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Ines Spazier Die archäologischen Untersuchungen auf der Burg Henneberg in Südthüringen

Die archäologischen Untersuchungen auf der Burg Henneberg in Südthüringen

Topografische Situation in Veßra. Godebold II. strebte einen nieren, um darauf ein „Lusthaus“ zu 3 Henneberg liegt ca. 10 km südlich von geschlossenen Grundbesitz zwischen errichten . an der Straße von Würz- Schleusingen und Henneberg an. Da- burg nach Meiningen. Diese Straße mit geriet die Stammburg an den Rand ist ein alter Verkehrsweg zwischen der Herrschaft. Seit der zweiten Hälf- Die archäologischen Untersu- Mitteldeutschland und Franken. Die te des 12. Jahrhunderts gewannen die chungen Henneberger durch die Erbschaft der Burg Henneberg nimmt östlich des Seit 1845 wurden verschiedene Siche- Herrschaft Nordeck (Zella-Mehlis, gleichnamigen Ortes den sogenann- rungs- und Sanierungsarbeiten vorge- Thüringen) Einfluss nach Nordosten. ten Schlossberg ein, einen freiste- nommen. Ende des 19. Jahrhunderts Bis Mitte des 13. Jahrhunderts blieb henden Bergkegel aus Kalkstein. Mit hat man zahlreiche Fundamente durch der Besitz konstant. Das Grafenhaus 527 m ü. HN überragt er die umlie- den Landbaumeister Abesser ange- teilte sich aber bereits 1190 in die Li- gende Gegend um etwa 130 m. graben und in einem Lageplan ver- nien Henneberg sowie die Seitenli- Die Befestigung befindet sich auf zeichnet. In Zusammenhang mit die- nien Botenlauben und Strauf. Die erste einem von Norden nach Süden aus- ser Maßnahme wurde auch der kleine direkte urkundliche Erwähnung der gerichteten Bergsporn, der nach Sü- Rundturm auf der Hauptburg südlich Burg als castrum fällt in das Jahr 1221. den flach ausläuft, sonst steil abfällt. des Palas wieder errichtet. Weitere Das Plateau wird vollständig von ei- Von 1220 bis 1274 erfolgte eine kurze Untersuchungen führte F. Tenner, ner Ringmauer umgeben. Diese um- Blütezeit der Burg unter Poppo VII., damaliger Leiter des Hennebergisch- schließt ein Areal von 120 m (Nord/ der mit Jutta, der Witwe Dietrichs des Fränkischen Geschichtsvereins, in Süd) x 65 m (West-Ost), das sich nach Bedrängten, Markgraf von Meißen den Jahren von 1935 bis 1936 durch. Süden in seiner Ost-West-Ausdeh- (1195 bis 1221), verheiratet war. Das Er dokumentierte die Fundamente ei- nung auf 20 m einengt. Die gesamte 13. Jahrhundert wurde von einer regen ner Tors und einer Kemenate.4 Anlage ist von einem Graben-Wall- Bautätigkeit auf der Burg begleitet, die Nach Öffnung der innerdeutschen System umgeben und wird im Süden archäologisch gut belegbar ist. Grenze, in dessen Sperrgebiet die durch zwei weitere Gräben und Wälle Burgruine lag, fanden zwischen 1992 verstärkt (Abb. 1). Im Jahre 1246 trennte sich unter und 1995 vier Ausgrabungskampag- Hermann I. die Nebenlinie ab. nen unter Leitung des Thüringischen 1274 erfolgte die Teilung der Graf- Landesamtes für Denkmalpflege und Historischer Abriss schaft in die Linien Schleusingen, Archäologie (TLDA) im Nordwesten Die Ersterwähnung der Henneber- der Burg statt. Dabei wurde eine Flä- Aschach und Hartenberg-Römhild. Als 2 5 ger wird in das Jahr 1096 datiert, als die Linie Hartenberg erlosch, fiel der che von ungefähr 750 m untersucht . Godebold II., Graf von Henneberg, Besitz an Aschach. Mit der Teilung der Im Jahre 2001 veranlasste die Stiftung einem Tauschgeschäft zwischen dem Grafschaft verlor die Henneburg ihre Thüringer Schlösser und Gärten eine Hochstift Würzburg und dem unweit Bedeutung als Residenz. Unter Ber- Sanierung der südöstlichen Ringmau- Schwäbisch-Hall gelegenen Bene- thold VII. (1284 bis 1342) verlagerte er. Bei den Untersuchungen durch das diktinerkloster Comburg beiwohnte1. sich die Herrschaft samt dem Burgsitz TLDA 2001/2002 wurden das Fun- Der Grundbesitz der Herrschaft baute dament eines Rundturms und weitere nach Schleusingen. Dennoch sprechen 6 sich auf den Besitztümern der Baben- Um- und Ausbaumaßnahmen auf der Mauerfundamente freigelegt . berger (Burg , Franken) auf, Burg dafür, dass ein Bedeutungsver- Die Untersuchungen brachten vor von denen Poppo I. abstammte. Ihre lust nicht mittelbar spürbar wurde. Im allem neue Erkenntnisse zur Bebau- Reichslehen lagen im Thüringer Wald Jahre 1393 wurde ein Teil der Burg als ung der Burg im 11./12. Jahrhundert, von der Schleuse bis zur Hasel sowie Mitgift an die Linie Henneberg-Röm- die nachfolgend kurz vorzustellen beim Schloss Lichtenberg nebst zu- hild verpfändet und verblieb dort bis sind. gehörigem Umland. Außerdem hat- zu deren Erlöschen. Weitere Baumaß- ten die Henneberger seit dem späten nahmen sind für die Jahre von 1453 bis 11. Jahrhundert bzw. seit 1102 das 1516 überliefert. Nach Aussterben der Die Erstbesiedlung der Henne- Würzburger Burggrafenamt und die Linie Aschach fiel das Gebiet 1549 an burg Würzburger Hochstiftsvogtei inne die Linie Schleusingen. Im Jahre 1583 Der Berg wurde bereits in der Hall- und mit der Wahrnehmung dieser starb diese mit Georg Ernst, Graf von stattzeit (Ha C2/D1) vom Ende des 7. Reichsämter Einfluss auf die Reichs- Henneberg-Schleusingen, im Man- bis Anfang des 6. Jahrhunderts auf- politik. Unter Godebold II. († 1144)2 nesstamm aus. Seit 1576 erfolgten gesucht. In nahezu allen Bereichen wurde der Grundstein für die Bedeu- partielle Abrissarbeiten am Bergfried. der Grabungsflächen konnte als un- tung des Henneberger Grafenhauses Die Burg wurde aber teilweise noch terster Horizont eine flächendeckende gelegt. Er verschob den Schwer- bis zum beginnenden 17. Jahrhun- Siedlungsschicht festgestellt werden. punkt seiner Herrschaft nach Osten. dert bewohnt. Danach fiel die Anlage Ein im Süden vorgefundener Graben In diesem Zusammenhang erfolgte wüst. 1784 ließ Herzog Georg I. von von 1,40 m Breite und ein schmales 1131 die Gründung des Hausklosters Sachsen-Meiningen den Burghof pla- Palisadengräbchen mit einer Pforte

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Abb. 1. Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmal- kalden-Meiningen, Grabungsplan: 1 Palas 9 x 14 m (13. Jh.); 2 quadratisches Gebäude von 9 x 9 m (11./12. Jh.); 3 quadratischer Turm von 10 x 10 m (11./12. Jh.); 4 Rundturm (13. Jh., um 1880 wieder errichtet); 5 Bergfried (13. Jh.); 6 Baugrube (11./12. Jh.); 7 Rundturm (11./12. Jh.) (Vermessungsgrundlage Firma Langlotz aus Vacha/Thüringen, Bearb. der Grabungs- unterlagen von Thomas Spazier).

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Abb. 2. Henneberg, Burgruine, Ldkr. -Meiningen, Nordwestecke des quadratischen Gebäudes (9 x 9 m) in Opus-spicatum-Bauweise. Dieses wird vom Palasgebäude des 13. Jahrhunderts geschnitten. Abb. 3. Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen, das nahezu vollständig freigelegte Turmfundament (11./12. Jh.) an der Südspitze der Burg. im Norden des Plateaus sowie zahl- ken. Aus der Literatur sind einige in er vollständig sowie Abschnitte der reiche Pfosten erlauben, von einer be- den Maßen vergleichbare Baukörper anschließenden Ost- und Westmauer festigten Höhensiedlung zu sprechen. zu erschließen. Hierzu zählt ein 1910 in Teilen ergraben. Seine Mauerdicke Eine jüngst verfasste Magisterarbeit freigelegtes Gebäude mit Schlitzfens- betrug im Fundament 1,60 bis 1,75 wertet die Ergebnisse der urgeschicht- tern von der Hünenburg9 bei Bad Pyr- m. Der Turm wurde aus kleinteiligem lichen Höhensiedlung umfassend mont, Ldkr. Hameln-Pyrmont, das mit Kalksteinquadermauerwerk errichtet aus7. 9 x 9 m Größe und 80 cm Mauerdicke und war im Erdgeschoss mit Kalk- dem hier vorgestellten recht gut ent- steinplatten ausgelegt (Abb. 1, Nr. 3). spricht. Allerdings wurde der Befund Eine Eingangssituation konnte nicht Die Bebauung im 11./12. Jahr- vom Pyrmonter Königsberg aus Qua- festgestellt werden. hundert dermauerwerk errichtet. Dieses Bei- Der Turm ist mehrfach als typisch Wahrscheinlich in der ersten Hälfte spiel zeigt jedoch, dass es sich bei dem für den deutschsprachigen Raum im Henneberger Gebäude auch um einen 11. und in der ersten Hälfte des 12. des 11. Jahrhunderts erfolgten eine 10 Planierung des Burgbergs und eine Steinbau gehandelt haben könnte. Jahrhunderts bezeichnet worden . erste Besiedlung. Im Übergang vom Knapp 7 m südlich des Opus-spi- Aus dem der Grafschaft Henneberg 11. zum 12. Jahrhundert kam es im catum-Gebäudes schloss ein qua- unmittelbar benachbarten Herr- Nordwesten der Burg zu einer durch- dratischer Turm mit Hocheingang schaftsgebiet der Ludowinger sind und einer Seitenlänge von 10 x 10 im 11./12. Jahrhundert keine solchen greifenden komplexen Umgestaltung. 11 Als zentraler Baukörper einer mut- m den wahrscheinlichen Hofbereich Turmbauten überliefert . maßlichen Hofbebauung wurde ein ab. Von ihm wurden die Nordmau- An der Südspitze der Burg konnte quadratisches Gebäude von 9 x 9 m Seitenlänge und 70 bis 80 cm Mau- erdicke in Opus-spicatum-Technik Abb. 4. Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen – der Rundturm errichtet (Abb. 1, Nr. 2; Abb. 2)8. Zu (11./12. Jh.) wurde von der spätmittelalterlichen Ringmauer überbaut. diesem annähernd von Norden nach Süden gerichteten Bau, von dem zwei bis drei Steinlagen erhalten geblie- ben sind, scheint auch ein gemörtelter Fundamentblock unklarer Funktion (eventuell ein Treppenfundament?) gehört zu haben. Spuren eines Zu- gangs fanden sich nicht. Aufgrund der bescheidenen Mauerdicke kann davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um einen Turm, sondern vielmehr um ein Wohn- oder Wirt- schaftsgebäude gehandelt hat. Eine in Resten erhaltene Lage von hori- zontalen Steinplatten, die das Funda- ment nach oben hin abschloss, lässt an einen aufliegenden Schwellbalken und damit eine mögliche Fachwerk- konstruktion im Aufgehenden den-

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zum Abrutschen einer ersten Befesti- gungsmauer(?). Somit stand der Turm direkt an der Felskante und wurde aus diesem Grund aufgegeben und abge- tragen (Abb. 4). Ein Vergleichsbei- spiel aus dem Herrschaftsgebiet der Henneberger scheint erwähnenswert: In Oberfranken in Stadtsteinach, Ldkr. Kulmbach, befindet sich die Burgru- ine Nordeck mit einem Turm, der am Rand einer zweigliedrigen Burg den dortigen Eingang sicherte13. Er hat einen Außendurchmesser von 11 m, bei einer Mauerdicke von 2,40 m und einen Innendurchmesser von 6,20 m. Der Turm weist drei Bauphasen auf, wobei die älteste anhand des Klein- quadermauerwerks in Verbindung mit dem Durchmesser des Turms und der Mauerdicke als salischer Rundturm Abb. 5. Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen, der im 13. Jahr- gedeutet werden kann14. Die Burgan- hundert errichtete Rundturm, der der spätmittelalterlichen Palas-Erweiterung lage in Nordeck wird 1151 erwähnt, weichen musste. als die Grafen von Henneberg sie an das Hochstift Bamberg verkauf- ten. Die gleichen Merkmale beider 2001/2002 das vollständige Fun- in Opus-spicatum-Bauweise gefer- Burgtürme in Henneberg und Stadt- dament eines Rundturms freigelegt tigt. Die Zwischenräume waren mit steinach sowohl nach ihrer Lage im werden. Der Turm hat einen Außen- Kalkschotter bzw. feinem Kalkstaub Gelände, nach ihrer Größe und ihrer durchmesser von 11,70 m und einen verfüllt. Das Fischgrätenmauerwerk Zeitstellung sprechen dafür, dass die Innendurchmesser von 6,20 m. Die war im Aufgehenden teilweise an Henneberger Burg Nordeck nach dem Mauerdicke betrug maximal 2,70 m der Außenschale sichtbar. Zahlreiche Muster der Stammburg errichtet wor- (Abb. 1, Nr. 7; Abb. 3). Die Fun- Fundschichten datieren sowohl den den ist. Es erstaunt, dass im 11. Jahr- damentreste waren partiell bis in Nutzungs- als auch Abbruchzeitraum hundert einheitliche Planungen zum einer Höhe von etwa 60 bis 80 cm des Turms an das Ende des 12. Jahr- Aufbau der Burgen genutzt worden erhalten. Es handelte es sich um ein hunderts. Seine Erbauung erfolgte si- sind. 12 Schalenmauerwerk. Die Innen- und cher zu Beginn des 11. Jahrhunderts . Zeitgleich mit dem Rundturm exis- Außenschale war aus einreihigen, Das Turmfundament wurde von der tierte direkt westlich eine 2,20 m brei- geschichteten Kalksteinen gearbeitet. südlichen Ringmauer überzogen. te Grube (Abb. 1, Nr. 6). Sie war in Das Füllmauerwerk bestand ebenfalls Wohl im 12. Jahrhundert kam es zum ihrer Nord-Süd-Ausdehnung 9 m lang aus plattigen Kalksteinen und war Abbruch der Felskante und damit auch und knickte nach Westen auf einer Länge von 5 m ab. Sie war mit Mörtel, klein geschlagenen Kalksteinen, ver- Abb. 6. Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen, Bergfried. ziegeltem Lehm, Holzkohle und Ke- ramikscherben des 12. Jahrhunderts verfüllt und diente als Baugrube zum Behauen der Kalksteine und Herstel- len des Mörtels15.

Die Bebauung ab dem 13. Jahrhundert Der quadratische Baukörper von 9 m Seitenlänge musste in den ersten Jahr- zehnten des 13. Jahrhunderts schließ- lich einem repräsentativen Saalbau (Palas) von 9 x 14 m weichen. Zum Palas gehörte im Norden ein turmar- tiger Anbau (Abb. 1, Nr. 1). Direkt im Süden schloss der kleine Rundturm an, der Ende des 19. Jahrhunderts von E. Abesser „wieder errichtet“ worden war (Abb. 1, Nr. 4; Abb. 5). Dieser

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Abb. 7. Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen, spätmittelal- terliche, rotbraun bemalte Keramik. Abb. 8. (oben rechts) Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen, Fingerringe aus verschieden farbigem Glas. Abb. 9. (rechts) Henneberg, Burgruine, Ldkr. Schmalkalden-Meiningen. Auf einem vergoldeten Amulett befand sich das Abbild einer Henne, das Wappentier des gleichnamigen Adelsgeschlechtes.

Bauphase zuzurechnen ist ein Fußbo- deren Apsis heute noch sichtbar ist. denfundament, das aus schräg gemör- Die Kapelle diente lange Zeit auch teltem Kalksteinbruch und zugearbei- dem Ort Henneberg als Pfarrkirche. teten Sandsteinplatten bestand. Eben- Die Turmruine soll noch bis ins 19. falls im 13. Jahrhundert wurde der Jahrhundert zugänglich gewesen sein. im Nordosten liegende Bergfried im Der Palas wurde im Spätmittelalter Zusammenhang mit der Verlagerung (15. Jahrhundert) noch einmal um- des Zugangs zur Burg im Nordosten gestaltet und auf 12 x 21 m erwei- errichtet (Abb. 1, Nr. 5; Abb. 6). tert. Das Erdgeschoss hat man mit Im Süden fand Anfang des 13. Jahr- einer sich zum Innenhof öffnenden hunderts nach Abbruch des Turms Arkadenreihe ausgestattet. In diesem und Schließung der Ringmauer erneut Zusammenhang fiel der im 13. Jahr- mer zerscherbt und meist im strati- eine rege Bautätigkeit statt. Der Turm- hundert erbaute Rundturm der spät- grafischen Zusammenhang gesichert. stumpf wird im Westen bzw. Südwes- mittelalterlichen Palas-Erweiterung Neben hart gebrannter, grauer Irden- ten von drei Mauern überlagert, die zum Opfer. Im 15. Jahrhundert wur- ware tritt ab dem 15. Jahrhundert alle drei in ihrer Entstehung in das den noch andere Gebäude vollständig auch helltonige Keramik mit rot- 13. Jahrhundert gestellt werden kön- abgetragen und mit diesem Baumate- brauner Bemalung auf (Abb. 7). Die nen und bis ins 14./15. Jahrhundert in rial große Teile der Ringmauer neu Kleinfunde sind besonders reichhaltig Funktion waren. Hierbei handelte es errichtet; vor allem im Osten sprechen und repräsentieren das Henneberger sich um Schalenmauerwerk, dessen sekundär verbaute romanische Spo- Grafenhaus. Zu nennen sind neben Innen- bzw. Außenschale aus in röt- lien dafür. Wenige Reste der roma- zahlreichen Gegenständen aus Eisen, lichem Lehm gesetzten Kalksteinen nischen Ringmauer sind bis heute wie Baubeschläge, Sporen, Hufeisen, bestand (wohl vom Abbruchmaterial erhalten geblieben. Pfeilspitzen u. a., auch Gegenstände des Turms); das Innere war mit klei- aus Buntmetall, Würfel, bleiglasier- nen Bruchsteinen und Lehm verfüllt. tes Spielzeug, Schmuckgegenstände, Bei dem Befund könnte es sich um die Das Fundmaterial wie bronzene Ohrringe, Ketten und Reste eines rechteckigen Gebäudes Das geborgene Fundmaterial ist sehr Fingerringe aus Glas (Abb. 8). Als von ca. 5 x 6 m Grundfläche handeln. vielschichtig. Neben den oben er- besonderer Fund wird ein vergoldetes wähnten hallstattzeitlichen Funden Amulett mit der Darstellung einer Für das Jahr 1308 ist ein durch Blitz- datieren die mittelalterlichen und neu- Henne vorgestellt, welches sich als schlag ausgelöstes Feuer mit dem Teil- zeitlichen ab dem 11. bis in das 16./17. Wappentier der Henneberger in Fund- einsturz eines Gebäudes urkundlich Jahrhundert. Neben Keramikscherben schichten des 13. Jahrhunderts befand überliefert. Mit höchster Wahrschein- ist ein äußerst umfangreicher Kom- (Abb. 9). lichkeit handelt es sich um den 10 x plex an Tierknochen zu erwähnten, 10 m großen Wohnturm. Der Stumpf der im letzten Jahr am Thüringischen des Turms wurde dann zumindest im Landesamt für Denkmalpflege und Zusammenfassung Erdgeschoss zu einer der Heiligen Ka- Archäologie umfassend untersucht Die Henneburg liegt auf einem von tharina geweihten Kapelle umgebaut, worden ist. Die Keramik ist fast im- Norden nach Süden ausgerichte-

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ten Bergsporn, der sich nach Süden 525,0 m ü. HN; Süd bei 521,0 bis 9 bzw. 10 m errichtet. Wahrscheinlich stark verengt. Der Burgberg fällt au- 522,0 m ü. HN) gestattet eine zwei- durch einen Felsabsturz der südlichen ßer gegen Süden allseitig steil ab. Er gliedrige Burganlage anzunehmen, Bergspitze kam es Ende des 12. Jahr- wird von einem Wall-Graben-System die durch die Beschaffenheit des hunderts zur Neugestaltung der Burg- umgeben, das nach Süden zusätzlich Burgplateaus vorgegeben war. Im anlage. Der Zugang zur Burg war ver- durch Gräben und Wälle gesichert ist. Süden befand sich die tieferliegende, stürzt; der Rundturm stand nun an der Bereits in der Hallstattzeit wurde der recht schmale Vorburg; der Norden Felskante und wurde abgetragen. Bei Bergkegel aufgesucht und als Höhen- wurde von der Kernburg eingenom- der Umgestaltung der Burg wurde der siedlung genutzt. Ein nächster Sied- men. Ursprünglich erfolgte der Zu- Zugang nach Nordosten verlegt. In lungsnachweis ist erst ab Anfang des gang zur Burg von Süden über die Vor- diesem Zusammenhang hat man im 11. Jahrhunderts bekannt. Der durch burg, an deren Spitze ein Rundturm Nordosten den Bergfried errichtet. Es die archäologischen Grabungen fest- stand. Währenddessen wurden im Be- kam Anfang des 13. Jahrhunderts zu gestellte Höhenunterschied des anste- reich der Kernburg zwei quadratische einer Neubebauung der Burganlage henden Felsens (Nord bei 524,50 bis Gebäude mit einer Seitenlänge von mit Palas, Kapelle und Bergfried.

Anmerkungen Abbildungsnachweis: Abb. 2-9, Foto- 6 Ralf Küchenmeister, Ausgrabungen auf Geschichte 109), Darmstadt/Marburg archiv Thüringisches Landesamt für der Burg „Henneburg“, Lkr. Schmal- 1998, S. 57–58; Hans-Wilhelm Heine, Denkmalpflege und Archäologie. kalden-Meiningen. In: Ausgrabungen Burgen in Niedersachsen (wie Anm. 9), und Funde im Freistaat Thüringen 6, S. 61, Abb. 42–45; Herbert Küas, Reste 2001/2002, S. 35–43; Ines Spazier, Der eines Burgturmes des 11. Jahrhunderts 1 Heinrich Wagner, Zur urkundlichen alte Turm der Henneburg. In: Jahrbuch auf dem Burgberg zu Meißen. In: Ausgra- Erstnennung des Namens Henneburg. 2004 des Hennebergisch-Fränkischen bungen und Funde 5, 1960, S. 94–98; zu- In: Jahrbuch 1996 des Hennebergisch- Geschichtsvereins, Bd. 19, Kloster Veß- sammenfassend unlängst Yves Hoffmann, Fränkischen Geschichtsvereins, Bd. 11, ra, Meiningen/Münnerstadt 2004, S. Zur Datierung von Wohntürmen und Wissenschaftliche Festschrift zum Ju- 23–36; dies., Die archäologischen Un- Bergfrieden des 11. bis 13. Jahrhunderts biläum „900 Jahre Henneberger Land tersuchungen auf der Burg Henneberg. auf sächsischen Burgen. In: Historische 1096-1996“, Kloster Veßra, Meiningen/ In: Burgen in Thüringen – Geschichte, Bauforschung in Sachsen, Dresden 2000, Münnerstadt 1996, S. 25–32. Archäologie und Burgenforschung (Jahr- S. 47–58; Uwe Lobbedey, Nordrhein- 2 Heinrich Wagner, Entwurf einer Genealo- buch der Stiftung Thüringer Schlösser Westfalen. In: Burgen in Mitteleuropa. gie der Grafen von Henneberg. In: Jahr- und Gärten 10), 2007, S. Ein Handbuch, Bd. 2: Geschichte und buch 1996 (wie Anm. 1), S. 33–152. 22–30. Burgenlandschaften, Stuttgart 1999, S. 3 Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 7 Kevin Bartel, Henneburg und Heldburg 136; Horst Wolfgang Böhme, Burgen der 9: Thüringen. Hrsg. von Hans Patze/Pe- – Zwei ältereisenzeitliche Höhensied- Salierzeit in Hessen, in Rheinland-Pfalz ter Aufgebauer, Stuttgart 1989; Günther lungen in Südthüringen, unpubl. Magis- und im Saarland. In: ders. (Hrsg.), Burgen Wölfing, Die Grafen von Henneberg – ihre terarb. an der Otto-Friedrich-Universität der Salierzeit, Tl. 2, In den südlichen regionale und nationale Bedeutung. In: Bamberg 2011. Landschaften des Reiches, Sigmaringen Jahrbuch 1996 (wie Anm. 1), S. 9–24. 8 Ausführungen zur Opus-spicatum- 1991, S. 16–17, Abb. 8. 4 Friedrich Tenner, Die Burg Henneberg. Bauweise vgl. bei Ines Spazier/Heiner 11 G. Strickhausen, Burgen der Ludowinger Stammsitz des Hennebergischen Grafen- Schwarzberg, Die Burg Henneberg/Süd- (wie Anm. 10), S. 57–58. hauses. Meiningen 1936 (Schriftenreihe thüringen im 11. und 12. Jahrhundert. In: 12 I. Spazier/H. Schwarzberg, Die Burg Hen- des Hennebergisch-Fränkischen Ge- Neue Forschungen zum frühen Burgen- neberg (wie Anm. 8), S. 198, Abb. 12. schichtsvereins 1). bau (Forschungen zu Burgen und Schlös- 13 Kai-Thomas Platz, Burgruine Nordeck 5 Christoph Wojaczek, Die Burg Henne- sern 9), Berlin 2006, S. 187–204 (insb. bei Stadtsteinach – Neues zu einer alt- berg. In: Südliches Thüringen, Stuttgart S. 191 ff.). bekannten Ruine. In: Das archäologische 1994, S. 222–227 (Führer zu archäolo- 9 Hans-Wilhelm Heine, Burgen in Nie- Jahr in Bayern 2000, 2001, S. 140–143. gischen Denkmälern in Deutschland 28); dersachsen. Ein Überblick. In: Burgen 14 Joachim Zeune, Wohntürme in Bayern. Heiner Schwarzberg, Ausgrabungen auf der Salierzeit, hrsg. von Horst Wolfgang In: Heinz Müller (Hrsg.), Wohntürme. der Burg Henneberg, Lkr. Schmalkalden- Böhme, Tl. 1: In den nördlichen Land- Sonderheft der Zeitschrift Burgenfor- Meiningen. Vorbericht. In: Ausgrabungen schaften des Reiches, Sigmaringen 1991, schung aus Sachsen, Langenweißbach und Funde 40, 1995, S. 265–272; ders., S. 73–75, insb. Abb. 55, 56. 2002, S. 29–40. Die Ausgrabungen auf der Burg Henne- 10 Gerd Strickhausen, Burgen der Ludowin- 15 Joachim Zeune, Burgen – Symbole der berg. Vorbericht der Kampagnen 1992- ger in Thüringen. Studien zu Architektur Macht. Ein neues Burgenbild der mittel- 1995. In: Jahrbuch 1996 (wie Anm. 1), S. und Landesherrschaft im Hochmittelalter alterlichen Burg, Darmstadt 1997, S. 143. 153–168. (Quellen und Forschungen zur hessischen

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