Verbreitung, Populations- Und Nahrungsökologie Von Elaphrus Aureus in Nordwestdeutschland (Coleoptera, Carabidae)
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Angewandte Carabidologie Jahr/Year: 2004 Band/Volume: 6 Autor(en)/Author(s): Günther Jens, Hölscher Benjamin Artikel/Article: Verbreitung, Populations- und Nahrungsökologie von Elaphrus aureus in Nordwestdeutschland 15-27 ©Gesellschaft für Angewandte Carabidologie e.V. download www.laufkaefer.de Verbreitung, Populations- und Nahrungsökologie von Elaphrus aureus in Nordwestdeutschland (Coleoptera, Carabidae) Jens GÜNTHER und Benjamin HÖLSCHER Abstract: Distribution, populations- and feeding ecology of Elaphrus aureus in Northwest Germany. - E. aureus is confined to sparsely vegetated, shaded river banks on sandy or sandy-loamy soil within softwood riparian forests. Due to the reduction and fragmentation of its habitat this species is rare and threatened in Germany. To get a more complete knowledge about its distribution in northwest Germany data from literature, reports on finds, and our own observations were analysed. In the year 2001 populations of E. aureus were investigated with capture-mark-recapture experiments along the rivers Düte near Osnabrück and the Ems near Lingen in northwest Germany in order to learn about population density and dispersal behaviour. To estimate flight-ability flight muscle development was analysed and the hind wing length compared to those of more widespread Elaphrus species (E. cu- preus, E. riparius). Unlike other riparian carabid beetles (e.g., E. riparius) E. aureus showed a low power of dispersal. Only a small number of the dissected individuals had functional flight muscles and therefore the migration rate was low, and migrating individuals covered distances of only a few meters. In contrast to typical carabid beetles of dynamic river banks with a long reproductive period of several months, adults of E. aureus were only active for two months. The population density of about 2-6 individuals per m² is similar to that of other riparian ground beetles. To characterise feeding preferences, crop contents and mandible morphology were analysed. The particles in the crops of this species belonged mainly to spiders and other invertebrate taxa. The mandible morphology did not show any specialisation relating to a distinct feeding behaviour. As a conclusion some implications for the conservation of this species are considered. 1 Einleitung ßen Bestandseinbußen erfolgten jedoch bereits in den Rodungsphasen des Mittelalters. Der Ausbau E. aureus gehört wie die anderen Arten seiner Gat- der Flüsse, insbesondere in der Neuzeit, führte zu tung zum Lebensformentyp der visuell jagenden einer veränderten Dynamik des Hochwassers und Räuber unter den Laufkäfern (BAUER 1974, BAUER zur Absenkung des Grundwasserspiegels. Damit & BAT H 1976). Aufgrund dieser Lebensweise findet ging eine Reduktion der potenziellen Wuchsge- man die Vertreter der Gattung Elaphrus meist auf biete der Weichholzauwälder einher. Noch heute offenen und wenig bewachsenen Böden in der tragen Gewässerunterhaltung und oft auch land- Nähe von Ufern. Im Gegensatz zu seinem nahen wirtschaftliche Nutzung bis nahe an den Gewäs- Verwandten E. riparius, welcher sonnenexponier- serrand wesentlich dazu bei, dass die von Weiden te Ufer präferiert, besiedelt E. aureus beschattete dominierten Weichholzwälder nur kleinflächig und Rohböden in Ufernähe. In Mitteleuropa finden sich inselartig verbreitet sind. An der Mittelelbe nehmen diese Strukturen innerhalb der ufernahen Weich- Weichholzauwälder heute ca. 0,3 % der Elbaue ein, holzaue, die von verschiedenen, meist buschig bedecken damit also nur einen kleinen Bruchteil wachsenden Weidenarten dominiert wird (z.B. ihres potenziellen Wuchsgebietes (LANDESAMT Salix triandra, Salix viminalis). Als wesentliche FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHA LT 2001). Bestandteile naturnaher Flussauen säumten solche Auch an anderen Flusssystemen ist die Situation Weichholzauwälder als begleitendes Band die Strö- vergleichbar. So charakterisiert KAISER (1993) die me und Flüsse Norddeutschlands. Die ersten gro- ursprünglichen Ufer der Ems im Kreis Gütersloh Angewandte Carabidologie 6 (2004): 15–27 ISSN: 1437-0867 ©Gesellschaft für Angewandte Carabidologie e.V. download www.laufkaefer.de als überwiegend von Weidengebüsch gesäumt BONN 2000). (siehe auch SPANJER 1935). Spätestens die großen Die erfolgreiche Besiedlung eines Habitats Emsausbaumaßnahmen in den 1930er und 1940er kann außer durch das Ausbreitungspotenzial auch Jahren führten zu einer drastischen Verringerung durch das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter der ufernahen Gehölzvegetation (überwiegend Ressourcen auf den jeweiligen Habitatpatches durch Anlegen eines neuen Böschungsprofils mit beeinflusst werden. Folglich sollte bei einer natur- regelmäßiger Mahd, Steinschüttungen und Fluss- schutzbiologischen Untersuchung auch das Nah- begradigungen). An den Uferzonen der heutigen rungsspektrum berücksichtigt werden. Ems im Kreis Gütersloh fehlt über weite Strecken Die wesentlichsten Ziele dieser Untersuchung jeglicher Strauch- und Baumbewuchs (KAISER sind deshalb: 1993). Im Emsland, an der Hunte oder Leine ist • die aktuelle Verbreitung von E. aureus in Nord- die Situation ähnlich (vgl. Karte der „Schutzwürdi- westdeutschland zu bestimmen gen Bereiche“ der Erfassungseinheit Auewald bei • das Ausbreitungspotenzial und –verhalten zu VON DRACHENFELS et al. 1984). Heute gehören sie charakterisieren (Flugvermögen, Austauschra- deshalb zu den gefährdetsten Lebensräumen in ten zwischen lokalen Populationen) Nordwestdeutschland. Zusammen mit den Erlen- • die Besiedlungsdichten lokaler Populationen Eschenwäldern werden die Weichholzauwälder im zu ermitteln Anhang I der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie • herauszufinden, ob diese Art bestimmte An- als prioritärer Lebensraumtyp eingestuft (SSYMANK passungsstrategien an das dynamische Habitat et al. 1998). Flussufer verfolgt Dieser Habitatverlust und die damit einher- • das Nahrungsspektrum näher zu charakterisie- gehende Fragmentierung haben negative Auswir- ren kungen auf die an diesen Lebensraum angepasste • naturschutzfachliche Konsequenzen aus den Fauna. So wird E. aureus in der bundesdeutschen Ergebnissen abzuleiten Roten Liste als selten und stark gefährdet einge- stuft (TRAUTNER et al. 1996). Gleichzeitig fällt auf, 2 Verbreitung und Habitat- dass es etliche potenziell geeignete, aber unbesie- delte Habitate an Flüssen mit Nachweisen von E. bindung aureus in Nordwestdeutschland gibt. Auch eine E. aureus ist von Südwestfrankreich über große Vervielfachung der ufernahen Weidengebüsche Teile Mitteleuropas (Jugoslawien, Bulgarien, Rumä- durch Aufgabe der Uferunterhaltung im Gebiet des nien, Ungarn, Slowakei, Norditalien, Belgien, Nie- Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens des Bun- derlande) bis Nordwestdeutschland verbreitet. Den des im „Hasetal“ bei Haselünne (E+E-Vorhaben nordwestlichen Rand seiner Verbreitung erreicht „Hasetal“) hat bislang nicht zu einer Besiedlung E. aureus im westlichen Tiefland Niedersachsens durch diese Art geführt, die etwa 20 km entfernt (mittleres Emsland). Auch in den Niederlanden ist an der Ems bei Lingen in zahlreichen lokalen Popu- keine weiter nördlich gelegene Fundstelle bekannt lationen nachgewiesen ist. Dies steht im Gegensatz (vgl. BURMEISTER 1939, HORION 1941, ASSMANN & zu etlichen stenotopen Arten sonnenexponierter TERLUTTER 1999, TURIN 2000). Im Osten erreicht Rohböden, die in der Lage sind, auch isolierte neu die rein europäisch verbreitete Art den Kaukasus entstandene Lebensräume schnell und effektiv zu (KRYZHANOVSKIJ et al. 1995). besiedeln (LEHMANN 1965, BERNHARD & HANDKE E. aureus ist auf die Uferbereiche kleiner bis 1989, in Druck). Dieses gute Ausbreitungs- und großer Fließgewässer beschränkt. Hier besiedelt er Wiederbesiedlungspotenzial ist typisch für Lauf- beschattete, sandige bis sandig-lehmige Rohböden käferarten, die regelmäßig überschwemmte Flä- der Weichholzaue (BAUER & BAT H 1976, MARggI chen an der dynamischen Wasser-Land Grenze an 1992). In Nordwestdeutschland finden sich diese, Flussufern besiedeln (DESENDER 1989a, NEllES von Gehölzen beschatteten, vegetationsarmen & GERKEN 1990, BONN 2000, BONN & ZIESCHE Uferstrukturen typischerweise innerhalb der 2000). Ein ausgeprägtes Flugvermögen stellt eine Korbweiden-Mandelweidengebüsche (Salicetum geeignete Strategie dar, Überflutungsereignissen triandro-viminalis) (ASSMANN & TERLUTTER 1999). auszuweichen und neu entstandene Lebensräume Diese Habitatbindung zeigt die Art an meh- in kurzer Zeit zu kolonisieren (MANDERBACH 1998, reren Stellen in Nordwestdeutschland: an Ems, 16 Angewandte Carabidologie 6 (2004) ©Gesellschaft für Angewandte Carabidologie e.V. download www.laufkaefer.de Goorbach, Werse, Düte und an verschiedenen klei- neren Fließgewässern (ASSMANN 1991, mdl. Mitt.). In dichten krautigen Vegetationsstrukturen entlang der Fließgewässer, die nicht durch Gehölze be- schattet waren, konnte die Art in Nordwestdeutsch- land auch in der Nähe bekannter Vorkommen nicht nachgewiesen werden (eigene Beob.). Auf nur teil- weise besonnten Rohböden im Randbereich der Weidengebüsche an der Ems konnten vereinzelt Individuen beobachtet werden. 3 Material und Methoden 3.1 Populationsgrößen Zur Ermittlung der Populationsgrößen und der Abb. 1: Elaphrus aureus, eine typische Art ufernaher Weidengebü- Austauschprozesse von E. aureus-Individuen zwi- sche (Foto: J. TRAUTNER). schen benachbarten Weichholzauenfragmenten an der Ems bei Lingen wurde die Fang-Wieder- Elytrenspitze auf 0,05 mm genau),