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InhaltInhalt 1 Ein Stern, der deinen Namen trägt DJ Ötzi und Nik P.

2 Ich glaube an Gott Florian Silbereisen

3 Ich bin ich (Wir sind wir) Rosenstolz

4 Das Spiel Annett Louisan

5 Viva Colonia De Höhner

6 Du hast mich tausendmal belogen Andrea Berg

7 Guildo hat euch lieb

8 Abenteuerland Pur

9 Verlieben, verloren, vergessen, verzeihn Wolfgang Petry

10 Verdammt, ich lieb dich Matthias Reim

11 Ohne dich Münchener Freiheit

12 Patrona Bavariae Original Naabtal Duo

13 Faust auf Faust Klaus Lage

14 An der Nordseeküste Klaus und Klaus

15 Dein ist mein ganzes Herz Heinz Rudolf Kunze

16 Für alle Wind

17 Männer Herbert Grönemeyer

18 Sonderzug nach Pankow Udo Lindenberg

19 Ein bißchen Frieden Nicole

20 99 Luftballons Nena Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 2

21 Und ganz doll mich (Ich mag) Rolf Zuckowski

22 Dich zu lieben Roland Kaiser

23 Moskau

24 Das Lied der Schlümpfe Vader Abraham und die Schlümpfe

25 Über sieben Brücken musst du gehn Karat

26 Ti amo Howard Carpendale

27 Die kleine Kneipe Peter Alexander

28 Und es war Sommer Peter Maffay

29 Er gehört zu mir Marianne Rosenberg

30 Über den Wolken Reinhard Mey

31 Theo, wir fahr’n nach Lodz Vicky Leandros

32 Tränen lügen nicht Michael Holm

33 Griechischer Wein Udo Jürgens

34 Du hast den Farbfilm vergessen Nina Hagen

35 Der Junge mit der Mundharmonika Bernd Clüver 36 Einm Festival der Liebe Jürgen Marcus

37 Fiesta Mexicana Rex Gildo

38 Am Tag, als Conny Kramer starb Juliane Werding

39 Blau blüht der Enzian Heino

40 Ein bisschen Spaß muss sein Roberto Blanco Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 3

41 Butterfly Danyel Gérard

42 Wie ein Stern Frank Schöbel

43 Wunder gibt es immer wieder

44 Hinter den Kulissen von Paris Mireille Mathieu

45 Mein Freund, der Baum Alexandra

46 Für mich soll’s rote Rosen regnen Hildegard Knef

47 Mama Heintje

48 Monsieur Dupont Manuela

49 Merci Chérie Udo Jürgens

50 Ganz in Weiß Roy Black

51 Marmor, Stein und Eisen bricht Drafi Deutscher

52 Es war einst ein Schäfermädchen Helen Vita

53 Danke schoen mAnita Lindblom 54

55 Danke für diesen guten Morgen Botho-Lucas-Chor m 56 Weiße Rosen aus Athen Nana Mouskouri

57 Ein Schiff wird kommen Andersen/Valente/Mercouri

58 Kalkutta liegt am Ganges Vico Torriani

59 Seemann, deine Heimat ist das Meer Lolita

60 Wir wollen niemals auseinandergehn Heidi Brühl Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 4

61 Morgen Ivo Robic

62 Gitarren klingen leise durch die Nacht

63 Am Tag, als der Regen kam Dalida

64 Ach, das könnte schön sein Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller

65 Fräulein Chris Howland

66 Sugar Baby Peter Kraus

67 Tulpen aus Amsterdam Mieke Telkamp

68 Heimweh

69 Sing, Baby, Sing Caterina Valente und Peter Alexander

70 Ganz Paris träumt von der Liebe Caterina Valente

71 Glaube mir Wolfgang Sauer

72 Ich hab noch einen Koffer in Bully Buhlan

73 Pack die Badehose ein Cornelia Froboess

74 Wer soll das bezahlen Jupp Schmitz

75 Trizonesien-Song Karl Berbuer

76 Das Kufsteiner Lied Franzl Lang

77 La Paloma Hans Albers

78 Capri-Fischer Rudi Schuricke

79 Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn Zarah Leander

80 Wir machen Musik Ilse Werner Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 5

81 Sing, Nachtigall, sing Evelyn Künneke

82 Für eine Nacht voller Seligkeit Horst Winter/Marika Rökk

83 Du hast Glück bei den Fraun, Bel Ami Lizzi Waldmüller

84 Goodbye, Johnny Hans Albers

85 Ich brauche keine Millionen mMarika Rökk 86 Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern Heinz Rühmann u.a.

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88 Sag beim Abschied leise Servus Willi Forst

89 Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben? Fritzi Massary

90 Das gibt’s nur einmal Lilian Harvey

91 Veronika, der Lenz ist da Comedian Harmonists

92 Ein Freund, ein guter Freund Rühmann, Fritsch, Karlweis

93 Es muss was Wunderbares sein Max Hansen

94 Schöner Gigolo, armer Gigolo Richard Tauber

95 Moritat von Mackie Messer Lotte Lenya

96 Jonny, wenn du Geburtstag hast Marlene Dietrich

97 Ich hab’ das Fräul’n Helen’ baden seh’n Fred Raymond

98 Puppchen, du bist mein Augenstern Lizzi Waldmüller

99 Da geh ich zu Maxim Louis Treumann

100 Das ist die Berliner Luft Claire Waldoff Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 6

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EinEin bißchenbißchen FriedenFrieden

Es musste weich wirken, nicht qualifizierte sich mit knapper Not. bieder, es sollte ‚katholisch’ aus- Den Weg in die Endausscheidung sehen, brav und unschuldig, brachte Nicole allerdings souve- doch nicht naiv. Ich sah aus wie rän hinter sich. Auch im deut- ein Engel – und ich womllte schon schen Vorentscheid siegte die als Kind immer ein Engel sein.“ junge Sängerin ungefährdet. Der Engel, der am 24. April 1982 erstmals für Deutschland den Die Inszenierung von Ralph Sie- Grand Prix Eurovision de la gel war perfekt. Nicole trat, auf Chanson gewann, war siebzehn einem Hocker sitzend, in einem Jahre alt, kam aus dem Saarland sehr sittsam wirkenden Kleid und hieß Nicole. auf und begleitete sich selbst auf einer weißen Gitarre. Eine einahe hätte die Sänge- Harfenistin und das in weißen rin nie die Gelegenheit Anzügen an weißen Instrumen- erhalten, Deutschland ten auf weißen Podesten spie- beim Grand Prix zu ver- lende Orchester gehörten eben- treten. Eine Jury der Ar- falls zur himmlischen Szenerie. beitsgemeinschaft Deut- Auch die nach außen gelegten Bsche Musikwettbewerbe wählte langen blonden Haare der Sän- aus 807 Kompositionen 24 Titel gerin entsprachen der Vorstel- aus, die den Hörern von sechs lung, die das internationale Pu- blikum von einem Engel haben „Ich lasse mich ungern in Schubladen stecken. mochte. Sagen wir, ich bin eine chansonorientierte Ralph Siegels geschickte Kom- Popschlagersängerin. Aber man kann mich nicht position und der in überpoliti- beleidigen, wenn man mich einfach als scher Form Frieden und Mit- menschlichkeit fordernde Text Schlagersängerin bezeichnet. Viele Menschen von zogen die mögen Schlager. Für die singe ich.“ Nicole, 2002 Zuschauer rasch in ihren Bann. Die Strophe erweiterte sich in ih- rer Bedeutung sowohl lyrisch als Rundfunkanstalten vorgestellt auch musikalisch von Zeile zu wurden. „Ein bißchen Frieden“ Zeile. Nicole vergleicht sich im kam nur auf den letzten Platz und Text zunächst mit einer „Blume 66 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 7

m Nicole (1982) Text: Bernd Meinunger Musik:

am Winterbeginn“, dann mit ei- nem „Feuer im eisigen Wind“ und schließlich mitleiderregend mit einer „Puppe, die keiner mehr mag“. Die Strophenmelodie stei- gert sich über mehrere Takte, mehr und mehr Instrumente kom- men hinzu. Der in der Grundtonart gehaltene Refrain bekräftigt den Wunsch nach „Ein bißchen Frie- den“ und löst die musikalische Spannung vorerst auf. Eine ef- fektheischende Rückung gegen Ende des Lieds – die Refrainme- lodie wird nun um einen halben Ton höher gesungen – scheint die pathetische Wirkung abschlie- ßend ins schier Unerträgliche zu Nach der Rückkehr aus Harrogate auf dem Münchener Flughafen: steigern. Siegel begnügt sich je- Ralph Siegel, Nicole, Bernd Meinunger (v.l.n.r.) doch nicht mit diesem in vielen Schlagern zu findenden Kniff. Während der Chor den bereits bekannten Refrain singt, bezieht Nicole in einer darüber gelegten kontrapunktierten Melodie die Hörer textlich und musikalisch mit ein: „Singt mit mir ein kleines Lied, daß die Welt in Frieden lebt, / Singt mit mir ein kleines Lied“.

Der deutsche Beitrag gewann den Grand Prix völlig ungefähr- det. Von Beginn an lag Nicole bei Single „Ein bißchen Frieden“ der Punktauswertung vorne, sie siegte schließlich mit 161 von 204 möglichen Punkten. Neunmal be- 67 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 8

werteten die Jurys „Ein bißchen funden haben, die nicht demons- Frieden“ mit der Höchstpunktzahl trierten.“ Lediglich in der DDR zwölf. Als Nicole ihr Lied am Ende und bei der politischen Linken in der Eurovisionssendung noch der Bundesrepublik traf der einmal vortrug, sang sie den Re- Schlager auf Kritik. frain „unter stürmischem Beifall der Zuhörer“ auch auf Englisch, Ansonsten jedoch fand der Französisch und Niederländisch. Grand-Prix-Sieg ungeteilte Damit überraschte sie, wie sie Begeisterung. In ganz Europa später berichtete, nicht nur das erlebten etwa 500 Millionen Publikum, sondern auch ihren Fernsehzuschauer und Rundfunk- Mentor Siegel. hörer das Ereignis mit. Der Titel stand in Deutschland fünf Wo- Die Hoffnung auf „Ein bißchen chen auf Platz eins der Verkaufs- Frieden“ traf den Publikumsge- listen, in den Top Ten hielt er schmack des Jahres 1982, der sich 15 Wochen. Glaubt man der Presse, entfachte „unsere Nicole“ Zur Person: einen Begeisterungssturm, der bereits in den ersten Tagen nach m Nicole, geboren am 25. Oktober 1964 in Saarbrücken dem Auftritt in Harrogate zu 50 Heiratsanträgen und 665.000 ver- m Sängerin kauften Schallplatten führte.

m Weitere Titel: Nicole erhielt für „Ein bißchen Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund (1981); Frieden“ etliche Auszeichnun- Papillon (1982); Kommst du heut' nacht (1989); gen, darunter den Goldenen Lö- Mach', was du willst (1992); Mitten ins Herz (2008) wen von Radio Luxemburg, ins- gesamt 17 Silberne, Goldene und m Auszeichnungen: Saarländischer Verdienstorden Platin-Schallplatten in vielen Län- (1999), Paul-Lincke-Ring (2001), Goldene Europas, dern Europas. In Großbritannien Goldene Stimmgabeln, 16 erste Plätze in der kletterte die englische Fassung ZDF-Hitparade „A Little Peace“ an die Spitze der Verkaufslisten, die Platte wurde international mehr als vier Millio- von der Furcht vor einem welt- nen Mal abgesetzt. Verschiedene zerstörenden Atomkrieg geprägt Urheberrechtsstreitigkeiten um war, ins Herz. Nicole sagte spä- die Originalität von Siegels Kom- ter: „Mit Politik hatte mein Song position und Meinungers Text nichts zu tun, aber mit dem Frie- konnten letztlich nicht an diesem den, mit den Menschen, die dafür ungewöhnlichen Erfolg kratzen: demonstrierten. [...] Es lag damals Nicole und ihr Lied gingen in die so eine Stimmung in der Luft. Schlagergeschichte ein. Eine, die auch Menschen emp-

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99 Luftballons

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MerciMerci ChérieChérie

Wie ein Panther im Käfig rennt davon zu überzeugen, es 1966 Udo Jürgens auf dem Flur der noch einmal zu wagen. Luxemburger Villa Louvigny hin und her. Soeben hat er Vom österreichischen Fernse- seinen Beitrag „Merci hen verlangte der clevere Bei- Chérie“ gesungen. Das erlein, Jürgens ohne nationalen Schicksal seiner Komposi- Vorentscheid zum Wettbewerb tion und vielleicht auch das fahren zu lassen. Den aus zwei ihres Schöpfers liegt nun in französischen Allerweltsvoka- den Händen der Jurys aus den beln zusammengesetzten Titel Udo Jürgens teilnehmenden Ländern. Der „Merci Chérie“ wählte der Ma- österreichische Interpret und nager mit Bedacht. Er ging da- Komponist war bereits zweimal von aus, dass „der französische beim Grand Prix Eurovision de la Block, bestehend aus Frank- Chanson aufgetreten, 1964 in Ko- reich, Belgien, Luxemburg, Mo- penhagen mit „Warum nur, naco und der Schweiz, verstärkt warum“ und im Jahr darauf in durch die frankophilen Italiener, Neapel mit „Sag ihr, ich laß sie Spanier und Portugiesen prak- grüßen“. Stürzt er heute ab, kann tisch jeden dieser Wettbewerbe es das Ende seiner Karriere be- mit seinen Stimmen entschei- deuten. den konnte“.

ürgens war in den beiden Vor dem Auftritt in der Luxem- Vorjahren zwar auf vorde- burger Villa Louvigny war die ren Plätzen gelandet, hatte Atmosphäre zum Zerreißen jedoch nicht gewinnen gespannt. Teile der deutschen können. In der süditalieni- Presse schürten den Neid darauf, schen Hafenstadt erlitt der dass mit Udo Jürgens die größte JSänger nach seinem Auftritt Hoffnung anspruchsvoller Schla- sogar einen Kreislaufkollaps. germusik für Österreich antrat, Sich auf die Belastung einer er- und versuchten, den Sänger mit neuten Teilnahme einzulassen, einer Kampagne zu verunsi- lehnte er anfangs rundweg ab. chern: „Udo Jürgens nach Ge- Es bedurfte der ganzen Überre- neralprobe: ohne Chancen“, ti- dungskunst seines Managers telte die „Bild-Zeitung“. Der mit Hans R. Beierlein, um Jürgens Jürgens und Beierlein befreun- 158 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 11

m Udo Jürgens (1966) Text: Thomas Hörbiger Musik: Udo Jürgens

dete Fotograf Hansi Hoffmann hetzte daraufhin von Kiosk zu Kiosk und kaufte alle verfügba- ren Exemplare der Zeitung auf. Tatsächlich gelang es, die Schlagzeile vor Jürgens, der ohnedies ein „Nervenbündel“ war, zu verheimlichen. Erst als er am Flügel saß und sang, fühlte der Künstler, wie er spä- ter schrieb, „eine seltsame Kraft und Ruhe“. „Schau nach vorn, nicht zurück, zwingen kann man kein Glück“, vielleicht ging Jürgens, als er diese Zei- len sang, sein eigenes Schick- sal durch den Kopf, für das der

heutige Tag ungeheuer wichtig Udo Jürgens bei seinem Grand-Prix-Auftritt 1966 werden konnte.

Als die Wertung begann, gingen mit dem Sänger jedoch die Ner- ven durch. Weil er die Span- nung nicht ertragen konnte, hetzte er aus dem Saal und rannte vor der Tür auf und ab. Hansi Hoffmann informierte Jürgens alle paar Minuten über die Zwischenstände: „Udo, jetzt hast du wieder Punkte. Du kannst nicht mehr verlieren.“ Und tatsächlich entschieden sich die Jurys der 18 Teilneh- merländer mehrheitlich für den österreichischen Beitrag, der mit großem Vorsprung vor dem Single „Merci Chérie“ 159 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 12

zweitplazierten schwedischen und Dankbarkeit bewegte Sän- Titel landete. Bevor er seinen ger ein leises „Merci Jury“ ins Schlager als Gewinner des Mikrofon. Abends ein zweites Mal sang, hauchte der von Erleichterung Der Sieg beim Grand Prix be- deutete für Udo Jürgens den Beginn der dauerhaftesten „Der Klassiker schlechthin. [...] Auch wenn Laufbahn in der deutschspra- chigen Unterhaltungsmusik seit man Udo Jürgens heute eher mit Liedern wie dem Zweiten Weltkrieg. Über 70 ,Mit 66 Jahren‘ und ,Ich war noch niemals in Millionen Tonträger verkaufte New York‘ in Verbindung bringt, so bleibt der Sänger in seiner Karriere. Zahlreiche Preise und Ehrungen ,Merci Chérie‘ doch sein Schicksalslied, die spiegeln die Wertschätzung wi- Nummer, die ihm die große Karriere eröffnete. der, die Jürgens bis heute bei Und es ist das Lied, mit dem er sich als ernst- Menschen aller Altersgruppen zunehmender deutschsprachiger Chansonnier findet. Mit dem Grand-Prix- Siegertitel „Merci Chérie“ be- etablierte, was er, allen Partyhits zum Trotz, geistert der Künstler bei seinen bis heute geblieben ist.“ Bastian Sick, 2007 Konzerten nach wie vor das Pu- blikum. Die dritte Teilnahme hatte ihm Glück gebracht.

Zur Person: mm Udo Jürgens, geboren am 30. September 1934 in Klagenfurt m Komponist, Sänger, Textdichter

m Weitere Titel: Siebzehn Jahr, blondes Haar (1965); Immer wieder geht die Sonne auf (1967); Griechischer Wein (1974); Ein ehrenwer- tes Haus (1975); Aber bitte mit Sahne (1976); Mit 66 Jahren; Buenos Dias, Argentina (beide 1978); Ich weiß, was ich will (1979); Ich war noch niemals in New York (1982); Jetzt oder nie (2005)

m Auszeichnungen: Grand Prix d‘Eurovision (1966), Country Music Award der American Society of Composers, Authors & Publishers (1980), Echo (1993), Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1994), Steiger Award (2008), Goldene Kameras, Löwen von Radio Luxemburg, Goldene Europas

m Außerdem: seit 1990 Sonderbotschafter des Flüchtlingshochkom- missariats, Gründer der Udo Jürgens Stiftung „Ihr von morgen“

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GanzGanz inin WeißWeiß

161 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 14

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Jonny,Jonny, wennwenn dudu GeburtstagGeburtstag hasthast

n seiner Autobiographie beschreibt Hollaender, der unter anderem den Ever- green „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ komponierte, die Entste- Ihung des Liedes folgenderma- ßen: Blandine und er waren zu einer Humperdinck-Premiere in Berlin eingeladen, die Hollaen- der auf keinen Fall verpassen durfte, schließlich war er zu dieser Zeit dessen Schüler. Blandine sei mit dem Anziehen nicht fertig geworden, und so wartete ihr Mann eine Stunde lang in kompletter Montur mit Mantel, Hut und Schal am Kla- vier, legte die Hände auf die Kla- viatur und „spielte Jonny von A

Blandine Ebinger und Friedrich Hollaender bis Z herunter, ohne nachzu- denken und ohne anzuhalten. „Jonny, wenn du Geburtstag Für den Text reichte allerdings hast, bin ich bei dir zu Gast, die die Zeit nicht mehr.“ Dafür ganze Nacht. Jonny, ich träum nutzte er die anschließende Ta- so viel von dir, ... och, komm doch xifahrt. Hollaenders Resümee zu mal zu mir, nachmittags um halb dieser kleinen Anekdote bringt vier“. Den Jonny-Schlager, den es auf den Punkt: „Eine Künst- Friedrich Hollaender fast en pas- lerfrau sollte nie mit dem Anzie- sant geschrieben hatte, führte hen fertig werden. Dann hätten seine erste Frau Blandine Ebin- wir was.“ ger erstmals 1920 im Berliner Ka- Kurz vor ihrem Tod nannte Blan- barett Größenwahn auf und dine Ebinger auch den Grund machte sie auf einen Schlag zu für ihre letztlich glückliche Ver- einer gefeierten Kabarett-Di- spätung. Sie habe sich für die seuse der Weimarer Republik. Premiere ein neues Kleid be- 300 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 15

Interpret: Blandine Ebinger/Marlene Dietrich Text und Musik: Friedrich Hollaender (1920)

sorgt, das man vorne von hoch oben bis tief unten zuknöpfen musste – eine Knopfleiste mit rund 50 Knöpfen. Und dabei habe sie sich eben immer und immer wieder „verknöpft“. Mit dem Lied vom „Neger- Jonny“, dem schwarzen Gei- ger aus der kleinen „Pony-Bar“, dem ungezählte Frauenherzen scharenweise zufliegen, ironi- siert der vielseitig begabte Hol- laender die Vergnügungssucht und die sexuelle Freizügigkeit der ersten Nachkriegsjahre. Als Marlene Dietrich im Film „Der blaue Engel” Barmusiker war Jonny eine überaus moderne Variante des „Als Fräulein Dietrich spät am Nachmittag in traditionellen Kaffeehaus-Gei- gers, da er sich über bürgerli- meinem Büro saß, unternahm sie nicht den che Konventionen hinwegsetzt. schüchternsten Versuch, mein Interesse zu Im Lied brennt der Frauenheld erregen. Sie saß in einer Sofaecke vor meinem plötzlich durch, lässt eine schwangere Frau zurück, die Schreibtisch, hielt ihre Augen niedergeschlagen dessen ungeachtet davon und bot ein Musterbeispiel der Apathie. träumt, ihren zukünftigen Sohn Sie trug einen heliotropfarbenen Wintermantel nach dem fernen Vater zu nen- nen: „Jonny, wenn du Geburts- mit dazu passendem Hut, Handschuhen und tag hast, dein Ärmchen mich Pelz und kam mir vor wie jemand, der um umfasst in einer Nacht – Jonny, einen dringend notwendigen Urlaub nachsucht.“ dann denk ich an Papa, doch Regisseur Josef Sternberg der ist unten, weit in Afrika!“ Zum Hit machte „Jonny“ aber über sein erstes Treffen mit Marlene Dietrich erst ein Jahrzehnt später der neue deutsche Tonfilmstar Marlene Dietrich, die das Lied 1931 auf Schallplatte einsang. 301 Schlager:Layout 1 26.06.2008 15:26 Uhr Seite 16

Die Vorstrophen und mit ihnen Kreneks Jazzoper „Jonny spielt die Rahmengeschichte vom viel- auf“, die Ende der 1920er Jahre umschwärmten starken schwar- die erfolgreichste zeitgenössi- zen Mann mit glänzendem Blick sche Produktion war. Seit ihrer der Begierde wurden für die Uraufführung hetzten rechtsra- Dietrich aber ersatzlos gestri- dikale Nationalisten gegen die chen – wahrscheinlich aus Oper, was letztlich zu einem kommerziellen Gründen: „In der Aufführungsverbot führte. An- kleinen Pony-Bar, ist der Ne- ders als in Hollaenders Schla- ger-Jonny Star. Der hat wildes ger ist Kreneks Jonny nebenbei Blut in seiner braunen Haut – auch Saxophonist, und so zeigte Oh! Wenn er auf der Geige ihn die Mehrheit der Noten- spielt, wenn er mit dem Bogen drucke mit Saxophon und zielt, hat er jede Nacht ne neue Blume im Knopfloch. Ein diffa- kleine Braut – Oh!“ mierendes Plakat der 1938 in Filmplakat „Der blaue Engel“ Zwei Jahre später kam für das Düsseldorf gezeigten Darstel- Jonny-Lied der internationale lung „Entartete Musik“ stellte Durchbruch, als erneut Marlene die Jonny-Figur als affenartig Dietrich die Nummer, die Ed- erscheinenden Saxophonisten ward Heymann mit einem engli- dar, der statt einer Blume einen schen Text versehen hatte, in Davidstern im Knopfloch trug. dem Hollywood-Film „Song of Im selben Jahr emigrierte Blan- Songs“ brillant interpretierte. dine Ebinger. Bis zu ihrem Tod Dieser Erfolg war zugleich Hol- konnte sie nicht verwinden, laenders Eintrittskarte für seine dass im Zusammenhang mit Karriere in der schillernden Jonny nur von d e r Dietrich ge- Kino-Fabrik der 1930er Jahre. sprochen wurde. Schließlich sei Der geigende „Neger-Jonny“ es doch IHR Lied gewesen! gab auch das Vorbild für Ernst

Zur Person: m Friedrich Hollaender, geboren am 18. Oktober 1896 in London, gestorben am 18. Januar 1976 in München m Deutsch-britischer Komponist m Weitere Schlagererfolge: Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt (1930); Ich bin die fesche Lola (1930); Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre (1932) m Wissenswertes: 1933 musste Friedrich Hollaender wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland verlassen. Er kehrte erst 1955 zurück. m Für den Josef-Sternberg-Film „Der blaue Engel“ (1930) war Peter Kreuder Assistent Friedrich Hollaenders.

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