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Montag, 23. Juli 2012 Nr. 170 Schleswig-Holstein · Hamburg 13

Eigentlich sind sich in der allgemeinen Kommunen mit finanziellen Anreizen schlagenden Erfolg, an den die Landes- Seit 2007 gab es genau 52 Fusionen. Die Beschreibung alle seit Jahrzehnten einig: Fusionen schmackhaft machen. Das klingt regierung jetzt anknüpfen kann, gibt es: Maßgabe lautete, dass hauptamtliche Ver- Schleswig-Holstein ist zu kleinteilig orga- einfach, ist es aber nicht. Bisher sind fast die von Schwarz-Rot umgesetzte Ämter- waltungen für mindestens 8000 Einwoh- nisiert, auf kommunaler Ebene überver- alle Reformversuche an regionalen Wider- strukturreform. Nach langen Diskussio- ner zuständig sein müssen. Wir wollten waltet. Deshalb strebt die neue rot-grün- ständen gescheitert – etwa die von der nen und teils heftigem Streit packten nach fünf Jahren wissen: Wie sind die blaue Koalition Gemeindegrößen von min- Großen Koalition ursprünglich geplanten schließlich weit über 100 Ämter und Ge- Erfahrungen? Wo wurde gespart? Wo gab destens 8000 Einwohnern an. Sie will den Fusionen von Kreisen. Doch einen durch- meinden ihre Verwaltungen zusammen. es Probleme? Amtsreform hat sich bezahlt gemacht Verwaltungen ziehen nach fünf Jahren weitgehend positive Bilanz – Kosten gingen zurück – Für die Bürger änderte sich nur wenig

Von Kerstin v. Matthias Meins (Amt Däni- Schmidt-Phiseldeck scher Wohld, rund 16 000 Ein- wohner) ist aber überzeugt, Kiel. Für eine Bilanz der Re- „dass die Ämter auch vor den form befragten wir fünf Jahre Fusionen überdurchschnitt- danach zwölf Verwaltungen im lich leistungsfähig waren“. Verbreitungsgebiet unserer Einige Ämter ermittelten be- Zeitung. Antworten kamen reits früher eine Ersparnis von acht Amtsverwaltungen, durch die Zusammenschlüsse. die 2007 oder spätestens am 1. So habe das Amt Nortorfer Januar 2008 fusioniert hatten: Land (rund 18 000 Einwohner) Amt Boostedt-Rickling, Bor- 2008 einmalig 200 000 Euro desholm, Dänischer Wohld, eingespart. Hinzu kommen Großer Plöner See, Lütjen- „erhebliche“ Einsparungen in burg, , den Folgejahren, so Amtsdi- und . rektor Dieter Staschewski. Manches ist angesichts der Un- „Die Amtsbildung war aus terschiede vor Ort nur einge- Sicht der Verwaltung und auch schränkt vergleichbar. Es der drei Gemeinden ein wirt- fängt schon damit an, dass dem schaftlicher Erfolg“, heißt es Amt Schrevenborn nur drei aus dem Amt Schrevenborn Gemeinden angehören, dem (18 000 Einwohner). Im Amt Amt Probstei 20. Das liegt auch Probstei gebe es „belegbare mit 22 700 Einwohnern vorne, positive finanzielle Effekte“, die wenigsten hat Boostedt- sagte Amtsdirektor Sönke Rickling mit 11 800. Trotzdem Körber. ergeben die Antworten einen Eindruck von den Auswirkun- Verwaltungskosten pro Ein- gen der Fusionen. wohner: Die Verwaltungskos- ten im Amt san- Gesamtbilanz: Die meisten ken um 85 000 Euro pro Jahr. Verwaltungen ziehen eine po- Im Amt Dänischer Wohld wä- sitive Gesamtbilanz, vor allem ren die Verwaltungskosten oh- mit Blick auf die Bürger. Die ne Fusion heute „deutlich hö- hätten das alte Amt Bordes- her“. Im Amt Großer Plöner holm und die Gemeinde Bor- See sanken sie von 140 auf 120 desholm in einem Haus ohne- Euro pro Einwohner/Jahr. hin oft als eine gemeinsame Auch in Schrevenborn sanken Verwaltung angesehen, erklär- sie. Ob die Kosten niedriger te zum Beispiel Heinrich Lem- sind, ist für Boostedt-Rickling brecht, Amtsdirektor des Am- unklar: Einige seien bereits vor tes Bordesholm. Für die rund der Fusion abgebaut worden. 14 000 Bürger habe sich wenig, Nicht alle Verwaltungen er- „aber alles positiv verändert“. mittelten die Zahlen. Lütjenburg (rund 16 000 Ein- Bordesholm waren sie unwe- mals 250 000 Euro vom Land. munen beschäftigte: Lütjen- Eine typische Auswirkung wa- wohner) hat die Einsparungen sentlich. In Nortorf verursach- burg behalf sich zum Beispiel ren auch bessere Vertretungs- Personalkosten: Alle Verwal- nicht ermittelt, nennt aber te die Zusammenführung der Negative Auswirkungen: Für mit einem hauptamtlichen Re- lösungen und vertieftes Fach- tungen gaben an, Stellen ein- zwei eingesparte Stellen. EDV unbezifferte Kosten. Für die Bürger aus Schönkirchen ferenten. Schönberg (6700 wissen. Einige Ämter erweiter- gespart zu haben – zum Teil Bürgerbüro, IT-Infrastruktur und Mönkeberg änderte sich Einwohner) profitierte davon, ten Öffnungszeiten. Im kreis- schon vorab mit Blick auf die Sachkosten: Von „nicht be- sowie Telefonanlage zahlte das im Amt Schrevenborn die An- dass der langjährige haupt- übergreifenden Amt Großer Zusammenschlüsse. Mehrere merkbar“ (Boostedt-Rickling) Amt Dänischer Wohld über laufstelle. Zwar wahren Ge- amtliche Bürgermeister Wil- Plöner See (rund 12 700 Ein- Verwaltungen wiesen darauf bis 122 000 Euro pro Jahr im 260 000 Euro. Schrevenborn meindebüros vor Ort, über die fried Zurstraßen das Ehrenamt wohner) verkürzten sich zum hin, dass die Zahl der Aufga- Amt Schrevenborn reichen die hatte unbezifferte Kosten un- auch Anträge weitergeleitet übernahm. Seit April erlaubt Teil Wege, weil es nun zwei Ver- ben seither zugenommen hat. Einsparungen. Bordesholm ter anderem für Rechtsanwäl- werden können, die Bürgernä- die Kommunalverfassung Ge- waltungsstandorte auf beiden Das Amt Schrevenborn gibt spricht von 5000 Euro, das te, Softwareberater und Con- he. Doch für vieles sei die meinden ab 4000 Einwohnern, Seiten des Sees gibt, sagte Ma- an, pro Jahr 410 000 Euro zu Nortorfer Land von 15 000 Eu- troller. 125 000 Euro Kosten Amtsverwaltung in Heiken- einen hauptamtlichen Bürger- rio Schmidt, Geschäftsführen- sparen, das Amt Großer Plöner ro, das Amt Großer Plöner See nennt das Amt Lütjenburg. dorf zuständig. Zumindest meister zu bestellen – Lütjen- der Bürgermeister. Den Bür- See rund 150 000 Euro, das von jährlich 20 000 Euro, das Boostedt-Rickling investierte „für ältere oder immobile Mit- burg und Schönberg werden gern sei es egal, ob sie ihren Amt Bordesholm etwa 80 000 Amt Dänischer Wohld von in EDV-Anlage und Büroräu- bürger“ sei das nachteilig. Zu- das tun. Allgemein wurde die Ausweis bei einer Gemeinde- Euro (etwa fünf Prozent der jährlich etwa 40 000 (6,7 Pro- me 90 000 Euro aus der „Hoch- dem sei die „persönliche Belas- Umstellung auf ehrenamtliche oder einer Amtsverwaltung Personalkosten), das Amt Dä- zent). Gespart wurde unter an- zeitsprämie“. Aus der zahlte tung der ehrenamtlichen Bür- Bürgermeister sowie einen beantragen, erklärte der Lei- nischer Wohld 70 000 (3,5 Pro- derem bei Bürotechnik, Lizen- das Amt Großer Plöner See germeister“ erheblich und hauptamtlichen Verwaltungs- tende Verwaltungsbeamte im zent der Personalkosten), das zen und Fachliteratur. 50 000 Euro für die Vernetzung nicht mit voller Berufstätig- leiter, der nicht allein die Inte- Amt Boostedt-Rickling, Stefan Amt Boostedt-Rickling min- zweier Standorte. Pro einge- keit zu vereinbaren. Ein großes ressen eines Ortes zu vertreten Gonschiorek. Amtsdirektor destens 60 000 Euro. Das Amt Kosten der Fusion: Im Amt sparter Verwaltung gab es da- Problem, das mehrere Kom- hat, mehrfach genannt. Wieder mehr Noch sind viele Gemeinden viel zu klein hauptamtliche Bürgermeister Eine Analyse des Kieler Verwaltungsrechtlers Prof. Christoph Brüning Kiel. Es waren nicht immer „vergleichsweise viel“ der“, sagt Brüning. Viele Ge- gründen, die ein Rathaus ha- Lütjenburg. Manche ehren- Liebeshochzeiten, die seit hauptamtliche Verwaltung. meinden seien viel zu klein ben, in dem wirklich Ent- amtlichen Bürgermeister muss- 2007 zu den geforderten grö- Im Land gibt es für 1116 Kom- für eine Selbstverwaltung. scheidungen getroffen wer- ten nach der Reform von 2007 ßeren Verwaltungseinheiten munen 144 Gemeinde-, Über 1000 gehören deshalb den, oder die Ämter zu Trä- ein Arbeitspensum stemmen, im Land führten. Dennoch Stadt- und Amtsverwaltun- Ämtern an, die vielfältige gern der Selbstverwaltung zu das mit Berufstätigkeit kaum fällt die Bilanz laut der Um- gen; hinzu kommen elf Kreis- Verwaltungsarbeit überneh- machen: „Ämter zu Gemein- zu vereinbaren war. Der Grund: Lothar Ocker (rechts) ist ehren- frage im Verbreitungsgebiet verwaltungen. men. Seit der Reform der den“. Es sei schon ein Unter- Gemeinden durften erst ab amtlicher Bürgermeister von Lüt- unserer Zeitung überwie- Hinter Demokratie und Amtsordnung im April gibt schied, „ob die eigene Ver- 8000 Einwohner einen haupt- jenburg. Unterstützt wird er vom gend positiv aus. Selbstverwaltung stecke es einen Katalog von 16 waltung die Beschlussvorla- amtlichen Bürgermeister ein- hauptamtlichen Stadtreferenten „Ein bemerkenswertes Er- doch die Idee: Man wählt je- Selbstverwaltungsaufgaben. ge macht oder die Amtsver- stellen. Dieses Problem ist in- Stefan Leyk. Foto Braune gebnis“, findet Prof. Chris- ne, die auch gestalten, „doch Von denen können Gemein- waltung“, findet Brüning. Er zwischen behoben ist. Im April toph Brüning, Inhaber des das fällt auf kommunaler den maximal fünf auf die bezweifelt, dass die kleintei- wurde die Grenze auf 4000 Ein- riert mit einer Aufwandsent- Lehrstuhls für Öffentliches Ebene weitgehend auseinan- Amtsausschüsse übertragen, lige Struktur in Schleswig- wohner gesenkt. In Lütjenburg schädigung von 40 Euro pro Tag Recht an der Christian-Al- deren Macht damit be- Holstein wirklich das Ehren- soll im Januar 2013 ein haupt- – wäre Ocker sonst kaum in der brechts-Universität. Fast alle grenzt wird. amt fördert: „Fürs Ehrenamt amtlicher Bürgermeister die Lage gewesen, seiner Funktion Verwaltungen haben der Dass grundsätzlich müssen transparente Struk- Arbeit aufnehmen. als Dienstvorgesetzter für 37 Umfrage zufolge langfristig einmal Aufgaben der turen her.“ Natürlich seien Noch ist dort Lothar Ocker hauptamtliche Kräfte im Bau- Geld eingespart, fast alle fan- Selbstverwaltung wie größere Einheiten auch tech- ehrenamtlicher Bürgermeister. hof, Kindergarten und Betreu- den, dass die Arbeit profes- Winterdienst, Wasser- nokratischer, räumt er ein. Er fällt ein vernichtendes Urteil ter Grundschule gerecht zu sioneller geworden sei – zum versorgung oder Schul- Aber: Was viele innerhalb des über die Reform von 2007: „Die werden. Ein generelles Problem Beispiel durch bessere Ver- trägerschaft definiert Systems für wichtig hielten, Praxis hat gezeigt, dass eine sieht Lothar Ocker darin, dass tretungsregelungen. Und fast wurden, findet Brüning sei den Bürgern oft egal – zum Stadt wie Lütjenburg als Un- nach der Einamtung Lütjen- alle waren der Meinung, dass „innovativ“. Doch es Beispiel, wo sie ihren Perso- terzentrum mit knapp 6000 burgs die Amtsverwaltung der sich für die Bürger nicht viel könne nicht nur um das nalausweis beantragen. Und Einwohnern ehrenamtlich al- Stadt nur noch als „Schreibstu- geändert habe. Wegdelegieren von Auf- über Ortsvertretungen könn- lein nicht zu leiten ist.“ Er kam be“ dient. „Alle Initiativen und Allerdings kritisiert der gaben gehen: „Ehren- ten in größeren Einheiten lo- um diesen Härtetest herum, Planungen müssen von uns 44-jährige Verwaltungswis- amt muss Substanz ha- kale Interessen gewahrt blei- weil ihm der angestellte Stadt- kommen. Und mit dieser Mo- senschaftler Grundsätzli- Prof. Christoph Brüning ist Inhaber ben“, erklärt der 44- ben: „Man kann ja die Ge- referent Stefan Leyk zur Seite torfunktion wäre ein ehrenamt- ches: Schleswig-Holstein mit des Lehrstuhls für Öffentliches Recht Jährige. Er regt deshalb meinden erhalten, aber man stand. Trotz Acht-Stunden-Ar- licher Bürgermeister allein völ- seinen 2,8 Millionen Einwoh- an der Christian-Albrechts-Universi- an, Gemeinden in le- sollte nicht so tun, als ob sie beitstagen im Rathaus – hono- lig überfordert.“ Peb nern leiste sich immer noch tät Kiel. Foto ker bensfähiger Größe zu sich selbst verwalten.“ ker