UiD-DOKUMENTATION 52/1976

Der gemeinsame politische Auftrag von CDU und CSU

CDU und CSU entstanden in der Stunde Null des totalen deutschen Zusammenbruchs 1945. Beide sind daher relativ junge Parteien. Sie sind als einzige Parteien der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründet worden, wenn sie auch ideelle und programmatische Wurzeln in früherer Zeit haben. Noch nie zuvor gab es unter den deutschen Parteien eine überkonfessionelle, christlich fundierte Volkspartei. Rückblick und Ausblick denen diese Dokumentation dient, sind an der Jahreswende 1976/77 aktueller denn je zuvor. Entstehung Die Notwendigkeit einer christlich fundierten Volkspartei war schon in der Weimarer Republik von vielen erkannt worden. Doch alle Versuche zur Gründung einer übergreifenden Volkspartei, die Christen beider Konfessionen und alle Schichten des Volkes umfaßt, sind damals bereits in den Anfängen steckengeblie- ben. Die ersten Entwicklungen zu einer solchen Volkspartei sind unabhängig voneinan- der an vielen Orten gleichzeitig erfolgt. Am Anfang der Gründungsphase steht der Kölner Programmentwurf zur Schaffung einerneuen „Christlich-Demokratischen Volkspartei"' vom 19. März 1945. Andere Städte wie und Düsseldorf folgten nach. In Bayern vollzog sich der Aufbruch zur späteren Christiich-Sozialen Union ebenfalls mit örtlichen Schwerpunkten. UiD-Dokumentation 52/76

Die Tatsache, daß es nicht zur Bildung einer einheitlichen Christlich Demokrati- schen Union gekommen ist, sondern in Bayern eine Schwesterpartei der CDU, die CSU, entstand, hat ihren Grund im starken bayerischen Traditionsbewußtsein. Schon in der Weimarer Republik gab es in Bayern eine eigene, politisch sehr bedeutende katholische Partei, die Bayerische Volkspartei. Deren Tradition setzt die CSU weitgehend fort. Überall in den deutschen Ländern vollzogen sich in den Sommermonaten des Jahres 1945 die Gründungen der neuen christlichen Partei. Zentren waren die Städte Berlin und Köln mit den bedeutenden CDU-Initiatoren , Jakob Kaiser, , Karl Arnold, und vielen anderen. Aus Köln und Berlin wurden die führenden Politiker der Bayerischen Volkspartei gedrängt, den Unionsgedanken auch in Bayern zu verwirklichen und nicht die katholische Bayerische Volkspartei Wiederaufleben zu lassen, wie es Adam Stegerwald, Fritz Schäffer, Karl Scharnagel und Josef Müller zuerst geplant hatten. Stegerwald dachte zunächst an eine „Christlich-Soziale Arbeiter- und Bauernpar- tei". Im August 1945 entschloß man sich dann, den Unionsgedanken in Bayern zu verwirklichen. Von München und Würzburg aus setzte sich die Bezeichnung Christlich-Soziale Union in Bayern durch. Am 8. Januar 1946 wurde die CSU gegründet; ihr erster Vorsitzender wurde Josef Müller. Im „Grundsatz-Programm der Christlich und Sozialen Union in Bayern'" wurden ihre politischen Leitsätze zusammengefaßt. Dieses Programm wich textlich, nicht aber sachlich von den Programmen der CDU ab. Ein eigener Akzent war die besondere Berücksichtigung des föderalistischen Anliegens Bayerns. Noch fehlte den einzelnen CDU-Gruppen und -Regionalorganisationen in den verscliiedenen Landschaften Deutschlands die entscheidende Klammer. Die erste Bestandsaufnahme der CDU- und CSU-Gründungen erfolgte vom 14. bis 16. Dezember 1945 in Bad Godesberg, wo sich Delegierte aus allen Teilen Deutsch- lands trafen. Das Ergebnis war eine Übereinstimmung in der Zielsetzung und die endgültige Einigung auf den Namen „Christlich Demokratische Union Deutsch- lands". Allerdings ist es verfrüht, nach Bad Godesberg von einer Bundesorganisa- tion der CDU zu sprechen. Immerhin wurde die Bildung eines Zonenverbindungs- ausschusses der CDU/CSU mit Sitz in Frankfurt beschlossen. Es gelang der CDU und CSU, sich so zu organisieren und im öffentlichen Bewußtsein durchzusetzen, daß sie sich an den ersten Wahlen mit Erfolg beteiligen konnten. Die CDU/CSU ging aus allen Wahlen in den westlichen Besatzungszonen als die stärkste, nur vereinzelt als die zweitstärkste Partei hervor. Die Bestrebungen um einen Zusammenschluß der CDU/CSU gingen weiter. Zwar konnte während der CDU/CSU-Tagung im Februar 1947 in Königstein von 41 Delegierten aus allen Ländern noch keine Bundesorganisation geschaffen werden. UiD-Dokumentation 52/76

Aber die aus diesen Begegnungen hervorgehende „Arbeitsgemeinschaft CDU/CSU Deutschlands" wirkte bereits im Sinne einer überregional geordneten und geeinten Union. Die Formel „CDU/CSU" wurde in der Öffentlichkeit Westdeutschlands bekannt. Diese Arbeitsgemeinschaft war ein erster Schritt zur organisatorischen Verfestigung und zur Bildung einer einheitlichen Partei. Die Arbeitsgemeinschaft entwickelte sich zum politischen Zentrum der Union, das zu allen aktuellen Fragen Stellung nahm. Sie schuf auch die Voraussetzungen für die parlamentarische Zusammenarbeit der CDU/CSU. Wenn auch die CSU entsprechend ihrer bayerischen Tradition stärkere föderalisti- sche, konservative und katholische Elemente aufwies, so waren doch die politischen Gemeinsamkeiten mit der CDU eindeutig. In den politischen Auseinandersetzungen in den Ländern und in den ersten Entscheidungen des 1947 gegründeten Wirt- schaftsrates traten die Unterschiede zwischen der CDU/CSU und den übrigen Parteien im westlichen Deutschland immer stärker hervor. Gegen den Widerstand der SPD legte die CDU/CSU mit ihrem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft den Grundstein zu unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Am 1. September 1948 trat in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen. Ihm war die Aufgabe gestellt, ein „Grundgesetz" für das deutsche Volk in den westlichen Besatzungszonen zu schaffen. Wie im Wirtschaftsrat in Frankfurt bildeien die Christlich Demokratische Union und die Christlich-Soziale Union eine gemeinsame Fraktion, zu deren Vorsitzenden Staatsminister Anton Pfeiffer gewählt wurde. Nach zähen Verhandlungen vor allem zwischen CDU/CSU und SPD wurde am 8. Mai 1949 in dritter Lesung das Grundgesetz von der Vollversammlung des Parlamentarischen Rates angenommen. Der Anteil der CDU/CSU an der Schaffung des Grundgesetzes für die Bundesrepu- blik Deutschland ist bereits eine geschichtliche Leistung geworden. Er hat verfas- sungsrechtliche Grundlagen geschaffen, ohne die die Entwicklung der Bundesrepu- blik zu einem freiheitlichen und sozial gerechten Gemeinwesen nicht möglich gewesen wäre.

Gemeinsame Regierung Am 14. August wurde der erste Deutsche gewählt. Von den 18 zugelassenen Parteien erhielt die CDU/CSU 7 357 579 Stimmen. Sie errang damit 139 Sitze im 1. Deutschen Bundestag, die SPD 131, die FDP 52, die Bayernpartei 17, die Deutsche Partei 17, die KPD 15, die WAV 12 und die Deutsche Konservative Partei/Deutsche Rechtspartei 5 Sit/c. Im Wahlkampf hatten sich die Unionsparteien zu einer politischen Einheit zusam- mengeschlossen. Die Landesvorsitzenden der CDU/CSU traten immer häufiger zu UiD-Dokumentation 52/76

Besprechungen zusammen. Ihre Konferenzen wurden zu ständigen Einrichtungen. Aloys Zimmer wurde mit der zentralen Leitung des gemeinsam zu führenden Wahlkampfes beauftragt. Dieser bediente sich der Einrichtungen des Generalsekre- tariats in Frankfurt. Das Generalsekretariat der Arbeitsgemeinschaft der CDU/ CSU Deutschlands wuchs damit über den Aufgabenbereich einer Koordinierungs- stelle hinaus. Die Wahlkampfgemeinschaft weckte den Wunsch nach der Gestaltung einer gemeinsamen politischen Organisation. Am 30. August 1949 beschlossen die 24 Bundestagsabgeordnetea der CSU nach einer Besprechung mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Hans Ehard, mit der CDU eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden, in besonderen Fällen aber zu Einzelsit- zungen zusammenzukommen. Sie konstituierten gleichzeitig die CSU-Landesgrup- pe. Als deren Obmann wurde Fritz Schäffer gewählt, sein Stellvertreter wurde Franz Josef Strauß, damals Generalsekretär der Christlich Sozialen Union in Bayern. In ihrer konstituierenden Sitzung wählte die Fraktion der CDU/CSU Konrad Adenauer zu ihrem Vorsitzenden. Stellvertreter wurden Jakob Kaiser, Fritz Schäf- fer und . Konrad Adenauer wurde am 15. September mit einer Stimme Mehrheit zum Bundeskanzler gewählt. Am 20. September stellte Bundes- kanzler Adenauer seine aus CDU/CSU, FDP und DP gebildete Regierung vor. Fritz Schäffer von der CSU wurde Finanzminister. Seinen Platz als Chef der CSU-Landesgruppe nahm Franz-Josef Strauß ein. Seit dem September 1949 war damit die CDU/CSU die entscheidende politische Kraft im parlamentarisch politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland. Sie trug und bestimmte deren Entwicklung bis 1969.

Gemeinsame Leistungen

Zwanzig Jahre lang bestimmte die Partei, die in der Stunde Null, 1945, selbst bei Null angefangen hatte, die innen- und außenpolitische Entwicklung. Das Ergebnis 20jähriger CDU-Politik kann sich sehen lassen; andere Bundesregierungen konnten auf dieser soliden politischen Grundlage aufbauen. Die CDU/CSU war von Anfang an die integrierende Kraft im politischen Leben Deutschlands und nahm eine Stellung als regierungsverantwortliche Partei ein, wie noch nie zuvor eine andere politische Partei in Deutschland sie innegehabt hatte. Die CDU/CSU hat politische Entscheidungen gefällt, die den Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland wirtschaftlichen Wohlstand sowie innere, äußere und soziale Sicherheit gebracht haben, wie nie zuvor in der deutschen Geschichte. UiD-Dokumentation 52/76

Die wichtigsten politischen Maßnahmen der CDU/CSU-Bundesregierungen waren: | In der Innenpolitik: Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft, Mitbestim- mungsrecht und Betriebsverfassungsgesetz, Reform der Invaliditäts- und Alters- versicherung (dynamische Rente), Sparförderung und Eigentumspolitik, La- stenausgleich für die Heimatvertriebenen und Flüchtlingshilfe, Eingliederung der Vertriebenen, Wiedergutmachung an den Verfolgten des Nationalsozialis- mus, sozialer Wohnungsbau, „Grüner Plan" für die Landwirtschaft, Initiierung der mittelfristigen Finanzplanung, Gesetz zur Erhaltung der wirtschaftlichen Stabilität, Finanzverfassungsreform, Arbeitsförderungsgesetz, Ausbildungsför- derungsgesetz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, 312-DM-Gesetz, Ausbau des demokratischen Rechtsstaates, Notstandsverfassung und Vorsorgegesetze. | In der Europapolitik: Rückkehr des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutsch- land, Aussöhnung mit Frankreich (deutsch-französischer Freundschaf tsver- trag), Montanunion, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Euratom. | In der Außen- und Verteidigungspolitik: staatliche Souveränität der Bundesre- publik, Integration im atlantischen Bündnis (NATO), Wiedereingliederung Deutschlands in die Gemeinschaft der Völker, Aufbau der Bundeswehr, diplo- matische Beziehungen zur Sowjetunion, Anbahnung besserer Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten, z. B. mit Rumänien, sowie Handelsverträge mit Polen, Ungarn und Bulgarien in den Jahren 1963/64. Aber auch in der Opposition war es durch die Einheit der CDU/CSU möglich, wichtige politische Weichenstellungen vorzunehmen oder zumindest entscheidende Anstöße zu geben. Dazu gehören: 1970 — Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktionsvermögen — Herabsetzung des Volljährigkeits- und Wahlalters — Maßnahmen zur Lärmbekämpfung, Gewässerreinhaltung, Luftreinhal- tung und Abfallbeseitigung 1971 — das Hochschulrechtsrahmengesetz — Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb und Unternehmen 1972 — Gesetz über die Natur- und Landschaftspflege — das Rentenreformgesetz L973 — das Gesetz über die Vermögens- und Eigentumsbildung im Sozialen Wohnungsbau — das Inflationsentlastungsgesetz bei der Lohn- und Einkommensteuer UiD-Dokumentation 52/76

1974 — das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld — die Reform der beruflichen Bildung und die Novellierung des Berufsbil- dungsgesetzes — das Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend 1975 — das Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen — das Gesetz zur Bekämpfung terroristischer, krimineller Vereinigungen — das Bundesmittelstandsförderungsgesctz 1976 — das Gesetz zur Änderung der Berufsbildung — das strukturpolitische Aktionsprogramm Wie erfolgreich diese Politik der CDU/CSU war, beweist nicht zuletzt die Tatsache, daß schon die Regierung Brandt, vor allem aber die Regierung Schmidt, ihren sozialistischen Kurs immer mehr verschleiern mußte. Beide Regierungen hatten in einer Serie von Landtagswahlen erkennen müssen, daß die Bevölkerung dem klaren Kurs der Union bei weitem den Vorzug gab. In den Landtagswahlen von 1972 bis 1976 hatten 51,4 Prozent der Wähler der Union ihre Stimme gegeben.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion als Klammer der Union

Die entscheidende Rolle bei der Formulierung der gemeinsamen Politik von CDU und CSU spielte seit 1949 die gemeinsame Fraktion. Ihre innere Struktur war so gestaltet, daß die CSU-Landesgruppe über ausreichen- de Möglichkeiten verfügte, den bayerischen Vorstellungen und Wünschen zu entsprechen. Dazu Fraktionschef vor dem 4. Bundespartei- tag: „Ebenso wie das deutsche Volk erst in die neue Verantwortung, in diese neue Aufgabe und in diese neue Verpflichtung hineinwachsen mußte, so mußte auch die Fraktion der Christlich Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union, die nach dem 14. August 1949 erstmals zusammentrat, zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen." Und Franz Josef Strauß ergänzte dies am 13. Juni 1953 mit den Worten: .,Heute verbinden uns mit der CDU vier Jahre gemeinsamer Verantwortung, schwerer Arbeit und harten Kampfes für die gleichen Ziele in der deutschen und europäi- schen Politik." Wie die Fülle der gemeinsamen gesetzgeberischen Arbeiten in der Folgezeit beweist, vertieften sich die Gemeinsamkeiten in der Regierungsverantwortung aber UiD-Dokumentation 52/76

auch in der Zeit der Opposition. In der einen oder anderen Frage gab es jedoch auch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Unionsparteien. Diese Meinungs- verschiedenheiten wurden — wie wir rückblickend feststellen können — nicht genügend ausdiskutiert und nicht immer gänzlich ausgeräumt. So war es möglich, daß trotz vieler Gemeinsamkeiten 30 CSU-Abgeordnete beschlossen, die gemeinsame Bundestagsfraktion der CDU/CSU aufzukündigen und künftig eine eigene Fraktion zu bilden. Das Selbstverständnis der Union und ihre lange gemeinsame Geschichte erforderten, daß die verantwortlichen Kräfte alles unternahmen, um diesen Beschluß wieder aus der Welt zu schaffen. Die gemeinsamen Anstrengungen von CDU und CSU waren erfolgreich. Auch im 8. Deutschen Bundestag gibt es wieder als stärkste politische Kraft in diesem Land eine gemeinsame Fraktion. Äußeres Zeichen ihrer Stärke ist die Wahl von Karl Carstens zum neuen Bundestagspräsidenten. Über die Verhandlungen, die zur Wiederzusammenführung der CDU und CSU geführt haben, sagte Helmut Kohl vor dem Bundesausschuß am 13. Dezember 1976: „Das Schauspiel, das CDU und CSU in den letzten Wochen geboten haben, ist alles andere als erfreulich. Wir haben uns drei Wochen lang mehr oder minder mit eigener Nabelschau beschäftigt, anstatt unserer Hauptaufgabe gerecht zu werden, Kritik, Kontrolle und Angriff auf die Bundesregierung durchzuführen. Wir haben in der Tat ein beschämendes Schauspiel geboten und sollten jetzt alles daran setzen, uns so schnell wie möglich der eigentlichen politischen Aufgabe zuzuwenden, nämlich der politischen Auseinandersetzung mit der Koalition aus SPD und FDP. Trotz dieser letzten drei Wochen dürfen wir es nicht zulassen, daß jetzt in den eigenen Reihen und auch draußen unser Wahlerfolg vom 3. Oktober zerredet wird. Denn dies ist ein hervorragendes Wahlergebnis, es ist das zweithöchste Ergebnis, das in der Geschichte der parlamentarischen Demokratie von einer Parteigruppierung, nämlich von CDU und CSU zusammen, erreicht worden ist. Wir haben zwar das Hauptziel nicht erreicht, die absolute Mehrheit der Stimmen zu gewinnen. Wir sind nach der Zahl der Sitze knapp unter dieser Grenze geblieben. Dennoch sind wir der eindeutige Wahlsieger, und wir sollten Behauptungen der Art nicht zulassen, daß CDU und CSU zusammen in der Bundesrepublik Deutschland niemals die Mehr- heit gewinnen könnten. Ich will den Beschluß von Kreuth und seine Folgen nicht im einzelnen nachzeich- nen. Darüber ist in den Medien genügend veröffentlicht worden. Dieser Beschluß von Kreuth ist nach Form und Inhalt unerträglich für die ganze Union gewesen. Wir haben diese Probleme jetzt überwunden. Es gab in den Beratungen zwischen CDU und CSU kein Thema, das nicht mit äußerster Offenheit besprochen wurde. Wir haben gemeinsam Lösungen gefunden, die für die finanziellen, die organisato- UiD-Dokumentation 52/76

rischen und für die Probleme der besseren Selbstdarstellung der CSU eine befriedi- gende Regelung bringen. Wir sind bei all dem, was den Sachinhalt unserer Politik ausmacht, selbstverständlich vom gemeinsamen Wahlprogramm der CDU/CSU ausgegangen. In den drei von uns herausgestellten wichtigen Punkten haben wir ebenfalls Einigung erzielt: Eine gemeinsame Bundestagsfraktion der CDU/CSU wird wiederhergestellt, damit wir im ganzen Bundesgebiet christlich-demokratische Politik gemeinsam darstellen können; eine bundesweite Ausdehnung der CSU wird es nicht geben, und eine weitere Partei wird durch die CSU nicht unterstützt, es sei denn im gegenseitigen Einverständnis. Die gemeinsame Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat sich bewährt. Die Ge- schichte dieser Bundesrepublik Deutschland hätte einen völlig anderen Verlaul genommen, wenn es die Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag nicht gegeben hätte. Es hätte Konrad Adenauer und als Bundeskanzler ohne diese gemeinsame Fraktion nicht gegeben. Die Fraktion war und ist die wichtige Institution zur öffentlichen Darstellung der Idee der gemeinsamen Union. Jede Trennung einer solchen Gemeinschaft führt, ob man es will oder nicht, ob man es zugibt oder nicht, zunächst zu einer Konkurrenz, dann zu einem Nebenein- ander und schließlich zu einem Gegeneinander. Deshalb war es so unerhört wichtig, um diese gemeinsame Fraktion zu kämpfen. Es gilt jetzt, den Blick nach vorne zu richten. Das Thema Freiheit statt Sozialismus war und bleibt das Grundthema unserer Politik, und wir müssen diese Auseinander- setzung mit der SPD/FDP-Koalition weiterführen. Für den Sozialismus gab und gibt es überhaupt keine Mehrheit in der Bundesrepublik. Wir alle haben die Chance, trotz gewiß unerfreulicher Ausgangspunkte in den letzten Wochen, die politische Initiative schnellstmöglich wieder zurückzugewinnen. Unser Auftrag ist es, um die politische und geistige Führerschaft der Bundesrepublik Deutschland zu kämpfen. Wir sind in Zukunft noch mehr auf unsere eigene Solidarität, auf Kameradschalt und auf ein gutes Miteinander gestellt."

UiD-Dokumentation — Verantwortlich. Heinz Winkler, 53 Bonn, Konrad-Adenauer-Haus. Verlag: Union Betriebs GmbH, 53 Bonn, Argelanderstraße 173. Geschäftsführer: Peter Mul- lenbach, Gerhard Braun. Druck: WA-Druck Düsseldorf.