SWR2 Feature Am Sonntag Ich Habe Sie Geheiratet, Weil Sie Mich Gefragt Hat Eine Dichterehe: Sylvia Plath Und Ted Hughes Von Manuela Reichart
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Feature am Sonntag Ich habe sie geheiratet, weil sie mich gefragt hat Eine Dichterehe: Sylvia Plath und Ted Hughes Von Manuela Reichart Sendung: Dienstag, 20. Dezember 2016, 14.05 Uhr Redaktion: Walter Filz Produktion: WDR 2015 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Feature am Sonntag können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören:http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/feature.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Feature am Sonntag sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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Ich habe solchen Hunger auf eine große umwerfende, schöpferische, blühende, schwerwiegende Liebe: Hier bin ich; ich warte... Sprecher 1 (Hughes/ Briefe S. 37) Sylvia, diese Nacht war voll von Deinem weichen Körper. Der Gedanke daran geht durch mich hindurch wie Brandy. Wenn Du nicht zu mir nach London kommst, werde ich zu Dir nach Cambridge kommen. Ich bin hier in London bis zum 14. Musik 1/Swing Sprecher 1 Ich habe sie geheiratet, weil sie mich gefragt hat - Eine Dichterehe: Sylvia Plath und Ted Hughes Feature von Manuela Reichart Musik 1/Swing reißt abrupt ab 3 Sprecherin 1 (Plath / Briefe nach Hause S. 493 26.September 1962 Liebe Mutter, gestern fuhr ich nach London zu dem Anwalt, eine wirklich qualvolle, aber notwendige Erfahrung. Nicht zu wissen, wo Ted ist, außer dass er in London ist... Ich hoffe, er wird einer außergerichtlichen Regelung zustimmen und mich finanziell unterstützen.... Sprecher 1 (Hughes,Briefe S.213) Februar 1963 2 Liebe Olwyn, Montag morgen gegen sechs hat sich Sylvia mit Gas umgebracht. Die Beerdigung ist in Heptonstall nächsten Montag. Sie hatte mich um Hilfe gebeten, wie sie das so oft getan hat. Ich war der einzige Mensch, der ihr hätte helfen können, und der einzige Mensch, der so abgestumpft war von ihren Zuständen und Forderungen, dass ich nicht erkennen konnte, dass sie Hilfe wirklich brauchte. Später werde ich ausführlicher schreiben. Musik 2 Autorin Sylvia Plath und Ted Hughes: Begonnen hat ihre Liebesgeschichte im Frühling 1956, zu Ende war sie im Winter 1962. Ein Paar, das aus zwei großartigen Lyrikern, aus zwei höchst komplizierten Individuen bestand. Ein Paar, das den professionellen Anfang gemeinsam erlebte und gestaltete. Ein Paar, das aus Liebe und Leidenschaft zu einander fand. Ein Paar, das dem gemeinsamen Leben nicht standhielt, das nicht zuletzt an den gewöhnlichen Veränderungen scheiterte, die mit der Geburt von Kindern in einer Ehe passieren. 4 Ein Paar, dessen Rollen - auch lange nach dem Tod der beiden - fest zu stehen scheinen: Sylvia Plath hat sich umgebracht, sie ist das Opfer in dieser Liebesgeschichte, er ist der Täter, der sie betrog, der sie in den Tod trieb, der sie allein ließ in ihrer kalten Wohnung, der nicht genug zahlte, sich nicht genug um sie und die Kinder kümmerte, nicht dafür sorgte, dass sie ausreichend Zeit zum Arbeiten hatte. Aber vielleicht war es auch anders. Sind solche Geschichten nicht immer und grundsätzlich komplizierter? Auch bei weniger komplizierten Menschen als Dichter es sind? Die Plath-Hughes-Ehegeschichte wurde nach ihrem Tod und ihrer Berühmtheit als Lyrikerin jedenfalls zur Projektionsfläche, auf der viele d a s programmatische geschlechtsspezifische Liebesdrama erkannten: Die begabte Frau war zum Schweigen gebracht von und zerbrochen an einer Männerwelt. Der untreue Ted Hughes wurde dabei zweifelsfrei zum Symbol dieser Männerwelt und damit eindeutig zum Schurken. Und er wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich öffentlich zu rechtfertigen. Was hätte er auch sagen oder schreiben sollen? Sylvia Plath, die ewig junge geniale Dichterin, die sich mit 31 Jahren umbrachte (angeblich gibt es inzwischen 26 Biographien über sie) und Ted Hughes, der 1998 mit 68 Jahren an Krebs starb: eine Dichterehe. Auf die Frage, warum er sie geheiratet habe, hat er einmal geantwortet: 3 Sprecher 1 Weil sie mich gefragt hat. Musik 3/ Swing (unter folgendem Dialog) 5 Sprecherin 1 Willst Du mich heiraten? Sprecher 1 Ja, ich will Dich heiraten. Musik 3 O-Ton Nölle 1 Die Beiden haben sich kennengelernt in den 50er Jahren, als sie als Stipendiatin aus den USA nach Cambridge kam, und er schon ein junger aufstrebender, allerdings noch abseitiger Dichter war, der erste Gedichte in kleinen Zeitschriften publizierte. Autorin Karen Nölle, Übersetzerin und Lektorin O-Ton Nölle Forts. Und sie kam an und war sehr ehrgeizig. Sie wollte das literarische Cambridge kennenlernen. O-Ton Bronfen 1 Man muss vielleicht dazu sagen, dass Sylvia Plath eine sehr ambitionierte junge Amerikanerin war, die wollte an der für sie besten Universität studieren. Sie wusste sicherlich, dass sie meinte, sie würde eine große Dichterin werden oder wär bereits schon eine große Dichterin. Ich könnte mir auch vorstellen, es ging ihr durchaus bei der Sache auch darum, irgendwie dort anzukommen. Autorin Elisabeth Bronfen, Professorin für Anglistik an der Universität Zürich, Autorin einer Studie zum Werk von Sylvia Plath 6 Forts O-Ton Bronfen 1 4 Es muss eine wahnsinnige Attraktion zwischen beiden zuerst gewesen sein. Gleichzeitig kommt aber natürlich auch hinzu, Sylvia Plath war ja auch schon vorbelastet mit ihren psychischen Krankheiten, mit ihrem Selbstmordversuch, das heißt also sicherlich psychisch auch sehr labil. Ich könnte mir vorstellen, dass Hughes das nicht wirklich begriffen hat am Anfang und damit sehr schlecht umgehen konnte. Und zugleich war Hughes ein Lebemann, er liebte die Frauen, war sehr verführerisch und seiner Ehefrau dann anschließend auch untreu. Insofern kommen zwei Figuren zusammen, die irgendwie beide und dann ihre Ehe zugleich unter einem sehr schlechten Stern gestanden haben. Das hätte eigentlich nicht halten können, und dass es dann so fatale Folgen hatte, gut, das weiß man natürlich am Anfang nicht, aber man sieht nachträglich eine gewisse Konsequenz darin. O-Ton Nölle 2 0.41 Sie haben sich auf einem Fest kennengelernt, wo Sylvia Plath auch wieder diejenige war, die das ganze initiiert hat. Eines ihrer Gedichte war schlecht besprochen worden, in dem Band, in dem Ted Hughes auch Gedichte hatte, und da hat sie kurzerhand ein paar Zeilen auswendig gelernt, und als er den Raum betrat, hat sie ihm die aufgesagt, und ihn damit natürlich unendlich für sich gewonnen. Und dann sind sie in ein Zimmer nach nebenan gegangen, und was da genau vorgegangen ist, das wissen wir natürlich nicht, aber dass sie ihn - glaube ich - am Ende gebissen hat, und er ihr einen Ohrring entrissen und mitgenommen hat, und von da an ging es los. Musik/ Ausschnitt „Sylvia“ 4.50-5.15/ 5.50-6.10 I read your poems Autorin (auf Musik) Die Liebesgeschichte zwischen Sylvia Plath und Ted Hughes beginnt also heftig: Am 25.Februar 1956. Musik/ Ausschnitt „Sylvia“ 6.10-6.18 E: „Sylvia Plath“ 7 Autorin Das Fest, auf dem sie sich zum ersten Mal trafen, hatte eine angesehene kleine Literaturzeitschrift „St.Botolph’s Review“ ausgerichtet. Die hübsche Sylvia Plath trug rote Schuhe und sorgte überhaupt für Aufsehen – und dann war da eben Ted Hughes. Am nächsten Tag schreibt sie in ihr Tagebuch... 5 Sprecherin 1 (Sylvia Plath/Tagebücher S.159) Dann geschah das Schlimmste, dieser große, dunkle, wunderbare Kerl, der einzige, der groß genug war für mich, der sich auf die Frauen stürzte und nach dessen Namen ich mich erkundigt hatte, gleich als ich ins Zimmer trat, ohne dass mir jemand eine Antwort gegeben hätte, kam herüber und schaute mir tief in die Augen und es war Ted Hughes. Ich fing wieder an zu brüllen, etwas über seine Gedichte, und zitierte „most dear unscratchable diamond“, und er schrie zurück, gewaltig mit einer Stimme wie ein Pole „Gefällt’s dir? „, und dann fragte er mich, ob ich Brandy wolle und ich schrie ja, und dann zogen wir uns ins andere Zimmer zurück...., und er goss Brandy in ein Glas, und ich goss ihn dorthin, wo nach meiner letzten Erinnerung einmal mein Mund war. Wir brüllten wie in einem Sturm..... und ich stampfte auf den Boden, und er stampfte auf den Boden, und dann küßte er mich, Knall, Boing auf den Mund.... Und als er meinen Hals küßte, biß ich ihn heftig und lange in die Wange, und als er aus dem Zimmer ging, lief ihm Blut übers Gesicht.... Und innerlich schrie ich und dachte: Ach, dir geb ich mich zerberstend, im Kampf. Der einzige Mann, seit ich auf der Welt bin, der Richard hinwegfegt. Also sitze ich hier, ernst, düster, mit einem leicht blutenden Herzen. Autorin Ted Hughes war sich sicher: 8 Sprecher 1 Das Schicksal hat mich zu Sylvia Plaths Ehemann bestimmt. Autorin Hughes beschäftigte sich mit Astrologie. Zitat 6/ Ted Hughes /Birthday Letters S. 22/23 (auf Musik/ evt.