt. In dem Tageslauf

war nie eine Stunde verloren, und er lebte so regelmttsslg wie nach elner Klosterregel. Jahraus, Jahrein nahm Hofmannsthal die Mahlzeiten mit seiner Famllie ein, immer, was auch das Vor- zeichen der Zeit war, die man durchlief, in elner helteren, phantaslevollen At­ mosphere, die das T&gliche, das Phili-

an den Vater, 21. Februar 1908, Brlefe II, S. 311.

an die Eltern, ohne Datum (1900), ebda.. S. 28. -36-

striJse, das jede Gewohnhelt In sich hat, zu elner Art von humoristlschem, Immer improvisiertem, Immer mit L&une bevegtem Zustand machte.

Ohne Ausnahme habe Hofmannsthal seine Ttttlgkeit um halb neun Uhr begonnen, mit Korrespondenz und Lektttre,

dann ’’in der hellen Stunde von elf bis zw8 lfM , die

Arbeit an den Lustsplelen. Ohne Rttcksicht auf das

Wetter habe er um zvrel Uhr einen einsttlndigen Spazier-

gang unternommen, nach dem er wiederum bis sleben Uhr

abends gearbeltet habe.®^

Mehrmals bezeugt der Dichter selbst die Regel- mSsslgkelt seiner Arbeitszeit, zum Belsplel: "Jetzt arbelte lch tflgllch 8 Stunden zlrka . • ."84 - "lch habe, selt lch verhelratet bln, ununterbrochen gearbei-

tet, melst 8 bis 10 Stunden lm Tag.Von elnem be-

sonders produktlven Aufenthalt In Bad Fusch schreibt er,

er kflnne tflglich zehn Stunden arbelten.86

Nur In besonderB produktlven Zelten wlrd die Ar­ beit am frtthen Morgen erw&hnt, und dann ist sie melst

Erlnnerungen, S. 29.

an die Eltem, ohne Datum (1898), Brlefe I. S. 273.

an Rla Schmujlow-Claassen, 22. Dezember 1901, Brlefe II, S. 62. - Hofmannsthals Hochzelt war am 8 . Junl 1901. 86 Siehe den Brief an Felix Oppenheimer, 21. Juli 1904, Brlefe II, S. 151. -37- ein Teil der den ganzen Tag umspannenden Arbeitszeit.

Von dem schon erwihnten Arbeitsaufenthalt mit Schnitz­ ler in Welsberg im Jahre 1907 schreibt Hofmannsthal:

"Ich arbelte von der Frilh bis Mit tag, dann wieder von

3 bis 6,"87 pi© Frauen sind dieses Mai dabei. Olga

Schnitzler berichtet davon: "Frtih morgens zieht sich je- der in eine andere Richtung des Waldes zurttck, denn beide arbeiten • . . Gegen Abend geht man zu viert ins Tal hin- unter."®® Der Morgen allein erscheint selten als Arbeits­ zeit. Wir erlnnern uns an das "Frdhstilck um 1 Uhr", wel- che Tageseinteilung, wie der Junggeselle noch schreibt, seiner Arbeit entspreche. Schon als SlebzehnjHhriger fragt er sich: "Warum bin ich am Land in der Frtih, wenn

'die tauige Natur aus erquickendem Schlummer erwacht1, unruhig, gereizt, faul und pessimistisch?"®^ Slcher kann man in dieser Frage mehr als das typisch Pubert&re eines

Gymnasiasten sehen, wenn man sich an Burckhardts Bericht erlnnert, dass der Tageslauf des alternden Dichters mit

Korrespondenz und Lektttre beginnt. Der Morgen gehiJrt der

87 an Felix Oppenheimer, 19. Juli 1907, Brlefe II, S. 284.

QQ "Der Junge Hofmannsthal". Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 531f.

89 an Beer-Hofmann, 9. Juli 1891, Brlefe I, S. 21. -38-

Vorbereitung. Eb mag fast als charakteristisch erschei- nen, was der Dichter von elnem Elnzelfall berichtet, wo es ihm seit vormittag halb elf so vorkommt, als kiJnnte

< 5 0 er doch imstande sein, die Arbeit zu beglnnen.^

Der Abend bringt Entspannung. Von der Arbeitsreise

1898 schreibt Hofmannsthal: "Abends, nachdem ich den ganzen Tag gearbeitet, macht es mir viel Freude, mich sch8n anzuziehen, . . . zu speisen und dann noch 2 Stun­ den am Markusplatz zu verbringen."91 Der Abend gehfirt nach der einsamen Arbeit des Tages der menschlichen Be- rtihrung: "Den Tag verbring' ich in Arbeit . . . Nach dem

Diner bei Musik und Mond verbringe ich 2 unendlich ange- nehme Stunden mit Richard [ Beer-Hofmann3 , der tagsttber auch an seiner wunderschfinen Erzfthlung arbeitet."92

Auch zu Hause h< er sich daran: "lch brauche abends, nach dem vielen Arbeiten, immer solche nette Briefe."^ vie

sich Hofmannsthal in den Jahreszeitlichen Kreislauf der

Natur einfiigt, so ist er auch in den natttrlichen Wechsel

9° Siehe den Brief an die Mutter, ohne Datum (1904), Brlefe II, S. 137.

91 an die Mutter, 23. September 1898, Brlefe I, S. 270.

92 an die Eltern, ohne Datum (1898), ebda.. S. 26 6 .

^ an Gertrud Eysoldt, 21. September 1905* Brlefe II, S. 212. -39- von Tag und Nacht einbezogen. Kommt die Entspannung nicht von selbst, dann bemtiht sich der Dlchter, der masszuhalten weiss, den Arbeitsrausch elnzud&mmen:

Vor drei Wochen hatte ich eine unglaub- liche Zeit, sass ganz allein in einem Gebirgsnest, und konnte die FUlle der Gestalten, die immerfort und immerfort auftauchten kaum ertragen - an den Abenden kletterte ich in der Gluth der tiefstehenden Sonne steile Berglehnen empor, nur um das Blut vom (iberfttllten Kopf wegzuleiten in die Glieder, und lrgendwie ohne Gesichte und Gestalten zu sein. 94

Es gibt keine Regel, nach der Hofmannsthal ftir die

Arbeit eine Tageshttlfte der anderen vorzieht. Daheim wie auf Reisen ist manchmal von der Arbeit am Vormittag, manchmal von der nachmittagllchen Arbeit die Rede. In

Paris, zum Beispiel, schlUft der Dichter lang und ver- bringt die Nachmittage arbeitend. Aus Rom dagegen berich­

tet er von arbeitsamen Vormittagen und Ausfldgen am Nach- mittag. Die Verteilung der Arbeit hUngt nicht von einer

allgemein gtiltigen geopsychischen GesetzmMssigkeit ab,

sondern ergibt sich aus anderen Grtlnden. So mag zum Bei­

spiel einmal das Wetter zu einer bestimmten Tageszeit besser Oder schlechter als zu einer anderen sein. wMhrend

fttr die jahreszeitliche Periodizitftt die gtinstigste Zeit

an Bodenhausen, 21. August 1904, S. 46f. -40- auf den Monat genau festgelegt wird, 1st nle etwaa von elner gtinstigsten Stunde erwtthnt*

Auffallend 1st aber auch hler die Konzentration um die Zeit der stflrksten Leuchtkraft der Sonne. Die Ar­ beitszeit 1st vor-mittags Oder nach-mittags. Nur ver- elnzelt erschelnen in den Belegen der frllhe Morgen und der Abend als produktive Arbeitszeiten. Burckhardt deutet die Wlchtigkeit des Elements des Llchts In Hofmannsthals

Schaffenswelse an, wenn er von der Arbeit in der "hellen

Stunde" spricht.

So wie wir im vorangehenden Abschnitt in der rel- chen Metaphorik des Organischen Hofmannsthals Wissen um die jahreszeltllche Gebundenheit best&tigt fanden, kiJnnen wir hler auf die Hfiufigkeit hlnweisen, mit der die Anti- nomle von "dunkel-dilster-flnster-lichtlos-triibeH und

"hell-lichtvoll-klar" auftrltt. Elne vollst&ndige Samm- lung wtirde einen grossen Katalog von Auedrticken ergeben, von denen viele dem allgemelnen Wortschatz angehflren und deren Vorkommen an sich nlchts Speziflsches ilber den

Dlchter aussagt. VTlr flnden es aber bezelchnend, dass die

Antinomle gerade in den Brlefen an Bodenhausen, in denen

Hofmannsthal sich welter aufschllesst als in alien anderen

Brlefen aus der Lebensphase des Drelsslg- bis fast Filnf- -41- undvierzlgjHhrigen, so oft wlederkehrt. Noch bedeutender

1st die Tatsache, dass Hofmannsthal das Glelchnls von der Dunkelhelt Immer wleder zur Beschrelbung elner un- produktlven Perlode gebraucht. Der unproduktive Zustand ist elne "Verdunkelung" "Verfinsterung" "Verddsterung"; der Dlchter fdhlt sich "verfinstert" "verdtistert". Die

Umkehrung In die Gleichung Licht - Produktivit&t fehlt, well Hofmannsthal diesen Zustand so gern als den nattir- lichen annehmen mdchte. Bodenhausen versucht einmal, dem Freund die Notwendigkelt des Wechsels von hell und dunkel darzulegen: "Licht und Sonne an sich" sind nicht

Vorbedingungen zur Produktivltflt. "Sie sind es als Kon-

trast zu unserer feuchten grauen Natur und als Liebe hlnein in das Trtlbe . . . Du zerstdrst Dir aus dem

Werdeprozess Deiner Schflpfungen einen wichtigsten Tell, wenn Du in den trtlben Tagen der Sonne nachdenkst und

ihr zum Trotz das 'werde Licht1 der Dunkelhelt abzu-

kilmpfen unternimmst. "95

95 is. August 1913, S. 154f. -42-

Der Arbeltsraum

Ich brauche nur ein ganz ge- wdhnliches helles, einfenstrl- g©8 klelnes Zimmer, alles mehr wttrde mlch beschweren.

(Hofmannsthal an Burckhardt)

Kllmatlsche Erschelnungen bedingen die zeltllche Ge- setzmttssigkelt des Schaffens. Welche Bedeutung kommt den r¨ichen Elnflilssen zu?

Hofmannsthal hatte drel feste Arbeitspl&tze. Bis zu seiner Heirat wohnte er bei den Eltern in der Saleslaner- gasse In Wien, dann in der Badgasse in Rodaun, Vom Jahre

1906 an verbrachte er die Sommer- und Herbstmonate regel- mttssig in Aussee*

Das Arbeitszimmer^ im Elternhaus wird von Rudolf A.

Schrflder beschrieben. Der Besucher sah es kurz vor Hofmanns­ thals Umzug nach Rodaun. Noch nach fast dreissig Jahren er-

innert er sich an den nicht iibermftssig grossen, nicht

9^ 6 Elne streng umweltpsychologisch gerichtete Studie wttrde das Zimmer nicht zu den geopsychischen Erschelnungen rechnen, da es nicht '’nattirliche" , sondern vom Menschen ge- schaffene Umwelt ist. Willy Hellpach nennt die vom technlsch geschaffenen Lebensraum ausgehenden Einfltisse die Mtekto- psychischen", weist aber darauf hin, dass die Wirklichkeit oft die Klassifikation sprengt (siehe Geopsyche, a.a.O., S. 50* F(lr die vorliegende Untersuchung entfftllt die Not- wendigkeit einer Abgrenzung von "geopsychisch" zu 'tekto- psychisch". - ^ 3- flbermflssig hellen Eaum mit dem bequemen, aber altvfite- risoh elnfachen Gerdt und dem geschnltzten Schreibtlsch, an dem Hofmannsthal "die Gedichte, die kleinen Dramen und Jene drei kleinen Stficke"^ geschaffen habe. Aus den nach dem Erscheinen von Schrftders Erinnerungen her- ausgegebenen Brlefen Hofmannsthals wissen wir Jedoch, dass Vieles davon an anderen Orten, in und um Wien und auf Reisen entstand.9® Schrfiders Berlcht ist nicht wdrt- lich zu nehmen. Der "Neophyte" betrat "die Werkstatt des reichsten dichterischen Jugendwerkes, von dem die Welt zu berlchten weiss," mit grenzenloser Ehrfurcht, die noch in der Erinnerung an diesen Moment mltklingt. Einen besonders starken Eindruck hinterlless der Schreibtlsch, der dem Besucher "vielleicht wegen des phantastischen

Schnltzwerks immer mit dem des 'Claudio' identisch er- 9 9 schlenen ist."

9? "Erster und letzter Besuch in Rodaun", in Piecht- ner, S. 81.

9® Mehrmals ist von einem Arbeltsplatz im Brfihler Tal die Rede. Der Herausgeber der Briefe erkldrt das einmal erwflhnte "Kablnett von Plckl" als "ein klelnes Arbeltszimmer ausserhalb der Wohnung" (Brlefe I, S .3^5)•— Per Abenteurer und die Stogerln wurde in Venedlg ge- sohrleben. Sas Klelne WelttheaTer, Die Frau lm Penster, Der welsse F&oher und der Anrangvonble hochzelt der Sobelde entstanden in Varese.

99 Claudios Studlerzimmer enthfllt zwar einen Schreib* tisch, doch das Schnitzwerk beflndet sich an einer goti- schen Truhe. -44-

Der 3unge Dlchter beschreibt einmal sein Zimmer recht ausftihrlich,100 doch wird das elterllche Haus nur ein elnziges Mai als Arbeltssttttte erw&hnt. Bel einer

Probe zur Aufftthrung von Per Tor und der Tod In den Ber­

liner Kammerspielen im Jahr 1908 muss er an die Wohnung

in der Salesianergasse denken, wo er das Stttck vor 15

Jahren schrieb, grtisstenteils im Speisezimmer, wie er

in ELammern hinzufttgt.l^

tlber das Arbeitszlmmer im Rodauner Haus liegen aus-

ftthrlichere Zeugnisse vor. Das beste davon ist das in

Fiechtners Sammlung reproduzierte Bild, das uns eine

Ecke des Arbeitszimmers so zelgt, wie es sich auch in

den Erinnerungen erhalten hat: ein Schreibtlsch, "stets

mit Papieren und Manuskripten beladen" steht an ei-

nem tiefnischigen Fenster; "Bttcherregale . . . allgemach

bis zur Decke herangewachsen"103 bedecken die Wilnde. An

der Rttckseite des Schreibt is ches steht ein Diwan. Die

grossen Lehnstilhle, der grosse Ofen, das M&nnerportrait

von Van Gogh, "das einzige iiberaus stark wirkende Bild

In einem Brief an Josephine von Wertheimsteln, 3. Februar 1894, Brlefe I, S. 95*

Siehe den Brief an den Vater, ohne Datum (M&rz 1908), Brlefe II, S. 318.

102 Erika Brecht, Erinnerungen. S. 9.

h . A. Schrflder in Fiechtner, S. 86. -45- lm Raum,” woran Erika Brecht sich erinnert, und die sonstige hler und dort mitgeteilte Ausstattung sind nicht abgebildet. Die Photographic drtickt die schlichte

Gediegenheit aus, die auch die Besucher immer wieder be- tonen.

Vor dem Einzug in Rodaun plant Hofmannsthal aus- filhrlich die Ausgestaltung seines neuen Heims. Aus dem diesbezttglichen, aus der Ferae geschriebenen Brief spricht die Vorfreude auf das neue Zu-Hause, auf den ei- genen Arbeitsraum.104 Manche Einzelheit des Planes scheint nicht ausgeftihrt zu werden. Es fftllt geradezu auf, dass der Dichter nach dem Einzug, so oft er doch von seinen Musseren Schaffensbedingungen etwas mltteilt, das Arbeitszimmer des Rodauner Hauses selten und dann am

Rande erw&hnt, zum Beispiel wenn er einmal beil&ufig be­ richtet, er habe ein neues Bild aufgehftngt,105 oder wenn er ilber die schwierigen Heizverh<nlsse klagt.10^ Nie ist die dichterlsche T&tigkeit mit dem Arbeitszlmmer selbst in Beziehung gebracht.

104 siehe den Brief vom Lido, an Hans Schlesinger, 15. Juni 1901, Brlefe I, S. 334f.

105 siehe den Brief an Borchardt, 13. November 1912, S. 8 8 .

106 siehe die Briefe an Strauss, 4. Januar 1919# S. 369# und an Wildgans, 7. Januar 1920, S. 44. -46-

Der mit der Schaffensweise des Dichters bekannte

Freund sprlcht von diesem Raum auch gar nicht als dem

"Arbeitszimmer", sondern als der "Bibliothek".

Richard Billlnger berichtet sogar, dass Hofmannsthal zur eigentlichen Arbeit diesen Raum gemleden habe. Er sei in die kleine Gartenstube gegangen, "die ihm fiir

sein hartes Worteschaffen bei einer Rodauner Wilscherin

seine hilfreiche Gattin Gerty gemietet hatte."^® Wilhelm

Milller-Hofmann bezeugt gleichfalls das Bestehen eineB

st&ndig gemieteten Zimmers ausserhalb der Rodauner

Wohnung, daa nur "mit dem zum Arbeiten Allerndtigsten

dilrftig genug ausgestattet" gewesen eei und in das sich

Hofmannsthal "bei grilsseren Arbeiten und um voile Ruhe

zu haben" begeben habe. "In eine Zelle sozusagen.,,i°9

Rudolf Borchardt schliesslich berichtet, dass es Hof­

mannsthal noch wenige Monate vor seinem Tod verlangt

habe, "filr eine neue Arbeit sein lebenlang bewohntes

mit allem ZubehiJi^ der Bequemlichkeit ausgestattetes

Schreibzlmmer gegen etwas wie eine gekalkte Mansards

zu vertauschen - zur Zelle trleb es den Gast auf Er-

107 Wilhelm Miiller-Hofmann, "Dank an Hofmanns­ thal", und Richard Billinger, "Erinnerungen an Hofmanns­ thal", in Fiechtner, S. 143 und 187.

108 ebda., S. 187.

109 ebda.. S. 142 -47- den . . . "110 Der "wie vom Gehelranlslichte des Genius ura- lichtete Schreibtlsch*'1^ erweist sich als eine rhetori- sche Glorifikatlon, die so lrreftthrend 1st, wie die phan- tastischen Behauptungen Aber Hofmannsthals Arbeltsweise, die nach den Berichten der Zeitgenossen des Jungen Dich- ters zlrkulierten.1'1’2 Wichtiger als die r¨iche Aus-

etattung 1st das Moment der Konzentration, das in vAlli-

ger Ruhe und Abgeschlossenheit gesucht wird, eine Abge- 113 schlossenheit nicht nur von den Menschen, sondern

auch von allem Gegenst&ndlichen, das ablenken kftnnte. Nur

elnmal erwfihnt Hofmannsthal die technlsche Einrichtung

eines Arbeitsplatzes. Ira Turmzimmer von Schloss Neubeuern

erinnert er sich, am selben Schreibtisch und mit demsel-

ben Schreibzeug den zwelten Akt von Cristinas Helmrelse

geschrieben zu haben. Es 1st symptoraatisch,

110 "Hofmannsthal", Die Neue Rundschau 65 (195*0, S. 5 89 .

-1-11 Richard Billinger, a.a.O., S. I8 7 .

] TO Jakob Wassermann berichtet: "In den schftngeistl- gen Zirkeln lief damals die lAppische M&r um, er mAsse belm Arbelten elne Schale mit Halbedelsteinen durch seine Finger gleiten lassen." ("Hofmannsthal der Freund", in Fiechtner, S. 100.

Siehe unten, "Die Abgeschlossenheit". -48- das s der Dichter den ZIerat als "unsHglich albem"-11^

empfindet. Eine tektopsychlsche Bezlehung gibt ee nur

im negativen Sinn: Hofmannsthal braucht die Abwesen- heit alles ttberfltisslgen an ftusserer Ausstattung. In

der Froduktion wird der Msthetlsche Dichter zum Asketen.

Viele Besucher des Rodauner Hauses berichten vom

geselligen Beisammenseln oder vom ernsten Gespr&ch mit

dem Dichter im sogenannten Arbeitszimmer. Es 1st der

Raum, in dem slch Hofmannsthal "das Herz vollftlllt,"

wie Richard Blllinger es ausdrilckt, sei es mit den

Btlchern oder mit dem Inhalt des GesprMches. Rudolf

Alexander Schrader verbirgt nicht sein Erstaunen, dass

dieses Zimmer gar nicht sakrosankt 1st und Ihm wfihrend

elnes Sommers sogar wochenlang als Gaetzimmer dient.

Bei schttnem Wetter arbeitet Hofmannsthal Ja im Freien,

"in einem kleinen, im obersten Gartenwlnkel an der Mauer

gelegenen, zweistflckigen, offenen GartenhMuschen.

Schon belm Besuch im Juli 1901, als SchriJder der erste

Wohngast im Rodauner Haus 1st, 1st das so und wieder-

an Helene von Nostltz, 6. Oktober 1910, Corona 10 (1941), S. 769.

1^-5 r . a . Schrflder in Fiechtner, S. 86. -49- holt sich bei spftteren Besuchen.^^ Auch Thomas Mann erlnnert sich in selnem Nekrolog an das Rodauner Haus, vor allem an den Barocksalon, ”der den Blick auf den

Gartenplatz gewBhrt, wo er Elektra geschrieben.Hll7

Von den Eigenaussagen ttber den Arbeitsplatz im

Garten geben wir die wichtigeren in zeltllcher Folge.

Im Frtlhjahr 1905 schreibt Hofmannsthal, dass er nach den Aufenthalten in Ragusa und Paris wieder nach Hause zurtick mttsse, "zurtick in meinen Garten zurilck in die

Arbeit."-^® Zwei besonders bezeichnende Briefstellen stammen aus dem Jahr 1910, als er am dritten Akt des

siehe auch SchrBders Elegle "Der Landbau", Gesammelte Werke I, Berlin und Frankfurt, 1952, S. 8 If. Zum Arbeitszimmer: Aber daneben dein Ehegemach und Jenseits das andre, Ernste - lch hab es bewohnt, habe es - ihr Gutter - entweiht, Hab in den Bilchergestellen gewtthlt, den poetischen Schreibtisch mit profanem Geschltft kritzelnder Feder entehrt! Nun, du liessest es gehen.

Zum Arbeitsplatz im Garten: Aber der Garten! Er steigt, wle der des Goetheschen Wlrtes Gegen den Htlgel hinauf, stufen bedarf es dem Fuss, Bis es zur hflheren Flflche gelangt, wo Laube und H&uslein Dichter und Dichterling Bfters geschfiftig gesehn.

117 "in Memoriam’1, in Fiechtner, S. 281.

an Bodenhausen, 22. Mftrz 1905, S. 62. -50-

RoBenkavallers arbeitet. Der von Strauss "mit Schmer- zen" erwartete Akt 1st fast vollendet:

Nur fflr den allerletzten Schlusa, Terzett- Duett, worln viel Diskretion und doch viel Stlssigkeit liegen soil, musste ich ein besseres physisches Befinden und bessere Stimmung abwarten, die sich auch wohl eln- gestellt hat, - nur Jammerschade, dass nach elnem Tag Frtihlingswetter Jedesmal wieder eine Woche lang eisiger Winterwind um die bltihenden ObstbMume fegt. Ich htttte die Schlussszene, es handelt sich nur um 3 bis 4 Seiten, so gerne im Garten ge- schrieben.l-^

Eine Woche sp&ter fehlt der Schluss immer noch:

Der Schluss muss sehr gut werden, sonst 1st er schlecht. Er muss psychologisch richtig und zugleich zart sein, muss htibschen, sangbaren Text ergeben, sich richtig in Konversation und wieder Num- mern einteilen, muss in bezug auf die Jungen Leute befriedigen und doch in be­ zug auf die Marschallin nicht krftnken - kurz und gut, man muss lhn mit Freude und Schwung raachen, und dazu muss ich im Garten sitzen und Sonne haben . . .

Im Mai 1927 berichtet er: "Da sltze ich nun, heute zum ersten Mai oben im Garten in dem kleinen, ein wenig verwahrlosten Gartenhaus, und an dem Tisch, an dem im

Lauf von 26 Jahren so manches geschrieben und halb ge- schrieben worden ist."-*-2^ Und noch im drittletzten Brief

119 27. April 1910, S. 73f.

120 4. Mai 1910, S. 74.

121 an Burckhardt, 5. Mai 1927, S. 239. -51- an Strauss, zwei Wochen vor dem Tod, helsst es: "ich sltze Jeden Vormittag mit melnen Notlzen in meinem

Gartenhaus tlber der Umarbeitung des ersten Aktes [von

ArabellaJ ."122

Mag auch hier der Wunsch nach Abgeschlossenhelt mitspielen, der filr das ausserhalb der Wohnung gelegene

Arbeitszimmer der bestimmende Faktor 1st, so 1st doch etwas Anderes ausschlaggebend: die Vorliebe, in der

Natur zu schaffen. Dass die Natur nicht bloss sensuelle

Wirkung hat, sondern dass sie tonisch wirkt, well der

Dichter sich In das Bliihen und Wac'nsen elnbezogen fiihlt, wlrd aus den der gerade zitierten Stelle des

Briefes an Burckhardt ohne ttbergang folgenden Zeilen deutlich: "Sie haben den Garten zart und leer gesehen, wenn Sie ihn nun sehen lciJnnten - die ApfelbHmne sind so voller Bltiten, dass man kein Holz sieht - die Flieder-

knospen brechen schon auf und Tulpen sind tlberall fast tUberviel und rait zu schnell sich iJffnenden Blilten . .

In diesem Erwachen der Natur muss er an die elgene Pro-

duktlon denken, die dem Naturgeschehen so sehr gleicht.

Denn das, was "halb geschrieben worden 1st", die vielen

122 30. Juni 1929, S. 611 -52-

Einf&lle und Entwttrfe, die nicht ausgefilhrt und voll- endet worden sind, kamen ihm auf dieselbe Weise: tiber- viel und zu schnell. Der Dichter 1st nicht nur der Land- raann, der die Frucht aufzieht und erntet, er 1st auch die Pflanze selbBt: Hofmannsthal spriclit von seiner

Entwicklung als einer "langsamen, pflanzenfihnlichen, widerspruchslosen."123 jn einem kalten und unproduk- tiven Januar vergleicht er sich mit einer "bis auf die

WUrzel zurilckgefrorenen Staude. "124 per pichter, der

in einem solchen Masse ein Teil der Natur 1st, kann die Schlussszene zum Rosenkavalier ohne den Rahmen der

Natur nicht vollenden.

Auch ausserhalb des Wohnorts arbeitet Hofmannsthal

gern im Freien. Wenn dennoch gelegentlich das geschlos-

sene Zimmer als Arbeitsort erw&hnt wird, so hat der Dich­

ter entweder keine andere Wahl, v/ie in der Grossstadt und w&hrend des W inters, oder er braucht zur angespann-

ten Konzentration "den Himmel der Phantasie mit 4 wHnden

irgend eines Hotelzimmers herum."^2^

■*-23 an Hermann Bahr, 7. Juli 1898, Brlefe I, S. 247.

122f an Rudolf Alexander Schrfider, 29. Januar 1923. Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 384,

125 an Bodenhausen, 10. Oktober 1912, S. 148. -53-

Der ideale Arbeltsort 1st in der Natur selbst.

Hofmannsthal freut sich, an einem neuen Ort wenlgstene bei offenem Fenster, "in eine paradieeische Landschaft mit dem schfinsten Laub an alien Bttumen"12^ hinaus- blickend, arbeiten zu k8nnen. Im Hotel in Lugano fin- det er neben bequemen Mumlichkeiten auch einen Garten.

Es werde also nur seine eigene Schuld sein, wenn er nicht ordentlich arbeite.^2? Bald darauf berichtet er dann von seinem Arbeitsplatz "unter den dichtesten, grfissten Bftumen"12® im Garten, tiber den ein leichter

Wind vom See strelcht. In Cortina arbeitet er "teils im Zimmer, teils auf einer Bank im Walderl,"^29 er es aus dem vertrauten Bad Fusch gewohnt 1st. Wie sehr ihm die unmittelbare Umgebung eines Arbeitsplatzes im FreiBn an3 Herz wachsen kann, zeigt ein Brief aus dem Jahr 1928. Hofmannsthal befindet sich In Varese und erinnert sich, vom Hotel auf die kleine Stadt hin- untersehend, an den mehr als dreissig Jahre zurilcklie-

an den Vater, 16. Oktober 1909, Brlefe II, S. 376.

^•27 siehe den Brief an den Vater, 21. August 1898, Brlefe I, S. 258.

12® an die Eltern, 30. August 1898, ebda., S. 265*

■L2^ an die Eltern, ohne Datum (Juni 1903)» Brlefe II, S. 115. -54- genden Aufenthalt, als er "auf einem elsernen Garten- tlsch Das Klelne Welttheater, Die Frau lm Fenster und

Die Hochzelt der Sobelde. elnes nach dem andern herun- terschrleb,"130 an ^en

Selbst mitten in der Grossstadt sucht er das Freie auf. In Rom arbeitet er auf einer Terrasse, die das flache Dach des Hotels einnlmmt, in schwindelnder Htihe fiber den Strassen und Kuppeln. Wenn.immer das Wetter es erlaubt, hat er seinen Arbeitstisch auf diesem Dach.

1st das Wetter schlecht, so freut er sich fiber die Lage des Zimmers, das mit zwei Fenstern auf das Dach mflndet t32 und gerade so gut wie das Dach selbst sei.

Von 1906 ab verbringt Hofmannsthal den Herbst in

Aussee. Das Haus erwelst sich gerade gross genug, die

Familie aufzunehmen. Wie in Rodaun, so arbeitet Hofmanns­ thal auch hier in einem einfachen Stflbchen ausserhalb

an Burckhardt, 11. Mai 1928, S. 280.

131 slehe die Brlefe an den Vater, 26. August 1897» und an die Mutter, 27. August 1897, Brlefe I, S. 225 und 227.

132 giehe den Brief an den Vater, ohne Datum (Oktober 1902), Brlefe II, S. 94. -55- des Hauses, einem "Mansardenzimmer" einemMkleinen

Bodenkammerl "134 auf dem Ramgut. Noch im siebten Sommer klagt er darttber, dass er zur Arbeit kein heizbares und ruhiges Zimmer habe, worauf der praktische Bodenhausen den elementaren Organisationsfehler kritisiert und sofor- tige Abhilfe rflt. Es dauert gute zehn Jahre, bis das Pro­ blem geliist ist und Frau Gerty "ein viJllig angenehmes

Dachzimmer"125 findet. Eine Erkl&rung, warum Hofmanns­ thal sich gar nicht um ein eigentliches Arbeltszlmmer zu bemflhen schelnt, mag darin liegen, dass ihm der Arbeits- platz im Freien, genau so wie der Aufenthalt in Aussee,

zur festen Gewohnheit geworden ist. Das Ausseer "Arbeits-

zlmmer" liegt in der Natur. Immer wieder erscheint der

Ausseer Arbeitsplatz im Wald in den Briefen-^^ Die Wald- bank zwlschen den BHumen, dartiber der Sommerhimmel, das

1st der Ort, so heisst es elnmal, "wo ich von alien Orten

am llebsten bin, am melsten ich selber bin."137

•^3 an strauss, 18. September 1919, S. 383.

an Borchardt, 26. Dezember 1921, S. 166.

an Burckhardt, 24. August 1924, S. 156.

1 3 6 Siehe zum Beisplel im Briefwechsel mit Boden­ hausen die Briefe vom 30. Juli und 10. August 1915 an Hofmannsthal und den vom 27. August 1915 an Bodenhausen, S. 199 und 201.

•^■37 an Bodenhausen, 6. Juli 1914, S. 167. -56-

So wie ihm schon in der Jugend das Salzkammergut wie ein Garten erschienen ist, in dem Beer-Hofmann und er selbst, Jeder in einem Winkel, arbeiten, so sieht der reife Dichter einmal das Tal der Fusch, in dem er viel entworfen und gearbeitet hat^-38 und zu dem er sich in magischer Weise zur Wende Jedes Dezenniums seines

Lebens hingezogen ftthlt, als ein Zimmer, einen "Saal mit grttnen wMnden."139 Hier ist das Arbeitszimmer wtirtlich in die Natur verlegt.

Schon Jahre vorher hat Hofmannsthal fttr sein

Schaffen neben der zeitlichen Gesetzm&ssigkeit auch eine rftumliche erkennen mttssen:

Es ist schon eine ungliickselige Anlage meiner Natur, dass ich fttr die Arbeit auf die Sbmmermonate angewlesen bin - und auf ausserhalb [Hofmannsthals Her- vorhebungj eines Hauses. (In diesem Punkt stand es ttbrigens z.B. mit Goethe &hnlich.

138 Siehe zum Beispiel die Aufzeichnungen ttber den Aufenthalt im Jahre 1904 im Tagebuch, Corona 6 (1936), S. 571.

139 an willy Mttller-Hofmann, 9. August 1924, Merkur 9 (1955), S. 970. 1^° an Bodenhausen, 12. August 1913, S. 152. -57-

Dle Landschaft

Auch sind mlr . . , so wenig Landschaften fJlr Existenz und Production wahrhaft gtinetig.

(Hofmannsthal an Bodenhausen)

Es erhebt sich die Frage, ob das Arbeiten ausser- ' halb des Hauses einfach dadurch als begtinstlgt empfunden wird, dass das Freie an sich anregtf Oder ob der weiteren natilrlichen Umgebung eine geopsychische Wlrkung zuge- schrieben werden kann. Einiges aus dem im vorhergehenden

Abschnitt Angeftihrten deutet auf landschaftliche Einfltis- se hin, Immer wieder werden Bflume erw&hnt; mehrmals

sucht der Dichter seinen Arbeitsplatz im Garten. Auch die

HiJhenlage wird einlge Male betont.

Die Briefe und Aufzeichnungen br&chten genug Stoff

filr eine Einzelstudie zum Naturerlebnis des Dichters.

Das im Werk ausgedrtickte Landschaftserlebnis wurde schon

vor der Herausgabe der ersten Briefbttnde Gegenstand einer

Untersuchung.141 Manche der darln zur Biographie Hof­

mannsthals gefiusserten Vermutungen finden in den nun ver-

flffentlichten Aussagen des Dichters und den Erinnerungen

141 curt Freiwald, Hugo von Hoffmannsthals Land- schaftserlebnis im Wandel seiner dlchterischen Gestalt. Kiel, 1932. -58- der Preunde Ihre Best&tlgung. Kelner kdnnte ein besserer

Zeuge sein fftr Hofmannsthals ausgepr>es Vermftgen, Natur zu erleben, als Jakob Wassermann, der ttber zwel Jahrzehnte sein Nachbar in Aussee war:

Er lehrte mich, eine Landschaft zu sehen, indem er sie in den reinen Spiegel seiner Seele aufnahm, diese unsere Landschaft, die an Formenfttlle und Qeschlossenheit, an dra- matischer Wucht und Reichtum der Hinter- grftnde ihresgleichen nicht hat . . . Wenn sich im Oktober das Laub fArbte und in tAgllch flammenderem Kranz sich von Hooh- land ins Mittelland hinunterzog, wenn in den Bauerng&rten und um die Villen der Preunde herum Flox, Astern, Dahlien in ei­ ner ttpplgkelt wucherten, die die sonstige Kargheit dleser Erde lftge strafte, dann war sein Entzftcken sohlechterdings ergrei- fend, seine Geldstheit vollkommen, man hatte selber ein begl&ekendes Geffthl von Sonne, llcht und Luft und den unschelnba- ren Meisterhaftigkelten der Natur, wenn er etwa, eine Rose vor sich, von den dunkel- samtenen Schatten zwlschen lhren sanft ge- BlAttern oder von dem silbernen Plimmern des Wassers sprach . . .1^2

Wassermann spricht von der Wucht der Alpenlandschaft;

Hofmannsthal ffthrt ihn zum Betrachten einer elnzelnen

"Hofmannsthal der Freund", in Plechtner, S. 10^f. -59-

Roae, eines Vaseers. Hofmannsthal erlebt die Natur nicht im landschaftlichen Panorama, eondern im organi- schen Detail, in der Einzelbltite, wie es der Freund ftir die glttcklichen gemeinsamen Stunden in der Natur her- auastellt: MWie er dann eine Blume, einen Baum, ein

Wasser anschautei"143 Was andere als "AusBicht" be- zeichnen, aieht Hofmannsthal als "grimassenhafte Ver-

zerrung eines lieben Bildes":

Dae Tal in der Ferne aah er in rohe Fragment© zerfetzt, die Fels- und Schnee- riesen rings im weiten Bogen waren ihm zu heftig, zu nah, sie brullten ihn an, er gab vielleicht zu, dass es grosaartig sei, aber das geschah aue Freundlichkeit, i erten nicht vor den Kopf

Auf einem Gipfel angekommen, habe sich Hofmannsthal so-

glelch mtirrisch mit dem Rlicken gegen die Ferne gesetzt.

Aufschlussreich dazu ist ein Brief dee Dichters

aus dem Jahr 1908, in dem die Fahrt fiber das Stilf eer

Joch geschildert wird. Die Paasstraase sei Meine der

impressionierendsten Sachen11 und “neben, Ja fiber den

Gipfeln zu hUngen, mit dem Automobil den Gletscher zu

streifen, . . . hat etwaa sehr AmflsanteB.gine amfl-

143 ebda., S. 104.

144 ebda. , S. 105.

^ 5 an

Rangordnung, die er im selben Brief ftlr die ihm bekann- ten ttberg&nge nach Italien anlegt: Ampezzo, Brenner,

Simplon, Bernina, eine mathematische Formel gewinnen: die Intensitttt des schdlnen Erlebens einer Landschaft steht im umgekehrten Verhflltnis zu ihrer "Grossartig- keit."

Ein ftlnf Jahre vorher geschriebener Brief deutet an, warum die Ampezzostrasse dem Dichter so lieb ist.

Es ist die Landschaft von Bitumen, Bitchen, mit den grossen tirolischen BauernhiJfen, die ftlr ihn Meinen unbegrenzten

idyllischen und heroischen Inhalt haben.Hofmanns­ thal liebt das Idyll. Vom Arbeitsaufenthalt mit Schnitz- ler im Pustertal schreibt er: HFdlr mich 1st die Land­

schaft mit Dfirfern etwas unerschdJpf lich Reizendes, wie

Ja (lberhaupt die stHrkere Hillfte meiner Phantasie viel-

leicht auf die Idylle geht • . ."^7 immer wieder er-

scheint der idyllische Charakter in der Beschreibung der Landschaft, die Hofmannsthal zum Ort seiner Arbeit w&hlt, wie zum Beispiel in der Ramsau, in der er im Som-

an Hans Schlesinger. 11. Juni 1903. ebda.. S. 109.

an den Vater, 17. Juli 1907, ebda.. S. 283. - 61- mer 1923 den ftinften Akt dee Turms erzwingen will:

Die Rameau 1st eine grosse, auegestreck- te, eehr llebllohe Ebene am Hang deB Dach- steins, 1200 Meter hoch, mit schtinen gros- een Bauernhfifen, hie und da einem Kornfeld, wunderbaren alten Laubb&umen.148

Wo organieches Leben und der verwurzelte Menech nicht mehr vorhanden sind, hflrt auch dee Dichters Erlebnisffl- hlgkelt auf. Die kahle Hflhe bedeutet Ihm ebensowenlg wie die "all zu mllde, all zu funkelnde, all zu blaue

Riviera. "14-9

Sicherlich hat die Liebe zum Idyll die Wahl des fe- sten Wohnsitzes, also des stilndigen Arbeltsplatzes ent- scheidend mitbestimmt. Die vertraute, idyllische Land­

schaft der Rodauner Umgebung erscheint immer wieder in den Briefen des Dichters. "Auf langen G#ngen in der ver-

trauten Landschaft"150 sinnt er tiber die Arbeit. Die

"freundliche Landschaft"151 Rodauns werde er selbst im

Alter, nach vielen SpaziergMngen nicht ausgeschiJpft haben.^^ "Wie schfln sind diese niederflsterreichischen

14® an Baronin Oppenheimer, 26. Juli 1923, Corona 10 (1941), S. 793.

an Burckhardt, 15. Mai 1920, S. 37.

*50 an Wildgans, 23. Juli 1920, S. 48.

!51 an George, 3. Mai 1902, S. 148.

152 siehe den Brief an Ottonie Degenfeld, Juli 1912, Corona 10 (1941), S. 775. -62-

Dflrfer, die dunklen Laubmassen auf den Httgeln, der star- ke grtine Geruch eines schattigen Abhanges, die weissen

Strassen hilgelan und ab, die b&uerischen kleinen Gflr- ten"153 ruft er nach einer der Radfahrten in die Umge- bung aus.

Auch Aus see ist filr ihn die "vertraute"^^ Land­ schaft, die er immer wieder aufs Neue erlebt, wie auf ei­ nem Spazlergang, den er als Pause withrend der Arbeit am

Turm einlegt. Schon fllnfzehn Jahre vorher lesen wir in einem Brief an Strauss, dass der Dichter den Schluss zum ersten Aufzug des Rosenkava11ers in der "so lieblichen als vertrauten Landschaft"155 von Aussee zu erreichen ge- denkt, die er an anderen Stellen als "eine der lieblich- sten, reichsten, vielf<igsten Landschaften . . . trotz

Griechenland und Umbrien,"156 ais »ein Eckchen deutschen

Alpenwaldes"157 bezeichnet. Jakob Wassermann unterstreicht des Dichters Liebe zum Vertrauten, Heimatllchen der Aus­

seer Wahllandschaft: Hofmannsthal zog "die oft gegangenen,

153 an Schnitzler, 12. August 1901, Brlefe II, S. 53.

15^ an Hans Carossa, 15. Oktober 1924, Corona 10 (1941), S. 795.

155 9 ^ September 1909, S. 69.

155 an Helene von Nostitz, ohne Datum (1909), Brlefe II, S. 369.

157 an Borchardt, 27. Juli 1911, S. 53. -63- daher vertrauten WegeM^ 8

Wetter, Jahreszeit und Landschaft zusammen ergeben die gflnstigen Schaffensbedingungen, die Hofmannsthal in

Aussee sucht und findet:

Die letzten Wochen in Aussee waren bezau- bernd. Rosen, sehr starke, blilhten noch einmal unter einem Himmel, der durchsich- tig und ohne Jeden Dunst nur zuweilen gegen Abend feste phantastische Wolken, wie Ko- rallenbflnke, leise von Osten gegen Westen trug. Das Vieh war von den Almen und lAlu- tete auf alien Wiesen; die farbigen Bfiume fanden kaum mehr ein Wasser in den B&chen, sich zu spiegeln, und die Forellen schli- chen sich immer tiefer flussabw&rts, wo noch da und dort ein tleferer Ttlmpel zwi- schen den Felsen geblieben war. Ich arbei- tete fast den ganzen Tag.159

Es 1st die Regel, dass Hofmannsthal in Aussee gut arbei- ten kann: ”lch bin hler, wie immer, sehr zufrleden und wlrklich eingesponnen in Arbeit und produktives Denken."^8^

Auf die glttckllchen Zeiten in Aussee zurtickblickend kann er sagen, dass die Ausseer Landschaft fiir sein ganzes

Leben entscheidend gewesen ist.^^

158 a.a.O., S. 105.

159 an Burckhardt, 27. Oktober 1920, S. 51f.

160 an Strauss, 12. Juli 1914, S. 241.

181 an Burckhardt, 13. September 1921, S. 68. -64-

Immer wieder werden Hodaun und Aussee als Landschaf- ten, nicht als Orte beschrieben. Der Dichter braucht zum

Arbeiten die landschaftliche Heimat. Das Vertrautsein mit der Landschaft ist ftlr ihn eine Notwendigkeit. In ei­ nem Brief an Helene von Nostitz drttckt er die Hoffnung aus, dass die Empf&ngerin "schon ein Zutrauen zu manchen

Wegen, manchen Ausbllcken" gewonnen habe, denn man kiJnne sich "an die Landschaft mit tastenden Fasern anwachsen und vielleicht sich einwachsen."162 D0Ch nicht mit Jeder

Landschaft. Derselbe Brief gibt Aufschluss liber den topo- graphischen Charakter der Landschaft, die dem Dichter eigen 1st: "Eine endlose Ebene, eine enge Kluft w£ren vielleicht ftir Menschen unserer Art kaum zu ertragen." wMlder und Hilgel aber, "damit lUsst sich leben." Die festen Arbeltsst&tten im Hilgelland von Hodaun und im

Salzkammergut sind mehr als zuf&llige Gegebenheiten.

Rodaun und Aussee sind Jedoch nur bis zu einem ge- wissen Grad ftir Hofmannsthal das, was etwa fUr Keller

Ztlrich oder filr Stifter Linz bedeutete. Oft verlHsst

Hofmannsthal den Wohnsitz, um in anderen Landschaften und an anderen Orten zu arbeiten. Mehrmals fiussert er den Wunsch, in einer anderen Landschaft eine Anregung

162 6. Oktober 1910, Corona 10 (1941), S. 770 seiner ProduktlvitAt zu erapfangen. Von Hofmannsthals

Wahllandschaften sind zuerst die von der Knabenzeit her bekannten FerlenplAtze Bad Fusoh, Ferlelten, Ischl und

Strobl zu nennen. Schon der SechzehnjAhrige meint, dass die Landschaft des Fuschtales an seinem Inneren geblldet 363 habe. Aus dem Ferienplatz wird in den folgenden Jahren

Immer mehr ein Arbeitsort. Die Aufzeichnungen berichten von der Fttlle von ElnfAllen, die der Dichter in Bad

Fusch hat. Immer wieder kehrt er auf der Suche nach In- 164 splration in das “zuverlAsslge" Tal zurftck. In dleser

Landschaft sieht der F&nfzigJAhrige die eigene Entwick- lung gespiegelt; denn keine andere Gegend hat er so oft

besucht: "Hler bin ich freilich in einer wunderbaren Ge-

sellschaft: Das eigene Ich koramt mir immer wieder aus

der vertrauten Landschaft entgegen." Dass Georges

Der S t e m des Bundes, zu dem er lange Jahre kein VerhAlt- nis gewinnen konnte, sich ihm auf einmal aufschliesst,

schreibt er der Landschaft des Fuschtales zu.1^

an Hans Schlesinger, 4. Juli 1900, Brlefe I, s. 311.

an den Vater, ohne Datum (1908), Brlefe II, S. 330.

^ 5 an Willy Mller-Hofmann, 9« August 1924, Merkur 9 (1955), S. 970. 166 -66-

In der nllheren Umgebung Wiens bietet ihm mehrmals der Semmering die gewtlnschte landschaftliche Umgebung.

Als er sie wieder einmal gefunden hat, fragt er Schnitz- ler: "Kommen Sie nicht mit Ihrer Arbeit ein bisserl her- auf? . . . Es ist so ein schilner Moment in der Land­ schaft."167

Hofmannsthal unternimmt aber auch grflssere Reisen, auf denen das Schaffen durch landschaftliche Elndrticke geftirdert werden soli. Auf der Radtour im Jahre 1897, der ersten grtisseren Arbeitsreise, hofft er auf den Nle- derschlag des landschaftlichen Erlebens von Oberitalien, der sich dann auch wlrklich einstellt. Ein Jahr spHter ftthrt er wieder dorthin mit dem "Wunsch und starkem Be- dtlrfnls, eine Stimmung zur Arbeit zu finden."16® Ftlr das

Ballett Der Triumph der Zelt versagt sich ihm monatelang der drltte Aufzug, der "eine geistige Glilcksatmosphere" atmen soli. Mit dem Kopf allein sei das nicht zu machen.

Ftlr die entscheidende Elngebung hofft er auf Oberitalien oder ein Tal der sfldlichen Alpen.16^ Auch in den speteren

167 3. Oktober 1908, Brlefe II, S. 343.

166 an den Vater, 15. August 1898, Brlefe I, S. 256.

l69 Siehe den Brief an SchriJder, 19. April 1901, Brlefe II, S. 43. -67-

Jahren, als Aussee lMngst zum festen Arbeitsplatz ge- worden 1st, sucht Hofmannsthal Geblrgslandschaften auf, um Inspiration zu finden.

Begnilgen wir uns mit diesen Belsplelen und versu- chen wir zu erschllessen, was diesen Landschaften gemein- sam 1st. Als erstes f&llt die rflumliche Begrenzung auf.

Um die Landschaft des Wohnorts und der unmlttelbaren Um­ gebung legt sich ein weiterer Kreis, der Osterreich und

Norditalien umfasst. Hofmannsthal selbst gibt von dieser eigentlichen Heimatlandschaft seines Schaffens Zeugnis:

Ich faBse in Gedanken immer den Wald, der hinter unserem Garten anf&ngt und die Alpen und die an ihrem Fuss liegen- den ltallenischen Gegenden und Stfidte zu einer einzigen Landschaft zusammen, zu der, die eigentlich, glaub' ich, die Heimat melner Phantasie ist.l'^

Ausserhalb der Grenze dieses Bereiches kommt es immer wie­

der zu schweren Arbeltsstockungen, Die Millt&rzeit filhrt

Hofmannsthal nach Mlthren und Galizien. Nun ist die Solda-

tenzeit ohnehin eine der 6desten Perioden im Leben des

Dichters. Mehrmals klagt er tlber das Aussetzen der dich-

terischen Eingebung. Zuweilen hat er aber recht vielver-

sprechende Einf&lle. Im besonderen erwflhnt er "Amgias und

an Hans Schlesinger, 11. Juni 1903» ebda. . S. 109. -68-

AssacL" Auch andere Figuren "vibrleren wie die auf- 172 gehflngten Frftsche des Galvani". ' Zeit und Gelegenheit zu konzentrierter Arbeit fehlen im oft l&ssigen Dienst auch nicht. Was fehlt, ist die Heimatlandschaft. "Die ganze Natur ist so merkwtirdlg nichtssagend . . . Das bildf ich mir fest ein, dass ich in Nleder- oder Ober- flsterreich nicht so unglttcklich wfire als bei diesen niedrigen Blrken und llchtblau angestrichenen Dorfhdu- 173 sern." ' ^ Andere Gegenden erscheinen ihm im Kontrast zu den Landschaften, die er im Mllitfirdienst sieht, als viel lnhaltsrelcher. Nur gelegentlich gewlnnen letztere etwas von "Charme", aber nicht mehr als diesen fiusseren und

schnell vorttbergehenden Eeiz. Der Dichter reslgniert und gibt den Gedanken ans Schaffen auf. Nur noch der Mensch

existiert. Hofmannsthal sieht die Unterbrechung seines

Schaffens als ein Fegefeuer, eine Schule zur Mfinnlichkelt.

In den ersten Tagen in Horn im Jahr 1902 kann Hof­ mannsthal weder mit der Stadt noch mit der umgebenden

Landschaft vertraut werden. Die ersehnte Produktivitftt

will sich nicht einstellen. Verzweifelt wartet er zwei

■*•71 Slfcehe die Entwtirfe in Corona 9 (19^0), S. 683- 686; 689-90, und 10 (19^1), S. 43F-^37. ^72 an Bahr, ohne Datum (1895)* Brlefe I, S. 141.

1?3 an Beer-Hofmann, 5* Juni 1895>ebd., S. 13^ -69-

Wochen lang, bis ©in beaonders schflner Tag ihm Das ge- rettete Venedlg aufschlioBBt. Doch nur wenige Tage hftlt

©s ihn noch in Rom. Der geplante zweimonatige Aufenthalt wird nach drei Wochen plfltzlich abgebrochen, noch eh© die schwere Erkrankung der Mutter den Dichter nach Wien zu-

Hickruf t.

Im Friihjahr 1905 reist Hofmannsthal nach Ragusa. Be- sonders der Dichter in ihm freut sich auf die Reise, die

ihn welter in die Ferne des Siidens filhren soil als die bisherlgen Relsen. Ragusa erweist sich als noch viel

schfiner als erwartet. Hofmannsthal erfreut sich an den

Zypressen, Olb&umen, Pinien und Fdhren und an dem spie-

gelnden Meer. Begeistert beschreibt er dem Vater die

Landschaft. Aber die erhoffte Produktivit^t bleibt aus.

Die tflglichen vierzehn Arbeitsstunden vergehen Hwle ein

TraumH und ergeben nlchts. Der Dichter beflndet sich in

den "eigentfimlichsten Schwankungen zwischen Selbstver-

trauen und Verzagtheit" die er den Schwierigkeiten am

Beginn einer griJsseren Arbeit zuschreibt. Der Gedanke,

dass das Fremde ein ungtinstiges Moment sein kiJnnte, kommt

ihm hier noch nicht. Drei Jahre sp&ter aber, wieder auf

der Balkanhalbinsel, ist er sich der Tatsache, ausserhalb

an den Vater, Donnerstag (den 16. Mfirz 1905^ , Brlefe II, S. 203. -70- der Heimat seiner Fhantasle zu sein, sehr bewusst. In

Griechenland erlebt er "das Fremde, das absolute Fremde, fremdes Llcht, fremde Luft, sowle man von der Strasse ab- welcht, fremde Menschen."175 Das Fremde steht auch am Be- ginn des lm Jahre 1922 verdffentllchten Aufsatzes "Grie- chenland": " . . • wlr sind fast befremdet . . .”176 Hoi*— mannsthal erlebt die herrllche Landschaft, beschllesst aber, den Aufenthalt In Griechenland nach elf Tagen ab- zuschliessen, um sich "irgendwo hinzusetzen und zu arbei­ ten11, ist es ihm doch in Griechenland "zu ungemtttlich welt von zu Hause."!77 - . zum erstenmal im Leben hatte ich das Geftthl, wirkllch zu relsen, wirklich in einem fremden Land zu sein. Ich hatte ganz f&lschlich ir- gend eine Art Italien erwartet und habe den Orient gefun- den." In einem Italien hfltte Hofmannsthal arbeiten kdnnen, im Orient kann er es nicht. Hofmannsthal f&hrt in die

•'Heimat” zurilck: "In Venedig versuche ich gleich zu ar­ beiten. M178

175 an die Fflrstln Marie Taxis, 11. Mai 1908, Brlefe II, S. 321.

176 Prosa IV, S. 152.

177 an den Vater, 5. Mai 1908, Brlefe II, S. 321.

^■7® an den Vater, ohne Datum (auf der Durchreise in Triest) , Brlefe II, S. 323. -71-

Im Sommer desselben Jahres soil auf Schnitzlers

Rat die Schweiz der Arbeitsaufenthalt sein. Hofmanns­ thal kann sich nicht an "die grllullche [b IcJ harte Eis- luft des verdammten Engadln" akklimatisleren, fiihlt sich

"bestenfalls ertrflglich, niemale behagllch" und muss sein Arbeitsquantum elnschr&nken. Seine Produktivltflt ist ganz aus der Balance gebracht. Einerseits kann er ein dreispaltiges Feuilleton tiber Zeppelin^79 in filnfzig

Minuten konzipieren und schrelben, andererseits muss er diese ungewflhnlich grosse LeistungsfUhlgkeit als ftlr das dramatische Verk sch&dlich ansehen. Er vergleicht den un- natiirlichen Zustand mit dem Geftthl, einen halben Liter schwarzen Kaffee getrunken zu haben, Nach jeder Schale

Tee, Jedem lebhaften Gespr&ch sei er in Gefahr, in die

Luft zu fliegen. MDas Ganze war recht unpraktisch, beson- ders [Hofmannsthals Hervorhebung] zum Arbeiten." Er sehnt sich nach Aussee zurtlck.

Ist es nur Zufall, dass wir in den folgenden zwanzig

Jahren von einem Arbeitsaufenthalt ausserhalb des Bster- reichlschen-oberitalienischen Raumes nichts mehr hilren?

179 MZeppelin", in Prosa II, S. 409ff. '

zitate zum Schweizer Aufenthalt sind den Briefen an den Vater vom 10. und 15. August 1908 entnom- men; siehe Brlefe II, S. 336ff. -72-

Hofmannsthal zieht noch in der Schweiz die Folgerung:

"ich werde es keln zweltesmal tun."-*-®0

Es scheint eine Ausnahme zu geben: Paris, von wo

Hofmannsthal im Jahre 1900 von grosser Arbeitsfreudig- keit berichtet. Paris inspiriert ihn durch die Bekannt- schaft mit anderen K&nstlern. Paris, wie auch Berlin, wirken durch ihre geistige Atmosphere und werden unter den mitmenschlichen Einflttssen zu untersuchen sein. Die naturgebundene Heimat der Phantasle ist die Landschaft der iistlichen Alpen und Oberitaliens.

Innerhalb des begrenzten Kreises von Osterreich-

Oberitalien gibt es bestimmte landschaftliche Elemente, die als besonders gilnstig empfunden werden. In den Auf- zeichnungen des ZwanzlgjMhrlgen findet sich eine "Ideal- landschaft: tiefer Fluss zwischen steilen Uferh&ngen, auf denen StMdte, WelngHrten, Landstrassen: das Leben."181

Nun braucht sich diese zusammenhanglose Notiz nicht auf

Die Zitate zum Schweizer Aufenthalt sind den Briefen an den Vater vom 10. und 15* August 1908 ent- nommen; siehe Brlefe II, S. 336ff.

181 J&nner 1895, Corona 9 (1939), S. 683. -73- die Landschaft im geopsychischen Sinn zu beziehen*^, doch ttberrascht das Vorkommen derselben landschaftli- chen Elemente, Wasser, Gestein und das Grin, die Hof­ mannsthal, oft ausdrlcklich auf die psychische Wirkung der Landschaft in seinem Schaffen hinweisend, als we- sentlich anglbt. Besonders bezeichnend dazu sind die Brie- fe des Dichters aus dern Jahr 1924. Mehr als Je zuvor 1st der Dichter wlhrend der Arbeit am Turm auf der Suche nach glnstigen Schaffensbedlngungen. Wle noch in der Be- trachtung des mitmenschlichen Elements zu zeigen sein wird, ist es ein lusserst komplexer Akkord, der ange- schlagen werden soil, um den Dichter produktiv zu stim- men. Auch der Landschaft sprlcht er eine grosse Bedeu- tung zu. Fir das Gelingen des Werkes hinge alles ab von dem "geheimnisvollen Drelklang aus Luft, Gestein und Was- ser.11^ Wie ernst der Dichter jede Komponente nimmt, wird aus seinen ins Einzelne gehenden Fragen nach der ins

Auge gefassten Ortllchkeit deutlich, von denen die nach der Luft: "1st der Ort wirklich 1200 Meter hoch?" schon

-1'®2 Gerhart Baumann vermutet darin einen Vorentwurf zur Bilhne des Klelnen Welttheaters ("Hugo von Hofmanns­ thal: Das Klelne Welttheater". Germanlsch-Romanische Mo­ na tsschrlft. N.F. 7 (1957)» S. 107). - Ob es sich um eine Beschreibung von Karl Friedrich Schinkels "ideale Land­ schaft" handeln klnnte?

an Burckhardt, 4. Juni 1924, S. 150. -74- oben erw&hnt wurde. Die Fragen nach den anderen Elemen- ten folgen unmittelbar darauf: 111st ein Sttlck Wald In der Mhe? eln fliessendes Wasser?"^®4 Hofmannsthal ver- slchert slch, in Bezug auf das Gestein nicht missverstan- den zu warden, lndem er erkl&rt, dass er keine kahle

Landschaft mit diesem Ausdruck meine. Er frage nicht nach dem toten Gestein, sondern nach dem Organischen, dem

Wald. Ein Garten Oder ein Wald dilrfen nicht fehlen. Grtin

1st die Farbe, die ihn belebt. An der IntensitUt, in der er morgens den Duft des Jungen Grflns und der Kastanien- bltiten sptirt, ktfnne er im voraus wissen, ob er an diesem

Tage gut Oder schlecht arbeiten werde, schreibt er ein- mal.^®8 . Wie schfln 1st fiir ihn "der starke grttne Geruch eines schattigen Abhanges,"186 und wie wohl tut ihm "der gut riechende, erholende Wald"1®? des Semmerings.

Das ihm liebste Element aber 1st das Wasser. Liebe zum flilssigen Element steht schon in den Briefen des

Gymnasiasten und reicht bis in die letzten Briefe des

Dlchters. Goethes Ausspruchi "Es liegen produktivmachende

184 ebd. , S. 149.

siehe den Brief an Georg Franckenstein, ohne Datum (Winter 1900-1901), Briefe II, S. 41.

188 an Schnitzler, 12. August 1901, ebd.. S. 53.

an den Vater, ohne Datum (1907), ebd.. S. 287. Krflfte im Wasser und In der Bewegung" wird von Hof­ mannsthal so konkret wie nur mttglich bestfltigt. Carl J.

Burckhardt berlchtet Folgendes liber ein Jugenderlebnis des Dlchters:

Gerne erzfihlte \ Hofmannsthal], wie in einem Gebirgsorp, als er frilhmorgens lm kleinen mlt Zirbelholz getllfelten Zimmer Wasser Ins Becken goss, plfltzlich in die­ sem Fliessen des raschen, harten, klaren Gusses das ganze Werk, dem er nachepttrte, fertig, gefugt und getflnt vor ihm stand.188

In der Diskussion der elgenen Schaffensweise er- ccheint das Bild des Wassers noch hfiufiger alB das des

Organischen oder das der Dunkelheit, so h&ufig, dass wir uns hier auf nur drei besonders bezeichnende Belege be- schr&nken wolien.

Erlnnerungen. S. 25. - Hofmannsthal hat das Erlebnis zum Gegenstand elnes Gedichts gemacht, das im Nachlass gefunden wurde. Das Manuskript trfigt das Datum vom 22. 1. 1894. Wir zitieren die vierte und siebente Strophe:

Gute Stunde • • • Als du Wasser mir ins Becken Gossest, melnt ich, in der Welle Aus dem Krug in deinen Hflnden Sprang lebendig eine Quelle. • • • Meine Feder sagte: "SchreibeJ Aus dem zauberhaften Grund Gltihts und zuckts, und reden will ich Grosse Dinge mlt kindischem Mundi"

(Gedlchte und lyrlsche Dramen. S. 517f; mlt der Datumsangabe verflffentlicht in NachleBe der Gedlchte. S. 30f). -76-

Mit fein versteckter Selbstironie macht slch Hof­ mannsthal ilber seine "Schwflche" fttr das fltissige Element lustig. In der "Unterhaltung tlber die Schrlften von Gott­ fried Keller" lflsst er den Muslker sprechen:

. • • hier bln Ich gleichsam, wie Ich mich auch mlt dem Gang der Erzllhlung fortbewege, immer lm Schwerpunkt, weder saugen die Seelen der Menschen mich vampirhaft In sich, noch wirbelt mich der Strudel der Geschehnlsse bet&ubt dahin, sondern alles bewegt slch und bewegt slch mlt mir und um mich, als glitte Ich mitten In elner Mozartschen Sonate dahin.

Worauf der Gutsbesltzer [Bodenhausen?J erwidert:

Da habt ihr Ihn . . • ohne ein Bad oder eln Gleichnis mlndestens vom Schwimmen und Baden gehts doch bei Ihm nicht ab. In alien Wasserffillen von Umbrien und Etrurien hat er slch eingetaucht und den besten Satz seines Opus 23 hat er In einem grtlngestriche- nen Bottich unter einem bltlhenden Ka- stanienbaum gefunden.

Die extremen Aspekte des Wassersymbols erscheinen

in den beiden folgenden Briefstellen, die wir aus den

vielen wlthlen, in denen Hofmannsthal in der Beschfifti-

gung mlt seiner Schaffensweise das Gleichnis vom Wasser

gebraucht. In einer kritischen Zeit schreibt er: HDie

einmal erfassten Gestalten ftihle ich wie unter dem Spiegel

189 Prosa II, S. 200f• -77-

eineB stockenden Wassers in mir liegen, und wundere mich, dass sie nicht verwesen."190 gj_n anderes Mai heisst es: "Es ist manchmal eine wahre innere ttber-

schwemmung von Szenen, Figuren, Repliken, Visionen, die

tiber all© Ufer tritt."!9-*- In den Bildern der Stagnation

und des StriJmens iat die Problematik von Hofmannsthals

Schaffensweise enthalten: die Zeiten der Stockungen

und zu anderen Zeiten das Zuviel an Einf&llen, das an

die gestaltende Kraft unerftillbare Ansprilche stellt.

Es besteht sowohl eine zeitliche als auch eine

r¨iche geopsychische Einwirkung. Die erstere ist

dem Dichter bewusster und trttgt in einem grdsseren

Masse gesetzm&ssigen Charakter. Die Beziehung zwlschen

Raum und Seele ist subtller als die zwischen Zeit und

Seele. Wir finden keine Aussage, in der eine bestimm-

te Landschaft als die zum Schaffen gttnstigste von alien

bezeichnet wird, wie es bei der Jahreszeit der Fall ist.

Erkennt dort der Dichter das unumstflssliche Gesetz, so

filhlt er hier nur die feingesponnene Beziehung: "Es

gehen FUden heraus und herein zwischen unserm Herzen

190 an George, 24. Juli 1902, S. 163.

^•9^ an den Vater, ohne Datum (Frtlhjahr 1908), Briefe II, S. 324. und der Landschaft um uns."192 j)er Dreiklang von Luft,

Gestein und Wasser bleibt "geheimnisvoll.H Der unge- duldige Junge Dichter mag die geopsychische Bindung als

Fessel empfinden unddarliber klagen. In der reifen Ein- sicht in die liber dem Schaffen waltenden Naturkrflfte aber darf er sie als Leitfaden dankbar annehmen. Der

Junge Dichter versucht, gegen die felndlichen Elements zu kHmpfen. Der reife Dichter sucht die gUnstigen Mo- mente auf und macht sie sich zu elgen.

■L^ an Helene von Nostitz, 6 . Oktober 1910, Corona 10 (1943), S. 770. DIE MITMENSCHLICHEN EINFl Gs SE

Alles Lebendige bildet eine Atmosphere um slch her*

Goethe (Maximen und Reflexionen)

Um die geopsychischen Gesetzmtssigkeiten einzeln be- trachten zu kflnnen, war es mehrmals notwendig, komplexe

Einflttsse zu zerlegen. Gerade in der Naturumgebung gibt es Jedoch selten lsollerte Phflnomene. Eine Landschaft zum

Belspiel erhillt erst durch das Wetter den besonderen As- pekt, die "Beleuchtung", wie Hofmannsthal es nennt, in dem sie empfunden wird. Im Zusammenwirken der Erschei- nungsformen der Umwelt mag zuweilen ein gttnstiges Element ein anderes, ungiinstiges aufwiegen, das Zusammentreffen von zwei Oder gar mehreren als gtinstig empfundenen Momen-

ten optimale Schaffensbedingungen ergeben. Wo es mflglich war, wurde auf die "natiirliche” Kbmplexitflt hingewiesen.

Zurttckgestellt wurde bisher das Mitmenschliche Oder

Sozlalpsychlsche, und nicht immer mit gutem Gewissen,

Denn auch diese Einflilsse wirken oft nicht fttr sich al-

lein, sondern im Verein mit geopsychlschen* Die Klassifi-

kation ist eine kilnstliche und tut zuweilen der komplexen

Vlelgestalt Gewalt an. So hat, um nur ein Belspiel anzu-

ftihren, die Hand des Menschen an der idyllischen Land­

schaft, mit der der Dichter sich verknilpft ftihlt, mitge- -79- -80- schaffen, wenn auch in einem geringeren Masse, alB es vohl in der Ebene der Fall sein wllrde. Landschaft ist nicht nur als Natur zu sehen, sondern auch als ein Aus- druck der Gesamtheit der menschlichen Schtipfungen, die wir mit Zivilisation und Kultur bezeichnen. Die Bomplexit&t

ist darin angedeutet, dass die sozialpsychischen Einwir-

kungen unter demselben Wort zusammengefasst warden wie die

geopsychischen: Neben dem natttrlichen Klima gibt es ein

geistiges Klima. Da man ftlr das letztere keine Normwerte

hat, spricht man gern von der geistigen "Atmosphflre". Es

ist unmttglich, den komplexen Verhfiltnlssen von geopsychi­

schen und sozialpsychischen Elnfltissen in dleser Arbeit

nachzugehen. Im Folgenden kann nur das Wichtigste des

mitmenschiichen Elements aufgezeigt werden.

Mehr noch als bei den Erscheinungsformen der Natur

besteht bei den sozialpsychischen eine individuell ver-

schiedene Erlebnisfflhigkeit. Dartiber hinaus sind die mit-

menschlichen Beziehungen in viel weiterem Masse gegensei-

tige Beziehungen, als die geopsychischen es sind. Die Eln-

zelpersfinlichkeit, wie sie sich im Verhalten eines Men-

schen ausdrtlckt, mag deshalb von anderen Menschen sehr ver-

schieden gedeutet werden. Die Erinnerungen an den Dichter

zeugen von der Schwierigkeit objektiver Interpretation,

indem sie dieselbe Eigenart, wie etwa das hastige Be-

grtissen und Verabschieden, verschieden auslegen. Sogar in - 81- dor Beschrelbung dor Physiognomle flnden slch widerspre- chende Aussagen. Kein Geringerer als Rudolf Borchardt be- tont die Schwierigkeit, Hofmannsthals Fersflnlichkeit zu erfassen, wenn er sagt, er sei auf keinen Menschen ge- stossen, den er "mlt Hofmannsthal in lrgend etwee hfltte vergleichen kttnnen.Mehr als zuvor sind wir in der Be-

trachtung der sozialpsychischen Einflilsse auf die Aussa­

gen des Dichters selbst angewiesen. Andere Zeugnisse b o I-

len nur zur Unterbauung angefilhrt werden.

Wflhrend wir wenlg Gewalt ttber die geopsychischen Ein-

flttsse haben, kttnnen wir viele der sozialpsychischen re-

geln. Wir besitzen oft Freiheit genug, uns dem ungilnstigen

Einfluss eines Menschen zu entziehen. Es ttberrascht daher

nicht, wenn nach den vielen Klagen ilber die ungilnstigen

geopsychischen Momente nun immer wieder von gtinstigen mit-

menschlichen die Rede 1st. "Aufdrttngen lasse ich mir nie-

manden, weder durch den augenblicklichen Ruhm, noch durch

geschttftige Menschen"2 ruft der Dichter einmal aus. Aus

der ihm eigenen Vorsicht und Distanzierung erklttrt es slch,

dass wir kaum etwas von einer zerstiJrenden Wlrkung eines

Menschen lesen, Hofmannsthal sucht slch seine Freunde aus.

^ "Erinnerungen", in Fiechtner, S. 66.

2 an Ottonie Degenfeld, 1. Juli 1919, Corona 10 (1945), S. 786. -82-

In der entscheldenden Begegnung mlt elner das Productive weckenden Persflnlichkelt sleht er eine schlcksalhafte

Fttgung.

Das Wissen um die productive Kraft der menschlichen

Beziehung kBnnte den Dichter verftihren, Jede Bindung der

Probe auf das Vorhandensein dieeer Kraft und auf lhre In- tensitMt zu unterziehen. Hofmannsthal 1st Jedoch keln

Claudio, der die ttsthetische Existenz von der menschli­

chen abtrennt. Es gehflrt zu seiner Grflsse, dass er nicht vergisst, Mensch, Mann, Vater und Freund zu sein. Es gflbe

ein schiefes Bild seiner PersiJnlichkeit, zfihlte man nur

die Belege auf, in denen Hofmannsthal wem und wann einmal

eine produktive Anregung schriftllch zuerkennt. Es sei

daher gestattet, in der Betrachtung der mltmenschllchen

Einfltlsse etwas weiter auszuholen*

Freilich kann auch das nur Stiickwerk sein* Was der

Dichter lebendig erfuhr, kann niemand sich ermessen, nach-

tr&glich darzustellen. Darllber hinaus muss man sich von

vornherein der Unzul&nglichkeit des vorhandenen Materials

bewusst sein. Die lebendlge Berilhrung flndet in Gesprflchen

statt. Die Briefe aber ftillen nur die Pausen des Ge-

spr&chs.^ Und nicht einmal das. Schmerzllch vermlsst man,

^ Schon in der Besprechung der "Jugendbriefe von Hofmannsthal" .(Neue Ztlrcher Zeitung. 15* Dezember 1935» abgedruckt in Uber Hugo von Hofmannsthal. Gottingen, 1958, -83- um nur eines hler zu erwAhnen, die VerAffentlichung von

Hofmannsthals Briefen an die auf sein dramatlsohes Schaf- fen wohl am stArksten wlrkende Persfinlichkelt, Max Rein­ hardt. Man kann der Bertthrung des Dlchters mlt den Regis- seuren und den Daretellern seines Werkes, von denen er einmal sagt, ale und er selen "fttr elnander auf die Welt gekoramen"nicht dadurch gerecht werden, dass man die wenigen ErwAhnungen lhrer Namen In Briefen an Andere sam- melt. Hofmannsthals Briefe sind Zwiesprachen,5 gehen ganz auf die IndlvldualltAt des EmpfAngers ein und heschAftigen

slch wenlg mlt Britten. Wenn die vorliegende Arbeit slch

S. I4ff) sagt Richard Alewyn das Wesentllche zu alien Briefen des Dlchters: HSle sollen das lebendlge GesprAch fortsetzen und ersetzen. Das 1st der Unterschled der Brie­ fe Hofmannsthals von denen Rilkes, um den fruchtbarsten Briefschrelber seiner Zelt zum Verglelch heranzuzlehen: Rilkes Briefe sind eine Form seiner dlchterlschen Produk- tlon und gehflren der glelchen Ordnung an wie seine Gedlch­ te. Hofmannsthals Briefe dagegen sind eine Form der Gesel- ligkeit, und zwar sind sie die Briefe eines von Natur ge- selligen wie die Rilkes die eines von Natur elnsamen We- sens." Aus dleser Erkenntnis heraus ttberschreibt Alewyn die Betrachtung der Briefwechsel mit George, Strauss, Bor- chardt und Bodenhausen - Abrlgens die einzlge Arbeit, die Hofmannsthals Briefe als ein Ganzes sieht - mit dem aus Hofmannsthals Werk stammenden Zltat "Unendllches GesprAch", Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 538/567.

^ an Gertrud Eysoldt, 21. September 1905* Briefe II, S. 211.

5 Auch hierzu darf ich mich auf Richard Alewyn be- zlehen: "Es ist erstaunllch, wie wenlg zwel Briefe Hof­ mannsthals an verschledene EmpfAnger elnander glelchen. Man wlrd es oft schwer flnden, zu glauben, dass sie von der glelchen Hand sind, mAgen sie auch am selben Tag, ja ttber dasselbe Thema gesohrleben sein." ("Unendllches Ge­ sprAch", Die Neue Rundsohau 65 (1954), S. 542). -84- deswegen auf die Empfttnger von zahlreichen verdffentlich- ten Briefen beschr&nken muss, so sollte doch Max Rein­ hardt und sein Theater nicht ganz unerwfihnt bleiben, An- statt elnlge Stellen, aus den Brlefwechseln mlt den Freun- den genommen, aneinanderzureihen, selen In einem kurzen

Exkurs zwel Briefe angeftthrt, die zu des Dlchters Bezie­ hung zum Theater und besonders im Hinblick auf sein Schaf- fen aufschlussreich sind*

Im Oktober 1922 ist Der Unbestechllche fast vollen- det. Vom Turm fehlt immer noch der fiinfte Akt. Hofmanns­

thal berichtet dem Freund, dass er von Aussee nach Wien

zu fahren gedenke, um Reinhardt dort noch anzutreffen.

Die Aufftihrung des Lustspiels 1st zu besprechen, aber

noch wichtiger ist dem Dichter, was er sich von der Be-

gegnung ftir das Gestalten des ftlnften Aktes des Trauer-

spiels erhofft:

. . . eine Anregung, der ich lmmer st&rker bedttrftig, Je mehr ich verstehen lerne, dass zwar der Schauspleler ohne den Dichter wenl- ger als nlchts, der Theaterdlchter aber ohne den Schauspleler ein vttlliges Nlchts 1st. Unsere gelstlgen und kttnstierischen Zust&nde sind aber so confus, dass man zwel Drittel seines Lebens verbraucht, um diese elnfachen Dlnge ganz zu erfassen - so werde ich denn vermutlich mit zwelundfilnfzig so wie Wilhelm Meister mlt sechsundzwanzig, hinter elner wandernden Truppe herzlehen.®

6 an Burckhardt, 13. Oktober 1922, S. 97. -85-

Dass die Abh&ngigkelt vom Schauspleler nicht ganz so sehr eine Alterserkenntnis 1st, wie Hofmannsthal es hin- stellt, geht aus frtiheren Briefen hervor, aus denen elner an die Schauspielerin Gertrud Eysoldt aus dem Jahr 1907 zitiert sels

Ich bln Jetzt lm entscheidungsvolisten Moment ftb das Entstehen des neuen Sttickes fJeder- mannl . • • Jetzt steht alles auf dem Spiel. Aber Ich muss Jetzt die Schauspielerin ftihlen, wlssen, dass demand da sein wlrd, dies zu ver- kflrpern, es ftihlen - schreiben Sie mlr vlel ttber die Selysette, schreiben Sie mir das Wichtige, das eigentliche schauspielerlsche Geheimnis, das, wie Sie daB Seelenhafte her- ausheben - das Stumme, das Tlefverborgene bis zur Gebflrde trelben - es wlrd mlr so vlel ge- ben! Blttel'

Die Antizlpation der Freude an der Aufftthrung regt den

Dichter an. Besetzungsschwierigkeiten oder die Sorge, dass Reinhardt slch des Sttfckee nicht annehmen werde,

kiJnnen die Phantasie l&hmen.

Noch eine weltere Elnschrflnkung ist zu machen. Das

vorliegende Kapitel geht auf die beiden Persflnlichkeiten

nicht ein, tiber deren Beziehungen zu Hofmannsthal schon

Btinde geschrieben worden sind. t)ber die Zusammenarbeit

mlt Strauss und ihre Dokumentierung lm Brlefwechsel lie-

18. April 1907, Briefe II, S. 274. - Gertrud Ey­ soldt splelte die Rolle der Selysette in Maeterlincks Attlavaine und Selvsette. -86- gen umfangreiche Arbeiten vor.® Es sel bier lediglich bemerkt, dass dies© Korrespondenz Russerst selten fiber die Diskussion des gemeinsamen Werkes hlnausgeht. Ausser dem fflr Ihn Geschriebenen teilt Hofmannsthal Strauss nur wenlg von selnem Schaffen mlt. Kaum einmal geht Strauss auf ausserhalb der Collaboration entstandene Verke Hof­ mannsthals ein. Selten schllesst sich Hofmannsthal

Strauss gegenttber auf. In fiber 300 Briefen erwRhnt er die Freunde Borchardt, Schrflder und Burckhardt Rberhaupt

nicht, Bodenhausen nur zweimal. Der Briefwechsel mit

Strauss, so elnzigartig er 1st, reicht nicht fiber die

gemeinsame Vferkstatt hinaus,^

Die Begegnung mit George schliesslich ist von Hof­

mannsthals menschlichen Berflhrungen die am meisten dis-

kutierte.10 VerlRsst der Briefwechsel mit Strauss nicht

8 Die ausftthrlichsten sind: Earl Joachim Krttger, Hugo von Hofmannsthal und - Versuch elner Deutung. des kflnB tier is chen Weges Hugo von Hofmannathals . Berlin, 1935 > und Franz Trenner, Die Zusammenarbelt von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss. Dissertation Mflnchen, 194-9/

9 Am 27. Februar 1923 schreibt Hofmannsthal an den Eomponlsten: "Auch gibt es zwischen zwel Menschen wie wir nlchts als gemelnsame Arbeit, und eigentllch auch keln anderes gemeinsames Thema." (S. 4l8).

^■0 Auch hier seien nur die ausfilhrlichsten Arbeiten angeftihrt: Lienhard Bergel, Voraussetzungen und AnfRnge der Beziehungen zwischen und Hugo von Hof­ mannsthal. Dissertation New York University. 1945: Erich Allinger, Stefan George und Hugo von Hofmannsthal. Dis­ sertation Wien, 1950* -87- die Werkstatt, so reicht der mit George nicht ttber die

Mitarbeit an den Blttttern ftir die Kunst hinaus. Wenn

Hofmannsthal seine Nflte schildert und meint, Georges Hil-

fe zu bedtlrfen, scheint dieser wenig Verst&ndnis dafttr zu

haben. Wie viel weitreichender und ins Einzelne gehend

ist dagegen Borchardts, Schrflders, Bodenhausens und Burck-

hardts Anteilnahme an Hofmannsthals Leben und Sehaffen.

Doch soli die allgemein starke Wirkung Georges nicht un-

erwtthnt bleiben, die der Alters Hofmannsthal mit Dank

anerkennt: “Das Leben wurde mir durch die Begegnung nicht

wenlger unheimlich, vielleicht sogar mehr - aber ich

filhlte mich selbst in mir, wie etwas Kraft, Llebe und

Hoffnung Gebendes."^

Im Ganzen kann man sagen, dass die Begegnung von entscheidender Bedeutung war - die Besta- tigung dessen, was in mir lag, die Bekrflfti- gung, dass ich kein ganz vereinzelter Sonder- ling war . . . Ich fuhlte mich unter den Mei- nigen, - ohne einen Schritt von mir selber weg tun zu mils sen* Diese ganze neue Welt war da - und durch das plfltzliche Hervortreten dieses Menschen als eine lebende Welt beglaubigt; ich war berei- chert wie einer, der eine sehr grosse Reise getan hat und ein neues Land als geheime zwei- te Heimat erkannt hat.12

H an Burckhardt, 28. Oktober 1922, S. 104.

12 an Walter Brecht, 20. Februar 1929, abgedruokt in der zweiten erg&nzten Auflage von Briefwechsel zwi­ schen George und Hofmannsthal. Miinchen und DUsseldorf, 1953, S. 235f. -88-

Der Freund

Jede neue bedeutende Bekanntschaft zerlegt uns und setzt une neu zu- sammen. Ist sie von der grttssten Bedeutung, so machen wir eine Rege neration durch.

(Buch der Freunde)

In einem Brief an Helene von Nostltz reflektiert Hof­ mannsthal einmal ttber das Wesen der menschlichen Bezie­ hung:

Das ist das Eigentliche an den menschlichen Beziehungen, glaube ich. Jede wirkliche Be­ ziehung hat die Kraft, gewisse Gruppen von Gedanken des andern so zu regleren - Oder vielleicht existieren diese Gedanken nur durch diese Beziehung, Jedenfalls ruft sie sie hervor, sie schafft das geistige Klima, in dem sieexistieren kttnnen. So besltzt der Eine in dem Andern Lttndereien, Landschaften, Garten, Abhflnge, deren Leben nur die Strah- len dieses einzigen Sternes speisen und trttn- ken, wie auch nur Ble dieses Leben erweckt haben.13

Hofmannsthal llebt es, geistlg-seellsche Vorgttnge lm Bild der Natur auszudrttcken. Verweilen wir kurz bei der Rttck- ttbersetzung ins Abstrakte. Offenbar unterscheidet der

Dichter die Hwirkllche Beziehung", die Konsequenz hat, von

der folgenlosen Bekanntschaft. Was die wahre Beziehung aus-

zelchnet, ist das Vorhandenseln elner Kraft, die lm ande-

ren Menschen einen gedankllchen Inhalt erweckt und erhttlt,

elner Kraft, die durch kelne andere ersetzt werden kann.

*3 2. April 1907, Briefe II, S. 272. Bezeichnenderwelse spricht Hofmannsthal vom "Erwecken" und "Hervorrufen"• Wie bei den geopsychischen Einwirkun- gen, so wlrd auch bei den sozialpsychischen das letzte Ge- heimnis der Produktivltfit nicht sichtbar. Die Zeugung

selbst blelbt ein Wunder.

Hofmannsthal erkl&rt das "Eigentliche" der Beziehun­

gen zwischen Menschen an dem individuellen Verh<nis.

Dass ein sehr reiches Material iiber die gegenseltige Be-

einflussung von Hofmannsthal und den elnzelnen P^eunden,

aber nur Weniges iiber eine Beeinflussung des dichterischen

Schaffens durch eine Gruppe, einen Kreis von Menschen vor-

liegt, ist weder Zufall noch allein dadurch zu erklflren,

dass Briefe, unser hauptsftchlichea Material, eben meist

an einen Einzelempfflnger gerichtet sind. Hofmannsthal be-

milht sich immer wieder, die ihn umgebende Gruppe in Ein-

zelpersBnlichkeiten aufzulBsen und slch mit den ihm ver-

wandten Seelen individuell zu beschSftigen. Das heisst

nicht, dass der Mensch sich dem gesellschaftlichen Leben

entzieht. Der Dichter aber kann mit der Gruppe nichts an-

fangen und lflst sie in Einzelpersflnlichkeiten auf,

Wfthrend der literarische Kreis slch im Cafe ein

Stelldicheln gibt, bittet Hofmannsthal Hermann Bahr, in

die Wohnung Schnltzlers zu kommen, denn "man sitzt und

plaudert besser wie im Kaffeehaus und ist ebenso allein, ungestflrter als tel GrlenBteldl.'’^ Von einem Aufenthalt lm Jahr 1906 In Berlin schreibt er, er "sehe sehr vlele

Menschen in elner bunten Aufelnanderfolge . . . aber Je- den einzeln, so dass nle die entsetzliche 'Konversation* elntritt."!^ Die Tatsache, dass beim Treffen des intellek- tuellen Kreises von Berlin ein GesprHch stattfindet, "wo fttnf ruhlg zuhiJren, w&hrend je elner spricht und wobel nicht nur Jeder seine eigene Ansicht auskramt,"!^ macht ihm diese Stunden zu besonders anregenden, An Burckhardt schreibt er einmal, er habe die Wiener Gesellschaft "im- mer wie eine Art von Landschaft" aufgefasst. Sie bedeute ihm nur deshalb etwas, well sie ihm "einige sehr gute

Freunde gegeben"17 habe. Auch in den Erinnerungen an den

Dichter wird das GesprMch mit dem Dichter immer wieder als Zwiegesprflch beschrieben, am ausfllhrlichsten von

R.A. Schrflder:

Was er vor allem pflegte, vor allem begehrte, war die von Mund zu Mund, von Auge zu Auge gewechselte Rede. Hier war es ihm das Liebste, das Unentbehrllchste, aus dem Hin und Her des Gesprttchs Jewells den Funken einer wlrkllchen Anschauung hervorbrechen zu sehen. Nicht be- lehren wollte er, er wollte fragen und ge-

14 ohne Datum (1891), Briefe I, S. 36f.

^5 an Helene Nostitz, ohne Datum (1906), Briefe II, S. 246.

15 an den Vater, ohne Datum (1908), ebd.. S. 317. 17 11. M&rz 1919, S. 7. -91-

fragt werden, auf dass lm gtinstigen Augenbllck Frage und Gegenfrage, Rede und Gegenrede slch auf der Grenze begegneten, auf der die zar- teste und hfichste Erkenntnis slch schwebend, unanriihrbar erhMlt.l®

Schon der Siebzehnjtthrige soli gesagt haben: "Etwas Ge-

3cheltes kommt doch nur heraus, wenn man unter vler Augen spricht."^9 Leopold von Andrian berlchtet: "Sein Grund- satz war lmmer nur eine Person auf einmal zu slch zum

Gespr&ch zu laden."20

Da die produktlven Krttfte der menschlichen Begeg- nung fttr Hofmannsthal vor allem In der Beziehung zum

Elnzelmenschen llegen, 1st es angezeigt, das sozialpsy- chlsche Element lm Verhftltnis des Dlchters zur Einzelper- sttnlichkeit zu verfolgen. Mehr als in Jedem anderen schon besprochenen Zusammenhang ist es hier zu bedauern, dass aus den Jugendjahren des Dlchters nur wenige Bruchstilcke von Gegenbriefen der Hauptkorrespondenten vorliegen.

Nicht nur fehlt damit zahlenmflssig die Httlfte der schrift-

lichen Diskussion, sondern es blelbt auch manches zum

Freundschaftsverh<nis Wlssenswerte verschleiert, und die

Kbntlnuitttt geht lmmer wieder verloren. Leider glbt es

"Hofmannsthal lm Gesprftch", In Flechtner, S. 343.

Arthur Kahane, "Begegnungen", In Flechtner, S. 21.

"Erinnerungen an melnen Freund", In Flechtner, S. 61. -92- auch keinen Briefwechsel, der die gesamte Schaffenezelt

Hofmannsthals umfasst.^l Es erwelst slch als unmdglich,

Jede einzelne dokumentlerte Beziehung fttr slch zu betrach- ten. Wo es mBgllch 1st, soil es getan werden.

Die Wiener Jugendfreunde

Die gesammelten Briefe aus den Jahren 1890 bis 1909 enthalten ausser den Mltteilungen an die Eltern hauptsltch- llch Briefe an andere Dichter und Schrlftsteller. Es lBt nicht anzunehmen, dass diese Tatsache allein auf dem Aus- wahlprinzip des Herausgebers beruht. Gerade filr den Jun- gen Dichter, der lmmer begierlg 1st zu lernen und tiber das

Handwerkliche wie tiber das letzte Wesen der Kunst sich auszusprechen, 1st es charakteristlsch, dass er den Umgang mlt anderen schtipferlschen Menschen sucht. Ist so das In- teresse am Mitmenschen vor allem auf den schiipferischen

Menschen gelenkt, so trltt auch in elner bestehenden Be­ ziehung das Menschliche hinter dem Schfipferischen zurtick.

Mehrmals bekennt Hofmannsthal, das Letztere wichtlger neh- men zu miVssen. Ein gutes Belspiel dazu enthMlt ein Brief

an Felix Salten, In dem Hofmannsthal seine Sorge darilber

ausdrtickt, dass die Arbeitsplttne des EmpfAngers sich nicht

verwlrkllcht haben: 21 Der melnes Wlssens einzlge sbhrlftliche Gedan- kenaustausch, der von den GymnasialJahren bis in die letzten Lebensjahre relcht, der Briefwechsel mlt Sohnltz- ler, 1st noch unverfiffentllcht. 93-

Sle mttssen bb nicht mlssverstehen, dass ich so in meiner Anteilnahme, lmmer herzlicher und steter Anteilnahme, lmmer wieder von dem Hen- schen auf den Dichter liber zuspr ingen scheine. Aber mir ist eben an dem Menschen, den ich lieb habe, der Dichter das Persfinlichste, das Eigent- liche, und ich vermag hier nicht zu trennen.22

In den Sommerferien 1890 wird Hofmannsthal in Bad

Fusch mit Gustav Schwarzkopf bekannt, der ihn im Herbst in daB Cafe Griensteidl einftthrt, wo Hofmannsthal als Sech- zehnj&hriger mit dem literarischen Kreis Wiens in Berlih- rung kommt. Zwel fttr seine weitere Entwicklung wichtige

Persflnlichkelten lernt er dort kennen: Richard Beer-Hofmann und . Auch die Bekanntschaft mit Hermann

Bahr beginnt dort im April l891.2^

Im Zusammensein mit anderen Dichtern in Wien, auf

Spaziergfingen, Radtouren und Reisen liegt fttr den jungen

Hofmannsthal sicherlich ein Element, das dem eigenen Schaf- fen Impuls gibt, nennt doch Hofmannsthal einmal als "die elnzlg wahrhafte wilns chenswerte Schule die . . . wo Men­ schen von Menschen Einsicht ins Leben lernen . . . "2^ In den Briefen findet sich wenig dartiber. Der httufige Umgang

22 6. August 1907, Briefe II, S. 286.

23 Siehe die Tagebuchnotiz vom 27. April 1891, Corona 9 (1940), S.

2^ an Edgar Karg Bebenburg, 2. November 1894, Briefe I, S. 120f. -94- bedarf weder des achrlftlichen FreundschaftsbekenntnlsseB noch der Anerkennung der gegenaeitigen Hilfe. Dass eich die Dichter entstehende wie fertige Werke vorlesen, wiesen wir aus gelegentlichen Erwtthnungen in den Briefen Hof­ mannsthals und aus Tagebttchern und Erlnnerungen von Ande- ren. So berichtet Hofmannsthal einmal, er habe Schnitzler und Beer-Hofmann den Anfang der RenaissancetragBdie "As- canio und Giaconda" vorgelesen.25 Bei der ttbersendung von

Die Hochzeit der Sobeide und Der Abenteurer und die S&n- gerln an Bahr bittet er, alles das anzumerken, was Bahr beim Lesen einfalle, ihn an frtthere Hilfe erinnernd: "Das

Gestern haben Sie in Linz gelesen • . . den Tor und den

Tod hab ich Ihnen in der S [alesianer]^gasse vorgelesen. "26

Bahr selbst notiert am 28. September 1904: "H. liest mir den ersten Akt seines Oedipus und die Sphinx, die Scene am Dreiweg, mit der Ermordung des La^os,"2? und in einer anderen Aufzeichnung 1st vom Gesprflch iiber das zu dieser

Zeit noch nicht erschienene Gerettete Venedlg; und den

Plan zu "Leda mlt dem Schwan" die Rede,2® Es mag dabei oft recht heiss hergegangen sein. Jakob Wassermann er-

25 Siehe den Brief an Gustav Schwarzkopf, 31. Au­ gust 1892, ebd.. S. 66.

28 ohne Datum (1898 ), ebd.. S. 276f.

9 7 Siehe die Tagebucheintragung, Me is ter und Mel- sterbrlefe um Hermann Bahr. herausgegeben von Joseph Gre- gor, Wien, 1947* S, 186. - Fortan zitiert als Melster.•. 28 29. November 1903, ebd.. S. 185. -95- innert sich an eine Vorlesung eines Stllckes von Schnitz­ ler, nach der es zu einem hitzigen Wortgefecht zwischen

Hofmannsthal und Otto Brahm kam, so dass Schnitzler schllesslich sagte, keine Szene seines StUckes weise einen so pointereichen Dialog auf wie dieses Gefecht*^

Es ist Jedoch fraglich, ob Hofmannsthal dieselbe Anteil­ nahme und praktische Hilfe zukommt, die er Anderen zuteil werden lMsst, wenn er, um nur zwel Belspiele zu nennen,

Bahr in ausfiihrlichen Briefen bis in klelnste Details gehende Vorschl&ge fttr den Roman Neben der Llebe macht und Salten bei der Arbeit an einer geplanten Novelle

"Mutza" berflt; denn die Mehrzahl von Hofmannsthal frii- hen Werken entsteht auf einsamen Relsen, auf denen die

lyrische Produktivit&t pldtzlich hervorsprudelt und

selbst ein so umfangreiches Drama wie Der Abenteurer und die Sftngerin in wenigen Tagen vollendet 1st,

Hofmannsthals Jugendfreundschaften scheinen weniger

fest gekntipft zu sein, als man es den vielen spMteren Er-

innerungen der Freunde nach annehmen wtirde. Aus der Ein-

samkeit des Truppentlbungsplatzes schreibt Hofmannsthal an

Bahr, Beer-Hofmann und Schnitzler von den vielen nachdenk-

lichen Stunden, in denen er ttber seine Freunde und sein

Verhttltnis zu ihnen sinnt. In einem Brief an Schnitzler

29 "Erinnerungen an Schnitzler", Die Neue Rundschau 43 (1932), Bd. I, S. 8. -96- lebt die Erlnnerung an die ersten Begegnungen auf und das

Fazlt der Bekanntscliaft von mehr ale fttnf Jahren wlrd ge- zogen; "Wir haben doch In dlesen paar Jahren aehr vlele schttne Stunden gehabt."3° Noch ttberraschender 1st die sich anschllessende Feststellung, dass es schfln sel, dass man von elnander nicht zuviel wlsse und "Jeder wie ein neuer aus seinem Leben hervortrltt und wleder hineingeht." Vlel eher erwartete man nach dem elnleitenden: "Es 1st merk- wttrdlg, wie stark man an Vergangenes denken kann, wenn man so allein und abgeschnitten lebt • • den Wunsch nach elner engeren Bindung. Zwar ist in den Briefen des

Jungen Hofmannsthal hier und da von elner "sonderbaren

Art von Sehnsucht"^ nach dem Anderen und vom Wunsch, sich {Jfter zu sehen, die Rede, aber ein Bedttrfnls, einen nahen Freund zu haben, fehlt. Eine gewisse Distanzierung spricht auch aus dem Blld, das Hofmannsthal fttr die Be- schreibung seines Verhttltnisses zum anderen Dichter ge- braucht. Die Jahre der Bekanntschaft mit Schnitzler er- scheinen ihm "wie eine Landschaft, aber viel merkwttrdiger; als wenn man in einem Tal stttnde und durch die wUnde der

Berge hindurch die andern Tfiler gleichzeltig sehen wttr- de."32 es macht ihm Vergnttgen, sich das Leben der

3° 17. Mai 1896, Briefe I, S. 193.

3* an Beer-Hofmann, 10. Mai 1896, ebd.. S. 189.

32 an Schnitzler, lm gerade zitlerten Brief. -97-

Freunde vorzustellen: "Es 1st das geheimnlsvoll wie die Zusammenstellung von schtinen Gegenst&nden auf ei­ nem Bild."33 Das Wissen, dass Beer-Hofmann in der NUhe arbeitet, ist ihm eine Freude, "wie ein dunkler, tlef- sinniger Hintergrund Jenselts der Bflume . . .*'34- Und an Bahr heisst es einmal: "ich . . . freue mich iiber die Kiihe, den Heugeruch und die kilhlen Sterne in der

Nacht und die sehr lleben und merkwllrdigen Freunde, die ich h a b e . "35 Hier 1st der Freund wirklich nur ein

Teil der "Landschaft", des "Hintergrundes", "ein sch8- ner Gegenstand auf einem Bild."

"ich freue mich ..." schreibt Hofmannsthal. Nur

selten Ist in den Briefen des Jungen Dlchters ein tie-

feres Gefilhl filr die pers8nliche Beziehung auegedriickt

als_das der Freude. Hofmannsthal 1st "froh", Menschen

wie Schnitzler und Beer-Hofmann so frilh gefunden zu ha­

ben und versteht nicht, warum er dennoch selbst oft so

"traurig, fld und starr"36 Ist. Es macht ihm "Freude",^

Beer-Hofmann in der N&he zu wissen.

35 an schnitzler, 27. Juni 1896, Briefe I, S. 204.

3^ an Beer-Hofmann, 3. Jull 1894, ebd. . S. 106.

35 21. August 1895, ebd.. S. 172.

36 an Schnitzler, 2. Oktober 1899, Briefe I, S. 292.

37 an Beer-Hofmann, 1 . Juli 1896, ebd.. S. 204. -98-

Der Junge Dichter hfllt es fttr ganz natttrlich, dase

Freunde in diesem Lebensalter auf Monate Oder gar Jahre auseinanderkommen. Die menschliche Beziehung der Jugend

kann Ja vorlfiufig nur auf einer halt) lnstinktm&ssigen gegenaeitigen Achtung und Sympathle gegrllndet sein, und erst viel spater, wenn ein wirklicher Besitz an Erfahrung und hflherer Gesinnung dem Weltwesen gegentlber da 1st, kann an den Tag kommen, inwieweit einer f(lr den an- dern sittlich exiatiert.38

Dass seine eigene Existenz vom Freund ala etwas "Erfreu- liches und Beruhigendea" empfunden wird, sei deshalb al- les , was er wtinschen kiJnne. "Unter Menschen, zumindest von elnem Jungen Menschen zum andern 1st ein dlrekter

Einfluss etwas Husserst selten Realislerbares."39 Hof­ mannsthals EinschrSnkung "zumindest von einem jungen

Menschen zum andern" beruht auf eigenem Erleben, denn

in der um mehr als ftlnfzig Jahre Mlteren Josephine von

Wertheimsteln hat der Jilngling die ganze Kraft einer menschlichen Begegnung erfahren dttrfen. Er weiss, "wie

tief [seiner] ganzen Zukunft und allem Guten, was etwa aus [ihm] werden kann, die Spuren dieses einzigen und unaussprechlich verehrten Weaens aufgepr> sein werden

. . Der gleichaltrige Freund aber dringt nicht so

an Felix Opperiheimer, 24. Juni 1897. ebd. . S. 212f.

39 an Felix Oppenheimer, ohne Datum (1897), S. 238, an Franziska von Wertheimsteln, 17. Juli 1894, ebd. i S. 107. -99- tlef ins Innere. Es 1st bezeichnend, dass dies nicht nur ftir die Bekanntschaften gilt, die aus ursprilnglich literarischem Interesse zustandekommen, sondern auch fttr die Beziehung, die aus persBnlicher Affinitflt beginnt.

An Edgar Karg von Bebenburg, den Leopold von Andrian in seinen Erinnerungen als den ersten Freund Hofmannsthals bezeichnet, schreibt der ZwanzlgJ&hrige: " • . . ein bissl was niltzt einem vielleicht, dass man andere hat, die einem [das Leben zu] ertragen zuschauen und gut ge- nug sind, das Schwere zu verstehen, und deren Teilnahrae elnen Sinn hat."^ Der Freund 1st zu dleser Zeit noch der aussenatehende Zuschauer.

Die Erinnerungen runden das Bild vom Verhllltnis des Dichters zu den Zeitgenossen der Jugendjahre ab.

Olga Schnitzler berichtet, dass Hofmannsthals Verkehr mit ihrem Mann sich anfangs auf einer rein gelstigen Ebene bewegt habe. Schnitzler habe sich zuweilen "von einem

Frosthauch seltsam angeweht"^2 gefilhlt. Die Freundschaft auf der persflnlichen Ebene habe sich von Schnitzler her angebahnt. Bahr schreibt im Jahre 1894 von einem ihm oft unheimlichen Moment der Persflnlichkeit des Jungen Loris:

41 21. August 1894, ebd., S. 113.

"Der Junge Hofmannsthal", Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 515. -100-

"Er erlebt nur mit den Nerven, mit den Sinnen, mit dem

Gehirne; er empfindet nichts . . . Er sieht auf daa Le- ben und die Welt, als ob er sie von einem fernen Stern aus s&he; so sehen wir auf Pflanzen Oder Steine."^

Felix Salten schreibt: "Er verstand es so ausgezeichnet, mitten in der heissesten geistigen Gemeinschaft ktthle

■I 44 Distanz zu halten.

Der tJbergang von der zuschauenden, distanzierten

Haltung zum erlebnisrelcheren Teilnehmen 1st ein gradu- eller. Von innen heraus 1st er In dem menschlichen Rei- ferwerden gegeben. Der flussere Anlass ist die Vereheli- chung und der Umzug nach Rodaun im Juni 1901, Ereignisse, die den Dichter in einen neuen Lebenszusammenhang stellen.

Schon im Alter von zwanzig Jahren beginnt Hofmanns­ thal die starke Abh&ngigkeit vom Freund zu ahnen, die er in sp&teren Jahren erfahren wird. "Unsern Zusammenhang mit den andern Wesen spUr* ich oft und werd1 ihn in guten

Stunden oder in Gedichten schon ordentlich subjektiv sa- gen kflnnen . . ." schreibt er einmal an Leopold von An­ drian. Das Erlebnis des Freundes steht pl8tzlich so stark vor ihm, dass er es zum Inhalt seines Schaffens zu machen

^ "Loris", in Flechtner, S. 17.

^ "Der Junge Hoffmannsthal", in Fiechtner, S. 39. hofft: • • • "es 1st doch ein unerschdpfliches Wunder, dass ich z.B. neulich abends in Mddling deshalb in ei­ nem grdsseren und tieferen Dasein herumging, well ich eine Stunde frdher Deine Art als sehr gross und merk- wdrdig empfunden hatte."^ Das Erlebnis bleibt ein Wun­ der und wird noch nicht zur Erfahrung. Aus der Millt&r- zeit, in deren Einsamkeit er einmal meint, Zukdnftiges vorausahnen zu ktinnen, Bchreibt er, dass er etwas lerne,

"etwas Grosses und Ernstes . . . Es bezieht sich auf das

Verh<nis der Menschen zueinander." Auch hier 1st es nur ein Vorgefdhl. Er kann das "Etwas" nicht n&her bezeich- nen und "noch nicht recht erfassen und ausdrdcken.

Von einer Anderung der Haltung zum Freund spricht ein Brief an Brahm vom Jahr 1899. Hofmannsthal erzAhlt vom gldcklichen Zusammensein mit Clemens und Georg von

Franckenstein und Leopold von Andrian. Nie ddrfe er kla-

gen, dass sein Leben arm gewesen sei, nachdem er ein so ungetrdbtes Dasein im freundschaftlichen Kreise habe er- fahren ddrfen. Hofmannsthal selbst weist auf die Schwelle hln, die er hinter sich hat: "Frdher aber war ich jjfdr

Freunde] nicht so dankbar, Jetzt aber, seit der Zauber-

ohne Datum (Juni-Jull 1894), Brlefe I, S. 105.

^ an Felix Oppenheimer, 11. Juni 1895. ebd.. S. 139. -102- kreis der ersten Jugend ttberschritten 1st, bln Ich es mehr.h47 War bis dahin meist von der Freude die Rede, so herrscht von nun an ein tieferes Gefilhl vor, das der

Dankbarkeit. Einen Freund zu haben, 1st kelne Selbstver- stllndllchkeit mehr, sondern wlrd ein Geschenk, elne

Gunst. Die Beziehung zum Mltmenschen wlrd gesucht statt gefunden. An Georg von Franckensteln bekennt Hofmanns­ thal nach der Rttckkehr vom dreimonatigen gemeinsamen

Aufenthalt In Paris, dass er gesucht habe, Georg an sich zu ziehen.48 Aus dem unsicheren Ahnen und Spttren der produktiven Kr&fte der Freundschaft wlrd ein Wissen um

sle und ein bewusstes Suchen nach ihnen. Im Jahre 1902

schreibt Hofmannsthal an Schrflder, lhn trelbe ein DUmon,

"gewisse Menschen mit einem eindrlngllchen, kaum zu motivierenden Entgegenkommen"4^ an sich zu blnden. So habe er sich auch um Schraders Freundschaft bemilht. Warb

vorher der Ultere George um den Jilngeren Hofmannsthal, so

1st es nun dieser, der eine Beziehung zum Jilngeren sucht.

Auch die Freundschaft mit Bodenhausen geht auf Hofmanns­

thals Initiative aus.

47 9. August 1899, ebd., S. 291.

48 Siehe den Brief vom 12. Juli 1900, Brlefe II, S. 37. A.Q ohne Datum (1902), ebd. . S. 68. -103-

Die Entwicklung, die in ihrer Parallelit&t an mehreren Freunden aufgezeigt worden let, flndet in einer

Einzelbeziehung weitere BestHtigung. Dae Selbstverst&nd-

llche des Umgangs mit Beer-Hofmann und die einfache

Freude daran beginnen schon frtlh, dem Geftthl der Dank­ barkeit Platz zu machen. In Varese, am Ende der produk-

tivsten Periode, die Hofmannsthal bis dahin erlebt hat,

dankt er dem Alteren. Er werde nie imstande sein, und es

werde ihn auch nie danach verlangen, aus dem Gewebe sei­

nes Wesens die F^lden herauszuziehen, die das Geschenk

des um so viel Reiferen und Fertlgeren selen. Keinem

anderen Menschen schulde er so viel. HGanz unscheinbar

1st das gekommen, In den Hunderten von Gespr^chen,

was nun Hofmannsthal bewusst wird und ihn das Bekenntnis

seiner Dankbarkeit schreiben l&sst. Aus Parie schreibt

er, dass er sich mit ungewtihnlicher Innigkelt und Hef-

tigkeit bewusst wird, wie gern er einlge Menschen hat

und wie dankbar er lhnen 1st, und kntipft daran an:

Wenn ich eine l&ngere Zeit von lhnen entfernt bin und es geht mir schlecht . . . so verlange ich mir nichts so sehr, als Sie bei mir zu haben; geht es mir aber gut, so erinnere ich mich bloss an Sie, aber mit einer so starken Empfindung, dass ich sie nicht recht auszusprechen welss.-^

5° 5 . September 1897, Brlefe I, S. 231.

51 2. April 1900, ebd. . S. 303f. -104-

Kurz nach seiner Hochzelt schreibt Hofmannsthal zu

Beer-Hofmanns bevorstehendem Umzug In die NMhe, es sel

ihm tiberaus wichtig und wertvoll, den Freund dauernd

In der Nfihe zu haben. Er erhofft sich ftlr die gegensei- cp tlge Beziehung geradezu einen Wendepunkt. Da die Ge-

genbrlefe Beer-Hofmanns fehlen, sind wir nicht dartiber

unterrlchtet, was diesen veranlasst, sich offenbar Hof­

mannsthal zu entzlehen. In den folgenden Jahren 1st von

einer MiJglichkelt, Beer-Hofmann zu verlleren und vom

Schwelgen des Freundes die R e d e . 55 In einem Brief an

Felix Salten flndet sich sp&ter die Andeutung, sich

Beer-Hofmann durch das UnvermiJgen, zwlschen Freund und

Dlchter zu trennen, entfremdet zu h a b e n . 5^ Dennoch h£lt

Hofmannsthal fest an der Blndung zu dem Menschen, an

dessen Gesellschaft er frtiher Immer Hdle st&rkste und

slcherste FreudeM55 gefunden hat, und zu dem "strengsten

und unbestechllchsten Krltiker",^ den er auch noch lm

zweiten Jahr In Rodaun hat. Mehrmals betont Hofmannsthal,

52 siehe den Brief vom 13. August 1901, Brlefe II, S. 54.

55 siehe den Brief vom 8 . Oktober 1902, ebd.. S. 87. R4 J Siehe den Brief vom 6 . August 1907, ebd.. S. 286.

55 an Hans Schlesinger, 22. Juli 1900, Brlefe I, S. 312.

56 an Bahr, ohne Datum (November 1902 - Januar 1903), Brlefe II, S. 98. -105- wie viel lhm Beer-Hofmanns Freundschaft bedeutet, bis ihm lm Juli 1904 aus der r¨ichen Entfernung und der

Hoffnung heraus , doch wleder wie frtlher mit Beer-Hofmann zusammensein zu kflnnen, elnes der ergrelfendsten Freund- schaftsbekenntnisse dieser LebenBJahre In die Feder kommt:

Wenn ich denke, was ich an lhnen habe, so geht es nach alien Seiten ins Unbegrenzte: in der eigenen Produktion und dem Gebiete darin, das wir beide mit Leidenschaft zu erfttllen streben, in alien Dingen des Den- kens und des Lebens, in Jenen ungeheuren Gebieten, die wir mit "Gemilt" und "Charak- ter” bezeichnen. Es hat unser Zusammenleben . . . das mit der Ehe gemeln, dass es die grossen Linien manchmal unter der Fillle der kleinen, ge- meinsamen ErlebniBse, unter der Wirrung des wechselnden Behagens und Nlchtbehagens fiir den Augenblick zu verbergen vermag. Auch 1st die menschliche Natur nicht da- nach, unaufhflrllch sich einer Beziehung in gehobener Weise bewusst zu blelben . . . Aber wenn ich Sie elne ftihlbare Zeit nicht gesehen habe, wenn wie Jetzt die getrennte Zeit ftir mich eine Zeit der Sammlung und innerer Freiheit war, dann bewegt es mich, wirklich wie fast nichts sonst auf der Welt, dass ich in wenigen Tagen nur so in ein Haus hineingehen kann und mit lhnen reden, von was ich will und solange ich will und sovlel von lhnen haben, wie wohl kein Mensch mehr im Leben soviel haben wird, auch kaum Ihre Kinder, glaub’ ich,57

57 28. Juli 1904, aus Bad Fusch, ebd.. S. 153. Es war Hofmannsthal nicht vergHnnt, diese eng© Bindung als elne gegenseitlge zu erleben. Der letzte verflffent- lichte Brief an Beer-Hofmann bedauert, dass man sich im- mer seltener aehe. Hofmannsthal gibt sich mit der ein-

3eitigen Bindung zufrieden, die, wie er schreibt, ihm 58 nicht weniger kostbar sel.

Dank steht auch in den Briefen an die Jugendfreunde.

Mehr als einmal wilnscht sich Hofmannsthal, dem Anderen etv/as Gutes tun zu k8nnen und wieder vom Freund empfangen zu dtlrfen, "denn in diesen Dingen ist Ja Nehmen und Geben niemals getrennt.n59 pie intensitSt des Freundschaftsge- filhls des etwa dreissigj&hrigen Dichters mag am besten an den Briefen an zwei vertraute Freunde gezeigt werden:

Vieles lebt mit uns, das nicht hler 1st, und Du am meisten. 7/1 e oft sprechen wir von Dir. Wie sehr wirkllch ist doch im Leben das Ungreifbare, kaum Definierbare, wie unsere Freundschaft, dieses ganze Netz von Freundschaften. Gerade in diesem Metz haben wir die sch&nsten Stunden und Augen- blicke gefischt, wir alle, manche aus den verborgensten Tiefen des Lebens.°0

Siehe den Brief vom 31. Juli 1909» ebd. , S. 365* 59 an Georg Franckenstein, ohne Datum (1902), ebd.. S. 75.

an Edgar Karg Bebenburg, 11. Juli 1903, ebd.. S. 119. -107-

FreundBchaft zwischen MUnnern kann nicht den Inhalt des Lebens bilden, aber sie 1st, glaube Ich, das relnste und stflrkste, was das Leben enthftlt: filr mich 1st sie, neben melnem mir eingeborenen Beruf wohl das ein- zige, was ich mir aus dem Dasein nicht weg- denken k8nnte, und ich glaube, ich hMtte sie gesucht, in welchem Stande immer ich zuffll- lig geboren wflre.&1

Dass die Freundschaft sich nicht auf M n n e r be- schrllnkt, leeen wir in den Brief en an Helene von Nostltz, aus denen wir schon am Anfang dieses Kapitels zitierten.

Hofmannsthal braucht nun die Freundschaft, sowohl filr die Existenz wie auch das Schaffen:

. . . in einem gewissen Sinn . . . brauche ich Sie sehr notwendig filr mein Leben, filr das Leben meiner Phantasie meiner Gedanken, und dies Sie Brauchen ist der einzlge Unterschied zwischen meinem Geftlhl filr Sie und der sehr lebhaften Sym- pathie, die ich filr Ihren Mann empfinde, Oder filr Gerhart Mutius. Dies mysteriilse und manchraal sehr leidenschaftliche Ge- filhl, sie zu brauchen, habe ich filr einlge Menschen, filr Harry [Graf Kessler] » filr Gladys Deacon, filr O.D. [ Ottonie von Degen- feld - nicht filr die Menschen, deren Tod mich am furchtbarsten treffen wilrde, wie meinen Vater und meine Frau und melne Kinder - das ist wieder ganz etwas anderes.

Von der Notwendigkeit des Umgangs mit dem kilnstlerischen

Menschen filr das dichterlsche Schaffen handelt auch der

61 an Georg Franckenstein, 17. Juli 1904, ebd.. S. 150.

62 15. Mai 1907, ebd.. S. 277. -108- aua der gleichen Zeit geschriebene Brief an Gertrud

Eysoldt, der In der Einleitung zu diesem Kapitel an- geftihrt wurde. Noch ein weiterer Brief aus demselben

Jahr sei in diesem Zusamraenhang zitiert. An die Tltnze- rin Grete Wiesenthal schreibt der Dichter, ihn tlberkomme

in der Gegenwart von

wirklich arbeitenden Menschen, * • . ob das die Duse 1st Oder die St. Denis, oder der Rodin . . . ein Geftlhl seltsamer Auf- regung und Rtlhrung . . . ein Geftlhl von Dankbarkeit, zugleich auch ein Geftlhl von Mitverantwortlichkeit, von Helfen-wollen - ein brtlderliches Geftlhl,

und fragt: "Sind wir Menschen, die etwas 'Schdnes* ma-

chen wollen, denn nicht furchtbar vereinsamt in der

Welt und schliessllch nur aufeinander angewiesen?”

Das Angewle sens ein auf den Freund und Ktlnstler wlrd

auch in der auffallenden Parallelit&t von Vorschlflgen

zu gemeinschaftlicher Arbeit deutlich. Am 30. September

1906 unterbreltet Hofmannsthal Schrdder den Plan, einige

Gespr&che mit dem Freund zu verdffentllchen. Es 1st das

erste Mai, dass in den Briefen der Wunsch, eine Zusammen-

arbeit einzugehen, ausgedrtlckt ist.^ Am folgenden Tag

63 7. November 1907, ebd.. S. 295f.

Ebd.. S. 238f. - Die geplanten "Rodauner An- fUnge" waren allerdings schon Tage zuvor in Lueg erwogen worden. - Es sei bemerkt, dass Hofmannsthal schon im Jahre 1900 in Paris an Strauss mit der Bitte herantritt, das Ballett Der Triumph der Zeit zu komponieren. -109- schrelbt Hofmannsthal an Strauss: . . es 1st viel mehr ein Wlssen, als ein blosses Fttr-mftglich halten, dass wir bestimmt sind, raiteinander etwas oder mehreres reoht Schftnes, Merkw&rdlges noch zu raachen." Am selben

Tag schreibt er ins Tagebuch:

"The whole man must move at once" - schfin und wahr. G&be es nicht fftr bedeutende produktive Menschen noch eine geheimnis- vollere gleichwahre Mttglichkeit: Getrennt marschleren und verelnigt schlagen?°°

Wie richtig das "mysteriftse Geftthl" ihn leltet, darf Hof­ mannsthal bald darauf erfahren. Per Bosenkavaller wird

"wahrhaft . . . im Gespr&ch mit dem Freund, dem das Buch zugeeignet ist (und zugeelgnet mit einer Wendung, die auf wahre Kollaboratlon hlndeutet) dem Grafen Harry

Kessler"^? geboren.

Mehr als zuvor wendet sich der Dichter nun an

Freunde und Bekannte mit der Bitte, bel der Arbeit zu helfen. Die Briefbelege ergeben eine lange Liste von Namen,

von denen ein noch nicht genannter erwfthnt sei. Otto Brahm

65 s. 23.

^ Corona 6 (1936), S. 586. 67 1 "Der Bosenkavaller - Zum Geleit", Prosa IV, S. ^27. - Die Widmung der Buchausgabe lautet: "Teh wldme dlese Kom&die dem Grafen Harry Kessler, dessen Mltarbeit sie so viel verdankt." - Auch die stammt aus dieser Kollaboratlon. -110- wird zur Hllfe an Sylvia lm Stern gerufen. Einige Sze- nen sind InB Brelte geraten. Wer kflnnte besser helfen, das "ilberreichlich beladene Stiick . . • schlank zu raa- ehen" als Brahm, "durch dessen Diflt der 'Abenteurer1 ge- nau die Hftlfte seines Leibesgewichtes verloren hat"?

"Wir miissen einer den andern steigern, bis an den Rand unserer Kr^fte. Das muss unser Unterschled von den Ro- mantikern sein"89 schreibt Hofmannsthal einmal an Oscar

Ble, von den RatschlHgen berichtend, die er Jakob Was- sermann zu einer Novelle gegeben hat*

Umso erstaunlicher 1st es, dass dlese Forderung sich gerade bel den filtesten Dichterfreunden Schnitzler und Bahr - von der Entfremdung mit Beer-Hofmann wurde schon gesprochen - nicht erfilllt.

Ist Hofmannsthal friiher die PersiJnlichkeit Schnltz- lers In einem solchen Masse Inspiration gewesen, dass er sich in der eigenen produktiven Stimmung durch Nachricht

■liber Schnitzlers Schaffen welter angeregt zu werden

68 5 . September 1907, Brlefe II, S. 290. - Otto Brahm hatte filr die Berliner Premiere von Der Abenteurer und die Sflngerln Kilrzungen gefordert. Vgl. den Brief an Brahm vom 11. Januar 1899 (Brlefe I, S. 277f), in dem Hofmannsthal blttet, filr die k 1 'Bravheit'11 , die Kilr- zungen durchgefilhrt zu haben, mit der Annahme des Stilckes belohnt zu werden. Die Urauffiihrung fand am 18. M&rz im Deutschen Theater statt.

69 4. November 1905, Brlefe II, S. 219, -111- wtlnscht und ihm einmal sogar ein Sttick mit Schnitzler als Hauptflgur elnfftllt,^ so steht In den Briefen nach

1902 recht wenig von einer Befruchtung durch Schnitzler.

Der enge Kontakt schelnt mit den Jahren verloren zu ge- hen. Der zweite Briefhand enthlllt aus neun Jahren nur

16 Brlefe an Schnitzler.71 Gewiss hat daran die Tatsache tell, dass Hofmannsthal und Schnitzler nicht zu welt voneinander wohnen und auch als Ehemftnner noch gemein- sam reisen. Jedoch f&llt Hoffmannsthals dauernde Klage auf, dass man sich so selten sehe.^2 Einmal rechnet er sich sogar aus, dass er Schnitzler in fast einem Jahr im ganzen nicht mehr als acht oder zehn voile Tage ge- sehen habe. Es sei, als wenn er selbst in Petersburg und Schnitzler in London lebte und sie sich in Berlin

70 Der Entwurf "Paracelsus und Dr. Schnitzler" Paris Mfl.rz/Aprll 1900, befindet sich nach Mittellung des Herausgebers des ersten Briefbandes im Nachlass. Hofmannsthal schreibt am 15. Mllrz 1900 aus Paris, dass ihm am Verkehr mit Schnitzler "gar nichts unfruchtbar" sei und es nichts gllbe, "auch nicht die kleinste Sache, mit der sich nicht in Erinnerung etwas anfangen llesse." (Brlefe I, S. 298). 71 ' Das Inhaltsverzeichnis rechnet den Brief Nr. 225 irrtfimlich zu denen an Schnitzler. - Auf ein Vor- llegen weiterer Korrespondenz aus diesen Jahren weisen zwei von Olga Schnitzler zitierte Stellen vom Herbst 1907 hin, die in den Brlefen II fehlen.

Es 1st auch bezeichnend, dass Olga Schnitzlers Erinnerungen sich auf den "jungen Hofmannsthal" be- schrEnken, obwohl die Scheidung von Schnitzler erst 1921 erfolgt. -112- ffir acht Oder zehn Tage ein Rendezvous gegeben h&t- ten.73 Hofmannsthal muse die Dlstanz umso schmerzli- cher empflnden, als es in seinem Leben nichts Schilne- res gibt als das GesprMch mit Schnitzler, "das manchmal in die tiefsten Tlefen untertaucht und sich dann wieder mit harmloser Freude an die OberflHche hMlt",^ die gemelnsamen Lleder und SpaziergEnge. Auch in diesem

Brief steht die Klage, dass immer wieder etwas sich ein- stelle, das das 8ftere Zusammenkommen verhindert. Der gemeinsame Arbeltsaufenthalt in Tirol bringt die Freunde wieder zeitweilig zusammen. Schon bald darauf trltt aber eine gewisse Entfremdung ein und aus demselben G-rund, der bei Beer-Hofmann angedeutet ist. Hofmannsthal be- kennt, ein "gar nicht glilckllch.es Verh<nis" zu

Schnitzlers Der Weg ins Frele zu haben. Wieder schreibt

Hofmannsthal, er kiJnne zwischen dem Freund und seinen

Arbeiten keine Grenzen ziehen. Hofmannsthal fiihlt sich

"sehr verst8rt"75 und erkl&rt sein langes Schweigen damit*

Der Schatten geht voriiber. Wieder erscheint der Wunsch,

73 Siehe den Brief an Schnitzler, 19. Juni 1903* Brlefe II, S. 111.

74 an Schnitzler, 23. Juni 1904, ebd. , S. 145•

75 an Schnitzler, 24. Juli 1908, ebd.. S. 335. Schnitzler After zu sehen, wieder mit ihm zu reisen, denn nie hat Hofmannsthal, wie er im April 1909 schreibt, eine Stunde mit Schnitzler verbracht, "die nicht von einem ganz bestlmmten positiven Wohlgeftlhl, mehr noch des Gemiltes als des Geistes, begleltet gewe- sen wfire." Erst in den letzten Jahren sei ihm "der

Knopf aufgegangen"76 filr Schnitzlers Arbeiten, die er immer gern gehabt habe. Mag auch die letztere Aussage durch Schnitzlers "gute Worte" fiber Elektra gefflrbt sein, so gelingt es Hofmannsthal doch spfiter, den Freund und Dichter in Schnitzler zu vereinen. Wir erinnern uns an die Brlefe des jungen Hofmannsthal, in denen er die

Freundschaft mit Schnitzler als eine Landschaft, ein

Tableau sleht. Als er im Jahre 1912 in den gerade her- ausgekommenen, ihm aber wohlbekannten Erz&hlungen der

Gesammelten Werke Schnitzlers bl&ttert, ist er von ei­ ner Vertrautheit bertihrt, als w&re es Schnitzlers Ge-

sicht, das ihm entgegens&he, ein Gesicht, das fragend

in den Leser hineinschaut. Aus dem abseitsstehenden Be-

trachten des Anderen ist das Gefilhl einer lebendlgen,

gegenseitigen Bindung geworden. Als Hofmannsthal dann

die Photographie des Freundes sieht, stilrzen ihm Trftnen

7 6 an Schnitzler, 1. April 1909, ebd.. S. 359. -114- aus den Augen. Hofmannsthal erlebt

das grosse Gltlck und das unauflflsliche Geheimnis, von einem Wesen, das zur glelchen Zeit lebt, gleichzeitig die rein geistige Einwlrkung des Dlchters und die menschilche des Menschen zu erfahren . . . das Hin und Wieder des freundschaftlichen Verkehrs, dq.s dem Andern Abgeschaute und Abgeftlhlte sogleich in Kunstwerken ver- geistigt und erhiJht wiederzufinden . . .

Fttr das, was der Zweiundzwanzigj&hrige als "viele schflne

Stunden" bezeichnet hat, findet der Mltere Hofmannsthal

ergreifende Dankesworte:

. . . das kann mir wohl nie wiederkommen, was damals die Verknilpfung mit lhnen und Richard zuerst mir schenkte . • • Frtih- reif und doch unendlich unerfahren trat ich aus der absoluten Einsamkeit meiner frtihen Jugend hervor - da waren Sie ftlr mich nicht nur ein Mensch, ein Freund, sondern eine neue Verkniipfung mit der Welt, Sie waren selbst fur mich eine ganze Welt • . . Nie in diesen zwanzig Jahren war es mir gleichgiltig lhnen zu begeg- nen, nie habe ich mit Gleichgiltigkelt die Seiten in einem Ihrer B&cher umge- wandt.77

77 12. Juni 1912, Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 390f. -115- Erst die VeriJffent 11 chung des gesamten Brlefwechsele wlrd elnen Einbllck In die letzten anderthalb Jahr- zehnte dleser Dichterfreundschaft gewllhren,^®

Durch die VeriJffentllchung elnes Telles des Nach- lasses Hermann Bahrs und einiger Brlefe Hofmannsthals an Bahr 1st ©s miJgllch, dieses Verh<nis auch nach

1909* dem Abbrechen des zwelten Briefbandes, zu ver- folgen. Was mit Ausnahme der ersten Jahre filr die ganze

Zeit bis zu den letzten verilffentlichten Briefen Bahrs auffflllt, ist das gegenseitige Missverstehen. Joseph

Gregor, der den vollst&ndlgen Brlefwechsel kennt, be- t.ont das Unorganische des Gedankenaustausches. "Die flammende, sich verzehrende Natur" Hofmannsthals sei

Bahr im Grunde unbegrelflich gewesen. "Diese beiden ...

schlossen einander aus."79

7fi Aus Schnitzlers Brlefwechsel mit Georg Brandes (Georg Brandes und Arthur Schnitzler - Ein Brlefwechsel. herausgegeben von Kurt Bergeli Bern, 1956) 1st allerdlngs zu entnehmen, dass Schnitzler und Hofmannsthal sich spM- ter selten sehen. Es fttllt zum Beispiel auf, dass Schnitzler einmal von einem bevorstehenden Treffen mit Beer-Hofmann in Aussee schreibt, aber Hofmannsthal nur als ebenfalls dort Wohnenden erwllhnt (21. August 1920, S. 131). - Im Dezember 1924 tellt Schnitzler mit, dass er Hofmannsthal zuweilen ein Jahr lang nicht sehe (14. Dezember 1924, S. 142).

^ Melster . . . . S. 150. -116-

Bahr, der es sich laut einer Notiz vom Jahre 1895 zur Aufgabe macht, Hofmannsthal, der seinem Lehen erst wieder einen Sinn gegeben habe, "zu verstehen, zu kom- mentieren, krltisch tapfer fechtend zu beglelten," ftthlt sich einmal veranlasst, eine Begegnung zu vermeiden. Er kiJnne nicht kiJrperlich in Rodaun sein, da es ihm see- llsch nicht mflglich sei, schreibt er, noch dazu am

Weihnachtsabend. Nur ein schwacher Trost liegt in der

Bemerkung, man kenne sich Jetzt viele Jahre, Hofmanns­ thal sei manchmal an ihm, Bahr, irregeworden, doch habe

On man sich ja immer wieder zusammengefunden.

Hofmannsthal, der in den ersten Jahren der Bekannt- schaft sich nach dem Gespr&ch mit Bahr mehr sehnt als nach dem Jedes anderen Menschen, gibt schon im September

1898 "grosse, manchmal unheimliche Abweichungen" von- einander zu, Auch hier ist Hoffnung ausgedriickt. Sie h&tten sich zwar in den letzten Jahren wenig gesehen, doch hMtten sie Ja "im Grunde alles, was viel in ihrer

Existenz bedeutet, in irgendwelcher Weise gemeinsam,

Siehe den Brief vom 24. Dezember 1904, ebd,, S. 169.

8, September 1898, Brlefe I, S. 267. -117-

Auf die Frage von Strauss: "Haben Sie Bahrs ab- lehnende Kritlk des Rosenkavaliertextes gelesen? Hat mich sehr frappiert; denn Bahr 1st sonst von gutem

Rlechorgan . . ,"82 antwortet der Dichter: "Je bolder

Sie eine taumelige, unleidliche Renegatennatur wie Bahr durchblicken, desto lieber ist es mir . . • Solche Men­ schen sind nicht urteilslos, aber frellich welt, weit schlimmer und gef&hrlicher. 1,83 Was immer Bahr ilber ihn geschrleben hat, "es war immer hohl, immer schief . • • ohne Wucht, ohne Konsequenz, ohne lnnere Wahrheit."8^

Bahr ki)nne unmiJgllch das von Strauss gewilnschte ge- wlchtige Wort ilber die schreiben.

Erst mit dem Kriegsausbruch und dem Bewusstwerden der gemeinsamen Verantwortung filr die bedrohten geistigen

Kr&fte kommen sich belde wieder nllher. "Was zwischen uns vorgefalien ist, dass einer filr den andern zeitweise ein wenig unfasslich wird - das ist ilberwunden"8^

82 an Hofmannsthal, 24. Juli 1911, S. 122.

83 26. Juli 1911, S. 125.

8^ an Strauss, 19. Dezember 1913* S. 216.

85 Meister . . . . S. 170. -118- schrelbt Hofmannsthal am 9. September 1914, und Bahr antwortet: "Was mich Je etwa von lhnen schled, war In diesem Augenblick ausgeliJscht.

Die wenlgen Zeugnisse aus der Nachkriegszelt las- sen die perstinliche WlederannHherung der beiden Dich­ ter erkennen. Hofmannsthal zelchnet sein Schaffenspro- gramm auf, zu dem Ihm Bahr eine zweite PubertHtszeit wie die Schaffensperiode im Elternhaus wilnscht,®? was

Hofmannsthal, sonst sehr verstimmt, wenn das Jugendwerk llberbetont wird und die Arbeiten der spMteren Jahre nicht berilcksichtigt werden, nicht einmal ilbelzunehmen scheint.

Am 15. Dezember 1921 schreibt Bahr in sein Tagebuch:

"Hugo llest mir das ganze Welttheater vor.'1®® In den letzten verflffentlichten Briefen Hofmannsthals wird um

Rat dber die vom Erzblschof gewilnschten Xnderungen ge- beten. Nach den langen Jahren des Mlsstrauens und Miss- verstehens schilesst Hofmannsthal dem Freund wieder sein Innerstes auf:

13 . September 1914, ebd.

Siehe die Briefe an Bahr, 15. Juni 1918, ebd. . S. 176f, und an Hofmannsthal, 19. Juni 1918, ebd., S. 177.

88 ebd.. S. 186 -119-

Ich bln 47* das ist der Moment, da G-rillparzer genug geleistet hatte, sich zurttckziehen durfte. Ich habe noch das Entscheidende zu lelsten, hoffentlich blelbt Zeit und kflrperllche Kraft. 9

Rudolf Alexander Schrflder

In Rudolf Alexander SchriJder flndet Hofmannsthal den elnen Dichter, mit dem ihn eine ungetrttbte, lang- j&hrige Freundschaft bis In den Tod verbindet. Die lite- rarlsche Beziehung beginnt mit der Ver8ffentlichung von

Hofmannsthals 11 Im Griinen zu singen" im ersten Heft der von Schr8der, Blerbaum und Heymel herausgegebenen Insel.

Die persiJnliche Bekanntschaft erfolgt vier Monate sp&ter, im Winter 1900 in Mttnchen auf der Durchreise nach Paris.

Auf die Besuche Schrtiders in Wien und Rodaun kurz vor und nach Hofmannsthals Verehelichung wurde schon hlnge- wiesen.

Zum zweiten Mai hat Hofmannsthal eine entscheidende

Begegnung mit einem Dichter aus dem Reich. Im Jahr 1928 zeichnet er die Verschiedenheit dieser Begegnungen auf:

"Die Begegnung mit George. Unausgesprochener Gegensatz.

89 22. Januar 1922, ebd.. 3. 183. -120-

Das Osterreichische. Natilrliche Verbindung mit dem

Theater. Begegnung mit SchriJder. ttbereinstimmung.119®

Eine persiJnliche Anzlehung bestfitigt ein vom 14. Februar

1902 datlerter Brief. Hofmannsthal bekennt darin, dem

Freund viel lebhafter entgegengekommen zu sein als dleser ihm. Eine gelstige tSberelnstimmung auf den ersten

Bllck schelnt es aber nicht zu sein, denn Hofmannsthal f&hrt fort: "... ich , . . habe heute die Freude daran, ein Verhftltnis zu lhnen zu besltzen, das mir nicht einmal ganz durchsichtig 1st . . ."91 Schon der erste (lberlieferte Brief spricht von einer Befangenheit dem Werk Schrfldera gegenilber. Hofmannsthal will sich

erst dann damit wirklich elnlassen, wenn er mehr innere und flussere Freiheit habe. Er denkt an SchriJder "im

ganzen mit Zutrauen, mit mehr Hoffnung als Angst."92

Der fiinf Wochen ap^ter folgende Brief erkl&rt die Be­

fangenheit genauer. Hofmannsthal schreibt, er werde

SchriJders Manuskripte nicht ohne Scheu lesen, da er wisse,

wie verschieden sie sich, "beide lebende Menschen und ein-

ander in raanchem Augenblick so nahe, des unhelmlichen

90 Corona 10 (1941), S. 405.

91 Brlefe II, S. 68.

92 19. April 1901, ebd.. S. 43. -121-

Ausdrucksmlttels ’Poesie' . . . bedienen."93 Mehr als einmal erwUhnt Hofmannsthal diese Verschiedenheit, bis ihm in dem oben zitierten Brief vom Februar 1902, zwei

Jahre nach der ersten persilnlichen Begegnung, das Ge- sttndnis entschlttpft: "ich muss offen sagen, dass mich die Masse Ihrer Gedichte verwirrt und in mir kein ande- res Geftlhl aufkommen l&sst als das allgemeine, einer reinen, seelenvollen Stimme zuzuhflren." Gibt es bei

Beer-Hofmann und zeitweilig bei Schnitzler eine Entfrem- dung aus literarischen Grtlnden, so besteht hler eine

Dlchterfreundschaft trotz eines anf&nglichen Nichtver- stehens, wenigstens von Seiten Hofmannsthals. Das wach- sende VerstMndnis filr Schrflders Werk von einem schon ftlr den Winter 1901/02 angektindlgten aber erst 1905 er- schienenen Aufsatz^ bis zum Lob des Werkes im Jahr 192693 aufzuzeigen ist nicht unsere Aufgabe. Uns kommt es dar- auf an, Hofmannsthals Feinfilhligkeit, wie sie ftlr die

Natur erkannt wurde, auch in Bezug auf den Dichterfreund und sein Werk zu zeigen. Trotz der Verschiedenheit ver-

93 25. Mai 1901, ebd. . S. 44.

9^ "Eines Dlchters Stimme", Die Neue Rundschau. 16 (1905), S. 765f.

55 "R.A. Schroeder", Der Lesezlrkel, Ztlrich, 1926. -122- traut er seinem Geftlhl:

. . . ich will manches von dem, was ich zu erkennen glaube, aufschreiben. Denn ich ftthle schon, dass da sich manches in einer Weise vollzieht, filr deren Abgrtlnde und Gipfel ich vlelleicht bessere Augen und mehr Mitgeftihl habe, als ein anderer von den Menschgn, die im Augenblick ver- filgbar wHren.9o

SchriJders Gegenwart bei der Arbeit an "Pompilia Oder das Leben" ist ihm "das Gegenteil von einer Last."9?

Hofmannsthal wtbcischt sich die Erhaltung der Verbindung, auch nachdem Schrader die Ins el verlHsst. Als er SchriJ- der ftlr den Sommer 1902 wieder nach Rodaun einl&dt, ahnt

er schon das enge VerhtLltnis mit denen, die er zwanzig

Jahre sp&ter seine geistig nMchststehenden Freunde nen-

nen wlrd: Er erw&hnt Borchardts Elegien und filgt hinzu:

"Wir gleichzeitig Lebenden sind ftlr einander von einer

geheimnlsvollen Bedeutung,"98

Hofmannsthal erlebt elf Jahre spMter ein neuntltgiges

Zusammensein mit SchriJder und Borchardt in des Letzteren

Haus in der Lucchesia. An Bodenhausen berichtet er dar-

tlber: "... Gesprfiche von frtLh bis abends, ein endloses

96 an Schrflder, 19. April 1901, Brlefe II, S. 43.

9? an Beer-Hofmann, ohne Datum (1901), ebd. . S. 52.

98 14. M&rz 1902, ebd. . S. 70. -123-

Gespinst aus tausend F&den - schiJnes Vorlesen, schiines freudiges ZuhiJren." Es seien die glilcklichsten Tage ge- wesen, die er seit Jahren gehabt habe und die fttr die dichterische Arbeit fruchtbar sein werden. Er ftthlt sich arbeitsfreudig; die Tage bei Lucca haben ihn "im

Geistigen unendlich befestigt, ermutigt, erheltert."99

Mehrmala bekennt sich Hofmannsthal in dieser Zeit zum Werk Schraders. In einem Aufsatz^-^ begriisst er die ttbertragung der Odyssoe, in Auerbach im Vogtland liest er im selben Jahr SchriJders Oden und schrelbt von dort, er sei "von der uns&glichen SchiJnheit dieser Gedlchte, ihrer Wahrheit vor allem, diesem wundervollen Mass, und von der Seele, die darin zutage tritt, dieser Mannhaftig- keit, W&rme und Tiefe . . . im tiefsten betroffen und ge- rtthrt."^^ - "Von der Seele, die darin zutage tritt" schreibt Hofmannsthal und stellt damit die ganzheitliche

Schau von Dichter und Werk her, die in den Anf&ngen der

Freundschaft fehlte. Wir erinnern uns, wie Hofmannsthal im Jahr 1912 beim Durchbl&ttern der Erz&hlungen Schnltz- lers die Vision des Autors hat. Mit dem Werk SchriJders

99 3 0 . April 1913, S. I43ff.

100 "Ein deutscher Homer von heute", Neue Frele Presse, 7. April 1912.

an Schrflder, 2. Dezember 1912, Die Neue Rund­ schau. Jahrgang 1948, S. 219. -124- geht ©s Ihm wenige Monate spflter fthnlich. Hofmannsthal bl&ttert die letzte, ihm noch unbekannte Elegie auf:

" . . . es war mehr und anders als das Anbllcken elnes

Auges, als die Berilhrung elner Hand - lch kann es nlcht anders sagen,"-^^

Als SchrBder In Berlin schwer erkrankt 1st, schrelbt

Hofmannsthal an Clara SchrBder, dass ihm SchrBder, wenn lmmer er an ihn denke, gegenwBrtig wird "als Mann und

Mensch, als Bruder und GefUhrte, als Schicksalsgenosse und Lehrer."1^5 pie wenigen, verstreut verBffentlichten

Brlefe der zwanziger Jahre geben Zeugnis davon. Der Mann und Mensch SchrBder: "... hab lch Dlch je lelcht ent- behren kBnnen, so welss lch nlcht, wie es war, aber ge- genwHrtig kann lchs nlcht. Lass mlch nlcht mehr lange ohne Dein GesprHch sein, dass wlr noch einmal fttr einan- der Lebende selen."l°^ Der Bruder und GefBhrte: "Du bist ein so grosses Stiick von melnem Leben, Rudi."^5 j)er

Lehrer: "Deln Urtell vor dem eigentlich aller andern

an SchrBder. 1. Februar 1913, Neue Schwelzer Rundschau 20 (1952-53), S. 227.

103 22. Januar 1918, ebd. . S. 228.

29. Januar 1923» Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 385.

105 2 9 . September 1927, Neue Schwelzer Rundschau 20 (1952-53), S. 229. -125-

Kens chen 1st ftlr mich ein glltiges Urtell."l°6 In elnera

ganz besonderen Masse und mehr als jeder andere zeitge- nfls sische Dlchter 1st SchrUder der Schlcksalsgenosse,

der wahre Dlchterfreund, mit dem er, wenn immer es m8g-

llch 1st, seine fertigen^07 und entstehenden Werke,

auch noch das l e t z t e ! 0 8 bespricht:

H&tte lch Dich Ufter, es wEre von der entscheldenden Bedeutung auch filr melne dlchterlsche Person. Es 1st, als ob lch eln Wesen wflre, das durch Andere muss zu seiner Vollendung gebracht werden - und Du wttrest der Starkste darunter, wofern Du mir Aufmerksarakeit schenken wolltest. Ich sage dies nlcht nur so aus einer all- gemeinen Intuition - auch da wUre es wahr - ich f-!lhlte es ganz concret und stark, vie Du zu rair dort bei der Seeklause -liber das eben gehUrte Lustspiel [Per Unbestechliche] sprachest - alles schloss sich uns zusam- men, es wurde mir dadurch sehr leicht, den letzten Act zu machen - ich glaube er wird Dich befriedigen.109

106 2 3 . M&rz 1935, Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 386.

107 Dem Klelnen Welttheater setzt Hofmannsthal den Tltel "Die Glllcklichen" bei' in Erinnerung an den ersten Besuch SchrUders, als er ihm "mit diesem Wort den inneren Zusammenhang dieser Figuren deutlich machte." (ohne Datum (1903)f Brlefe II, S. 127). - Vgl. auch die ErklWrung des Untertitels im Brief an Georg Franckenstein vom 1. August 1903, ebd.. S. 123.

108 siehe dazu Willi Schuhs Geleitwort zur Verttf- fentllchung der ursprtinglichen Fassung des ersten Aktes von Arabella oder der Fiakerball in Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 438.

109 20. November 1922, ebd.. S. 383. -1 2 6 -

Eberhard von Bodenhauaen

Die Bekanntschaft mit Bodenhauaen geht auf die neunziger Jahre zurtick, als Bodenhauaen Mitherausgeber des Pan ist, in dem im Jahr 1897 Teile des Klelnen Welt- theaters erscheinen. Aus der literarischen Beziehung ent- steht bald eine persiJnliche. Im Mflrz 1901, kurz vor der

Hochzeit, schreibt Hofmannsthal, seine wenigen Freunde seien ttberall hin verstreut, in Wien habe er recht iso- liert gelebt, und nun hoffe er, dass die Gemahlin Boden- hausens sich seiner zukiinftigen Frau annehmen m8chte.

Wenn nlcht elnmal die n&chsten Freunde von der Hochzeit unterrichtet werden, so wird doch Bodenhausen Mitteilung davon gemacht. Wleder vertraut Hofmannsthal seinem Ge- ftthl:

. . . freillch kennen wir uns ia gar nicht gut, in dem Sinn wie gewohnlich die Leute sagen "gute Bekannte" oder "Freunde". Aber ich habe die Empfindung, dass wir es doch sind, von dem Augen- bllck an, wo Sie mich damals aufgesucht haben und mir von Ihrer Verlobung er- zMhlt haben . . . und seit Sie mir, das andere Mai, Ihre Kleine gezelgt haben.

Er wllnscht sich ein Zusammensein mit Bodenhausen, das die

Freundschaft besiegeln und das bringen soil, was beide, wie

H O 16. M&rz 1901, S. 16. - Bodenhausen vermEhlte sich am 23. Oktober 1897. -127-

Hofmannsthal schreibt, sich "durch Jahre mit elnem Ei- gensinn, der gewiss sich nlcht tMuscht, versprechen und wtlnschen. "H I Nach dem Besuch In Heidelberg lm MSrz 1903 schrelben sich die Freunde in der Du-Form. Immer wieder

■wird Hofmannsthal von diesem Zeitpunkt an seln Freund- schaftsbekenntnls erneuern.

Die Briefe an Bodenhausen sind Hofmannsthals aus- ftihrlichste Diskussion seiner Schaffenswelse. Kaum eln- mal schllesst sich Hofmannsthal in Briefen an Andere so welt auf wie in denen an Bodenhausen. In der PersiJnlich- keit dieses Freundes gibt es nlcht die zvrel Aspekte

"Dichter" und "Mensch", die Hofmannsthal im Umgang mit

Beer-Hofmann, SchriJder, Schnitzler und anderen Dlchtern so sehr zu schaffen machen. Bodenhausen gegenilber kann er sich ganz dem pers8nlichen Freund mittellen, der, obwohl Jurist und GrossIndustrieller, als Kunstkenner und -hlstoriker ein felnes Verst&ndnis ftlr die N8te des

Dichters hat und aus eigener Erfahrung von den Schwierig-

keiten des schriftstellerischen Berufes weiss. In Boden­ hausen findet Hofmannsthal In Zeiten der Stockung der

Produktivitfit Trost und Zuspruch. Wenn George es 1902

111 September 1902, S. 22. -128- nicht elnmal wagt, "heilsame wort© zuzuflils tern",112 hat Hofmannsthal nach der anderen grossen Klage ilher sei­ ne UnproduktivitRt im Jahr 1913 elnen wahren Freund, der lhn ermutigen kann:

. . • wer von uns kann seiner Lftnge eine Elle zusetzen und was soil es fruch- ten, dartiber sorgende Betrachtungen anzu- stellen? . . . Dein Dalmon . . . muss lernen zu warten bis die Zeiten seiner Sprache gemflss sind . . . Wenn es t8- rlchte Toren glebt, die da fragen: “was schreibt er nun?" Wie steht es mit seiner Kraft zum Werk? - lass sie drehn und treiben. Sieh, was diese erbarmungs- lose Zelt aus Hauptmann gemacht hat. Merke, was sie aus Strauss machen wird. Und stehe Du in erhobener Ruhe und Gelassen- heit abseits, bewusst des Pfundes, das Dir vertraut wurde. Schreibe uns alle 5 Jahre eine Gestaltung.

Darttber hlnaus erteilt Bodenhausen praktlschen Rat, sei es betreffs der Wetterfiihligkelt, des Arbeitszlmmers

Oder der besten Bet&tigung in produktionslosen Tagen.

In der Gestaltung von Die Frau ohne Schatten zelgt sich Bodenhausens helfende Kraft besonders eindrucks- voll. Im Oktober vermisst Hofmannsthal seit 11 Tagen das zu selnem Schaffen so wichtige Naturelement der Sonne.

Trotzdem fiihlt er sich produktiv; hat doch das Gesprfich

I12 an Hofmannsthal, (Ende) Juli 1902, S. 166.

1:L3 18. August 1913 1 3. 153-156. -129- mit dem Freund den Stoff aus dem Schlaf geweckt: "Es

1st als h&tte er mit der Kraft einer Menschenseele al- les berilhrt. In den Briefen an Strauss steht NHheres darilber. Auf elnem Spaziergang in Gastein Im Sommer 1912 hat Bodenhausen den Freund gebeten, den "fliichtig vor- schwebenden M&rchenstoff" zu erzHhlen. Dadurch erst habe der Stoff Gestalt angenommen. Dem Spaziergang ver- dankt Hofmannsthal "die entscheidenden, schfJnsten Ein- fElle."H5 im September 1915 erinnert der Dlchter sich noch einmal mit Dank daran: "Heute vor zwei Jahren, der

Tag steht in meinem Notizbuch, erzHhlte ich Dir in

Gastein die "Frau ohne Schatten" und durch dleseB Er- zllhlen entstand erst das Wichtigste, Verbindendste.

Im Frilhje.hr 1916 vergleicht Hofmannsthal Bodenhausens

Bedeutung filr das Werk mit der Kesslers, wobei der an der

Entstehung des Rosenkavallers massgebllch Beteiligte recht schlecht wegkommt:

an Dora Bodenhausen, 10. Oktober 1912, S. 148.

ohne Datum (Januar 1914?), S. 221.

2. September 1915* S. 203. - Entweder 1st der Brief unrlchtig datiert, Oder es sollte heissen: "Heute vor drei Jahren ..." -130-

Mein Lieber, die Kraft Deiner Empfftng- lichkeit ftir das Neue 1st so, dass mich Deine Teilnahme und Deln Belfall ftir eine angefangene Arbeit Jahrelang durch Deine darin ttbertragene Kraft tiber Was- ser halten kann . . . (Der Beifall und die Teilnahme von H. Kessler sind mir heute, ich bin trau- rig es zu sagen, fast nichts. )H7

Mit Dank darf Hofmannsthal ausrufen: "Was ftir ein grosses

Gltick fllr mich, dass ich Dich zum Freund gewonnen ha­ be. "H 8 im September 1919 ist das M&rchen fertig. Hof­ mannsthal gedenkt in elnem Brief an Dora Bodenhausen der beiden Menschen, deren Anteilnahme ihm zur Gestal­ tung half; Bodenhausen, dessen Teilnahme ihn "mehr er- mutigte als die irgend eines andern Menschen", und Ru­ dolf Pannwitz, der ihm durch Bodenhausen n&her kam.

"sonderbar dlese beiden Namen so nebenelnander zu stel- len."11®

Die Briefe an Bodenhausen geben Gelegenheit, die zweite Schwelle in Hofmannsthals Freundschaftsgeftlhl aufzuzeigen, mit der eine dritte Phase beglnnt, in der der Dichter die ihn mit dem Freund verknilpfenden Fflden

11^ 28. April 1916, S. 215.

118 3. Dezember 1917, S. 240.

13-9 31. Oktober 1919, S. 253. - Vgi. den Brief an Pannwitz vom 4. August 1918, in dem Hofmannsthal um Bat zur Figur des Efrit bittet (Mesa 5 (August 1955), S.29ff)« -131- am stMrksten empfindet. Der ttbergang fflllt In die Zelt des drohenden Weltkrieges. War bis dahln Freundschaft eln wohltuendes, berelcherndes Geben und Nehmen, so wird nun die Blndung an den Freund ftir das Leben wie ftlr das dlchterische Gestalten eine Notwendigkeit.

Im "umdiisterten, beklommenen Deutschland" und

"confusen, lelse angstvollen iSsterrelch" fiihlt Hofmanns­ thal sich "so eigen, elnsam, sorgenvoll" und schreibt:

" . . . wie elnsam sind wir, und vie schiJn [1st es] dass wir einander haben. Ich mflchte Dich bitten: stirb mir nicht."120 Eine so ergreifende, mit solcher Einfach- heit vorgebrachte Bitte wie diese hat es zuvor nicht ge- geben. Das zeitliche Geschehen drttckt auf den Dichter.

"Trilb stets [stehts?] hier, Sberhard, triibe urn unser al- tes Osterreich . . . wir gehen einer dunklen Zelt entge- gen . . . kflnnen von Schritt zu Schritt alles verlleren - und - das 1st das Schlimmste - auch wo wir siegen, nichts rechtes gewinnen als nur Verlegenheiten" . . Als Bo­ denhausen sich nach der Melnung Hofmannsthals mit Arbeit ttberlastet, bittet er ihn, sich doch zu schonen: "Mir 1st halt um die Zukunft [sic] , Eberhard, mir gehts darum, Dich

120 21. Januar 1913, S. 149.

121 30. April 1913, S. I44f. -132- no ch lMnger zu behalten . * ."122 £um ersten Mai kommt kurz nach dem Kriegsausbruch das Unentbehrllche der

Freundschaft vor: "Lieber, lch miJchte um alles in dieser

Zelt Delnen Brief nlcht entbehren . . ."123 schreibt Hof­ mannsthal, von einem bestimmten Brief zwar, doch kiJnnte damit die gesamte menschliche Bezlehung gemelnt sein.

Im Dezember lautet eine Briefstelle:

Ich bin Dir sehr dankbar, Eberhard, dass Du mir so oft schreibst. Es 1st Ja sonder- bar dies rasende Geschehen in der Welt ver- Sndert alles so furchtbar - Freunde, die . man sleht, die Freundschaft, Aug in Aug, das was man Geistiges gemeinsam hat, dies 1st alles so abgeschw&cht • • . man sieht sich in die Augen und 1st angstvoll welt vonelnander - aber eine Stimme von weither aus dem Dunkel 1st so wohltuend, ein Brief von Dir, von Rudl [Schrflder] , das 1st mir sovielj Du vor allem, Eberhard.l2^

Ofter und inniger als je 1st er mit selnen Gedanken beim

Freund. Eine Berufung ins Hauptquartier wird nur darum erwogen, dem Freunde zeltweise nahe zu sein. Mehr als einmal schreibt Hofmannsthal, wie hart es ftir ihn sei, von den Freunden, lnsbesondere denkt er an SchriJder und

Bodenhausen, abgetrennt zu sein. Mit dem Stossgebet

122 11. Juni 1914, S. 166.

123 7. Oktober 1914, S. 172.

12^ 6. Dezember 1914, S. l86f. -133-

"Gott schenke uns noch im Leben ein paar SpaziergSnge in einer schtfnen Landschaft" schliesst ein Brief aus dem

Jahr 1915*12^ Es 1st Hofmannsthal aber nicht vergflnnt, so ungetrllbte, friedensvolle Tage wie die in Salzburg,

Heidelberg und Gastein mit dem Freund zu erleben. Mit

Bodenhausen verliert Hofmannsthal seinen "unersetzlichen besten Freund, den reichsten edelsten Menschen JseinesJ ganzen Lebenskreises.“126

Carl J. Burckhardt

Bin halbes Jahr nach dem Tod Bodenhausens macht Hof­ mannsthal bei einer privaten Puppenspielauffiihrung in

Wien die Bekanntschaft von Carl J. Burckhardt. Hofmanns­ thal schreibt in den ersten Briefen, dass der neue Kon-

takt ihn Vieles neu oehen lasse,^2^ sei doch "jedes neue

VerhMltnis des Geistes Oder Gemotes . . . sehr fiJr- dernd";12® dass "die Begegnung einer Gestalt, in der Be-

gabung und Charakter elnander das Gleichgewicht halten,

125 3. Mai 1915, S. 194.

•^2^ an Dora Bodenhausen, 8. Mai 1918, S. 252. - Bodenhausen starb am 6, Mai 1918.

Siehe den Brief ohne Datum (1919), S. 16.

■^2® 12. Februar 1920, S. 27. -134- die Begegnung einer wirklichen Natur immer wieder ein ungeheures Erlebnis"129 sei und eine aolche Bekanntschaft

ihn erneuere. Im Grunde 1st es aber fiir Hofmannsthal

keln neues, von alien anderen verschiedenes Freund-

schaftsverhEltnis, das sich einstellt, sondern die Fort-

setzung der tiefen Bindung an elnen Freund. Burckhardt nimmt im letzten Dezennium Hofmannsthals den Platz ein, den Bodenhausen innehatte.

Schon im Frilhjahr 1919 schreibt Hofmannsthal an

Burckhardt: "lch kann das gewissermassen Schicksalhafte

verstehen, das darin liegt, dass Sie hierher nach Wien in

diesem Moment kommen mussten, gerade Sie, und vielleicht

auch, dass Sie zu mir kommen mussten.11 1^0 Drei Jahre

spEter erklErt er es nEher: "Es ist ein grosses Gliick

ftlr mich, dass Sie in dieser Epoche meines Lebens mir be-

gegneten. Im Mai 1918 starb Eberhard Bodenhausen, der

menschlichste und darum stErkste Mensch meines Lebens-

kreises. Sechs Monate spEter lernte lch Sie kennen."131

Und noch einmal heisst es Ehnllch im Jahre 1926: "lch

^-29 an Helene Burckhardt, die Mutter, 26. Juli 1920, S. 42.

^ 0 ohne Datum (1919), S. 13.

!31 28. Oktober 1922, S. 103. -135- habe ©s im ersten Augenblick ftlr eine wunderbare Fttgung angesehen - dass Sie in mein Leben traten wenige Monate nachdem mir der Tod den besten Freund geraubt hatte."132

So sehr Hofmannsthal sonst unter den Freunden differen- ziert, bei Burckhardt findet sich der Vergleich mit dem

Wesentlichen des anderen Freundes: "In Ihnen ist mir in einer glticklichen Stunde etwas vom jungen Deutschen der

Rlteren Zeit in den Weg gekommen - so wie in meinem

Freund Bodenhausen mir der Deutsche, als Mann, . . . vor die Augen getreten ist . . ."133

Die Xhnllchkeit des Freundschaftsgefilhls zu Burck­ hardt mit dem zu Bodenhausen wird Im Sinn wie auch in der Wortwahl deutlich. Wieder bangt Hofmannsthal um die

Dauer der Verbindung und betont das ihm Unentbehrliche der Freundschaft: "Laufen Sie mir nur nicht pl8tzllch fort aus meiner Welt, lch wllrde Sie so schwer entbeh- ren."134- _ "sie diirfen mir jetzt nlcht verloren gehen, diese n&chsten Jahre, bis die paar Arbeiten fertig sind, will ich Sie nicht entbehren."135 _ "ich . • • brauche

132 io. September 1926, S. 225.

133 8. Mai 1922, S. 85.

154 6. Oktober 1920, S. 48.

135 25. Oktober 1921, S. 72. -136-

Sle In diesem Lebensmoment so notwendig."'1'38 Wie auf die Treffen mit Bodenhausen, so freut sich Hofmannsthal auf das Zusammensein mit Burckhardt, auf die Spazier- g&nge und auf die Familie des Freundes: " Ich filhle es voraus, lch werde noch einmal sehr gute Tage durch Sie und die Ihren in der Schweiz haben."^3^ - "Ich freue mich auf Sie - das ist ja das Beste, was man sagen kann, ich freue mich, wenn wir zu Fuss weit gehen und hungrig in einen kleinen Gasthof kommen werden, lch freue mich, dass wir uns gute Nacht und guten Morgen sagen werden, ich freue mich wie ein Kind, dass Sie mich nach Strass- burg fahren wollen . . . ich freue mich auf Dorl [Von der Miihll, Burckhardts Schwester ] . . • und auf Jan

^Burckhardts NeffenJ . . . auf Ihren Schwager . . . freue mich auf Ihre Mutter . . ."138 Mit derselben In- tens itMt wie nach dem Gespr&ch mit Bodenhausen sehnt er sich nach dem mit Burckhardt:

Ich kann kaum einen Gedanken denken, lieber Freund, dass er mich nicht zu Ihnen ftihrte; kaum ein Buch aufschla- gen, dass mir nicht augenblicklich der

1^6 14. (November - Dezember) 1921, S. 75.

Mittwoch nach Os tern, 1919» S. 12.

138 28. April 1923, S. 120* -137-

Wunsch k&me, mich mit Ihnen darttber zu unterhalten. Zuweilen weht ein Etwas an mir vorilber, ohne eigentlichen bestimm- baren Inhalt: wie ein Musikstttck von vie- len ausfilhrenden Instrumenten, aus zu wel­ ter Ferne, doch voll unendlicher Anregung: es sind ungeftihrte Gesprllche mit Ihnen*159

Wie Bodenhausen so hilft auch Burckhardt im dichte- rischen Schaffen. Hofmannsthal sendet verzweifelte Hilfe- rufe aus:

Ich habe das M&rchen zu Ende geschrieben, zu vielen alten PlUnen neuen Mut gefasst. Helfen Sie mir, lieber Herr Burckhardt, da Sie meine Arbelten gerne haben, wie Sie sagen - helfen Sie mir, wie Sie es schon zu tun angefangen haben, ich bin stark und schwach, zllh und sprflde zugleich, ein Son- nenstrahl kann einen andern Menschen aus mir machen, ein Strohhalm mich an der Ober- flfiche halten.l^O

Er sei nicht stark genug, den Verlust dessen, was mit

Osterreicli zerstiJrt wurde, alleln zu ertragen: "lch brauche Hilfe, und kelnes Menschen Hllfe kann mir so viel geben, als die Ihre, Carl.11

Burckhardts praktische Hilfe wird in den Briefen noch sichtbarer als die Bodenhausens. Auf seine Bemer-

139 1 3 . Juni 1 9 2 6 , S. 199.

140 12. August 1919, S. 21.

10. September 1926, S. 225. -138- kungen nach dem Leaen des Manuskripts der ersten drei

Akte des Turms und lm besonderen auf die Frage , o b , was

im dritten Akt besonders deutlich werde, nicht die At­

mosphere filr das Theater allzusehr verdiinnt sei, antwor-

tet Hofmannsthal: "Alles was Sie zum dritten Act vorge- brg.cht haben, bedenke lch mit der grttssten Aufmerksam-

keit. Es ist mir niemandes Teilnahme n&her als die Ihre,

und gar fiir diese Arbeit - und niemandes Kritlk gewichtl-

ger."-^42 Er bittet Burckhardt, die in Frage gestellten

Dialoge zu bezeichnen und umgehend zu senden. Als Burck­

hardt im selben Jahr in Wien ist, bittet ihn Hofmannsthal

filr mindestens einundeinhalb Tage nach Rodaun: "...

lch bln in meinem eigentlichen Dasein schauerlich iso-

liert, und da Sie nun da slnd, mijchte ich Ihren Rat in

zweierlei: die neue Arbeit ^Der Uribestechllchej und die

letzten Acte des Trauerspiels [^Der Turm^j betreffend. "^ 3

Ende Dezember Ist noch keine Zeile vom letzten Akt des

Turm geschrieben. Zum erstenmal, so fiirchtet Hofmannsthal,

kBnnte es geschehen, dass er die Arbeit nicht vollende.

Aus dieser Furcht heraus bittet er Burckhardt um ein Zu-

142 13. Oktober 1922, S. 97.

ohne Datum (1922), S. 99. -139- sammenaein In einer dem Schaffen gttnstlgen Landschaft und versucht, aus der Verblndung von optimalen natiir- lichen und aeelischen Umst&nden die Pester Schaffensbe- dingungen fttr die tiberaus schwere Arbeit herzustellen.

Zwei bis drei Wochen Gesellechaft von Burckhardt wiirden ihn "aus einer verzagten und unruhigen inneren Situation ins Productive hlntlberftlhren - und so llesse sich viel- leicht der Vte Act des Trauerspiels gewlnnen und damlt der Weg filr das Viele freimachen, das nachdrMngt.

Die Plfine zerschlagen sich. Auch der Aufenthalt in Burck- hardts Haus im Mai 1923 brlngt nicht den fttnften Akt.

Das dann im Juli und August Geschriebene kann Hofmanns­ thal nur als die vlellelcht vorletzte Fassung gelten las- sen. Verzweifelt wartet er im Oktober in Aussee auf

Burckhardts Besuch: "lch brauche Sie mehr als Je, brau- che nicht nur Ihre NEhe, die mir immer wohltut, sondern dlesmal auch vttllig Ihren Rat* Ihre ganze Teilnahme ftir den 1' T u r m 1 ." 1^5 Wenn er sich mit Burckhardts Hilfe in der Hauptarbelt wleder zurechtgefunden habe, werde er nicht von der Arbeit ablassen.

^ 2. Januar 1923, S. 114.

l45 9. Oktober 1923, S. 139. -140-

YTas die Freundschaft mit Burckhardt besonders fiir das dichterische Schaffen wertvoll macht, 1st, dass auch

Burckhardt schriftstellerisch tfttig ist und Hofmannsthal die KontemporaneltMt der Gleichzeitiglebenden, die ihn so oft besch&ftigt, in dieser Freundschaft auf der Ebene des gels tig s chaff enden Menschen erlebt. So wilnscht sich

Hofmannsthal nicht nur Rat, sondern auch die N&he des arbeltenden Freundes, dessen "iMtigkeit zu erleben, so mltzugenlessen"^^ ihm noch nie im Leben gegeben war, wie er einmal schreibt. "Vielleicht bringen Sie sich nichts zu Schweres zu tun Oder vorzuarbelten mit."I4?

Nach elnem Besuch in der Schweiz schreibt Hofmannsthal:

"ihre Arbeit hat mich auf meinen Romanplan [Andreas zuriick-J gebracht."I48 In dlesem Verh<nis 1st Geben und Nehmen eins: "In mir hat sich so vleles angesammelt, das schliesslich unmitgeteilt wieder abstirbt - und mein

Verlangen, an dem Yferden Ihrer Arbeit teilzunehmen, ist immer lebendlg • . ."149 gin anderes Mai heisst es:

146 13. Oktober 1922, S. 96.

147 9. Oktober 1923, S. 140.

148 24. August 1924, S. 155.

149 16. Jull 1926, S. 210. -141-

" . . . Indem lch Si© ilber das Dunkle und Schwerfassli- che unseres Geschickes In diesem Zeitalter zu trtisten suche, trflste lch mich selber."150

Immer wleder stellt Hofmannsthal die geistige Bln- dung zum Freund heraus. Burckhardt steht Ihm "im eigent­ lichen geistlgen Lebenspunkt n&her * . . als lrgend wer,"151 1st derjenige, von dem er "wahre geistige Hilfe immer empfangen kann und wie gerne" anniramt, dessen gei- stlges Klima dem seinen "so verwandt und so zutrMglich

1 s t . "152 s0 erw&chst Ihm aus dieser Verblndung nlcht nur der Mensch, der Ihm Trost ist, der sein Wesen, "das im­ mer so leicht auseinanderf&llt, mtlhelos zusammen- fasst" ,153 und der Jiingere, dessen Freundschaft fiir den

Fiinfzigj&hrigen "wie ein wunderbares Slexier"154 1st, sondern auch die produktive Kraft, wie sie Hofmannsthal schon friih In dieser Freundschaft als das Entscheldende betont: "Es ist seltsam mit solcher Anziehung zwischen

150 6. August 1925, S. 184.

151 12. April 1923, S. 118.

132 11. August 1928, S. 286.

153 6. August 1925, S. 184. 154 3 5. September 1923, S. 133. Menschen. Ob lhnen aber schilessiich das Hflhere ent- springt, einer durch den anderen zum Productiven gehoben wird, darauf kommt es an."155

Rudolf Borchardt

Im Gegensatz zum gradlinigen Wachsen des freund- schaftlichen VerhEltnisses zu Bodenhausen und Burckhardt treten in den Freundschaft mit Borchardt mehrmals Brtiche ein, besonders im ersten Jahrzehnt der Bekanntschaft.

Wir begeben uns des Versuchs, das schwankende Verh<nis der ersten Jahre aus den wenigen und oft undeutlichen

Belegen aufzuzeigen und begniigen uns mit der ErwMhnung einer firiefstelle aus dem Jahr 1912: HIch habe einen

Freund wledergewonnen . . . ftUr ein merkwiirdlges vor melnem inneren Auge schwankendes Gespenst einen Lebenden mir eingetauscht . . ."156 un(j einem erst viele Jahre spMter folgenden Riickblick auf diese Zeit: "Du aber

!55 27. Oktober 1920, S. 51.

^56 an Borchardt, 11. Juli 1912, S. 6 5 . warst fiir mich nur ein anzlehend-abstossender unheimli- cher, merkwtlrdiger Fremdling. "157

Worin llegt das Abstossende, Fremde Borchardts?

Bodenhausen charakterisiert ihn einmal folgendermassen:

"Borchardt ist ein Mensch, dessen man sich mit nichts an- derem erwehren kann, als mit Liebe. Er ist so gewaltig ale geistig-schUpferische Kraft, dass man ihm alles, aber auch alles verzeihen muse, soviel es auch zu verzeihen gibt."158 y/as Anstoss erregt, ist Borchardts Werk, Oder genauer: die Form des Werkes* Bodenhausen tadelt in die- sem Brief an Borchardts Vortrag "Der Krieg und die Deut- schen" einen "Ein-Schlag von Eitelkeit und Gespreizthelt" und polntiert mit dieser Rechtachreibung das allzu Explo­ sive. Auch Hofmannsthal muss mehrmals zugeben, dass er

Borchardts Werke nur schwer aufnehmen kann. Koch fast zehn

Jahre nach dem Zustandekommen einer bejubelten tleferen

157 Mai 1927. S. 196. - Vgl. dazu Borchardts Aussage liber sein VerhSltnis zu Hofmannsthal in dieser Zeit: "Mit„Hofmannsthal bin lch . . . wie ein unertr&gli- cher, argwohnischer, elferstichtiger Liebhaber, der mit der Geliebten nur in Szenen, Deaplts und Catastrophen exi- stiert, unftthig sich loszureissen . . . Ich bin mit ihm immer on the top of my voice, leide selbst unglaublich dar- unter und flnde es so unmflglich . . . ihm nachzusehen, was ich Jedem andern darum nachsehe, well mir leder andere ne- ben ihm so wenig bedeutet." (Brief an Schrdder vom 29. Junl 1907, Die Neue Rundschau 68 (1957)» S. 557).

158 an Hofmannsthal, 10. August 1915» S. 200. -144-

Blndung, In der ea zum "Du" gekommen 1st, das nur weni- ge Freunde auszelchnet, nennt Hofmannsthal Borchardts

Prosa "fastuos".159 ernster Bruch tritt lm Jahre 1924 ein, als Hofmannsthal den pathetlschen Glilckwunschbrief

In der Eranos-Festschrlft als mehr als peinllch empfin- det: "Was fiir ein TragelaphJ - Es hat so wenlg Hal tuns, dies Ganze."1^^

Worln llegt aher das Anziehende von Borchardts We- sen? Die zitlerte Brlefstelle Bodenhausens giht wleder einen Hlnweis: Sehe man nEmlich von dem Getadelten at, so hlelbe "etwas ganz Grosses und Bleibendes librig, das wahrhaft erliisend und befreiend wirkt auf verwandte Gei- ster." V,Tle verschieden immer Hofmannsthal und Borchardt

in Form und Ausdruck sein m8gen, auf einer geistigen Ebene

slnd sie verwandt. Was sie zusammenbringt, ist

das aufelnander-bezogen sein elniger weniger Manner, die sich ohne Hochmut aber gem&ss innerer Notwendigkeit, fast ohne es zu bemerken, von alien andern plUtzlich abgesondert sahen, dabei aber in wunderbarer Weise sich durch ein tie- feres Verstehen grosser Vorbilder, durch

^-59 an Burckhardt, 13. Oktober 1922, S. 98.

an Borchardt, 4. Februar 1924, S. 184. -145- eln Gefllhl innern Wachetums, und schliess- lich, am herrllchsten, durch eine mensch- lich tlefe Verknlipfung mit der Welt und den Menschen, gerettet und niemals-und-im- merfort am Zlele w i s s e n * l 6 l

Als die Verblndung anfangs auf Jahre unterbrochen wird, beharrt Hofmannsthal In dem Glauben an Borchardts "gei- stige Kraft . . • nlcht die rednerische pathetlsche . . . sondern jene kostbarere formende, klare zusammenhalten- de."l62 Er bittet immer wleder um Nachricht liber Bor­ chardts PlSne, Entwlirfe und Arbeit, da dies ihm bei sei- nem eigenen Schaffen helfe. Borchardts Werk "belehrt, be- reichert, erfreut im Tiefsten."I63

Hofmannsthal wlinscht echon im ersten liberlieferten

Brief, dass in der Beziehung zu Borchardt nlcht nur gei­ stige KrMfte wirken, sondern dass ihm auch Borchardts

"freundlich teilnehmende Gesinnungen"l64 zukommen mUchten.

Der Wunsch erfiillt sich. Hofmannsthal darf sich "in dem dunklen, gewundenen Weg [seiner] notwendlgen Entwicklung

. . . verstanden" fllhlen, "wo verstanden zu sein ein sel- ten zu Teil werdendes und htichst ersehntes Gllick 1st."165

1^1 an Borchardt, 27. Juli 1911, S. 54.

1^2 an Borchardt, 1. Oktober 1906, S. 12.

1^3 an Borchardt, 11. Juli 1912, S. 66.

164 Oktober 1906, S. 12.

1^5 an Borchardt, 27. Juli 1911, S. 54. -146-

Er betrachtet es als "die seltsamste Ftlgung . . . das eigene innerste Leben, erstarrt wie es 1st zu Kunst- werken, wleder wie In einem verzauberten Spiegel - sich regen zu filhlen"^^ sich in Borchardt nochmals zu er- leben. Burch das Treffen mit Borchardt im Jahr 1912 ftlhlt Hofmannsthal sein "Bestes von einer starken Stlmrae bestttndig gerufen und gerufen." Borchardts dort vorge- brachte Tadel am Jedermann klingen in ihm nach: "Ich wtisste kein Lob, von dessen Nachklingen jemals ein glei- ches freundliches Gef'flhl, Geftihl der nahen Hilfe, in zarten verbreiternden Kreisen durch mein ganzes Geisti- ges sich fortgepflanzt h&tte, wie von dlesem Tadel." Da er sich nun jedes Lob und Jeden Tadel des Freundes un- elngeschrRnkt zu eigen machen kann, bittet er nach der ttbersendung der Ariadne: "Finden Sie es miJglich, mir ilber dieses kleine Werk zu schreiben, so wird es mich wahrhaft ftirdern, mich ermutigen, wo Sie mir recht geben, mir Umwege ersparen, wo Sie mir auf dem Weg Oder einer

Biegung des Weges zu folgen nicht bereit sind."-^7

±OD an Borchardt, 28. Februar 1907, S. 37.

167 11. Juli 1912, S. 67. -147-

Nach der Riickkehr von der Urauffiihrung, bei der ein kritisches VerhEltnis zum fertigen Frodukt sich ein-

gestellt hat, trelbt ea Hofmannsthal dazu, die Wlchtig-

keit der Teilnahme des Freundes an der dichterischen

Arbeit zu betonen. Obwohl Hofmannsthal schreibt, er sei nicht eigentlich unsicher, fragt er sich doch in diesem

Moment, welche anderen geistig Schaffenden ihm fruchtbare

Anteilnahme zuteil werden lassen kiJnnten: George viel-

leicht, "wMre fttr ihn ein anderes als schroff egocentrl-

sches Verhalten denkbar11; Oder Hauptmann, doch fehle bei

diesem trotz "warmer menschlicher Freundlichkeit und ei­

ner sozusagen amorphen HochschMtzung" ein Eingehen auf

den Entwlcklungsgang Hofmannsthals, also das, was Hof­

mannsthal bei Borchardt als eine Schicksalsfiigung sieht.

Ausser diesen erw&hnt Hofmannsthal niemand. Die wahren

Dichterfreunde sind Borchardt und Schrtider: "So sind es

denn Sie, seid Ihr es beide, die mir etwa friiher empfan-

gene Anregungen und Erleichterungen Eurer eigenen Ent-

wicklungsJahre nun durch Beistand, Aufhellung und wahr-

haftige Hilfe zurtickzahlt . . ."168

13. November 1912, S. 86f. -148-

Auch Borchardt hat an der Gestaltung der Frau ohne Schatten tell, Nach dem mtlndllchen ErzMhlen der

Handlung ftthlt sich Hofmannsthal durch den Beifall er- mutigt und sohrelbt, er habe sich "in die dramatische Ausfilhrung frech hineingesttlrzt. "169 Xm selben Brief begrilsst Hofmannsthal die unvollstMndigen Druckkorrek- turen von Borchardts Alkestisaufsatzes mlt dem Ausruf: Welche Kraft im Geistigen, und welches Vielfache von Kr&ften, das Dir gegeben 1st, mein Guteri Dies ist Philosophie der Geschichte, ist wahre Kritik, wahre Aesthetik und 1st mehr als dies alles , ist Leben und Geburt des Lebens, ist Anruf und Trost, Vfegweisung und Anfeu- erung, durch seine sittliche glilhende Kraft. Lass mich, wenn die Bitte nicht zu unbeschelden 1st, bald das Ganze in Mnden halten. V/endet sichs an alle, ge- h<9rt es alien, so redet es doch zu mir noch besonderc, belebt - wie ich Dlrs mit Worten nicht sagen kann, lieber mit Werken sagen ratichte, die dumpfsten er- starrtesten Entschlusse meiner ira Halb- bewusstsein so welt ausgreifenden friihen Jugend - und wo es abbricht, ist mir, als w^rest Du lm vertrautesten belebtesten GesprMch aus dem kleinen Bibllothekszim- mer hinausgegangen.170 Die Briefstelle spiegelt die Entwicklung von Hofmannsthals Freundschaft mit Borchardt. Am Anfang steht die geistige

1^9 an Borchardt, 6. Mai 1913, S. 105.

170 ebd. . S. 102f. -149- Kraft des Freundes, von der Hofmannsthal fast unraerk- lich, nur durch Gedankenstriche verbunden, auf das menschllche Verhflltnis, auf kttrperllche Nfthe, auf den pers8nllchen Einfluss Borchardts auf sein Schaffen zu sprechen kommt. Das wenige Tage zurilckliegende Zusammen- seln in Borchardts Haus hat ftir immer - wenlgstens scheint es so - der geistigen Freundschaft das Siegel der persiJnlichen Bindung aufgedriickt. Mit einem einfa- chen und gerade deshalb gevichtigen "Borchardt ist mir viel"17-*- gibt Hofmannsthal einem anderen E'reund Kunde von dem neuen Bund.

Das Hauptthema der folgenden Briefe sind die Auf- gaben, die sich aus der Bemflhung ergeben, Arbeiten fiir die Neuen Deutschen BeltrUge zusammenzustellen. Zu einer tStigen Hllfe des Freundes am dichterischen Schaffen kommt es jedoch nicht mehr. Hofmannsthal wird noch von der geheimnisvollen Relation des Schaffens beider spre­ chen und davon Zeugnis geben, dass er Borchardt Klarheit ilber Dinge verdankt, die er sonst "nur im Halbdunkel des produktlven Instinctes zu lfJsen vermag,"-^2 doch die Hoff- nungen, die er am Ende des Krieges auf den Einfluss der

171 an Bodenhausen, 30. April 1913, S. 145.

172 an Marie Luise Borchardt, 12. Juni 1923, S. 179. -150- pers8nlichen Beziehung auf zukflnftiges Schaffen aus- spricht, erfflllen sich nicht; einmal der rMumlichen Trennung, zum anderen des nie ganz heilenden Bruches von 1924 wegen.

Es bleibt die Sehnsucht nach dem Freund, "dieses lmmer unbefriedigte Hangen und Sehnen" nach der persfln- lichen NUhe und die Klage fiber das "Zu-wenlg, Zu-kurz, dies ewige Vorwegnehmen einer stets wegrflckenden Zu- kunft."173 Es bleibt die Sehnsucht nach der Wiederkehr von so glficklichen Tagen wie die in den Jahren 1912 und 1913. Im April 1921 schrelbt Hofmannsthal aus Lucca. Er gibt sich die Antwort auf die Frage, was ihn bewogen habe, ffir drei Tage hierher zu gehen: Nlchts Anderes "als das sinnlose unbegreifliche Streben, zwei mir wun- derbare und wichtlge Begegnungen mit Dir - aus dem unbe­ greif lichen Element, das wir das Halbvergangene nennen - mir heranzuziehen, und sle viellelcht dadurch erst zu dem zu machen, was wir alleln nicht mehr verlieren kfJn- nen: das vfillig Vergangene."174 statt der erhofften Zu-

an Borchardt, 10. Oktober 1918, S. 141. ^ 21. April 1921, S. 161. - Erst im Herbst 1921 kann Borchardt wieder in Monsagrati einziehen. Vgl. den Briefentwurf vom 18. Oktober 1921 von dort, S. 204ff. -151- kunft muss sich Hofmannsthal um die Sicherung des Ver- gangenen sorgen. Im Briefwechsel hleibt die Lucchesia der letzte Ort.an dem Hofmannsthal einen unmittelbaren

Anteil des Freundes im Schaffen erf&hrt.

Bei zwei festlichen Anl&ssen der Nachkriegszeit stellt Hofmannsthal die Bedeutung der Freundschaft mit Borchardt nochmals heraus. An Marie Luise Voigt, die Nichte Schrflders und Borchardts zweite Frau, schreibt er in seinem Glfickwunschbrief zur bevorstehenden Hoch-

zeit: . . . zwischen mir und Borchardt steht es so, dass . . . ich, oder meine Arbeiten . . • ihm sehr viel zu geben vermocht haben . . . dass aber indessen seine Arbeiten, seine Seele, in Gestalten und Rhythmen gebannt, ftir mich mehr geworden slnd, als ich sagen kann oder will, dass ich lhrer bedarf, um mich selbst als ein so Beschaffener, wie ich nun einmal bin, im Dasein zurechtzu- finden, dass ich an ihnen mich nicht nur entziicke, sondern durch sie melnen Weg finde, ja in gewissem Sinne meine Recht- fertigung . . . dass seine Gegenwart es mir leichter ertr&glich macht, ein Btirger dieser Zeit zu sein und nicht zu ermtlden.175 Zu Borchardts 50, Geburtstag spricht er in wenigen, ein- fachen Worten auf seine Y/eise das Freundschaftsbekennt- nis aus, das Borchardt drei Jahre vorher so verschleden in seinem Eranos-Brief darbrachte: "Als Du vor einem Vier-

14. November 1919, S. 148. -152- tel ;Jahrhundert . . . In dies Haus tratest . . . da war

Ich fftr Dlch vlel . . . Heute blst Du fftr mich sehr viel

. . . elnes der wenlgen gelstigen Indlvlduen, die mir

dlesen grossen leeren Raum Europa bevftlkern, elne gei-

stlge Gesellschaft, elne Hllfe, wahrhaft ein Freund.

176 31. Mai 1927, S. 196 -153- Dle Abgeschlossenhelt ... Ich habe darilber dass Ich ein Dichter bin, nicht aufhdren mtlBsen ein Mensch zu sein ... und der Mensch in mir ist nicht einsam ... Der Dichter aber ist ein­ sam ... (Hofmannsthal an Borchardt)

Im Juli 1920 arbeitet Hofmannsthal in Hodaun am Turpi. Frau und Kinder sind fort. Wildgans unterbrlcht die Stille des Hauses mit der ttbersendung seines Kain "und vergleicht im begleitenden Brief Hofmannsthal und sich selbst mit zwei Klausnern, die im selben Walde woh- nen. Hofmannsthal findet das Gleichnis treffend und knilpft daran an: Ich gehe auch manchmal in der Mijdlinger Cregend spazieren, und es liegt 30 nahe, bel Ihnen anzuklopfen. Aber ich versage es mir wie alle3 Jthnliche. Es ist wie mit der Dunkelkammer, deren Fenster eben zu- bleiben muss, wenn was werden soli* Es ist mir 8fter ein freundllcher Gedanke gewesen, dass an dieser Arbeit, wenn sie gelange, auch Sie Antell nehmen wfirden . . .177

^ 23. Juli 1920, S. 48f. - Der Herausgeber des Briefwechsels irrt in der Feststellung, dass es sich um den Schwierlgen handele. Der erste Akt ist berelts im April erschienen; die VeriJffentli chung des zweiten be- ginnt zwei Tage nach dem Datum des Briefes an Wildgans in der Neuen Frelen Presse. Dass Hofmannsthal um diese Zeit die Arbeit am Turm aufnimmt, 1st aus den Briefen an Burck- hardt (6. Oktober 1920; 27. Oktober 1920) und Borchardt (9* Oktober 1920) zu ersehen. -154- HofmannstTial beschrelbt die Spannung zwischen dem Be- dilrfnis nach menschlicher Bertthrung einerseits und der

zur Arbeit notwendigen Abgeschlossenheit andererseits, elne Spannung, die ihm immer wieder zu schaffen macht. Gern wtirde er bei dem anderen Dichter, der nur elne Weg- stunde von Rodaun entfernt wohnt, eintreten und in seine

Werkstatt schauen, vielleicht auch von der eigenen Ar­ beit mitteilen, freut er sich doch auf die kollegiale Anteilnahme. Aber das Gesetz seines Schaffens, das Hus- serste Konzentration erfordert, lHsst es nicht zu. Hof­ mannsthal muss sich aiesen Besuch versagen "wie alles Jthnliche", wie so viele andere menschliche Bertihrungen und zuweilen sogar das Familienleben. Wenn Hofmannsthal mit seiner Naturliebe und seinem starken Lichtverlangen das Bild der Dunkelkammer mit dem geschlossenen Fenster gebraucht, so wissen wir, wie sehr er unter der erzwunge- nen Abgeschlossenheit leldet.

Als ein halbes Jahr spHter Wildgans Dlrektor des

Burgtheaters wird, ist das Gleichnis vom Klausner in Hofmannsthal noch lebendig: "ich bin noch immer sehr

Uberrascht, dass der eine Eremit seine.Klause im glelchen Wald ilberm Berg driiben hat verlassen k&nnen , .

^78 an Wildgans, 14. Februar 1921, S. 49. -155-

Der Dichter ist In den Zelten angestrengten Schaffens ein Klausner. Wie die Zelle manchmal sein Arbeitszim- mer, so ist die Abgeschlossenheit zuweilen elne seiner

Schaffensbedingungen.

W&hrend Hofmannsthal bei den geopsychischen Einfltis- sen zu der Erkenntnis einer Gesetzm&ssigkeit kommt, ge- lingt lhm filr die Abgeschiedenheit nur eine negative For- mel: MJe einsaraer ich bin . . . Je mehr verlischt alles, was nicht die Arbeit ist."179 Ein positives " je abge- schlossener, desto besser" kann es nicht geben, well Hof­ mannsthal, wie schon gezeigt wurde, zum Schaffen, vor al- lem zum Vorberelten der eigentlichen Ausfiihrung, oft die menschliche Beriihrung braucht, und mit zunehmendem Alter mehr und mehr. Verfolgen wir im Lebenslauf des Dichters an elnigen ausgewMhlten Briefstellen das Moment der Abge­ schiedenheit.

Die Gedichte stammen fast alle aus einer Zeit seines

Lebens, so unterstreicht Hofmannsthal in einem Brief,

"aus der allereinsamsten: der zwischen [demj achtzehnten und einundzwanzigsten Jahr. Mitten aus dieser Einsamkeit heraus . . . slnd diese Gedichte entstanden - sie rufen

!79 an Elisabeth Nicolics. 18. Juli 1908. Briefe II. S. 333. -156-

ihre Liebe an das Daseln ttber diesen Gtirtel von Elnsam-

kelt hinilber . . im Rtickblick teleskopiert Hof­ mannsthal die Jahre 1891 bis 1894 zu einer grossen Ein-

samkeit. Gerade In dies© Zelt fallen aber elne Relhe von

Bemerkungen ttber regen gesellschaftllchen Umgang, wie:

"ich lebe sehr viel in Gesellschaft . . . "181 - "ich habe mich im tleferen und seichteren Verkehr mit sehr vieler-

lei Menschen elngesponnen . . ."182 Allerdings fehlt nicht der Zusatz; "ich schreibe so gut wie nichts" -

"ich denke dabei fast nie an Literarisches." Hofmannsthal

meint die innere Einsamkeit des Jungen Menschen, nicht

die frelwlllige Abgeschiedenheit des arbeitenden Dichters.

Die Gedichte erfordern noch nicht das hohe Mass an Kon-

zentration, wie es fiir die l&ngeren Arbeiten notwendlg

ist.

Vom bewussten Sich-Abschliessen von der Gesellschaft

sprechen erst die Briefe des ZweiundzwanzigjUhrigen: "ich

lebe hier ganz still. Ich schreibe eine Novelle und sehe

5 - 6 andere vor mir."l84 „ njch gehe wenig unter Menschen

an Dora Bodenhausen, 27. Oktober 1911, S. 128.

181 an Carl August Klein, 4. Februar 1893, im Briefwechsel mit George, S. 57.

182 an Marie Herzfeld, 19. Januar 1893, Briefe I. S. 71f.

1®^ an Schnitzler, 27. Juni 1896, ebd. . S. 204, -157- und schreibe an einer zweiaktigen TragBdie in Verson."1®®

Die erzllhlende und dramatische Form erfordert eine andere

Arbeitsweise als das Gedicht. Mehr und mehr wird die Ab- geschiedenheit zur notwendigen Schaffensbedingung. Von der Radtour mit Schnitzler im Jahr 1893 berichtet Hof­ mannsthal von der ursprtlnglich nicht vorgesehenen Tren- nung: "Wir haben das grflsste Vergnilgen am Zusammensein ge- habtf es scheint aber doch Jedem fiir die Zeit des Arbei- tens das Alleinsein wttnschenswerter oder wenigstens siche- rer."l®® Im folgenden Monat schrelbt Hofmannsthal in Vene- dig den Abenteurer und die Sftngerln. wtthrend der Arbeit war er, wie er sich erinnert, "ganz einsam."1®? Die fruchtbarsten Stunden im betriebsamen Paris von 1900 sind die Stunden des Alleinseins in der UngestiJrtheit des Zim­ mers. Als er im Jahr 1902 in Wien ‘'nicht in die tiefe

Concentration gelangen kann, die ftlr das wlrkliche Aus- ftthren des Dramatischen j^Das Leben ein Traum, Elektraj niJthig 1st," plant er, sich an "einen stillen Fleck"l®9

an Clemens Franckenstein, 9. Dezember 1896, ebd.. S. 208*

!®® an den Vater, 18. August 1898, ebd. . S. 257.

an Bodenhausen, 5. Mai 1903, S. 30*

1®® Siehe die Briefe an die Eltern, ohne Datum, in Briefe II, S. 28 und 1. Mai 1900, ebd.. S. 36,

an Bodenhausen, September 1902, S. 21. -158- zu setzen, Er lebt dann ohne Frau und Tochter "ruble und einsam"190 j_n R0m, Nach der Reise berlchtet er von der

Arbeit an Das gerettete Venedlg aus Rodaun an Hermann

Bahr: "Sehen Sie, Jetzt ist das eingetreten, was Sie vo- riges Jahr . . . in einer sehr lieben Welse fttr mich ge- wttnscht haben, dass ich niemanden sehe, nicht einmal Sie, und immerfort arbeite."191 a u b Venedlg, immer noch an dem

Stttck arbeitend, aber schon mit anderen PlEnen umgehend, schrelbt er: "ich hab' elne so grosse Lust, manchmal be- sonders, wenn Ich allein und still bln, • . • vieles

SchiJne filr das Theater zu machen."192 s0 will er selbst seinen Geburtstag "in der Abgeschiedenheit" der sttdlichen

Stadt verbringen, denn die "so wohltuende, vollst&ndige

Einsamkeit"193 wirkt gtinstig. Auch die "Stille . . . und

Abgeschlossenheit^^ von Bad Fusch kommt der Arbeit zugute

Er erlebt dort elne "berauschende, innere Ftllle in der vfll ligen Elnsamkeit."195 ist er auf dem Ausseer Ramgut ein paar Stunden allein, so drftngen sich Gedanken und Stoffe

190 an Beer-Hofmann, 8 . Oktober 1902, Briefe II, S. 87.

191 ohne Datum (1902), ebd.. S. 98.

192 an Bahr, 20. Januar 1904, ebd. . S. 136.

193 an die Mutter, ohne Datum (Januar 1904). ebd.. S. 137.

I92* an den Vater, 15. Juli 1904, ebd.. S. 149.

195 an Salten, 21. August 1904, ebd.. S. 158. -159- stark hervor.1^ Neun Zehntel seiner blsherigen Werke, so schreibt Hofmannsthal Ira Jahr 1908, sind in der "schftn- sten Einsamkeit"1^ entstanden. Bei der Arbeit fflhlt er sich "elnsara und doch nicht einsam, denn die Arbeit ist 198 die seltsaraste Gesellschaft ..." Ahnlich hat er sich schon 1899 ausgesprochen:

Preilich wenn man arbeitet, 1st man nicht elnsara: denn man wtthlt Ira Tlefsten seiner Erinnerungen herum und rtthrt wlrklich an alles, was man Je erlebt, Ja auch gesehen und miterapfunden hat, und verknftpft sich durch die Arbeit oft tiefer als durch den Verkehr Oder Nachdenken mit den Existenzen anderer Menschen.

Trotz der "absoluten Isolierthelt" in Paris im Jahr 1911» in "UrastAnden, die sonst . . . die anregendsten, Ja fast berauschendsten sein konnten," befindet sich der Dichter in einem dunklen Zustand und verglelcht die Einsamkeit mit einem starken GetrAnk: Belde kdnnen "zeitwelse ebenso tief traurig raachen als tief berauschen."2^0 Doch das ist elne seltene Ausnahme. Abgeschlossenheit ist lAngst zu

■*■96 siehe den Brief an Bahr, ohne Datum (1904), ebd., S. 154.

•^7 an Bodenhausen, Ostersonntag 1908, S. 102.

an Bodenhausen, 18, Juli 1908, S. 104.

an Edgar Karg Bebenburg, 10. November 1899, Brlefe I, S. 293*

200 an Bodenhausen, 4. Mai 1911, S. 127. -160- einer wichtigen Schaffensbedingung geworden, Um arbeiten zu ktinnen, muss er sich "in die HiJhe verziehen"

"in Mttnchen lsolieren,"202 ‘'aus der Welt verschwinden,"

"sich verkriechen,"20^ "sich verstecken",204 "sich ab- schliessen."205 wflhrend der Arbeit an der Frau ohne Schat- ten geht er auf den Semmering, well es dort "vfillig leer und still"206 ist. Um den letzten Akt des furms zu ge- stalten, isoliert er sich auf Wochen "in einem einsamen

Nest,"20? wie er sich schon im Jahr zuvor ftir diese Arbeit vornimmt, einen ganzen Monat in Rodaun zu bleiben, ohne nach Wien hineinzufahren.20® Wflhrend der Arbeit an der

Aftyptlschen Helena schreibt er: "ich . . . habe mich von allem abgeschlossen . . ,"209 vom letzten Aufenthalt in

Aussee schildert der Dichter in ergrelfender Weise seine gebrechliche Existenz:

2°1 an Brahm, 11. August 1905* Brlefe II, S. 210.

202 an Schnitzler, 19. September 1909, ebd. . S. 374.

2°3 an Strauss, 16. September 1909* S. 70.

20^ an Strauss, 20. September 1909# S. 71.

2°5 an Bodenhausen, 10. Juli 1917, S. 234.

206 an Strauss, 12. Juni 1913, S. 200.

20? an Burckhardt, 9. August 1923, S. 128.

208 an Burckhardt, 13. Oktober 1922, S. 97.

2°9 an Strauss, 8 . November 1923, S. 434. - 161-

Ich muse, um zu bestehen, zu Zeiten sehr still exlstieren, darf mich nicht zu vie- len Dingen hingeben, deren Zerrissenheit, Abgrtindigkeit, suchendes oder tibergehendes Qesicht a chiles elich das Gemttt zerriltten bis zum Nicht - mehr - weiterkflnnen.210

Die Fttlle der Belege aus dem vierten LebensJahrzehnt mag Musserlich durch das Vorliegen verh<nismftssig vie- ler Briefe aus dieser Zeit bedingt sein; doch gibt es auch einen inneren Grund. Llessen sich Zeiten der Abge- schlossenheit harmonisch in das Leben des Junggesellen einbauen, so hat man in der zweiten Lebensh&lfte - Hof­ mannsthals Heirat fMllt fast auf den Monat genau in die

M l f t e des Lebens - den Elndruck des Gewaltsamen, Er- zwungenen. Die Abgeschlossenheit des Marines, Vaters und

Freundes muss mit Opfern erkauft werden. Ein Brief aus dem Jahr 1905 spricht davon: Das dichterische Gewissen

"zwlngt zu Zeiten zu den hiJchsten Anspannungen, deren die Phantasie und der Gelst in einer erzwungenen Einsam- keit fHhig sind . . ."211

Wovon muss sich der Dichter abschliessen? Das oft vorkommende Wort "still" weist auf akustische Ruhe als

an Otto Heuscheley 17# November 1928, zitiert in Otto Heuschele, Hugo von Hofmannsthal - Dank und Ge- d&chtnls. Freiburg, 1949, S. 92.

an Georg Franckenstein, 10. August 1905, Briefe II, S. 209. -162-

Schaffensbedingung bin. Mehrmals findot sich beim ftlteren

Dichter die Klage tiber stflrenden LUrm. Der Junge Hofmanns­ thal kann zuweilen selbst dann arbeiten, wenn er davon um- geben ist. Aber gerade das Hervorheben dieser Tatsache deutet auf das Bewusetsein des prinzipiell StiJrenden. In

Verona arbeitet er einmal "unter einem S&ulengang oder vor einem Kaffeehaus, unter all den Leuten.M^12 ^ yarese

"spielen den ganzen Tag mit furchtbarem Geschrei drei kleine Mfldeln.11 Sie stiJren ihn aber ’’absolut nicht, so wenig wie Spatzen."213 Dies sind Jedoch besondere Zeiten.

Hofmannsthal befindet sich auf den ertragreichen Arbeits- reisen seiner Jugend. Spflter meidet er den litrm. So hat er Angst, im iJLrm der Saisonhotels keine Ruhe flnden zu kflnnen: "Habe ich . . . ein Zimmer in einem zun&chst tlber- fttllten Hotel, Nachbarn recht und links so habe ich Ja

(selbst gute leichte Acclimatisation angenommen) kelnen

Arbeltsraum.*'214 wenn am Sonntag auf dem Semmering nicht. geklopft und geh&mmert wird, ftthlt er sich wie im Fara- dles.2^ Dass er trotz der Schindeldecker auf dem Nachbar- dach in Rodaun fleissig seln kann, stellt er als elne Aus-

212 an die Mutter, 21. August 1897, Briefe I, S. 221.

213 an die Mutter, 27. August 1897, ebd. . S. 227.

21^ an Bodenhausen, 12. August 1913, S. 153.

2*^ Siehe den Brief an den Vater, 4. Oktober 1908, Briefe II, S. 343. -163- nahme heraus.2-^ Elne der wichtigsten Bedingungen, die er zu einer besonders kritischen Zelt des Schaffens fttr die Wahl eines Ortes stellt, 1st, “dass das Zimmer Dop- peltilren hat, so dass man das GesprHch der Zimmernach- harn nicht h6rt.“217

Der arbeitende Dichter muse oft “allein" seln. Der

stMrende menschllche Kontakt wird vermieden. Das er-

zwungene Alleinsein erstreckt sich von den weitesten Um- weltsbereichen bis in den Kreis der wenigen engen Freunde.

Der Dichter isoliert sich vom Weltgeschehen. ttber der an-

gestrengten Arbeit im Herbst 1901 sleht er “gar keine

Zeitungen mehr."218 jn Monaten von “fast phantastischer

Arbeit“2*9 an tfdipus und die Sphinx schreibt er: “ • • •

Zeitungen sehe ich nat'Urllch keine. ,,220 sei^st in den be-

wegten HachkrlegsJahren zwlngt sich der Dichter zu einem

Arbeltsaufenthalt fern von alien und allem; er ist "ganz

2^ Siehe den Brief an Strauss, 27. Juni 1911, S. 112.

21^ an Burckhardt, 22. Juni 1924, S. 152.

2^® an Richard Dehmel, 1. Dezember 1901, Briefe II, S. 61. 219 an Bodenhausen auf die vergangenen Monate zu- rttckblickend, 2. Januar 1906, S. 70.

220 an Gertrud EyBoldt, 21. September 1905, Briefe II, S. 212. -164- allein” und hat ’’durch 25 Tage keine Zeitung geBehen.1,221

Nur durch diese vollkommene Abgeschiedenheit ist es ihm miigllch, das M&rchen Die Frau ohne Sohatten zu vollenden, dessen Gestaltung der Krieg immer wieder unterhrochen hat,

Ist zuweilen, wenn das Geschehen der Welt ausser- halb des Arbeitsraumes verbannt wird, die Nachricht von

Freunden und Bekannten erwiinecht und ein "Lichtstrahl", so wird zu anderen Zeiten die eingehende Post unbeachtet gelassen. Aus den vielen Belegen wflhlen wir einlge aus den letzten Lebensjahren. Einen Brief an Wildgans vom

4. Mai iiffnet Hofmannsthal erst am 13* Juli. Er hat ssine

Frau.gebeten, von den Briefer nur ’’die drfingendsten her- auszusuchen, alles PersiJnliche, von Freunden Herrilhrende wegzulegen, bis zu einer ruhigeren Zeit.”222 Hofmannsthal bedient sich der freundlichen Konvention; denn die Briefe der engsten Freunde sind willkommen und sollen mit beson- deren Kennzeichen versehen werden, damit sie im Postein- gang nicht ttbersehen werden. Den Brief von Strauss vom

7* November liest er "absichtlich erst”22^ am 15.» schaut

221 an Burckhardt, 12. August 1919$ S. 21.

222 an wildgans, 15. Juli 1928, S. 60.

223 an Strauss, 16. November 1928, S. 592. -165- auch, w&hrend er an dem drltten Akt der Arabella schreibt, den Posteingang nicht einmal an. Dasselbe ge- schleht wtthrend einer Stockung, die liberwunden werden soli. Vom Posteinlauf darf dann "nur das unmlttelbar

Drlngende gezelgt werden."224 Ein Brief Heuscheles kommt

ihm deshalb erst nach sechs Wochen zu Gesicht.

Ahnllch schreibt Hofmannsthal In lntenslven Schaf-

fensperloden wenlg, doch slnd die Vorzelchen versetzts

Der gelegentliche Gruss, das Gesch&ftliche stfiren die

Arbeit nicht zu sehr. Die Beschflftigung mit dem Freund

aber zleht ab. "Alle Kraft," die der Dichter bel der Ar­ beit an Silvia lm Stern "in Worte legen kann . . .

striJmt Jetzt elnen andern Weg," In das Werk. Er kann brieflich nlchts "von der Lebhaftigkeit und Wttrme her-

geben,"225 mit der er an den Freund denkt. Das Brief-

schrelben 1st Uberhaupt "fttr elnen, dessen fortwilhrende

Arbeit das Schrelben 1st, manchmal ganz unertrflglich."226

An SchriJder erwidert er nach der eraten Niederschrift

von Das Gerettete Venedlg: "Was mein 'Schweigen' betrifft,

22^ an Otto Heuschele, 11. Juli 1927, zitiert in dessen Buch, a.a.O., S. 89.

22^ an Bodenhausen, 21. Oktober 1907, S. 97.

22^ an Hermann Bahr, 19. Juni 1903, Briefe II, S. 113. -166-

b o habe Ich In keinem Jahr meines Lehens so angespannt,

80 wlrkllch gearheitet.”227 Schnitzler entschuldlgt er sich Hhnlich: "ich habe , • • so viel gearbeitet, ge- dacht, notiert, dass ich wirklich, ausser kleinen Karten an Gerty und meinen Vater, nlchts Briefartiges habe

schreiben kflnnen und wollen • . . "228 gej_ aer Arbeit

gilt es, sich zusammenzufassen, nicht Briefe zu schrei­ ben, heisst es einmal.229 Im folgenden M&rz beginnt ein

Brief mit den Worten: "Mein Schweigen hatte keinen an-

dern Grund als Sie vermuten: ich hatte mich zu concen-

trieren."230 Wochen spHter heisst es: " • . • ich habe

seit Ende April nur ftlr diese Arbeit j^Frau ohne Schatten

gelebt, habe meine Korrespondenz vtillig unterbrochen

• • • '•231

Das Moment der Abgeschlossenheit zeigt sich auch In

der Scheu, von einem neuen Stoff und dem entstehenden

Werk zu sprechen. So bittet Hofmannsthal Otto Brahm:

227 ohne Datum (1903), ebd. . S. 127.

228 24. Juli 1908, ebd.. S. 334. - Ganz stimmt das zwar nicht, denn aus den vorangegangenen Tagen liegen drei recht ausftihrliche Briefe an Bodenhausen, Strauss und Baronin Nicolics vor*

229 siehe den Brief an Borchardt, 11. Juli 1912, S. 66.

250 an Borchardt, 5. MUrz 1913, S. 99.

231 an Strauss, 3. Juni 1913, S. 196. -167-

HLassen Sie mich vom ' Leben ein Traum' • . , nlchts mehr sprechen, his ich Ihnen die ersten drei Akte oder etwa das ganze Sttick zuschicken kann."232 j)em engen Freund tellt Hofmannsthal im August 1925 mit: "ich habe mich einer neuen Arbeit [Xenodoxus wieder] zugewandt . . .

Ich mflchte nlchts darttber sagen: ich muss Jetzt alle meine Krflfte in mich ziehen,"233 Jlhnllch heisst es ge- legentlich an Strauss, wie beim Beginn der Arbeit an

Arabella: "Bitte verlangen Sie nicht, dass ich Ihnen im jetzigen Stadium zu viel erz&hlel Ich muss furchtbar achtgeben, mir selbst den Spass an der Sache nicht verderben . . ,"234

Mehrere Erinnerungen berichten, dass Hofmannsthal

Besuche abwehrt, wenn er sein Schaffen gef&hrdet sieht,

Der relfe Dichter Urgert sich zuweilen tiber die eigene

SensibilltUt anderen Menschen gegenilber:

Was fiir ein Unsinn 1st das aber ttberhaupt in meinem Alter, von den Menschen so be- schwert zu werden - dass ich dann zu meinen ertrttumten Figuren zurtickkehre wie aus der Hfllle in den Himmel. 235

252 20. August 1902, Briefe II, S. 82.

2^3 an Burckhardt, 6 . August 1925, S. 184.

2^4 22. Dezember 1927, S. 531f.

2^5 an Burckhardt, ohne Datum (1920), S. 53. -168-

Der Dichter h< sich wfihrend des Schaffens den stflren- den Menschen fern. Es wird unter selnen Bekannten zur allgemein anerkannten Regel, dass man nicht ohne Voran- meldung kommt, dass man auf elne Elnladung wartet.

Alleinseln heisst aber auch, sich manchmal den Um- gang mit dem engsten Freund versagen zu mtissen. Im Ab- schnitt uDie Jahreszeit" haben wir bereits Hofmannsthals

Verzlcht, den Freund zu sehen, erw&hnt: Der Besuch Boden- hausens im Jahr 1907 muss um des konzentrlerten Schaffens willen geopfert werden. Jahre sp&ter schreibt Hofmanns­ thal, das Zusammenseln liesse sich nicht mit intenslver

Arbeit vereinen. Wieder versagt sich der Dichter die N&- he des Freundes, die ihm als Menschen so wohltut.2-^ Und noch einmal, wllhrend der Wiederaufnahme der Arbeit am

MUrchen wiederholt es sich so: MDu rufst mich und ich kann nicht kommen - ich glaube, ich darf nicht kommen

. . . diese kurze Zeit ist vor mir, mich abzuschllessen

. , . um ftir mich zu arbeiten."237 Das wiederholte Ver-

st^ndnls ftir den notwendigen Verzicht auf die persiJnliche

Begegnung zeichnet den Freund Bodenhausen vor den anderen

siehe den Brief an Bodenhausen, 16. August 1913, S. 153.

257 10. Juli 1917, S. 234. -169- aus; dieser ist ganz in die Schaff ensweise Hofmannsthals

eingeweiht, und von ihm kann der Dichter ein unbedingtes

Vertrauen erwarten.

Mfigen diese Zitate genttgen, zu dem im voranstehen- den Abschnitt aufgestellten Satz: "Der Dichter braucht den Freund" die Gegenthese aufzustellen: "Der Dichter braucht die Abgeschlossenheit." Beides ist richtlg. Die

Verschiedenheit der Situationen erfordert bald das elne, bald das andere. Manchmal aber gelingt dem Dichter eine

Synthese der diametralen Gegens&tze von freundschaftli-

cher Geselligkeit und Einsamkeit. Wie so oft drlickt Hof­

mannsthal das so schwer Auszusprechende auch hier im

Bild aus. Er steckt in der Arbeit an Cristinas Helmrelse

und fiihlt sich elnsam, "wie tief in einem Bergwerk, nur

im Finstern lrgendwo neben sich, aber welt, glaubt man

einen andern hlmmem zu h6ren." Unmittelbar darauf folgt

die Identifizierung und der Anruf des Anderen: "Sie

[Schnltzler] z.B. . . . Ich glaube ich werde Sie plfltz-

lich brauchen, zur Hilfe."238 paS wesen des Anderen ist

ihm auch dann noch gegenwflrtig, wenn er sich In seine Ar­

beit vergraben hat. Dem Vater erklMrt er zwei Jahre spflter,

2^8 ^us einem Brief vom Herbst 1907, mitgeteilt von Olga schnitzler in "Der Junge Hofmannsthal", Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 533. -170- er wolle doch nicht wie vorgesehen allein nach Italien reisen, um eine Arbeitsstockung zu ttberkommen. Sehr PJQ leicht bringe vfllllges Alleinaein unangenehme Folgen.

Ahnlich ftussert er sich spflter an Burckhardt: Ein vfllli- ges Alleinaein iiber Wochen vertrage er nicht mehr so recht.2^0 "Man kann . • • nicht dauernd ganz ohne Ge- sprflch sein."2^

Die Spannung zwischen dem Wunsch, den Freund bei sich zu haben, und dem Bedilrfnis, in der Abgeschieden- heit zu arbeiten, lftsst den Dichter in der schon oben erw&hnten Schaffenskrise wUhrend der Arbeit am Schluss der ersten Turin-Fa3sung von einem idealen Arbeitsaufent- halt im Gebirge tr&umen: Am Ort milssten die giinstigsten geopsychischen Bedingungen vorherrschen; nur wenige

Briefe dilrften ihn dort errelchen; der Freund milsste gegenwUrtig sein, doch "das Zusammensein milsste nur Re­ creation und das Alleinaein das Normale"2^2 sein* Dann wilrde der Dichter sich "in Einsamkeit und der Gesell-

239 siehe den Brief ohne Datum (Herbst 1909), Briefe II, S. 373.

2^° Siehe den Brief vom 4. Juni 1924, S. 149.

241 24. November 1926, S. 235.

an Burckhardt, 23. Dezember 1922, S. 111. -171- schaft elnes nahen verstehenden und fiihlenden Menschen wieder zusammenkriegen . • ."243 Nie hat Hofmannsthal

sehnllcher auf die gttnstigen Schaffenshedlngungen ge- hofft; kaum ein anderes Mai mag ihn die Unerfttllbarkeit des Wunschtraums mehr enttttuscht haben.

Hermann Bahr ftthlte sich zur Feststellung verlei-

tet, dass ftlr Hofmannsthal Hdle anderen alle nur In Be-

zug auf sein Schaffen existieren: der elne als der Freund,

dem man ein Stttck vorllesi [sic] , der andere der elnen

durch Gesprftch productiv macht, der dritte, der Ihm elne

Atmosphere zur Arbeit schaffen hilft."2^ So der Kritiker.

Die Freunde bezeugen anderes.. Erika Brecht dankt Hofmanns­

thal filr die rtthrende Hllfe, die sich auch auf praktische

Dinge erstreckt. Leopold von Andrian sprlcht von ihm als

einem idealen Berater. Felix Salten bezeichnet ihn von

alien Dichtern, die er kennt, als den Einzigen, der wirk-

lich regen und fflrdernden Anteil an den Arbeiten eines an­

deren Dichters nahm. Jakob Wassermann berichtet, Hofmanns­

thal habe oft ilber der Hilfe an andere die eigene Arbeit

vernachlftssigt. Hofmannsthal Hwar zur Freundschaft ge-

schaffen wie kelner, fast dtlnkt mich als sei mit ihm ein

243 an Burckhardt, 2. Januar 1923, S. 113f.

aus dem Tagebuch. 2. Oktober 1904. Meister .... S. 186. -172-

Zeitalter zu Ende, In dem der Begriff Freundschaft noch schttpferischen Sinn enthlelt • . ."245 Burckhardt findet die ErklMrung fttr Hofmannsthals so verschiedene

Wlrkung auf die Zeitgenossen In der Sensitivit&t des

Dlchters selbst:

Dieses Kraft und Liebe Gebende strttmte Immer aus von Ihm, eigentlich unabl&ssig. Die unmittelbare, von der Person ausgehen- de Wlrkung stellte Jedoch sich bei ihm nur in nahen Verhttltnlssen ein, nur in bezug auf bestimmte Menschen; zu den meisten hatte er keinen Zugang, well dasjenige, was von ihnen auf ihn zurttckwirkte, in solcher Deutlichkeit von ihm wahrgenommen wurde, dass es ihn beinah erschlug.246

Am schwierigsten wird die mitmenschllche Problema­

t i c wenn das Gelingen der Arbeit das vttllige Einsam-

sein, die Trennung von der f’amllie fordert* Der Mensch

leidet, um der dichterischen Verpflichtung nachkommen

zu kttnnen* In einer "qualvollen ttbergangsperiode" im

Juni 1906 - es mag das Einsetzen der gttnstigen Sommer-

zeit, der Beginn einer neuen Arbeit oder beides gemelnt

sein - trennt Hofmannsthal sich von den Selnen und ar-

beitet auf dem Semmering.2^ Im Sommer 1908 "plagt" er

24-5 Jakob Wassermann "Hofmannsthal der Freund", in Fiechtner, S. 97.

2^ Erlnnerungen. S. 24,

247 Siehe den Brief an den Vater, 23* Juni 1906, Briefe II, S. 232. -173- sioh, Cristinas Helmrelse zu beenden. Nach vielen anderen

Opfern muss er slch fast den ganzen Sommer von den Kin- dern, spEter auch von der Frau trennen.248 jn ^en bltte- ren NachkriegsJahren lesen wir mehrmals von der zeitweili- gen Trennung. So blelbt der Dichter im Jahr 1920 eine

Zeltlang elnsam in Rodaun zurllck, wfthrend er im folgenden

Jahr fttr Wochen alleln In Aussee 1st. Die Spannung zwlschen dem Wunsch, ein harmonisches Famillenleben zu ftlhren, und der dichterischen Verantwortung beschflftlgt ihn so stark, dass er Eberhard und Dora Bodenhausen elnmal bittet:

Ihr milsst mir ... aus freier und reiner Erinnerung die Momente Eures Daseins auf- schreiben, in welchen Euch das Gefilhl des Glticks am reinsten erfiillt hat, und die UmstEnde, die dlesen Moment bestimmen ... Worauf es ankommt das 1st die Exactheit des Detail: ob ^ene wenigen so bestimmt im Ged&chtnis aufleuchtenden Glttcksstunden elnsame Stunden waren Oder Stunden zu zweien ,..249

Die Umst&nde, die ihn zu der Bitte veranlasst haben, sind ihm noch nach 18 Jahren gegenw&rtlg. In der Einsamkeit eines Gebirgsdorfes hatte er damals eine hiJchst lnspira- tlonsreiche Zeit erlebt. Belm Lesen des "Gltlck und Ungltick" iiberschriebenen Teils von Burckhardts italienischen Auf-

248 Vgl. die Briefe an Bodenhausen vom 18. Juli 1908 und 29* August 1908, S. 105 und 106; und den an SchriJder vom 29. Juni 1908, Brlefe II, S. 329.

249 21. August 1904, S. 47f. -174-

zeichnungen erinnert er sicb daran: "Analoge Betrach-

tung menschllcher Existenzen In einem sehr glttcklichen,

ganz elnsamen Moment melnes Lebens, urns drelssigste Le- bensjahr. Melne httcheten Glticksmomente limner in vfllll-

ger Elnsamkelt, ohne Bezug auf eine Frau, ttberhaupt auf

elnen einzelnen Menschen, aber alien gleich nah wle lm

Mlttelpunkt elner Kugel."250 past erschr&ke man ilber

eine BriefBtelle: "Ich bin (lberaus froh, dass durch die

zuf&llige Filgung, dass meine Frau drinnen jin Wienjkrank

wurde, vir getrennt slnd. Alleinsein 1st eigentlich das

Einzige, daB ich ertrage,”251 wttsste man nicht, dass Hof­

mannsthal, im M&rz 1920 auf dem Tiefstand der eigenen

Exlstenz angelangt, Une&gliches leidet und an den Tod

denkt.

Man fragt sich, ob fiir den Dichter die Einsamkeit

die einzige mflgliche Lebeneform 1st. "Ob er tiberhaupt

lebt?" fragt sich auch Bahr.

Er liebt seine Frau und reist vor ihrer Entbindung ab. Er hat Kinder und kann ale Monate lang entbehren .., Fragt man die Gerty wie ee Hugo geht, so antwortet sie entweder: gut, es 1st ihm gestern soviel eingefalien, Oder: schlecht: es f&llt ihm

250 an Burckhardt, 28. Oktober 1922, S. 103f.

251 an Strauss, 10. M&rz 1920, S. 390. -175- nichts eini Darum dreht Bioh seine Welt und er 1st durchaus unftthig zu begreifen, dass sich lrgend eine Welt urn etwas anderes drehen kann.252

Ober die stllndigen Missverstfindnlsse zwischen Bahr und

Hofmannsthal 1st schon berichtet worden. Der gelegentli- che Besucher sieht auch hier nur die fiussere Schale. In- nerllch steht es anders. Dem langjflhrigen Freund gegen-

Uber 1st Hofmannsthal ein Advokat der She:

Dass Dein Leben sich ganz erftllle, ganz auslebe, alles Gute, Relne, Vornehme darin sich entfalte und ausbreite, eine Frau umspanne und in liebe Kinder sich hinttberlebe - 1st ein Wunsch meiner ganzen Seele..,M253

In Briefen an Burckhardt heisst es: "Die Ehe ist ein er- habenes Institut und steht in unseren unruhlgen Existen­ zen wie eine Burg aus einem einzigen Felsen."254 _ "Mir ist die Ehe etwas Hohes, wahrhaft das Sacrament - ich miJchte das Leben ohne die Ehe nicht denken."255 Selten macht Hofmannsthal auf das Hintlberreichen persfJnlichen

Erlebens fas Werk aufmerksam. Mit der ehelichen Bindung tut er e s , lndem er der gerade angeffihrten Stelle in

252 Aus dem Tagebuch, 2. Oktober 1£K)4, Melater.... S. 186. - Hofmannsthal war bel der Premiere der Elektra am 30 . Oktober 1903 in Berlin anwesend. Franz Eberhard wurde unerwartet friih am 29. Oktober geboren.

253 an Georg Franckensteln, 3. Dezember 1907, Briefe II, S. 300.

254 19. Jull 1928, S. 283. 2^5 io. September 1926, S. 224. -176-

Klammern hinzuftlgt: "Es 1st alles was ich davon denke

In meinen Lustspielen gesagt, oft in einer mit Willen versteckten und beinahe lelchtfertigen WelseJ" Abge- schlossenheit und Ehe schllessen einander nicht aus.

Hofmannsthal sleht sogar elnen Kausalnexus zwischen ihnen, n&mlich darin, "dass der Entschluss [zur Heirat] aus dieser wunderbaren Erhtihung aller Kr&fte, aus dem productiven Zustand hervorgeht, aus der Einsamkeit. So war ich, vor wie vielen Jahrenj einsam und glilcklich in

Paris, und ein Jahr sp&ter sass ich verheiratet in Rodaun, und ich werde es bis an meinen Tod nicht bereuen." Es kommt auf die Verteilung an; "Eine Ehe besteht nicht darin, dass man alles mlteinander t e i l t . " 2 5 6

Die Spannung zwischen den Pflichten des Menschen und der Verpflichtung des Dichters ist in einem Brief an die wohl vertrauteste Freundin zusammengefasst:

Wleder produktiv werden - das sagt sich leicht, aber es heiest, mit seinem ganzen Ich hlnliber in eine andere Welt . • • Kinder und Vater, Haus und Wirtschaft und Briefzeug * . • mit behutsamen Fingern ab- lflsen . . * Der Einsame, Einschichtige kommt lelchter zu solchen Augenblicken,

an Burckhardt, 25. Oktober 1926, S* 231. -177-

lch bereue aber nicht, dass ich ein Mensch bln wle andere Menschen, Kinder habe, ein Haus ftir sle aufrecht erhalte - so befremdllch es mlr manchmal 1st.257

W&re nur das Elnsame, "es wftre der scheussliche Egois- mus des Artlsten, mlr wtlrde vor melnem Leben ekeln . . ."258

2^7 an Ottonle Degenfeld, Juli 1912, Corona 10 (1943), S. 776. 258 an Bodenhausen, September 1913» S. 156. -178-

Dle Atmosphere dea Ortes

Ich glaube wenn Ich anders- wo bln,^bin Ich unendllch facile a vivre.

(Hofmannsthal an Burckhardt)

Hofmannsthal reist viel* Stellt man die Briefdatie- rungen zusammen, so erglbt sich eine fast verwirrende

Zahl von Osrtsangaben. Der Dichter ffthrt zu Proben und

Aufftthrungen, macht Besuche, geht auf Vortrags- und Stu- dlenreisen, f&hrt auch zuwellen nur zur Erholung fort und reist Im Krieg Im Auftrag der iSsterreichischen Re- gierung. Es iBt nichts UngewiJhnliches dabel. Blographien anderer Dichter erz&hlen von noch zahlreicheren, auege- dehnteren und abenteuerreicheren Reisen. Nicht so oft lesen wir aber, dass, wie Hofmannsthal es tut, ein Dich­ ter eine Arbeitsreise macht und dass wie bei ihm die Rei- se geradezu eine Schaffensbedingung sein kann. In voran- gegangenen Kapiteln haben wir bereits gezelgt, dass die

Relse gainstige geopsychische Bedingungen erschliesst und dem Dichter Gelegenheit zu konzentrierter Arbeit im Abge- schlossensein von StfJrendem gibt. Hofmannsthal reist aber auch, urn in glinstiger geistiger Atmosphere arbeiten zu kflnnen. In diesem Kapitel versuchen wir, des Dichters

Suche nach dleser aufzuzeigen. -179-

Der Siebzehnjfihrige fragt elnmal: "Warum weckt . • •

©In bloseer Wechsel der Lebensweise in mlr so viel, die wirklich starken Stimmungen der tJbergHnge, die wir ge- wtthnlich ersticken . • ,?"259 irgend etwas fehlt ihm in der Sommerfrische mit den Eltern. Was es ist, weiBs er selber nicht genau. Das Wort Langeweile steht zwischen den Zeilen der Sommerbriefe des Jflnglings. Auch in den

Briefen aus Wien wird oft fiber die EintiJnigkeit des Lebens im Elternhaus geklagt. Der junge Dichter hat den Wunsch, der routinem&sslgen Lebensweise zu entgehen, etwas zu erleben. Es ist, wie er sich sp&ter erinnert, "die Unge- duld der Jugend, die sich immer fort sehnt, nach neuen

Gegenden, andern Menschen."260 ^ will fort, nicht nur filr sich selber, wie er einmal sagt, sondern um andern davon erzllhlen zu kfinnen. Aber nicht nur um vom Erlebten

erz&hlen zu k8nnen, sondern um fiberhaupt erzflhlen, um

dlchten zu kifnnen, miJchte er reisen: "ich m8chte eine

Menge tun. Vielleicht gehe ich auf ein, zwei Monate

fort."261 Im Vorjahr hat er nach der Matura mit seinem

259 an Beer-Hofmann, 9. Juli 1891, Brlefe I, S. 21.

260 an den Vater, 15. Juli 1904, Brlefe II, S. 149.

261 an Marie Herzfeld, 28. Oktober 1893, Brlefe I, S. 92. Lehrer eine Studienreise durch Stidfrankreich und dann nach Venedlg machen dtirfen, Nun denkt er an eine Raise, auf der er, allein und der hHuslichen Atmosphflre ent- rilckt, wird dichten kiJnnen. Es bleibt vorerst beim Plan,

Langeweile und Bedttrfnis nach neuen Impulsen -spre-

chen auch aus den Brlefen aus der Milit^rdienstzeit,

Aus Tlumacz, das wir schon in der Betrachtung des Ver- b<nlsses zu den Freunden gerade seiner EintJde wegen

als Ort ernster Reflexion des Dichters kennen, stammt

das Urteil liber die unproduktlve Atmosphere des Daheim:

HDas Leben, das wir in Wien filhren, 1st nicht gut."

Hofmannsthal vergleicht das feinnervige Asthetentum

Wiens mit dem Leben von "Eokotten, die nur franzfisischen

Salat und Gefrorenes essen." Das Wohnen in Wien sollte

unterbrochen werden "durch sehr unscheinbare Reisen,

durch den Aufenthalt in kleinen unschiJnen St^dten und

am Land."2^2 Aber ein so radikales Zurilck-zur-Natur

llegt ihm gar nicht. Die Aufenthalte in unschfinen Orten

Mfihrens und Galiziens sind ihm auferlegt. Wenn er die

Wahl hat, sucht er schiJne StMdte auf. Die Schdnheit

wird geradezu ein Bestandteil des PlanB ftir die erste

an Beer-Hofmann, 10. Mai 1896, ebd.. S. I89f. -181- grflssere Arbeltsrelse Im Jahr 1897. Zuerst will der

Dichter sich am Schdnen sattsehen, dann im Nacherleben der Schdnheit arbeiten. Die schdnen Landschaften und

Stddte Oberitaliens bereiten ihn auf den produktiven

Zustand vor, den er schliessllch in Varese findet. In der Abldsung vom Zuhause, in der gttnstigen Jahreszeit, im gilnstigen Kllma und in der gilnstigen geistlgen At­ mosphere Oberitaliens entstehen Das Klelne Welttheater.

Die Frau im Fenster und der Anfang der Hochzeit der 3o- belde.

Hofmannsthal erlnnert sich sein ganzes Leben lang an die in Varese gefundene Produktivitdt und besucht noch dreissig Jahre spdter den Ort, sich daran erinnernd, dass Klelst einmal hier Zuflucht fand und er selbst

"vielleicht die glilcklichsten Wochen"2^3 seines Lebens hier hatte. Vielleicht ist es die unvergessliche Erinne- rung an die erste und so ergiebige Arbeitsreise, die den

Dichter limner wieder veranlasst, fern vom st&ndigen Wohn- sltz zu schaffen. Das Gefdhl, von Daheim welt weg zu sein, habe auf die Phantasie einen grossen Einfluss: "Die

Hauptsache ist, dass man kein fixes Zuhause hat,"2^

263 an Burckhardt, 11. Mai 1928, S. 280.

2^ an die Eltern, 25. Februar 1900. Briefe II. S. 13. -182- schrelbt der Junggeselle elnmal aus Paris. In Jedera

Dichter, so meint auch der verheiratete Hofmannsthal, steckt "eine fortwfthrende, elgentlich nie gestillte

Reiselust . • ."265 Reisen: solch ein Element entziehe sich Jeder Definition: "Wie schnell ist man weit vom gestrigen Tag . . ."266

Der Dichter sollte kein "fixes" Zuhause haben. Das

Adjektiv gewinnt an Gewicht, wenn man In anderen Briefen von der Sehnsucht nach dem Daheim, von der Freude auf das Wiedersehen mit dem Wohlbekannten liest. Hofmannsthal ist nicht nur landschaftlich, sondern auch im geistigen

Raum verwurzelt. Dass gerade der Jilngling, so sehr er fort sein, reisen mdchte, sich zur Heimat bekennt, unter- streicht das. Als George ihm vorschlMgt, "auf die grossen

Strassen" zu kommen, antwortet der NeunzehnjMhrige: "ich kann nicht gut • . . meinen Wohnsltz Mndern; ich wilrde vieles wertvolle, dem Individuum homogene an Formen, Be- ziehungen, Einsichten dadurch gegen Flacheres eintau- schen."267 Wien-Rodaun ist ihm sein ganzes Leben hindurch

265 an den Vater, 28. Februar 1905, ebd.. S. 199.

266 an Burckhardt, 15. Mai 1920, S. 36.

267 12. Juli 1893, S. 68. -183-

Helmat. Man darf nur nicht im fasten Zuhause erstarren.

Mehrmals erscheint in den Briefen die Gegenilberstellung

von Daheim und Reise. Ist es auch den Freunden miJglich,

Wien zu verlassen und in andere StHdte umzuziehen, so

scheint filr Hofmannsthal selhst in der schlimmsten Zeit

nach dem Krieg nicht einmal eine Mttglichkeit dazu zu be-

stehen. Wohl aber ruft er verzweifelt: "Seit 6 Jahren

liege ich hier wie ein Hund an der Kette . . . Wie soli

man denn das auf die Dauer aushalteni - Und ^etzt filr

unabsehbare Zeit eingekerkert seinl"288 wieder reisen

zu ktinnen, wilrde etwas unermesslich Wohltuendes sein*

Doch wie teuer ist das "facile a vivre", das dichte-

rische Gehobensein erkauftl Die feinfiihlige Dichternatur

ertr> den Wechsel nur schwer. Schon die Verftnderung

ilber wenige Kilometer, vom Wiener Absteigequartier nach

Rodaun und zurilck, wirkt "zerrilttend."269 j}ie schnelle

Reise nach Rom wird als ein "geschleudert sein" bezeich-

net. ^"Die Art wie wir uns in 24 Stunden von einem Land in

das Herz eines andern, in andere Luft, zu andern Wolken,

BHumen, Steinen und Menschen schleudern, hat kaum mehr

etwas Menschiiches." Fast immer gebe es deshalb "in den

268 an Burckhardt, Juni 1920, S. 39.

269 an Strauss, 14. Februar 1921, S. 395. -184-

ersten Tagen eines so vttlligen und so vehementen Wech-

sels . • . ©lne inneren Depression."270 ^Uf einen ent- mutigten Brief Burckhardts aus Konstantinopel sprlcht

Hofmannsthal aus eigener Erfahrung dem Freund Trost zu:

Meiner Natur liegt freilich nichts nllher, als in solche Niedergeschlagen- heit zu versinken, wenn ich mich zu- erst in einer fremden Welt und in einem neuen Klima finde; aber ich habe mich 8fters aus dieser Niedergeschlageriheit zu einer Hdhe der Freude und des Frel- heitsgeftihls erhoben, die dann auch ohnegleichen war.271

Dass es ihm nicht immer gelang, wissen wir aus den Brie-

fen aus Ragusa im Jahr 1905 und vor allem aus der Schweiz

im Jahr 1908, wo die ttrtliche Ver&nderung fast zum Schei-

tern der angefangenen Arbeit fiihrt. Obwohl Hofmannsthal

gelegentlich ilber die weniger feinftlhllge Natur von

Strauss seufzt, bezelchnet er die Tatsache, dass dieser

eben nicht durch jede iJrtliche Ver&nderung "auf Tage hln-

aus afflziert" wird, als positiv, als "eine tiberlegen-

heit . . . persflnlicher Organisation."272

Keiner kennt diesen negativen Aspekt der sonst so

giinstigen Reise besser als Burckhardt, der den Dichter

270 an die Eltern, 9. Oktober 1902, Brlefe II, S. 88.

271 11. Juli 1923, S. 123.

272 an Strauss, 28. Juli 1917, S. 324. -185- beim Planen der Arbeitsreise zum Gestalten des Schlusses vom Turm berllt:

. . • bei der grossen Einheit Ihrer ent- stehenden Vorstellung mit der atmosphftri- schen Gewalt, die aus fremder Natur und anderm Menschentum auf Sle einwirken, ktinnte die Ver&nderung doch eine allzu 3 She se in.273

Wie sehr dabei die geistige Atmosphflre beteiligt ist,

steht im vorausgegangenen Brief Hofmannsthals:

Ich will Jetzt keine itallenische Reise machen - und wenn es schon der Stidrand der Alpen sein soli . . . so will ich durchs Tirol und die Schweiz hin . . . ohne dass das Itallenische zu stark hin- ein splelt, . • • und auch in der glei- chen Weise wieder zurilck durch Tirol ins Salzburgische - dass es keine jUhe Ver- Mnderung im Atmosph&rischen gibt.274

Der Wechsel kann zu schnell sein und stiJren. Erst der

Aufenthalt wirkt fflrdernd. Die Vermutung des Jungen Dich

ters, dass "auf einer so kurzen und zierallch charglerten

Reise Stlmmung nle gleich entsteht • • ."275 best&tigt

der erfahrene: "Nur lRngere Aufenthalte geben einen Er-

trag."276 _ Ftlr* mich kommt alles darauf an, dass ich

273 an Hofmannsthal, Juni 1924, S. 151.

274 an Burckhardt, 4. Juni 1924, S. 149.

275 an den Vater, 18. August 1898, Brlefe I, S. 257.

276 an Burckhardt, 12. Januar 1925, S. 168. -186- irgendwo, wo es freundlich 1st, blelbe. der Wechsel nimmt mlr immer wleder die Sammlung weg,'auf die Ja alles ankommt."277

¥o bleibt der Dichter? Die lange Liste der Orte wird zu einer recht kurzen, wenn wir eine Topographie der Werkgeschichte versuchen, die die "landschaftlichen" und die 'kbgeschiedenen" ArbeitsplHtze ausschliesst. Es sind vor allem Grossst&dte, in denen sich die mitmensch- liche und historische Atmosphere konzentriert. Bevor wir auf sie eingehen, mils sen wir auf den Wohnsitz zuriick- kommen. Rodaun, dessen geopsychisches Element in der

Landschaft Nlederflsterreichs liegt, gehtfrt auch in einen

sozialpsychischen Kreis: Wien.

Hofmannsthal w&chst in der Gehurtsstadt auf, geht dort zur Schule und studiert an der Wiener UnlversitHt.

Der junge Dichter ist "Wiener". Charakteristisch filr die

selbstverst&ndliche Zugehdrigkeit zu Wien 1st die Frage

an eine Milnchnerin, ob sie Schnitzlers Sterben gelesen

habe; dieser "ist auch ein Wiener." Burschikos lfisst er

das Nichtwienerlsche unbeachtet: "Das gelbe Bilchel" sei

2?7 an Burckhardt, 2. Januar 1923, S. 115 -187-

11 in der grossen Affenstadt" [Berlin] erschienen.278

Gelegentlich wird die Heimatstadt auch kritlsiert, doch findet sich in den Briefen des jungen Dichters kaum ein

Hinweis auf die Atmosphere Wiens als eine auf das Schaf-

fen einwirkende Kraft* Diese wird ihm erst aus der Ent-

fernung bewusst, ist aber auch in den Briefen von der

Maturareise und aus dem Einjehrig-Freiwilligenjahr nur

hier und da angedeutet. Uber den Reisen der Jahre 1897

bis 1899 - wir werden auf sie zuHlckkommen - stehen so

viele glilckllche Zeichen, dass auch von dort nur Gele-

gentliches iiber Wien ausgesagt wird. Hofmannsthal berich-

tet von den Reisen und reflektiert wenig ilber die Heimat­

stadt. Aber dann findet er sich sechsundzwanzigjehrig

pltttzlich in die Atmosphere von Paris, einer von Wien so

verschledenen Weltstadt, gestellt, Kurz zuvor in Wien hat

er noch iiber das Widerstreben der Arbeit und die eigene

Unsicherhelt geklagt. Das ist auf einmal wie weggeblasen.

In Paris, so meint er schon in den ersten Tagen, wird er

produktiv werden kBnnen. Der Stlmmungsumschwung fiihrt

zum Vergleich zwischen den StHdten. Nun fiihlt sich Hof­

mannsthal gar nicht mehr als ein integraler Teil des Ge-

278 an Elsa Bruckraann-Cantacuzene, 2 6 . Dezember

Brlefe I , S . 1 2 4 . -188- burtsortes. Im Gegenteil: Er plant, elnmal aus Wien auszuziehen, ausserhalb des Stadtkerns zu wohnen, ein

Wunsch, der anderthalb Jahre spflter erfdllt wird. Wien bat nun im Rdckblick auf die vergangenen Jahre eine

"ernledrigende, abmlidende Atmosphflre."279 gin "qual- voller bleierner Zustand"2®® drttckt ihn dort nieder.

Nach diesem Aufenthalt in Paris im Jahr 1900 wird Hof­ mannsthal nur noch negatlv von der gegenw&rtigen Wiener

Atmosphere sprechen. "Die neidige, nttrgelnde und stagnie-

rende Atmosphere von Wien muss Jedenfalls mit Vorsicht

und mit Unterbrechungen genossen werden . . ."281 heisst

es zum Beispiel in einem Brief aus dem Jahr 1909. Das

Wien des Krieges 1st "zwar weniger widerwertig als im

Frieden, aber doch herzlos und 8de genug."282 „ "ich ge-

niesse Wien nicht sehr"283 heisst es lakonlsch in einem

Nachkriegsbrief. Wien, "wo einen elgentllch alles entweder

ergert, Oder betrilbt, Oder langweiltf"284 "schwer

279 an Beer-Hofmann, 2. April 1900, ebd.. S. 305.

280 an die Eltern, ohne Datum (1900), Brlefe II, S. 19.

281 an den Vater, ohne Datum (1909), ebd.. S. 356.

282 an Bodenhausen, 14. Dezember 1914, S. 191.

283 an Burckhardt, 28. November 1924, S. 162. 284 an Burckhardt, 12. Januar 1925, S. 167. -18 9** ertr&glich . . . verstelnemd « . . furchtbar. 112^5

Nun lehnt es Hofmannsthal sogar ab» mit Wien identifi- ziert zu werden: "Sie schlmpfen mich einen Wiener: das

1st arg. Gar zu sehr muss ich's nicht sein, sonst wtlrde mir die Atmosphere nicht so gegen den Strich gehen. **286

Die Ableugnung der ZugehiJrigkeit zu Wien ist umso

erstaunlicher, als Hofmannsthal sich im Werk immer wie- der zu der Tradition Wiens und Csterreichs bekennt. Die historische Atmosphere Wiens inspiriert den Rosenkavaller und Arabella. Xm Krieg gibt Hofmannsthal die Bende der

flsterreichischen Bibllothek heraus. Mehr als die Heifte

der Prosaschriften aus den Jahren 1912 bis 1918 ist das,

was er als Titel zweier Aufsetze aus dem Jahr 1914- setzt:

"Die Bejahung Osterreichs", kulturpolitische Prosa, zum

"Aufbau, nicht Einreissen". Hofmannsthal ohne Csterreich

und ohne Wien will einem undenkbar erscheinen. Kann ein

Dichter tiefer in der Heimat verwurzelt sein als Hof­

mannsthal? Kann es jemand geben, der sterker als er vom

Einsturz des traditionsreichen Gebltudes betroffen wird?

Was Hofmannsthal krltisiert, ist das Wesen der Wiener

Zeitgenossen, das fttr ihn so sehr im Gegensatz zu dem

an Burckhardt, 25. Oktober 1926, S. 23

an strauss, 31. Januar 1914, S. 224. - Der vor- angegangene Brief von Strauss fehlt. -190- vergangener Zelten steht, Im Wien der Gegenwart 1st es,

"als oh man alien Leuten etwas angetan hfltte."2®? Das

Negative Wiens findet sich auch In zwel Notizen und ei­ ner inhaltlichen Erklflrung zum Andreas: "in Wien kommt

es Jedem darauf an, etwas vorzustellen,"2®® - "Andreas. -

Resultat des venezianischen Aufenthaltes: er ftthlt mit

Schaudern, dass er In die eingeschrMnkte Wiener Existenz

garnicht zuriick kann , . ,”289 Der Roman verfolgt "die

Entwicklung elnes jungen Wieners zum Menschen (oder zum

Deutschen).”290

In Wien fehlen Hofmannsthal die entscheidenden

menschllchen Bertlhrungen. Die wirkllchen Freunde, von der

Jugendzelt nattlrllch ahgesehen, slnd Nlcht-Wlener. Vor

allera fehlen aber die Aufnahme und Anerkennung des Werkes.

Die zweite Fassung der Ariadne auf Naxos ist zeitlich das

erste Werk, das in Wien uraufgefiihrt wird. Das "unertr^g-

llche, unwienerische [i] , unmiJgliche Theater"2^ in Wien

muss regeneriert werden, fordert Hofmannsthal im Jahr

an den Vater, ohne Datum (1908), Brlefe II, S. 313.

2®® Die Erzflhlungen. S. 216.

289 ebd.. S. 247.

290 an Strauss, 31. Januar 1914, S. 224.

2 91 an Burckhardt, ohne Datum (1920), S. 53. -191-

1920. Er hofft auf Reinhardt. Als der Plan eines gast- weisen Wirkens Reinhardts am Burgtheater sich zerschlflgt, muss Hofmannsthal den lange gehegten Wunsch, endlich ein- raal ein Stttck des nicht ftlr Musik geschriehenen Bilhnen- werkes, den Schwierlgen. in Wien herauszubringen, aufge- hen. Erst mit dem Uribestechllohen gelingt 1923 eine Pre­ miere in der Heimatstadt.292 Ebenso unleidlich 1st die

Wiener Kritik, auf die Hofmannsthal immer wieder heftig reagiert. Was ftir ein Gegensatz besteht zum Beispiel zwischen Berlin, wo ’’die ganze erste Garnitur der Presse" erscheint, und Wien, wo man "vermutlich die Gerichtssaal- reporter geschickt h&tte."293 Die Antwort des Vaters auf diese Zeilen macht eine eingehendere Erklflrung notwendig.

In der Atmosphere Wiens fehlt es dem Dichter "an Jenem .

Mass von lebendlgen (nicht bloss gedankllchen) Best&ti- gungsm{Jgllchkelten,"294

2^2 pie Hochzelt der Sobelde und Der Abenteurer und die Sflngerin wurden allerdlngs gleichzeitig, am l6. MSrz 1899, am Deutschen Theater in Berlin und am Burg­ theater uraufgeftthrt, doch war die Wiener Premiere alien Massstfiben nach eine zweitklassige.

293 an (Jen vater, ohne Datum (1907)* Brlefe II, S. 301. - Es handelte sich nicht um ein Werk Hofmanns­ thals •

29^ an den Vater, ohne Datum (1907)* Brlefe II, S. 304. Hofmannsthal spHter in der historischen AtmosphHre.295

Lebendige Best&tigungsmttglichkeiten durfte er bis ins Al­ ter in Wien nicht erleben. Wien bleibt zwar sein Leben hindurch das Zuhause. Doch die "uribedingt notwendige Ba­ sis . • • genau das, was mutatis mutandis Balzac an seinem

Paris, Goethe an seinem Weimar hatte, und was Grillparzer niemals hatte, auch nicht energisch haben wollte und dar- um in so gr&sslicher und unsympathischer Weise verkommen musste," findet Hofmannsthal "in einem so viel weiteren und potenteren Milieu, wie Deutschland es ist."^96

In einer Prologszene, in welcher die Schauspieler des Theaters der Josefstadt Jeder sich selbst spielen,

l&sst Hofmannsthal Hugo Thimig dem Wiener Publikum einen unerv,rarteten Seitenhleb ertellen, indem er glelchzeitig

auf eine andere Stadt hinweist: "Und Sie nehmen an, das

dies ohne welteres verstanden werden wird? Ich meine: hier.

Hier ist doch schliesslich nicht Berlin."297 in Berlin

findet Hofmannsthal lmmer wieder eine befruchtende geisti-

ge Atmosphere, "ein ausserordentliches Milieu,"2^ -"ein

295 es ist bezeichnend, dass Hofmannsthal auch beim Schwlerlgen. der doch in der Gegenwart spielt, an ein hi/ storisches Moment denkt. Siehe unten, S. 218.

2^ Aus dem gerade zitierten Brief an den Vater.

297 '«Das Theater des Neuen," Lustsniele IV, S. 413.

2^® an den Vater, ohne Datum (1908), Brlefe II, S. 317. -193- ganzes Milieu, bestehend aus vornehmen Leuten, aus Ge- sch^ftsleuten, aus Kiinstlern u.s.f. , unter denen ich eine meiner inneren Geltung analoge Stellung von selbst einnehme und nicht fortwflhrend idiotische und achiefe

WiderstlLnde zu ttberwinden brauche. "299 Hier macht er entscheidende Bekanntschaften, unter anderen die Harry

Graf Kesslers. Hier ist das Kommunizieren miJglich, dessen

Fehlen Hofmannsthal in Wien beklagt. Mindestens einmal im

Jahr reist Hofmannsthal in der Vorkriegszeit nach Berlin,

Was von der Vorbereitung der Auffiihrung eines Stilckes,

Der Tor und der Tod, berichtet wird, ktinnte filr das ganze

Theaterleben gelten: "Ganz besonders angenehm ist natiirlich die AtmosphHre des Theaters . . ,"300 gein geln, nichts Neldiges wie in WienI Vom Direktor bis zum

Inspizienten freuen - Hofmannsthal unterstreicht das

Wort - sich alle auf die Aufftihrung. Den Berliner Biihnen vertraut Hofmannsthal die Urauffilhrungen - wir nennen nur die wichtigsten - an von Die Frau im Fenster. dem ersten

Werk Hofmannsthals, das 8ffentlich aufgefilhrt wird, Elek-

tra. Das gerettete Venedlg. ttdlpus und die Sphinx. Cristi­ nas Helmreise, Jedermann.

299 an den Vater, ohne Datum (1907)* ebd., S. 304f,

300 an den Vater, ohne Datum (1907)» ebd.. S, 313.

t -194-

Und doch spielt Berlin In der Werkgeschichte eine sehr kleine Rolle. Nur gelegentlich 1st es elgentlicher

Arheltsort. Als geschlossenes Werk entsteht in Berlin nur Die lUstigen, eine ’’kleine Improvisation", die ihm

"filnf Tage lang Spass gemacht und . . . das Geftihl einer gewissen Kraft gegeben hat."301 Xussere UmstMnde haben diesen Aufenthalt bedlngt. Die betrlebsame Stadt gibt dem Dichter keine Zeit zu konzentriertem Schaffen. Wir erinnern uns an das Rodauner Arbeitszimmer, das eigent- lich gar nicht ein solches ist. Dort wird vorbereitet, was die Feder auszufiihren hat, und die Fertigstellung mit der Vorlesung gefeiert. Mit Berlin steht es Xhnlich.

Hier empfXngt der Dichter Schaffensimpulse und erlebt in den Aufftihrungen die KriJnung der Arbeit.302

Auch die andere Grossstadt, die Hofmannsthal gern aufsucht, ist nicht das, was man in Hofmannsthals Schaf­ fen einen Arbeitsort nennen kflnnte. Der erste Besuch 1st

Jedoch als mehrmonatiger Arbeitsaufenthalt geplant. Drei produktive Reisen sind vorausgegangen. Nun im Winter und

Friihjahr 1900 will Hofmannsthal in Paris arbeiten. Paris erweist sich zuerst durchaus nicht als ideal. "Es gibt

301 an Bodenhausen, Februar 1916, S. 208.

302 Krltische Stellungnahmen zu Berlin nach 1920 gehen auf das Konto der Verleger- und TJheaterpolitik der Inf latlons Jahre. -195- hier furchtbar viel Falsches, Paradoxes und Nieder- trftchtiges, es 1st wirklich eine Hexenkttche,"303 Pro- duktlve Anregung entsteht aber bald In der Begegnung und Ira Verkehr mit anderen Kttnstlern. Hofmannsthal be- sucht Rodin im Atelier und im Heim. Er ftthlt sich dort

"in einer ganz andern, sehr grossen Welt."304 Qft sieht er Maeterlinck, und recht schnell ist die Verbindung zu einem ganzen Kttnstlerkreis hergestellt, Begelstert schreibt er von den Besuchen des Louvre und von Kunstaus- stellungen. Er ftthlt sich in einer ’’sehr hochgestimmten

Atmosphere, die das Grttsste und Ernsthafte an Produktion kennt • • ."305 Paris erweist sich als "wohltuend, anre- gend und ntttzlich."306 ^ie A r b e it drSngt sich ihm fttrmlich auf, Er ftthlt sich viel "mutlger, sicherer, helterer"3^ als zuvor, erlebt eine "ttberschwemmung von Arbeit und Ent- wttrfen, Gedichten, NoVellen, lyrischen Dramen, Mrchen", aber die Hoffnung, "auf einem Wagen voll Manuskripten"308 nach Wien zurttckzukehren, erfttllt sich nicht. Trotz des

an Leopold Andrian, 7. Mttrz 1900, Brlefe I, S. 297.

an Schnitzler, 15. Mttrz 1900, ebd.. S. 298.

303 an Bahr, 24.- Mttrz 1900, ebd. . S. 300.

306 an die Eltern, 11. Mttrz 1900, Brlefe II, S. 18.

30? an Beer-Hofmann, 2. April 1900, Brlefe I, S. 304,

3°® an Ria Schmujlow-Classen, 19. April 1900. ebd.. S. 308. -196-

Versuches, sich auf etwas zu konzentrleren, gellngt es ihm nicht, eine l&ngere Arbeit zu vollenden. Am Vorabend der Abrelse gibt er den Eltern und sich selbst Rechen- schaft (Aber den Parlser Aufenthait. Brlnge er auch nicht viel Fertiges309 nach Hause, so werde doch noch lange al­ les, was er arbeiten werde, 11 im Tieferen auf diese Zeit zurilckzufilhren sein • • •

So beschliesse ich nun diesen Aufent­ hait in Paris, der mir gewiss fiir mein Leben immer bedeutend und merkwiirdig er- schelnen wird. Es wflre nicht lelcht zu sagen, wodurch ein solcher Aufenthait in einer fremden und bedeutenden Stadt elnen so starken Einfluss auf die Entwicklung austtben kann. Ich habe aber etwas Ahnli- ches immer geahnt und freue mich, nun die Bestfltigung davon zu erleben. Es sind nicht so sehr die einzelnen Elndrticke und Erlebnisse, sondern es ist das Existleren in einer fremden Atmosphere, was tiber den Geist eine so merkwilrdige Gewalt hat • • ."310

Fttnf weitere Besuche von Paris sind belegt; andere sind wahrschelnlich. Zwelmal wird Paris die Stadt entscheiden- der Inspiration. Im Mai 1911 kommt Hofmannsthal dort der

309 a u s Paris stammen das Vorsplel zur Antigone des Sophokles. Fuchs, der griJsste Teil des Balletts Der Triumph der Zeit. und wahrschelnlich auch Das Mftrchen von der ver- sehlelerten Frau.

51° 1. Mai 1900, Brlefe II, S. - Hofmannsthal bemilht sich, nicht immer mit Erfolg, "merkvrtlrdig" nur im ursprtinglichen Slnne von notatu dignus zu gebrauchen* Vgl. dazu seine uBegriffsabtrennungH in dem Brief an Helene von Nostitz, ohne Datum (1906), Briefe II, S. 247, wo er die abgeschw&chte Bedeutung im Sinn des Auffallenden oder Ver- wunderlichen (siehe DVfB VI, 2107) in den "falschen Salon- Jargon" verbannt. -197-

Einfall, den "Bourgeois Gentilhomme" als Rahmen der

Ariadne auf Naxos zu verwenden.^H im folgenden Jahr f&llt ihm an einem Junimorgen in den Tuilerien die

Josephalegende ein, deren Szenarium er mit Kessler sO- glelch niederschreibt.312

Als zwei Jahre darauf die Arbeit stockt, sucht Hof­ mannsthal wieder eine Weltstadt auf. So wie er schon im

Jahr 1898 nicht in das im Vorjahre giinstige Varese zu- rilckgegangen ist, weil er meinte, beim wiederholten Be- such desselben Ortes doch immer Vergleiche anstellen zu miissen, die so leicht verstimmen, so fEhrt er auch Jetzt nicht zurtick nach Paris, obwohl er dasselbe Erleben von

Produktivit&t "wie in Paris damals"313 sucht. Er will in eine andere, ihm noch unbekannte Stadt, nach Rom. Zwei

Monate in Rom sollen Das Leben ein Traum. vlelleicht auch Fortschritte an der begonnenen "Gr&fin Pompilia" und der geplanten zweiteiligen Orestie bringen. Brlefe teilen den Freunden und Bekannten von dem kommenden

311 ttber einen friiheren Plan, einen in einem bi)h- mlschen Schloss spielenden Rahmen eigener Erflndung zu schreiben, siehe die Brlefe an Strauss vom 13. Februar 1913, S. 184 und 8. Juli 1918, S. 350. Nach letzterem war ein Szenarium "Die artige GrMfin" schon fertigge- stellt!

312 siehe dazu den Brief an Strauss vom 21. MUrz 1922, S. 403*

313 an Georg Franckensteln, 27. Juli 1902, Brlefe II, S. 79. -198-

Arbeitsaufenthalt mit. Sle schwanken zwischen der star- ken Gewlsshelt, In Rom gut arbeiten zu kfinnen und elner gewissen Unsicherhelt, dass die Reise vergebens seln kiJnne.

War er in Paris bald von der gilnstigen Atmosphere angeweht, so weiss er mit Rom "nichts recht anzufan- gen.”314 per Dichter erfMhrt eine vierzehntMgige "sinn- lose Depression und Hilflosigkeit".315 pie Hoffnung, dass "ein elgentilmlich bedrlicktes und unfreies Gef^hl

. . . von der geheimnisvollen unwillldirlichen und unbe- wussten Arbeit des Aufnehmens und Aneignens" herriihre und der Aufenthalt doch nocli zu einer giinstigen Stimmung filhren werde, wenn er nur 11 jedes Fortwollen und ,}ede

Voreiligkeit unterdriicke,"316 scheint Wirklichkeit zu werden durch den herrlichen Vormittag, der im Abschnitt zur Tageszeit erwEhnt vmrde. Doch wird aus dem geplanten drelmonatigen Aufenthalt ein nur drelwBchiger. Wir fra- gen uns mit dem Dichter, warum die innere Produktivitet

314 an den Vater, 7. Oktober 1902, ebd. , S. 84.

315 an Schnitzler, 23. Oktober 1902, ebd.. S. 96.

316 an Eltern, 12. Oktober 1902, ebd. . S. 90. -199- nicht "auf das ganz unvergleichlich Grosse und SchUne

. . . so antwortet, wle es antworten kiJnnte und soll-

t e , " 3 1 7 Wie in Paris besucht der Dichter auch in Rom oft Kunstgalerien. Was ihm dort der Louvre war, 1st ihm

hier der Vatikan. In den Berichten iiber das persiJnliche

Befinden in Paris und Rom finden sich sogar wdrtliche

Wbereinstimmungen. Und doch fehlt das Wichtigste: die

Bertihrung mit dem schiJpf erischen Menschen. Wenn sich die

Briefe aus Paris in der AufzMblung von neuen Sekannt-

schaften fast tlberschlagen, so wird in denen aus Rom

nur ein Mann bei Namen genannt, Primoli, und dieser er-

zMhlt Anekdoten und zelgt Bilder von - Dumas, Kerlmee,

Taine, den Goncourts. Das Ironische liegt darin, dass

der Dichter ein zweites Paris sucht und auch findet;

aber was er findet, 1st eben nur ein zweitklasslges, ein

schwacher Hauch von Paris. So v;ird die komische Episode,

dass Hofmannsthal im Vatikan als "van Hofman-Stael"3l8

vorgestellt wird, ein tragikomisches Erlebnis. Wien,

Berlin, Paris haben Ihre eigene Atmosphere, Rom nlcht.

Gerade bei der mit abendlfindischer Geschichte Uberladenen i

317 an Beer-Hofmann, 8. Oktober 1902, ebd. , S. 87.

318 s0 lautet das franziJsisch abgefasste Einfilh- rungsschreiben; siehe den Brief an die Eltern vom 12. Ok­ tober 1902, ebd. . S. 89. -200-

Stadt muss das iiberraschen. Lesen wir doch von langen

SpaziergHngen durch die Ruinen und auf der Via Appia.

Hofmannsthal schreiht von der Grtisse und Grossartigkeit der Bauten. Doch hier stutzen wir: die Worte weisen auf eine Parallele im landschaftlichen Erleben hin. Auch die Schweizer Alpen slnd gross und grossartig. Das

Stilfser Joch 1st "eine der impressionierendsten Sachen" - die Caracalla Thermen und die Via Appia liegen in "im­ press ionierendsten Stadtteilen". Beide Male fehlt die

Apperzeption. Der Eindruck wird nicht zum Ausdruck. Wie

der Dichter dem Panorama der Alpen den Rttcken zukehrt,

so kehrt er auch von Rom wieder urn. Paris leht w&hrend

des Aufenthaltes und in der Erlnnerung; Rom 1st und

bleibt, als was es beschrieben wird: "ungeheure Vernich-

tung, Ode, Unkraut, Rtihricht und Einsamkeit . . .

Trimmer".519

Vlelleicht ist es das ilberraschende Fehlen der inne-

ren "Antwort", der ProduktivitSt, auf das historische Rom,

das Hofmannsthal veranlasst, im April 1906 noch einmal,

wieder sind es drei Wochen, nach Rom zu fahren, es viel-

leicht ein zweites Mai zu versuchen. Wir wissen es nicht,

denn in keinem Brief findet sich eine AnkOndlgung oder

519 ebd. , S. 90. gar ein Plan, wie er 1902 bestand. In drei Wochen In

Rom schreibt Hofmannsthal "nlemandem einen Brief . • . auch keine einzige Karte."320 s0nst so eifrig, Otto

Brahm vom Fortschritt der Arbeit zu berichten, erw&hnt

er nach der Rllckkehr nur seinen dortigen Lesestoff.^2^

SpHtere Besuche Roms sind von nur kurzer Dauer und keine

Arbeitsaufenthalte. Fttr die Autofahrt durch Italien mit

Strauss im Jahre 1913 freut sich Hofmannsthal auf manche

StMdte und Landschaften. Das eigentliche Zlel der Reise,

Rom, wo Strauss dirigiert, scheint filr Hofmannsthal ganz

nebensMchlich zu sein,

Auf dem VJeg nach Rom f&hrt Hofmannsthal 1902 an

Venedig vorbei. Als dann in Rom weder Das Leben ein Traum.

noch die Elektra sich einstellen, 1st plAtzlich "etwas

da", was er sich "einmal fltichtig zurechtgelegt"^22

hatte, Das gerettete Venedig. Nur mit Aufbietung alien

Willens hSlt es Hofmannsthal drei Wochen in Rom aus, bis

die erste Fassung des ersten Aktes mit 695 Versen abge-

320 an otto Brahm, 26. April 1906, ebd.. S. 227.

321 in R0m nest Hofmannsthal Kellers Die Leute von Seldwyla. Kurz darauf, am 3. 6. 1906, veriJffentllcht er in der Zelt die "Unterhaltung ■liber die Schriften von Gott­ fried Keller", in denen der LegationssekretMr von dem Buch sagt: "... sp&ter dann in Rom las lch After darin" und den Freunden vom Gehalt des Werkes spricht. (Prosa II, S. 193). 322 an schnitzler, 23. Oktober 1902, Brlefe II, S. 96. schlossen 1st, dann verlangt es Ihn, nach der Stadt ttberzusiedeln, In der das Sttick spielt. Von alien Griin- den, die er den Eltern ttber den pliJtzllchen Abbruch des riJmischen Aufenthaltes angeben kflnnte, bezeichnet er diesen als den "gewichtigsten" .523

Es 1st nicht das erste Mai, dass Hofmannsthal am

Ort, In dem die Handlung spielt, Inspiration sucht. Auch

Der Abenteurer und die S&ngerln 1st im September-Oktober

1898 in Venedig entstanaen. Die Einheit von Arbeltsort und Ort der Handlung wird besonders deutlich im entste- hungsgeschichtlichen Hilckblick. Das Stilck stellt sich in der Erlnnerung vor dem Dichter auf "vie ein bunter leichter

Triumphbogen, behMngt mit Guirlanden und Teppichen, die

sich im Winde bl&hen", und durch dlesen Bogen sieht er

"Venedig in einer ganz bestimmten strahlenden iiberreichen

Herbstbeleuchtung . . ."324 Qj_e ginheit von Arbeitsplatz

und Ort der Handlung in Venedig wiederholt sich noch ein- mal. Das geistige Klima Venecligs erveist sich dieses drit-

te Mai besonders stark. Im Junl 1907 sucht Hofmannsthal

Erholung nach langer Krankhelt, die die Arbeit am Jeder-

mann in einem entscheidenden Moment ftir die Entstehung des

323 27. Oktober 1906, ebd.. S. 97. 524 an Bodenhausen, 5* Mai 1903» S. 30. Werkes unterbrochen hat.325 Er meint, vielleicht in

Venedig wieder in diese Arbeit hlnelnzukommen; hat er doch schon drei Jahre vorher dort daran arbeiten k8nnen.

Es entsteht etwae ganz Anderes: in Venedig selbst die eraten Aufzeichnungen zum Andreaa-Roman , " Venezianisches

Reisetagebuch des Herrn von N, (1779)", und wenlge Tage darauf das "brauchbare Szenarium einer KomiJdie (entfernt

Shnlich dem Abenteurer). "326 £S aer geglnn der fast dreij&hrlgen Werkgeschichte von Cristinas Heimrelse.

Venedig erweist sich auch ftlr die Arbeit an Stricken, die nicht dort spielen, g.iinstig. Ausser Jedermann wird dort auch Das Bergwerk zu Falun weitergef8rdert. Die

erste Fassung von 350 Versen von fldlpus und die Sphinx

gelingt ebenfalls in Venedig. Es slnd dann Jedoch geo-

psychische Momente, die Hofmannsthal als schaffensftfrdernd

hervorhebt. Mehrmals erwMhnt er das helle Licht und die

Luft der Stadt, die er immer wieder aufsucht. "Das 1st

die Stadt meiner arbeitsamsten Arbeit, meiner konzen-

triertesten Konzentration und meiner elnfHltigsten Ein-

f&lle"327 scherzt er in einem Brief an Schnitzler. Jthn-

325 Vgl. den Brief an Gertrud Eysoldt vom 18. April 1907, Briefe II, S. 274.

an den Vater, ohne Datum (1907), S. 282.

32? 21. August 1904, ebd. . S. 159. -204- lich wie Richard Strauss im freudigen Schaffen des er- sten Aktes vom Rosenkavaller die szenische Bemerkung

"diskret vertraulich" mitkomponiert, llsst Hofmannsthal in Der Abenteurer und die Slngerln Baron Weidenstamm die

Freude dee Dichters fiber das so glflckliche Gelingen des ersten Aufzuges, und sogar reimend, ausrufen:

0 schine Stadt, die nie versagtl Heut war ein hilbscher Tag, wir wolien ihn uns merkenl so gelungen, als wir er eines Dichters Kopf entsprungenj328

Nach solchen Superlativen wtlrde ein etwaiger Wunsch, dorthin fiberzusiedeln, nicht flberraschen. Eine Jugend- freundin mag das melnen, wenn sle in Venedig eine dich-

terische Heimat sieht. Hofmannsthal wehifc irritiert ab.

Zum Venezianer llsst er sich nun doch nicht machen.329

Was ihm zum geopsychischen Element vom Freund erkllrt werden muss ,330 ihm aas geistig atmosphlrische von Anfang an klar. Es kommt auf den Kontrast, die Orts-

verlnderung, den zeitlich begrenzten Besuch an. Eine Ver- pflanzung ist ausgeschlossen,

328 pramen I, S. 222.

329 siehe den Brief an Elisatfibh Nicolics, 18. Juli 1908, Brlefe II, S. 334,

330 '’Licht und Sonne an sich sind es ganz gewiss nicht, Denn wenn es so wire, slssest Du llngst in Agypten und schriebest Monat urn Monat. Sie sind es als Kontrast zu unserer feuchten, grauen Natur und als Liebe hinein in das Trtlbe." (Bodenhausens Brief vom 18. August 1913> S. 154). Elnige Male wird das von frtther Jugendzeit her be- kannte Salzburg als ArbeitsstStte erwfihnt. Im Juli 1899 hofft der Dichter, dort den 3 . Akt von Das Bergwerk zu

Falun zu schrelben. Als Bodenhausen im August 1906 iiber-

raschend nach Osterreich kommt, schlEgt Hofmannsthal,

der in Lueg die Bearbeitung von Kflnig fldl-puB plant, Salz­ burg als Treffpunkt vor, nicht nur wegen der Nfthe, son-

dern auch der Atmosphere wegen: "Salzburg . . . so sehr

die Landschaft meiner Jugend, meiner TrRume, vielfach der

Hintergrund meiner Poesie, 1st das Schflnste Liebste was

ich denken kann".331 gin kurzer Aufenthalt in Salzburg,

so meint er iin Jahr 1908, k8nne ihn noch mehr in die Ar-

beitsstimmung hineinbringen, da es sich ja bei der gegen-

wertigen Arbeit "um einen Stoff aus dem bEuerlichen Roko-

ko ^Silvia im Sternj"332 handelt. Wenn "die Salzburger

Atmosphere" sonst als arbeltsfBrdernd, als "wohltuend"333

erwehnt wird, denkt Hofmannsthal jedoch mehr an die Fest-

spiele und die Nehe Max Reinhardts als an die Stadt selbst.

331 an Bodenhausen, ohne Datum (1906), s. 86.

an den Vater, ohne Datura (1908), Brlefe II, S. 330.

333 wie im Brief an Burckhardt vom 6. August 1925, S. 184. - 206-

Aussagen iiber andere St&dte - Hofmannsthal arbei- tet zum Beispiel auch In Miinchen und Florenz - kommen entweder zu sporadisch vor Oder stammen zu sehr aus der momentanen Gegebenhelt, als dass es sich lohnen wilrde, sle aufzuzEhlen. Zwei Beisplele dleser Art mflgen geniU gen: MInnsbruck 1st mlr lmmer unsympathlsch."334 Verona:

"Es 1st eine erstaunllch wohltuende Atmosphere."335 w&hnt sel Jedoch ein negatives mitmenschllches Element, das sich iJfterB wiederholt. Hofmannsthal fttrchtet sich lmmer wieder vor Vergntigungsrelsenden und Kurg&sten. In

Toblach 1897 zum Beispiel schaudert es ihn vor den "un- sympathischen Leuten aus der Finanzgesellschaft von

Wien, B e r l i n . "336 Xschl wird ihm der Gesichter der Bade- gM,ste wegen "unertr&glich" .337 Die grossen Reisen schliessllch, nach Griechenland 1908, nach Slzilien

1924, nach Nordafrika 1925 sind Studien- und keine Ar- beltsreisen.

554 an dle Mutter, 15. August 1897, Brlefe I, S. 215.

555 an Burckhardt, 8. Mai 1920, S. 36.

536 an dle Mutter, 15. August 1897, Briefe I, S. 216.

537 an schnitzler, 21. August 1904, Briefe II, S. 159. Das Kllma der Zeit

Es 1st nicht das Wollen, nicht das KlJnnen, nicht die Berufung, die -liber das Werk entscheiden. Man kann in ein Klima, in eine Zeit geraten, die kein Gedeihen mehr zulas- sen. Es geht wie mit der Ve­ getation, mit der Fauna - ganze Reihen sterben aus. Das Wort, das gestern noch Zauber- kraft hatte, fEllt heute zu Boden.

(Hofmannsthal zu Burckhardt)

Hofmannsthal hat sich sein ganzes Leben hindurch mit dem PhMnomen der Zeit beschEftigt. Die Themen von der VergEnglichkeit, dem VerhEltnis vom Gestern zum Heute, dem Jllterwerden und Altern und die BeschwErung der At­ mosphere vergangener Epochen durchziehen sein Werk. Die

Zeit bedroht den Menschen. Er muss sich mit ihr auseinan- dersetzen.

In dem diesem Kapitel vorangestellten Ausspruch

Hofmannsthals geht es aber nicht um das Gesetz der Ver- gEnglichkeit alles Lebenden, sondern um eine Bedrohung von aussen* Das dichterische Wesen 1st wie alles Organi- sche im doppelten Sinne gefEhrdet: durch das natllrliche

Sterben und durch die vernichtende Wirkung der Epoche, die wie eine Seuche Dichter und Dichtung helmsuchen kann. -208-

Nur eelten finden wir in Hofmannsthals Briefen etwaB von einer Freude ausgedrtickt, gerade in dieser Zeit zu leben. Das fin de siecle - ilbrigens ein Ausdruck, der bei Hofmannsthal selten erscheint - kennt nicht "die

Lust zu leben". Die Erdbeben des zwanzigsten Jahrhunderts musstenHofmannsthals seismographlsche Natur noch mehr er-

schilttern als andere Menschen. Eine Freude, gerade in die­

ser Epoche dichten zu kBnnen, fehlt ganz. Hofmannsthal musste das geistlge Klima der Zeit, in das er geraten war, mit zunehmendem Alter immer stMrker als eine Bedro-

hung seines Wesens ampflnden.

In den Brlefen und Tagebttchern des Jungen Dichters

findet sich noch kaum etwas von dieser Gef&hrdung. Wie

im Verh^ltnis zu Freund und Heimat ist er ein integraler

Teil auch der Zeit. Uber Umwelt und Vergangehhelt glei-

chermassen verfttgt der Frtihreife, der sich im Selbstbe-

wusstsein des eigenen Vermttgens zum Wledererwecken von

Renaissancestoffen berufen ftthlt. Ftlr die grosse Renais-

sancetragfldie reicht aber sein handwerkllches Kflnnen

noch nicht aus. Es bleibt bei den unverflffentlichten

Entwiirfen, Ein Jahrzehnt sp&ter aber hat Hofmannsthal,

nun ein erfolgreicher Dramatiker, ein ganz anderes Ver-

hUltnis zur Renaissance. Freilich ist seine innere Ent- -209- wicklung massgeblich daran beteiligt. Es fftllt aber auf, dass er nicht auf diese hinweist, als er im Frtihjahr

1906 die Bitte von Strauss abschlEgt, ihm einen Oesare

Borgia- oder Savonarolastoff zu gestalten. Was ihn an der Erfiillung der Bitte verhlndert, so antwortet er, sei die Gegenwart. Keine Epochs sei dem schaffenden Menschen der Gegenwart in ihrem Lebensinhalt so fern als die der

Renaissance, Ja so vtilllg fern, dass sie aus dem Schaffen unserer Zeit auszuschllessen sei. Der Dichter darf nicht mehr wShlen. Er steht unter dem Diktat der Zeit.

Wir suchen vergebens nach einem genau zu datierenden

Wendepunkt, dem Erwachen des Bewusstselns der gegenwErti-

gen Epoche. Auffallend ist aber, zumal bei den wenigen

Bemerkungen des jungen Dichters tlber die Gegenwart, das

Zusammentreffen von mehreren Gegentiberstellungen von

Dichter und Zeit in eben diesem Jahr 1906.

Hofmannsthal wEhlt fttr seine Rede dieses Jahres den

Titel "Der Dichter und diese Zeit". Er "findet" die t5ber-

schrift in den "Briefen zur Esthetischen Erziehung des

Menschengeschlechtes", aus denen er ins Tagebuch notiert:

"Man ist ebensogut Zeitbilrger, als man Staatsbtirger

ist."338 Der Bogen des Vortrages ist weit gespannt. Hof-

338 Corona 6 (1956), S. 585. -210- manna thal bescbilftigt sich ein ganzes Jahr lang damit und apricht darln tief schtirfend tlber daa Wesen dea

Dichters und des Dichterischen, und nicht nur tlber die

Stellung des Dichters in der unmittelbaren Gegenwart.

Auch gibt er elgentlich keine Zeitanalyse:

tlber den Begrlff der Gegenwart sind wir Jeder Verstandigung enthoben: Sie wie ich sind Btlrger dieser Zeit, ihre Myriaden sich kreuzender Schwingungen bilden die Atmosphere, in der ich zu Ihnen spreche, Sie mich horen, und in die wir wiederum hinaustreten, wenn wir diesen Saal ver- lassen.339

Auch der Dichter ist Btlrger der Zeit und kann die Ge­

genwart nicht als historische Epoche betrachten. Ihm

f&llt es Jedoch zu, Gegenwart und Zukunft deutllcher

als anderen Menschen zu empfinden und zu ahnen. "Ein

leiser chronischer Schwindel vibriert" in der Gegenwart.

f,Es ist in ihr vieles da, was nur wenigen sich anktindlgt,

und vieles nicht da, wovon viele glauben, es wMre da."340

Der Dichter

lebt, und das unaufhdrlich, unter einem' Druck unraessbara?Atmosph&ren, wie der Taucher in der Tiefe des Meeres, und eB 1st die seltsamste Organisation einer Seele, dass sie diesem Druck standhfllt. Er darf nichts von sich ablehnen. Er ist der Ort, an dem die Kr&fte der Zeit einander aus-

559 prosa II, S. 265.

540 Ebd.. S. 272. -211-

zugleichen verlangen. Er glelcht dem Seismographen, den Jedes Beben, und wMre es auf Tausende von Meilen, In Vibratlonen versetzt.34l

Ohne es zu sagen, sprlcht Hofmannsthal von sich selbst.

Das im Vortrag h&ufige Wort ‘'Druck" erscheint auch in seinen Briefen aus demselben Jahr. Die Zeit bedrtickt ihn.

Es 1st, "als w&re man verstaut im tlefsten, dunkelsten

Raum eines furchtbar rollenden und stampfenden Wracks, und es ist einem dann so elend und zum Sterben, wie den

Seekranken."342 sine merkwtlrdige Metapher: Das Schiff rollt, die Maschlnen etampfen, die Passaglere fiihlen

sich seekrank, und doch ist schon die tiefe, dunkle

Ahnung vom imminenten Schiffbruch antizipiert. Die JLusse-

rung ist nicht spontan. SchrBders vorangegangener Brief hat sie dem Dichter entlockt: "Auch auf mich drllckt die

Zeit." Hofmannsthal wird sp&ter das Bild vom gefMhrdeten

Schiff noch mehrmals gebrauchen und sich mit einem "Ich"

als Mitfahrenden ldentifizieren. Hier bleibt es belm un-

persBnlichen "Man" und dem "als ob"-Vergleich.

Hofmannsthal spiirt die Gefahr des Krieges. Er, der

als Asthet verkannte Dichter, filhlt sich im Dezember 1905

341 Ebd.. S. 286.

342 an schrBder, 17. Mfirz 1906, Briefe II, S. 226. -212- berufen, zum Unterzelchnen elnes an englische Journals

gerlohteten offenen Briefes von ftihrenden Ferstinlich-

kelten aufzufordern. An George schreibt er: "Die furcht- bare nicht auszudenkende Gefahr eines engllsch-deutschen

Krleges . . . 1st n&her, fortdauernd n&her als die zei-

tungschreibenden und die meisten der polltikmachenden

Indlviduen sich ahnen lassen."343

Nfther und nEher treibt dais Schiff In den Orkan. Hof­

mannsthal sieht die Gefahr so deutlich, well seine Wetter-

fiihligkeit den Sturm ralt der fortschreitenden Richtigkeit

der Voraussage eines Barometers registriert. Ftlr ihn ist

das Element der Zeit wi)rtllch ein atmosph&risches. "Druck",

"drficken" , "driickend" , "Bedrlickung" , "Gedrticktheit" er-

scheinen in den VorkriegsJahren immer hEufiger in der

Beschreibung des seelischen Zustandes des Dichters. Kann

er noch Jahre vor dem Weltkrieg hoffen, "einen Teil des

furchtbaren Druckes abgeben zu k£)nnen"344 und darf er

erleben, dass, wie in den bei Borchardt verbrachten Tagen

"ein ungeheurer Druck . . . sich hebt", dessen Schwere

ihm erst dadurch nachtr&glich ganz bewusst wird, so muss

545 1. Dezember 1905, S. 225.

34-4- an Borchardt, 28. Februar 1907, S. 37.

3^5 an Borchardt, 11. Juli 1912, S. 65. -213- er im Krieg die Last als "kaum ertr&glich" ,546 "centner- schwer"347 empfinden.

Die Arbeit wird nicht nur von &usseren Umst&nden, der Einberufung und der Dienstverpflichtung im Kriegs- archiv, unterbrochen. Im August 1915 nach Aussee zurflck-

gekehrt, kann der Dichter sich nicht sofort an seinen

liebsten Arbeitsplatz setzen und die Arbeit an der Frau

ohne Schatten wieder aufnehmen. "Mein Herz h&ngt zu

sehr an alien dieBen Dingen, dass ich mit zusammenge-

drttcktera Herzen, mit schwer gefesselter Seele dort nicht

hin will, von v/o aus ich so aufsteigen und niedersteigen

konnte ins Gltick der Unendlichkeit.11 Das M&rchen "ist da -

aber v e r b o t e n . "348 - "Der Druck aller dieser Dinge, die

UnfMhigkeit, dies alles mit Gedanken zu umfassen, zu

durchdr ingen, dies weder da von weg-kflnnen, noch darum

herum, noch hindurch - ist zu schwer . • ."549 ist Schon

ftir den gewiJhnlichen Menschen eine solche Zeit schwer,

um wie viel mehr muss sie es fttr den Dichter sein, "or~

ganislert den zarten Zusammerihang des Daseins zu hfiren,

346 an Bodenhausen, 25. Januar 1917* S. 227.

347 an Bodenhausen, 15. Juli 1916, S. 219.

348 an Bodenhausen, 27. August 1915» S. 201f.

349 an Borchardt, 14. Juli 1916, S. 122. -214- fa ich] zu freuen, andere zur Freude zu ftthren."350 j)Qm

Dichter, einem "GeschBpf dee Friedena", muss "grauen vor dem Gewaltsamen . . . wovon Jeder Beaitz bedroht iat, auch der unirdieche.11351 Das SchBne, Lelse geht im Ge- brttll des Krieges verloren. "... iat 8B nicht, als wenn ein Singvogel irgendwo am Fenster eines engen Hin- terhofes h&ngend, singt und singt, indes schon das ganze

Haus in Flammen steht?"352 - "Einem tobenden Wasser- fall"253 kann man keine Gedichte vorlesen.

Wie verschieden stehen Hofmannsthal und Strauss in der Zeit! Ist es ftlr den Dichter ein wahres Glilck, dass die Frau ohne Schatten noch in den allerletzten

Friedenstagen fertig skizziert wird, was ihm w&hrend des Krieges unmBglich w&re, so findet der Komponist im

Kriegsgeschehen einen grossen Reichtum an Stoffen. Als

Hofmannsthals schBpferische Kraft gel&hmt 1st, kann

Strauss in den traurigen Figuren der Zeit "Prachttypen fttr herrliche Kbm8dlen,, seheni den Wucherer, den Spion, den Preussen und den ttsterreicher gegeneinander. "Span- nen Sie doch Ihren PegaBUs mal feste an. Das Luder wird

350 an Bodenhausen, 15. Juli 1916, S. 219.

351 an Bodenhausen, 27. August 1915, S. 202.

352 an Bodenhausen, 10. Juli 1917, S. 234.

353 an Bodenhausen, 6. Dezember 1914, S. 187 -215- -dann schon laufen. "354- Kein Winder, dass Hofmannsthals

lange zurtickgehaltene Kritik an der Muslk zu Teilen des

HoBenkavallers nun auf einmal heraushricht und er "unter

dem Druck der Vorg&nge an der Ostfront • . . vielleicht

sch&rfer und k<er als man sonst zu einem befreundeten

Kilnstler zu sprechen gewohnt ist" ,355 antwortet.

Trotz der Bedr&ngung durch die Zeit gibt Hofmanns­

thal die Arbeit nicht auf. Mehrmals erscheint das Wort

"wollen" in den Briefen. Hofmannsthal will schaffen.

Auch der Dichter muss tragen, was einer Generation aufer-

legt ist. Er richtet sich auf am Beispiel anderer Dichter,

die trotz der grauenvollen Zeit schufen, in die sie ge-

worfen waren. Die Briefe an Wildgans zeugen von den Be-

mtlhungen um die Osterreichlsche Blbllothek. Der dritte

Band der Prosaschriften wird nun doch fertiggebracht,

wenn auch nicht in der geplanten Form. Die Opernfassung

der Frau ohne Schatten, die zweite Fassung der Ariadne

auf Naxos und des Btirger als Edelmann werden abgeschlos-

sen. Auch das Mrchen, immer wieder unterbrochen, schrel-

tet dennoch fort. W&hrend des Krieges entsteht ein grosser

Teil des schon 1908 geplanten Schwlerlgen. ferner Die

354- an Hofmannsthal, 5. Juni 1916, S. 291. 355 ii. juni 1916, S. 292. -216- grtine Fltfte. Die litstlgen. Der Sohn des Gelsterkflnigs.

Prlma Ballerina, dazu eine Menge Prosa. Die Briefe„ er- zflhlen uns wenig iiber die Werkgeschichte dieser Arbeiten.

Borchardt und Schrflder sind im Feld; Bodenhausen hat mit grossen Schwierigkeiten in der Rlis tungs Indus trie zu kftmpfen. Hofmannsthal vermeidet es, ihnen In dieser Zeit von seinem Schaffen zu berichten.

Am Ende des Krieges ist das historische Geb&ude der flsterreichischen Tradition eine Ruine. "Das nackte

Gebfl.lk tritt hervor und zittert bis in die Grundfeste.

Wird man noch Geschichte treiben? Wird man noch Geschich- te brauchen?"556 fragt Hofmannsthal in den Wochen vor dem Frieden von St. Germain. Burckhardts Aufzeichnungen von Gespr&chen mit Hofmannsthal berichten von dem Zusam- menbruch auch der inneren Welt des Dichters. Vorbei ist die Bezauberung "durch die uralte, weitgespannte kaiser- liche Welt", aus der vieles aus dem frttheren Werk stammt.

Dem neuen Zeltalter fehlt der schflpferische Hauch, "der uns durchschauert, uns Botschaft bringt."557 » "wir k8n- nen kaum noch ahnen, wie tlef diese Krise in alles Gei- stige eingegriffen, fast Alles als Illusion enthttllt

556 an Burckhardt, 11. Mai 1919, S. 14.

557 pie Neue Rundschau 65 {1954), S. 357. -217- hat.u358 - " . . • es gibt etwas In dieser Zeit, das

nicht unsere Krone packt und rllttelt, sondern In die

Wurzeln greift.M359 _ "es 1st kein Moment flir Dichter

jetzt."360

Im Innersten getroffen blelht er auch jetzt seiner

Berufung treu. Kann die fiussere Existenz so gleichgtiltig

"wie der Ausgang einer bridge-partie im Salon eines

schon sinkenden Schiffes"36l aein, so muss doch das

dichterische Werk gerettet werden: "ich sehe, ich muss

ganz anders existieren, muss dieses gestrandete Wrack

ttfter verlassen . . . sonst vergeude ich grflsslich die

st&rksten Jahres meines Lebens."^^2 _ "m{issen in uns

die Mittel llegen, auch einer solchen Lage Herr zu wer­

den. "363 "was sollen mir Klagen liber Epoche, Epochen wa-

ren immer flirchterlich, wir aber sind da, um das Unsere

zu tun, und um es mit Entzlicken zu tun." 3 6 4 Vielleicht

denkt Hofmannsthal dabei an das von ihm gern zitierte

Wort von Novalis, dass es nach einem unglllcklichen Kriege

358 an Burckhardt, ohne Datum (1919), S. 16.

359 an Burckhardt, 7. April 1926, S. 198.

360 an Burckhardt, 7. Mai 1923, S. 121.

an Bodenhausen, 17. Februar 1918, S. 246.

an Burckhardt, 12. August 1919, S. 21.

363 an Burckhardt, 7. April 1926, S. 198.

364- an Borchardt, 21. Mflrz 1923, 8. 174. -218- die rechte Zeit sei, Lustspiele zu schreiben. Von den vielen Lustspielplftnen werden Der Uribestechliche und

Arabella vollendet. Noch im Jahr 1929 schreibt Hofmanns­ thal: " . . • es ist zu viel an Spannungen in dieser

Welt, man muss wirklich Lustspiele schreiben - so'nst weiss man nicht wo aus noch e i n . "365

Hofmannsthal weist auf die Spuren hln, die die Zeit

im Werk hinterl&sst. Im dritten Akt der Frau ohne Schatten

ist ’’viel von dem Ungeheuren, was dieses Jahr uns ge- bracht, • • . geheimnisvollerweise vorweggenommen."366 wMhrend der letzten Verbesserungen am Schwierlgen heisst

e s :

Vielleicht hUtte ich die Gesellschaft, die es darstellt, die Osterreichische aristokratische Gesellschaft, nie mit so viel Liebe in ihrem charme und ihrer Qualitttt darstellen kflnnen als in dem historischen Augenbllck wo sie, die bis vor kurzem eine Gegebenheit, Ja eine Macht war, sich leise und gelsterhaft ins Nichts aufl8st, wie ein tibriggeblie- benes NebelwBlkchen am Morgen.367

Nach der Fertigstellung der MUrchenfassung der Frau ohne

Schatten sieht er "dieses furchtbare Stiick Leben . . .

3^5 an Burckhardt, 20. Januar 1929» S* 300.

? 66 an Strauss, 19. Oktober 1914, S. 247.

3^7 an Schnitzler, 2. November 1919, Die Neue Rund- schau65 (1954), S. 394f. eingewebt in diesen bunten Teppich."368 ^.ls Schrader das Gespannte und oft Gehemmte der Rede im Turm begrtin-

det siebt in den Bedingungen, die die Zeit dem Dichter

auferlegt hat, findet Hofmannsthal das schBn erkl&rt

und persBnlich wohltuend,569

Nach dem Krieg besch&ftlgt sich Hofmannsthal mit

einigen alten, zurtickgelegten Stoffen, darunter dem Roman

und Silvia im Stern. Zum Andreas schreibt er: 11 Ich ver-

stehe sehr wohl, was mir, in so dunklen Augenbllcken ge­

rade die Feder ftlhrt: es ist das alte Osterreich, das

aus der Welt gedr&ngt wurde, aber doch irgendwo wieder

zum Leben will,"370 Beide Werke bleiben Fragments. In

seinem letzten Werk gelingt es Hofmannsthal, das alte

Osterreich noch einmal erstehen zu lassen. Aus dem fast

zwei Jahrzehnte zurilckliegenden Lucldor und einem Szena-

rium aus dem Jahr 1925 "Der Fiaker als Graf"571 entsteht

Arabella.

568 an Bora Michaelis, 26. November 1919, Die Neue Rundschau. Jahrgang 1948, S. 223*

5^9 Siehe den Brief an Burckhardt vom 2. August 1926, S. 217.

570 an Burckhardt, 15. Juli 1927, S. 244.

571 pie Beschftftigung mit dem Stoff reicht aber mindestens bis ins Jahr 1916 zurttck. Vgl. die Notiz "Das Homogene des Bsterrelchers (Graf-Fiaker)" in "Aufzeich- nungen zu Reden In Skandinavien", Corona 2 (1932), S. 386, -220-

Tag© vor dem Tod schreibt Hofmannsthal an Marie

Luise Borchardt: "Er [Rudolf Borchardt] und ich, wir

Bind einem unheimlichen Beruf verfallen, in einer un-

heimllchen Zeit,"372 Burckhardt, bei dem Hofmannsthal

w&hrend der Wintermonate 1929 weilt, erinnert sich an

die Bedrticktheit des Dichters, Wieder spilrt Hofmannsthal

kommende Gewitter und Erdbeben. Auf der letzten Relse,

von der er sich Kraft zu neuem Schaffen erhofft hatte,

erkennt Hofmannsthal, dass er Erschtltterungen nicht mehr

wird aushalten kiJnnen. "ich spttre etwas, das gegen alles,

was mein 1st, aufsteht und auf mich elndringt."373 im

Buch der Freunde stehen die S&tze:

Man kann ein stumpfes und ein felnes Gefilhl von der Zeit in sich tragen, so wie ein wirksames und ein unvermdlgendes Geftihl von Raum.

Ein Autor, ob er will Oder nicht, k&npft immer mit der ganzen Mitwelt. Er lernt alle WiderstSnde der Epoche ftthlen, aber er wird bei seinen Lebzelten nie erfahren, ob die Gewichte, die ihn zu erdrflcken droh- ten, aus Eisen Oder aus Papier waren.974

Fiir sein feines Gefiihl war die Last der Zeit eisenschwer.

372 27. Juni 1929, S. 203.

373 Ausspruch des DichterB, mitgeteilt von Burck­ hardt in "Begegnungen mit Hugo von Hofmannsthal", Die Neue Rundschau 65 U954), S. 353. 374 s# 48 und 77.

A -221-

Dle Sorge und die berufliche Frelhelt

wMre ich frei, w&re ich ein wenig freierj

(Hofmannsthal an Bodenhausen)

Hofmannsthal hat die Bedr&ngung durch die Zeit als seine "iJffentliche Sorge"375 bezeichnet. Daneben kennt der Dichter ein geriltteltes Mass an perstinlichen Sorgen.

In dem Brief an Bodenhausen vom 11. Juni 1914, in dem das Wort "Sorge” achtmal erscheint, schreibt Hofmannsthal:

"Mein Gemilt ist der Sorge zugeneigt • . . es ist . . eine Eigenheit, eine Schwlche meines Gemtites, dass ich so wenig Kraft habe, mich der Sorge zu entschlagen . . ."376 lmmer wieder klagt der Dichter tlber die Erapfflngllchkeit seines Gemtlts, tlber die - wie es in der schweren Stockung des Schaffens im Jahre 1902 helsst - Mins Krankhafte ge- steigerte Sorglichkeit undBangigkeit", welche ihn "zu zieiten aus allem und Jedem . . . nichts als den Stoff der '*ir7*7 Verdilsterung und Beklommenheit ziehn lfisst. Die Sorge um die Eltern, die Familie, die Freunde begleitet den

Dichter sein Leben hindurch.

375 so zum Beispiel im Brief an Wildgans vom 26. MSrz 1915, S. 21. 376 s. 165.

377 an George, 24. Juli 1902, S. 163. - 222-

In den Briefen steht wenig tlber die perstinlichen

Ktlmmernisse im besonderen. Wir wollen auch gar nicht die

Sphere des Privaten durchbrechen. Es geht uns ledlglich darum, das Bild von der lch-bezogenen Existenz Hofmanns­ thals zu korrigieren, wie es immer noch hier und da zu bestehen schelnt. Von der Sorge des reifen Dichters um die eigene Familie erw&hnten wir das Wesentliche im Kapi- tel "Die Abgeschlossenhelt." Auch der junge Dichter kennt die Sorge um die nMchsten Angehdrigen, vor allem um die physisch wie seelisch bedrohte Existenz des Vaters. Auf den Reisen durch Oberitalien und wRhrend der Aufenthalte in Varese und in Paris stelgt Oder sinkt die produktive

Stlmmung mit den Mittellungen tlber des Vaters Befinden.

Eine gute Nachricht kann dem Dichter ein Lichtstrahl sein, ihn schaffensfreudig stimmen; eine schlechte ihn so sehr verdtlstern, dass die Arbeit stockt. Was immer

Hofmannsthal um der gtinstigen Arbeitszeit willen sich versagt, nle opfert er ihrethalben die liebende Ftlrsorge um den Vater, den aufzuheitern er sich lmmer wieder be- miiht. Der Dichter ist bereit, selbst die produktivste

Schaffenszelt zu unterbrechen, um den Vater in B&der zu begleiten und ihn zu pflegen* Die Sorge um die Gesundheit der Mutter ruft ihn von der Arbeit in Itallen an Das ge- -223- rettete Venedig nach Wien zurilck. Bei der Arbeit an der

Frau ohne Schatten ftthlt er seine Phantasie durch die schwere Erkrankung des Vaters bedrilckt. Sine Besserung kann sein "so leicht umdilstertes Gemilt . . . wieder . . . aufrichten"378 und ihm die Kraft geben, den letzten Akt abzuschllessen. Der Tod der Eltern^^ trifft ihn so schwer, dass die Arbeit l&ngere Zeit stockt*

Einige der kurzen Lebensbeschreibungen lassen uns annehmen, dass Hofmannsthal keine finanziellen Sorgen ge- kannt habe.380 Die Briefe Hofmannsthals dagegen besch&f-

tigen sich immer wieder und oft recht eingehend mit der materiellen Seite des Problems der beruflichen Freiheit.

Das einzlge Kind gutsituierter Eltern hat es nicht

schwer, seiner Berufung zum Dichter zu folgen. Die Mittel

der Eltern gestatten ihm das Studium, die Reisen und die

Vorbereitungen zum Grlinden des eigenen H&ushaltes. Aber

gewflhrt die finanzielle Sicherheit die wirkliche Freiheit

zum Dichten? Der frilhreife Gymnasiast schon macht sich Ge-

376 an Bodenhausen, 6. Juli 1914, S. 167.

379 Mutter starb 1904, der Vater 1915.

380 g0 schreiben zum Beispiel Ernst Feise und Harry Steinhauer in dem gerade erschienenen zweiten Band der An- thologie German Literature Since Goethe. Boston, 1959» S. 1711 "He enjoyed financial ease throughout his life". -224- danken darttber. Lieber wilrde er dichten, als Physik ftlr das Abitur zu btiffeln. Zum Fragmenthaften des Werkes des

Zwanzlgj&hrigen trEgt auch das auf den Wunsch der Eltern betriebene Jurastudium bel. Er ftthlt sich "unfrei, wie unter einer fremden Suggestion.M38l Vorbereitung auf die erste juristische Staatspriifung unterbricht die Ar­ beit an Alkestls. Der Dichter ftthlt sich "weit wegl,382 von der schtipferischen Stimmung. Die dichterischen Ein- f&lle zugunsten des Studiums zurtlckdrllngen zu mttssen, bereitet ihm grossen Kummer. "Wenn lch nur mehr Zeit h&tte",383 zeit zum Dichten, klagt er. Das Elnj&hrigen- jahr und die Waffentlbungen unterbrechen das Schaffen auf l&ngere Zeit. Nach dem Dienstjahr beginnt Hofmannsthal das Studium der romanischen Philologie. Damit ftihlt er sich seiner wahren Berufung n£her als im Jurlstlschen Be- ruf, ein Wort, das er mlt AnftHhrungszelchen umgibt, wenn er von der juristischen Laufbahn schreibt. Wieder geht der Anstoss zum Studium von den Eltern aus, und wieder klagt der Dichter darllber, dass das Produktive darunter leldet, vor allem unter der grammatikalischen Disserta­ tion. Die Arbeit an der Habilitationsschrlft filhrt sogar

381 an Bahr, 29. Juli 1892, Briefe I, S. 58.

382 an Elsa Bruckmann-Cantacuzene, 20. April 1894, ebd. . S. 100.

an Beer-Hofmann, 3. Juli 1894, ebd.. S. 106. zu einem gespannten latenten Konflikt zwischen poetischem

Wollen und philologischem Solien. Noch sieben Monate nach der Elnreichung der Arbeit meint Hofmannsthal "etwas Un- mtigliches, Ja beinahe Unmoralisches angestrebt" zu haben, als er versuchte, eine innere Doppelexistenz zu fdhren.

Wochenlang 1st er nahezu krank gewesen. Dann aber 1st ihm sein Zukunftsweg klar. Das "innerste Gewissen" entschei- det fiir den frelen Beruf des Dichters. Vorbei ist die

"demoralisierende, entmutigende"3®4 Wirkung des Studiums.

Es war ein Irrtum. Er meint, nun einen gesunden Blick filr

Existenz und Produktion gei/onnen zu haben und sieht eine frei, freundliche Zeit vor sich. Das Ende des Jahres

1901 bringt mit der Zuriickziehung des Gesuches um die venia legendi die innere Freiheit. Die Russere erhofft er von "einer materiellen Lage, die Jedem minder eigensinnig sorgenvollen Charakter • . • als eine vollkommen und abso- lut sorglose erscheinen muss . . ."385

Ganz scheint es nicht in Erfiillung zu gehen. Die veriiffentlichten Brief auszilge teilen uns nur wenig 'liber die finanziellen Umstflnde mit. Es ist uns das recht, denn wir wollen nicht im Privaten schnttffeln. Sie sagen uns

3^4 an Theodor Gomperz, 15. Dezember 1901, ebdy. S. 338.

3^5 an

Dichter findet in der Arbeitsstockung ira Frtthjahr 1902

keine Mittel, um auf einer Relse produktive Stimmung

finden zu kflnnen. Vortrfige warden des Geldverdienens we-

gen gehalten. Die Arbeit an Odlpus und die Sphinx, die

so gliicklich begonnen ist, muss deshalb im November 1905

unterbrochen werden. Als eich auch 1906 als ein wenig

verdienstreiches Jahr erweist, geht Hofmannsthal wieder

auf eine der ihm gar nicht angenehmen Vortragsreisen.

"Nur um des G-eldes willen"386 kommt es lm Dezember 1906

zu der Rede "Der Dichter und diese Zeit". Eine wlrkliche

Sussere Freiheit scheint sich mit der Zusammenarbeit mit

Strauss einzustellen,387 Der Erfolg des Rosenkavallers

gew&hrt endlich eine kummerlose Existenz. Sie ist von

kurzer Dauer. Im Krieg unterbrechen die Dienstzeit, die

Arbeit am Krlegsarchiv und die Reisen im Auftrag der Re-

gierung die dichterische Produktion ftir lflngere Zeit. Die

Teuerung der Nachkriegszeit untergrllbt die finanzielle

Sicherheit. Geldanlagen werden entwertet. Hofmannsthal

muss Kunstgegenst&nde verkaufen und ftthlt sich zum Bettler

3 8 6 an Bodenhausen, 5. Dezember 1906, S. 87*

3 8 7 Siehe den Brief an den Vater vom 16. Oktober 1909, Brlefe II, S. 377. -227- reduziert, Wieder muss er Arbeiten um der Existenz willen auf sich nehmen.388 pie Mitwirkung am Rosenkava- lierfilm empfindet er als eine Fronarbeit, die ihm an- fangs ftusserst zuwider ist. Die Arbeit am Turin wird vom

Schreiben des Unbesteohlichen unterbrochen, von dessen

Annahme die bare Existenz abhlngt. Hofmannsthal muss sich persdnlich zu Pallenberg bemdhen, um die Auffdhrung

sicherzustellen. So kdstlich das Lustspiel uns erscheint,

Hofmannsthal hat es als etwas Unfertiges betrachtet. Es

ist das einzige aufgefdhrte Werk, das er nicht drucken

liess.3®°

Mflge dies genilgen, um zu zeigen, dass auch Hofmanns­

thals persdnliche Existenz nicht sorgenfrei war. Die

gldckliche Einheit von Beruf und Berufung war kein

Schicksalsgeschenk. Im Ad me ipsum heisst es: "tJber die

Wahl des Dichterberufes. Ein Mensch sltzt im Wald,

schreibt 21 Gedichte. Er malt Gestalten hin, der Augen-

blick nimmt sle auf: und sein Schicksal ist entschieden.

Aber er steht erst am Anfang eines harten Weges.'^O

388 Siehe den Brief an Marie Luise Borchardt vom 12. Juni 1923, S. 181.

389 Nur der 1. Akt erschien zwei Tage nach der Ur- auffdhrung, am 18. M&rz 1923, in der Neuen Freien Presse.

Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 374. BEMERKUNGEN ZUR INNEREN SCHAFFENSWEISE

Das Entscheidende belm grossen Kttnstler let eln grosser Will®, ab®r eln Will®, der gewollt wird, nicht dor will,

(Au b dem Nachlass)

Belm Lesen der Brief® Hebbels macht Hofmannsthal

elnmal elnen seltenen Fund und kann sich nicht genug dartiber freuen:

Wirklich hier geht es so weit - ein ganz elnzlger Fall - dass uns das All- tagsgesicht einer Stlmmung ttberliefert 1sti dann der Brief, der sich dieser Stlmmung nachmittags abringen Hess, und endllch als sle abends sich von in- non erleuchtete und erwArmte, das Ge- dlcht, das aus ihr ©ntstand. - tJber Goethe 1st uns so vlel ttberliefert, aber an kelnem Punkt schllesst sich's zum Kreise; nlrgends kflnnen wir ganz deutllch den ttbergang aus dem Leben und Leiden ins Gestalten gewahren.1

MWie durch ein Gla8fenster,, darf'Hofmannsthal dem Entste-

hen elnes Gedlchtes zuschauen. Es kommt nicht oft vor,

dass wir das Verden elnes Werkes beobachten dttrfen. Nur

ganz selten aber ist uns eln Fenster In die schtipferische

Seele aufgemacht. In den vlelen tJberlieferungen ttber

1 an Schnitzler, 19. Junl 1903, Brief® II, S. 112.

- 228- -229-

Goethe findet Hofmannsthal keln solohes. Sollte es des- halb von vornherein ausgeechlossen sein, dass wir in den verh<nismflssig wenlgen Zeugnlssen tlber Hofmannsthal

Einblicke In die Innere Schaffenswelse flnden? Wir glau- ben es nicht. Der Dichter unserer Zeit beobachtet das elgene Schaffen mit elnem lntenslveren Interesse als der o Dichter des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts.

Hofmannsthal zeichnet vlele seiner Elnfttlle auf und macht werkgeschlchtllche Notlzen. Der manchen seiner

Zeltgenossen als so unzugHnglich bekannte Dichter beant- wortet schaffensgeschlchtliche Fragen von Fremden gern und ausflihrlich. Darttber hlnaus wflhlt der Dichter mehr- mals fttr die gehaltllche Erklllrung seines Werkes die Ent- s tehungs ges chich/oe •

Der Aufsatz "Die Agyptische Helena", den er zur Ur- aufftihrung der Oper erscheinen lUsst, verfolgt die Ent- stehung der Oper vom acht Jahre zurflokliegenden Einfall ttber die innerliche Verarbeitung bis zum fiktiven Dialog mit Strauss - Hofmannsthal hofft, keine Worte in den Mund von Strauss gelegt zu haben, die dieser nicht gesagt ha­ ben kflnnte -, in dem das Werk gleichzeitig entsteht und

o Siehe dazu Otto Behagel, Bewusstes und Unbewuss- tes im dlchterlschen Schaffen. Giessen, 1906. -230- ale fertiges interpretiert vird. Was ftlr diese Einftlh- rung gilt, trifft auch ftlr das 1927 geBchriebene Nach- wort zum Rosenkavaller zu. Wieder verfolgt Hofmannsthal die Entatehung von den ersten Gesprfichen mit KesBler und Strauss tlber die gewechselten Briefe, die Umarbeiten und Aufftlhrungsschwlerigkeiten bie zur Premiere. Das zehn Tage vor der Uraufftihrung verflffentlichte Vorwort zur Frau ohne Schatten ist genau das, als was es im

Titel bezeichnet wird: "EntatehungBgeschichte'1. Dieses

Mai zitlert der Dichter sogar Ausztlge aus seinem Tage- buch und erzfthlt vom ursprtlnglichen Plan, den Stoff zu einem Wiener Volkssttlck zu gestalten.

Eb 1st anzunehmen, dass in den unverflffentlichten

Notizen und Entwtlrfen noch viele ungehobene Schfttze zur inneren Schaffensweise verborgen sind. Sollte nicht auch in den vielen ungedruckten Briefen, von denen wir mehr und mehr, aber eben leider nur Ausztlge zu lesen bekom- men, so Aufschlussrelches stehen, wle in Jenem tlber die

Entstehung der Elektra. der durch eine gltlckliche Hand in einer Anmerkung des zweiten Briefbandes 1900-1909 auszugswelse Aufnahme fand? -231-

Mlt Hofmannsthals lnnerer Schaffensweise wird man sioh erst dann elngehender beschHftlgen k8nnen, wenn alle Zeugnlsse von ihm und tlber lhn zugflnglich slnd.

Was llesse sich zum Belspiel zu dleser Zeit allgemein fiber seine Umarbeitungen sagen, wenn nur wenige Entwflr- fe, Zwischenstufen und vorl&uflge Fassungen von vollen- deten Werken biaher veriJffentllcht sind? Von den Fakei- mile-Drucken zeigt nur einer die Arbeit des Dichters vom ersten Entwurf bis zum fertigen Produkt. Wir kflnnen kaum mehr tun, als das zugHngllch gemachte Material zu sammeln und elnige Vermutungen auszusprechen.

Der Elnfall

"Alles Produktive ist die Ausgeburt eines Moments

. • *"3 schreibt Hofmannsthal im HBrief an den Buchh&nd- ler Hugo Heller". Nur von wenigen Werken kennen wir die- sen Moment, den ersten Einfall. Angaben fiber die erste

Inspiration zu einem Gedicht finden sich flberhaupt nicht,

Wie "plfltzlich, blitzartig"^ der Einfall zum Drama kommt, beschreibt Hofmannsthal ftlr Die Frau im Fenster und Die

Hochzelt der Sobeide. "Pl8tzlich"3 1st Das gerettete

5 prosa II, S. 238, 4 an den Vater, ohne Datum (1907), Briefs I, S. 230.

5 an Schnitzler, 23. Oktober 1902, Briefs II, S. 96. -232-

Venedlg da, "auf einmal"^ steht der "Bourgeois Gentil- homme" als mjtglicher Rahmen ftlr die Ariadne vor dem

Dichter, Dieser Moment ist Jedoch nicht der eigentliche

Beginn der Entstehungegeschichte des Werkes. Die Stoffe der genannten Werke sind Ja nicht vom Dichter erfunden.

Die Frau im Fenster hat ihren Ursprung in d'Annunzlos

Sogno d *un mattlno di prlmavera. das in der dritten Sze-

ne in vier Sfttzen das Motiv und die Personen von Hof­ mannsthals Einakter enthfilt. Der Stoff der Hochzelt der

Sobelde ist einer alten orientaliBchen Erz&hlung entnom-

men. Otway’s Venice Preserved hat Hofmannsthal schon

sechs Jahre vorher auf einer Waffentlbung zum ersten Mai

gelesen, spftter wieder gelesen und zu elnem elgenen

Szenarium verarbeitet. Mit Moliere ist er schon von der

Schulzeit her vertraut. Ktirzlich erschienene stoffge-

schichtliche Untersuchungen zeigen auch ftlr "original©"

Werke Quellen auf, die zeitlich vor dem liegen, was wir

blsher den "Einfall" genannt haben. So verfolgt Richard

Alewyn^ die Gestalten der Maria/Mariquita aus dem Andreas

6 an Strauss, 15. Mai 1911, S. 99.

^ "Andreas und die 'wunderbare Freundin' - Zur FortBetzung von Hofmannsthals Roman Fragment und ihrer psyohiatrisehen Quelle", Eunhorlon 49 (1955), S. 446ff. uberhaupt dtirfte es eine sich lohnende Aufg&be sein, Hofmannsthals Lesestoff zur Untersuchung des Werkes her- anzuziehen; we1st doch der Dichter selbst darauf hin, -233- bis In die Quelle zurllck, eine amerikaniBche psycholo- gieche Studio, die sich mit aufschluasreichen hand- schrlftliohen Bemerkungen dee Dichters in seiner Bibli- othek fand. Ftlr den Roaenkavaller zeigt Willi Schuh® das ZuaammenflieBsen von einer Vielzahl von slcheren und vermutlichen Quellen auf.

Hofmannsthal gebraucht daa Wort "Einfall” nicht ausschllesalich ftlr die erate stoffliche Idee, wie zum

Beispiel in der "Entatehungsgeachichte der 'Frau ohne

Schatten' aondern auch ftlr daa Aufleuchten des daa a er bei der Arbeit Btlcher benutzt. W&hrend der Ar­ beit an Elektra llest er Rohdes Pavehe und Breuer-Freuds Studien uber Hvaterie (Siehe Briefe II, S. 384)* Vgl. dazu den undatierten (1904?) Brief an Hermann Bahr: "KSnnen Sle mir eventuell nur ftlr einige Tage das Buch von Freud und Breuer tlber Heilung der Hysterie duroh Freimachen einer unterdrtlckten Erinnerung leihen? ... Ich welsa, dass ich darin Dinge finden verde, die mich im 'Leben ein Traum' sehr fdrdern mtlssen." (Briefe II, S. 142). - W&hrend der Niedersohrift von Das gerettete Venedig heisat ea: Wedekinds "Ton, seine leichte Hand hilft mir den Ton zu finden ftlr die Prosaszenen, ftlr das Verschwdrergesindel, ftlr allea mdgliche. Der *Erd- geist1 ist schBn, die 'Btlchse der Pandora1 1st noch viel mehr." (an Bahr, 17. Februar 1903* Briefe II, S. 102). Im August 1904 sendet Bahr T.A. Ribota Lea maladies de la personnallte (Siehe Bahra Brief vom 19. August 1904. Melster . . .. S. 166, wonder Tltel irr- ttlmlich als "Melodle de la personnallte" gelesen iat), das Hofmannsthal erbeten hatte (Siehe den undatierten Brief in Briefe II, S. 155). Q "Die Entstehung des Rosenkavaliers", Trlvlum 9 (1951), S. 65ff.

^ Walter Naumann weiat auch ftlr dieses Work auf eine Quelle hin ("Die Quelle von Hofmannsthals 'Frau ohne Schatten' ", Modern Language Motes 59 (1944), S. 385f). -234-

Gedankens, einen alten Stoff neu zu gestalten. In einem

Brief an Strauss beschreibt er, wie er lm Lukian bllt- tert, Novellen von Stendhal und Musset liest und in

Scribesche Libretti schaut, um einen Einfall zu finden:

"Man muss hoffen, dass eln bescheldener und energischer guter Wille schliesslich durch den Einfall belohnt wird."-^ Der Dichter betont immer wieder die AbhUngig- keit vom Einfall, nicht nur ftlr die erste Inspiration, sondern auch filr das Ausftlhren des bis in die Einzel- heiten festgelegten Entwurfs. "Ohne Einfall bringe ich nichts vor mich . . , "H

Strauss bemtlht sich stflndig, den Dichter auf be- stlmmte Stoffgebiete aufmerksam zu machen und ihm zu einem Einfall zu verhelfen. Zuwellen ist Hofmannsthal berelt, sich mit dem Stoff zu beschUftigen, und bestellt sich einige Male die von Strauss gepriesenen Btlcher*

Mehrmals lehnt er die Hinweise schlankweg ab. Der Ein­ fall lUsst sich von aussen nicht provozleren* Ein Stoff muss Ihn innerlich verlocken und ihm innerlich eine

Freude an der AuBftthrung versprechen*^ Tats&chlich

10 4, Februar 1923, 3, 418.

an StrauBS, 29* September 1927* 3. 506.

Siehe zum Belsplel die Briefe an Strauss vom 1. Juli 1927, S. 498 und 30. Mai 1916, S. 289. -235- wird ni© etwas aus den VorschlSgen von Strauss. Es ist

8ymbolisch fiir die Eollaboration, dass das erste gemein- same Werk schon fertig dasteht, als Strauss es kompo- niert.13 Aufdr&ngen lftsst sich der Dichter weder einen

Menschen, noch einen Stoff. "Durch tSberredung kann man meine Fhantasie nicht anregen, da wird sle bocksteif und tttckisch"Das schliesst nicht das Hinftthren zum

Stoff aus: Von Clemens von Franckensteln, der in London eine Aufftihrung des "Everyman" gesehen hat, erhttlt der

Dichter nicht nur den Hinweis auf den Stoff, sondern auch szenische Bemerkungen der Aufftthrung. Josef Eainz macht lhn auf den Casanova-Stoff aufmerksam, den er zu

Cristinas HelmrelBe gestaltet. Kesslers Hinweis auf den

Stoff der Julie de l'Espinasse 1st der Keim zur Silvia im S t e m .

Immer wieder begegnen wir in Hofmannsthals Briefen der Bltte, das Schaffen nicht von aussen beelnflussen zu wollen. Es kann nichts erzwungen werden. Hofmannsthal

13 Die weltrelchende Hilfe von Strauss am Gestal­ ten und Umarbelten der Libretti soli damit nicht ge- schmftlert werden. Die Elnfftlle des Kbmponlsten verhelfen mehrmals zur Lttsung von Schwierigkeiten und tragen ent- scheldend zum Ganzen bei. Der erste Impuls zu den gemein- schaftlichen Werken geht aber immer von Hofmannsthal aus.

1* an Strauss, 16. Juli 1927* S. 503. -236- filrchtet sich geradezu vor dem unfruchtbaren Gewalt- m&sslgen, auch In der eigenen Suche nach einem Stoff.

Verhfiltnismilssig selten lesen wir, dass der Dichter ei­ nen Stoff bewusst sucht, findet und seine Gestaltung vollenden kann, wie es bei Der Abenteurer und die Sfln- gerln der Fall 1st. Meist kommen ihm Einf&lle in geistig entspannten Situationen, wie zur Hochzelt der Sobeide beim Gang durch die Gassen von Varese; zur Elektra beim

Lesen der sophoklelschen im Garten; zum Geretteten Vene- dlg beim Spaziergang im Wald; zur Josephslegende beim

Spaziergang in den Tuilerien; zum nicht ausgeftihrten

"Steinernen Herz” auf der Eisenbahn. Hebt Hofmannsthal einmal mit der Bemerkung, sei ihm im

Schlaf elngefalien, das Leichte des Einfalls hervor, so kommt ihm der Einfall mehrmals wfirtlich im Schlaf; der

Dichter wacht auf und macht Notizen. Einmal "llest" er im Traum Aphorismen, erwacht und schreibt den letzten auf, den einzigen, der er noch eidetisch vor sich sieht.^

Brauchbare Stoffe an sich findet der Dichter mehr als genug. Die Tagebuchaufzeichnungen sind voll von

*5 siehe das Tagebuch, "Mai oder Juni 1909"# Corona 6 (1936), S. 67. - Hofmannsthal macht sich Notizen fiber seine TrJtume und sinnt darttber nach, dass er in den ersten Monaten des KTleges nicht getrfllumt hat. -237- ihnen. In der Schublade liegen, wie Hofmannsthal lm

Jahre 1927 sohreibt, mehr als zwanzig dramatisohe Ent- wtirfe. Bel einlgen Werken l&sst uns der Dichter wissen, was lhn verlockt hat, einen Stoff zu gestalten. Fiir

Elektra 1st es belm Lesen des alten Sttickes das Auf- leuohten einer Zelle aus Goethes Iphlgenle: "Elektra mit lhrer Feuerzunge", das den Dichter zum Phantasieren ttber die Figur anregt und lhn inspiriert, etwas Gegen- stttzllchea zu der "verteufelt humanen" AtmosphHre der

Iphlgenle zu machen.^ Fttr Odious und die Sphinx ist es dagegen der Wunsch, "das gleiche zu machen"1^ wie es in

Feladans glelchnamlgem Sttick vorliegt. Es wlrd aber durchaus nicht das Gleiche* Hofmannsthal ilbernlmmt wenlg 18 mehr als den Titel. Der Plan, den Cdipus-Stoff zu ge­ stalten, ist filter.*^ Als ihm Josephin Peladans Sttick

In die Hilnde kommt und er unmlttelbar darauf die Nieder- schrift des Stflckes beginnt, ist es keine elgentliche

t_6 Siehe den Brief an Ernst Hladny, ohne Datierung auszugsweise gedruckt in Briefe II, S. 383f.

^ an Beer-Hofmann, 21, September 1904, ebd., S. 165.

^ Auch Die L&stlgen. die Hofmannsthal aufftlhren l&sst, ohne sich als Verfasser zu bekennen, haben kaum mehr als den Titel mit Holieres Facheux gemeinsam. Der Dichter am&siert sich k&stlleh darttber, dass die Kriti- ker das nicht merken. Sehr enttJLuscht 1st er dagegen, dass nlemand seinen Jedermann mit den "Vorlagen" vergleicht. ^ Siehe den Brief an Bahr vom 20. Januar 1904, Briefe II, S. 136. -238-

Befruehtung, sondern die Mbbilislerung und Konkretisle- rung des sehon In Ihm Schlummerndem, wie er es einmal

Strauss erkl&rt: M • « . eventuell llegt auch lm Snar- ren elnes Wagenrades eln Hauptthema verborgen - aber nur filr den, der es schon In sich trftgt."20 Als das

"Fundament des produktlven Handelns" fordert eine Tage- buchstelle aus dem Jahr 1921 das

Verslchert seln, dass das, was man zu machen fllhlg 1st, nle vorher von einem andern Wesen kann gemacht werden seln und erst von uns aus-der Wlrkllchkelt angehflren wlrd • . • 1

Dies Prinzlp des Neuen braucht keineswegs mit dem Alter des Stoffes In Konfllkt zu stehen. Der Schaffenslmpuls zur flgyptlBchen Helena, der in der Zeit der gerade an- geftlhrten Aufzeichnung erfolgt, ist vielleicht das beste

Beispiel filr die gltlckllche Verkniipfung von Neuem und

Altem. "Eine Art Neuglerde" filr die Gestalten von Helena und Menelas bemflchtlgt sich der PhantaBle des Dichters*

Er denkt an sle, als seien sie "lebende Personen von deren Leben man einen Tell kennt, filr eine wichtlge Zeit- spanne aber auf Kbmbination angewiesen 1st." Er fragt sich, "was llegt filr dlese beiden Menschen zwisohen Jener

Nacht damals," als die Griechen in Troja eindrangen,

20 16. Juli 1927, S. 503f.

21 Corona 7 (1937), S. 599. -239- "und dleser behagllchen Situation", in welcher der Sohn des Odysseus Jahre spAter das Paar in Sparta findet? Die euripldeische Zauberei kann fttr unser heutiges Geffthl den seelischen Konflikt des Menelas nicht lftsen. Der antike

Stoff reizt zu einer modernen Lftsung. "Auch Neugierde 22 kann zur Inspiration werden, wenn sle stark genug ist."

Der Dichter kennt Zelten, In denen sich die Inspirati­ on ihm vftllig versagt. Er erlebt aber auch andere, in de­ nen die EinfAlle Legion slnd, die Phantasle ttberschweramen und sich zu Tttrraen aufbauen. Weder der Einfall selbst, noch das Erstarren und Bberfluten der Phantasle kann rationell erfasst werden. Doch liegt im Zufallen des entscheidenden

Elnfalls mehr als Zuf&lliges. Die Frau ohne Schatten ist 23 "das reiche Geschenk einer glftcklichen Stunde". Der wirklich fruchtbare Einfall, "eine Fabel, eine wirkliche

Verknttpfung von Gestalten voll Sinn und Bedeutung zu einem 24 Ganzen . . . 1st eine grosse Gnade."

^ "Die Agyptische Helena", Prosa IV, S. 44lff.

^ an Strauss, 15. Mai 1911, S. 98. - WAhrend der Niederschrift der letzten Selten der MArchenfassung no- tlert Hofmannsthal ins Tagebuoh: "Goethe (gelegentlich 'Hermann und Dorothea1 1797) an Meyer: 'Der Gegenstand Ist Ausserst glAckllch, eln Sujet, wie man es in selnem Leben viellelcht nicht zwelmal findet, wie denn Aberhaupt die GegenstAnde zu wahren Kunstwerken seltner gefunden werden als man denkt, deswegen auch die Alten bestAndlg sich nur in einem gewissen Kreis bewegen.1" (Corona 7 (1937),S. 5 9 %

^ an Strauss, 1. Juli 1927, S. 498. -240-

Die Konzeotlon

Die Frage, ob er zuerst eine umrisshafte Komposi-

tlon vor Augen odor eine bestimmte Idee Im Kopf habe, beantwortet der Dichter dahin, dass es elgentllch beldes

1st. D m reizt eine Atmosphere, aus der oft erst nach Ta-

gen und Wochen eln elnzelnes heraustrltt, eine Gestalt,

eln Ton, eine Anekdote. "Dann verzwelgt sich das Begriff-

llche, formt den Stoff In selnen Tellen, und aus Jener

vagen schwelenden Atmosphere, In die der Gedanke Immer wieder taucht, holt er sich seine lhn vtilllg umhilllende

Metaphorlk, worunter Ich Gestalten, Hlntergrttnde, Rede

und Gegenrede und alles verstehe." Der Dichter selbst

warnts "die Selbstbeobachtung 1st sehr trtigerlsoh, und

ausBerdem beltigt man sich selbst auf dlesem Geblet nicht

ungern. "25 pi© Beschltftigung mit dleser Aussage ist um-

so interessanter, als sle ihres Datums wegen - 1901 -

dazu relzt, mit den vorangegangenen Entstehungsgeschich-

ten des lyrischen Werkes verglichen und an den zukttnfti-

gen Werken geprilft zu werden - vielmehr sle kflnnte es

seln, wenn wir mehr tiber die Entstehungsgeschlchten

wiissten. Wenn ttberhaupt von der Entstehung von Gediohten

25 Brief an Ernst Bernhard, 6. Dezember 1901, Prosa II, S. 4l8f. -241- etwas mltgetellt 1st, dann eben nur das Vann und Vo, nicht daa Vie, So 1st zum Beispiel "Vorfrtihling" 'fcnde

Mlrz (1892) an einem feucht-warmen windigen Abend ent- standen."2^ Nur eln Gedicht 1st In den blsher verflffent- llchten Tagebuchaufzelchnungen werkgeschlchtlloh belegt.

Der Dichter arbeltet lUngere Zeit an dem " ^hilosophi- schen* (aber nicht didaktischen) Gedicht" "sllnde des

Lebens" (1891), das eine "Idee darstellt."^7 Eine ganz andere Schaffenswelse beschrelben die "Verse, auf eine

Banknote geschrleben" (1890):

"Das Nlchts, der Klang, der Duft, er wird zum Kelm, Zum Lied, gezlert mit fllmmernd buntem Relm, • • • [Ichj schrelbs, wo Immer, an der Zeitung Rand, Auf eine leere Selte lm Homer, In einen Brief - (es wlegt Ja selten schwer)..."

Es llegt nahe, dem Belsplel einer Rilkestudie2^ zu folgen und aus den Gedichten selbst Schlttsse ttber Ihre

Entstehung zu zlehen. Das erste der "Drel klelnen Lleder"

(1899) belsplelswelse, mit den anspruchslosen Vorten, der elnfachen Grammatlk und dem Relmschema abaab macht den Elndruck des mit Lelchtlgkelt Geschrlebenen. Die er-

pC an Brecht, 20, Februar 1929, lm Brlefwechsel mit George, S, 235*

27 Corona 9 (1940), S. 662,

2® Clive Helmut Cardinal, Xnnp-t-ration and Craftmmaw ship In the Vork of Rainer Marla Rilke. Dissertation, Toronto, 1956, -242- habene "Kantat©H (1914) dagegen, grammatisch so schwie- rig, dass Strauss fragen muss, ob as so wirkllch rlchtlg sel, deutet auf eine langsama, umarbeltend© Schaffens- weise hin. Ein ernilchternder Schock belahrt uns des Bes- seren. Der erste Entwurf des Gedlchts2^ zeigt viele Um- arbeitungens eine Wortver&nderung, dann das Verwerfen der ersten Hftlfte der vierten Zeile und Erweiterung zu zwei Versen; eine Stockung in der Hitte des dritten Ver­ ses der zvreiten Strophe; Abbruch; dann die zwei letzten

Verse, mit Ver&nderungen; dies© zusammen mit dem Bruch- sttick des drittletzten Verses wieder ganz herausgenom- men und durch neue ersetzt; wenigstens zwei VerEnderungen an diesen; die achte bis zehnte Zeile noch einmal durch- gestrichen, den nicht ins Schema passenden Heim "stem - fern" durch "heraus -nachhaus" ersetzt, was zur endgttl- tigen Form ftihrt. Die Kantate dagegen erweist sich als

"improvisiert, wie eine Depesche einfach fast ohne ttber- legung hingeschrieben".5° Hofmannsthal bittet bei der

Arbeit an Arabella den ungeduldig wartenden Strauss um

Zeit: "Alles kostet mich genau die gleiohe Kbnzentration

2^ Faksimile-Abdruck gegenttber dem Faksimile der Reinschrift, beide vom 17. XI. 99 datiert, in Das Insel- schiff, Weihnachten 1929* S. 22f.

an Strauss, 18. Februar 1914, S. 225. . • • und die Zeile 'Leopold, 1 zahl, 1 geh' 1st lm

Grunde nicht schverer und nicht lelchter zu erfinden als

'Gewogene Lttfte, ftihrt uns zurtickj'"^ Es ist geftthr- llch, aus dem Text auf die Schaffensvelse zu schliessen.

Einem Kunstwerk sieht man es eben nicht an, wie es ent- standen 1st* Wir slnd auf die wenigen Entwtirfe, das Tage- buch, die Briefe und die Erlnnerungen der Freunde ange- wiesen.

Mehrmals macht die Kritik auf inhaltliche Entspre-

chungen von Prosastellen und Versen aufmerksam. So ver- mutet zum Beispiel Walter Brecht in einer Notiz Hofmanns­

thals einen Gedichtentwurf in Prosa.^2 ttber die Diskussi-

on des Schtipferischen zwlschen Hofmannsthal und Brecht hat

des letzteren Ehefrau elniges mltgetellt. Brecht kennt

die Arbeitsweise des Dlchters und ist mit dem Nachlass

vertraut. Wir dtirfen annehmen, dass Brechts Hlnweise auf

Prosanotizen als erste Konzeptlon des lyrlschen Werkes

51 13. Juli 1928, S. 559. - "Gewogene Ltifte...": Der Schluss won Die Agvotlsche Helena. Vgl. dazu den Brief an Strauss vom 14. Februar 1924, S. 441: "Mir feh- len nur noch die letzten 4 Zeilen (Menelas-Helena unisono) ..." - Wie wichtig die Wortwahl gerade ftir das ftir Musik bestimate Werk 1st, steht in einem Brief an Strauss vom 1. August 1916, S. 302: "Die Lehre habe ich aus dem, waB Sle ausspreohen, scheint es, zu ziehen: dass den Eompo- nlsten wenlger die Situation als das eigentliche Wort- element des Textes zwingend anzuregen vermag."

32 Mtiber Hugo von Hofmannsthals 'Bergwerk zu Falun'", Corona 3 (1933), S. 210. -244- mohr als Vermutungen sind. In dem Prinzip der Prosa- konzeptlon ftir das Drama verglelcht Borchardt Hofmanns­ thal mit Vergil und Leopardi. Wie dlese so habe auch Hof­ mannsthal, ganz gleich, ob es sich um Vers- Oder Prosa- dlchtungen handelte, zunflchst Schemata In Prosa kompo- niert.^ Hofmannsthal Belbst sprlcht von dlesen als "Sze- narlen", nicht nur ftlr die dramatisehe sondern auch filr die erztthlende Form.3^ Danae Oder Die V e r n u n f thelrat55

1st eln gutes Belspiel einer solchen Konzeptlon. Die er­ sten beiden Akte sind szenlsch ausgearbeltet, teilweise schon dlaloglsch angedeutet, der Gang der Handlung des dritten fltlchtig sklzzlert, als Hofmannsthal am 23. April

1920 das lm Dezember des Vorjahres begonnene und Anfang

Februar als "Entwurf" ftir April angekilndlgte "Szenarium" an Strauss schickt. Ktirzer und weniger detailliert ist

33 siehe "Hofmannsthals LehrJahre", a.a.O. - Vgl. dazu Hofmannsthals Brief an Schnitzler vom 12. August 1901 tlber die Arbeitsweise an "Pompilla Oder das Leben": "Ich schrelbe den ersten Akt In Prosa, vorl&ufig, um mich zur ftussersten Deutllchkeit und Realitdt In der Expositi­ on zu zwingen.11 (Briefe II, S. 53).

3^ Siehe den Brief an Beer-Hofmann vom 22. Septem­ ber 1894, Briefe I, S. 115: "ich ... schrelbe an melner Novell© vom Sektionsrat, word1 aber wohl nicht mehr als das genaue Szenarlum vor dem Dlenst fertigkriegen."

35 1933 zum erstenmal, 1952 mit zus&tzlichen Noti­ zen des Dlchters verflffentlicht, In den Band Lustsnlele III aufgenommen. der Entwurf zum Roaenkavaller. den Willi Schuh^G mit- tellt. Die drei Aufzttge sind atichwortartig aklzzlert.

Figuren und Inhalt aind featgelegt* Die Bezeichnung d©8 weiteren Spielraums und der Zeit der Kandlung fehlt.

Deutlich iat aber daa, was Hofmannsthal ala daa lhn rei- zende atmosphttrisehe Element bezeichnet: Daa Rokokko ala

Zeltstlmmung. Es 1st unseres Wlsaena daa elnzige veriif- fentllchte ausfdhrliche Konzept eines spttter vollendeten

Werkea. Zuaammen mit den Briefen, dem Geleitwort und den

Erinnerungen gew&hrt der Entwurf einen wirklich einzig- artigen Einblick nicht nur in die WerkBtatt der Zuaammen- arbelt mit Strauss, sondern auch in den Schaffenaprozesa des Dichters. Die Entwtirfe zu nicht ausgeftlhrten Dramen

dagegen eignen sich kaum fttr eine Betrachtung der Schaf-

fenswelse. Entweder sind sie von den Herausgebern redi-

glert oder bestehen, wie die "Aufzelchnungen zu einem

'Xenodoxus1" ^ aus Manuskriptkonvoluten, welche Gehalt-

liches, Inhaltliches, Personen, elnzelne Szenen und Dia­

log© in direkter und indirekter Rede aneinanderreihen.

Sie geben zwar aufschlussreiche Auskunft fiber die einzei­

nen Plflne, erlauben aber keine allgemelnen Schlttsse auf

die Schaffensweise.

36 “Die Entstehung des Rosenkavaliers", Trlvlum 9 (1951), S. 69.

^ Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 401-423. Siehe dazu die Betraohtungen von Edgar Hederer, ebd.. S. 424- 436. -246-

Wie sorgf<lg eln Szenarlum durchkonstruiert wird, erweist sich In der Entstehungsgeschichte von Arabella.

Der Dichter sleht mit Zutrauen die Handlung vor sich.

Die schriftllche Konzeption soil alle Proportlonen, deren

Vorhandensein im Entwurf Hofmannsthal von Cristinas Helm- relse an immer wlchtiger wird, enthalten. Er vergleicht sich mit einem Schiffsbauer, der, das fertige Schlff vor

Augen, Tlefgang, Ballast und SegelflAche genau erwttgen muss, damIt das Vollendete so gut und lelcht gebaut 1st, dass der Wind - die Musik von Strauss - sel es auch nur eine leichte Brise, zur guten Fahrt verhilft*^® Auch wAhrend der Arbeit an anderen Szenarien schreibt der

Dichter vom stetigen Andern, Hinzufttgen, Wegnehmen, Pro- portionieren.

In einem undatierten Brleftorso aus den zwanziger

Jahren - er behandelt die Arbeit an der ersten Fassung vom Purm - steht der Satz: "Der Dichter geht von den

Gestalten aus: sle erschelnen ihm, aber soglelch in lhrer schlcksalsmAssigen Verknttpfung . • ."39 Belm Entwerfen von Der welsse F&cher und Die Hochzelt der Sobelde stehen soglelch die Figuren da. Im ersteren Falle werden sle um

■^8 Siehe den Brief an Strauss vom 22. Dezember 1927, S. 531.

^ an Fritz Setz, Corona 10 (1943), S. 797. eine, lm zweiten um ftlnf vermehrt. Die Gestalten dee

Roaenkavaliers sind da und agieren, noch ehe der Dich- ter Namen fttr sle hat: "der Buffo, der Alte, die Junge, die Dame, der * Cherubin'."40 Jthnllch 1st es In der er­ sten Notlz zur Frau ohne Schatten: "Das zwelte Paar (zu

Kaiser und Kalserln) sind Arlekln und Smeraldlne."^ Die

Gestalten filhren ein Eigenleben. Schon der Achtzehnjtthri- ge schrelbt belm Planen einer nicht ausgeftihrten Tragfidle von der "Deutlichkelt des Gestaltensehens und Stlmmenhfl- rens." Beim Eonzlpieren der Hoohzelt der Sobelde ftihlt

er sich in der "Gesellschaft von 8 aufregenden Gesohflp-

fen."4^ Die Gestalten der Elektra "entstehen und entzie- hen sich eigenslnnig tl . ^1 Die Figuren der Arabella tanzen

ihm deutlich, einander kontrastierend "fast zudrlnglich

vor der Nase herum. Es sind die GeiBter, die ich Ihnen

[Straussj zulieb gerufen habe, Jetzt werde ich sie nicht

mehr los."4^ Wie Vampire k8nnen sie sich des Dichters be-

40 Prosa IV, S. 427.

41 Prosa III, S. 451,

4^ an Beer-Hofmann, 26, Juni 1892, Briefe I, S. 44.

43 an den Vater, ohne Datum (1897), Briefe I, S. 231,

44 an Bodenhausen, September 1902, S, 21,

45 20. November 1927, S. 523. -248- m&chtigen. Er konnte, wie er sich einmal an elne be- sonders inspirationsreiehe Zelt erinnert, die Fillle der

Gestalten, "die immerfort und immerfort auftauchten kaum ertragen"er muaste "den Schwarm von Gestalten, der

Bich zudr&ngte, mit beiden Hilnden vom Blut weghalten, daa sie trinken wollten . • ."^7 Nicht der Dichter selbst echeint zu entwerfen. Die Gestalten kommen auf ihn zu.

Immer wieder wird das Entstehen des Szenariums im Fassi- rum oder im eigenwilligen Vorschweben - ein Lieblings- wort Hofmannsthals - der Gestalten beschrieben, so zum

Beispiel: "'Pentheus' . . . hat sich zum Szenarium ge-

gliedert • . ’Orest in Delphi' . . . zeigt seine Ge­

stalten unheimlich deutlich • . .".4® Schon die ersten

Notizen zum Werk mflgen deshalb die Skizzierung von Szenen

enthalten, wie die oben erwfthnte Tagebuchaufzeichnung zur

Frau ohne Schatten: "Eine Szene, wo die beiden Frauen

einander gegenttberstehen, durch ein Vasser getrennt",49

oder die "hastige Exposition"50 zum ersten Akt von Danae

oder die Vernunftheirat.

^ an Bodenhausen, 21. August 1904, S. 46f.

^7 am selben Tag, an Felix Salten, Briefe II, S. 158.

an Schnitzler, 22. Juli 1904, ebd.. S. 152.

Corona 6 (1936), S. 68.

50 Lustsplele III, S. 381. -249-

Die Ausftihrung

Erst in der Ausftihrung, so steht es mehrmals In den Briefen, steckt die wirkliche dichterische Arbeit.

Es scheint durohaus nicht so zu sein, wie es Hofmannsthal einmal auf der verzweifelten Suche nach einem Stoff filr

Musik - andere hat er Ja "mehr als genug" - darstellts

11 • . • nur daB Szenarium muss gefunden werden, das an­ dere macht sich von selbst."51 Der Einfall ist eine Gna- de, das Entwerfen kommt oft wie von selbst zustande; bei der Ausfilhrung aber ist immer wieder vom "Arbeiten" die

Rede, manchmal von wirklich manueller Arbeit. Das Schaf- fen an Odious und die Sphinx wird verglichen mit einem

"Schaufeln und Schaufeln, Sich-einschaufeln in einen

Berg, Slch-durch-schaufeln durch einen Berg."52 Nach dem

Fertigstellen des Opernlibrettos der Frau ohne Schatten will Hofmannsthal sich in die MflrchenfaBsung "mit aller

Kraft eingraben."^ Die Verbindung der Ariadne-Oper mit

51 an StrausB, 4. Februar 1923# S. 417.

52 an Bodenhausen, 2. Januar 1906, S. 70.

53 an Bodenhausen, 6 . Juli 1914, 3. 167. - Der Vergleich mit dem Bergmann fAllt beeonders v&hrend der Arbeit an diesem Stoff auf; siehe die Briefe an Strauss vom 4. November 1911# S. 128: "Manchmal bohrt ein gltlck- licher Gedanke einen Stollen ins Dunkle des sehr schwle- rigen Mlttelaktes" und 8 . Mftrz 1912, S. 146: "... Weiter- graben in neuen SohAchten, aus denen fiir 'Salome1 und 'Elektra' so viel gefttrdert wurde." -250- dem "Bourgeois Gentilhomme" let ©in© "hflllische Schach- aufgabe", zu deren LBsung der Dichtor sich "wie ©in Zug- hund plagen"54 muss. Das Ausftihren, "Wort- und Stil- gebung" ist die "letzte, aber zugleich auch erst© wirk- lich schflpferische Arbeit (Szenarium ist doch ebon nur

Grundriss, noch nicht Sch8pfung),"55

Immer wieder betont Hofmannsthal die Notwendigkeit,

"sich zusammenzunehmen", "sich zusammenzufaesen,,, "den

Sinn auf den einen Stoff zu richten." Das letztere

scheint ihm am meisten Schwlerigkeiten zu machen. Die

Werkgeschichten laufen oft parallel. Am Beginn deB Schaf-

fens von lftngeren dramatlschen Arbeiten, im Jahr 1902,

f&llt das am meiBten auf. "Fompilia", "Das Leben ein

Traum", "Elektra", "Das gerettete Venedig" und anderes

sind konzipiert und warten auf die Ausftihrung. Es ist zu-

weilen unmBglich, festzustellen, welches davon der Dich-

ter meint, wenn er von der Besch&ftigung mit seinem "dra-

matischen Werk", seinem "Trauerspiel" spricht. Wie ihn zu

viele Einfttlle auf einmal bedrftngen, wie er innerhalb von

Tagen zwel Lustspiele und zwei Aufsfttze schematisiert^,

5^ an Strauss, 19. April 1912, S. 150.

55 an Strausb , 3. Juni 1913# S. 196.

56 Siehe don Briof an Burokhardt vom 5. Februar 1927, S. 87. -251- von denen sich nur Je eines verwirklicht, bo kann auch

In der ausfiihrenden Arbeit ein Werk neben dem anderen fortschreiten oder elnes das andere abldsen. Die fol- genden S&tze tiber das Nebenelnander der Arbeit an Das gerettete Venedig und Elektra kilnnten fttr manche andere

Arbeiten gelten: "Was dann welter kam, entzleht sich • • • dem Willen. Sooft lch das elne anfangen wollte, drXngte sich das andere vor. Ich konnte das elne nlcht schrei- ben, und ich konnte das andere schrelben."57 wXhrend der Arbeit an Silvia im Stern wird im Juni 1907 Cristi­ nas Helmreise angefangen, belde werden weltergeftihrt bis zum Herbst, wenn das erstere weggelegt wird, um

- so lautet der Plan - im Sommer 1908 zusammen mit dem letzteren vollendet zu werden. Doch Silvia lm Stern bleibt Fragment, und wXhrend der Arbeit an Cristinas

Heimreise entsteht Der Rosenkavaller. Trotz des Wunsches, zuerst den Schwlerlgen fertlgzustellen und erst dann wieder elne Zusammenarbelt mit Strauss einzugehen, kommt im Jahre 1917 Der Btirger als Edelmann zustande.

In die Arbeit am Turm schlebt sich Der Uribeatechliche.

Xussere Grflnde spielen Afters elne Rolle, aber solche gelten nlcht ftir Die Xgvotlsche Helena, die sich gegen

57 an Otto Brahm, ohne Datum (1903). Briefe II. S. 125. dee Dlchters Willen in die Arbeit am 5* Akt des Tunn hinelndrttngt. Dazvrlschen atehen immer wieder alte und

neue Plflne, Entwttrfe, Umarbeitungen, ProsaaufsHtze. Das

gleichzeitige Vlele "brlngt viel mehr herunter als wenn

man sich in einer Richtung noch so viel hergiebt",5®

stflhnt der Dichter. Andererseits kann das Nebeneinander

oder AblBsen auch eine voluntttre Schaffensmethode sein.

Statt Jeden Augenblick der grossen dramatischen Arbeit

Odious und die Sphinx zu geben, schreibt Hofmannsthal

Aufsfltze: "Es giebt sehr viele Tage, wo ich filr das

[DramaJ wie Eis erstarrt bln und mich abziehen muss,

da schreib ich dann diese kleinen Dinge.H59 pas proble-

matische dieser Seite seines Schaffens beschreibt der

Dichter in einem Brief an Hermann Bahr vom Jahre 1918.

Seit Jahren beschflftigen ihn als Freude und Alpdruck

zugleich eine Reihe von Arbeiten: Das Mtirchen seit 1912,

dem Abschluss nahe; der Roman seit 1911*^® der noch

Jahre zur Vollendung brauchen werde; vier Eomfidienstoffe,

darunter Per Schwlerlge. dieser 1908 konzipiert, im Som­

mer 1917 bis auf Kleinigkeiten vollendet, die noch im

58 an Bodenhausen, 26. Juni 1904, S. 45.

59 an Bodenhausen, 22. M&rz 1905, S. 62.

Vgl. die von Richard Alewyn zusammengestelite Entstehungsgeschichte, die bis ins Jahr 1907 zurttckrelcht. -253- letzten Akt zu machen Bind; Silvia lm Stern, seit 1907»

"immer wieder vorgenommen"; ein drelaktlges Szenar "Herr von Heintl", 1916 geschrleben; Lucldor. 1910 verdffent- licht, "neuerdlnga wieder aufgenommen"; eine Semiramis-

Ninyas-TragJJdie, seit drelzehn Jahren geplant, kttrzlich mit Max Reinhardt und Leopold von Andrian durchgespro- chen; die Fertigstellung der Transkription von Calderons

Das Leben ein Traum (1902)*

Rechnen Sle dazu, dass ich die sonder- barete Art von dichterischer Mentallt&t habe, nle wlssen zu ktinnen, welche dieser Arbeiten plfitzllch sich melner Phantasie bemflchtigen wird, dass entweder gar nichts da is11 oder alles auf einmal, ein uribere- chenbarer Wind alle G-liJckchen dieses Glocken- spieles in Bewegung setzt,"°l

Nur gelegentlich erscheint im Planen des relfen Dlch- ters das aufeinanderfolgende "dann", das der Junge Hof­ mannsthal so gern, meist fttr sp&ter doch nicht Ausge- fiihrtes, gebraucht. Immer wieder aber lesen wir vom gleichzeitig Bedr&ngenden der Stoffe - oder von der Er- starrung der sch8pferlschen Krfifte.

Zum Nebenelnander von Werken steht das Hinterelnan- der innerhalb des elnzelnen Werkes im Gegensatz. Nur im

^ 15. Juni 1918, Melster .... S, 177 - 254- nicht zu Ende gebrachten Jugendwerk und bei den ersten

Versuehen zur Prosakomddle berichtet Hofmannsthal von der glelchzeltlgen Arbeit an auselnanderllegenden Akten.

Die anderen Werke entstehen, sowelt wir darttber unter- richtet slnd, In der Relhenfolge der Akte.

Der Junge Dichter arbeltet In der Hoffnung auf End- gtiltigkeit der ersten Niederschrift. "Wenn Ich schon ausstrelchen muss, habe Ich gewlss In einem sehr schlech- ten Augenbllck etwas gemacht."^2 Im Bergwerk zu Falun wird echon vor der Vollendung des Ganzen elne ttberarbei- tende zweite FasBung, vor allem des zweiten Aktes, ange- fertlgt. Von weitreichenden grttsseren Umarbeitungen lesen wir erst In der Werkgeschlchte von Das gerettete Venedlg. und nach dem Fertigwerden des Dramas. "Szenenweise und etwas schleuderhaft, sozusagen provlsorlsch" etwas hinzu- schreiben, wird im August 1907 wfthrend der Arbeit am er­ sten Akt von Silvia lm Stern als eine neue, "etwas pro-

^ Ausspruch des Dichters, mitgeteilt in Rudolf Borchardts "Hofmannsthals Lehrjahre" lm erBten Prosaband der Werke Borchardts, Stuttgart, 1957» S. 154, wo der Freund sich dartlber verwundert, daBs Hofmannsthal die Mdg- lichkeit des Verbesserns nlcht begriff. - Vgl. dazu Felix Braun, "Begegnungen mit Hofmannsthal" in Fiechtners Samm- lung, S. 170: "Als ich erwflhnte, Ich £lelte ein gewlsses Gedlcht von mlr nlcht mehr aufrecht, tadelte er mich darum. Er flndere nlchts an seinen Versen und lasse sie In der Gestalt, in der sle zu lho gekommen waren." blematische Arbeitsweise"^3 bezelchnet. Ob eB bel die-

sem "Auskunftsmlttel" bei der Arbeit an dem neuen Genre,

der ProsakomBdie, bleibt, 1st sehr zu bezweifeln. Vas

wir tiber die Entstehung von Der Schwierlge und Der Uribe-

stechllche wissen, deutet auf die von Anfang an grttndli-

che Ausftihrung hln. Hofmannsthal hofft, das Original des

Btirger als Edelmann. "welches als Kbmposltlon schleuder-

haft und offenbar lmprovlslert 1st, zu dbertreffen,"^

und krltisiert damlt genau das, was er zehn Jahre vorher,

wenlgstens fiir elne erste Niederschrift, versucht hat.

Je sp&ter die Werke slnd, desto mehr Jlnderungen werden

schon In der ersten Niederschrift gemacht. Gern gebraucht

der reife Dichter das Bild vom Glockenguss. Damlt das

Werk aus einem Guss dasteht, muss es Szene urn Szene hand-

werklich vollendet aufgebaut werden. Der Anfang muss de-

finitiv seln, bevor weltergearbeitet werden kann. Hofmanns­

thal bezelchnet seine "Arbeitsweise" an der Frau ohne

Schatten als "langsam, vlelfach das Hergestellte wieder

verwerfend."65 pie erste Hfllfte des ersten Aktes wird vom

63 an den Vater, ohne Datum (1907), Brlefe II, S. 287.

64 an Strauss, 21. Juli 1917, S. 321.

^5 an Strauss, 30. September 1913, S. 208. ersten bis zum letzten Wort drelmal umgesohrleben und

1st selbst dann noch nlcht deflnltlv. Der erste Akt wird nlcht aus den Hlnden gegeben, bis der zwelte ge- slchert 1st. "Das Dlchterlsche • • • 1st erst dann re- allsiert, wenn alles Xusserllche verlnnerllcht, und al- les Innerllche vertiusserllcht wird."66 So blttet der

Dichter auch den Kbmponlsten,"alle Telle elnes kom- pletten Ganzen Immerfort vor Augen"67 zu haben. "Es handelt sich urn die Proportlonen: Diese slnd aber, nftchst der Erflndung elner relchen, fassllchen und menschllchen Handlung das Allerwlchtlgste."^® Elne

Szene wird sorgsam auf die andere gebaut. Zwischenglle- der, wie sle einmal lm ersten Akt des Rosenkavaller fehlten, als Anfang und Ende feststanden, bevor die Mltte ausgearbeltet wurde, dtirfen nun nlcht mehr fehlen.

Eng verbunden mit dieser langsamen, soliden Ar- beitswelse 1st das Wissen um den Wert der schflpferischen

Pause. Das lyrlsche Drama, auch noch Das Berawerk zu

Falun. Das aerettete Venedlg und Elektra werden In ei­ nem Zug ausgeftihrt. Jede Unterbrechung wird als st6rend empfunden. Der flltere Dichter l&sst sich Zelt. Die mehr-

66 an Strauss, 25. Juli 1914, S. 244.

67 22. April 1914, S. 227.

68 an Strauss, 30. September 1913, S. 208. monatige Pause zwischen dem zweiten und drItten Akt dee Rosenkavaller. die Strauee seiner Verpflichtungen wegen elnlegen muss, macht sich der Dichter zu elgen

In der Hoffnung, sle werde den letzten Akt relfen les­ sen. Die zweieinhalbmonatlge Pause In der Ausfilhrung des ersten Aktes der Frau ohne Schatten, so vermutet er, werde der welteren Arbeit gutgetan haben. Er plant, den ersten und vlellelcht auch den zwelten Akt nach dem Fer-

tlgstellen fiir mehrere Monate llegenzulassen, ein letztes

Mai darilberzugehen und erst dann den dritten Akt zu

sohreiben. Als er bel der Ausarbeltung des Uribestechllchen

das Schreiben des Vorworts fttr das Deutsche Lesebuch und

einen welteren Aufsatz elnschleben muss, macht lhm das

gar nlchts aus. Auch lm Ausftihren der Agyptlschen Helena

und Arabella werden Pausen elngelegt. Der Jtlngere Dichter

ahnt, "dass sich gerade In solchen lttstlgen Zwlschenzel-

ten innerllch vlellelcht die kostbarsten Partlen des Gan-

zen organlsleren oder umgestalten".^ Der reife Dichter

macht die schflpferlsche Pause zu einem Faktor seiner Ar-

beltswelse.

In der Betrachtung der geopsychischen Gesetzmttsslg-

kelt machten wir auf die relche Metaphorlk des Organlschen

69 an den Vater, 11. September 1907, Brlefe II, S. 290. In der Diskussion der Schaffensweise aufmerksam. Hler

1st Gelegenheit, auf einen anderen Bildkreis hinzuweisen.

WEhrend der Ausfilhrung und nach der Vollendung des Werkes verglelcht Hofmannsthal seine “Arbeit" gern mit der des

Handworkers und bildender schiJpferischer Berufe. Eine

Notiz aus dem Jahr 1905 fordert fiir die Bibliothek des

Dichters Bflcher tiber handwerkliche Fertigkeiten wie Gei- geribau, Baukunst, Forstwirtschaft, "damit er die Gruppe von Ausdrttcken, die • • • die darin enthaltenen Reich- tiimer und Verschiedenheiten offeribaren, sich daraus an- eignen kiJnnte,"7^ Ausser dem bereits erw^hnten Vergleich mit dem Glockengiesser und dem Schiffsbauer erscheinen die mit dem G&rtner, Architekt, Bttttcher, Teppichweber und Werkzeugmacher. So reichhaltig sein verbaler Aus- druck fiir die dichterische Tfltigkeit ist, "machen" bleibt das Leben hindurch Hofmannsthals Lieblingswort.

Hofmannsthal unterstreicht die "Eigenschaft, die ein niedrlger Literat an einem hfiheren am wenigsten zu sch&tzen weiss • . •: die Ausdauer, das elgentllche zihe Wollen des HfJheren."^^ DaB Dichten braucht schflpfe- rische Gnade und den handwerklichen Willen, damit das

70 Corona 6 (1936), S. 577.

71 Buch der Freunde. S. 81. dlchterieche Werk so vollendet wird wie die hiJchsten

Schtipfungen der bildenden Kunst. Immer wieder vergleicht

Hofmannsthal die Arbeit des Dlchters mit der des Kupfer- eteohers, Radierers, Holzschnitzers, Blldhauers, Zeich- ners und MalerB. Es mag in der Erkenntnis der eigenen musikalisohen Richtung und in der Zusammenarbeit mit

Strauss begrilndet sein, dass der Vergleich Dichter=Kompo- nist fehlt.

Die Kritik des eigenen Werkes wttre der Gegenstand einer speziellen Betrachtung. Hofmannsthal sieht manches

Fertige mit kritischem Blick an, anderes mit der Freude des Kiinstlers tlber das Gelungene, nur ganz selten aber mit dem Stolz des SchiJpfers auf das bis ins Letzte Voll- endete, Perfekte. Werke sind ftir ihn wie Kinder, ein Ver­ gleich, dem wir immer wieder begegnen und schon vor der

Zeit, in der der Dichter die anffingliche Krise und das

Gedeihen des ersten grossen dramatischen Werkes, Elektra. und des ersten Sohnes von Tag zu Tag parallel erlebt*

Ein endgttltiges Urteil tiber sein Werk hat er sich nlcht erlaubt. Er wusste, dass er die letzte Prttfung, die er selbst forderte: Bestftndigkeit und Dauerhaftigkelt, nicht erleben wtirde. In persBnllcher Bescheidenheit hat er mehrmals, unter anderem im Ad me insum. die Beschttftigung -260- mit seiner Persflnlichkeit abgelehnt. Mflge es drelsslg

Jahre nach seinem Tod, nun da seine Schflpfungen in den

Gesammelten Werken und auf den Biihnen leben, lhm nlcht ungelegen sein, dass wir versuchten, etwas von dem zu erfahren, was er an anderen Dichtern so oft erleben durfte: das Ahnen und Sichtbarwerden der schttpferischen

Persflnlichkeit hinter dem Werk. DIE FIGUR DES SCh Bp FERISCHEN MENSCHEN UND DIE DARSTELLUNG DER KUNSTLERISCHEN SCHAF- FENSWEISE IM WERK HOFMANNSTHALS

Ein Kunstwerk 1st eine um- stflndliche und ausgebreitete Handlung, durch die ein Cha- rakter, der des Autors, er- kennbar wird*

(Buch der Freunde)

"Wer vieles echuf und sich oftmals gross fiihlte, dem wird auch das eigene Schaffen ein gewaltiges, die Betrach- tung fesselndes Schauspiel"! schreibt Hofmannsthal ttber

Victor Hugos Les quatre vents de l 1esprit* Er hat es ver- mieden, aus Blch und seinem Schaffen "ein Schauspiel zu machen." Als Strauss im Jahr 1927 auf den Stoff der ktinst- lerlschen Persdnlichkeit hinweist und um einen Einakter mit einem Komponisten Oder Dichter als zentrale Figur bit- tet, lehnt Hofmannsthal ab. Die Biographie eines Anderen -

Strauss hatte angedeutet, dass es ihm ervllnscht wUre, wenn

"Studie ttber die Entwickelung des Dichters Victor Hugo", Prosa I, S. 424f. -261- -262- sein, des Eomponisten, Biographisches hineinspiele -

Hkann einem nur duroh besondere merkwilrdige Ziige, frap- pierende Vorkommnisse zum Stoff werden, nlemals aber durch die geheimen Interessen, die seine (eben Jenes

1anderen') Phantasie allein damit verbindet.” Ein Ktlnst- lerdrama gelinge nur selten und dann nur durch das Selbst- biographlsche, "vermflge des Umstandes, dass man zu sol- chen Stoffan viele geheime Motive in sich trHgt.M Hof­ mannsthal erw&hnt als gliickliche Gestaltungen Goethes

Tasso und Pfitzners Palestrina* Er fiihle sich Jedoch zu keinem anderen Thema weniger aufgerufen als zu diesem.

Es sei "schwer genug, glaubhafte Figuren, die Menschen sind, hinzustellen, das Drama, dessen Figuren sich ausser- dem noch als Kttnstler beglaubigen sollen, ist eine odiose

Form . . ."2

Hofmannsthals Aussage wirft Fragen auf. Freilich hat er kein Kilns tlerdrama geschrieben, aber gibt es nicht eine lange Relhe von Kilnstlerfiguren in seinem Verk:

Dichter, Komponisten und bildende Kilnstier? Inwieweit sind, da Hofmannsthal schreibt, eine Kilnstlerfigur gelinge nur als Selbstdarstellung, der Fantasio des Geetern, die

2 16. Juli 1927, S. 502f. "Dichter” des ELelnen Welttheaters und des "Vorepiele fdr ein Puppentheater", der Lord Chandos selbstbio- graphische Gestaltungen? Varum erschelnt In Der Aben- teurer und die singerIn ein grelBer Komponist, In beiden

Arladne-Fassungen ein blutjunger? Was reizt ihn dazu, die letzten Sohaffensstunden Tlzlans zu beschw#ren und den

Fremden des K1 einen Welttheaters als einen blldenden

Kilns tier auftreten zu lassen? Ist nlcht mehrmals das ktinstlerlsche Schaffen und die Schaffenswelse zum Stoff geworden? Da der reife Dichter das Thema des Kftnstlers so unbedlngt ablehnt, f&llt das h&uflge Vorkommen von

Kilns tier figuren im vorangegangenen Schaffen urn so mehr auf, vor allem die Relhe von Dlchtern, die allerdlngs an einem Punkt lm Werk abbrloht. Sehen wir von dem Dichter in der kurzen Szene aus dem unvollendet gebliebenen Lust- spiel "Tlmon der Redner" ab, so 1st der Dichter lm "Vor- spiel fiir ein Puppentheater" die letzte Dichterfigur.

Die Betrachtung der Dlchtergestalten in der Folge lhres

Entstehens mag den Grund dazu aufzeigen*

In der Betrachtung der Gedlohte vor allem sind wir uns der Tatsache bewusst, elne ktinstllche Untersoheldung

zwischen dem Werk, in welchem ein Dichter auftritt, und dem, in welohem der "Dichter" nlcht In persona ersohelnt, -264- zu machen. Beaonders Gedichte und unter lhnen wlederum die Xch-Qedlohte vermelden die tiberfl&sslge Angabe, dass ein Dlohter spricht. In den Gedlchten 1st es fast die Re­ gel, dass Hofmannsthal sich In einer Vlelgestalt von Fi­ guren projlzlert, sel es lm Magler, lm Sohlffskoch, lm

Kaiser von Ohlna, nlcht aber In den Gedlchten, in denen ausdrttckllch ein Dlohter als Spreoher genannt wird. In diesen behandelt Hofmannsthal das WeBen und das Wesent-

llche von Dichter und Dlchtung lm allgemelnen. Zwel von den Dlchter-Gedlchten weleen schon In der Form auf das ttberpersdnliche der Aussage hln. "Dichter sprechen"

(1897) in der Mehrzahl vom Geheimnis des Schaffens. "In

"Dichter und Gegenwart" (1898) stellt eine Flurallt&t

die Frage an die Zelt und erhUlt als solche elne Antwort«

In der kurzen, melst eplgrammatischen Form pr&zisiert

Hofmannsthal die Exlstenz des Dlchters, seine "Rechtfer-

tlgung" (l89&t 1891?)» das Verh<nls von "Dichter und

Stoff" (1898 ), Dichter und Ruhm ("Hit Handschuhen ftir

Leopold Andrian" (1894)). Mit Ausnahme des "Dlchters" in

"Gesellschaft" (1896 ), das lm Zusammenhang mit einem

grSsaeren Werk zu betrachten 1st, erschelnt In kelner

der Dlchterflguren Hofmannsthals lndlvlduelle Persflnllch-

keit. Im Gedlcht mit dem umfassendsten Tltel, "Dlchtkunst" - 265 -

(1898), einem Dietichon, in der Ich-Form, erInnert die Metaphorlk vom Splnnen des Fadens vlelmehr an Goethes

Tasso.

Urn so persdnllcher sind die vler Gedlohte, die von der Schaffensweise berlchten. Zwel davon wurden achon zl- tlert. In "Gute Stunde" (I; 1894) poetlslert Hofmannsthal die Erinnerung an ein bestlmmtes gltickllches Inspirations- erlebnls. Im Erleben des Fllessensdes Waseers gestaltet sich der Stoff, und ohne das Zutun des Dlchters. Die Fe- der selbst verlangt lmperativ die Niederschrift. Die Rol- len sind vertauscht: Das Schrelbzeug redet, der Dichter wird zum Instrument. Die "Verse, auf eine Banknote ge-

3chrieben" (1890) behandeln das Entstehen der fragment- haften Gelegenheitsgedlchte des Gymnasiasten. Auch hler flndet sich das Involunt&re der Elngebung. Ohne das Ge- ftihl dichterischen Gehobenseins, ohne kttnstlerlsche In­

tention, mitten im Alltag der Grosstadt kelmt das Gedlcht und relmt sich. Doch kann der Dichter den gelegentliohen

Reim nlcht Dlchtung nennen. Was er auf den Zeitungsrand,

einen Briefbogen, ins Schulbuch, auf einen Geldscheln

schrelbt 1st "ein wertlos Splelzeug, manchmal - selten -

mehr . . ." In den Gedlchten "Bldhende BHume" und "Bldten-

relfe", die beide aus dem Jahr 1891 stammen dttrften, ver- -266- gleicht der Dichter das Entstehen seiner Lieder mit dem

Vorgang der Baumbllite. Die Natur erweckt die Dichtung*

Es ist das einzlge Mai, dass Hofmannsthal in der Dis- kuasion seiner Schaffensweise den Frtihling preist* Im

Abschnitt "Die Jahreszeit" zitierten wir eine Brlefstelle aus dem J&hr 1912: " . . . seit meinem aohtzehnten Le- bensJahre weiss ich, dass ich in den Herbstmonaten mei- ne fruchtbarste Zeit zu sehen habe*"3 Der Dichter der

"Bliitenreife" ist siebzehn Jahre alt. Noch einmal ist das passive Verhalten des Dichters herausgestellt: Das

Leuchten und Leben der Blttten singt in ihm und ilffnet seinen Mund. Die Schlussverse des zwelten Qedichts ftth- ren den Vergleich des organlschen Entstehens auch auf das fertige Produkt aus. Hofmannsthal hat diese vier Ge- dichte nicht verttffentlicht. Er mag gemeint haben, dass das Thema seiner Schaffensweise nlcht in das Werk gehttre, wie er ja CLberhaupt strong ilber seine Gedichte richtete; liess er doch weniger als die H&lfte der in den erBten

Band der Gesammelten Werke aufgenommenen Gedichte drucken*

Ergeben die Gedichte wenlg zu unserem Thema, so sind die Dichterfiguren in den lftngeren Werken urn so auf- schlus8reicher. Von einem zum anderen Male projlzlert sich

^ an Strauss, 8. September 1912, S. 167* -267-

HofmannBthal deutlicher In der Figur dee Dlchters. Ver- blrgt er sich anfangs unter einem Schlttsselnamen, so 1st er sp&ter leloht mit dem anonymen Dichter zu Identlfizie- renf bis er in den letzten beiden Dichtergestalten mit aller Deutllchkelt von sich selbst sprioht, sich an den

Leser direkt wendet und schllesslloh In Person vor die

Rampe der Btihne tritt, sein endgttltlgee Programm um- relsst und seinen welteren kfins tier Isohen Weg festlegt.

An entscheidenden Punkten seiner Entwlcklung drAngt es

Hofmannsthal dazu, sich In einem Dichter zu verk6rpern und damit sich, und vlellelcht auch dem Leser, Klarheit fiber sein Schaffen zu geben. In dem Augenbllck, In dem

Hofmannsthal seine endgttltige Bestlmmung, der er konse- quent zu folgen hat, weiss, l&sst er bezelchnenderweise das letzte Mai einen Dichter auftreten* Dlese Entwlcklung aufzuzelgen erfordert, die Verke In der Folge ihres Ent- stehenB und ohne Rficksicht auf die Form der Dichtung zu betrachten.

Mehrmals bezelchnet Hofmannsthal als seinen dlchte- rischen Anfang nlcht die frtthen Verse, sondern das Dra- molett Geetern, das er, gerade siebzehn Jahre alt gewor- den, im Frfihjahr und Sommer 1891 sohrleb. Sohon das Erst- llngswerk enthllt einen Dlohter, Fantasio, den felnftihll- - 2 6 8 - gen Menschon von Phantasie. Freilich sollte dem Auftre- ten eine8 Dlchters an sich gerade in dlesem Sttick keine

zu grosse Bedeutung zugemeesen werden. Vie der Maler For- tunio und der Sohauspleler Gorhaoclo gehBrt auch Fantaslo

zu der Ngewohnten Schar", zu den Ktlnstlern, die aus Tradi­

tion das Personal elnes Renalseancestttckes ausmachen. Wie die relche Einrichtung des Gartensaales, die In der Be-

schrelbung des Schauplatzes aufgezkhlt wird, 1st die

Kilns tiers chaft ein Tell der Ausstattung. Andrea baut si oh damit seine Umgebung. Hofmannsthal erweltert mit lhrer

Hilfe das Proverb zu elner "dramatischen Studio" lm Re-

naissancekostttm.

Interessant 1st nun aber, was Hofmannsthal aus Fan­

taslo macht. Im Gegensatz zum geb&rderelchen Possenrelsser,

dem lebenslustlgen Maler, auch dem randallerenden Con­

do tier re und dem Parasiten tr> er ernste Ztige. Er ist

der elnzlge In der Gruppe von neun Personen, der tlef

empflndet und denkt. Blelben die anderen Nebenfiguren ste­

reotype Charaktere, so erwelst er sich als ein Mann und

Ednatier von Charakter. Darllber hlnaus 1st er ausser An­

drea und Arlette die elnzlge Person, die fttr die Handlung

unentbehrlioh 1st. Ihm fMllt es zu, Andrea die Augen zu

6ffnen. Im ernsten Geaprjch mit Ihm beglnnt In Andrea die

"Wende", die Wlderlegung der These vom l&genden Gostern -269- und wahren Heute. Vann es so soheint, als aohta Andrea kaum auf seine Wortef als Fantaslo von der pltitzllchen dlchterlsohen Erleuchtung sprioht, so trflgt sein Verhal- ten. Im Gegentell 1st Andrea von dieser Aussage so be- troffen, dass alles Andere um lhn verslnkt, denn wenlg sptiter wird er die Worte des Dlchters fast Wort fttr Wort wiederholen. Was Fantaslo fiber das hohe dlchterlsche Er- kennen sagt, wendet Andrea auf sein prosalsches, fttr lhn aber zentrales Lebensproblem an, Wie dem Dichter "Worte plfJtzlich leuchtend In die Seele brechen", so wird Andrea die Wahrhelt In einem Gedankenblltz klar.

Die verglelchende Gegenflberstellung von dichteri- scher Erleuchtung und aufblltzendem Erkennen elner Lebens- wahrhelt, wie auch das Herantragen der Wahrhelt von aussen - auch das Wissen, dass Arlette lhn gerade gestern betrog, geht ja Andrea nlcht von selbst auf - mag etwas unglticklich erschelnen, Hofmannsthal lussert sich noch wtihrend der Arbeit an der letzten Szene und nach der Fer- tlgstellung recht abftilllg fiber das Sttick und tut eB ein­ mal als "ein hlmmelblaues Lehrgedicht" ab, das er "wenlger

gern habe."21, Sein Versuch, In der Figur Fantaslos die Wl- derlegung der These zu verankern, wird dem Leser verstllnd-

llcher, wenn er in Fantaslo nlcht nur einen Katalysator

^ an Bahr, 2* Jull 1891, Brlefe I, S. 19. -270- der Handlung sieht, Bondem auch elne Spiegelung Hof- mannethals erkennt. Fantaslo 1st das Instrument, durch das der Dichter die proverbiale Lehre deutllcher werden lassen will. Gleichzeltig sprlcht er Hofmannsthals Ge- danken liber Dichter und Dichtung aus. Die Verse "IM uns

1st Immer halbe Nacht • • ♦" liber "das helllge, das wirk- llche Erkennen . . . des grossen Vlssens und der grossen

Kunst" sind ein Monolog, ein fast selbst&ndlges Gedlcht

Hofmannsthals, ebenso vie die Stelle liber das Involun- t&re der dlchterlschen Elngebung In der neunten Szene elne persdnllche Aussage Hofmannsthals 1st, die In den frtihen Gedlchten Parallelen hat. In seinem ErstllngBwerk macht der Junge Hofmannsthal die Figur Fantaslos zum

Sprecher seiner Gedanken.^

In den Prologen zu den dem Gestern folgenden drel

Dramen In Versen erscheint wieder "der Dichter". In der

Folge des Entstehens wird er deutllcher und perstinlicher, ebenso wie wir Jedes Mai mehr liber lhn und sein Schaffen erfahren, w&hrend gleichzeltig die Lttnge des Prologs vom

5 In der vortrefflichen Untersuchung "Hofmannsthals Anfang: 'eastern'" sohreibt Richard Alewjn parenthetlsoh tiber Fantaslo: "dieser frelllch auch Mundstuck des Ver- fassers, seiner Gedanken, so wie Andrea seiner Gefdhle." (Pber Hugo von Hofmftnnat.haV. g. 4 8 ). einen zum anderen Male wllchst und immer weiter fiber die

eigentliche Funktion einee Prologs hinausgeht.

Im zeltllch ersten, dem Prolog zu Der Tod des Tlzlan,

tritt der Dichter noch nlcht selbst auf, Der Prolog selhst wird zu einer Figur von Flelsoh und Blut, dem Pagen. Und

doch spricht Hofmannsthal selhst, indem er den Pagen vier

Verse des Dlchters zitleren lAsst, Der Anlass ist die Er-

lnnerung des Pagen an die Begebenhelt, die dazu ffihrte,

dass der Dichter ihm das Stfick schenkte, Vor dem Blld

des Infanten hat sich der Page in die Figur hinfiberge-

trUumt, als der Dichter zu ihm getreten 1st mit den Mor­

ten:

Schauspieler deiner selbstgeschaffnen Trfiume, Ich weiss, mein Freund, dass sie dich Lfigner nennen Und dich verachten, die dich nicht verstehen, Doch ich versteh dich, o mein Zwillingsbruder.

Zu dem Blld des Infanten wird Hofmannsthal durch Georges

Gedlcht "Der Infant" angeregt^, aus dem er auch den

"Zwillingsbruder" entlehnt, aber nicht mehr als das Wort.

Bleibt das Motiv des Blldes stofflich fast dasselbe wie

in Georges Gedicht, so wird der Zwillingsbruder - bei

George die Bergesbrlse als Spieltrabant des Infanten -

bei Hofmannsthal zu etwas ganz Anderem: Der Dichter,

^ Siehe den Brief an George vom 21. Juli 1892, S. 30: "lm 'Tod des Tizian' wird Ihnen ein bekanntes De­ tail entgegentreten: ich melne das Bild des Infanten." -272-

Hofmannsthal, bezelchnet nit dleaem Ausdruck das Ver- wandtseln seines Wesens mit dem des Pagen, elne Verwandt- schaft, wie sle enger nicht mUglioh ist. Page und Dichter gleichen sich wie Zwllllnge, Hofmannsthal ftihrt den Ver- glelch In dem anderen Prolog desselben Jahres, zu Schnltz- lers Anatol. aufs deutllchste aus:

Also spielen wir Theater, Spielen unsre elgnen Stroke, Frtthgerelft und zart und traurig, Die Komttdie unsrer Seele, Unsres Ftihlens Heut und Gestern, • • •

Wie der Page seinen selbstgeschaffenen Traum darstellt,

so splelt der Dichter sein eigenes Stiick, Die adjektive

"frtthgereift, zart, traurig" entsprechen der Beschreibung des Infanten: "frilh verstorben, blass, traurig", Dichter,

Page und Infant verschmelzen zu elner Gestalt. Auf dieser

Stufe ringt der Dichter noch nicht mit dem Stoff. In

traumhaftem Schaffen "splelt" er sein Geftihl, seine Seele,

sein Selhst,

Im Werk Hofmannsthals finden sich auffallende Paral­

lel en zu der Situation des mlmenden Knaben. In den selbst-

biographlBOhen Fragmenten aus dem Nachlass "Age of

Innocence", die aus dem Jahr 1893 stammen, splelt der Kha-

be "vor dem Spiegel: das betende Kind (die Ofenflgur lm Vorzimmer); der Kaiser Napoleon In Fontainebleau mit fins ter er S t i m e im Arms ess el (der Kupferstioh hAngt in

Papas Zimmer); dann der Wahnsinnige, den lhm das FrAuleln einmal vorgemacht hatte . . ,M7 In der Beschreibung des

Lebenslaufs Victor Hugos steht der Knabe vor den Bildnis- sen der grossen Herren des Schloeses: "Velohe Nabrung fttr den gArenden Geist dines KhabenJ Sich hineinzutrAumen in diese gebietenden Gestalten, die sAle und Galerien in ei- ner pompflsen Haltung zu durchschreiten, den Arm in die

Htifte gestemmt, ein Schauspieler b elbstgeschaffener

TrAume • , ."®

Den Prolog zu seinem dritten StAck, Der Tor und der

Tod, hat Hofmannsthal nicht verAffentlicht. Sovrohl die

LAnge als auch der Gehalt und der preziBse Stil wollen auch gar nicht zum StAok passen. Hit verspielten Ver-

Bchlilsselungen und Abschweifungen erzAhlt Hofmannsthal % vom Treffen von "vier bertihmten, grosaen, gAnzlich unbe-

kannten Dichtern" an einem Frtthlingssonntag in Wien. Der

Prolog vermeidet die Ich-Form und mit Ausnahme von zwei

Zeilen die direkte Rede. Eb let, als erzAhlte ein Ftlnfter

die Begebenheit, das Ganze detailliert ausmalend. Und

7 Prosa I, S. 153.

® "Studie tiber die Entwickelung dee Dichters Victor Hugo", ebd*, S. 373. doch wird die GeBtalt Hofmannsthals In diesem Prolog deutlicher als In der Flgur Fantaslos und in der Wider- spiegelung des Dichters im Pagen. Der Dichter erscheint hier zum ersten Mai selbst, wenn auch noch verechlttsselt und durch die Augen eines ErzHhlers gesehen. Die Ent- schltisselung wird dem Leser leioht gemacht. Schon lange, bevor er in den letzten Verson erfflhrt, dass Andrea der

Autor dee Stflckes 1st, vermutet er in lhm den Dichter

Hofmannsthal. Andrea 1st der Jtingste der vier Dichter- freunde, der stolze Besitzer der "Gesta Romanorum", nach Beer-Hofmanns Mitteilung das Lieblingsbuch des Jungen

Hofmannsthal, und er liebt Vergleiche. BaidasBar, der mu- sizierende Arzt, kann kein anderer als Arthur Schnitzler sein. Der Puppenspieler Galeotto 1st Richard Beer-Hofmann, der vom Jagdhund begleitete Ferrante Felix Salten. Wegen der Nennung vieler Fakten kflnnte der Prolog ein wirklich stattgef\mdenes Ereignis, das Vorlesen von Der Tor und der Tod in Schnitzlers Haus im Frilhjahr 1893 festhalten, doch sollte man vorsichtig sein, in Hofmannsthals Dich- tung eindeutig Biographiechos erkennen zu wollen. Die Be- trachtung des Prologs zu Die Frau im Fenster wird zeigen, dass gerade das Vorlesen im Freundeskreis dort zur dich-

terischen Erfindung gehdrt. Zur Schaffensweise enth< der besprochene Prolog nichts. -275-

Das Jahr 1897 markiert den Htthepunkt in Hofmanns­ thals dramatischem Jugendwerk. Nachdem die Studien und das EinjHhrigenJahr das Schaffen unterbrochen haben - die Briefe und der Nachlass bezeugen zwar auch fttr die

Zeit von 1894 bis 1896 Pl&ne und Entwttrfe, doch gelingt ausser dem M&rchen der 672. Nacht keine Vollendung - er- lebt Hofmannsthal im Sommer 1897 eine hSchst produktive

Zeit. Es entstehen Die Frau im Fenster. Das Klelne Velt- theater. Per welsse Fflcher. Der Kaiser und die Hexe und eine erste Niederschrift von Teilen von Die Hochzeit der

Sobeide. In der Freude ttber das glilckliche Vollenden des ersten Stttckes, das in einer flffentlichen Thaaterauf- ftihrung herauskommen soli, Die Frau im Fenster, dichtet

Hofmannsthal einen Prolog dazu. In ihm tritt der Dichter nun zum ersten Mai in Person und von sich selber spre- chend auf. Er trltgt das Kostttm der Fersonen seines Trau-

ersplels und wird damit wfirtlich zum Schauspleler, zu einem Tell seines Stttckes. Aber nicht nur das erinnert an den Prolog zu Der Tod des Tlzlan. Der Dichter bringt den Freund aus Jenem Prolog mit, nun nicht mehr ein Page, sondern hoch gewachsen, aber immer noch sehr Jung. Wle als Page trllgt er auch Jetzt noch den kleinen Dolch. -276-

Nirgends sonst aprloht Hofmannsthal in Beinem Ju­ gendwerk so tiffentllch und ausftihrlich von slch und sel- nem Schaffen,^ der Stoff- und Entstehungsgesohichte. Im selben Augenbllck trltt er aber auch wieder hlnter sein

Werk zurtick. Der Dichter welst auf eine Quelle zu selnem

3ttick hin, ohne sle zu nennen. Er berichtet, dass das

Sttick In drel Tagen entstand, ohne dlese Tage n&her zu bezeichnen. Das Blographlsche wird nur angedeutet. Der

Dichter drtingt slch dem Zuschauer nicht aufv sprlcht auch gar nicht zu lhm dlrekt, sondern ltisst lhn nur zuhtiren, was er selnem Freund erztihlt. Auf felne Velse verktirpert sloh Hofmannsthal In der Figur dee Dlchters, ohne slch mit dlesem ganz zu Identifizieren. Wle der Prolog mehr als ein Prolog, eine selbsttindige Dlchtung 1st, so 1st auch das eine wlrkllche Erelgnis, von dem der Dichter er- ztihlt, die Vorlesung des Sttickes, erdlchtet. Hofmannsthal wellte In den Tagen der Nlederschrlft des Dramas (24. bis

27. August 1897, also wlrkllch drel Tagen), der Btihnenan- welsung (27. abends auf dem Ausflug nach Madonna del

Q Der Erstdruck erfolgte kurz naoh der Uraufftihrung des Sttickes lm Junlheft der Neuen Deutschen Rundschau. Der - Frelen Btihne IX. Jahrgang (1598). S. 595ff. - Im Winter 1898/99 sendet Hofmannsthal den "absolut ftirs Vorlesen ge- sohriebenen" Prolog an Bahr mit den Worten: HIch brauehe Ihnen nloht zu sagen, wle eine grosse perstinllehe Treude es mlr machen wtirde, wenn er Ihnen zum Vorlesen passen wtirde." (Ohne Datum, Brlefe I, S. 279). -277-

Monte) und dee unmittelbar danach geechrlebenen Prologs

(28. bis 30*) alleln in Varese* Wahrhelt und Erfindung warden Dlohtung*

Dennoch slnd der Prolog und die Brlefe des Dlchters au8 den Tagen der Entstehung des Werkes die aufschluss- relchsten Zeugnisse ttber die Sohaffenswelse auf der Stufe, die das Ad me Ipbubi Pr&exlstenz nennt, "wobel es freillch offen blelbt, wieweit nicht diese Begriffe [der PrMexi- stenz und des AllomatlschenJ ihrerselts wleder als Dich-

tung zu fassen slnd.”10 Auf mystlsche Weise, In elner

"maglschen Herrschaft Uber das Wort das Blld das Zelchen"

(Ad me lpsum) entsteht daB Werk. Ftlr den traumhaft schaf- fenden Dichter slnd die Gesetzm&ssigkelten aufgehoben, wle

es fttr den Raum und die Form der Prolog selbst verrllt, und wle es ftir die Zeit der Dichter durch den Prolog hindurch andeutet und in den SchlusBverfeen zu der ErzHhlung seines

Traumes von der Flussfahrt herausstellt:

Glelchvlel, bei solchem Trelben der Natur 1st eine tiefre Blldllchkeit lm Spiel, Denn ihr 1st alles Blld und alles Wesen. Alleln es war ein Wink: Ble gibt das Leben Von tausend Tagen wenn sie will zurtick, Indessen du dlch bttckst um eine Fruoht.

Herbert Steiner, "Bemerkung zu 'Ad me lpsum'N , Die Neue Rundschau 65 (1954), S* 381. -278-

In Sekunden tr&umt er das Erlebnla von drel Tagen, In drel Tagen enteteht das Drama und In welteren drel Tagen der Prolog, In denen der Dichter, wle er In Briefen schrelbt, slch gewaltsam unterbrechen muss, damit das

Work nicht Ins Uferlose wflchst. Fortwtthrend besch&ftlgen lhn neue Assoziatlonen. Er ftthlt eine "fleberhafte Lust zu arbelten bel vollkommener lnnerer Ruhe und Helter- kelt."11 Traum und Leben slnd elns. Am Schluss des Pro­ logs angelangt schrelbt Hofmannsthal am 30. August: "Nun bln lch sohon fast 8 Tage da, es kommt mlr wle eine Stun- de vor,"12 So wird das Dlchten selbst zu elnem Traum, der Traum von der Flussfahrt wiederum eine "dumpfe Wlder- splegelung des andern traumerfttllten Elnsamselns", In dem das Drama entatand. Hystlsches Erleben und dlchterl- sohes Schaffen verweben slch zum sch8pferlschen Prozess.

Auch bel dleser Schaffenswelse versteht slch Hof­ mannsthal als Kttnstler und Handworker, der etwas "macht",

"mit helssgewordenem Griffel" das Drama "Vers auf Vers zu

Ende treibt". Handwerkllcher Stolz sprlcht aus den Fragen:

Bln lch nicht wle ein B#ttoher, der slch rtthmt, Wle schnell er fertlg war mit selnem Fass? Alleln lch lleb ea, wenn slch elner freut, Well er sein Handwork kann; was helsat denn Kunat?

11 an den Vater, 26. September 1897» Brlefe I, S. 226. ^2 an den Vater, ebd.. S. 227. Die Antwort hat er schon In einem Brief aue dem Jahr

1891 und In der Besprechung von Amlels Fragments d*un journal Intime gegehen: HKunst kommt von Kflnnen, und kttnnen helaat aohrelben k8nnen.H*3 Auf daa KiJnnen, die

Herrachaft ttber die Spraohe und daa Symbol zlelt ea hin, dass dem Dichter, der "daa schwerloae Qebllde aua Worten echuf . • • ein Stuhl gesetzt” 1st am Tlach,

der einzlge an dem Nie ein Gemeiner aaaa: da aitzen all© Die ttbervlnder • • •

Wenlge Tage nach der Niederschrlft dee Prologs be- rlchtet Hofmannsthal den Eltern, dass daa "Puppensplel",

Daa Kleine Welttheater, fertlg ist. Immer wleder und noch Jahre apflter kommen die Brlefe und auch daa Ad me lpsum auf daa Sttick zu sprechen. Hofmannsthal bezeichnet es mehrmala als elnes seiner Li eblingswerke und interpre- tlert die Figuren als VerkBrperungen der "innerlioh Rei- chan",1^ als "Abspiegelungen harmonlacher Momenta einzel- ner gltickllcher Seelen".1^ Auf dleaem Htihepunkt seines

Schaffena, in der Harmonie von fleberhafter Arbeit und innerer Ruhe muss er selbBt slch einfalien, zuerat ein-

^ an Schnltzler, 13. Juli 1891, Brlefe I, S. 22.

an Georff Franckenateln. 1. August 1903. Brlefe II, S. 123*

an Elisabeth Nloollca, 17. Juni 1908, ebd.. S. 32 7 . - 2 8 0 - fallen. "Der Dichter" erDffnet den Relgen der "Glttckli- ehen", und wiederum 1st Hofmannsthal der Dichter und wird hler zum ersten Hal zur Figur Im Werk selhBt.

Hofmannsthal deutet die Gestalt lm Ad me lpsum.

Wle die anderen Flguren 1st auch der Dichter "irgendwie noch Angehflrlger der h£chsten Welt." Er steht In dem

"glorreichen, aber gef&hrllchen Zustand" der PrAexlstenz.

Wle die anderen Gestalten des Frflhwerkes, die Hofmanns­ thal elngangs zur Erklttrung des BegrlffB der Pr&existenz nennt: der Kaiser, der Abenteurer, der Zauberer, der

Weise, das Kind, der WahnBlnnige hat auch der Dichter

"Auserlesenheit", "geistige Souverftnitllt". Wle sie sieht er, der Wflchter

der auf hoher Kllppe Von ungeheuren Schwkrmen grosser Flsche Den ungewlssen Schatten sucht lm Meer:

"die Welt von oben". Aber gerade diese hohe Warte macht es lhm unmfiglich, In eine Bertthrung mit einer Person, elner Begebenhelt, mit dem Leben zu konunen. Das Geschehen, das der Dichter In der Ebene und am "Flusse des DaBelns"

rna ipflum\ ahnt und slch absplelen sleht, blelbt in der Ferne und dringt nicht In die Seele. Well er am

Schlcksalhaften nloht tellhat, welss er es auch nicht zu deuten und muss slch immer wleder Fragen stellen, auf die er nur mit Vermutungen antworten kann. Zwar versucht er - 2 8 1 - taatend, die Konfiguration der Geatalten, die ihm er- scheinen, zu erkennen und Fftden zwischen ihnen zu knttpfen, doch 1st er selbet mit dem Lehen noch nicht verknttpft. Die vita activa kann er nur ahnen; sie hleiht

"geheimnisvoll", "ungewias" , "verworren". "Irgendwie" ftthlt er aich mit den Abenteuern des Lebens verbunden, findet jedoch angesichts des Panoramas des Lebena nur

Msthetischen Genusa: "Wle schttn let dieBe SchlachtJ"

Traumhaft assoziativ wie das Sehen ist auch das

Dichten, Durch das Erscheinen von Gestalten, die sich unterreden, ftthlt der Dichter seine schttpferischen

Salten angeschlagen und slch gedrttngt, die blldhaften

Konfigurationen, die sein Auge, sein inneree und ftusseres, erschaut, Anderen zu vermitteln. Ein ktinstliches Gebilde soil entstehen, in dem er "irgendwie den Widerschein von Jenen Abenteuern" wiedergeben will. Die Worte, die er den HiJrern seiner Dichtung in den Mund legt, unter des "geahnten Schicksals Bttrde", gelten fttr ihn selbsts

0 wttsst ich mehr von dleBon Abenteuern, Denn irgendwie bin ich dareinverwebt Und weiss nicht, wo Bich Traum und Leben spalten.

Das unbestimmte "irgendwie", das dunkle Ahnen bezelchnen den Zustand, in dem Wachen und Tr&umen, mystlaches Geftthl und reale Existenz sich noch nicht differenzieren. "zwar - 2 8 2 - wlrklich? habon wir ein Mass ftir wlrklich?" fragt der

Dichter dee Prologs zu Die Frau lm Fenster. Es 1st ein

Wort* das lm Werk des jungen Hofmannsthal selten er- schelnt. Drel Verse aus "Ein Traum von grosser Magie"

(1895) umrelssen das Vesen der Figuren des Dlchters lm

Prolog zu Die Frau im Fenster und lm Klelnen Welttheater;

Er ftihlte traumhaft aller Henschen Los, So wle er seine elgnen Qlleder ftihlte. Ihm war nlchts nah und fern, nlchts klein und gross.

Es selen noch elnlge ParaHelen in der Schaffens- weise des Dlchters im Klelnen Welttheater und In der

Hofmannsthals, wle wlr sie von den Briefen her kmnnen, aufgezeigt. Der Dichter geht durch die Natur und "spflht nach ungewlssen Schatten aus". Auf Spazlerg&ngen fallen t Hofmannsthal die Elnakter desselben Jahres ein. Die Ge- stalten, die slch unterreden, haben eine Parallels in der oben zitierten Briefstelle von der "Deutlichkeit des

Gestaltensehens und Stlmmenhttrens". Llcht und Wasser, die ftlr Hofmannsthals Schaffen anregendsten Naturelemente beschwflrt auch der Dichter:

Nun setz lch mlch am Rand des Waldes hln, Wo klelne Weiher lange noch den Glanz Des Tages halten und mit feuchtem Funkeln Die offnen Augen dieser Landschaft scheinen: Wenn ich auf die hlnsehe, wird es mlr Gellngen, das zu fertigen . • • . . . Jenes ktinstliohe Oeblld Au b Worten, die von Llcht und Wasser trlefen . . . -283-

Einige der Verse aus dem Nachlass slnd entweder

Entwflrfe Oder ursprflnglich selbst&ndlge Qedlchte, die

Hofmannsthal In die Versdramen elnarbeitete. Am auffal-

1endsten slnd die Farallelen In "Sunt anlma rerum" (1890) und den Sonetten (1890? 1891?) "Erfahrung" und "Epigonen" und Pastern. In den von Hofmannsthal verfiffentlichten

Gedichten mutet das eine Dichter-Gedioht, das wir am An- fang dieses Kapitels zurilckstellten, wle ein Entwurf zum Klelnen Welttheater an. Auch in "Gesellschaft" (1896) erscheint ein Relgen von Flguren, von denen der Fremde, der. Jupgs Herr und der Dichter lm "Fuppenspiel" wleder- kehren, allerdlngs nicht wle dort als einzelne Wesen, sondern in gesellschaftllchem Gesprflch. Besonders der

Dichter erinnert an die Figur im Klelnen Welttheater.

Auch er ahnt trotz seiner Elnsamkeit sein Verwohenseln mit den Andereni

Einen hellen Widerscheln Sehe ich lm Krelse wandern: Spilrt auch Jeder slch alleln, Spilrt sich doch in alien andern.

Auch filr lhn 1st dieses Spilren nicht viel mehr als ein

Vorgefilhl und eben noch keln Wissen. Wle fttr den anderen

Dichter gibt es filr lhn "Leben . . . nah und fern", wel-

chen Vers bezelchnenderwelse auch der Fremde sprlcht, des-

sen Figur lm Klelnen Welttheater sich In der Betrachtung 284- der Gestalten des bildenden Klins tiers wiederum als eine

Spiegelung des Dlchters erwelsen wird.

Mit dem Jahr 1899 brloht das lyrlsche Jugendwerk ab. Von der Hauptarbeit dieses Jahres, Das Bergwerk zu

Falun, verUffentlicht Hofmannsthal vorllufig nur den ersten Akt. Klagten die Brlefe vor 1900 und auch noch w&hrend der Arbeit an der Habllltatlonsschrlft liber den

Mangel an Zeit und das Fehlen von gtinstlgen Schaffensbe- dlngungen, so hMufen slch urn die Jahrhundertwende Au b -

sagen liber lnnere ProduktionsstUrungen. Brlefe und Nach­

lass bezeugen auch flir die Jahre 1900 und 1901 ange-

strengte Arbeit.1^ Der lyrlsche Dichter Jedoch ver-

stummt. Zur VerUffentlichung des elnen Gedichtes aus

dem Jahr 1900, "Gltlckllches Haus", entschllesst slch

16 D0r VollstHndlgkelt halber selen aus dleser Zeit zwel Dichterflguren erw&hnt. Im Ballett Der Triumph der Zeit gebraucht Hofmannsthal die Berufsbezeichnung Dichter" lediglloh, urn der Jungen, schvftrmerlschen Ge­ stalt elnen Namen zu geben und nur lm ersten, lm Frlihjahr 1900 In Paris geschrlebenen Aufzug. Der relfe Mann des dritten Aufzuges 1st "der alte Mann" ohne Berufsangabe, verwandelt slch auch nicht In elnen Dichter, sondern In den "jungen Mann" zurlick. Der "Dichter" des Anfangs 1st ein fiberschwenglich verllebter Jlingllng, aber kein Btlnst- ler. - Ein Jahr spHter entwlrft Hofmannsthal eine "phan- tastlsche DlchterkomUdie", der die Begebenhelt von Jupi­ ter und Semele als Folie dlenen soil. Hofmannsthal hat sich flir den Stoff des Dlchters vlel vorgenommen: "Des Dlchters elgentllches Gebiet: das Verhftltnis von Gelst zu EBrper, von Idee zum Ausdruek, Menseh zum Tier • • •" Es blelbt belm stlohwortartlgen Entwurf. In den Briefen und Aufzelchnungen steht nlchts von elner splteren Be- sohAftigung mit dem Stoff. - 2 8 5 -

Hofmannsthal erst secha Jahre spAter. Nooh 1903 ver- vundert er a lch dartlber, das a Ihm w&hrend dee Jahrea

1901 nur ein Gedlcht, MDer Schiffskooh, ein Gefangener, slngt" gelang,1? Nach elner Pause von zwei Jahren, In der Hofmannsthal wenig veriJffentlicht,*® eraohelnt lm

Oktober 1902 der Brief des Lord Chandoa*

Der Chandoa-Brief muss bel den Freunden Hofmanns­ thals wle ein Blitz elngeschlagen haben. Wlr kennen nur die Reaktlon Leopold von Andriana, und auch dies© nur lndlrekt aus elnem Sohrelben Hofmannsthals , iiber daa noch zu sprechen sein wird, doch kann man slch auch bel den anderen Freunden und Bekannten des Dlchters kaum ein anderes Geftthl als das der Bestllrzung denken. Der be- riihmte Dichter, der mit siebzehn Jahren durch seine vollendeten Verse Aufsehen erregte und als NeunzehnjUhri-

ger selnen Platz neben den erfolgrelchsten Zeltgenossen

Die Entatehungszelt von "Verwandlung" nach S. T. Coleridge, lm September 1902 erschienen, 1st nicht featzustellen*

In den vierundzwanzlg Monaten vor der Verflffent- 11chung des Chandoa - Briefea erachlen von Hofmannsthal keln Gedlcht und an dramatlaohen Verken nur daa Ballett Der Triumph der Zeit. die naoh dem Buchauagabendruck so- fort zurttckgezogene Pantomime Per Bohttler (Erstdruck In der Neuen Deutaohen Rundaohau 12 (1901),Novemberheft, S* 1204ff) und der lm Frflhjahr 1900 In Paris ttberaetzte Fucha. "Daa Erlebnia des Marsohalla von Baasomplerre" wur- de am 24* November und 1. December 1900 In der Wochen- schrift Die Zeit ver8ffentlicht* - Der Chandoa - Brief er- achien unter dem Tltel "Ein Brief" am 18. und 19* Oktober 1902 In der Berliner Zeitung Der Tag. - 286- elnnahm, verfasst nach zwelj&hrlgem Schweigen den

Brief, den Philipp Lord Chandoa, Jtbgerer Sohn dee Earl of Bath, an Franois Bacon, sp&ter Lord Verulam und Vieoount St. Albans, schrleb, urn sloh bel dleeem Freunde wegen dee g&nzllchen Verzlohtee auf llterarische BetHtlgung zu entechuldlgen, und lJLsst Chandoe zu selnem "zweij&hrigen Stillschweigen" sagen:

Es 1st mehr als gtltlg, Ihrer Besorgnls um mlch, Ihrer Befremdung liber die geistlge Starrnls, in der ich Ihnen zu versinken schelne, den Ausdruck der Lelchtlgkelt und des Scherzes zu geben • • •

Nicht nur George, dem Hofmannsthal eine Abschrift des

Briefes zuschlckte, In dem auf Georges Wldmung der Pll-

gerfahrten angesplelt wird, mag slch als der Adressat

eines maskierten Selbstbekenntnisses Hofmannsthals be-

trachtet haben.

Kelnem anderen Werk Hofmannsthals 1st grUssere

selbstbiographlsche Bedeutung zugemessen worden, und In

elner so selbstverstttndllchen Welse, dass der Chandos -

Brief ftir Jahre als das Zeugnls dafiir gait, dass Hof­ mannsthal lm Jahre 1901 am Verslegen seiner schflpferi-

schen Krttfte verzwelfelte, bis erst nach Hofmannsthals

Ableben die eingehendere Beschflftlgung mit dem Chandos - -287-

Brief einaetzte. Kaum ein anderea Werk hat aber auoh so verachledene Interpretationen erfahren wle dieses.

Earl Joachim Erttger1^ sucht und flndet In BaconB

Schriften eine Stelle, mit der er den Chandoa - Brief lnhaltlich verkntlpfen kann. Er glaubt, lm Vergleloh aUBgewilhlter Text© aUB dem Bergwerk zu Falun, dem Brief und aua der HAnsprache gehalten am Abend dee 10. Mai

1902 im Hause dee Grafen Earl Lanckoronakl", in der zeitlichen Folge 1899» 1901, 1902, Hofmannsthals Hln- wendung zur MuBik zu entdecken. Die Ansprache sei eine

Fortsetzung des Briefea, eine Ltfsung der darln ausge- sprochenen Krise.

Alexander Lernet-Holenia20 interpretiert daa Proaa- stttck als eine Vorahnung des Wegea lna Nlchts der weat-

11chen Kultur urn die Mitte dea zwanzlgaten Jahrhunderta:

Der Dichter 1st Ja dazu auaeraehen, daa Gltlck zu ahnen und die Leiden vorauazu- empflnden, welohe erat diejenlgen ftihlen werden, die lange nach ihm kommen.

21 Hermann Broch betitelt den Abachnltt aelner Ar­ beit, der sich mit dem Chandoa - Brief befasat, "Die Ab-

^ a.a.O., S. 26ff .

20 "Der Brief dea Lord Chandos", Der Monat 6 (1954), S. I82ff.

21 "Hugo von Hofmannsthals Frosaachriften", Die Neue Rundschau 63 (1951). Heft 2, S. Iff. - 2 8 8 - kehr von der Lyrik . * und aleht im Brief elnen deutlichen "Bruch mit dem JUthetizlsmus" und "die Wen- dung zum Volkahaften, das Anatreben elner echten Demut an Stelle der soheinbaren".

op Paul Requadt wendet sich gegen Brocha

eindringllche, doch zu programmatlache Deutung . • • £a glng nicht mehr elnfach urn den Bruch mit dem Jtathetiziamus, den hatte [Hofmannsthal] achon frtih vollzo- gen, sondern hflchstens urn eine eindeutige- re Erkenntnla deasen, was ihm veraagt war: die esoterische Lyrik, und urn eine 8chwache Erhellung des Wages nach vorwttrts.

Da Requadt sich nicht mit dem Chandos - Brief begnttgt, sondern weit auaholend mit Rtlckgriff auf Nietzsche und

Lichtenberg Hofmannsthals gedankllche Arbeit am Sprach- problem verfolgt und andere Werke und das Tagebuch dea

Dichtera heranzleht, kommt er zu der Featstellung, daaa die "Chandos-Krise nichts Einmaliges und vttllig Neues

in Hofmannsthals Entwicklung" 1st, "sondern die Verdich-

tung einer schon seit Jahren f&lllgen Entscheidung, die nun erst im Bereich des Sprachlichen akut wird"

"Sprachverleugnung und Hantelaymbolik lm Werke Hofmannsthals", Deutsche Vlertel.lahraachrlft flir Litera- turwlaaenachaft und Qelateageachiohte 29 (1958). S. 255ff. -289-

Os kar Seidlin,2^ Paul KLuckhohn24 und Helmut Prang2^

stellen den Chandoa - Brief Werken zeltgen8ssischer Dich­

ter gegentiber, wobel Prang die Frage nach der IdentitAt von Chandoa und Hofmannsthal nicht berilhrt, wfthrend

Eluckhohn In dem Brief ein Dokument elner schweren per-

sflnllchen Krise Hofmannsthals und elner entacheldenden

Wandlung vom lyrlechen Dichter zum Dramatlker sleht.

Seldlln flndet lm Brief deB Lord Chandoa Hofmannsthal

"only thinly disguised as a young litterateur of the

Elizabethan period," betont aber daa 8berpera8nllchet

"Today we know how mistaken thoBe of Hofmannsthal's con­

temporaries were who ascribed the poet's lapses Into

silence to a lack of vitality, of robustness, to a

decadent hypersensitivity which exhausted itself In the

first effort. Today we know that 'Der Brief des Lord

ChandoB1 testifies to a suprapersonal malaise."

Bel so verBChiedenen Ansatzpunkten und Ergebnissen,

mag es angezeigt sein, auf elnlge Tatsachen hinzuweisen,

23 "The Shroud of Silence", Germanic Review. 28 (1953)* S. 254ff.

24 "Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in der deutschen Dlchtung", Deutsche VlerteHahraschrlft fflr LIteraturwlb senschaft und Qelsteagosohlchte 29 (1955). S. Iff.

25 "Der moderne Dichter und das arme Wort", Germa- nls oh-Romania che Mbnatsachrlft Neue Folge 7 (1957)* S. 130ff. - 2 9 0 - dle von don Krltlkern, die slch elngehender mit der

Identlflzlerung von Chandos * Hofmannsthal beschJLftl-

gen, oft ilbersehen worden slnd. Als Entstehungszelt des

Chandos - Briefob wird me 1st 19012**, zuwellen auch 1900

angegeben. Es 1st fast eine Ausnahme, dass Kluokhohn den

Chandos - Brief vom Jahr 1902 datlert. Das 1st urn so be-

fremdender, als sowohl eine selt 1936 verdffentlichte

Tagebuchstolled als auch ein Brief In dem zwelten Band

der gesammelten Brlefe (1937)2® den August 1902 filr den

Beglnn der Arbeit und filr die Niederschrlft bezeugen.

Selbst die ausfilhrliche Auselnandersetzung mit dem

Chandos - Brief von Paul Requadt erwMhnt nicht dlesen

Brief* trotz der phllologlsch getreuen Sammlung von Be-

welsstilcken. Immer wleder schelnt der Brief an Leopold

von Andrian vom 16. Januar 1903 ilbersehen worden zu sein,

well er dort steht, wo man lhn nach der iibllchen falschen

Datumsangabe, 1901, nicht flndet. Und gerade dleser 1st

2** Auch der Band Prosa II, der uns in der ersten Auflage "1. bis 5# Tausend" 1951 vorllegt, glbt filr die Entstehung das Jahr 1901 an und relht den Brief dort ein.

27 Corona 6 (1936), S. 570.

2® an Leopold Andrian, 16. Januar 1903» Brlefe II, S. 99ff» - Nur Kluckhohn erwthnt dlesen Brief, geht aber mit elnem kurzen und lelder auch ungenauen Zltat darilber hlnweg. - Die Studle von Konrad Hers, "Hofmannsthal en Lord Chandos", Kroniek van Eunst en Kultur (Amsterdam) A. 15 (1955)» S. 29ff war uns nicht zugJLnglloh. -291- von den Ausaagen Hofmannsthals ttber den Chandos - Brief am aufsohlussrelohsten.

Hofmannsthal verteldigt slch darln gegen den Tadel, er htttte slch zu dem Gestttndnls nicht elner hlstorlschen

Maske hedlenenv sondern es dlrekt vorbrlngen sollen:

Ich glng aber wlrkllch vom entgegengesetzten Punkt aus, Ich blUtterte lm August ofter In den Essays von Bacon, und fand die Intlmlt&t dleser Epochs relzvoll, tr&umte mlch In die Art und Welse hlneln, wle dlese Louts des XVI, Jahrhunderts die Antlke empfanden, bekam Lust, etwas In dlesem Snrechton zu machen und der Gehalt, den lch, urn nicht kalt zu wlrken, elnem elgenen lnneren Erlebnls, elner leben- dlgen Erfahrung entlehnsn musate, kam d a z u .g 9

Hofmannsthal macht auf den 3tll des Briefes aufmerksam, den so vlele der Krltiker als eine unnattirllche Maske

empfinden, und verlangt, den Brief des Lord Chandos

nicht als ein kttnstllches Verstellen, sondern als ein

stlllstlsches Eunstwerk zu betrachten, Zwar 1st es das

erste Mai, dass er elnen Kunstbrlef vertiffentllcht, aber

nicht das erste Mai, dass er slch mit elnem solchen Flan

beschftftigt, Schon lm Jahr 1896 1st er an George mit dem

Plan herangetreten, eine Folge der Blotter fttr die Kunst

mit elnem langen flktlven Brief an elnen jungen Freund

elnzulelten, Es 1st damals nach Georges ermunternder

Antwort bel der Niederschrlft von elnlgen Notlzen ge-

2 9 Brlefe II, S. 99f -292- blieben.3° Wle sehr es lhn verlookt und geradezu zwingt, lm Briefstil vergangener Zelten zu schreiben,

1st aus Hofmannsthals KOmmentar zum HBrlef an den Buch- h&ndler Heller" zu ersehen. Aus dem persBnliohen Brief iBt ein klelnes Werk lm alterttimliehen Stil geworden.

Vieder 1st ein Freund Musserst bestttrzt. Bodenhausen fragt, "warum In diesem Brief der Stil von Goethe so deutllch auftritt, dass er nicht mehr wirkt wle eine

Kraft, die neues Leben gescheffen, und zu neuem Leben erstanden, sondern wle eine Nachahmung und wle eine blut- leere Kopie".^1 Wieder gibt Hofmannsthal eine Erkl&rung, die auf den ersten Blick der vom Jahr 1903 fthnlich zu

sein scheint, aber den Brief an Hugo Heller vom Chandos -

Brief im wesentlichen unterscheidet. Im August 1906, so antwortet Hofmannsthal, habe er In Goethes Prosa gelesen,

sei davon fasziniert gewesen, und der Wunsch* sich "davon

inner1lch manches anzuelgnen, war sehr lebhaft." Gerade

zu dieser Zeit kam Hellers Rundfrage. Er "improvislerte

diese Antwort, warf sie schnell hin, so schnell als die

Feder lief . . ."32 er £en pruck In die H&nde bekommt,

Siehe die Brlefe an George vom 5. Jull 1896, S. 102f, und 12. August 1896, S. lo7f, und Georges Brief vom 10. Jull 1896, S. 103f.

31 27. Dezember 1906, S. 90.

32 Januar 1907, S. 92. muss er laut auflaehen. Dieses Mai 1st der altertiimllche

Stil unbewusst In den Brief hinelngeraten; Hofmannsthal

verglelcht sloh mit dem Tennisspieler, der filr ein paar

TAge den Schlag des Gegners ganz unbewusst koplert. Im

Chandos - Brief geschah es In emsteBter kilns tier Is cher

Abslcht. Der Brief des Lord Chandos 1st als ein essaylsti-

sches Kunstwerk konzlplert und geschrleben. Nur durch die

Gleichgfiltigkeit den Aussagen Hofmannsthals fiber sein

elgenes Werk gegenfiber kann, wle bel A. Lernet-Holenia,

die Vermutung entstehen, Hofmannsthal habe den Chandos -

Brief spflter als pelnllch empfunden und Drucke verhlndern

wolien. Hofmannsthal hat den Brief In den Band Das Mflrchen

der 672. Naoht und andere Erz&hlungen. Wien und Leipzig,

1905; in Die Prosalschen SehrIften. Berlin, 1907 und in

die GeBammelten Werke. Berlin, 1923/24, aufgenommen und

noch lm Jahr 1925 die Erlaubnis zu elnem Prlvatdruck

Ernst Rathenaus filr die Maximilian-Gesellschaft gegeben.

Die Erlnnerungen der Freunde berichten dariiber hinaus von

privaten und flffentlichen Vorlesungen aus dem Chandos -

Brief. Sprlcht das nicht vlelmehr dafilr, dass Hofmannsthal

sich fiber den Brief freut?

Er hat alien Grund dazu; denn das Werk 1st ffir lhn

das Gegentell elnes Ausdruoks elner akuten Produktions- -294- krise. Dies® hatte er hinter sich, ale er den Brief sohrleb. Es wlire paradox, wenn ein Dichter In elnem vollendeten Kunstwerk darttber klagte, er k#nne nloht mehr schaffen, ea ael Ihm "vfillig die Fflhlgkelt abhanden gekommen, ttber irgend etwas zusammenh&ngend zu denken

Oder zu sprechen." Kann ea ein beaserea Zeugnis daf'flr geben, daaa Hofmannsthal achaffen kann, ala der Chandoa -

Brief aelbat? Der Abbruch des Werkes lm Jahr 1899* nicht nur dea lyrischen, auf das lm Zusammenhang mit dem Brief

lmmer wleder hlngewleeen wlrd,^ sondern auch deB essay-

lstlschen, 1st tiberwunden. Der Chandos - Brief 1st Re-

chenschaft und Befreiung. Hofmannsthal befrelt slch von der fast zweijflhrlgen Krlse, lndem er den Brief verfasst.

Ala er lhn lm August 1902 konzlpiert, hat er eine ganze

Anzahl von Plflnen, deren Ausflihrung er mit Zuversicht

entgegensleht. Chandos "wollte die Fabeln und mythlsohen

Erzfthlungen, welche die Alten uns hinterlassen haben • • •

aufschliessen.M Hofmannsthal will die Elektra schrelben.

Er weiss, dass seine Dramenplilne gelingen werden. Das

33 Kluckhohn macht die Feststellung, Hofmannsthal habe nach dem Chandos - Brief Hkeln lyrlsches Gedlcht mehr verfasst, mindestens kelnes mehr der Verfiffentllchung fttr wert gehalten". Naoh dem Chandos - Brief entstanden Jedoch HVor Tag” (1907)* NDes alten Hannes Sehnsuoht naoh dem Sommer" (1907?), "Die Verse zum Ged&ohtnls des Schau- splelers Josef Kalnz" (1910), "E&ntate" (1914) und "oster- relohs Antwort" (1914). Alle wurden gedruokt. Szenarlum des nAchsten dramatischen Werkes, Daa gerettete

Venedlg. entsteht noch vilhrend dar Arbeit an dem Chandos -

Brief* Das Gelingen dieses ersten Kunstbrlefes filhrt ihn zu dem Flan eines Buches "Erfundene Gesprftche und Briefe".

So entstehen das "GesprHch zwlschen Balzao und Hammer-

Purgstall in elnem DfJblinger Garten lm Jahre 1842M , dieses noch lm Jahr des Chandos - Briefes, und der nicht genauer als nicht vor 1903» aber vor 1914 zu datierende HBrlef dee letzten Contarln", den Hofmannsthal in dem Antwort-

schreiben an Leopold von Andrian erwiIhnt.

Hofmannsthal selbst weist darauf bin, dass der Ge-

halt des Chandos - Briefes der elgenen Erfahrung, dem

elgenen Erlebnis entstammt. Das eindeutig Biographlsche

springt durch die genannten Zahlen ins Auge. Mit Ausnahme

selbstverstAndlich der Jahreszahl des Briefes stimmt im

Verglelch Chandos: Hofmannsthal fast alles ZahlenmMsslge

tiberein, viellelcht sogar das Datum vom 22. August. Chan­

dos 1st vie Hofmannsthal als NeunzehnJ&hriger der Verfas-

ser von drel Werken. Vie er besucht Chandos im Alter von

drelundzwanzlg Jahren Venedlg. Beide blicken auf ein

zweljflhrlges Stooken der Produktlvitit zurttck. Chandos

1st Hofmannsthal. Das Alter der Briefschreiber Jedooh,

und das 1st entscheldend, 1st verschieden. Chandos 1st

sechsundzwanzlg, Hofmannsthal achtundzwanz1g. Hofmanns­

thal wird im Lord Chandos deutlicher als in den voran- -296- gehenden Dlchterflguren des Werkes, aber eben aus der

Dlstanz, wle sie zum Schaffen elnes Kunstwerkes notwen- dlg 1st, In dlesem Fall elner zeltllchen Entfernung von zwel Jahren. Der Chandos - Brief aus dem Jahr 1902 1st nicht der Marksteln des Abbruchs des Frtihwerkes selbst, sondern Rechenschaft dartlber. Gleichzeitig leltet er das Schaffen In der zwelten Lebenshklfte des Dlchters ein.

Vier Jahre nach dem Chandos - Brief erschelnt lm

"Vorsplel fttr ein Puppentheater" noch elnmal ein Dichter.

Auf den ersten Bllck 1st es vielleicht das seltsamste

Werk Hofmsnnsthals: ein Vorsplel zu elnem Stflck, das es nicht glbt. Wle das verhutzelte Weiblein, das dem Dich­

ter fassungslos gegenttbersteht, mag auch der Leser das

sonderbare Gebaren und das lange SelbBtgesprftch des

Dlchters nicht verstehen. Eine monographlsche Behandlung

fehlt, und selbst In den umfassendsten Darstellungen des

Gesamtwerkes wird das Vorsplel ttbergangen, obwohl Hof­

mannsthal es nach dem Erstdruok lm Oktoberheft 1906 der

Neuen Rundschau In drel Sammelbttnde aufgenommen hat. Der

Schliissel mag lm Entwlcklungsgang Hofmannsthals und In

seiner Gesamtverfassung lm Jahre des Entstehens des Vor-

splels llegen. Hofmannsthal, der barh&uptlge Dichter des

Puppentheatervorsplels, der "vom Schrelbtlsch weg hler heraufgewandelt schelnt", steht auf von seiner Arbeit an Kflnlg ttdlpus. daa Beln letztes Grlechenstttck blelben wird, und reflektlert ilber slch und aeln Schaffen.

Eine Assozlatlon um die andere drttngt slch dem Le- ser auf. Das holzsammelnde alte Welb erlnnert an den Ab- gang der Hexe In Der Kaiser und die Hexe. der trunkene

Dichter an den Jtingllng In 1)er Jttngllng und die Spinne".

Dichter und Jtingllng werden durch eine Begegnung aus

Ihrer Traumwelt aufgeschreckt. Es flnden slch Anklttnge und w8rtllche Entsprechungen zu den Gedlchten und dem

Prosawerk, auch, und kaum ttberraschend, zu dem Vortrag

"Der Dichter und dlese Zeit" aus demselben Jahr. Hof­ mannsthal sleht auf den Weg zurtick, den er gekommen 1st.

"Wle lm Traum bin lch die Strasse heraufgekommen, als w&re ich mit geechlossenen Fttssen gegangen, und doch glaube lch, war lch nle lm Leben so wach." - "Da steh lch, wo lch hundertmal gestanden bin . . . 'Es 1st alles nur wle limner', miJchte mein Kbpf sagen . . . aber warum

1st mir denn heute so, als ktinnt lchs austrlnken, In mlch hinelntrinken, dlese ganze Sonnenwelt • • •?" Ihm 1st da-

Tum zumute wle der Frucht, die darauf wartet, in elnem

Mund zu zergehen. Ein magisches Du ktindigt sich Ihm an.

Wle nle zuvor ftihlt er Leben in Jeder Faser seines Leibes -298-

"eln trttbsinniger Halbsohlaf war allee, was ioh gekannt habe vor dieser StundeI" Aus der beklommenen Vorahnung eines verzaubernden Erlebnisses stelgert er sich in elne

Allee umfaseen wollende Trunkenheit, die ihn das alte

Welb als die oDttin der Natur, als seine Galatee er- scheinen lMsst.

Die Wirklichkeit droht ihn zu vernlchten: "Es gibt

Hjtllenzeichen, mlt denen die Wirklichkeit uns aus dem tiefsten Traum aufjagt.1' Und doch wird ihm das Weib zur entscheidenden Begegnung, einer Botin, die das unsicht- bare Du ihm sendet:

Oh, ich verstehe dichi nicht die Erde soil ich kttssen und nicht den Wasserfall an meine Brust drttcken ♦ . . meinesgleichen soli ich umarmen. Das 1st deine Antwort . . . Meines­ gleichen! Das slnd die Boten, die du an mlch sendeet,

Aus dem selbstbefangenen Traum tritt der Dlchter hinttber in die Welt, Qestalten steigen in ihm empor: der

Qelzlge, der Krieger, der Fromme, der Bauer, der Bttrger, der Dleb, die Kinder, die Liebenden, die Welt, zu der er sich nun so zugehflrig welss wle das Bad zu der Uhr, Aus dem maglschen Kreis, "aus diesem Traum hier steig ich und trete hinttber in Jenen andern, der helsst Menschenwelt und /leben," hinttber "in die andere Welt, die ich auf- bauen will'1: den Spuren dea armen alten Weibea folg ich, die mir gl&hen wie Karfunkel la grttnen Qrund, kreuze den Ffad dee Elnaiedlers und deB jAgera, springe ttber den Kreis, den der SchatzgrAber zieht, fahre auf dem Fluaa mlt den FrAhlichen, berge mioh lm Dunkel mlt den B&aen, atelge mlt dem TotengrAber In seln frlaches Grab und aitze lm Wagen mlt dem relohen Verschwender.

Im Oeftthl dleser Lebensverbundenhelt entateht eln neuea

Work. So wird in den letzten sAtzen dea Dichters daa

Stdck wirklich eln Vorapiel, zu elnem Werk, daa exi- stlert, nicht elnea Spielea, Bondern elner Summe, einer

Vlelfalt von Elnzelwerken, elnea ganzen Theaters. Ea 1st

Hofmannsthals Ankttndigung der Hinwendung zum Volkahaften, zum "Spiel vor der Mange", deasen erate Fassung in eben diesem Jahr entateht, zum "errelchten Sozialen" (Ad me lpBum), den Kbmfldien, die Hofmannsthal plant und Monate spilter niederzuachrelben beginnt. Nachdem der Dichter aus dem Traum der grossen Magle Ins Leben erweckt 1st, braucht

er seine Stoffe nloht mehr im elgenen Innern zu suchen.

Er sleht eine Welt von einzelnen Geatalten und Stoffen, was dem Dichter dea Klelnen Welttheaters nicht mAglloh war. Jener blleb im Zauberkreia dea Trauma, der die elgene

Exiatenz einschliesst, "irgendwie" verwoben und wuaate

keine Antwort auf die ihm rAtaelhaften Konfigurationen.

Dieaer Dichter aber kann - ea 1st daa erate und bleibt daa

letzte Hal - sich direkt ad anectatorea wenden und mlt 300- einer in den anderen Dlchtergestalten beiaplelloaen

N&chternhelt, freilich elner sehr dichterisohen, seln

Programm aufzelohnent

da solit ihr bald die Wttrfel der Spieler klappern hSren, bald den unachuldigen Ge- fangenen an seiner Estte klirren; Easpar Hauser soil hervortreten, die rJLtselhafte Walse, die Pfalzgr&fin Genofeva soil lei- dend und ersterbend vor eueh immer llebll- cher verden . • • Leda vor euren Augen mlt lhrem Schwan buhlen und Doktor Faust mlt dem Qespenste Helena* Und das alles so oft ihr wollt: durohaus so oft ihr wollt, soil sich dies alles eueh darbieten • • • mit Gebftrde, Stlmmen, Musik und Tanz • • •

in den Formen des Theaters, die Hofmannsthal gefunden hat und flnden wird, nachdem das lyrische Jugendwerk ab- braoh: die Pantomime, das Drama, das Opernllbretto und das Ballett* Wenn Hofmannsthal eine Vielzahl von Stoffen und mehrere symbollsch anftihrt, so erw&hnt er doch auch

zumlndest zwel konkrete eigene Stoffe, deren Gestaltung

er plant. Dasa er sich noch lange nach dem Entwurf aus

dem Jahr 1900 mlt dem Stoff von Leda und dem Schwan be-

schUftigt, wissen vir aus Hermann Bahrs Aufzeichnungen*

Der "unschuldlge Gefangene" Slglsmund wird Han seiner

Kette klirren."34

34 Am 25. Dezember 1907 ersohienen im Berliner Tag Fragments aus Das Leben eln Traum unter dem Tltel "Der Gefangene"• ttberdles erlnnert der Hinweis auf Easpar Hauser an den seines Reiches beraubten Klnderkflnig im Turm. -301-

Als der Diohter vom Aufateigen der Qeetalten sprioht, ftihlt er eln Bergwerk in sich, "in dessen tie- fen, dunklen Schflchten sich tauaend Leben rtihren: alle

Besonderheiten und Qehelmnlaae meinea Blutea rlnnen zusammen zu Qeetalten und Figuren: die Urahnln achlftgt

In mir die Augen auf, vie Ich aelber lm Schoaa lhrer

Enkeltochter elnat getan • . ." Ea alnd die Schtfchte und Stollen, aua denen Hofmannsthal vie eln Bergmann

OdlpUB und die Sphinx herauaachaufelt, aua denen er

Crlstlnaa Helmrelae ana Llcht heraufholen und Die Frau ohne Bchatten fiJrdern wird. Auch fiir daa vor ihm llegen- de Schaffen welaa er aIch tradltlonsverwurzelt, eln Qlled

In der Kette von Generatlonen. In elner Aufzelchnung

Husaert sich Hofmannsthal grundstttzlich zum Schaffen dea Kttnstlers, den In Ihm wirkaamen landschaftlichen, hi- fi tor is chen und blutam&sslgen Krflft.en und dem ewigen Leben der grossen Stoffe:

Jeder schafft sich daB Instrument seiner Kunat aelbat, indem er von Elndrilcken und Halluzlnatlonen auageht, die dem Eros un- terstehen, und damit daa von ttberllefertem verblndet, was er erfaeaen kann. Es schafft lmmer elne Fluralltttt: Landschaft, Zeitgeist, Volksgeist • • .33

55 Corona 4 (1934), S. 708. - 302-

Wieder Bind wir so glticklioh, uns nicht auf die elgene Auslegung verlassen zu milssen, aondern auf die

Aussage des Dlchters sttttzen zu kdnnen. Im Brief an

Max Flrker vom Id. April 192136 teilt Hofmannsthal seln

Schaffen In drei Schaffensperloden eln. Die erste von

1890 bis 1899 nennt er die "vorwiegend lyrlsch-subjek- tlve Epoche”. Fantaslo steht an lhrem Anfang, die Dich­ ter des Prologs zu Die Frau lm Fenster und des Klelnen

Welttheaters erschelnen am Hflhepunkt dieser Stufe. Chandos glbt RechenBchaft liber den Abbruch dieser Perlode. An sle schllesst sich elne zwelte, von 1900 bis zu dem Jahr des

Puppentheatervorsplels, 1906: "Der Anschluss an grosse

Form wird gesucht." Von dann ah "tritt die Erflillung

tradltioneller theatrallscher Forderung deutllch als Zlel hervor". Der Dichter des Vorsplels klindigt dlese Schaf-

fensperlode an.

Schliesslich 1st noch auf den Schrlftsteller Baron

Jaromir lm Unbestechllchen elnzugehen. Jaromir 1st ebenso-

wenlg wle die anderen Personen auf dem Out Herr liber sich

selbst und wird wle sle von dem den lieben Gott splelenden

36 Gedruckt In der Neuen Frelen Presse am 15. Jull 1930; zltlert In Walter Perl, Das lvrlsche Jugendwerk Hugo von Hofmannthals. Berlin, 1936* S. 103* -303-

Dlener an der Nase herumgeftihrt. Die Paraderolle des unbestechllchen Theodor wird noch amtisanter dadurch, dass Hofmannsthal dem Qegenspleler Jaromir eln selbst- perslfllerendes Llcht nach dem anderen aufeetzt. Es macht Ihm grossen Spaas, dem Romanschreiber, der Inner- llch ganz daa Gegentell von dem 1st, was elnen Dichter ausmacht, ftusserllch elgene Ztige zu verlelhen. Belde,

Hofmannsthal und Jaromir, alnd Arlstokraten, stammen aus

Nlederflsterrelch, leben etwa zur selben Zelt, slnd ver- helratet und haben Kinder; noch manche andere Parallels liesse sich anftihren, Hler und da flnden sich bel Jaromir auch ttbereinstlmmungen mlt Hofmannsthals SchaffenswelBe.

Wlr hflren von seinem Elnsamkeitsbedttrfnls, elner oft un- vorstellbaren Empflndllchkeit und Verstimmbarkelt wflhrend der Arbeit, dem Arbeltszlmmer oben In der ManBarde, langen

Spaziergflngen, auf denen die Arbeit tlberdacht wird, und vom grossen Mass von Vertlefung, das zum Schrelben benfl- tlgt wird,

Aber wle verschleden slnd sle lm Wesentllchen! Jaro­ mir 1st SchrIftsteller lm Nebenberuf, und nicht elnmal das, denn der Junge Herr Baron hat Ja kelnen Beruf. Obwohl er selbst von frel erfundenen Flguren sprlcht und seine brave, friedfertlge Frau Ihn elnmal als Fhantaslemonschen mlt Ihm -304- el gonen Gesetzen verteidlgt, let or, In den Worten seiner Mutter nur eln Verfasser, der sich damlt be- gntigt, seine "eigenen Gefiihle und Anslchten zu Papier zu bringen, auf Draht gezogen mlt Hllfe elnlger Vor- ffllle aus seiner engeren Erfahrung". Das elnzige vor- llegende Work behandelt pelnlich selbstbiographisch eine aussereheliche Aff&re. Der allweiBe Theodor tut es mlt der Bezelchnung "Schlttsselroman" ab. Eln zwelter Ro­ man, von dem bisher nur Notlzen - Jaromir nennt sle elne provisorische Niederschrlft - vorliegen, schelnt sich vom Erstlingswerk so wenlg zu unterscheiden wle die alliterierenden und endrelmenden Namen der lebenden

Hauptpersonen Marie und Melanie* Wir erfahren, dass - und wir bemerken die feine Ironie - von den Namen abge- sehen alles "sehr stark belm Namen genannt wird", dass

"alle Details stimmen", Es 1st bezelchnend, dass Jaromirs schriftstellerische T&tigkeit nie anderB als mlt "Schrei- ben" bezelchnet wird* Eln Dichter, der etwas macht, ar- beltet, schafft, 1st er nicht*

Sowelt es die Schaffenswelse betrlfft, krlstalli- slert sich der Gegensatz gerade wegen der bisher aufge- zeigten Jlhnlichkeiten In derjenlgen geopsyohlachen Er-

scheinung, die Hofmannsthal am meisten zu schaffen macht* -305-

Jaromir sprlcht Ihn selber aus: Wfihrend eln anderer

Dichter In der Luft des Scirocco "abgeschlagen" 1st und "lauter traurlge Gedanken" hat, erweckt dlese Luft

In Ihm "eln unbeschrelbllches Wohlgeftihl"• Natur und

Henschen empfindet er dann sohBner als sonst, und er

ffihlt sich zum Schrelben Inspirlert. Wenn der ernste

Dichter verzweifelnd auf das Aussetzen des Sfldwinds wartet, stellt der SehtirzenJ&ger den Frauen nach, urn

elnen "neuen" Romanstoff zu flnden*

Trotz alles Negativen37 hat Jaromir - und das gilt

fflr alle Personen des Lustsplels - liebenswfirdige Zfige

und die schmunzelnde Sympathle des Publikums, Denn wer,

ausser Theodor, hat in dlesem Spiel kelne Schwllohen?

Kelner ausser ihm 1st uribestechllch. Jaromir 1st elne

lronleche Flgur. Hofmannsthal splelt hier, das elnzige

Mai, mlt dem Thema des schBpferischen Menschen. Das Lust-

splel entsteht In der Zelt, In der Hofmannsthal schmerz-

lich unter dem Zeitgeschehen leldet. Im Fragment "Die

37 ttberhaupt kommt bei Hofmannsthal der Roman- schrlftsteller schlecht weg, was mlt den vlelen krlti- schen Bemerkungen fiber den Roman als Kunstform und fiber bestlmmte Romans zusammenhltngen mag. Slehe zum Belsplel den Satz, der den Kern der Klage des letzten Contarin enthftlt: "Und wirkllch, so darnieder war Ihre Phantasie in dieser vergifteten Stunde, dass Sle es fflr mdglioh hielten, . . • mlt mir umzugehen, wle eln matter Roman- schrelber mlt elner seiner lBoherlgen Flguren ..." (Die Erz&hlungen. S. 89). MImin und der Diohter" sagt Agathon: "Man muss spielen, wenn die Welt so dumm und h&sslloh 1st. Ioh werde Dir eine Rolle machen."38 Hofmannsthal macht im Uribestechll- ohen eine Rolle ftir Max Pallenberg. Das Spiel, "worin der schwache Herr und der starke gescheite Diener elnari­ der wechselweise in Gang halten," wird als "Nebenarbeit" in wenigen Wochen "so hingeschrieben".

Der blldende Kttnstler

Auch die Figur des bildenden Klinstiers erscheint nur im Frtihwerk,^0 Schon in Gestern tritt ein Maler auf, For- tunio, doch bleibt er eine Randfigur. Unter den Kttnstlern urn Andrea spielt er die gerlngste Rolle. Die wenigen von ihm gesprochenen Worte Bind lediglich Gesprflchsimpulse ftir Andrea und dienen zu dessen Gharakterislerung. ttber

Fortunio selbst erfahren wir nur, dass er recht lebenslu- stig und der Schttpfer eines "alten Bildes" "Der Schwan der

Leda" ist.

Der Stoff vom bildenden Kttnstler 1st in Gestern durch die Zeitangabe ftlr die Handlung: "Zur Zeit der groMen

38 Lustsniele IV, S. 430.

39 an Burekhardt, 8. Mai 1922, S. 96 und an Bor- chardt, 21. Mttrz 1923, S. 173.

Der "Maler" in Andreas Oder die Vereiniaten 1st Dekoratlonsmaler und Btthnenassistent, keln sohflpferisoher Kttnstler. 307-

Maler" angedeutet. Eln J&hr spftter wird der Tod elnea grossen MalerB, Tlzlan, zum Tltel von Hofmannsthals z we Item St tick, das aher eln Bruchsttlck bleibt. Hofmanns­ thal hat sich lm Jahr 1929 tlber die ursprttngllohe Kon- zeptlon geHussert. Der Tod des Tlzlan sollte das Vorsplel zu elnem gross angelegten Drama seln, zu dem er der

Maturaprilfung wegen kelne Zelt fand. Die Schtiler sollten

mlt der LebenserhBhung, welche durch den Tod (die Pest) die ganze Stadt ergrelft, In Bertlhrung gebracht werden. Es lief auf eine Art Todesorgle hlnaus . . . all© dlese Jungen Menschen stlegen dann, den Melster zurucklassend, In die Stadt hlnab und er- lebten das Leben In der hBchsten Zusammen- dr&ngung - also lm Grund das glelche Motlv wle lm rTor und Tod1.41

George H e s s ftir den Erstdruck in den Blflttern ftir die Kunst in der Zeitangabe der Handlung " . • • da Tizi- an neunundneunzigj&hrig an der Pest starb" den Hinwels auf die Seuche ohne Rtlcksprache mlt Hofmannsthal weg. ^ 2 Der

Druck In den Gesammelten Werken folgt dem Erstdruck. Doch

gerade die Nennung der tBdlichen Krankheit dtirfte Hofmanns-

Brief an Walter Brecht vom 20. Februar 1929» ab- gedruckt in Brlefwechsel zwlsohen George und Hofmannsthal, zweite ergftnzte Auflage, Mtlnchen und Dusseldorf, 1953* S. 234.

^2 Siehe den Brief Georges an Hofmannsthal vom 30. September 1892, S. 42: "damlt brachten Sle eine sch&d- llche luft in ihr werk und augenscheinlich ungewollt." -308- thal weaentlich gewesen sain. Freilich geht ea bel den

Schttlern und bei Claudio, den Kttnatlern ohne Werk, urn eine Lebenaerhdhung duroh den Tod an aich. Bel Tlzlan

Jedooh 1st ea nicht der Tod alleln, aondern die Krank- heit, daa Fieber, daa ihm daa Geftihl elnea vorher nie ao irttonsiv empfundenen kttnatlerischen Gehobenaelna gibt.

Hofmannsthal, aelber ao oft GeBundheitsatdrungen auBge- aetzt, die aein Schaffen unterbrechen, hat ap&ter elnmal betont, dass Mozart und Schiller durch ihre Tuberkuloae zu "einer faat fortwilhrenden Gehobenheit"^ gelangten*

Tlzlan erlebt eln letztea Aufflammen der achdpfe- rlschen Krdfte. Erat Jetzt, am Ende seines reichen Schaf- fenB glaubt er, zu dem wahren Geheimnla dea Schdpferi- achen Zugang gefunden zu haben. In elnem fieberhaften

Rausch, haatlg und leidenschaftlich und unter elnem furcht- baren Schaffenazwang arbeitet er an dem Gemdlde, das alle fertlgen Werke, die er nun als erbflrmlich und blelch empfindet, ttbertreffen aoll:

Ea komme Ihm eln unerhdrt Verstehen, Dasa er bla Jetzt eln matter Sttimper war*

Tlzlan flndet elnen traglschen und zugleich glorreichen

Tod. Er brlcht auf der Staffelel vor dem unvollendeten

an den Vater, ohne Datum (1908), Brlefe II, S. 324. Gem&lde zusammen, doch lm Augenbllck, In dem er die sohtipferlsche Kraft seines langen und arbeitsrelchen

Lebens am storksten ftihlt.

Das Fragment felert den grossen Melster und Lehrer.

Auch die Verse auf Arnold Bticklin gedenken elnes Ver-

schiedenen, des "grossen Zauberers". Bel der Totenfeler ftir Bflcklln lm Jahr 1901 In Mttnchen wird Der Tod des

Tlzlan mlt dem Bticklin-Prolog uraufgeftihrt.

"Wle Llcht sich In Farben epaltet, so tellt der

Dichter sich auf In die Figuren seines Spiels" schrelbt

Herbert Steiner^ und fragt, was Hofmannsthal von sich den elnzelnen Figuren des Klelnen Velttheaters mitgegeben habe. Wle sich das Weltgeftihl des Menschen der Prftexi*

stenz prlsmatlsch zu den Figuren brlcht, so spaltet sich

das prtiexlstenziale Geftihl des Schtipfers In den "Dichter"

und den "Fremden". Zwar bezelchnet die szenische Anwei-

sung den Fremden als "elnen geschlckten Handworker, etwa

elnen Goldschmled", doch 1st er mehr als nur eln hand*

werkllcher Melster. Wle der Dichter sleht auch er ver-

sohwommene Gestalten und bebt lm Sptiren der Eingebung,

sle kttnstlerlsch zu bllden. Der Dichter schafft "ktinst-

^ "Das Klelne Welttheater", Die Keue Rundschau 65 (1954), S. 593. lerlsches Gebilde", der Fremde let eln "blldender

Kilns tier". Die Parallelitlt der Figuren wird deutlloh

In elner Ad me lnsum-Stelle. In der Hofmannsthal eine

Verszelle aus dem Monolog des Fremden zltlert: 11 Eln

We sen lsts, daran wlr uns entzticken" und daran an- schllesst: "Das Qegenmotlv auftauchend aber fast nur lronlech: denn er wendet sich glelch wleder dem Qanzen

Fluss zu." Hofmannsthal unterstrelcht das Wort "Eln".

Es 1st der "Nachtell" des schttpferlschen Menschen auf der PrMexlBtenzstufe, dass er "nur TotalltEten sleht".

(Ad me lnsum). Der Dichter wle der blldende Kilns tier stehen vor elner totalit&ren Vlelfalt. W&hrend der Dich­ ter sich urn des Qanzen wlllen vom Elnzelnen abwendet

("Warum ergrelfts mlch so, den elnen hler zu sehn? . • •

Ich will nicht Ihn allein, die andern will Ich, die auf den Hilgeln wledersehen . • •"), empflndet der Kllnstler die Ganzhelt als eine Gefahr. Die gestaltende Kraft droht am Vlelen zu zerspllttern:

Nur 1st es vlel zu vlel, und alles wahr: Eins muss empor, die anderen zerfHessen. Qeblldet hab Ich erst, wenn lchs vermocht, Vom grossen Schwall das eine abzuschllessen.

Im Brief an Georg Frelherrn zu Franc kens t eln vom 1. August 1903 (Brlefe II, 8. 123) bezelchnet Hof­ mannsthal den Fremden alB "bildenden Kflnstler". -311-

In elnem Lelbe muss es mir gel ingen, Das unausspreohllch Reiohe auszudrticken, Das sellge Inelehgeschlossenseln: Eln Vesen ista, woran wlr uns entzttcken.

Der Dichter steht noch In der Pr&exlstenz; der Fremde dagegen schon auf der Schwelle der " Verknttpf ung mlt dem

Leben". In ihm 1st "B&ngen und Sehnsucht diesen Zustand zu verlasBen" (Ad me lnsum) erwacht. Beide aber wenden sich am Ende wieder "dem Qanzen Fluse" zu.^

Zur Problematik von fllessendem ganzheitlichem Leben und plastlecher elnzelner Form der Sch&pfung vgl. das Wort von Rudolf Pannwitz, das Hofmannsthal in das Buch der Freunde aufnimmt* "Das Lebendige fllesst, aber das FIlessende 1st nicht die Form des Lebens" (S. 57) und den von Burokhardt mltgetellten Ausspruch: "immer habe loh mich bemtiht, aua dem fllessenden Element Festes zu ge- wlnnen, wle der Krug das Wasser In der Form zu umsohlle- ssen." ("Begegnungen mlt Hugo von Hofmannsthal", Die Neue Rundschau 65 (1954), S. 357)* -312-

Der Komponlst

Zweimal tritt lm dramatlaohen Werk eln Komponlst auf. In Der Abenteurer und die S&ngerln 1st es der greise, vom Tode gezeichnete Mann, der seln Schaffen schon lange hat aufgeben milssen. Der Junge Komponlst in Ariadne auf

Naxos dagegen steht erst am Anfang elner vlelverspre- chenden Laufbahn. Der alte Komponlst 1st von Hofmannsthal frel erfunden. Das Ad me Ipsum we1st mehrmals auf ihn als eln Splegelbild des Abenteurers und auf Handlungsparalle- len hin. Wir werden Ihn also im Zusammenhang des ganzen

Stilckes zu betrachten haben. Die Figur des Jungen Kbmpo- nisten Jedoch 1st von Molieres Bourgols Gentllhomme ilber- nommen. Der Briefwechsel mlt Strauss gibt uns Gelegen- heit, das Umgestalten der Molierschen Schillerfigur zum

Komponisten zu verfolgen. Auch hier 1st also welter aus- zuholen. Muss die Figur des alten Komponisten aUB dem fertigen Werk erschlossen werden, so kflnnen wir die des

Jungen entstehungsgeschichtlich betrachten. Das den beiden

Figuren Gemeinsame soil nach den Einzelbetrachtungen her- ausgestellt werden.

Es scheint auf den ersten Blick eine recht unterge- ordnete Rolle zu seln, die der "alte Komponlst" in Der

Abenteurer und die Sftngerin spielt. Otto Brahm, der das Stttok fiir die Uraufftihrung am Deutachen Theater kttrzen lieae, mag den Anlass gegeben haben, in der Berliner

Biihnenfaaaung den Komponiaten in den sMnger und TUnzer

Zanni umzuwandeln. Die Biihnenf aa eung fiir daa Burgtheater lAaat dies© Rolle aogar ganz unter den Tiaoh fallen, ebenao den Ceaarino, dea Abenteurers Sohn, der wohl we- gen seiner Illegitimitftt an der Hofbtihne unerwtinacht war.^7

Und wirklich kdnnte man auch beim eraten Lesen der

Buchfaaaung meinen, dasa der Komponlst ebenao unwlchtlg ftir daa Ganze 1st wie einige andere Figuren, zum Beispiel der Graf Friedrich, der, obwohl er eine Sprechrolle hat,

aogar lm Personenverzeichnla fehlt. Wlrkt nicht ohnehin daa kurze, nur einen halben Abend fiillende Sttick etwaa tlberladen mit den achtzehn Peraonen, dazu den Muaikanten und Dienern?

Aber gehdrt der Kbmponiat nur ala Nebenfigur zu der bunten Welt dea Venedig um die Mitte dea achtzehnten Jahr-

hunderta, wie die sHngerin Redegonda, die TUnzerin Mar-

flsa, der Mualker Salalno und die Tagediebe, die Sonette

und Paaquillen achrelben? Er trltt nur in einer kurzen

Szene nach der Verwandlung auf, Ihm zu Ehren wird in

^7 Vgl, Herbert Stelnera Bemerkung in Dramen I, S. 459. -314-

Lorenzo Venlera Haus eln Feat gegeben, auf dem Vittoria

Venier, die Gastgeberln, elnea aelner Werke slngt. Welch eine gebrechllche Person 1st dieser Komponlst! Eln wan- delndes Grauen fttr den lebensstrotzenden Ceaarino; ao hinfMllig, dass Ihn der klelnste Luftzug und die durch das Fenster hereInfallenden Sonnenstrahlen ttngstlgen ktin- nen; ao senll, daas er, wleder zum Kind geworden, den muslkallschen Vortrag unterbrlcht und nach der stissen

Spelse verlangt, die er gierlg verschlingt. Genau daa

trltt eln, was Cesarlno vorausgeaagt hat: der Komponlst

erkennt seine elgene Schflpfung nicht mehr* Aber eben

darum geht es so oft In dleaem St tick: um das Kennen und

Wledererkennen. Vittoria erkennt den Abenteurer auf den

eraten Bllck wleder. Dieser muss erst elnen anderen -

der Zufall will es, dass es Vlttorlas Mann 1st - nach

ihrem Namen fragen. Ala Vittoria dann vor Ihm steht, ver-

wechaelt er Person wle Ort des Abenteuers. Lorenzo er­

kennt In dem Blld des jttngeren Abenteurers blltzartlg

die Jthnlichkelt von Weldenstamm und Cesarlno und welss so-

fort um CeBarlnos wlrkllche Vaterachaft. Weldenstamm da-

gegen erkennt, gerade In der Szene, In der der Komponlst

auftrltt, selnen elgenen Sohn nicht. Wle der Komponlst

seln gelstlges Kind nicht erkennt, so erkennt Weldenstamm Beln leibllches nicht* Jenen verlangt es hel der Dar- bietung seiner Muslk nach der silssen 3pelset dlesen bel der Vorstellung seines Kindes nach der sttssen Marflsa.

Weldenstamm ahnt lm Komponisten eine Spiegelung seiner

Zukunft: "Das wird aus uns!" Es 1st das elnzlge Mai, dass er etwas sagt, was aus dem lnnersten Getroffenseln Ihm tiber die Llppen kommt, Dabel kennt er die Vergangenhelt des Muslkers nicht so gut wle wir, denen sle uns von an- deren Fersonen mltgetellt wird, um uns die Parallelltttt

Abenteurer-Komponlst bewusst zu machen* Auch der Ko&po-

nlst war einst kraftvoll und schtin und wurde von vlelen

Frauen gellebt. Auch er hatte das jugendllche Feuer elnes

Casanova. Weist doch auch seln Name, den wir lm Verlauf

des Stiickes erfahren, Fasslonel, auf Leldenschaft hln.^®

Vittoria, die als Mutter und Schwester Cesarlnos selbBt

eln Doppelleben fUhrt, sagt kurz vor dem Zusammentreffen

von Weldenstamm und dem Komponisten: "Das Leben * * *

schlckt Jedem Doppelgflnger tibern Weg." Passlone1 let eln

gealterter, verbrauchter, ungltlckllcher Abenteurer. Wle

Herrn Doktor Roland Bdcklln verdanke Ich die folgende Erkl&rung des NamenBt "Die Endung -el 1st eine Pluralendung von der Elnzahl -eo. Dlese Pluralendungen slnd hHuflg In Itallenlsohen Namen; z.B. eln Valentino kommt aus der Famllle der Valentlnl, "del Valentlnl". Das "del" fftllt dann gewShnllch weg, und so blelbt der Pluralname* Die Blldung des Kunstwortes "Passloneo" (leldenschaftlloh) erlnnert an Elgenschaftswttrter wle "femmlneo" (welbllch), "aureo" (golden), "ferreo" (elsern). -316- der Name des Komponisten das Vergangene spiegelt, b o deutet das Alias dee Abenteurere auf daa traurige, im- potente Zuktinftige hin.

Schon der andere alte Mann aus dem eraten Tell dea

Stilckes 1st eine Parallel- und glelchzeitlg Kontrast-

figur zu Weldenstamm: Wie dieser eine Splelernatur, aber

eln Spieler, der beat&ndlg verliert, lm Qegensatz zum

Abenteurer, dem Jugendlichen "Eartenkdnlg", der immer zu

gewinnen gewohnt 1st, oder vielmehr gewohnt gewesen 1st.

Denn hat er sich bisher immer wleder aus den Verstriekun-

gen befrelen kflnnen, so glaubt er doch, als nun nachts

an seine Tiir geschlagen wird, dass sein Ende gekommen

1st. Er wird kein zweites Mai den Blelkammern entkommen

ktinnen. Die Glftphiole 1st fiir das Schllmmste berelt.

Weldenstamm steht auf der Schwelle, die ihn und Passlonel

altersmttssig trennte: "Er 1st nicht doppelt so alt wie

ich, und wflr ers, wftrs kein Trost." Im Entsetzen vor der

grauenvollen Zukunft flilchtet er sich in weitere Aben-

teuer und lflsst Vittoria um weniger Stunden mlt der T&n-

zerin willen alleln zurtick. Aber sie 1st Ja nicht elnsam.

Sle hat die Musik und das Kind. Das Trdstliche llegt im

Wlrksamseln, lm Schtipferischen, das sowohl Passional als

auch Weldenstamm eigen 1st: -317-

Bin Ich nicht die Musik, die er erschuf, ich und mein Kind? iBt Feuer nicht in uns, was Feuer einst in seiner Seele war? Was gilt der Scheit, daran es sich entzilndet, die Flamme 1st dem hDchsten Gott verbtindet.

Im Schlussmonolog zieht Vittoria die Parallels von Pass! onel und Weldenstamm:

Wohl, ich seh, dies 1st nun so. Des Lebens Wasser rinnen einen Weg und der Musik erschuf - dann kommt ein Tag, wo er sie nicht erkennt, und sich von ihr wegwendet: also auch geschah es hier.^9

Hofmannsthal iibernimmt die beiden Musikerfiguren in

Ariadne auf Naxos aus dem Boutkola Gentllhomme. Bei

Moliere 1st der maitre de musique der Komponlst der Dar- bietungen im Hause Jourdains,der Junge Musiker noch ein

Schiller. Auf Anweisung des Lehrers komponiert er eine kurze Arie fttr die grosse Serenade. Er erscheint nur in der kurzen Eingangsszene und hat ausser elnem "JaM auf die Frage, ob er fertig sei, nlchts zu sagen. Hofmannsthal dagegen macht ihn zum Komponisten aller musikalischer

Darbietungen, elner - ilbrlgens nicht von Moliere ttber- nommenen - Arie, des Duetts zwischen SchMfer und Schttferin

^9 In der ausftihrlichsten Stelle zum Stilck im Ad me lpsum helsst es: "Der Abenteurer, Jener die Total!tilt um- fassende, umarmende Geist - in die Sphere des Lebens ge- falien: der Zelt und den verMndernden Oewalten ausgelie­ fer t. Sein Splegelbild hlerin der Musiker: belde fortle- bend in der Auswlrkung ihres htfchsten Augenbllckes: lm Werk, lm Kind. (Ironie dass beide mlt dem Werk und mlt dem Kind nlchts mehr anzufangen wissen)." -318- und sogar der Ariadne-Oper, die an die Stelle der

Moliereschen tilrkischen Zeremonie trltt. Seine Rolle

In der KbmfJdie 1st wesentllch erweltert. Auch lm tfcer- gangssplel vom stark gektlrzten Bttrger als Edelmann zur

Oper trltt er als eine der Hauptpersonen auf, ohne dass desvegen der Musiklehrer wegf&llt. Der Briefwechsel mlt

Strauss glht uns Aufschluss fiber dlese Xnderungen.

Noch ehe das Szenarlum an Strauss abgeht, welat dieser nach dem Lesen des Moliereschen Stflckes auf die

Mflgllchkeit hln, In elner Verschflrfung des Gesprftches zwischen dem Komponisten^O und dem Tanzmelster "der

Krltlk was Hflbsches auswlschen"^ zu ktinnen. Strauss denkt sich bel dem "VerschMrfen" eine Erwelterung des

Gesprttchs zwischen Komponisten und Tanzmelster fiber das

Publikum und die Theaterkrltlk. Im Boutko1b Gentllhomme wird In dieser Szene ja nur der Unverstand des adllgen

Bflrgers angeprangert. Hofmannsthal nimmt den Vorschlag

an. Doch will er das von Strauss Gewflnschte nicht In der

Eingangsszene, sondern lm Oberleitungsspiel unterbringen,

50 Da Strauss, von Hofmannsthal darauf hingewie- sen, die Obersetzung "Der adllge Bttrger" von F.S. Bier- llng benutzt, die In Cottas Blbllothek der Weltllteratur. Stuttgart, ohne Jahr, steht, bezelchnet er in der Dis- kusslon des Stoffes den maltre de muslque als den "Ebm- ponlsten".

51 an Hofmannsthal, 20. Mai 1911» S. 101. "worin sich Tanzmelster und Komponlst - welche die

Arrangeure dieser Opernauffllhrung In Jourdalns Haus slnd - liber Publlkum, Krltlk etc, unterhalten."52 Mehr- mals ermuntert Strauss den Dichter, selnen ganzen Witz schlessen, Raketen der Bosheit und Satire springen zu lassen. Hofmannsthal solle es nicht mlt den Kritikern und dem Publlkum bevenden lassen. Auoh elnige Boshe1- ten liber den Komponisten selbst sollten einfHessen:

"Jede Selbstpersiflage nlmmt der Krltlk die stArksten

Waffen aus der Hand • • • Haben Sle Bosheit genug?"53

Sollte der Komponlst nicht zu portraitAhnlich mlt ihm werden, so kBnne Zerbinetta ein VerhAltnls mlt dem Korn- ponisten haben. Nun liegt aber die Figur, wie sle Mo­ liere gezeichnet hat, Hofmannsthal gar nicht. Sle 1st ihm zu "behAbig und bllrgerlich . . . da 1st wenlg anzu- fangen, die Figur 1st gar nicht biegsam".54 HofmannBthal teilt mlt, er wolle vielleicht den Schiller, der zuerst als llberflllsslg weggelassen werden sollte, zum Autoren der Oper machen. So geschleht es. Im Brief an Strauss vom 21. April 1912 erfahren wir, dass aus dem Schiller

"ein Junger Komponlst"^ geworden 1st.

an Strauss, 15. Junl 1911* S, 110,

^ an Hofmannsthal, 24. Juli 1911, S, 122.

an Strauss, 22. Oktober 1911, S. 126. 55 S. 152. -320-

Schauen wir uns die erste Fassung der Ariadne auf

Naxoa auf die geAusserten PlJLne und Anderungen hin an.

Der maitre de musique let zu dem die Aufftthrung arran- gierenden Musiklehrer degradiert. Er ist Aufsichtsperson, hilft auch dem Jungen Komponisten, doch wird ttber seln musikalisches Schaffen nichte mitgeteilt. Der "Kbmponist" ist in Jeder Hinsicht der Junge Musiker. Von der von

Strauss geforderten Selhstpersiflage findet Bich nlchts, es sel denn, man wollte in dem Ernst des Jungen Genies und in seiner Verzweiflung tiber die Anordnung, belde

Stttcke zusammen anstatt hlntereinander epielen zu lassen,

etwas derartiges sehen. Auch das Verhttltnis mit Zerbi­ netta fehlt, Oder fehlt beinahe, denn die Mtfgllchkelt

einer sich anbahnenden Beziehung ist Ja angedeutet. Bos­ heit und Satire Jedoch glbt es in Mengen. Der Tanzmelster,

elner der grBssten Schreihttlse im Streit um den Vorrang

der Ktinste, glaubt, dass in selnem Schuhabsatz mehr Melo-

dle stecke als in der Oper. Eln Darsteller der Opera

buffa mflchte Jedes Musikstttck verboten sehen, das ein

Kanarlenvogel nicht sogleich nachslngen kiinnte, und den

Komponisten in Elsen legen. Der Hausherr kommt bel Hof­

mannsthal ebenso schlecht weg wie bel Moliere. Auch den

Opernbtihnen wird eins ausgewlscht. Man erlnnert sich an die von den Qenerallntendanten geforderten Streichungen lm Bnnftnkftvftiler zu den Auffiihrungen am Kflnigliehen

Opernhaus Dresden und an der Berliner Hofoper, wenn man llest:

Das erste, wonach der Herr Generallntendant der KBnlgllchen Vergnttgungen zu fragen pflegt, 1st, ob eine Oper auch recht gute Strlche ent- hM.lt, und es ware an der Zelt, dass eln ge- schlckter Musikus die Bequemlichkelt annlhme und komponlerte eln gut Tell ordentllcher Strlche von Anfang an In die Partltur hlneln.

Kflstliche Satire llegt auch In dem Kbnkurrenzstrelt zwi­ schen Prlmadonna und Tenor, die versuchen, die Rolle des anderen kttrzen, Ja sogar strelchen zu laBsen. Relzt nicht tiberhaupt fast alles zum Schmunzeln, was lm Zwi-

schensplel steht? Da 1st noch die auf die Dukaten erplch-

te diplomatlsche Lebensweishei* des Muslklehrers und das

Planen eines helmllchen Verschwlndens von Dorantee und

Dorlmene. Alles 1st komlsch, nicht aber die Gestalt des

Komponisten. Allenfalls hat sle elnen Hauch von Tragi-

komlk. Bel der Vlelzahl von Ktinstlern In der KbmUdle und

lm Zwlschenspiel sptlren wir nur In der Gestalt des Kompo-

nisten die GrMsse ernster kttnstlerlscher Bemflhung, doch

wird diese Spur vom betont Jtinglingshaften und Unfertigen

verdeckt. Der 11 Ariadne auf NaxoB - Zu eplelen nach dem

'Bttrger als Edelmann* des Moliere" war kein Erfolg be- schieden, Sofort nach der Stuttgarter Uraufftihrung be- sprechen Strauss und Hofmannsthal die sich als notwendlg erwelsenden Anderungen. Sechs Wochen nach der Premiere schrelbt Hofmannsthal elnen Brief an Strauss, aus dem hervorgeht, dass die Herauslflsung der Oper aus dem

Moli&re-Rahmen abgemachte Sache 1st und das Verbindungs- splel textllch wle muslkallsch In eln Vorsplel umzu- schreiben 1st, Es dauert aber fast vler Jahre, bis nach der Vollendung der Frau ohne Schatten eine zweite und de­ finitive Fassung am 4. Oktober 1916 In Wien zur Aufftih- rung gelangt.

Die neue Ariadne lfisst alle Ansplelungen auf das

Stttck Molieres weg, Jourdain wird ein anonymer grosser und wohlhabender Mann in Wien, der selbst nicht auftrltt.

Dorantes, Dorimene und ein Lakai fallen weg. Ihre Funkti- onen werden zum Tell von dem Haushofmeister, elnem Offi- zier und elnem Perttckenmacher tiberaommen. Das neue Vor- spiel 1st um etwa eln Drlttel linger als das Zwlschensplel der erBten Fassung. Der Kerngedanke bleibt derselbe, doch finden sich manche Ver&nderungen im VerhAltnls der Perso- nen und In der Handlung. Wie steht es mlt dem Komponisten? -323-

Wleder hat seine Roll© eine Erweiterung erfahren.

Vie vorher, so 1st auch Jetzt noch der Junge Muslker der massgebliche Komponlst, der Mltere der Reglsseur.

Der Komponlst schelnt noch jtinger, unerfahrener, aufge- regter als In der ersten Fassung, kurz: "naiv", eln Wort, das lhn In den Bzenlschen Anwelsungen ftinfmal beschreibt.

Er hat mehr durchzumachen ale seln VorgAnger. Jener wuss- te wenlgstens von dem helteren Spiel, das der Opera serla folgen soil. Fttr lhn kommt auch das als eln Schock: mEs

1st undenkbar, dass mlr Je wleder eine Melodie einfHlltJ

In dleser Welt kann kelne Melodie die Schwingen regenj"

Umso frapplerender 1st es, dass er gerade In dleser ordi- nflren Welt elnen muslkallschen Elnfall hat, nfimlich den entscheldenden zur Ariette "Du Venus* Sohn". In der er­ sten Fassung wurde dlese kleine Arie zu Papier gebracht und von der Sftngerin nach kurzem Notenstudium gesungen.

Ausser der Mitteilung, dass die Worte aus dem Italleni-

schen hertibergenommen slnd, erfuhr man nlchts ttber die

Entstehung. Die Arle war eine saubere Schtilerarbeit. Die

Arie der zweiten Fassung dagegen wird improvlslert. Die

erste Httlfte der dritten Zeile wird nur getrAllert* Auch

die Zeichensetzung verrftt das noch nicht Durchgefellte,^

5^ Eine weitere Anderung, "m&chtlger" zu allmAoh- tiger", flndet sich zwar in der Buchausgabe, aber nloht in der Studlenpartitur. -324-

Der Text 1st nun nlcht von lrgendwoher genommen, sondern schelnt lm Komponlsten zu entstehen. Vor allem aber er- lebt der Httrer und Laser die Entstehung der Arlette mit.

Was ftir eine unglaubllche Folge von Schaffensbedingungen und Ergebnlssen llegt hler vor! Mitten lm Schlmpfen auf den Lakalen blltzt dem Komponlsten eine Melodie auf, Se- kunden sp&ter, als der Perilokenmacher vom Tenor geohr- felgt wird, steht sle fast fertlg da* Aus dem Erleben des flegelhaftesten Benehmens des Lakalen entsteht der

Kern der Melodie, lm Beobachten des ordinflren Verhaltens des Tenors gestaltet slch der Rest zu elner Arie, die

"eln Liebesgeftihl, eln sttss bescheldenes, eln Vertrauen, wle dlese Welt es nlcht wert 1st" zum Thema hat. Aus der

Htille der Welt kann der naive Komponlst In den Hlmmel der

Muslk aufstelgen - aber fttr nur kurze Zelt. Er besinnt

slch plfltzllch, laraentiert fast traglsch und zerrelsst

dann wiitend das gerade Geschaffene. Jthnllch steht es mlt

selnem Verhalten zu Zerblnetta. Erst meint er lhr Auftre-

ten In seiner Oper nlcht ttberleben zu k8nnen* lm Handum-

drehen kann lhn lhr kokettes Spiel In sle verllebt machen,

so dass er auf elnmal die Welt als llebllch findet und liber

die hohe Kunst der Muslk medltlert. Das Erscheinen von

Zerblnettas Partnern brlngt lhn, wle vorher beim Improvi-

sleren der Arie, aus der ktinstlerischen Gehobenhelt in die

rauhe Wirklichkeit zuriiok, an der er verzweifelt* -325-

Vie der Musiklehrer am End© des VorBplels schiittelt auch der Muslker Strauss den Eopf fiber dlesen unberechen- baren Wee ha el von himmelhoher Trunkenhelt und zu Tode betrttbter Verzweiflung. Er flndet die neue Gestalt gera- dezu unsympathlsch und sleht eln saures Stttek Arbeit vor alch. Hofmannsthal mag das vorausgesehen haben. Id Brief, der die Sendung des neuen Vorsplels begleltet und In vor- ausgegangenen Schrelben lnterpretlert Hofmannsthal die

Flgur des "neuen" Komponlsten. Er will lhn als die zen- trale Gestalt des Vorsplels, eine halb traglBChe, halb komlsche Flgur gesehen haben, "als Verllebten, Genarrten, als Gast, Kind, Sieger und Besiegter in der Irdlschen

W e l t " . ^ Der Komponlst reprftsentiere das Muslkerschick- sal in dleser Welt. Wlchtiger aber sel der symbolische

Gehalt: Die "Antithese des ganzen Spiels,"58 - "die bei- den Grundmotive des Arladnewerkes slnd in die Brust des

Musikers hlneinverankert Oder in lhr wurzelnd."59 In der

Flgur des Komponlsten versucht Hofmannsthal das motlvlich

Verblndende herzustellen, das in der "lmprovlsatorlschen

Mesalliance"80 von der zerschnlttenen Prosakomddie und der Oper in der ersten Fassung fehlte.

57 an Strauss, Januar 1913, S. 180.

58 an Strauss, 3. Juni 1913, S. 198.

59 an Strauss, 12. Juni 1913, 8. 200.

60 ebd. Hofmannsthal mutet Strauss reoht vlel zu, wenn er von der Muslk das fordert, was der neue Text noch weni- ger als der der ersten Fassung andeutet: "das ernste

Jilnglingshafte", eine Flgur, "um die der rGeist' und die

*Grttsse' wlttern sollen".^1 Strauss tut seln Bestes und

komponiert ftlr den Jungen Komponlsten eln herrliches

Loblied auf die hohe Kunst. Die Absicht kann aber nlcht

ganz verwirklicht werden. Besetzungsschwierigkeiten

zwlngen Strauss dazu, aus dem Komponlsten - lm Gegensatz

zu dem der ersten Fassung - eine Hosenrolle zu machen.

Hofmannsthal 1st "dieses Verniedllchen . . . in eine

immer leise operettenhafte Travestie . . . greulich".^2

Beide dilrfen slch aber schllessllch ttber die Figur wie

ilber die definitive Fassung des ganzen Vorsplels freuen.

Hofmannsthal glaubt, "dass davon die Inspiration fttr

einen kttnftigen Text . . . kommen ktinnte • • ."63 Strauss

zfihlt die Muslk in der Szene zwischen Zerbinetta und dem

Komponlsten zu selnen allerbesten EinfAlien.64

an Strauss, 13* April 1916, S. 280f.

^2 ebd.

^ an Strauss, 22. Mai 1916, S. 288. ^ Siehe den Brief an Hofmannsthal vom 25* Mai 1916, S. 288. - 3 2 7 -

Ahnlich wie im ersten dramatischen Werk in der

Figur Fantasios iflsst Hofmannsthal in Der Abenteurer und die sflngerin und In Ariadne auf Naxos in den Gestal- ten der Komponlsten das Thema des Werkes deutlicher wer­ den; im Drama durch eine Parallel- und glelchzeitig Kion- trastfigur, "eln Spiegelbild"f wle es so oft lm Jugend- werk erscheint; In der Oper durch die Verankerung der

Welten der Opera seria und der Opera buffa in der schdp- ferischen Seele. MARKSTEINE IN HOFMANNSTHALS LSBEN UND SCHAPFEN

Die folgenden Tafeln sind eln Versuch, blographische und werkgeschichtliche Daten und Angaben dber Verdffentli- chungen Hofmannsthals nebenelnanderzustellen. Die Aufeinan- derfolge innerhalb dee Jahres konnte nicht berdcksichtigt werden. Die Angaben enthalten: 1. biograpblsch: Entscheiden- de Bekanntschaften und Zusammenkflnfte* grdssere Reisen und andere wichtlge Daten. 2. werkgeschichtlleh: Die werkge- schichtlich belegten Werke und Entwdrfe, dazu die in den

Brlefen und den ausserdlchterisehen Zeugnissen erw&hnten

Pl≠ letztere nur im Jahr, in dem sie zuerst erwfthnt sind.

Nicht alle Umarbeitungspldne sind angefdhrt. 3. VerGffent- lichungen: Die von Hofmannsthal verflffentlichten Werke. Es fehlen die in den Sesamaelten Werken in Elnzelausgaben als

"gelegentliche Ausserungen" bezeichneten Stdcke. D bedeutet:

Druck im selben Jahr. D:Jahreszahl bedeutet: Druck im ange- gebenen Jahr. Die entstehungsgeschichtlichen Mitteilungen dber die Prosa sind recht spdrlich. Bei den meisten Auf-

s&tzen gilt die Jahresangabe des Druekes in Ermanglung an­

dere r Belege als Terminus ante quern. Die zu Hofmannsthals

Lebzelten erfolgten Urauffdhrungen sind ebenfalls angegeben.

Die blbliographischen Angaben in den Quellen zu dleser

Zusammenstellung widersprechen sich mehrmals. Wo keine Eld-

rung mGglich war, wurden die Blbliographlen der Qesammelten

-328- Werke bevorzugt, obwohl auch dlese slch nlcht frel von

Irrtdmern erwiesen. Das Ganze wird nach Erschelnen des angekdndlgten letzten Bandes. der die Aufzelchnungen enthdlt, der Berichtlgung und Erg&nzung beddrfen. Tltel und Orthographle folgen den Gesammelten Werken. Wo die

Identltftt nicht deutlich zu erkennen 1st, sind beide

Tltel angegeben. 1690-1891 Lyrlk; 1890: 'Frage' (D) 'Was 1st die Welt* (D) Bekanntachaft mlt Gustav ,Fdr mich* (D) 'Gfllnare' (D) 'Sturmnacht' (D) Schwarzkopf In der Som- 'Wolken' (D:1892) 'Den Pesslmisten' merfrlacha Bad Fusch, 'Sund anima rerum' 'Fronleichnam' Juli 1890. 'Slehst du die Stadt' 'Gedankenspuk1 'Verse auf eine Banknote geschrleben' Im Herbst Bekanntschaft 1890-1891; 'E&nstlerwelhe* 'Zukunftsmuslk' mlt Schnitzler und Beer- 'Lebensquell' 'Sonett der Welt' Hofmann; lm April 1891 'Sonett der Seele* 'Erfahrung* mlt Bahr. 'Rechtfertlgung' 'Eplgonen1 1891: 'Sflnde des Lebens1 (D) ,Oenkmal-Legende,(D) Jull und August 1891 In 1JfeTn Garten' (D:1893) 'Stille' (D:1894) Bad Fuseli. 'Die Tflchter der Gdrtnerln* (D:1893) 'Vorgefflhl' 'Ghaselen' 'Blfttenrelfe' Im Dezember 1891 erste 'Blthende Bflume' (1891?) 'Der Schatten elnes Begegnung mlt George. Toten' 'Ballade vom kranken Kind* (1891?) 'Vielfarbige Dlstichen' 'Der Prophet' •Elnem der vorftbergeht'

Drama: Frflhjahr 1891: "Gestern" (Die letzte Szene erst lm Sommer) (D)

Prosa: 1891: "Zur Physlologie der modernen Llebe" (D) "Theodore de Banvillet" (D) "'Die Mutter'"(D) "Das Tagebuch elnes Wlllenskranken" (D) "Bllder"(D "Die Mozart-Zentenarfeler in Salz­ burg" (D) "Maurice Barr&s" (D) Englisches Leben" (D) 1892 Lyrlk: ^Psyche' (D) (Schluss von !Psyche^ : 1893;D: 1896) Seorge Mitte Mai In Wien. 'Erlebnis* (D) 'Vorfrdhling' (D) Matura-Pr&funge n am Aka- 'Regen in der Dflmmerung' (D) demlschen Gymnasium Mai bis 'Meluslne' (D:1894) 'Welhnacht1 (D:1892? Juli. 'Leben' (D:1894) 1894?) Ira Juli und Angust in Bad 'Werke sind totes Gestein' Pusch und Strobl; dort Tref- 'Aufschrift fflr eine Standuhr' (1892?1895?) fen mlt Schnitzler und Beer- 'Kirchturm' (1892?1893?) Hofmann. 'Prolog zu dem Buch 'Anatol" (D) Im September Reise mit dem franzSsischen Sprachlehrer Dubray in dessen Helmat, Drama: Im Winter: "Der Tod des Tizian" (D) Lelex in der Schvelz, dann (Bruchstdck; als Vorsplel elnes grossen dber Avignon, Marseille an Dramas konzlpiert) die Riviera und nach Venedig. Im Frdtfahr und Sommer Arbeit an der Beginn des jurlstischen Stu- Renaissance-Tragfldie "Ascanio und Gia- diums lm Herbst an der Wie­ conda", von der zwel Akte fertlg werden. ner Universlt&t. Prosa: "Eleonora Duse - Eine Wiener Theaterwoche"(D) "Eleonora Duse - Die Legende elner Wiener Woche" (D) "SddfranzdJsische Eindrflcke" (D) "Ferdinand von Saar 'Schloss Kostenitz'" (D) 1893 Lyrlk: 'Idylle' (D) 'Welt und ich' (D:1894) 'Mftdchen- Sommerferien In Bad lled' 'Spaziergang' •Canticum canticorum IV. Fusch und Strobl. 12-16' 'Hirtenknabe slngt' (eln Lied fflr die Dann mlt den Eltern NLand8trasse des Lebens") 'Wenn kfthl der Som- nach Iftlnchen, Ndrn- mermorgen grant' 'Leben, Traum und Tod' (1893?) berg und Kleinskal 'Ich ging hernleder' 'Klelne Erinnerungen' (Bflhmen). 'Brief' 'Die 1st die Lehre des Lebens' 'Trennt lhr vom Inhalt die Form' 'Ich ldsch das Llcht' 'An Josephine von Werthelmsteln' 'Besltz'

Februar: Prolog 'Zu lebenden Blldern* 'Prolog zu 'Der Tor und der T o d "

Drama: Mirz-April: "Der Tor und der Tod" (D (Jahreszahl 1894)) Entwurf: "Alexanderzug" Pldne: "Der verklagte Traum" (• "das klelne Agyptlscbe Stflck") "Landstrasse des Lebens" ( = "eln allegorisches Gegensplel zum Tor und Tod")

Prosa: "Algernon Charles Swinburne" (D) "Das Tagebuch elnes jungen M&dchens" (D) "Die Menschen in Ibsens Dramen" (D) "Moderner Musenalmanach"(D) "Das Olflck am Weg" (D) "Die malerische Arbeit unseres Jahrhunderts" (D) "Gabriele d'Annunzlo (I)" (D) "Eduard von Bauernfelds dramatiseher Nachlass" (D) "Die Malerel In Wien" (D) "Gerechtlgkeit" "Wle mein Vater ..." "Age of Innocence" (B "Stadien") "Kreuzwege" 1894 Lyrlk: Ende Juli in Bad Fusch: "Terzinen I - IV" Im Frdhjahr Vorbereitung (D von II-IV:1895; D von 'Terzinen dber auf die erste Juristi- VergAngllchkeit':1396) sche Staatsprdfung 'Weltgeheimnis' (D:1896) (13. Juli). 'Wo ich nahe, wo ich lande' (D von fdnf Versen: 1898) Ende Juli und im August 'Gute Stunde (I=Leise tratest .,.) in Bad Fusch und Strobl. 'Fremdes Fdhlen' 'Nach elner Dante-Lektdre' (1894?) 28. September: Ei nrdcken 'Hit Handschuhen fdr Leopold Andrian' zum Einjdhrig-Freiwilligen jahr naeh Brdnn. Dienstzeit in Hfthren. Drama: Im Winter: "Alkestls" (1893 begonnen) (D von Bruchstdcken: 1898;1910; Buch- ^ ausgabe 1911), wovon im H&rz die letzte o» Szene noch fehlt.

Prosa: "Das Mdrchen der 672. Nacht" soil noch vor der Dienstzeit fertiggestellt werden. (D:1895) "Franz Stuck" (D) "Internationale Kunstausstellung 1894" (D) "Philosophic des Metaphorischen" (D) "dber moderne engllsche Ualerei" (D) "Walter Pater" (D) "Gabriele d'Annunzio (II)" (D) "Ausstellung der Ifdnchener 'Sezession' und der 'Frelen Vereinigung Ddsseldorfer Ednstler" (D) "Juniabend im Volksgarten" 1895

Lyrlk: ’Ballade des Ausseren Lebens* (1895?)(D:1896) Ende der Dienstzeit 'Manche Freilich' (1895?1896?)(D:1896) lm September. 'Eln Traum von grosser Magle' (D) 'Der JAngling In der Landschaft* (189571896?) Beglnn des Studlums, (D:1896) der romanlschen Fhllologle 'Qute Stunde (II-Hier lleg ich...)' (1895?) im Wintersemester an der (1896?)(D:1896) Wiener Unlversitftt. 'Brief an Richard Dehmel'

Dram**.: EntwArfe: "Alexander" "Die Freunde" "Amglas und Assad" (letzteres schon 1893 geplant; EntwfLrfe vom Dezember 1894, Februar, Mai-Juli 1895) 334 Erste ErwAhnung des Stoffes vom Herzog von Relchstadt

Prosa: "Francis Viele-Griffins Qedichte" (D) "Theodor von Hermann" (D) "Eine Monographic" (D) 1896 Lyrlk: 'Gesellschaft' (D) 'Dein Antlitz' (D) Stud!am. 'Nox portentis gravida' (D) 'Unendliche Zeit' (D) 'Wo klelne Felsen* (D) Im M&l Waffendbung 'An eine Frau' (D) 'Inschrift' (D) in Tlumacz (Galizien). 'EinKnabe' (• 'Die Verwandlungen*)

Drama: lm Dezember Arbeit an einer "zweiaktigen Tragd- die in Versen"

Prosa: Novellenpldne und -entwdrfe "Der neue Homan von d'Annunzio" (D) "Gedichte von Stefan George" (D) "Bnglischer Stil" (D) "Poesle und Leben" (D) "Eln neues Wiener Buch" (D) "Das Dorf im Gebirge" (D) "dber ein Buch von Alfred Berger" (D) Lyrlk: *Wir gingen einen Weg* (D) 'GesprAch' (D:I898) Stadium. 'Botschaft' (1897?)(D:1897) 'Der Beherrechte' (* Auf einem hohen Berge) Im Sommer Beglnn der (1897 ?)(D: 1897) Arbeit an der Disser­ 'Verse auf ein kleines Kind' (D:1898) tation "Wber den Sprach- 'Der Jdngling und die Spinne' (D:1899) gebrauch bel den Dich- 'Dichter sprechen' (D:1903) tern der Plejade". 'Bin Prolog' (D:1898)

Im Juli in Bad Fusch. Drama: "Das Klelne Welttheater" (begonnen in Bad Fusch, beendet in Varese nach "Die Frau im Fenster-) Im August dber den Bren­ (D bis einsehl. 'Junges H A d c h e n 1897; D vom ner zu den italienischen Rest: 1898) Seen. Arbeitsaufenthalt "Die Frau im Fenster" (24.-37.August in Varese) in Varese vom 24. August (D: 1898) bis Aafang September, dann "Der weisse FAcher" (begonnen in Varese nach in Venedlg. Vollendung des "Kleinen Welttheaters") (D: 1898) Bekanntschaft mit Boden- Beglnn der Arbeit an "Die Hochzeit der Sobeide" hausen. gleichzeitlg mlt "Der weisse YAcher" (D elner Szene "Sobeide und der RAuber" (nicht in der endgdltlgen Fassung):1899) "Der Kaiser und die Hexe" (D:1900)

Prosa: Im Herbst: "Der goldene Apfel" "Bildlicher Ausdruck" (D) "Dichter und Leben"(D) "Die Rede Gabriele d'Annunzios" (D) "Franzflsische Redensarten" (D) 1898 Lyrlk: 'Der Kaiser von China spricht' Im Mai zur UrauffAhrung von (189771898?)(D:1898) "Madonna Dlanora" (“"Die Fran 'Zum GedAchtnis des Schausplelers Mlt- im Fenster") in Berlin. Dort terwurzer' (1897?1898?){D: 1898) Bekanntschaft mlt Harry Graf •Vom Schiff aus' (D) 'Reiselied' (D) Kessler. 'Sddliche Mondnacht' (D) 'Dichter und Im Jail Waffendbung in Czort- Gegenwart' (D) 'Dichter und Stoff'(D) kow (Galizien). •Dichtkunst' (D) 'Bigene Sprache' (D) im August und September Relse, 'Spiegel der Welt' (D) 'Brkenntnis*(D) zuerst mlt Schnitzler an den 'Namen' (D) 'Worte' (D) 'Kunst des Genfer See, dann allein nach ErzAhlere' (D) 'GrAsse* 'Bedlngung' Lugano, Bologna, Florenz, Venedlg. Besuch bel d'Annun- Drama: "Der Abenteurer und die SAngerin"

zlo in Settlgnano. (22.September - 10. Oktober in Vene- 337- i Mitte November In Mdnchen. dig; Stoff unmlttelbar zuvor in Casa­ novas Memoiren gefunden)(D:1899) Urauffflhrungen: Vollendung von und VerAnderungen an "Die Hbchzeit der Sobeide” (D:1899) "Die Frau im Fenster" (Tltel: "Madonna Dlanora") Prosa: "Reltergeschlchte" (in Lugano?) 15. Mai durch die Frele Bdhne (D:1899) lm Deutschen Theater, Berlin. We itere NovellenplAne "Kaiserin Elisabeth" (Bbersetzung)(D) "Der Tor und der Tod" 13. November, Mdnchener Lite- rarische Qesellschaft. 1899 Lyrlk: 1 Auf den Tod des Schauspielers Hermann Mflller'(D) Im Uflrz zu den Ur auf - 'Grossmutter und Enkel* (D) fflhrungen in Berlin. 'Drei klelne Lieder' (D:1900) Dort Besuch bei Ger­ 'Das Wort* (D:1900) 'Kindergebet' (D:1914) hart Hauptmann und Lud­ 1Zu Heinrich Heines Gedflchtnls' (D) wig won Hofmann; Treffen 'Prolog zu elner nachtrigllchen Gedflchtnis- mlt Bodenhausen und feler fflr Goethe am Burgtheater zu Wien, Kessler. den 8 . Oktober 1899' (D) 36. Mflrz: Promo vie rung 'Der nicht11che Weg' 'Das Zeichen* zum Dr.phll. Im Juli und August in jDrgmg: Im Winter 1898/99 Plan elnes dritten auffflhr- Karlenbad, Vahrn und baren Einakters (Entwurf "Mutter und Toch- Alt Anssee. ter"?) Oktober in Venedlg. "Das Bergwerk zu Falun" (25.Juni in Wien begon­ f l h r u n g e n ; nen; Niederschrift des ersten Aktes vom 2.Juli an; des zweiten Aktes vom 14.Juli an; flberar- "Die Hochzeit der Sobeide" beitende zweite Fassung des zweiten Aktes vom und "Der Abenteurer und die 30.September bis 3. Oktober in Venedlg; neue Singerin” zweite Szene vom ersten Akt am 4.und5.Okto­ 18. Mflrz, Deutsches Theater, ber; unmlttelbar darauf, noch in Venedig, Berlin, und gleichzeltig der dritte Akt (6.-11.); der Tierte Akt (11.- Burgtheater, Wien. 14.); der fflnfte Akt (14.und 15.); lm Spflt- herbst Plan, den dritten bis fftnften Akt vdllig umzuarbelten)(D Ton 1:1900; II: 1902; 1,4: 1.911; V: 1908; der Rest posthum.)

"Die Sirenetta" (flbersetzung> (D) 1900 Lyrlk 'Glttckliches Haus1 (D:1906) Bekaimtsohaft mlt SchrOder In Mttnchen auf der Durch- Drama "Vorsplel aur Antigone des Sophokles" relse naeh Paris. (in Paris *eschrieben)(D) Pebruar bis April In Paris. "Fuchs" (Bbersetzung, in Paris geschrle- Bekanntschaft mlt BodIn, ben)(D:1901) Maeterlinck, Anatole Prance. "Der Triumph der Zeit" (Aufzug I und II, Erste Ffthlungnahme mlt in Paris begonnen)(D :1901) Strauss. Bftckrelse Aber EntwArfe: "Paracelsus und Dr. Schnitzler Belglen. "Leda und der Schwan" Im Juli In Bad Fusch. Im September Manfiver In den Prosa "Das MArchen von der verschlelerten Prau Karpathen. (In Paris geschrieben) Im Oktober Belse Aber Mal- "Das Erlebnls des Marschalls von Bassom- land zum Qenfer See. plerre" (D) Beglnn der Arbeit an der Entwftrfe zu weiteren ErzAhlungen Habllltatlon88chrlft lm Dezember.

Urauffflhrung:

Das "Vorsplel zur Antigone des Sophokles" wurde am 26. ICArz in Berlin aufge- fflhrt. 1901 - - Lyrlk: 'Der Schlffskoch, eln Gefangener, Slngt' Arbeit an der Habilltations- (D:1904) schrlft blB Mai. 'Zu einer Totenfeler fflr Arnold Bficklin' Zur Bficklln-Feier In Mttn- (D) chen. Verm&hlung am 8 . Juni. Drama: "Der Trl^hder Zeit" (Aufzug III lm Juli Hochzeltsrelse an den Lido, geschrleben) (D) fibersiedlung nach Hodaun. "Der Schfiler" (D; Buchausgabe vor Auslle- Im August 1st SchrMe r ferung zurfickgezogen) Wohngast In Hodaun. Entwftrfe: "Jupiter und Semele" Im Oktober In Varese. "Die Sfihne des Fortunatus" Im Dezember Zurftokzlehung (1900/01) des Gesuohs urn die venla "Pompllia" legendl. Arbeit an "Das Leben eln Traum" begonnen

Uraufffthrungen: Prosa: "'Der Engelwirt*" (D) "Studie fiber die Entwlckelung des Dlch- ■Der Tod des Tizian" mlt dem ters Victor Hugo" (Privatdruck; Teil- BficklIn-Prolog am 14. Februar, drucke: 1902;1904;1925) Kftnstlerhaus Mfinchen.

"Fuchs" 16. Februar, Burgtheater, Wien. 1902 Lyrlk: 'Verwandlung' (1902?) (D:1902) Borohardt In Februar und MArz In Wien, Oast In Bo- Drama: BeschAftigung mit "GrAfin Pompilla daun rom 21. bis 28. Fe­ oder das Leben", "Das Leben eln Traum" bruar. und der zweiteiligen Orestie; SchAr- feres Umreissen der "Elektra" Chrlstlane von Hofmanns­ thal, geb. am 14. Mai. "Das gerettete Venedig" (flftchtiger Ent- wurf wAhrend der Arbeit an "Ein Brief"; Im Oktober In Bom. Abbruch Nlederschrift begonnen am 14. Oktober in des ffir zwel bis drel Mo­ Bom; dort den ersten Akt mlt 695 Versen na te geplanten Aufenthalts, abgeschlossen; zwelter Akt vom 2. bis 11. bevor eine schwere Erkrankung November; Arbeit am dritten Akt vom 12. der Mutter die Bftckrelse bis 19. November, in Venedig. Das StAck nach Vlen notwendlg macht. 1st kurz nach Weihnachten fertig; Ver- Anderungen erweisen slch sogleich als 1. bis 19. November in Ve- notwendlg, besonders lm zweiten und drit­ nedig. ten Akt. (Otway's Stack las Hofmannsthal im Mai 1896 in Tlumacz und wleder lm Som­ mer 1901. Zuerst als Novelle geplant.)) (D von Tellen:1904; das Ganze, mit grossen VerAnderungen (slehe 1903 und 1904):1905)

Prosa: "Ansprache gehalten am Abend des 10. Mai 1902 lm Hause des Grafen Karl Lanckoronski" "Ein Brief" {Chandos-Brief)(D) (D) ■'Des Meeres und der Llebe Wellen1" (D) "Aus elnem alten vergeBsenen Buch" (D) "Bber Charaktere im Homan und lm Drama"(D) Plan eines Bandes "Erfundene GesprAche und Briefe" 1903 Drama BeschAftigung mlt "Gr&fln Pompilia oder Treffen mlt George vom 4. das Leben" und "Das Leben ein Traum" Februar ab In Mftnchen etwa eine Voohe lang. "Elektra" (Der grftsste Tell entstand Ende fieiee mlt Vortrfigen lm M r z Juli und August In Rodaun; Plan selt Sept. naoh Breslau, Dresden, Leip­ 1901; mehrmallge8 Aufnehmen der Arbeit im zig, Kassel, Dftsseldorf, K61n, Jahr 1902; im Mai 1903 Beinhardt verspro- Aachen, Bonn. chen) (D:Jahreszahl 1904) Besuch bel Bodenhausen in Hei­ delberg auf der Bftckrelse. PIfine: "Orest in Delphi" "Jedermann" Im Junl-Jull auf vier Wochen "Die Bachchen" (-> "Pentheus"; Plan schon In Tirol und Oberitalien. Im 1893 ervrfthnt) "Die Tochter der Luft" August In Weimar. (-* "Semiramis";"Die beiden Gfttter" 1917/ Zur Elektra-Premi&re vom 23- 1918) "Volpone" Oktober an in Berlin. Entwurf: "KOnig Kandaules” Franz Eberhard von Hofmanns­ Im November Besprechung der Umarbeitung thal geb. am 29. Oktober. von "Das gerettete Venedig" mit Brahm.

Uraufffthrung: Prosa "Die Duse lm Jahre 1903" (D) "Das Gesprftch ftber Gedichte" (Juni) "Elektra" "Sommerreise" (D) (D:1904) 30. Oktober, Kleines Theater, "Die Bfthne als Traumblld" (D) Berlin. "Notlzen zu elnem Grillparzervortrag" "Szenische Vorschriften zu Elektra" (D) Plflne: "Der Leser" (eine Fortsetzung zum "Gespr&ch ftber Gedichte"; Entwftrfe 1906?) ein "Homan in Briefen" 1904 Lyrlk: 'Fftr Karl Wolfskehl1 15. Januar: Rede "Das Ver- hiltnls der dramatlschen Drama: Plan elnes“©dipus auf Kolonos" Figuren Grillparzers zum Entwflrfe: "Pentheus" "Abenteuer Leben", Grlllparzer-^esell- des Gomez Arias" schaft, Wien, VerAnderungen am ersten Akt von "Das Ende Januar In Venedig. gerettete Venedig" vor der Hollandrel- Tod der Mutter am 23. Mrz. se. Umarbeitung des zweiten und drit­ Letzte Begegnung mlt George ten Aktes in der zweiten JullhAlfte In am 29 , Mflrz In Hodaun. Bad Fusch. Beendet am 25, Juli. Ende Mai bis Mltte Juni in Im Sommer Wlederbesch&ftlgung mlt Holland. "Das Leben ein Traum" (4elldrucke: 1907, Im Juli und August In Bad 1910;1919) "Orest in Delphi" "Jeder- Fusoh und Aussee. mann" Im September und Oktober in Venedig. Anfang Oktober Rflck- "©dipus und die Sphinx” (lm September in kehr nach Hodaun. Venedig begonnen; geplant als Vorsplel Im November Instruktlonskur- zu "©dipus Rex", dem eln "einaktiger sus fftr nichtaktive Offlziere ©dipus-(3reis" als Nachspiel folgen soli; In Olmfltz. eine zwel Abende fftllende Trilogie)

Prosa: "Die Briefe des Jungen Goethe" (D) "'Education sentimentale1" (D) "Lafcadlo Hearn" (D) "Madame de la Valllere" (D) Plan: "Briefe des kalserlichen Verwandten Galienus” 190£ Drama: "©dipus und die Sphinx" (lm Frfthjahr Im Januar In Berlin* Besuch bei Vollendung des ersten Aufzuges; Ar­ Gerhart Hauptmann In Agneten- beit am zweiten Aufzug im Herbst; dorf auf der Bftckreiee. Vollendung des Ganzen nach der Vor- Im Mirz in Bagusa. tragsreise, in Hodaun) (D von Tellen: Skakeapeare-Bede auf der Gene- 1905; des Ganzen:1906) ralversammlung der deutachen Shakeapeare-Geaellsohaft am Prosa: Plan: "Rembrandts schlaflose Nacht" 29. April in Weimar. "Der Tisch mit den Bftchern" (D) Im Mai mit dem Vater in Paria. "Sebastian Melmoth" (D) Im Juli Waffenftbung in Wela. "Diderots Briefe" (D) Sommeraufenthalte im Gebirge. "'Der begrabene Gott'f Boman von Vortragarelae im November nach Hermann Stehr" (D) Bremen und G&ttlngen mit kurzen "Shakespeares Kftnige und grosse Aufenthalten in Berlin und Herren" (D:Jahreszahl 1906) Weimar. "Schiller" (I und II) (D) "Eines Dichters Stimme" (D) "Zukunft" (D) Urauffflhrung: "'Das Mftdchen mit den Goldaugen'"(D) "Prolog zu Ludwig von Hofmanns "Das gerettete Venedig" 'Mnzen'" (D) 21. Januar, Leseingtheater, Berlin. 1906 Lyrlk 'In ein Stammbuch1 Ende Januar bis Anfang Februar In Berlin, dann Drama "K6nig ©dipus" (D.-190?) In Weimar. "Vorsplel fftr ein Puppentheater"(D) Im Mftrz Abbruch des briefll- (D:) "Die Kdnlgln Jokaste" (=erste chen Verkehrs mlt George. Studie zu elner ©dipus Tragftdle") Im April auf drei Wochen In "Jedermann" ("Allererste Fassung in Bom* Prosa") (D:19H) Balmund von Hofmannsthal geb. am 26, Mai. Prosa NovellenplAne Ende Juli eine Woche In Bay- Plan der “Bodauner Anfflnge" (="Nieder- reuth, dann lm Salzkammer- schrift elnlger Gespr&che mit B.A. gut. Schrftder") Treffen mlt Bodenhausen, mlt “Unterhaltung ftber die Schriften von Schrftder In Salzburg. Gottfried Keller" (D) Am 25. Oktober Lesung in Dres­ "Gftrten“ (D) den, wo Hofmannsthal "" "Unterhaltung ftber den '^asso1 von hftrt. Goethe" (D) Im November (?) erster Besuch "Brief an den BuehhAndler Hugo Heller"(D) In Neubeuern. "Unterhaltungen ftber ein neues Buch" (D) Im Dezember Vortragsrelse “Der "Die Unvergleichliche Tinzerin* (D) Dichter und dlese Zeit" (Mftn- "Der Dichter und diese Zelt" (D:1907) chen, Frankfurt, Gftttingen, Berlin)* In Berlin spielt Strauss aus der "Elektra" vor.

Urauffflhrung;

"©dipus und die Sphinx" 2. Februar, Deutsches Theater, Berlin. 1907 Lyrik: 'Vor Tag1 {D) Mltwirkung an der Wochen- 'Des alten Mannes Sehnsucht nach dem schrift Morgen. Sommer' (190??) (D:190?) 15- - 30. Juni in Venedig. 1. - 15. Juli in Cortina; Drama: WiederbeschAftigung mit "Jedermann" 15 . bis 2k. mit Schnitzlers Szenarium zu "Florindo" (->■" Cristinas in Welsberg im Pustertal. Heimreise") kurz nach dem Aufenthalt Im August Arbeit auf dem in Venedig lm Juni. Semmering und in Venedig. September in Aussee. "Silvia im Stern" (22.August bis SpAt- Dezember in Weimar, Berlin, herbst) (D von Szenen 1-12: 1909) Dresden. Plan: "Dominic Heintl"

346- 1 Prosa: "Venezianisches Relsetagebuch des Herra von N. (1779)" (1907?) "Erinnerung schftner Tage" (D: 1908) "Die Briefe des Zurftckgekehrten" (D:1908) "Umrisse eines neuen Journalismus" (D) "Die Wege und die Begegnungen" (D) "'Tausendundelne Nacht■" (D:1908) "Furcht" (="Das GesprAch der TAnzerinnen") ludwig Gurlitt" (D) (D) "Prolog zur 'Lysistrata' des Aristophanes" (D:1908) 1 1908 Drama: Arbeit an "Silvia lm Stern" und Februar und M&rz In Berlin. "Cristinas Heimreise" (letzteres Besuch von Borchardt in Berlin. geplant als drelaktige Spleloper fttr Strauss, mit Vorauffflhrung Im Mai Griechenlandreise mit in einer vieraktlgen Prosafas- Harry Graf Kessler und Aristide sung; D von "Florindo und die Un- Maillol. Dann In Venedig und bekannte" und "Die Begegnung mit Bad Fusch. Carlo" (*erster Akt):1909) Plan: "Der Verschwender" Im August In der Schweiz. Weitere Szenarien und Entwflrfe zu Im Herbst In Aussee. Lustspielen (-*■ "Der Schwlerige")

Prosa: "Balzac" (D) Uraufffthrungen: "Zeppelin" (D) "Das Kloster des Heiligen Lucas" "Prolog zur 'Lysistrata' des Aristo­ (="Ritt durch Phokls") (D) phanes" Plan: Umgestaltung von "Die Hoch- 27. Februar, Kammerspiele, Berlin. zelt der Sobeide" in Prosa.

(Aufffthrung von "Der Tor und der Tod"am 30. Mftrz, Kammerspiele, Berlin). 1909 Drama Das "Rosenkavaller"-Szenarium ent- Zur Uraufftthrung der "Elektra" steht im Gesprdch mlt Kessler In Wei­ In Dresden, dann In Weimar und mar, Anfang Februar. Frfthjahr und Berlin (bis etwa Mitte Mirz). Sommer Ausarbeltung vom ersten und zwelten Akt; Umgestaltung des zweiten Im Sommer In Aussee und Mflnchen. auf Wunsch von StrauBS.

Umarbeltung von "Cristinas Heimreise" mlt Kessler in Berlin besprochen; im Sp&therbst und Winter durchgefflhrt. (D:1910, kurz darauf in verkfirzter Fassung)

Uraufffthrung: "Die Heirat wider Willen" im Juli begon- nen (D (Btlhnenmanuskript): 1910) "Elektra* 25. Januar, Kfinigliches Operxi- Prosa "Richard Muther" (D) haus, Dresden. "Lucidor - Figuren zu einer ungeschrie- benen Komfidie" (im Oktober/November; D:1910) 1910 Lyrik 'Verse zum Gedflchtnis des Schauspie- Im Februar in Berlin, wahrschein lers Josef Kainz'

Sommer In Aussee. Februar: Erste Notlz zu "Die Frau ohne Schatten" Ende November bis Mltte Im Hal In Paris: Elnfall, den "Bourgeois Dezember In Berlin. Gentllhomme" als Bahmen fftr die "Ariadne” zu verwenden; das Hanuskrlpt der Oper geht am 12. Jull an Strauss (D:1912) Uraufffthrungen: September: "Jedermann" abgesohlossen (D)

■Der Rosenkavalier" Prosa Arbeit am Boman ("Das venezlanlsche Er- 350 i 26, Januar, Kftnlgliches lebnls des Herrn von N." (1911?)) Opernhaus, Dresden "DAmmerung und nAchtlichee Oewltter" (1911?) ■Die HeIrat wider Villen" "Ungeschrlebenes Nachwort zum 'Rosenka- 7. Oktober, Kammerspiele, valler'" (D) Berlin. *!Jber die Pantomime" (D) "Ernst Hartmann zum GedAchtnis" (D) "Jedermann" "Wilhelm Dllthey" (D) 1, Dezember, Zirkus "Einleltung zu Marlowes 'Eduard II'"(D) Schumann, Berlin "Das Spiel vor der Menge" (D) " 'Lebensformen' von W. Fred" (D) "'Wilhelm Melster' In der Urform" (D) 1912 Drama Entwurf "Orest und die Furlen" Im Mai: Autoreise nach Tirol (fftr Strauss) und Nordltallen; Besuch bel Im Junl mlt Kessler: "Josephs- Borchardt. legende" (D:1914) Ende Mai und Juni In Paris. Im September Beginn der Arbeit Zur Uraufffthrung der "Ariadne" an "Die Frau ohne Schatten” in Stuttgart. Im Dezember In Auerbach (Vogt- Prosa Im Sommer "Der Wanderer" (D:191?) land), Dresden, Berlin, Darm­ Im September Beginn der Nleder- stadt. schrlft von "Andreas Oder die Ver- elnlgten" "Antwort auf die 'Neunte Canzone' Gabriele d'Atmunzlos” (D) Urauffflhrung: "Eln deutBcher. Homer von heute"(D) "Deutsche Erz&hler" (Elnleltung)(D) "Ariadne auf Naxos" (Oper In "Das alte Spiel von Jedermann" (D) elnem Aufzug, zu splelen nach "'Ariadne auf Naxos'" (D) dem "Bdrger als Edelmann" des "'Ariadne'" (D) Molifere) "Die Persdnllchkelt Alfred Bergers" 25. Oktober, Kdnlgliches Hof-

Im April Treffen mit Strauss Arbeit an "Die Frau ohne Sohatten" In Oberitalien und gemeinsame (nach vielen Umarbeitungen ist im Autoreise (Strauss dirigiert Oktober der erste Akt fertlg, be- in Bom). NeuntAgiges Zusammen- darf aber immer noch "der letzten sein mit Schrdder und Borchardt Felle") in des letzteren Villa bei Luc­ ca. BeschAftigung mit "Der Schwierige"

Im Sommer in Aussee; kurzer Au- fenthalt in Paris. Prosa Hitte Juli bis Ende August: Fort- -352 ffthrung der Niederschrift von Im September in Venedig. "Andreas oder die Vereinigten" Die MArchenfassung von "Die Frau otane Schatten" wird im Herbst be- gonnen. "Bobert Lieben" (D) "Blick auf Jean Paul" (D) "Goethes ♦West-dstllcher Diwan1" (D) 191» Lyrlk ■Kantate' (D) In Januar in Mfinchen und 'Osterrelohs Antwort* (D) Berlin. I® Mai In Paris; begleitet Drama Von der "Frau ohne Schatten" den Vater darauf nach Bad 1st der zwelte Akt 1m Junl Nauhelm. fertlg; elne ausftthrllche Skiz- zlerung des drltten entsteht 26. Jull Einrficken als Reser noch vor Kriegsausbruch ▼eofflzler nach Plslno (Istrlen); Rftckkehr lm Ok- Prosa Arbeit an der MArchenfassung tober. der "Frau ohne Schatten" (Ab- bruch lm Jull) Arbeit am Krlegsarchiv In "Raoul Richter, 1896" (D)

Wien. "Appell an die oberen StAnde" (D) 353- "Boykott fremder Sprachen?" (D) "Die Bejahung ©sterrelchs" (D) Uraufffthrung: "Unsere FremdwArter" (D) "Worte zum GedAchtnls des Prlnzen *Josephslegende"^ Eugen" (D) Ik. Mai,Grand Opera "Bftcher fftr dlese Zelt" (D) Paris. "Aufbauen, nlcht elnreissen" (D:1915) 191£ Drama: Im Januar Wiederaufnahme der Arbeit In Hodaun. Im April spielt am drltten Akt der "Prau ohne Schat­ Strauss In Wien die ereten ten" und Vollendung lm Lauf des belden Akte der "Prau ohne Jahres (D:1919) Schatten11 vor. Prosa: "Wir Osterreicher und Deutschland" (D) Ende Mai bis Ende Juni im "Die Taten und der Buhm" (D) Auftrag des Ministeriums "Grlllparzers politisches Ver- des Ausseren in den besetz- mdchtnis" (D) ten polnlschen Oebleten. "Geist der Karpathen" (D) "Unsere MilitArverwaltung in Polen"(D) Im Herbst in Aussee. "©sterrelchische Bibllothek" (I) (D) "Prinz Eugen der edle Bitter" (D) Tod des Vaters am 10. Dezember. "Uber Krieg und Kultur" (D schwedlsch)

Ende des Jahres dlenBtliche Mission in Br&ssel.

Beginn der Herausgabe der Bftnde der ©sterrelchischen BibllothekT 19X6

Januar bis M&rz mit Unter- Lyrlk: •Die Dichter und die Zeit' (D) brechungen In Berlin. (vgl, 'Dichter und Oegenwart' (1898)) Im Jull im Auftrag der ©ster- reichischen Regierung in Drama: HauptsAchlich lm April und Mai Warschau. Bearbeltung der "Ariadne auf Naxos" Im Dezember: VortrAge In Stock­ holm und Christiana (Ob I o ): Februar in Berlin: "Die LAstigen" "Oesetz void Freiheit" - (D:1917) "Die Idee Europe "Die grtae Fldte" (1915?19l6?) (anonymer D:1923)

Uraufffthrungen: Szenarium: "Herr von Heintl"

" Alices t Is" Prosa: "©sterrelchische Bibliothek"(II) 14. April, Kammerspiele, (D) Mftnchen. "Shakespeare und wlr" (D) "©sterrelch im Spiegel seiner "Die LAstigen" - "Die grftne F16te" Dlchtung" (D) 26 . April, Deutsches Theater, "Rudolf Borohardt" (D) Berlin. "Aufzelchnungen zu Reden in Skan- dinavien" "Ariadne auf Naxos" (Neue Bearbel- "Die Idee Europa" tung), 4. Oktober, Hofoper, Wien 1917 la Frfthjahr Vortrftge In Prama Im April Beginn der Neubearbeitung yon Zftrloh und Bern (dort am "Der B6krger als Edelmann", bis Oktober 3 1 . MArz): "©sterreich la (anonymer D: 1918) Spiegel seiner Dichtung" - "Die Idee Europe". Mitte Juli bis Ende September: "genaue Skizze" vom "Schwlerigen" (Plan seit Ia Junl zwel Wochen dienst- 1908); Ausftthrung im SpAtherbst; bis llch In Prag. auf "Kleinigkeiten" im letzten Akt vollendet. Soaaer und Herbst in Aussee. "Prima Ballerina" (anonymer D) Anfang Dezember in Leipzig. Entwdrfe: "Die beiden Gfitter" (Dezem­ ber 1917; August 1918) "Der Sohn des Gelsterkdnigs" (1916? 1917?) (Teildrucke 1917;1919;1923) PIfine zu drei weiteren Komddien

Prosa (D :) "Die Statuen" "Maria Theresia" (D) "Die ©sterrelchische Idee" (D) "Preusse und ©sterreicher" (D) 1918

In Eodaun und Aussee. Drama Verdnderungen am "Schwierlgen"

Eberhard von Bodenhausen ProBa Im Mai: Viertes Kapitel der stlrbt am 6 . Mai. Mdrchenfassung von "Die Frau ohne Schatten1* (Begegnung des Bekanntschaft mlt Burck- Kaisers mit den Kindern) hardt im Dezember in Wien. "Zum Dlrektionswechsel im Burgtheater" "Zur Krisis des Burgtheaters"(D) (D) "Das Helnhardtsche Theater" (Vorwort) (D) Urauf ffthrung: 357-

"Der Bfirger als Edelmann" 9. April, Deutsches Theater, Berlin. 1919

In Eodaun und Aussee. Drama Entwurf "Der Priesterz6gling" Pl&ne: Drel Werke "leichteren Genres" ffir Strauss (D:) "Die Gest&ndnisse" (axis "Dame Kobpld") Im Herbst in Aussee: Verfinderungen am "Schwlerigen"

Prosa Im August wird das Mfirchen "Die Prau ohne Schatten" beendet (D) Wiederaufnahme der Arbeit am Boman "Andreas Oder die Vereinigten"

Urauffflhrung: "An Henri Barbusse, Alexandre Mercereau und ihre Freunde" (D) "Die Prau ohne Schatten" "Deutsche Festspiele zu Salzburg" (D) 10. Oktober, Operntheater, "Festspiele in Salzburg" (D) (1919?) Wien. "Zur Entstehungsgesohichte der 'Frau ohne Schatten'" (D) "Die Frau ohne Schatten" (Handlung)(D) "Die Bedeutung unseres Kunstgewerbes fttr den Wiederaufbau" (D) 1920 Im Mai erste grfissere Drama Um Neujahr erste Beschdftlgung Nachkrlegsrelse, nach mlt dem Stoff "Die dgyptlsche Oberitalien. Helena"

10, Dezember Rede zu Beginn der Arbeit am "Turm" lm Beethovens 150. Geburts- Jull. tagj In Zttrich. (D:) "Dame Kobold"

Letzte Verdnderungen am"Schwlerlgen" (D) Im Winter: Szenarium "Danae oder die Uraufffthrung: Vemunf thelrat" (schon lm Dezember 1919 Strauss angekttndigt, im April "Dame Kobold" 1920 zugesandt) 3. April, Deutsches Theater, Berlin. ?rosa "Ferdinand Raimund" (Einleitung)(D) "Adam Kfillers zwfilf Reden fiber die Beredsamkeit" (D) "Vorwort zu 'Handzeichnungen alter Meister aus der Sammlung Benno Geiger" (D) "Beethoven" (I; 11= Rede) (D) 1921

Im April In Lucca. Drama WiederbescMftlgung mlt "Silvia im S t e m " (Der Stoff wlrd In den zwan- In Bodaun und Aussee zlger Jahren noch me hr ma Is erwAhnt)

Ende September Vollendung des vier- ten Aktes vom "Turm"; Abbruch der Arbeit (D des ersten und zweiten Aufzugs:1923) Urauffflhrungen: "Das Salzburger Grosse Welttheater" "Florindo" (D: 1923) wlrd Mltte Dezember abgeschlossen. Da 7. Januar, Kammerspiele, nach nur geringe Anderungen. (D:1922) Berlin. Prosa " 'Bibliotheca mundl'" (D) "Der Schwlerige" "Drei kleine Betrachtungen" (D) 8. November, Residenz- "Napoleon" (D) theater, Mtinchen. "K.E# Neumanns Ubertragung der buddhistischen heiligen Schriften"(D) "Bllck auf den geistigen Zustand Euro pas" (D) 1922 Drama Entwurf elnes In der Gegenwart splelen- Grlllparzer-Rede am 7* Mai den Strokes mlt drei Personen (Bankier, In Hannover. Erfinder, Frau); erster Akt davon (?) ausgeftthrt ("Jemand"(?) = (?) "Der Im Juli erschelnt das erste Tod elnes Mannes aus unserer Zelt" (?)) Heft der "Neuen deutschen Beitrige". Besch&ftlgung mlt dem Phokas-Stoff Definltlver Plan zu "Die flgyptlsche Im Jull In Cortina. H© 16X161 ^ "Xenodoxus" (Entwfirfe 1922/1925) "Herbstmondnacht" (Entwurf) "Defoe" (192271923?) "Der Unbestechliche" (Szenarlum lm Junl; Mitte Oktober sind vler Akte fertlg; der fftnfte entsteht nach dem Lesebuch-Vor- Uraufftthrung: wort lm November-Dezember) (D nur des ersten AkteB:1923) "Das Salzburger Grosse Welt- "Beginn der Bearbeltung der "Rulnen von theater" Athen" (D:1924 (Jahreszahlv1925)) Collegienkirche, Salzburg, "Worte zum Geddchtnis Molieres" (Prolog) 12. August. (D) Prosa

1923 Drama Im Sommer Arbeit am Filmbuch "Der Eosenkava- ller" Im Mai In Berlin, Nttmberg In der Ramsau entsteht elne "vorlAufige Fas- und Stuttgart. MehrwdOhiger sung" des ffinften Aktes vom “Turm" Besuch bel Burckhardt In der Im Herbst Arbeit an "Die Agyptische Helena"; Schweiz. Gemelnsame Fahrt durch der erste Akt 1st Anfang Oktober fertlg; der Lothrlngen. zwelte wlrd lm November lm wesentlichen abge schlossen, befrledlgt aber nloht ganz Im August drel Wochen In der WiederbeschAftigung mit"Lucidor"(Filmplan?) Ramsau; dann In Aussee. Prosa "Vienna Letter" (III,IV) (D) Uraufffthrung: (D:) "Einleitung zu elnem Band von Goethes Werken, enthaltend die Singsplele und Opem" "Der Unbestechliche" (vor dem Krieg geschrieben?) 16. MArz, Balmund-Theater, "Neue Deutsche BeitrAge" (Anmerkung) (D) Wien. "Vorwort zu dem 'Prometheus' von Victor Eftimiu" (D) "Eugene O'Neill" (D) 1924 Drama "Szenischer Prolog zur Neuer&ffnung des Im April und Mai In Sttditalien Josefstfldter Theaters" (D) und Sizllien, mlt Burckhardt. Im Januar und Februar Anderungen an der Im Jull und August bel Burck­ "Agyptlschen Helena"; Verbesserungen und hardt In der Schweiz. UmarbeltungsvorschlAge bis in das Jahr 1926 (Strauss beendet die Fartltur am Im Dezember in Leipzig und 8. Oktober 192?) (D:1928) Dresden. Ende Oktober wlrd die erste Fassung vom "Turm" abgeschlossen (D:1925) PlAne: "Tlmon der Redner" (D einer Szene Uraufffthrung: "Die Mlmln und der Dichter";1925) "Der Fiaker als Graf" (Konversat1ons­ "Die Rulnen von Athen" et flckO 20. September, Operntheater, Wien. Prose "Vienna Letter" (V) (D) "Neue deutsche BeitrAge" (Anmerkung)(D) "Erinnerung" (D) "Stifters 'Nachsommer1" (D) "'DenkmAler des Theaters'" (D) "Der Vereln der Wiener Museumsfreunde" (D) "Die Rulnen von Athen" (Elnffthrung)(D) 1925 Drama Wiederbeschdftigung mit elnem Jahre zu- 15. Februar bis Anfang rfickliegenden Plan elnes "polltischen April Beise fiber Paris Lustspiels" (eln Sklave wlrd Kaiser) (18.-24* Februar), Mar­ seille nach Nordafrlka Beginn der Umarbelt von "Der Turm" (Marrakesch, Fez). (Anonymer D:) "Achilles auf Skyros" Im Junl Besuch bel Schrfi- der in Bremen. Prosa "Der Schatten der Lebenden" (D) "Europe" (D) "Beise lm nflrdlichen Afrika" (D) "'Das Salzburger Grosse Welttheater1" "Gemttt" (D) (D)

"Repertoire" (1925?)(D:1925) 364- • "C.F. Meyers Gedichte" (D) "Sizllien und wir" (Einleitung zu ei- nem BUdband) (1925?1924?) (D:1925) "Geschlchtliche Gestalt" (D) "Schillers Selbstcharakteristlk" (Einleitung zu elner Neuherausgabe)(D) 1926 Drama "Das Theater des Neuen" (D) Im Juli in Venedig. Umarbeit von "Der Turm" Entwurf zu einem neuen "modemen Verflffentlichung von Teilen Lustspiel" des Briefwechsels mit Strauss. Plan, "Lucidor" zu einem Lustspiel im Vaudeville-Charakter zu gestal- ten (Dasselbe wie der Entwurf?)

Prosa "B.A. Schrdder" (D) "Vermichtnis der Antike" (D) "Hundertftofzlg Jahre Burgtheater"(D) "Uber Walther Brecht" "Das Salzburger Programm" (D) Uraufftthrungen: "'Europ&ische Hevue'" (D) "Begrftssung des Internationalen Kcm- Film "Der Rosenkavalier" gresses der Kulturverbftnde" (D) 10. Januar, Opernhaus, "Ansprache bei Erdffnung des Kon- Dresden. resses der Kulturverbdnde in Wien" f ■"Der Deutsche in Europe") (D) "Das Theater des Neuen" "Der Peterspfennig der Literatur" (D) (zu Bert Brechts "Baal") "Berichte von Fahrten und Abenteuem" 21. M&rz, Theater in der "Biographie" (D) (D) Josefstadt, Wien. "Zum fDeutschen Lesebuch'" (Notiz; Gedenktafeln) (D) "Das Schrifttum als geistiger Baum der Nation" (D:1927) 1927 Drama Im Jull wlrd die BQhnenfassung von 10* Januar Rede "Das Schrift- "Der Turm" abgeschlossen (D) tum als gelstiger Baum der Nation” gehalten an der Unlversitdt Mftn- Im Herbst Beginn der Arbeit an "Ara­ chen. bella" (entwlckelt zum Tell aus "Lucidor" (1910) und dem Szenarium Ende Juni bel Burckhardt In der "Der Piaker als Graf" (1924/25)) Schweiz. Im November slnd zwel Drittel des Im Jull In Sftdtlrol. "Chineslschen Trauerapiels" ge- schrieben (21 Szenen slnd vorge- Anfang November In Berlin. sehen) (D einer Szene:1928)

Plan elner Pantomime in 13 Bildern Hofmannsthal schreibt an Strauss, Urauffflhrungen: er habe mehr als zwanzig drama- tlsche Entwflrfe lm Schrelbtisch "Der welsse FAcher" llegen. 7* Mai, Akademie-Theater, Wien. Prosa "Manzonis 'Promessi sposi'" (D) "Der Kaiser und die Hexe" "'Der Rosenkavalier'" (D) 17* November, Uranla-Schatten- "Julius Meier-Graefe" (D) splele, Wien. "Max Liebermarm" (D) "Wert und Ehre deutscher Sprache" (D) 1928 Drama Im April wird die erste Fassung des Ende Januar und Anfang Februar ersten Aktes von "Arabella" vollen- zur Uraufffthrung von "Der Turin11 det. Umarbeitung auf Wunsoh von in Mftnchen. Strauss im Juni und Juli. Vollen- dung des zweiten und dritten Aktes Im Mftrz Eeise nach Mftnchen, Hei­ im Herbst; dann Verftnderungen. delberg, Leipzig, Berlin. Drel neue (?) Pldne fftr modeme Im Mai in Varese. Lustsplele (eines davon mlt der Fi- gur des Lflgners als Eintdnzer be- Im Juni zur Urauffflhrung von gonnen) "Die ftgyptische Helena" in Dres­ den. Prosa "Die dgyptische Helena" (Handlung) "’Die dgyptische Helena1"(D) (D) Vermdhlung von Chrlstlane von "Zu Josef Nadlers 'Literaturge- Hofmannsthal. schichte•" (192^-1928) "Gedanken ftber das hflhere Schau- Urauffflhrungen: spiel in Mftnchen" (D) "Das Publikum der Salzburger Fest- "Gestern" spiele" (1928?) (D:1928) 26. Mfirz, Komftdie, Wien. "Zum Programm der Salzburger Fest- spiele" (D) "Der Turm" "Hans Carossa" (D) Februar, Prinzregenten-Theater, Mftnchen, und Schauspielhaus, Hamburg.

"Die dgyptische Helena" 6. Juni, Opemhaus, Dresden. 1929 Drama; Letzte Arbeit: Ver&nderungen Vom Februar bis zum April am ersten Akt von"Arabella" mlt kurzen Unterbrechungen (am 10. Jull wlrd der erste bel Burckhardt auf dem Akt an Strauss gesandt) Schflnenberg. Gemeinsame Reise nach Freiburg und Ins Elsass. In Heidelberg. Prosa: "" (1928?1929?) "Gotthold Ephraim Lessing" (D) Im Frfthllng zwel Wochen In "Einlge Worte als Vorrede zu Itallen; Rttckrelse ttber Miin- St.P. Perse, * Anabasis'" (D) chen.

Tod des ilteren Sohnes Franz am 13* Jull.

HUGO VON HOFMANNSTHAL

geboren am 1. Februar 1874 gestorben am 15. Jull 1929 BIBLIOGRAPHIE

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Die Erzflhlungen. 9. bis 16. Tausend, 1953.

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I, Kurt Herbert Guddat, was born In Berlin,

Germany, July 13, 1984. I received my secondary education at the Jahn-Realgymnaslum in Berlin, and my undergraduate training at Pidagogisches Institut

Stuttgart, , and Eastern New Mexico University, which institutions granted me degrees in 1948 and

1952, respectively. From The Ohio State University,

I received the Master of Arts degree in 1953. While in residence there, I was a research and graduate assistant from 1951 until 1954. In September, 1954,

I was appointed Assistant Professor of German at

Ohio Wesleyan University. A Pro-Doctoral Fellowship from Ohio Wesleyan University enabled me to return to The Ohio State University in 1959 and to complete the requirements for the degree Doctor of Philosophy.

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