Der Beitrag Der Wasserwirtschaft Zum Ökologischen Verbundsystem
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View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by Hochschulschriftenserver - Universität Frankfurt am Main Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt Sonderheft 2006: 97–99 Der Beitrag der Wasserwirtschaft zum ökologischen Verbundsystem CLAUS BRÄUNIG Flüsse und ihre Auen ziehen sich wie Lebens- und in der Aue im Rahmen der Gewässerunter- adern durch unsere Landschaft und bilden als li- haltung und der Eingriffskompensation kurz vor- neare Lebensräume das grundlegende Gerüst des gestellt. Es ist beabsichtigt, einen ausführlichen ÖVS des Landes Sachsen-Anhalt, welches die un- und vertiefenden Fachbeitrag zum Thema mit terschiedlichen Landschaftsräume miteinander Darstellung ausgewählter Beispiele an prioritä- verbindet. Primär sind Fließgewässer als Bestand- ren Fließgewässersystemen des Landes, wie z.B. teil des Naturhaushaltes Lebensraum für Tiere den Systemen Thyra-Helme-Unstrut-Saale und und Pflanzen. Andererseits unterliegen sie in Mulde-Muldestausee, in einem der nächsten Hef- unserer Kulturlandschaft vielfältigen anthropo- te dieser Zeitschrift zu veröffentlichen. genen Nutzungsansprüchen. Unter den vielfältigen anthropogenen Ein- Die Unterhaltung der Fließgewässer erster griffen in Fließgewässerökosysteme gehören Ordnung (ohne Bundeswasserstraßen) sowie der jene zu den schwerwiegendsten, die zum einen landeseigenen wasserwirtschaftlichen Anlagen die Durchwanderbarkeit des Gewässers be- oder wie Wehre, Deiche, Schützen, Schleusen an den verhindern und zum anderen eine Verarmung Landesgewässern obliegt gemäß der §§ 69, 71, 103, oder Zerstörung habitatbedeutsamer morpholo- 110, 131 des WG LSA dem Land, vertreten durch den gischer Fließgewässer- und Auenstrukturen be- LHW (vormals Staatliche Ämter für Umwelt- wirken. Hierzu zählen insbesondere die in den schutz). Zu den vielfältigen Aufgaben des LHW letzten dreihundert Jahren erfolgten umfangrei- zählen auf der Grundlage der §§ 48, 54 und 96 des chen wasserbaulichen Maßnahmen, wie z.B. die WG LSA die flussgebietsbezogene Erarbeitung Errichtung von Stauanlagen zur Wasserkraftnut- von Hochwasserschutzkonzeptionen, die Erfas- zung und Schiffbarmachung. sung und Ausweisung von Überschwemmungs- Die Zergliederung des Gesamtlebensraumes gebieten (hier u.a. auch die Gewinnung von Re- Fließgewässer in voneinander nahezu getrennte tentionsflächen durch Deichrückverlegungen), Teillebensräume durch Querbauwerke und Aus- die Aufnahme und Bewertung biologischer, che- leitungen, die Umwandlung vormals freifließen- mischer, chemo-physikalischer, hydromorpholo- der Fließgewässerabschnitte in oft sauerstoffkri- gischer und mengenmäßiger Gewässerdaten zur tische Stauhaltungen mit Standgewässercharak- Kontrolle und Überwachung der Gewässergüte ter (mit reduzierter Fließgeschwindigkeit und und zum Schutz der oberirdischen Gewässer und fehlender Strömungsvarianz, verstärkter Sedi- des Grundwassers. Die Unterhaltung der Fließge- mentation von Feinsedimenten, fehlender Umla- wässer zweiter Ordnung obliegt den Unterhal- gerung des Geschiebes, Anstieg der Wassertem- tungsverbänden. peratur, Eutrophierung) und die ausgeprägte Von den zahlreichen Berührungsebenen zwi- Strukturarmut im Sohl- und Uferbereich infolge schen den Aufgaben und Zielen von Wasserwirt- von Gewässerausbau und –unterhaltung stehen schaft und ÖVS werden im Folgenden beispielhaft als wesentliche Ursachen für den vielerorts gra- die Themenkomplexe Herstellung der ökologi- vierenden Wandel unserer Fließgewässerland- schen Durchgängigkeit in Fließgewässern und schaften und –zönosen. Eine kritische bis unge- gewässermorphologisch- und habitatstrukturell nügende Wassergüte infolge direkter und diffu- ausgerichtete Maßnahmen im und am Gewässer ser Einträge und herabgesetzten Selbstreini- 97 Stromaufwärts aber auch -abwärts gerichtete Wanderungen sind weiterhin wichtiges popula- tionsökologisches Element des genetischen Aus- tausches zwischen Teilpopulationen und zur Wiederbesiedlung chronisch oder katastrophen- bedingt verödeter Gewässerabschnitte. Vor diesem Hintergrund betonen sowohl die WRRL (hydromorphologische Qualitätskompo- nente „Durchgängigkeit des Flusses“) und die FFH-Richtlinie (Artikel 2, 3, 6, 10) als auch die no- vellierten Fischerei-, Wasser- und Naturschutzge- setze der Länder und des Bundes die Bedeutung des Fließgewässerkontinuums und fordern ne- ben der Erhaltung und der Förderung naturnaher Gewässer- und Auenstrukturen die Gewährleis- tung der ökologischen Durchgängigkeit sowie die Sicherung des Fischwechsels flussaufwärts und - Abb. 1: Wehr Wippra / Wipper. Die ökologische abwärts. Diese wesentlichen Inhalte reflektieren Durchgängigkeit für Fische und Makrozoobenthos u. a. § 3 „Biotopverbund“ und § 38 „Schutz von ist nicht gegeben. Foto: C. BRÄUNIG. Gewässern und Uferzonen“ des NatSchG LSA. So lautet der gesetzliche Auftrag des § 38: „Oberirdi- sche Gewässer einschließlich ihrer Gewässerrand- gungsvermögens, die Verringerung des Wasser- streifen und Uferzonen sind als Lebensstätten und abflusses durch Wasserentnahmen und Auslei- Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenar- tungen, häufig ohne Gewährleistung oder Einhal- ten zu erhalten und so weiterzuentwickeln, dass sie tung ökologischer Mindestwassermengen im ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dau- Hauptgewässer, aber auch Fischerei, Schifffahrt er erfüllen können“. und die Flächennutzungen in den Auen stehen Diesen Erfordernissen Rechnung tragend, als weitere Ursachen für diesen Wandel, der sich wurde im Land Sachsen-Anhalt in den vergange- insbesondere auch im dramatischen Rückgang nen zehn Jahren an über einhundertzwanzig und Verlust diadromer und potamodromer Fisch- Querbauwerken in Fließgewässern, wie Saale, arten dokumentiert [10, 23, 24, 45, 46]. Unstrut, Helme, Thyra, Weißer Elster, Wipper, Eine Vielzahl der heimischen Fischarten zeigt Wethau, die sich in Eigentum und Unterhaltungs- aufgrund ihrer ontogenetisch und jahreszeitlich pflicht des Landes befinden, die ökologische differenzierten Habitatbindungen charakteristi- Durchgängigkeit nach Stand des ökohydraulisch- sche Verhaltens- und Raumnutzungsmuster, die technischen Regelwerkes [22, 21] hergestellt [11]. bei fließgewässerbewohnenden Arten oftmals Dies erfolgte durch den Rückbau von Wehranla- ausgeprägte Wanderungen in Längsrichtung des gen, die Errichtung rauer Sohlgleiten (Abb. 1 und Gewässers einschließen. Hierzu zählen insbe- 2), durch Umgehungsgerinne und technische sondere die Laichwanderungen, in deren Verlauf Fischaufstiegsanlagen (z.B. Schlitzpass). Mit dem limnisch lebende, potamodrome Flussfischarten, Bau und der hydraulischen und biologischen wie Barbe, Zährte, Döbel oder Quappe z.T. bis zu Funktionsabnahme dieser Anlagen [34], der im mehreren hundert Kilometern, diadrome Arten Rahmen von Wehrsanierungen sowie von Aus- mit obligatem Wechsel zwischen marinem und gleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe limnischem Lebensraum, wie Lachs, Meerforelle, wasserbaulicher Maßnahmen durch den LHW er- Stör oder Meerneunauge, teilweise Strecken bis folgte, wurden zugleich die gesetzlichen Pflich- zu tausend Kilometern flussaufwärts zu ihren Re- ten nach § 44 FischG LSA, § 80a WG LSA und § 38 produktionshabitaten zurücklegen. Dabei wirken NatSchG LSA des Landes Sachsen-Anhalt erfüllt. für zahlreiche Arten flussaufwärtsgerichtete Parallel hierzu wurden durch den LHW in Wanderungen auch kompensatorisch hinsicht- Umsetzung und Konkretisierung der allgemei- lich Terrainverlusten infolge Abdriftung. nen Vorgaben nach Fließgewässerprogramm des 98 Landes Sachsen-Anhalt unter Erarbeitung wis- senschaftlicher Studien zu gewässerspezifisch potenziell natürlicher und aktuell vorkommen- der Fischfauna und deren regionalen Aufstiegs- und Reproduktionszeiträumen [29, 31] fachtech- nische Querbauwerkskonzeptionen mit standort- konkreter ökohydraulischer Planung für die ein- zelnen Wehranlagen bzw. einer gewässerab- schnittsbezogenen FFH-verträglichen Unterhal- tungsplanung erarbeitet. Im Zusammenwirken mit gewässermorphologisch und habitatstruktu- rell ausgerichteten Maßnahmen im Gewässer und in der Aue, mit der Sicherung ökologischer Mindestwassermengen sowie mit der Wiederher- stellung und Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit werden wesentliche Vorausset- zungen zur Erhaltung, zur Förderung und zur Wiederetablierung in ihrem Bestand gefährdeter, Abb. 2: Wehr Wippra / Wipper. Nach Rückbau und nach nationalem und europäischem Recht ge- Errichtung einer rauen Sohlgleite mit Niedrigwas- schützter Fisch- und Rundmaularten geschaffen. serrinne (Sicherung Fisch-Mindestwasserstand) ist So erfolgen aktuell z.B. fließgewässerbezoge- die volle ökologische Durchgängigkeit gewährleis- ne Habitatmanagement-Maßnahmen in und an tet (Aufnahme bei Niedrigwasserabfluss). Foto: C. BRÄUNIG. der Helme bei Martinsrieth und Niederröblingen zur Förderung und Wiederetablierung fischbe- deutsamer Habitate über Altarmanbindungen, • Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit Schaffung von Fischunterständen (als Gehölzbe- der potenziellen Reproduktionshabitate kies- stände und Kolke) und Profilaufweitungen mit laichender Fischarten, Initiierung von Folgen aus Kiesbänken und strö- • Aufrechterhaltung des Fließgewässercharak- mungsarmen Flachwasserzonen als Laich-, Lar- ters und Verhinderung der Sedimentation val- und Juvenilhabitate für Barbe und Äsche. von Schwebstoffen, Diese Maßnahmen sind zielorientiert auf die Er- • Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit haltung und die Förderung der letzten autochtho- des biologischen Rasens und nen Populationen von Barbe und Äsche im Land •