Neuer Wilder
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Unternehmen Neuer Wilder olfgang Bernhard (44) mag keine VW Der Marken-Chef Wolfgang Versteckspieler. Sie sind ihm zu- Wwider, die Planer und Entwick- Bernhard räumt auf: schnell, ler, die sich davonstehlen, wenn es an die wirkliche Arbeit geht. Die nur telefonieren, effizient, gnadenlos. Ein Kulturschock in Meetings sitzen und sich gegenseitig wichtige Folien zeigen. Er hat sie bei Mer- erschüttert Wolfsburg. cedes getroffen und bei Chrysler; er schimpft sie bevorzugt „Ver-Tschüsser“. Jetzt bekämpft er sie bei VW. Gleich bei einem der ersten Treffen An- fang Mai überraschte der Chef der Marken- gruppe VW seine Wolfsburger Produktions- und Entwicklungsexperten mit einer schockierenden Order: Alle für ein paar Tage ans Band! Alle raus ins Werk! Die Fer- tigung beschleunigen! Die Qualität verbes- sern! „Geh zur Quelle“, heißt das bei Toyota. Dort ist es Normalität. Bei VW verpuffen solche Vorstöße in der Regel. Bernhard aber meinte es ernst. Schon gegen sieben Uhr am nächsten Mor- gen kam Post vom Chef. Der Inhalt der E-Mails: ein detaillierter Plan für die dreitägigen Vor-Ort-Einsätze. Um di- rekt das nächste Zeichen zu setzen, missachtete Bernhard die Hierar- chiestufen. Er überging die mächtigen Bereichsleiter und verschickte die Botschaften 34 managermagazin 7/2005 FOTOS: JOCHEN LUEBKE/DDP/LLADO/PLAINPICTURE,/ PR/[M] MM-MONTAGE Unterrnehmen VW Zusammenhänge und Technik Mann der Extreme gleichermaßen detailliert beherrsche, Lauwarm sind nur die anderen: Wolfgang Bernhards Welt erinnert sich ein DaimlerChrysler-Mann. „Fast autistisch hat der unsere DE R PR IVATMAN N: Wolfgang Bernhard der Leitung des Mercedes-Vorstands Bedenken ignoriert“, schimpft ein (44) hat früher in den Ferien Straßen- Manfred Remmel, heute Chef des Auto- Betriebsrat. musik gemacht, er ist Hobbybergsteiger, zulieferers Magna Steyr, verdoppelten Bernhard leitete den Produktionsanlauf er läuft gern. Und er ist bekannt dafür, Bernhard und seine McKinsey-Kollegen der S-Klasse, er brachte die Tuning-Toch- dass er höchst ungern über Privates bei Mercedes binnen fünf Jahren die ter AMG in Schwung, gemeinsam mit redet. Der VW-Vorstand wuchs Produktivität. Die Zahl der Mitarbeiter sank Dieter Zetsche räumte er bei Chrysler als viertes von neun Kindern eines Volks- um 20 000, die Einkaufskosten fielen auf. Das Ergebnis: 26 000 Entlassun- schullehrers im Allgäu auf. Inzwischen ist um gut 25 Prozent. Bernhard wechselte gen, aber auch steigende Marktanteile er verheiratet und seit 1999 Vater. 1994 zu Mercedes. und schwarze Zahlen. „VW hat ein Juwel DER AUFSTEIGER: Der Wirtschafts- Die Erinnerungen an ihn divergieren bekommen“, sagt Nate Gooden, Vize- ingenieur und promovierte Ökonom kam extrem: Er habe noch niemanden präsident der US-Gewerkschaft 1991 als Berater zu Mercedes. Unter gesehen, der wie Bernhard wirtschaftliche UAW und DaimlerChrysler-Aufsichtsrat. DER VERSTOSSENE: Eigentlich sollte die- ses Juwel jetzt Chef der Mercedes Car Group sein. Aber Bernhard beteiligte sich 2004 an einem Aufstand gegen die Asien-Strategie von Konzernchef Jürgen Schrempp und kündigte ein „Blutbad“ bei Mercedes an. Das war zu viel. Eine große Koalition der Verärgerten sorgte dafür, dass der neue Chef gehen musste – zwei Tage vor seinem Amtsantritt. zent. In Wolfsburg, bei VW-Betriebs- ratschef Klaus Volkert (63), klingelte ständig das Telefon. Wie er denn diesen Rambo zulassen könne, wollten die Anrufer wissen. Es waren keine Arbei- Zapfen in Detroit: Wolfgang Bernhard (r.) und Dieter Zetsche (M.) auf der Automesse ter, die da voller Furcht anklingelten, sondern Manager; vor allem aus den an die Leiter der Planungsgruppen, DIE NOT IST GROSS in Wolfsburg. Das mittleren Ebenen. Teams mit etwa 25 Mitgliedern. schafft die Voraussetzungen für radika- Euphorie auf der einen Seite, Angst So beginnen Revolutionen. les Handeln. Seit Jahren geht es bergab auf der anderen. Bernhard ist ein Mann Ein halbes Jahr gehört Wolfgang Bern- mit der Marke VW: In den Qualitäts- der Extreme, auch in seinem neuen Job. hard dem Vorstand des Volkswagen- statistiken rangieren Jetta, Touareg & Aber ist er auch extrem gut? Konzerns an. Seit zwei Monaten leitet er Co. weit hinten, auf den wichtigen Aus- Als Wolfgang Bernhard jüngst einer die Markengruppe VW, und damit ne- landsmärkten China und USA verlieren Gruppe Manager seine Pläne vorstellte, ben VW die Marken Sˇkoda, Bentley und die Wolfsburger den Anschluss, im Kon- erzählte er ihnen, wie er vor Jahren – Bugatti. Doch schon sprechen in Wolfs- zern muss die Ingolstädter Schwester noch als Mercedes-Manager – auf Auto- burg einige davon, der Neue habe mehr Audi das Ergebnis retten (siehe Grafi- mobilmessen stets zum VW-Stand gepil- angestoßen als sein Vorgänger in drei ken Seite 38). gert sei. Die Drei-Millimeter-Spaltmaße Jahren. Der heißt Bernd Pischetsrieder Die Markengruppe VW ist 2004 in die habe er bestaunt, die TDi-Motoren, das NEWS/GAMMA DETROIT TINES/THE CHARLES FOTO: (57) und ist jetzt nur noch Konzernchef. roten Zahlen gerutscht. Selbst mit dem Interieur des Audi TT. „Und heute?“, Bernhard feuert als erste Amtshand- Golf verlieren die Wolfsburger Geld. fragte Bernhard dann: „Wo sind wir lung den Motorenchef; er verlangt von Das ist in etwa so, als könnte McDo- heute noch vorn?“ Die Antwort gab er den Zulieferern, dass sie ihre Preise um nald’s den Big Mäc nicht mehr mit Ge- selbst: „Nirgends.“ 10 Prozent senken; er ruft Sparklausu- winn verkaufen. Dann folgten Töne, die Wolfsburgs ren nach dem Muster des Vatikanischen Als Bernhards Wechsel nach Wolfs- Altvordere lange nicht mehr gehört Konzils zusammen: Erst wenn die Er- burg im vergangenen Oktober publik hatten: Die asiatischen Hersteller sind gebnisse da sind, dürfen die Teilnehmer wurde, tat sich zweierlei. In Frankfurt, der Angreifer. Sie wollen Europas Auto- nach Hause. Nichts geht schnell genug, an der Börse, kauften die Anleger plötz- industrie kolonialisieren, so wie sie es nichts ist gut genug, nichts ist heilig. lich wie von Sinnen VW-Aktien. Der mit der amerikanischen gerade machen, Auch seine Vorstandskollegen nicht. Kurs stieg an jenem Tag um satte 8 Pro- analysierte Bernhard. Wer jetzt nicht 36 managermagazin 7/2005 Unterrnehmen VW Krisenjahre – der Abstieg der Markengruppe VW Im Branchenvergleich In Nordamerika versprach Pischetsrieder Wolfsburg die Umsatzrendite1 in Prozent Absatzänderung in Prozent zum Vorjahr Toyota Produktion des Wagens. Im portugiesi- 10 0,05 2002 2003 2004 2005* schen Palmela wäre er 1500 Euro pro Auto billiger gewesen. 8 -4,9 Als Bernhard vor die C-SUV-Truppe -10,5 tritt, liegt die kalkulierte Produktrendite 6 -15,4 bei grausamen minus 10 Prozent. „Wir 4 müssen es gemeinsam schaffen, den -25,1* Wagen billiger hinzustellen“, schwört 2 der VW-Chef seine Leute ein. Und *Ende Mai. Quelle: VW macht ihnen gleichzeitig Angst: „Wenn 0 wir das nicht hinbekommen, wird das In China Auto nicht gebaut.“ Wolfsburg, das -2 Marktanteil in Prozent inklusive Audi größte VW-Werk, ist nur zu 70 Prozent ausgelastet. Wenn das Modell nicht -4 50 kommt, gleicht das einer Katastrophe. Also brüten die Entwicklungsteams 39 -6 den ganzen Tag über Verbesserungs- 31 25 möglichkeiten. Abends gegen sieben -8 kommt der Chef zurück, legt Jackett und ;ggy 13 Krawatte ab, setzt sich in die erste Reihe -10 2 und hört sich die Präsentationen der 20012002 2003 2004 2005 20012002 2003 2004 2005* Teams an. Vorschlag, kurze Diskussion, QQuelle:uelle: UUnternehmen,nternehmen, MorMorgangan Stanley/PrudentiaStanley/Prudentiall *Ende April. Quelle: VW, eigene Recherche Entscheidung. Vorschlag, kurze Diskus- Im Konzernvergleich sion, Entscheidung. So geht das bis spät Konzern in die Nacht und, nach dem gleichen Gewinn und Verlust* in Milliarden Euro Markengruppe VW Muster, jeden Tag bis Mittwochabend. Markengruppe Audi Um 23.15 Uhr dann sind die von Bern- 5,4 hard geforderten 2000 Euro Einsparung 4,8 pro Auto erreicht. Was zuvor in zwei Jahren nicht gelang, 3,0 geht jetzt plötzlich innerhalb von fünf 2,5 2,2 Tagen. „Endlich laufen die Entschei- 1,5 1,4 1,6 1,6 dungen nicht mehr über den Tannen- 1,1 1,2 1,2 0,5 0,06 baum der Hierarchie“, lobt Konzernchef 2001 2002 2003 2004 2005 Bernd Pischetsrieder. „Jetzt entschei- *Betriebsergebnis. Quelle: VW; 2005: Prognose Morgan Stanley den die, die fachlich kompetent sind.“ Noch steht allerdings der Realitätstest der Pläne aus. „In der Regel lassen sich kämpft, hat verloren. So sprach zuletzt, wöhnlichen Zeit: Entwickler, Produk- nur 70 Prozent der Vorschläge verwirk- Anfang der 90er Jahre, der damalige tionsplaner, Designer, Logistiker, Ein- lichen“, bremst Pischetsrieder die Eu- VW-Chef Ferdinand Piëch, heute 68 und käufer – alle, die irgendwie wichtig sind phorie. Etliche Punkte sind diffizil, be- Aufsichtsratsvorsitzender. für den Bau des für 2007 geplanten sonders die vorgesehene Bezahlung der Bernhard ist einzig in Deutschlands Geländewagens auf Golf-Basis. „C-SUV“, Arbeiter nach dem niedrigeren Tarif der neuer Managergeneration, außerge- gesprochen „C-Suff“, heißt das Modell VW-internen Auto 5000 GmbH. Und: wöhnlich gleichermaßen in seinen Stär- bei VW, eine Abkürzung für „Compact Die VW-Zielvorgabe 8 Prozent opera- ken und seinen Schwächen. Erst McKin- Sports Utility Vehicle“. tive Modellrendite hat der Geländegolf sey-Berater, dann schneller Aufstieg bei damit noch lange nicht erreicht – statt- Mercedes, Daimler-Vorstand, zweiter ZWEI JAHRE LANG hatte der VW-Vorstand dessen nur eine schwarze Null. Mann bei Chrysler. Immer umstritten, ergebnislos über dieses Auto diskutiert. Auto um Auto lässt Bernhard auf immer erfolgreich, bis Daimler-Chef Einmal waren