Kunigunde. Politische Handlungsspielräume Einer Kaiserin
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Ingrid Baumgärtner Kunigunde. Politische Handlungsspielräume einer Kaiserin Um die Jahrtausendwende Übernahmen (gest. 999), Theophanu (gest. 991) und Frauen in Geschichte, Politik und Kultur des schließlich Kunigunde (gest. 1055), die als ottonischen Reiches erstaunlich hohe Posi politische Handlungsträgerinnen aktiv an tionen und wichtige Funktionen, sei es als der Macht ihrer Ehemänner, Söhne oder zuverlässige Stellvertreterin des regieren Enkel aus dem (nach dem Leitnamen der den königlichen Gatten und dessen Teilha führenden Repräsentanten oder nach dem berin am Reich, als einflußreiche Ratgeberin Urahn benannten) Geschlecht der Ottonen und geachtete Bittstellerin, als durchset oder Liudolfinger partizipierten. Zu erin zungskräftige Regentin für einen minder nern ist auch an die mächtigen und ein jährigen Sohn oder Enkel, als Erbin ausge flußreichen Äbtissinnen reichsunmittelba dehnten Grundbesitzes und reich dotierte rer Kanonissenstifte liudolfingischer Prove Witwe, als fromme Stifterin eines Frau nienz, seien es Mathilde (gest. 999) und enklosters und großzügige Mäzenin oder Adelheid (gest. 1044) in Quedlinburg, der (last but not least) als Äbtissin eines führen• oftmals für ottonische Hoftage und feierli den Reicbsklosters mit der Verantwortung che Repräsentation genutzten Pfalz, oder für familiäres 'Gebetsgedenken und Memo Sophia (gest. 1059) im Familienstift Gan rla.' Die Herrschaftsbeteiligung von Frauen dersheim, der überhaupt ältesten liudolfin aus der königlrchen Dynastie war im 10. und gischen Gründung. 11. Jahrhundert erstaunlich selbstverständ• Doch diese faszinierenden, politisch han lich, vielgestaltig und intensiv. Denken wir delnden Frauengestalten blieben nicht auf nur an die tatkräftigen Kaiserinnen Adelheid das Reich der Ottonen beschränkt. Die Töch- 11 ter König Heinrichs I. wurden nach Frank schung hat dies in den letzten Jahrzehnten, reich verheiratet, wo sie eigenständig politi angeregt durch die Historische Frauenfor sche Verantwortung übernahmen und kämp• schung und deren Weiterentwicklung zur ferisch für das Erbe ihrer unmündigen Söh• Geschlechtergeschichte, schrittweise er ne eintraten: Gerberga (gest. nach 968) als kannt und zumindest für die Ebene der Gemahlin und Witwe König Ludwigs IV. von Königsherrschaft zunehmend berücksichtigt. Frankreich, Hadwig (gest. nach 958) als Gat ....Beschäftigen soll uns deshalb keinesfalls tin und Erbin von dessen mächtigstem eine traditionelle Aufzählung bekannter Vasallen, Herzog Hugo von Francien. Und Frauengestalten und deren bemerkenswerter auch wenn die rechtlichen und gesellschaft Leistungen vor und nach der Jahrtausend lichen Voraussetzungen für eine nachhaltige wende. Zu fragen ist vielmehr nach Voraus Einflußnahme adeliger Frauen auf Politik setzungen und Gründen für derartige Wir und Herrschaftssicherung in England viel kungsmöglichkeiten und Handlungsspielräu• leicht weniger günstig waren, so verstanden me, die sich den Frauen des königlichen es die beiden angelsächsischen Königinnen Familienverbandes vielfach eröffneten: War Emma (gest. 1052) und Edith (gest. 1075), es die oft lange Lebensdauer dieser Frauen, freilich etwas später, dennoch, die be die dadurch, daß sie ihre Männer und Brüder schränkten Wirkungsmöglichkeiten klug zu gewöhnlich um viele Jahre überlebten, mit nutzen und zu erweitern.s Gerade die neue neuen Herausforderungen konfrontiert wur re Forschung spricht ferner der salischen den? Waren es Einfluß und Bedeutung der Kaiserin Agnes (gest. 1077), Gemahlin Hein Herkunftsfamilie, die weiterhin als Stütze für richs III. und Regentin für ihren unmündi• politische Aktivitäten im Reich fungieren gen Sohn Heinrich IV., beträchtliches politi konnte? War es die dynastiebildende Mutter sches Geschick zu.s Und hinter ihr dürften schaft, die im Falle eines männlichen Erben andere Herrscherinnen des salischen Hau zu freigebigen Landschenkungen des Gatten ses, erwähnt sei nur die als Fürsprechertri und zur langjährigen Regentschaft nach des einflußreiche Kaiserin Giseta (gest, 1045), sen unvorhergesehenem Tod führen konnte? kaum zurückgestanden haben." War es die führende Rolle am Hof und im Alle diese Frauen leisteten durch ihr Han Königreich, die den betreffenden Frauen eine deln und Nichthandeln, sei es durch Initiati neue Position als Herrin, Grundherrin und ve, Ratschlag oder unterstützenden Beistand, Mäzenin eröffnete? Oder war es das enge einen beachtlichen Beitrag zum Ausbau und Zusammenleben und Zusammenarbeiten des Erhalt von Macht und Herrschaft. Die For- Herrscherpaares im vertrauten Miteinander, 12 das durchaus einen "Eindruck der Einigkeit, sendwende und letzte der (um in der traditio des gemeinsamen Handeins und der Stärke'" nell männlichen Terminologie und Perspekti nach außen vermitteln konnte? ve zu bleiben) angeheirateten "Ottoninnen". Eine differenzierte Antwort auf all diese Einige Überlegungen zu Kunigundes Leben Fragen ist angesichts des aktuellen For und politischem Wirken sollen im folgenden schungsstandes zu faktischen und potentiel kurz die Handlungsmöglichkeiten und -gren len politischen Handlungsträgerinnen im zen einer Herrschergattin im Rahmen der Mittelalter sicherlich nicht sofort zu er Reichspolitik umreißen." Welche Handlungs warten. Zu wichtig sind weitere Faktoren spielräume besaß die Königin und spätere wie Einzelpersönlichkeit und individuelles Kaiserin? Auf welche Arten konnte sie ihren Schicksal, gesellschaftspolitisches Umfeld politischen Einfluß geltend machen? Welche und Stellung im Familienverband. Gleiches Bedeutung besaß ihr Handeln für die Herr Verhalten konnte auch verschiedene Wir schaftssicherung? Zu untersuchen sind unter kungen zeigen: Die Heirat, welche die diesen Fragestellungen insbesondere vier königliche Würde einer Frau gewöhnlich Faktoren, welche die politischen Möglichkei• etablierte, konnte Herkunfts- und Bestim ten entscheidend prägten: die Abstammung mungsfamilie verbinden, aber auch ent und Einbindung in die Herkunftsfamilie, die fremden. Mutterschaft konnte sowohl Rang Qualität der Teilhabe am Reich und die Wahr erhöhung bis zur Regentschaft als auch nehmung von Herrschaftsaufgaben, die Be mariengleiche Idealisierung bewirken. Kin deutung von Stiftungen und Gebetsvereini derlosigkeit konnte, aber mußte nicht Hei gungen sowie die Rolle während der Witwen ligkeit begründen helfen. Nur schwer zu schaft. Im Mittelpunkt der Analyse steht erfassen und am Einzelfall zu verifizieren Kunigunde als politische Handlungsträgerin. sind deshalb die verschiedenen Rollen einer Ausgeblendet bleiben soll die Frage nach der adeligen Dame, Ehefrau, Mutter, Königin Verwirklichung von Frömmigkeitsidealen und Kaiserin im Alltagsleben, denn selbst und den Gründen für die spätere Heiligspre Formulierungen in angeblich "objektiven" chung, die keineswegs einzigartig ist, son Rechtsdokumenten, die zumindest Ansprü• dern auch andere Herrscher und Herrsche che begründen halfen, waren oft weit von rinnen dieser Zeit kennzeichnet, wie die 1097 der Le benswirklichkeit entfernt.6 heiliggesprochene ottonische Kaiserin Adel Diese generellen Vorbemerkungen gelten heid oder den ebenfalls kinderlosen und auch für Kunigunde, Gemahlin Kaiser Hein 1161 kanonisierten angelsächsischen König richs 11., erste Kaiserin nach der Jahrtau- Eduard den Bekenner (gest. 1066). 15 l. Absta m m u ng und Herkunftsfamilie Abs tam m ung und Herkunftsfamilie waren ein wi chtiges Auswa hlk riterium bei mitte l alt erlich en Ehesch lie ß u ngen; gle ichzeit ig konnten sie di e Ste ll ung der Frau in Ehe und He rrsch aft bestimmen. Die Frage nach der Ein bindu ng in kognatis ch e und ag n atische Gruppen und n a ch dem Ein flu ß vo n Gr up penbindungen auf di e Politik e ntw ic kelte s ic h in den letzt en Jahrzehnten zu e ine m wi chtigen Fo rsch u ngsthem a, d e ssen Rele va n z ü be r di e Rekonstruktion ge nea logi scher Zu s ammenhäng e hinaus sch nell e r kann t und be vorzugt arn sozia le n Bezie hungsgefl e cht zwischen Mä n nern exempli fi zi ert wurde. Abe r auch für Fra uen bot da s ve rwa n dtsch af't.lic he und familiäre Bin dun gs gefüge e ine w ichtige Grundlage zur Durch s e tzun g ih rer Handlungs strategi en , obg le ic h s ic h d ie Angehö r ige n der Her kunftsfamili e - w ie im Fall der Kuni gunde n ic ht immer "ka r rie reförde r n d" ve r h ie lten. Dies konnte di e Ste ll ung der Fr a u a ls Ver bindungsgli ed zwi schen zwei Fa m ilienver bänden deutlich untergraben. Wie wirkten s ic h nun Abs ta m m u ng und Zu geh örigk eit z u e ine rn durch Geburt bestimmten Fa m ilie nverba nd bei Kunigunde a us? An de rs als ihre byzantinische Vorg ä n ge rin Theophanu , di e a ls Au ße nste he n de kein e eigenen fam ili ären Bindung en inner halh de s Rei ch es besaß und s ic h ihr Bezie - 14 Bischof hungsgeflecht erst langfristig aufbauen Arnulfus [von Metz] mußte, entstammte Kunigunde einem auf steigenden Geschlecht, das in der zweiten Ansigisus. sein Sohn Hälfte des 10. Jahrhunderts seine Besitzun gen und Rechte ausbauen und vor allem die Vogteien über die beiden bedeutenden Reichsklöster·Echternach und St. Maximin in Trier erwerben konnte." Umstritten sind Lothar[I.]. Ludwlg, König in Fran Beinamen König Ger die genealogischen Zusammenhänge der ken.ltalien der Tapferste maniens, und Burgund, [Hammer], großer Herzog önig Frühzeit dieses Hauses, insbesondere um {i8 !:: Hugo, Sohn Lothar[II.], Pippin, König LUdwig, Karlmann, Karl [111. , den Vater Kunigundes, sei es nun Siegfried I. des Königs. König der der Franken König der König von der Dicke],