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Arthur F. Burns Fellowship Report 2016

Florian Danner – NBC, New York City/San Francisco

Eines vorweg: Wer glaubt, bei einem NBC Fellowship auch beste Chancen auf Tickets für die Tonight Show mit Jimmy Fallon zu kriegen, der irrt. Die Tickets sind nicht nur am freien Markt sondern auch NBC-intern so begehrt, dass exakt zwei Stück pro Jahr (!) unter den weltweit 53.000 Mitarbeitern im NBCUniversal-Intranet verlost werden. Macht das ein Fellowship bei NBC weniger cool? Ganz im Gegenteil!

Es muss so gegen 9.50 Uhr gewesen sein. Jedenfalls am Morgen des 4. August 2016. Einem meiner ersten Tage bei NBC. Als ein Kollege einen dieser entscheidenden, sehr amerikanischen Sätze zu mir gesagt hat.

Für Donald Trump lief es gerade nicht so richtig rund. Er hatte sich ein -Gefecht mit den muslimischen Eltern eines gefallenen US-Soldaten geliefert, einen Veteranen lächerlich gemacht, der ihm sein Verdienstmedaille geschenkt hat, ein schreiendes Baby aus dem Saal werfen lassen und behauptet, ein Video gesehen zu haben, das zeigt wie Regierungsgeld in ein Flugzeug Richtung Iran geladen wird. Also, selbst für Trump-Standards eine turbulenteWahlkampfwoche. Jedenfalls eine Ladung an Nachrichten, die meine Sender zuhause in Europa für eine Live-Schalte zu mir anfragen ließ.

Bei NBC war es in den ersten Tagen meines Fellowships durchaus respekteinflößend. Das gigantische Ausmaß des Headquarters im Rockefeller Center, die vielen hochdekorierten Journalistenlegenden, Interviewgäste am Set, denen wir in Europa ganze Sondersendungen widmen würden. Und dann ich, der Österreicher, der bitte eine Schalte heim liefern möchte.

Eric Greenberg hat dann diesen Satz gesagt, der mich über mein gesamtes Fellowship begleiten würde. Eric ist einer dieser Menschen, von denen Zuschauer und auch viele senderinterne Leute nichts mitkriegen, aber ohne die Fernsehen nicht funktionieren würde. Einer von diesen extrem engagierten Mitarbeitern, die rund um die Uhr für ihre Sendung leben, die kein Scheinwerferlicht vor der Kamera haben wollen, aber alles tun für die Leute vor der Linse. Er ist Segment Producer, textet also Moderationsstrecken, bereitet seinen Moderator auf Interviewgäste vor, organisiert O-Töne, Videomaterial, Grafiktafeln für einen gesamten Sendungsteil zwischen zwei Werbeblocks. Was ganz sicher nicht in seiner Job Describtion steht: Dem Burns Fellow von ProSiebenSat.1 spontan eine Liveschalte zu checken. Eric ist auch gar nicht zuständig für mich. Aber irgendwie haben wir uns gleich vom ersten Tag an bei NBC verstanden. Er sitzt im Studio 3A im Rockefeller Center am Schreibtisch neben meinem.

Ich frage Eric also, ob es irgendeine Möglichkeit für eine Schalte gibt und er antwortet mit diesem Statement, das besser nicht passen könnte für alles, was ich bei NBC noch erleben darf. „Come on, Florian. Anything’s possible. Some things might be harder than others. But anything’s possible.“ Und so passiert es, dass meine Erwartung gleich einmal völlig gesprengt wird.

Nicht nur, dass mir Eric alles für eine erste Schalte organisiert. Als ich Techniker Greg Vreeland erzähle, dass es inhaltlich um Trump gehen wird, schickt er mich weg vom Rockefeller Center. „Why don’t you walk the few blocks to Trump Tower? We have a satellite truck up there right now. Wouldn’t it be much nicer to do the live- shot there instead of here at the studio?“ Und so passierts, dass ich zwischen zwei NBC-Liveeinstiegen von Starreporterin vor dem Trump Tower meine Arbeit für zuhause erledige. Das hätte ich so nicht erwartet.

Im Lauf des Fellowships konnte ich noch vielfach schalten. Vom ersten Fernsehduell an der Hofstra University auf Long Island, vom Ground Zero bei der für Hillary Clinton schwindelerregenden 9/11-Gedenkfeier am 11. September, bei der Bombenexplosion in Chelsea, der Festnahme des mutmaßlichen Attentäters in Elizabeth, rund um das Zugunglück in Hooboken und zu den vielen anderen Breaking News im Präsidentschaftswahlkampf sowieso laufend aus den Studios in New York oder San Francisco.

Ja, das Burns Fellowship hat mich an beide Küsten geführt. Ich schreibe diesen Abschlussreport nämlich, obwohl meine Zeit hier in den USA noch gar nicht abgeschlossen ist. Dank vieler guter Geister – unter anderem auch dank Everett Rosenfeld, meines Roommates während der Orientation Week in Washington D.C., der bei CNBC arbeitet – konnte ich mein Fellowship bis nach der Präsidentenwahl im November verlängern. Und weil ich sowieso immer im Headquarter im Rockefeller Center als auch im Silicon Valley arbeiten wollte und – laut Segment Producer Eric – bekanntlich „anything possible“ ist, hostet mich jetzt das Büro des NBC-Finanzsenders CNBC in San Francisco weiter.

Das Team hier im Silicon Valley ist mit 15 Leuten ein herrlich Überschaubares. Und der Spirit hat was von den vielen Tech-Riesen und Startups, über die die Kollegen hier berichten. Alle zwischen 30 und 40, immer wieder im Hoodie im Büro, gerne für einen Perspektivenwechsel nicht am Schreibtisch sondern mit dem Laptop am Boden sitzend. Die unvergleichliche Aussicht über die gesamte San Francisco Bay aus dem 15. Stock an der legendären Adresse 1 Market Street verschlechtert das Arbeitsklima auch nicht gerade.

Meine ersten Tage hier habe ich aber keineswegs nur aus dem Bürofenster starrend verbracht. Die Firmenzentralen von Google, Facebook und Apple in Mountain View, Palo Alto und Cupertino sind für CNBC- Reporter übliche Arbeitsorte, mich faszinieren Drehs dort noch. Die exklusiven Tech-Konferenzen, zu denen mich Bürochefin M.C. Wellons mitnimmt sowieso. Wann begegnet man schon Amazon-Chef Jeff Bezos, Uber- Boss Travis Kalanick, YouTube-CEO Susan Wojcicki, Mark Zuckerbergs Ehefrau Priscilla Chan, SATC-Star Sarah Jessica Parker und Late Nighter Conan O’Brien auf einem Fleck. Hätte ich mein Ami-Herz nicht schon vor Jahren an Kalifornien verloren, hätten es die unglaublichen Kollegen hier geschafft.

Wenn wir schon beim Name Dropping sind: Auch „at 30 Rock“, wie die NBC-Leute ihre Zentrale in New York mit der Adresse „30 Rockefeller Plaza“ nennen, bin ich verdammt beeindruckenden Menschen begegnet. Tom Hanks wollte von mir wissen, wie wir Europäer über Trump denken. Am Weg zur NBC-Kantine stand auf einmal Will Smith da. Und Alicia Keys hat sich neben mir für ihren Auftritt in der TODAY Show eingesungen. Klingt cool. Ehrlicherweise waren es aber nicht die wahnsinnig tiefsinnigen Begegnungen mit diesen „Big Names“.

Fasziniert haben mich vor allem die Fernsehleute hier, die bei uns in Europa wenig bis gar nicht bekannt sind. Jim Shipley zum Beispiel. Einer der besten field photographer von NBC, mit dem ich immer wieder bei Einsätzen unterwegs bin, bis er mir verrät, dass er Michael Jacksons persönlicher Kameramann war. Eines Nachts auf der History-Tour in Südkorea hat ihn Jacko rausgeläutet, weil er in der Sekunde Achterbahn fahren wollte. Innerhalb einer Stunde wurde ein Vergnügungspark für Jackson und die Crew leergeräumt. Und Jim sagt heute noch, das war eine der verrücktesten und unbeschwertesten Nächte, die er jemals erlebt hat.

Immer wieder bin ich auf Wahlkampfveranstaltungen auch mit Katy Tur unterwegs. Eine Weltklasse-Reporterin, die eigentlich in London gelebt hat und im Juni 2015 zufällig in New York war, als ein gewisser Donald Trump zu einem Termin geladen hat, um die Spekulationen über eine mögliche Präsidentschaftskandidatur zu beenden. Sie ging hin, kam mit Exklusivmaterial zurück und hat seither keinen Tag mehr daheim in London verbracht. Sie ist seit 16 Monaten jeden Tag dort, wo Trump ist, kennt ihn und seine engsten Berater entsprechend gut und weiß alles über diesen Wahlkampf. Trump hat sie wegen ihrer kritischen Berichte schon oft in seinen Reden attackiert. Seit einigen Drohungen von Anhängern bewacht sie ein Beamter der Homeland Security bei ihren täglichen Arbeitseinsätzen.

Und natürlich die großen Moderatoren hier, für die und mit denen ich hier arbeiten darf. etwa, der Moderator des ersten TV-Duells zwischen Clinton und Trump und der großen Abendnachrichten „NBC Nightly News“. Zu ihm finde ich gleich einen Draht, weil ich ein paar Tage vor unserer ersten Begegnung mit seinem Sohn Stefan zusammengearbeitet habe. Als ich ihn für meine kleine persönliche Burns-Doku interviewe und danach draufkomme, dass bei der kompletten Videoaufzeichnung der Ton fehlt, lacht er ganz Gentleman-like: „Gut, dass wir es noch einmal machen können. Ich verspreche dir, ich hab’ jetzt bessere Antworten.“

Auch mit und seiner Crew in New York durfte ich mehrere Wochen arbeiten. Er moderiert die 16- Uhr-Stunde am NBC-Nachrichtensender MSNBC und ist mit 37 der jüngste unter allen Moderatoren. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so viele Zahlen und Fakten abrufbereit im Kopf hat. Wieviel Prozent der Senioren haben 2004 George W. Bush gewählt? Er weiß es sofort. Wer war der republikanische Präsidentschaftskandidat mit der höchsten Zustimmung unter African Americans? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. Sehr bezeichnend wars bei einer „Ab in den Mutterschutz“-Party für die schwangere Line Producerin Mary Murphy nach einer Redaktionskonferenz, zu der Steve nur per Telefon zugeschaltet war: Er hat die Sause vergessen. Während der Konferenz davor ist ihm aber plötzlich eingefallen, dass der 66. Jahrestag des ersten amerikanischen TV-Duells Kennedy-Nixon ansteht.

Und dann ist da natürlich, der Mann, der denselben Job hier in den USA macht wie ich in Österreich: , Moderator der TODAY Show, der ersten TV-Morningshow der Welt. Sein Begrüßungsritual mit Sendungshund Charlie eine halbe Stunde vor Showstart ist zum Niederknien. Seine Konzentration, seine Ruhe, seine Souveränität bei Breaking News – atemberaubend. Über meine eigene Sendung daheim in Europa weiß er alles, weil er mich darüber ausfragt und wissen will, was er von uns lernen kann. Er, der Mann, der mit einer kolportierten Jahresgage von 25 Millionen Dollar der Bestverdiener unter Amerikas Moderatoren ist. Das bringt viele Neider mit sich. Bei TODAY weiß aber jeder, was sie ihm zu verdanken haben. Welche Bandbreite Matt drauf hat, wenn er zuerst in der Sendung Präsident Obama über den Syrienkrieg interviewt und danach Taylor Swift über ihre neueste Beziehung, beeindruckt mich unheimlich. Dass er immer einen launigen Spruch drauf hat, sowieso. Und dann erst seine unendliche Leidenschaft für diesen Job, der mit sich bringt, dass sein Wecker seit unglaublichen 22 Jahren täglich um 4.10 Uhr läutet.

Anything’s possible, sagt ja Segment Producer Eric – und das trifft auch auf die Geschichten zu, die ich covern darf. Die Einsätze mit den NBC-Reportern bei den Wahlkampfveranstaltungen von Hillary Clinton und Donald Trump, bei Rallies von Barack Obama, Bernie Sanders, Michelle Obama, Ivanka Trump und Chelsea Clinton lesen sich natürlich am beeindruckendsten. Ich zähle gerade zusammen – es werden am Ende meines Fellowships mindestens 15 US-Bundesstaaten sein, die ich in meiner Burns-Zeit besucht habe.

Unvergessen sind aber auch die Ausflüge an manch wahlkampfmüden Tagen mit dem New Yorker NBC- Lokalsender WNBC – mit stundenlangem Warten vor der Clinton-Villa in Chappaqua oder dem Trump Tower. Oder dann doch etwas actionreicher, die politikfreien Einsätze bei einem Rohrbruch, der die Upper West Side lahmgelegt hat, der Mumps-Ausbruch in Long Beach oder der Einbruch in das indonesische Generalkonsulat an der Upper East Side, bei dem die Täter eine Flasche Vodka mitgehen ließen. Dass ich von New York City alle fünf Boroughs, und dort die spannendsten Geschichten in den oft unsehenswertesten Gegenden covern durfte, verdanke ich zwei großen Österreich-Fans bei WNBC: Morgennews-Moderator Michael Gargiulo und seinem Executive Producer Carl Schweitzer. Beide kennen auch die besten Lokale für Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn und Wachauer Grünen Ventliner in der Stadt.

„Ihr seid keine Praktikanten! Sagt ihnen das notfalls auch!“ hat uns Frank Freiling in Airlie noch gesagt, bevor wir Fellows an unsere Einsatzorte aufgebrochen sind. In meinem Fall wars nicht notwendig, das bei NBC loszuwerden. Als ich Kameramann Eddie während einer stürmischen Liveschalte nach einer Schießerei in der Bronx kurz das Lichtstativ halte, ist ihm das so unangenehm, dass er sofort anbietet, einen seiner freien Tage zu opfern, um eine Geschichte meiner Wahl für meine Sender daheim in Europa zu drehen. In den Redaktionskonferenzen bei MSNBC will Executive Producer Steve Tseckares regelmäßig, dass ich meine Wahlkampf-Eindrücke als Nicht-Amerikaner schildere. Oft entstehen daraus intensive Diskussionen und Ideen für neue Gäste und Interviewfragen. Und hier in San Francisco sind die Kollegen sowieso an jedem Input interessiert – und entschuldigen sich sogar, wenn ich einmal ein paar Stunden nicht mehr erlebe als Menschen auf der Straße zu interviewen. „Must be boring for you – you know all about it.” Nein, ich finde Straßenumfragen immer spannend – auch wenn sie unter manch arrivierten Journalisten als Praktikantenbeschäftigung gelten.

Dass ich überhaupt zu NBC durfte, war bis zwei Wochen vor der Abreise aus Europa höchst ungewiss. Die Gewerkschaften sehens im Rockefeller Center nicht gerne, wenn jemand unbezahlt mitarbeitet. Deswegen hat NBC auch keine Tradition mit Burns Fellows. Und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – durfte ich überall da mitarbeiten, wo ich wollte – habe viele Tages- und oft auch Nacht- und sehr frühe Morgenstunden in den Redaktionen, den Konferenzen, der Regie oder am Set verbracht. Von der TODAY Show bis zu den Nightly News. Bei der angesagten Politik-Morgenshow „Morning Joe“, den Dayside-Shows von MSNBC bis zur brandneuen „11th Hour“ mit dem bei uns als „News Slowjammer“ bekannten . Von den Früh- bis zu den Abend-Lokalnachrichten von WNBC („Lokal“ ist ja relativ, bei 25 Millionen möglichen Zuschauern in der Tri-State Area). Während der Olympischen Spiele im August durfte ich auch bei NBC Sports reinschnuppern. Und natürlich jetzt noch die unvergleichliche Zeit hier im CNBC-Büro im Silicon Valley.

Für das persönliche Budget eines Fellows ist Silicon Valley als Wohnort zwar ein Super-GAU, es lohnt sich aber auf Ersparnisse zurückzugreifen (wie übrigens auch im etwas leistbareren, aber immer noch viel zu teuren New York City, aber ich will hier niemanden mit meinen persönlichen Finanzen am Ende meines Burns Fellowship langweilen). Und auch wenn es nicht gern gesehen ist, dass Fellows mit der Familie reisen: Ich glaube, ich hätte nicht so von diesem Fellowship profitiert, wäre ich ohne meine Frau und unsere zwei kleinen Söhne in den USA gewesen. Man mag ohne Kinder, Ehepartner, Freundin oder Freund mehr Zeit für Recherchen in Bars verbringen können – was durchaus auch seinen Reiz hat. In unserem Fall haben wir das „Real America“ außerhalb der Medienblase dank Theo (4) und Noah (9 Monate) eben auf Spielplätzen, in Wasserparks, in Spielgruppen und auch beim Kinderarzt kennengelernt. Und mit NBC-Kollegen, die wegen ihrer eigenen Kinder bei After Work- Drinks auch manchmal fehlen, und mit ihren Familien Wochenendausflüge unternommen.

„Anything’s possible“ hat Eric, der Segment Producer und selbst frischgebackene Papa, gesagt. Wie recht er doch hatte, am Beginn dieses unglaublichen Burns-Abenteuers.