Isenburger

Kammersängerin Anny Schlemm plaudert aus dem Nähkästchen „Ich wollte schon immer Sängerin werden“ Sängerin“ und er antwor tete: „Dann werde ich In- tendant.“ So kam es denn auch. Ihre Mutter, der Vater war noch in Kriegsgefangen- schaft, wollte allerdings, dass sie einen bürgerlichen Beruf erlernen sollte, wobei sie an Haushalts- und Gewerbelehrerin dachte. „Das war nicht mein Traumberuf“, sagt Anny Schlemm „und ich begann bei der Soubrette unseres Theaters Gesang zu studieren.“ Schließlich schrieb sie sich bei der Hochschule für Musik in ein und verrät: „Da bekam ich bessere Lebensmittelkarten.“ Als in Halle ein Operetten-Theater eröffnet wird, "UMMELN 3IE DURCH UNSERE ging sie ohne Wissen ihrer Mutter hin und stellte sich vor: „Da sollte ich in acht Tagen die Rolle der Valancienne aus der ,Lustigen Witwe‘ einstu- AU”ERGEWÚHNLICHE !USSTELLUNG IN dieren.“ Sigurd Balla, der Direktor der Hochschule, der sie EINEM EHEMALIGEN "ALLSAAL DES prüfte, empfahl ihr die Zerline aus „“ zu lernen, die Frau Schlemm dann zur Premiere *AHRES!UFàBERQM&LËCHEPRËSENTIEREN Von Heinz Schickedanz übernahm. Anwesend war Generalmusikdirektor Eigentlich sollte Kammersängerin Anny Schlemm Johannes Schüler von der Staatsoper Berlin, der sich WIR )HNEN DAUERHAFTE 7ERTE FàR|S EIGENE :UHAUSE dem Isenburger etwas über ihre Jugend in Neu- besonders für ,die Kleine‘ interessierte, sie zum Vor- Isenburg erzählen, doch es kam anders. Frau singen einlud und sie danach mit einen Vertrag an Schlemm, Isenburgerin mit Leib und Seele, kehrte die Staatsoper band. Das Schicksal war in der 1956 wieder in ihre Heimatstadt zurück, nachdem schweren Nachkriegszeit auf Seiten von Anny sie vier Jahre in lebte. Schlemm. Sie sang 1946 in Halle die Nanette im „Wildschütz“. Regie führte der Tenor Heinz Sauer- „Was soll ich viel erzählen. Ich war neun Jahre, als baum, der wiederum Kontakte zur Komischen Oper wir 1939 von Isenburg nach Zwickau zogen, wo in Ost-Berlin hatte, an der Walter Felsenstein Regie mein Vater ein Engagement als Bassist am Theater führte. „Felsenstein sucht eine ,Carmen‘, erfuhr ich, antrat. Er übergab seinen Friseursalon in der Hirten- „und ich sollte zum Vor singen kommen“, erzählt gasse an Georg Freudenberger und wir zogen nach Anny Schlemm. Aus der „Carmen“ wurde nichts, Sachsen, wie es auch die Oma wollte, die sagte, die doch der bekannte Regisseur „hatte etwas anderes“. Familie gehört zusammen“, meint Frau Schlemm. Das andere war die Viola in „Was ihr wollt“. Die Einige Erinnerungen aber gibt es doch: Da war die Aufführung war ein voller Erfolg für die junge Künst- Kranzbinderei Chantré als unmittelbarer Nachbar. lerin mit dem positiven Effekt, dass auch die Staats- „Das war in der Adventszeit immer sehr schön, oper nachziehen mußte und so sang sie den Oskar wenn die Kränze gebunden wurden und der Tan- im „Maskenball“ . nenduft bis zu uns herüber zog.“ Anny Schlemm wurde immer bekannter. 1951 sang Oder an die vielen Kunden, die zu den Schlemms sie in Köln in einer Rundfunkaufnahme mit dem in den Salon kamen und die sie „immer häbbelten“. Dirigenten wieder den Oskar. Außerdem (Ein Isenburger Ausdruck für „auf dem Schoß erfüllte sie bis 1952 ein Engagement an der Oper sitzen“.) in Köln. Was ihr noch einfällt: „Wir wären wahrscheinlich Zurück zu 1951: Auf Einladung sang die Künst lerin nicht mehr am Leben, wenn wir nicht nach Sachsen bei den Opern-Festspielen in München die Despina gezogen wären, denn unser Haus wurde beim Bom- in „Così fan tutte“. Georg Solti, weltbekannter benangriff 1943 total zerstört.“ Dirigent und Pianist, hörte Frau Schlemm und fragte: „Hätten Sie nicht Lust, mit nach Frankfurt Damit enden die Kindheitserinnerungen an Neu- -EHRFACH AUSGEZEICHNET ALS EINE Isenburg. Zwei Jahre Zwickau, dann erneuter zu kommen?“ Umzug nach Halle, „wo mein Vater ein weiteres Für Anny Schlemm ein verlockendes Angebot, doch DERBESTEN!DRESSEN$EUTSCHLANDS Engagement antrat“. Hier merkte die Familie nicht die politischen Verhältnisse in Ostdeutschland viel vom Krieg, der die ganze Welt erschütterte. Erst waren ihr zu riskant und sie hätte ihre Eltern gerne in der Schlußphase als sie im Süden von Halle wieder in ihrer Nähe gehabt. Sie erklärte Solti die FàR0LANUNGUND%INRICHTUNGMIT4OP wohnte und im Westen der Krieg sich immer deut- Situation und der handelte: „Mein Vater bekam ein licher meldete, wurde es brenzliger: „Die Amerika- Engagement in Frankfurt und die Familie konnte 3ERVICE AUS -EISTERHAND KÚNNEN WIR UNS VORSTELLEN ner haben uns erobert – dann kamen die Russen.“ 1952 ausreisen. Das werde ich Georg Solti nie Zuvor sollte die Mutter von Anny Schlemm noch vergessen . . .“ )HREN !NSPRàCHEN GERECHT ZU WERDEN kriegsdienstverpflichtet werden und in einer Frau Schlemm faßte in Frankfurt Fuß und war über Munitionsfabrik Granaten drehen. „Da gehe ich lange Jahre, unterbrochen von Gastspielen an nam- nicht hin“, war sich Frau Wilhelmina damals haften Häusern, eine der Spitzenkräfte an der Oper. klar, nahm eine Stelle im Theater an und brachte es Was sie nie wollte, war als freie Künstlerin zu arbei- noch bis zur Stadt-Oberinspektorin. ten: „Ich brauchte immer ein Nest in das ich mich Das Theater in Halle war zerstört und Anny Schlemm zurückziehen konnte.“ Heute hat sie ihr „Nest“ in Ma]jÛ=Y[`_]k[`^l]Ûmfl]jÛ]af]eÛ;Y[`‘ war als 14jähriges Mädchen dabei, als aus den der Graf-Folke-Bernadotte-Straße. Hier lebt sie mit =jYfc^mjl]jÛ JljÛ „Û¤Û„ƒÛ ’Û ƒ€ƒ€Û E]m¤@k]fZmj_ Trümmern die noch verwertbaren Ko stüme ge- ihrer hochbetagten Mutter Wilhelmina und sagt das borgen wurden. Da fragte sie der Schauspieler Karl Schönste, was man einer Mutter sagen kann: „Sie oooYZkgdml¤ZY\\]Û ’Û ooocm][`]¤YZkgdml\] Kendzia, was sie einmal werden wollte: „Ich sagte war immer für mich da und jetzt bin ich für sie da!“ =Yp‘Û ‡Ûƒ~ۇۤۄ~ۂƒÛ¤Û~~Û ’Û K]dÛ ‡Ûƒ~ۇۤۄ~ۂƒÛ¤Û‡ÛÛ