ISSN 0259-7446 EUR 6,50 medienmedien Kommunikation in Vergangenheit und Gegenwart && zeitzeit

Thema: Afrikanisch-Europäische Medienbeziehungen

Imperiale Kommunikationsarbeit

Von Lumumba bis Ebola

Dekolonisierung des Blicks

International News Reporting in the Multidimensional Network

Against the Hypothesis of a China-EU Collaboration in

Research Corner: Eine Zeitung für Tibet 22/2016/2016 Jahrgang 31

m&z 2/2016 medien & zeit

Impressum

MEDIENINHABER, HERAUSGEBER UND VERLEGER Verein „Arbeitskreis für historische Kommunikationsforschung (AHK)“, Währinger Straße 29, 1090 Wien, Inhalt ZVR-Zahl 963010743 http://www.medienundzeit.at © Die Rechte für die Beiträge in diesem Heft liegen beim „Arbeitskreis für historische Kommunikationsforschung (AHK)“ HERAUSGEBERINNEN Barbara Metzler, Erik Bauer, Christina Krakovsky REDAKTION BUCHBESPRECHUNGEN Gaby Falböck, Roland Steiner, Thomas Ballhausen Imperiale Kommunikationsarbeit REDAKTION RESEARCH CORNER Zur medialen Rahmung von Mission im 19. Erik Bauer, Christina Krakovsky, Barbara Metzler, LEKTORAT & LAYOUT und 20. Jahrhundert Diotima Bertel, Julia Himmelsbach, Barbara Metzler, Judith Rosenkranz; Richard Hölzl 3 Diotima Bertel PREPRESS Grafikbüro Ebner, Wiengasse 6, 1140 Wien, Von Lumumba bis Ebola VERSAND ÖHTB – Österreichisches Hilfswerk für Taubblinde und Standarderzählungen in der österreichischen hochgradig Hör- und Sehbehinderte Afrika-Berichterstattung (1960-2015) Werkstätte Humboldtplatz 7, 1100 Wien, ERSCHEINUNGSWEISE & BEZUGSBEDINGUNGEN Martin Sturmer 18 medien & zeit erscheint vierteljährlich gedruckt und digital. Heftbestellungen: Einzelheft (exkl. Versand): 6,50 Euro Dekolonisierung des Blicks Doppelheft (exkl. Versand): 13,00 Euro Jahresabonnement: Julia Dittmann 32 Österreich (inkl. Versand): 22,00 Euro Ausland (inkl. Versand auf dem Landweg): 30,00 Euro Jahresabonnement für StudentInnen: Österreich (inkl. Versand): 16,00 Euro International News Reporting in the Ausland (inkl. Versand auf dem Landweg): 24,00 Euro Multidimensional Network Info und Bestellung unter [email protected] sowie auf http://www.medienundzeit.at The socio-demographics, professional culture Bestellung an: medien & zeit, Währinger Straße 29, 1090 Wien and news work of foreign correspondents oder über den gut sortierten Buch- und Zeitschriftenhandel working across Sub-Saharan Africa ADVISORY BOARD Prof. Dr. Stefanie Averbeck-Lietz (Bremen), Paulo Nuno Vicente 43 Prof. Dr. Markus Behmer (Bamberg), Dr. Thomas Birkner (Münster), Prof. Dr. Hans Bohrmann (Dortmund), Against the Hypothesis of a China-EU Prof. Dr. Rainer Gries (Jena, Wien), Univ.-Prof. Dr. Hermann Haarmann (Berlin), Collaboration in Africa Prof. Dr. Susanne Kinnebrock (Augsburg), Adams Bodomo 52 Univ.-Prof. Dr. Arnulf Kutsch (Leipzig), Prof. Dr. Maria Löblich (Berlin), Univ.-Prof. Dr. Ed Mc Luskie (Boise, Idaho), Dr. Corinna Lüthje (Rostock), Research Corner Prof. Dr. Rudolf Stöber (Bamberg), Prof. Dr. Martina Thiele (Salzburg) VORSTAND DES AHK: Eine Zeitung für Tibet Dr. Gaby Falböck (Obfrau) Der yul phyogs so so’i gsar ‘gyur me long Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Duchkowitsch (Obfrau-Stv.) a.o. Univ.-Prof. Dr. Fritz Hausjell (Obfrau-Stv.) (1925-1963) Mag. Christian Schwarzenegger (Obfrau-Stv.) Mag. Christina Krakovsky (Geschäftsführerin) Anna Sawerthal 58 Barbara Fischer, Bakk. (Geschäftsführerin-Stv.) Dr. Norbert P. Feldinger (Kassier) Mag. Bernd Semrad (Kassier-Stv.) Mag. Diotima Bertel (Schriftführerin) Rezensionen 68 Irina Pöschl, Bakk. (Schriftführerin-Stv.) Mag. Roland Steiner Ing. MMag. Dr. Johann Gottfried Heinrich, BA Dr. Erich Vogl

1 ISSN 0259-7446 m&z 2/2016

Editorial

„In your text, treat Africa as if it were one country“ Weißsein ein, die bis in die heutige Zeit als Grund- (Wainaina, 2012) – was der kenianische Autor und lage für gesellschaftliche Privilegien und Machtpo- Gründer des Literaturmagazins Kwani Binyavanga sitionen wirken. In profunder Auseinandersetzung Wainaina in seiner satirischen Gebrauchsanweisung mit den Filmen Die weiße Massai (2005) sowie La How to Write about Africa SchriftstellerInnen emp- Noire de… (1966) dekonstruiert Dittmann Stereo- fiehlt, wird in Medienbeiträgen zu Afrika beständig type der vorherrschenden Rollenbilder. umgesetzt. Wenngleich die Berichterstattung zum In einer empirischen Analyse untersucht Paulo afrikanischen Kontinent und ihre Kontextbedin- Nuno Vicente professionelle Kulturen sowie Rah- gungen, zumindest im deutschsprachigen Raum, menbedingungen von in afrikanischen Ländern keineswegs intensiv erforscht sind, (Behmer, 2014, stationierten KorrespondentInnen. Besonderes S. 18) besteht zu ihrer Ausgestaltung ein wissen- Augenmerk liegt dabei auf durch Recherchemög- schaftlicher Common Sense: Der Kontinent wird lichkeiten dynamischer gewordenen medialen Pro- medial undifferenziert als homogene Einheit voller duktionen, aber auch partizipativer Einbindung Probleme dargestellt, die eurozentristische Bericht- von LeserInnen im digitalen Zeitalter, wodurch erstattung konzentriert sich vorwiegend auf die Vicente einen bevorstehenden Paradigmenwechsel „4Ks“ – Kriege, Korruption, Krankheiten und Ka- der internationalen Berichterstattung ausmacht. tastrophen. Das alltägliche Leben wird dabei meist Schließlich kritisiert Adams Bodomo in seinem ebenso ausgeblendet wie positive Entwicklungen, Aufsatz die sogenannte „Win-Win-Win-Hypothe- die von AfrikanerInnen initiiert wurden. Vielmehr se“ und geht damit auf die Kooperation von Afrika, werden diese als passive HilfeempfängerInnen ge- China und der EU ein. Bodomo identifiziert nicht zeichnet, die auf ihre Rettung durch den helfenden nur eine Schieflage auf Kosten der afrikanischen Westen warten (Tatah, 2014). Seite, sondern stellt ein Modell für eine Zusam- Dieser Umstand hat lange Tradition, die Richard menarbeit im Sinne einer „Africa-driven Win for Hölzl beleuchtet, indem er das Kommunikati- All“-Hypothese vor. onsregime europäisch christlicher Missionen ab In der Rubrik Research Corner verschafft Anna den 1830ern in Afrika aufzeigt. Der Historiker Sawerthal Einblicke in ihr laufendes Dissertati- zeichnet ein detailliertes Bild der publizistischen onsprojekt, in dem sie die Adaption der Presse für und kommunikativen Prozesse vor allem des 19. ein tibetisch-sprachiges Publikum anhand der zwi- Jahrhunderts – durch den eingeführten Begriff der schen 1925-1963 erschienenen Zeitung yul phyogs „Imperialen Kommunikationsarbeit“ erweitert er so so’i gsar ‘gyur me long untersucht. das Fachvokabular durch eine praxeologische Sicht und erfasst gleichzeitig die Beziehung zwischen Mit vorliegender Schwerpunkt-Ausgabe möchten Kolonie und Metropole. Nicht zuletzt durch das wir den LeserInnen eine, im deutschsprachigen gewählte Fallbeispiel Pauli Hololas, eines Lehrers Raum, unterrepräsentierte Thematik näher brin- und Missionars welcher um 1880 in der portugie- gen und wünschen eine anregende Lektüre. sischen Kolonie Ostafrika geboren wurde, leistet Hölzl einen eindrucksvollen Beitrag zur Sichtbar- Barbara Metzler, Erik Bauer & keit nicht-europäischer IntermediärInnen. Christina Krakovsky An das Ende des Kolonialismus knüpft Martin Sturmer in seinem Beitrag zur österreichischen Be- Bibliographie: richterstattung über den Kontinent Afrika seit den Behmer, M. (2014). Afrikanische Impressionen – Ein 1960er Jahren bis in die Gegenwart an. Mithilfe Streifzug durch Forschung und Berichterstattung. von zahlreichen Pressebeispielen gelingt es Sturmer In: Tatah, V. (Hg.), Afrika 3.0. Mediale Abbilder die Kontinuitäten der, vor allem im NS-Regime und Zerrbilder eines Kontinents im Wandel. Ber- beförderten, Rassismen vom „primitiven“ oder lin, S. 17-27. „bestialischen Kontinent“ zur „tragischen Figur“ Tatah, V. (2014). Afrika 3.0: Ein Kontinent im Wan- vor Augen zu führen. del – Vorwort zum Tagungsband. In: Tatah, V. Mit hohem Grad an sprachlicher Reflexion nähert (Hg.), Afrika 3.0. Mediale Abbilder und Zerr- sich Julia Dittmann dem Thema hegemonialer bilder eines Kontinents im Wandel. Berlin, S. 1-4. Inszenierungen von Weißsein im zeitgenössischem Wainaina, B. (2012). How to Write about Africa. Lon- Film an. Dabei geht sie auf die politische wie philo- don. Abgerufen von http://granta.com/how-to- sophische Konstruktionsgeschichte der Kategorie write-about-africa, Zugriff am 16.07.2016.

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Imperiale Kommunikationsarbeit

Zur medialen Rahmung von Mission im 19. und 20. Jahrhundert

Richard Hölzl Georg-August-Universität Göttingen

Abstract Bis aus den komplexen sozialen Realitäten kultureller Kontaktzonen anschlussfähige und massenhaft verbreitete Erzählungen wurden, mussten viele AkteurInnen reichlich institutio- nell eingebundene und nach bestimmten Regeln organisierte Arbeit verrichten. Diese Arbeit war ein Beitrag zum umfassenden Werk kultureller Begegnung. Als heuristischen Begriff, um diese Vorgänge zu beschreiben, schlägt dieser Artikel „imperiale Kommunikationsar- beit“ vor. Der Begriff stellt eine notwendige Ergänzung zu prozesshaften Konzepten wie Übersetzung, Transfer, Verflechtung oder Zirkulation dar. Mit dem Arbeitsbegriff wird ein praxeologischer Schwerpunkt gesetzt, der die Machtasymmetrien kultureller Beziehungen ausleuchtet. Am Beispiel eines autobiografischen Textes des tansanischen Missionslehrers Pauli Holola, der 1935 in einer Missionszeitschrift publiziert wurde, werden die Techniken und Arbeitsweisen „imperialer Kommunikation“ analysiert. Hololas Lebensbericht wird in den Kontext der Entwicklung katholischer Missionspropaganda seit dem 19. Jahrhundert gestellt. Am Ende steht die Frage nach der Selbst-Präsentation Hololas und ihrer (Un)sicht- barkeit für die europäischen RezipientInnen.

Konkurrenz-Schule […] wie wird dem Islam m Archiv der Benediktinerabtei Peramiho im entgegengetreten. […] Alle Artikel sollen nicht äußersten Südwesten Tansanias hat sich eine I zu lang sein, sondern kurz, konkret, lebendig. Redaktionsanweisung für Missionsberichte er- Überall mag durchklingen, die Schule ist unsere halten. Exemplarisch verweist das zweiseitige, Freude, unsere Sorge. Kurze Augenblicksbilder maschinengeschriebene und in Stichpunkten nicht vergessen. […] Heiteres aus der Schule, gehaltene Papier auf die transkulturellen und aus Kinderleben und Kindermund möge gesam- imperialen Verflechtungen zwischen Europa und melt und berichtet werden. Das ist wertvolles, Afrika im kolonialen Zeitalter – genauer: auf die jederzeit verwendliches Material. […] Auch kommunikativen und medialen Aspekte dieser andere Kurzgeschichten sind erwünscht. So daß Verflechtung. Pater Adelrich Mühlebach OSB möglichst alle Schweizer kurz zu Wort kom- wies darin die MissionarInnen im Feld an, welche men, weil die Bekannten und Verwandten sehr Art von Texten er sich für das 1938er-Jahrbuch darauf sehen.“ (Mühlebach, 1937) der Missionsbenediktiner erwartete. Neben zu- sammenfassenden und statistischen Berichten über den Fortschritt der Mission forderte der Pa- Mühlebach wollte Texte und Bilder, die konkrete ter: Erlebnisse schilderten und afrikanische und eu- ropäische Figuren ins Zentrum rückten, kurz: „Einzelbilder aus dem Schul-Erleben […] Erzählungen und Charaktere, mit denen die Le- Schulsafari […] mit Töff oder Karawane, mit serInnen in eine Beziehung treten konnten, die Abenteuern von Elefanten etc. […] Von den ihre eigenen Vorstellungen abholen und erwei- Lehrern: Mein schwarzer Lehrer, eine Stütze tern konnten und die in der Lage waren, Abgren- der Mission in seinem Dorf (an andern Or- zungs- und Identifikationsprozesse wie auch eine ten hat man Probleme). […] Die islamitische empathische Reaktion auszulösen (Breithaupt,

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2009; Boltanski, 1999). Außerdem sollten sie die „imperiale Kommunikationsarbeit“ vorschlagen. Erwartungen der heimatlichen Netzwerke einzel- Der Begriff bezieht sich auf das imperiale Zeital- ner MissionarInnen bedienen. Das ist das eine. ter und versucht die Beziehung zwischen Kolonie Der Jahrbuch-Redakteur wollte aber auch Mate- und Metropole konzeptionell zu erfassen. Ich be- rial, mit dem er arbeiten und selbst gestalterisch trachte diesen Begriff als notwendige Ergänzung tätig werden konnte. zu eher prozesshaften Begriffen wie Übersetzung Von Beginn an hatten moderne Missionen auf (Bachmann-Medick, 2006, S. 238-283), Trans- eine Arbeitsteilung zwischen den Missionar- fer bzw. Verflechtung (Werner & Zimmermann, Innen im Feld und den PropagandistInnen in 2002; Conrad & Randeria, 2002) oder Zirkula- den jeweiligen Herkunftsländern gesetzt. Die tion (Fischer-Tiné, 2013; Raj, 2007; Sivasunda- Jahrbücher des Missionsordens, ebenso wie die ram, 2010) – eine Ergänzung, die mit dem Ar- periodisch erscheinende illustrierte Familien- beitsbegriff einen praxeologischen Schwerpunkt zeitschrift (Missionsblätter), die Kinderzeitschrift (Tanner, 2004) setzt. (Das Heidenkind), ein jährlicher Kinder- und Imperiale Kommunikationsarbeit lässt sich wie ein Erwachsenenkalender (Heidenkindkalender, folgt definieren: Sie ist ein Unterfangen, bei dem Missionskalender), eine Zeitschrift des weiblichen komplexe soziale Realitäten und Erfahrungen Zweigs (Missionsecho) und eine Pamphlet-Reihe (Orte, AkteurInnen-Netzwerke, Interaktionen, (Im Kampf fürs Kreuz) waren die primären Mittel Konflikte, Machtbeziehungen) zum Zwecke der der BenediktinerInnen, um die Spendenbereit- Informationsweitergabe kodiert und dekodiert schaft in der katholischen Bevölkerung anzure- werden.1 Dieses Unterfangen ist Ergebnis von gen. Auf den Spenden der Gläubigen basierte die Arbeit, die von historischen AkteurInnen geleistet Arbeit der Mission in materieller Hinsicht ganz wird. Seit dem Beginn moderner Missionstätig- wesentlich. Dies musste allen europäischen Missi- keit im frühen 19. Jahrhundert produzierten die- onarInnen im Süden Tansanias bewusst gewesen se AkteurInnen Institutionen, mediale Formate, sein. Dennoch gab ihnen der Leiter der Mission Genre-Regeln, Distributionswege und Rezepti- vor Ort, Abt Gallus Steiger, deutlich zu verstehen: onskontexte, die die Kommunikationsarbeit von Diejenigen, die nicht die entsprechenden Texte Missionen strukturierten, sich aber auch wieder und Bilder lieferten, würden dies in der zukünf- änderten und erneuerten. Imperial ist diese Kom- tigen Mittelzuweisung für ihre Stationen und munikationsarbeit, weil dieses Unterfangen den Schulen merken (Steiger, 29.3.1937). Raum zwischen Kolonie und Metropole über- Dieses Beispiel führt zu der Überlegung, die die- brückt, Erzählweisen über den „anderen“ Raum sem Aufsatz zugrunde liegt: Bis aus den komple- entwickelt und im Ergebnis verflochtene Räume xen sozialen Realitäten kultureller Beziehungen und Geschichten hervorbringt. Der Zugang zu in der Kontaktzone (Pratt, 1991; Davis, 2011; dieser imperialen Kommunikationsarbeit war Habermas, 2009) – hervorgebracht an konkreten stark asymmetrisch zu Gunsten europäischer Ak- Orten, im Wege direkter, persönlicher Interak- teurInnen und Bedürfnisse vermachtet und kom- tionen, durch AkteurInnen und ihre Netzwerke plementär dazu tendierten die hervorgebrachten – einfache, anschlussfähige und massenhaft ver- Narrationen und Bilder dazu, Alterität zu produ- breitete Erzählungen wurden, musste eine ganze zieren bzw. anzueignen und damit imperiale Herr- Reihe von AkteurInnen reichlich institutionell schaft zu legitimieren (Said, 1978). Um imperiale eingebundene und nach bestimmten Regeln or- Kommunikationsarbeit zu untersuchen, schlage ganisierte Arbeit verrichten. Mühlebach war nur ich vor, neben den beteiligten AkteurInnen und einer dieser im Endergebnis kaum mehr sicht- Institutionen, ihren Inhalt und ihre mediale Form baren AkteurInnen, seine Arbeit ein Beitrag zu zu untersuchen und dabei besonders Narrative einem komplexen Werk der Repräsentation. Als (Nünning, Nünning & Neumann, 2010), Abbil- heuristischen Begriff, um diese historische Praxis dungen in historischen Kontexten (Berger, 2013, medialer Vermittlung zu beschreiben, möchte ich S. 59f)2 und Framing-Techniken (Matthes, 2009;

1 Ich beziehe mich hier auf das für historisch-anthropolo- 2 Zur Missionsfotografie liegt eine Reihe von Beiträgen vor, gische wie auch postkoloniale Ansätze aufgeschlossen Kom- die die Kompositionen und Intentionen der Fotografen bis munikationsmodell von Stuart Hall (1981); siehe zur Einord- hin zu Aufführungskontexten von Lichtbildvorträgen unter- nung Andreas Hepp (1999, S. 110-117). suchen, u.a. Eckl, 2006a, 2006b; Jenkins 1990, Kirkaldy & Wirz, 2000; Junck, 1996; R. Alsheimer, 2010; Krüger 2011.

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Butler, 2009) zu fokussieren. Sicherlich ließe sich Europäische Resonanzräume: auch ein Fokus auf die im Wandel befindlichen Institutionen, Medien und Kommunikationstechnologien – im Fall der Narrationen katholischer Mission von der Missionszeitschrift, dem Licht- Missionspropaganda bildervortrag, der Missionsausstellung oder dem Missionsfilm bis hin zum Spendenplakat, zum TV-Spot und zum Web-Clip – richten (Jensz & Moderne katholische Mission war für ihre Finan- Acke, 2013; Nielsen, Okkenhaug & Skeie, 2011; zierung und ihre politische Stellung in den Kolo- Kiesel & Bendix, 2010).3 nialreichen auf die Unterstützung breiter Bevöl- kerungsschichten in Europa angewiesen. Mission, Im Folgenden werde ich zunächst umreißen, wie so der Jesuit Bernhard Arens, wurde im 19. Jahr- sich ab den 1830ern ein Kommunikationsregime hundert „zur Volkssache“ und „fürstliche Spen- der Mission herausbildete, das eine Reihe von den“ durch die „stetig fließenden Quellen der medialen Institutionen, Formaten und Akteur- Missionsvereine“ ersetzt, „genährt von den un- Innen umfasste, die die Übersetzung missio- zähligen Gaben der Volksmassen“ (Arens, 1922, narischer Arbeit aus den Missionsfeldern in die S. 4). Zum Ende des Kaiserreichs hatten katho- europäischen Ausgangsgebiete christlicher Mis- lische Missionsvereine in Deutschland an die vier sion gestalteten und strukturierten. Dabei geht Millionen Mitglieder – so zumindest lässt sich es mir nicht unbedingt darum, den generellen das aus dem Handbuch der Missionsvereine von Medienwandel nachzuvollziehen, der durchaus 1922 rekonstruieren (Arens, 1922, S. 27f; Arens, in enger Verbindung mit der modernen Medi- 1920, S. 278f). Dies machte etwa ein Fünftel der engeschichte zu sehen ist (Bösch & Vowinckel, KatholikInnen des Kaiserreichs aus. Wiewohl 2012). Vielmehr liegt mein Fokus auf den mis- derlei Aufstellungen mit Vorsicht zu behandeln sionsspezifischen AkteurInnen, Praktiken und sind und im deutschen Kaiserreich an sich schon Institutionen. In einem zweiten Schritt werde ich ein hoher Organisationsgrad in Vereinen herrsch- imperiale Kommunikationsarbeit anhand eines te, zählte die Missionsbewegung damit zu den Fallbeispiels aus der BenediktinerInnen-Mission größten organisierten Gruppen innerhalb des Ka- in Ostafrika konkretisieren und kontextualisie- tholizismus und in der Zeit als solcher. Zwar galt ren. Es handelt sich um einen autobiografischen die heimatliche Massenbasis in den katholischen Artikel des tansanischen Missionslehrers Pauli Pfarrgemeinden und organisierten Missionsver- Holola, der 1935 in den Missionsblättern, dem einen den aussendenden Missionsorganisationen illustrierten Familienblatt der Missionsbenedikti- primär als Quelle finanzieller und materieller Un- nerInnen, erschien. Am Beispiel der Autobiogra- terstützung (Arens, 1922, S. 3f). Dadurch legiti- fie Hololas lassen sich zum einen die Genreregeln miert, entwickelten die gläubigen SpenderInnen imperialer Kommunikationsarbeit und ganz be- allerdings eine gewisse Erwartungshaltung gegen- sonders die Praktiken des narrativen und medi- über dem, was MissionarInnen über ihre Arbeit alen framing afrikanischer agency in der Mission berichteten, und sie banden die Mission in die aufzeigen. Zum anderen zeigt Hololas Biografie eigenen Weltbilder und Glaubenspraktiken ein. auch den potenziell heuristischen Gewinn auf, Die katholische Missionsbewegung und ihre den eine solche Archäologie imperialer Kommu- Kommunikationsarbeit formierten sich im ersten nikationsarbeit gegenüber stärker prozesszentrier- Drittel des 19. Jahrhunderts zunächst in Form ten Ansätzen bringt: Erst wenn die Arbeit und von Spendenkampagnen. Europäische Priester ihre Wirkungen sichtbar gemacht wird, die in der aus den nach 1815 neu- oder wiedereingerich- Herstellung eines derartigen Textes stecken, kön- teten Missionsgebieten in Amerika und später nen wir danach fragen, wie die weithin unsichtbar Asien und Afrika bemühten sich, finanzielle Mit- gemachte Gruppe nicht-europäischer Intermedi- tel für ihre Missionen zu akquirieren. Als einer ärInnen, also AkteurInnen wie Pauli Holola, sich der ersten MissionarInnen kam 1828 Friedrich selbst medial präsentierten und welchen Anteil sie Rese nach Österreich und Bayern, um in beiden an imperialer Kommunikationsarbeit hatten.4 Ländern für sein Missionsgebiet zu werben. Rese

3 Klassisch zum Zusammenhang von Kommunikationstech- 4 Dies zu fragen bedeutete selbstverständlich nicht, eine defi- nologie und Imperialismus (Innis, 2007). nitive Antwort geben zu können (Spivak, 2011).

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war der Generalvikar des Bistums Cincinnati enkabinett und dem Landesmuseum Ljubljana/ (Ohio) und später erster Bischof von Detroit, wo Laibach übergab er ethnografische Gegenstän- er AuswanderInnen betreute und unter den Ot- de aus dem Sudan. Neben Berichten über seine tawa missionierte. In Wien erhielt Rese die Pro- Missionsarbeit schickte er auch geografische und tektion durch den Kaiser und erreichte 1829 die meteorologische Untersuchungen nach Wien, wo Gründung eines ersten deutschsprachigen Missi- sie als wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht onsvereins, der Leopoldinen-Stiftung. In Mün- wurden (N.N., 1868). chen scheiterte er zunächst mit der Gründung Die Kampagnen der reisenden Missionare konn- eines Missionsvereins, konnte jedoch während ten allerdings nur erfolgreich sein, wenn sie sich einer zweiten Reise 1838, nunmehr als Bischof, mit lokal bzw. regional gut vernetzten und an den Monarchen Ludwig I. überzeugen, den so- der Mission interessierten Klerikern oder Ho- genannten Ludwig-Missionsverein zu gründen. noratioren verbanden. Missionare wie Rese oder In gleicher oder zumindest ähnlicher Weise wie Knoblechner wurden von diesen nicht nur bei die Leopoldinen-Stiftung und der Ludwigsverein den Kultusministerien, womöglich sogar bei Hof, waren auch die Association de Propagation de le eingeführt, sie sorgten auch für die Institutio- Foi in Lyon (gegründet 1822) und der von ihr ab- nalisierung der Kampagne in Form eines Missi- geleitete Franz-Xaver-Verein in Aachen (ab 1842) onsvereins und organisierten die Weitergabe der organisiert. Auch die Gründung des Lyoner Ver- Spenden. Rese etwa arbeitete in Wien eng mit eins war mit einer Spendenreise verbunden. Der dem Domkapitular Joseph Pletz zusammen, der General-Vikar des Bistums New Orleans, ein eine etablierte Zeitschrift (Neue Theologische Zeit- Abbé Inglesi, reiste von 1820 bis 1822 durch Eu- schrift) herausgab und die Leopoldinen-Stiftung ropa und sammelte Spenden. Allerdings erwies er initiierte (Mathäser, 1939, S. 34f). Einen ähn- sich als Betrüger, da er die Spendengelder für ei- lichen lokalen Broker wie Rese hatte auch Ignaz nen aufwendigen persönlichen Lebensstil verwen- Knoblecher 1850 in Andreas Meschutar, einem dete und nicht nach Amerika weitergab (Mathä- ebenfalls in Laibach/Ljubljana geborenen Priester ser, 1939, S. 6ff, 32). und Ministerialbeamten im Wiener Kultusmini- Aufwendiger als Rese gestaltete der slowenische sterium. Priester Ignaz Knoblecher (1819-1858) seine Die Interaktion zwischen Missionsgebieten und Spendenkampagne der Jahre 1850 und 1851 europäischen Kirchengemeinden – von einer re- in Bayern und Österreich. Das Ergebnis seiner gelrechten Missionsöffentlichkeit kann erst gegen Kampagne war der Wiener Marienverein zur Ende des 19. Jahrhunderts gesprochen werden Unterstützung der Mission in „Central-Africa“. (Weichlein, 2005) – wurde zunächst über die per- Nachdem Papst Gregor XVI. 1845 „Central-Af- sönlichen Netzwerke hergestellt, die die reisenden rica“ als neues Missionsgebiet ausgewiesen hatte, und Spenden sammelnden MissionarInnen mit war Knoblecher 1847 mit zwei weiteren Missio- lokalen OrganisatorInnen herstellten. Am Beginn naren ausgereist, um über den Nil nach Khartum der modernen Missionsunterstützung in den und von dort in den Südsudan zu gelangen, wo 1820er bis 1870er Jahren musste häufig zunächst er die Station Gondokoro gründete. Da aufgrund eine Vertrauensbasis hergestellt werden – das der 1848er-Revolution finanzielle Unterstützung Konzept, Mission aus den Spenden breiter Bevöl- ausblieb, reiste er nach Wien, München und Inns- kerungsschichten zu finanzieren, war neu und ba- bruck und warb um Spenden. Er kehrte 1851 sierte auf dem Vertrauen darauf, dass Missionar- in den Sudan zurück und verstarb dort 1859 Innen in weit entfernten Missionsfeldern sorgsam (Knoblecher, 1850; Meschutar, 1851; Zach, und zweckgetreu mit den Geldern umgingen. 2003; Kaiserseder, 2013). In Europa stilisierte War die Basis gelegt, musste das Vertrauen in die sich Knoblecher als Kulturexperte, führte seinen Arbeit der MissionarInnen durch regelmäßige angeblich nordafrikanischen Beinahmen Abuna und anschauliche Berichte aktualisiert werden, Soliman und ließ sich in arabisierter Montur ab- die die OrganisatorInnen der Missionsvereine aus bilden. Während seines Österreich-Aufenthalts den Briefen der MissionarInnen zusammenstell- ließ er einen Reisebericht veröffentlichen, dem ten.5 In der frühen Zeit der Missionen geschah weitere Berichte folgten. Dem Wiener Naturali- dies vor allem in Jahresberichten, die gekürzte

5 Reses Münchner Bemühungen von 1828 waren zunächst Erhalt der Sammlungen zu quittieren und Berichte an sei- auch deshalb punktuell, da er nicht in der Lage war, den ne Münchner Kontaktpersonen zu schicken. Erst 1832 traf

6 m&z 2/2016 und redigierte Briefe aus den Missionsgebieten milienbezogenen Kontakten. Viele der heute zu zusammen mit der Rechnungslegung der Vereine Traditionsbildungszwecken hervorgehobenen abdruckten.6 Gründerfiguren waren als Pfarrer, Kleriker, als Honoratioren oder als Angehörige von Mission- Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurden in arInnen mit Kirche und Mission verbunden. Sie Deutschland an die 50 Missionsvereine gegrün- waren zugleich Teil einer größeren sozialreligiösen det, die sich reichsweit für die äußere Mission ein- Bewegung, die häufig den mystizistischen Charak- setzten; im deutschsprachigen Österreich waren ter des katholischen Revivals im 19. Jahrhunderts es 17. Kirchenrechtlich wurden die sogenannten teilte. Auffällig ist die zentrale Rolle katholischer Päpstliche Werke unterschieden, die internatio- bürgerlicher und adeliger Frauen für die Popula- nal organisiert waren und von der S. Congregatio risierung der Mission in Europa. Sie verbanden Propaganda Fide privilegiert – etwa was die Ab- die romantische Spiritualität des katholischen Re- lassmöglichkeiten betraf – und beaufsichtigt wur- vivals mit den neuen nationalen und weltmissio- den. Dies waren das Lyoner Werk der Glaubens- narischen Initiativen des späten 19. Jahrhunderts verbreitung, in Deutschland vertreten durch den und erwiesen sich vor allem als gebildete und gut Franz-Xaver-Verein und den Ludwig-Missions- vernetzte Editorinnen und Organisatorinnen von verein, in Österreich durch die Leopoldinen-Stif- Missionspropaganda. tung, außerdem das Werk der Heiligen Kindheit, Ein Beispiel ist die 1893 gegründete St.-Peter-Cla- die Missionsvereinigung der Frau und Jungfrauen ver-Sodalität (Schwesternschaft) mit Sitz in Salz- und der Priestermissionsbund. Schließlich gab es burg und Rom. Ihre Gründerin Maria Teresia Le- unabhängige Förderver- dóchowska (1863-1922) eine wie den Africa-Ver- stammte aus einer der ein deutscher Katholiken Bis Ende des Ersten Weltkriegs wichtigsten Adelsfamilien (gegr. 1888) und die Pe- wurden in Deutschland an die 50 Polens. Die in einer Hö- ter-Claver-Sodalität (gegr. heren Töchterschule der Missionsvereine gegründet, die 1893). Hinzukamen die Englischen Fräulein aus- Unterstützungsvereine sich reichsweit für die äußere Mis- gebildete Gräfin war die einzelner Missionen. Die sion einsetzten; im deutschspra- Nichte Mieczysław Le- Missionsbenediktine- dóchowskis (1822-1902), rInnen von St. Ottilien chigen Österreich waren es 17. der während des preu- etwa wurden seit 1888 ßischen Kulturkampfs vom „Liebeswerk des Hl. Benedikt“ unterstützt, Erzbischof von Gnesen und Posen und Primas von das 1919 179.000 Mitglieder hatte, die einen Polen war. Als Kurienkardinal leitete er ab 1892 Jahresbeitrag von 50 Pfennigen zahlten. Die son- die S. Congregatio Propaganda Fide, die Direktion stigen Verpflichtungen hielten sich sehr in Gren- der Missionen am Hl. Stuhl. Ledóchowskas Bru- zen, etwa das Tragen einer Benedictus-Medaille, der Wladimir war Ordensgeneral der Societas Jesu ein tägliches Stoßgebet zum Heiligen Benedikt und ihre Schwester Ursula gründete eine eigene sowie die Möglichkeit „Ablässe zu gewinnen“, Kongregation der Ursulinen (Weitlauff, 1985; wenn man an bestimmten Festtagen während der Wolter, 1985; Stasiewski, 1985; Fichna, 1972). Messe Gebete für den Missionserfolg verrichtete Maria Ledóchowska wurde – so ihre Selbstbe- (Arens, 1920, S. 189ff). schreibung – ebenfalls von einer Kampagne eines Die Gründungs- und Organisationsgeschichten Missionars inspiriert. 1888 hatte Kardinal Charles dieser Vereine verweisen auf ein enges Netzwerk de Lavigerie, der Leiter der Mission d’Afrique in aus kirchlich-institutionellen, milieu- und fa- Algier (Weiße Väter) und Primas von Afrika, ei-

ein ausführlicher Bericht ein (Mathäser 1939, S. 52ff). In des Ludwig-Missionsvereins von Lyon und zu einem Schwer- den 1840er Jahren kam es zu einer Vertrauenskrise über die punkt auf die AuswandererInnenseelsorge (Mathäser, 1939, Verwendung der Spendengelder in den USA, als eine Reihe S. 159-191). deutscher AuswanderInnen in Briefen und Pamphleten über 6 Siehe Les Annales de Propagation du Foi, Lyon 1822ff, später die Benachteiligung durch irische Bischöfe, ökonomische auch in deutscher Ausgabe Annalen der Glaubensverbreitung, Spekulationen und Luxusbauten berichteten. Zudem fürch- Mainz, Straßburg 1832ff; Jahresberichte der Leopoldinen-Stif- tete die Staatsregierung in München, die Gelder aus Bayern tung, Wien 1831ff; Jahresberichte der Marien-Stiftung, Wien könnten nationalen französischen Interessen im „Orient“ zu- 1852ff. fließen. Langfristig führte die Vertrauenskrise zur Trennung

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nen „Kreuzzug gegen die Sklaverei“ eingeläutet. MissionarInnen im Feld und einer katholischen Er wandte sich an die europäischen Regierungen Öffentlichkeit herzustellen. Dadurch entstand in Paris, London, Brüssel und Berlin und verband ein regelrechter öffentlicher Resonanzraum, in geschickt Zivilisationsidee, Humanitarismus und dem die Arbeit von MissionarInnen in den Re- katholische Mission. Mit 30 Jahren gründete Ma- gionen der Welt Widerhall und Brechung erfuhr ria Ledóchowska eine differenziert strukturierte (Habermas & Hölzl, 2014, S. 22ff). Organisation, die ignatisches Ordenswesen mit Neben der beschriebenen Institutionalisierung einer Massenbasis und breitenwirksamer Propa- missionarischer Kommunikationsarbeit bildete gandaarbeit verbinden wollte. Aus diesem Grund die Mission ein Spektrum medialer Formate aus, hatte der Orden eine segmentierte Mitglieder- die miteinander interagierten und aufeinander struktur. Man trennte externe Mitglieder, die sich rekurrierten. Dies ist bereits an den frühen Kam- als Laien in die Arbeit des Vereins einbrachten, pagnen von Rese und Knoblecher zu erkennen. und FörderInnen von internen Mitgliedern, so- Der persönliche „authentische“ Vortrag und die genannten Sodalinnen. Letztere absolvierten ein regelmäßigen Berichte bis hin zu periodischen Noviziat, legten zunächst jährlich die einfachen Zeitschriften waren zentral dafür, Vertrauen zwi- Gelübde der Keuschheit, Armut und des Gehor- schen Missionsgebieten und einer entstehenden sams und nach 10 Jahren die ewigen Gelübde Heimatöffentlichkeit herzustellen und aufrecht- ab. Die Zielsetzung des Ordens war – neben der zuerhalten. Dies änderte sich im Grundsatz kaum „Selbstheiligung der Mitglieder“ – die dauerhafte während des hier betrachteten Zeitraums. Die „Arbeit für Afrika“. Letztere bestand in Spenden- Missionszeitschrift (Jensz & Acke, 2013) eta- werbung und der Öffentlichkeitsarbeit für die blierte sich als zentrales Medium der Mission, katholischen Missionen in Afrika. An diese gab wurde aber flankiert durch regelmäßige Spen- die Sodalität auf Antrag und gegen Berichte und dentouren der MissionarInnen aus dem Feld. Al- Schilderungen zur praktischen Missionsarbeit fi- lerdings professionalisierten und diversifizierten nanzielle Unterstützung. Die Ordensmitglieder sich die Printmedien der Missionen bis 1900 in teilten sich in zwei Gruppen: Die Sodalinnen, ge- erheblichem Maße. Einzelne Missionen gaben an bildete Frauen mit umfassenden Sprachkenntnis- Familien gerichtete Illustrierte, Kinderjournale, sen, arbeiteten an Missionszeitschriften (von der Jahreskalender, Kinder- oder Sachbuchreichen Textproduktion bis zum Druck), Übersetzungen und agitierende Pamphlete heraus (Arens, 1918; in die gängigen europäischen Sprachen, hielten Heinz, 1914). Neben diesen jeweils auf eine be- Vorträge, gestalteten Missionsmuseen und Aus- stimmte Mission bezogenen Schriften existier- stellungen und korrespondierten mit den Geld- ten eine Reihe von überregionalen und zum Teil gebern und Missionen. Ihnen zur Seite standen transnational publizierten Zeitschriften sowie „Gehilfinnen“, die sich um den Haushalt der theologische, ethnografische und medizinische Ordenshäuser kümmerten. Knapp 30 Jahre nach Fachzeitschriften aus dem Bereich der Mission.7 ihrer Gründung konnte die Sodalität etwa 45.000 Ab 1900 ergänzten Missionsausstellungen und (110 interne) Mitglieder und eine halbe Million Missionsmuseen die Werbearbeit (Ratschiller, AnhängerInnen in ganz Europa zählen, betrieb 2014; Egger, 2015, S. 316-329; Stornig 2016). mehrere Zeitschriften und Buchreihen mit einer Fotografien, ethnografische Gegenstände, hand- Gesamtauflage von bis zu 250.000 Stück (Arens, werkliche Probearbeiten, Modelle und Dioramen, 1922, S. 273-283; Ledóchowska, 1917; N.N., Heidensammelbildchen, Missionsspardosen oder 1897). auch öffentlich präsentierte afrikanische Mis- Die UnterstützerInnen moderner Missionen sionsschülerInnen zählten zum Repertoire der agierten seit den späten 1880er Jahren zuneh- missionarischen Kommunikationsarbeit (Strick- mend professionell als religiöse und publizistische rodt, 2010; de Vries, 1989; Schäfer, 2005, S. 32). ExpertInnen mit einem ausgedehnten, europä- Deren Zentren, v.a. Lyon, wo die in Europa und ischen, kirchennahen Netzwerk. Im Zuge dieser Nordamerika in fünf Sprachen erscheinende Professionalisierung gelang es diesen Expert- Zeitschrift Les Missions Catholiques produziert Innen, die Verbindung von Missionsorden, den wurde, hatten sich im fin de siècle zu regelrechten

7 Siehe Zeitschrift für Missionswissenschaft (1910ff), Anthro- lischen deutschen Vereins für missionsärztliche Fürsorge und pos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde des missionsärztlichen Instituts zu Würzburg (1925ff). (1906ff), Katholische Missionsfürsorge. Jahrbuch des katho-

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Nachrichten- und Bildagenturen gewandelt (Ga- war dieser Wandel ein reflektierter strategischer ran, 2004).8 In den 1920er Jahre entwickelte sich Schachzug – dies zeigt zum Beispiel die eingangs nicht nur die Fototechnik weiter und Missio- zitierte Redaktionsanweisung des Benediktiner- narInnen besuchten vor ihrer Ausreise professio- paters Mühlebach, der explizit aufforderte, ein- nelle Fotografie-Kurse, einige betätigten sich auch zelne afrikanische Missionslehrer zu porträtieren. als FilmemacherInnen (z.B. Schäfer, 1999). Der autobiografische Text Pauli Hololas, der im Ähnlich vielfältig wie die medialen Formate Folgenden analysiert werden soll, ist Teil dieser waren die Genres, die sie transportierten. Auch neuen missionarischen Erzählweise. sie unterlagen dem historischen Wandel. Frü- he Vorträge und Berichte von Missionaren wie Rese oder Knoblecher zeigten häufig den stark Wofür steht Pauli Holola? Eine appellierenden Charakter von Predigten (Rese, Autobiografie und ihre Rahmung 1828; Knoblecher, 1850). Wichtig wurde im 19. Jahrhundert vor allem der missionarische Reise- Um Pauli Hololas Lebensweg nachzuvollzie- bericht, der volks- und naturkundliche Beschrei- hen, stehen nur wenige Quellen zur Verfügung. bungen mit missionskundlichen Fragen, etwa Mehrfach wird er eher am Rande in der Missi- nach den Bekehrungschancen in den beschrie- onszeitschrift der BenediktinerInnen und in Rei- benen Gebieten und Gesellschaften, verband seberichten erwähnt. Zentral ist daher sein eige- (Hölzl, 2012). Daneben wurden Erbauungstexte, ner Lebensbericht (Holola, 1935). Holola wurde literarische Erzählungen, historische Lebensbe- wahrscheinlich Anfang der 1880er Jahre in der richte oder Missionstheaterstücke publiziert. portugiesischen Kolonie Ostafrika geboren und Genreübergreifend dominierte in der Zeit vor zog zusammen mit seiner Familie und weiteren 1900 eine Narration, die den aufopferungs- Mitgliedern der Bevölkerungsgruppe der Ma- vollen europäischen Missionar ins Zentrum der kua, geführt von einem Oberhaupt (den Holola Erzählung stellte. Mission war die Sache männ- als König bezeichnet) in die damalige Kolonie licher, weißer – im katholischen Bereich ordi- Deutsch-Ostafrika. Als Gründe für die Migrati- nierter – Akteure, die sich für die Erlösung und on nennt Holola Hunger und Krieg. Um 1896 die Zivilisierung einer meist anonym bleibenden schloss sich Holola der im Jahr zuvor gegründe- heidnischen Bevölkerung opferte. Weibliche eu- ten katholischen Missionsstation Lukuledi im ropäische Missionarinnen und afrikanische Mis- Südosten des heutigen Tansania an. Bereits nach sionarInnen kamen in dieser Erzählung nur am wenigen Wochen begleitete er einen Missionar an Rande – als Hilfspersonal – vor (Stornig, 2013; die ostafrikanische Küste in die koloniale Haupt- Hölzl, 2016a, 2016b). Dieses eher einheitliche stadt Daressalam, wo er auf den Namen Pauli Muster wurde nach 1900 immer häufiger durch- getauft wurde. An der dortigen Missionsschule brochen und durch ein Erzählweise ergänzt, die wurde Pauli innerhalb von zwei Jahren zum Leh- man als „Winnetou-Prinzip“ bezeichnen kann: rer ausgebildet. Nach einer kurzen Phase in der In einer Vielzahl von literarischen und dokumen- er in seiner Heimat im Südosten der Kolonie un- tarischen Erzählungen der Mission rückten nun terrichtete wurde Pauli Holola an den erneut fast nicht-europäische AkteurInnen ins Zentrum der 500 Kilometer entfernten Hof des Ngoni-Königs Handlung. Sogenannte HeidInnen, Neu-Chri- Chabruma geschickt, wo er zusammen mit einem stInnen und einheimische GehilfInnen wurden zu weiteren jungen Lehrer eine Schule aufbaute. Hauptfiguren dramatischer Erzählbögen, zu Trä- 1905 brach im Süden der Kolonie der Maji-Maji- gerInnen der Handlung. Sie konnten als runde, Krieg aus, der sich zwar primär gegen die Verfe- halbwegs komplexe Charaktere agieren, durchlie- stigung der deutschen kolonialen Herrschaft rich- fen Wandlungsprozesse, hatten Konflikte durch- tete, in dessen Verlauf aber auch der größte Teil zustehen, die bei den LeserInnen Identifikations- der Missionsstationen vernichtet wurden. Pauli prozesse auszulösen vermochten. Letztere sollten Holola konnte fliehen und wurde in der Folgezeit für die „fernen Nächsten“ Partei ergreifen und an unterschiedlichen Orten als Lehrer eingesetzt. Mitgefühl entwickeln (Hölzl, 2014). Zum Teil Ein Bericht aus dem Jahr 1914 beschreibt ihn als

8 In Deutschland waren Missionsserien in kirchlichen Bilda- Lichtbildnerei des Volksvereins Mönchengladbach zu haben genturen, wie der Süddeutschen Lichtbilderzentrale oder der (Heinz, 1914, S. 47).

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Hauptlehrer, der eine Schule mit 200 Schülern nicht-europäische AkteurInnen sich selbst be- leitete und einen guten Ruf genoss. Die Kriegs- schrieben oder von anderen beschrieben wurden. und Notjahre ab 1914 verbrachte Holola bei sei- Pauli Holola stellt sich selbst in seinem elf Druck- ner Familie, um sich in den frühen 1920er Jahren seiten umfassenden Lebensbericht als eigenstän- wieder der katholischen Mission anzuschließen. digen Akteur und Missionar vor, der sich mit Während der 1920er und 1930er Jahre wurden Gegnern – MissionarInnen anderer Konfessi- Pauli Holola und andere Missionslehrer seiner onen, abgefallenen ChristInnen, den Vertreter- Generation zentrale intermediäre Figuren für die Innen afrikanischer Kulte – und Verbündeten Ausbreitung der katholischen Mission im Süden auseinandersetze und selbst, soweit es die äuße- Tansanias. Missionslehrer, wie Pauli, waren kei- ren Umstände zuließen, über seinen Lebensweg neswegs ausschließlich Erzieher. Sie zogen als erste entschied. Bereits die Tatsache, dass er sich als Ju- in neue Missionsgebiete, verhandelten mit der lo- gendlicher der katholischen Mission anschloss – kalen Bevölkerung und den Chiefs und Ältesten obwohl die anglikanische Mission näher gelegen über die Errichtung von Schulen. Sie bauten die- habe und die nicht-christlichen Eltern gegen diese se auf und verteidigten sie gegen konkurrierende Entscheidung opponierten – präsentiert Holola religiöse AkteurInnen, zu denen vor allem pro- als eigenständigen Entschluss. Ebenso deutlich testantische und anglikanische MissionarInnen, wird die Selbstrepräsentation als eigenständiger muslimische Prediger und VertreterInnen traditi- Akteur, als er ausführlich seine Versuche schildert, oneller afrikanischer Religionen, aber auch neu- zunächst als Pater und später als Bruder in den er Kulte zählten. Die Missionsschule wurde in Benediktinerorden einzutreten. Mehrfach ver- dieser Zeit zur wichtigsten missionarischen Ein- suchte Pauli Holola die europäischen Ordensleute richtung, durch die eine massenhafte Ausbreitung von seinem Ruf zu überzeugen. Erst als diese ihn des Christentums in Ostafrika erfolgte. Am Ende ablehnten und nachdem er sich mit anderen Leh- der 1920er Jahre kam es zu einem Professiona- rern beraten hatte, ging er eine Ehe ein. In seiner lisierungsschub im Bereich des Schulwesens. Die Darstellung der Arbeit für die Mission markierte britische Kolonialverwaltung initiierte Prüfungen er deutlich jene Punkte, an denen er über seine auch für die Lehrer von Missionsschulen, die nun Rolle als Lehrer hinausging – indem er etwa tauf- staatliche Förderung erhielten. Nicht-geprüfte te, die Gründung von Missionsstationen nicht Lehrer und ihre Schulen wurden zu Katecheten nur vorbereitete, sondern selbst anregte, und auf und katechetischen Zentren zurückgestuft. Pauli die erfolgten Gründungen verwies. Seine Schul- Holola absolvierte die Staatsprüfung 1930, nach- wechsel schildert er als teils von europäischen dem er bereits mehr als 30 Jahre unterrichtet hat- Missionaren angeordnete, teils als selbst initiiert. te. Als er aufgefordert wurde einen Lebensbericht Seine persönliche Gläubigkeit erscheint in seiner zu verfassen, war er Mitte oder Ende 40 und ge- Selbstdarstellung als konfliktreich, im Ergebnis rade dabei als Lehrer die Gründung einer Missi- und dank göttlicher Interventionen (in Form von onsstation vorzubereiten, die im Grenzgebiet zu Träumen und Visionen) aber ungebrochen. Mozambik und im Einflussbereich der anglika- Der Lebensbericht umfasst etwa 40 Lebensjahre nischen Mission Masasi lag. Trotz heftiger Wider- Pauli Hololas, in denen er vielen europäischen stände durch konkurrierende Missionare und die Missionaren begegnete. Seine Beziehung zu ihnen englische Kolonialverwaltung wurde die Station wird als hierarchisches Lehrer-Schüler- bzw. Va- Lupaso 1939 gegründet und mit einem europä- ter-Sohn-Verhältnis geschildert. Einzelne europä- ischen Missionar besetzt (Hölzl, 2016b; Hertlein, ische Missionare werden kurz charakterisiert und 2011, S. 145f). dienen Holola dazu, seine Geschichte historisch Kein autobiografischer Text repräsentiert allein bzw. räumlich und zeitlich zu verorten. Dennoch seine AutorIn. Selbstzeugnisse dieser Art sind erweist sich Holola – zum Teil natürlich dem komplexe Aushandlungen zwischen Selbstwahr- Genre geschuldet – als Fixpunkt der Erzählung, nehmung der AutorIn und vermuteter Erwar- die zwar auf andere Personen referiert, in der er tungen des adressierten LeserInnenkreises. Hin- aber immer im Zentrum der Erzählung bleibt. zukommt, sofern der Text publiziert wird, ein Unter welchen Umständen es zur Kollaborati- redaktioneller Prozess samt Kürzungen, Anre- on von Alkuin Bundschuh, dem Übersetzer des gungen und editorischer Ausgestaltung, womög- Textes, und Pauli Holola kam und wie diese lich auch eine Übersetzung. Transkulturelle Kom- genau aussah, ist aus den vorhandenen Quel- munikationsarbeit im imperialen Zeitalter sorgte len nicht näher zu rekonstruieren. Der 1900 allerdings für eine besondere Rahmung, wenn geborene Bundschuh war seit 1929 Missionar

10 m&z 2/2016 in Ostafrika, also noch nicht allzu lange Zeit. An seiner Rolle als eigenständiger, wirkungsvoller Zwischen 1933 und 1935 stand Bundschuh als Missionsakteur lässt Pauli Hololas Erzählung Gemeindepfarrer der Missionszentrale Ndanda in kaum Zweifel. Diese Interpretation ist allerdings engem Kontakt mit Pauli Holola, der versuchte in das Ergebnis einer kritischen Lektüre, die gegen Lupaso, mitten im traditionellen Missionsgebiet die vom „kolonialen Archiv“ vorgegebene Deu- der anglikanischen Mission (Universities’ Mission tung gerichtet ist und die koloniale Texte „gegen to Central Africa), eine katholische Station zu er- den Strich“ liest, indem sie von deren zeitgenös- richten. Bundschuh besuchte ihn dort mehrmals. sischen medialen Rahmungen absieht. Dass Pauli Pauli Holola war als Missionslehrer lange etabliert Hololas Lebensbericht auch von europäischen und wird in der lokalen Missionsgeschichtsschrei- LeserInnen der 1930er Jahre so gelesen wurde, bung als „old and famous catechist“ bezeichnet darf bezweifelt werden. Dies lag zum einen am er- (Hertlein, 2011, S. 145, siehe auch S. 37, 65). weiterten Kontext, in dem dieser wie andere Texte Er dürfte ein geübter Swahili-Schreiber gewesen publiziert wurden. Im kolonialen Diskurs der er- sein. Berichte zu verfassen zählte zu den Kernqua- sten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmten ne- lifikationen seiner Tätigkeit als Hauptlehrer und ben biologischen und kulturellen Rassismen v.a. Aufseher über andere Schulen, die er zu visitie- die Vorstellungen von der Primitivität und des ren und über die er schriftlich zu berichten hatte. kindlichen Entwicklungsstandes das europäische Schon 1913 heißt es in einem Missionsbericht, er Afrika-Bild.9 Missionarische und humanitäre habe „eine ethnografische Arbeit“ verfasst, deren Diskurse als Sonderfall rekurrierten vor allem auf Qualität im Vergleich zu den einheimischen Mit- die Hilfsbedürftigkeit und die Unselbständigkeit arbeiterInnen professioneller europäischer Ethno- afrikanischer AkteurInnen. Zwar konstatierten sie grafen „entschieden“ hervorstach (Mayer, 1914, das zivilisatorische Potential afrikanischer Men- S. 238). Seine eigene Lebensgeschichte zu ordnen schen, verwiesen aber gleichzeitig darauf, dass und zu kontextualisieren dürfte ihm daher nicht mittel- und langfristig eine europäische Anleitung allzu schwer gefallen sein. zu deren Entwicklung unabdingbar sei. Dazu war es einerseits nötig, einzelne AfrikanerInnen, die

Abb. 1: Pauli Holola (aus: Holola, 1935, S. 11, m. Zuschnitt, R. H.).

9 Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ver- noch einmal massiv (Martin & Alonzo, 2004; Bechhaus- schärfte sich die rassistische Einordnung von AfrikanerInnen Gerst, 2004).

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unter europäischer Leitung arbeiteten, hervorzu- zeigt eine Gruppe afrikanischer Jungen an einem heben, andererseits die vermeintliche Dürftigkeit Lagerfeuer, angeblich beim Grillen von Ratten, vieler anderer zu unterstreichen. In der eingangs Mäusen, Heuschrecken oder Schlangen (Holola, zitierten Redaktionsanweisung von 1937 ist dies 1935, S. 13, 36, 38). Während die erste Fotogra- auf die griffige Formel gebracht: „Mein schwarzer fie – auf deren innere Gestaltung Holola durch Lehrer, eine Stütze der Mission in seinem Dorf seine Haltung, Mimik und Kleidung Einfluss (an andern Orten hat man Probleme)“ (Mühleb- nehmen konnte – seine wichtige Rolle und seine ach, undat., ca. 1937, m. Herv., R. H.). selbstbewusste Frömmigkeit eher zu unterstrei- Zum anderen zeigt Pauli Hololas Text eine kon- chen scheint, wird diese Wirkung durch die unge- krete narrative und mediale Rahmung, die die wöhnliche Beschneidung des Bildes und die wei- Selbstdarstellung als eigenständiger missiona- tere Bildfolge eher konterkariert. Die Bilder des rischer Akteur mit einer abweichenden Reprä- Lehrers Eduard, der im Text nicht erwähnt wird sentation überschrieb. Am Anfang und am Ende und der wohl auch in keiner Beziehung zu Ho- meldet sich eine editorische Stimme zu Wort, lola stand, lassen Hololas Leben eher als typisch die den Artikel für die LeserInnen einordnet und denn als individuell erscheinen. Die Fotografie den Autor bewertet. Außerdem wird der Artikel der Kinder – als zufällig eingestreute Belustigung durch einer Art Kommentar des Übersetzers ab- für die LeserInnen – diskreditieren den Ernst und geschlossen. Eingangs heißt es: Der „Name Pauli die Seriosität des umgebenden Textes und seines Holola“ sei bereits zuvor „rühmend erwähnt“. Er Autors. sei aufgefordert worden „einige Notizen über sein Der Übersetzer, Pater Alkuin Bundschuh, griff Leben aufzuzeichnen für einen kleinen Artikel in an einigen Stellen für die LeserIn sichtbar und den Missionsblättern“; die Aufzeichnungen seien mit Klammern gekennzeichnet in Hololas Text „so interessant ausgefallen“, dass sie es „wert“ ein. Beispielsweise stellte er klar, dass es sich bei seien, „abgedruckt zu werden“. Zudem erfolgt den von Pauli Holola angeführten zahlreichen der Hinweis, dass der Text wörtlich von einem Taufakten um Nottaufen handelte und nicht um europäischen Benediktiner ins Deutsche übertra- reguläre Taufen, die Priestern vorbehalten sein gen worden sei. An mehreren Stellen der edito- sollten. Am Ende attestiert er Pauli Holola, „keine rischen Rahmung – unter anderem im Unterti- leichte Aufgabe“ zu haben, die dieser jedoch mit tel: „Erzählt von Lehrer Pauli“ – ist jedoch von seiner „alten Treue und seinem unermüdlichen Ei- „erzählen“ die Rede, so dass die Suggestion einer fer“ lösen werde (Holola, 1935, S. 40). „Treue“ ist mündlichen Weitergabe erreicht wird (Holola, hier als Schlüsselvokabel hervorzuheben, dient sie 1935, S. 11, 40). doch dazu eigenständige Initiative in Abhängig- keit oder Anhänglichkeit von einem Vorgesetzten Hololas Lebensbericht ist eine Porträtfotografie oder eine Institution umzuschreiben. Einen ana- beigefügt, auf der er lächelnd im Halbprofil in die logen Fall stellen die mythisierten „treuen Askari“ Kamera blickt (Abb. 1). Die Fotografie zeigt ihn der deutschen Kolonialarmee während des Ersten als gepflegten, rasierten, frisierten und mit einem Weltkriegs in Ostafrika dar (Michels, 2004). Der blütenweißen Oberhemd bekleideten Mann Übersetzer „empfahl“ schließlich Hololas Auf- mittleren Alters. Seine Haltung ist ungebeugt, gabe den LeserInnen und ihrer Spendenbereit- doch fromm – die Hände vor der Brust gefaltet. schaft. Dem schloss sich auch der Redakteur der Keineswegs orientiert sich diese Fotografie an Missionszeitschrift an, wenngleich er – wohl un- den typisierenden Darstellungen der Ethnografie, willkürlich – das strategische Interesse hinter der Psychiatrie oder Kriminologie. Allerdings wirkt Berichterstattung verriet. Er verwies nämlich da- sie durch den seltsamen Zuschnitt – die rechte rauf, dass Pater Alkuin geholfen werde, wenn alle Bildseite ist trapezartig geschnitten – auffällig die Pauli Hololas Geschichte gelesen hatten, für gerahmt. Direkt unter der Fotografie erfolgt die die zu gründende Station spendeten. Pauli Holola oben erwähnte wertende Einordnung Pauli Ho- wurde mithilfe dieser Rahmung vom selbststän- lolas durch den Redakteur. Der Lebensbericht digen Missionar zum leuchtenden Beispiel für die wird durch drei weitere Fotografien illustriert, Erfolgschancen europäischer Missionsarbeit, vom die allerdings inhaltlich wenig bis nichts mit Subjekt seines Lebenswegs wurde er zum Objekt Pauli Hololas Autobiografie zu tun haben: Zwei in einer übergreifenden Zivilisations- und Bekeh- Fotografien zeigen einen Lehrer namens Eduard rungserzählung. (im Kreis von dessen Familie und zusammen mit anderen frisch absolvierten Lehrern), ein drittes

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Fazit dialen Rahmungen – so zeigt der Lebensbericht Pauli Hololas – reduzierten afrikanische Missio- Der Autor Pauli Holola, der Übersetzer und Kon- narInnen zu Objekten europäischer Missionsar- taktmann Pater Alkuin, der Schriftleiter der Mis- beit. Hololas Lebensbericht wurde von Heraus- sionszeitschrift, die Tausenden von LeserInnen geber und Übersetzer eingeordnet, bewertet und in ihren kontextsensitiven Dekodierungen/Les- punktuell „richtig“ gestellt. Das Bild eines eigen- arten10, sie alle waren AkteurInnen imperialer ständigen, frommen und selbstbewussten Missi- Kommunikationsarbeit. Ihre Tätigkeiten übten onsakteurs, das Pauli Holola von sich zeichnete, sie in Institutionen und mithilfe von medialen wurde dadurch fast in sein Gegenteil verkehrt. Formaten aus, die sich seit dem frühen 19. Jahr- Liest man Pauli Hololas Bericht mithilfe der hier hundert ausgebildet und sich um die Wende zum unter dem Begriff „imperiale Kommunikations- 20. Jahrhundert zu relativ professionellen Kom- arbeit“ eingeführten Heuristik, werden einer munikationsagenturen entwickelt hatten. Dabei Reihe von Erkenntnissen zu Tage gefördert, aus entstanden missionsspezifische Genres, etwa die denen sich Forderungen allgemeinerer Art für Missionspredigt, der missionarische Reisebericht die Analyse historischer imperialer Konstella- oder die dokumentarische und literarische Kon- tionen ableiten lassen und die eine stärker Ak- versionserzählung. Es lässt sich auch eine Verla- teurInnen- und Medien-zentrierte Erforschung gerung der erzählerischen Gestaltung und eine kultureller Begegnung im imperialen Zeitalter bedingte Inklusion nicht-europäischer Akteur- notwendig machen. Damit prozessuale Begriffe Innen beobachten: Nach dem Winnetou-Prinzip wie Verflechtung, Übersetzung, Transfer, Bezie- wurden potenzielle KonvertitInnen, Neuchri- hung, Zirkulation nicht zu mechanischen Chif- stInnen und sogenannte GehilfInnen der Missi- fren bzw. zur methodischen Blackbox geraten, ist on stärker ins Zentrum der Missionspropaganda es m.E. notwendig, die Arbeit zu fokussieren, die geholt – dies bedeutete jedoch nicht unbedingt, historische AkteurInnen verrichteten, um kul- dass dadurch die Machtasymmetrien zwischen turellen Kontakt und kulturelle Erfahrung über europäischen und anderen TeilhaberInnen impe- große Distanz und zwischen sehr unterschiedlich rialer Kommunikation ausgeglichen wurden. Die verfassten Räumen (wie dem der europäischen Inklusion nicht-europäischer AkteurInnen hatte kolonialen Metropolen und der überseeischen zum einen mit deren realen Positionen im Mis- Kolonien) zu übersetzen. Hololas Bericht ver- sionsfeld zu tun – vielfach waren sie es nämlich, weist auf mehrere Aspekte dieser Arbeit: Sie ist die den Missionserfolg determinierten und das erstens nicht losgelöst von den Institutionen und Christentum verbreiteten. Dies wurde besonders Medien, inklusive der medialen Formate, der in Krisenzeiten offensichtlich, etwa im Ersten Kommunikationstechnologien, der Genres und Weltkrieg in Ostafrika, als viele MissionarInnen Diskursdispositive zu analysieren, die einen hi- interniert und repatriiert wurden und die Mis- storischen Rahmen für die Kodierung und De- sionen von afrikanischen MitarbeiterInnen am kodierung von Botschaften setzten. Sie ist zwei- Leben gehalten wurden. Zum anderen stand ein tens eine Arbeit, die unter sehr asymmetrischen strategisches Interesse hinter den neuen Berichten Machtverhältnissen verrichtet wurde: Wer letzt- über Nicht-EuropäerInnen. Sie sollten belegen, lich was auf welche Weise artikulieren konnte, dass Mission wirkte und positive Identifikations- blieb den europäischen PropagandistInnen in der möglichkeiten mit den ChristInnen in der Welt Metropole vorbehalten; und diese orientierten bieten. So hofften die Missionen, die Spenden- sich an der LeserInnenerwartung oder an dem, bereitschaft der Gläubigen in Europa zu erhöhen was sie dafür hielten. So konnte es passieren, dass und einige zu motivieren, MissionarIn zu werden. zentrale AkteurInnen in der kolonialen und mis- Das diskursive Umfeld und die konkreten me- sionarischen Kontaktzone, wie der Lehrer Pauli

10 Die Frage der Aneignung ist ein schwieriges Problem für von religiös geprägten Elternhäusern, die auch die Angebote historische Kommunikationsforschung, da klassische Rezep- der Mission rezipierten, Zeitschriften abonnierten, sich für tionsanalyse nicht mehr erfolgen kann. Die Interviews, die Missionsvereine engagierten oder „Heidenkinder kauften“, Martina Gugglberger mit österreichischen Missionarinnen in d.h. für Taufen spendeten und als Namensgeberinnen agierten Südafrika geführt hat, fanden in den 1950er Jahren, als die (Gugglberger, 2014; allgemein zur Aneignung von Medien: Mission wie auch das Ordensleben insgesamt einen erheb- Müller, 2005). lichen Aufschwung erfuhr. Die Missionarinnen berichten z.B.

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Holola, in der europäischen Öffentlichkeit wohl AkteureInnen wie Pauli Holola jenseits ihrer nicht als selbstständige MissionarInnen, sondern historischen Rahmungen auch als AutorInnen als Objekte und Beispiele erfolgreicher europä- sorgfältig zu analysieren. Ihre Modi der Selbst- ischer Missions- oder Kulturarbeit gelesen wur- Repräsentation können allerdings nur sichtbar den. Damit sie in der historischen Forschung werden, wenn man zuvor für die Effekte imperi- nicht erneut zu bloßen Chiffren oder Emblemen aler Kommunikationsarbeit sensibilisiert ist. eurozentrischer Diskurse reduziert werden, sind

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Richard HÖLZL, Dr., bearbeitet an der Georg-August-Universität Göttingen das DFG-Projekt „Konversion – Zivilisation – Entwicklung? Katholische Mission zwischen Deutschland und Ostafrika, 1880-1940“. Zuvor war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte (2009-2015) und Postdoktorand an der Universität Erfurt (2008- 2009). Im Herbst 2016 tritt er das Theodor-Heuss-Gastlektorat an der New School for So- cial Research in New York an. Zu seinen Veröffentlichungen zählen Umkämpfte Wälder. Die Geschichte einer ökologischen Reform in Deutschland, 1780-1860 (Frankfurt 2010), Soziale Missionen (Themenheft der Zeitschrift WerkstattGeschichte 57/2011) und Mis- sion global. Eine Verflechtungsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert (hg. zusammen mit Rebekka Habermas, Köln u.a. 2014).

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Von Lumumba bis Ebola

Standarderzählungen in der österreichischen Afrika-Berichterstattung (1960-2015)

Martin Sturmer Universität Wien und

Abstract Die negative Wahrnehmung von Afrika in Österreich ist durch eine weitgehend einsei- tige Berichterstattung seit dem Ende der Kolonialzeit geprägt worden. Der Übergang in die politische Selbstverwaltung wurde als „völlig chaotisch“ dargestellt – aufgrund von Konfliktparteien begangener Grausamkeiten begannen sich erstmals Bilder eines „bestia- lischen“ Kontinents zu etablieren. Diese Wahrnehmung verfestigte sich in den folgenden Jahrzehnten durch die Schreckensherrschaften von Diktatoren und die extreme Gewalt in Bürgerkriegen. Nach der Finanzkrise haben das hohe Wirtschaftswachstum vieler afrika- nischer Staaten sowie die erfolgreiche Fußball-WM in Südafrika zu einem deutlich optimis- tischeren Afrika-Bild geführt. Das Narrativ von „Africa Rising“ verlor aber bald wieder an Glanz: Durch die Ebola-Epidemie in Westafrika und wirtschaftliche Probleme hat sich in der Zwischenzeit wieder weitgehend Ernüchterung breitgemacht.

or seiner Zeit als stellvertretender Chefredak- stattung erfolgt dabei in der Regel in Form von Vteur der Wiener Zeitung hat sich Thomas Sei- Standarderzählungen, die Kurt Luger wie folgt fert in Österreich vor allem als Auslandsreporter zusammenfasst: für News und Die Presse einen Namen gemacht. Seine Reportagen haben ihn rund um den Erdball „Der Kontinent der Opfer, der Kontinent der geführt, dabei mehrmals auch nach Afrika. Bei ei- Diktatoren, der Born der Korruption und Kri- ner Diskussion des Medienquartetts richtete die minalität, der hilfsbedürftige Kontinent, der Publizistin Rubina Möhring an Seifert die Frage, blutige Kontinent, der Spielplatz für Aben- warum über Afrika überwiegend negativ berichtet teurer und die Wiege der Spitzenathleten sind solche Klischees, die in Summe ein doch stark wird. Seiferts Antwort fiel durchaus selbstkritisch vereinfachendes Afrika-Bild prägen.“ aus: (Luger, 1998, S. 18) „Im medialen Theater bekommt jeder eine Rol- Der vorliegende Beitrag versucht, Ereignisse in le. […] Die Rolle Afrikas ist die der tragischen Afrika zu identifizieren, die seit dem Ende des Figur. Das ist eingeübt über die Jahrzehnte, Kolonialismus unsere Wahrnehmung von Afrika vom Ende der Kolonialzeit bis heute.“ als „tragische Figur“ nachhaltig geprägt haben. (Das Medienquartett, 2013) Dabei wurden aufgrund der relativ großen Zeit- spanne jene Anlässe ausgewählt, in denen eine Kommunikationswissenschaftliche Untersu- Standarderzählung erstmals auftrat. So ist z. B. chungen haben bestätigt, dass Afrika vor allem das Image Afrikas als „Hungerkontinent“ bereits dann zum Thema wird, wenn Konflikte oder im Biafra-Krieg (1967-1970) entstanden, auch humanitäre Krisen auftreten (z. B. Neuwirth, wenn vielleicht die Hungerkatastrophe in Äthio- 1992; Pointner & Luger, 1996; Mükke, 2010; pien 1984/85 bei vielen noch stärker in Erinne- Glodzinski, 2010; Freches, 2016). Die Berichter- rung ist.

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„Wilde in Baströckchen“: Die Schlagzeilen wie „Nicht alle Weißen schießen! Wahrnehmung von Afrika in der Österreich schickt N***** zur Biennale nach Nachkriegszeit Venedig“ im Boulevardblatt Bild-Telegraf be- gleiteten die Uraufführung in der Lagunenstadt 1960 ging als das Afrika-Jahr in die Geschichte (Bakondy & Winter, 2007, S. 164). Zur Wien- ein. Frankreich, Großbritannien, Italien und Bel- Premiere schrieb die Tageszeitung Die Presse: gien zogen sich zurück, nicht weniger als 18 Ter- ritorien erklärten ihre Unabhängigkeit. In Öster- „Mit Ernst A. Zwilling zog man in einsame reich herrschte zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf Bergdörfer und photographierte dort die Afrika noch weitgehend das koloniale Klischee N*****, wie sie tatsächlich leben, zwischen des „nackten Primitiven“ vor, das während des sonnenverbrannten chaotisch verstreuten Felsen Nationalsozialismus einzementiert worden war ihre winzigen Äcker bebauen, halbnackt in den Bergquellen baden, sich um sieben Ziegen eine (Sauer, 2014, S. 67). Braut kaufen, kurzum, die Welt erscheint in solchen Szenen um 2000 Jahren (sic!) zurück- Eine entscheidende Rolle für das Afrika-Bild der gedreht.“ Nachkriegszeit kam Filmen wie dem bis 1953 ver- (Zit. nach: Bakondy & Winter, 2007, S. 168) botenen NS-Streifen Quax in Afrika mit Heinz Rühmann oder Münchhausen in Afrika mit Peter Angesichts solcher Inszenierungen wundert es Alexander (1958) zu (ebd.). Einen interessanten den Wiener Historiker Walter Sauer nicht, dass Sonderfall stellte der Streifen Omaru – eine afrika- „das Bild des nackten, allenfalls mit Baströckchen nische Liebesgeschichte aus dem Jahr 1955 dar. Den angetanen Wilden als beherrschendes Stereotyp beiden Historikerinnen Vida Bakondy und Renée afrikanischer Menschen der 1950er Jahre domi- Winter ist es zu verdanken, dass wir durch ihre nierte“ (Sauer, 2014, S. 68). intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Film wertvolle Einblicke in die damalige Mit dem Ende der Kolonialzeit ließ sich eine mediale Rezeption von Afrika erhalten. Veränderung der Afrika-Rezeption in österreichi- Omaru wurde während der sogenannten „Afri- schen Medien feststellen. Allerdings war dieser ka-Expedition 1954“ des Abenteurers Ernst A. Wandel nicht uneingeschränkt positiv zu beurtei- Zwilling gedreht. Einzigartig bis dato war, dass len, wie die Kulturwissenschaftlerin Paula Pfoser Regisseur Albert Quendler komplett auf wei- attestiert: ße DarstellerInnen verzichtete. Trotzdem ist die filmische Aufarbeitung stark geleitet von stereo- „Afrikanische Staaten wurden im Kontext die- typen Vorstellungen: U. a. dominieren Nacktheit, ser Dekolonisationsperiode nicht nur stärker Infantilität und Irrationalität die Rollenzuschrei- wahrgenommen, es wurden zu der Zeit auch bungen an die afrikanischen Filmfiguren (Bakon- andere Bilder Afrikas entwickelt. Es sind aller- dy & Winter, 2007, S. 97-114). dings Bilder, die aber kaum weniger Unbeha- gen und Beklemmung auslösen.“ Omaru wurde am 22. August 1955 auf der Bien- (Pfoser, 2016, S. 95) nale in Venedig uraufgeführt und erhielt dort die „Silbernen Schale“ als Anerkennungspreis. Die Österreich-Premiere fand am 4. Oktober 1955 Das Afrika-Jahr 1960 begann mit der Unabhän- im Kino der Wiener Urania statt, in den nach- gigkeit von Kamerun am Neujahrstag. Das me- folgenden fünf Wochen wurde der Film 77 Mal diale Interesse war enorm. Im August schrieb gezeigt (ebd., S. 141). Ungefähr 27.500 Zuschau- Marion Dönhoff in der Hamburger Zeit, dass die erInnen dürften Omaru in der Urania gesehen Afrika-Berichterstattung seit Wochen die Hälfte haben (ebd., S. 156). der Rundfunknachrichten und der Zeitungskom- Für Bakondy und Winter wurde das Filmprojekt mentare beanspruchte (Dönhoff, 1960). von einem überraschend großem Medienecho be- Als Beispiel für die Berichterstattung der öster- gleitet (ebd., S. 158). Die beiden Historikerinnen reichischen Tageszeitungen sei hier jene der Salz- gehen davon aus, dass Omaru durch die intensive burger Nachrichten (SN) erwähnt. Am 13. Febru- Berichterstattung „nachhaltig Afrika-Bilder von ar 1960 brachten die SN unter dem Titel „Das nicht wenigen ÖsterreicherInnen prägte – über Jahrzehnt Afrikas“ in ihrer Wochenendbeilage den Kreis derer hinaus, die den Film im Kino eine ausführliche Analyse der politischen Verän- gesehen haben.“ (Bakondy & Winter, 2010, derungen. Im Lauf des Jahres wurde kontinuier- S. 179). lich aber zumeist in kleineren Berichten, Kurz-

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meldungen und Kommentaren über die Situation und erhob – zum Entsetzen der belgischen Dele- in Afrika berichtet (Flieher, 2015). gierten – Anklage gegen das Kolonialregime: Im Frühjahr schaffte es eine kirchengeschichtliche Sensation auf die Titelseite: Am 28. März 1960 „Wir haben erleben müssen, dass man uns ernannte Papst Johannes XXIII. in Tanganjika verhöhnte, beleidigte, schlug, tagaus, tagein, (heute: Tansania) Bischof Laurean Rugambwa von morgens bis abends, nur weil wir N***** zum ersten Kardinal in Afrika. Die SN widme- waren. Niemand von uns wird je vergessen, ten Rugambwa den Aufmacher auf der Titelseite. dass man einen Schwarzen selbstverständlich duzte – nicht etwa, weil man ihn als Freund Dort stand zu lesen: „Erstmals: N***** im Kardi- betrachtete, sondern weil das ehrbare ‚Sie‘ den nalspurpur“ (ebd.). Weißen vorbehalten war. Wir haben erleben müssen, dass man unser Land raubte, aufgrund Ähnlich wie die Afrika-Berichterstattung der Ta- irgendwelcher Texte, die sich Gesetze nannten, geszeitungen war auch jene des österreichischen aber in Wahrheit nur das Recht des Stärkeren Fernsehens gelagert. Laut der Analyse von Paula verbrieften.“ Pfoser für die Jahre von 1957 bis 1965 berichtete (Zit. nach Eckert, 2007, S. 26) der ORF über die Entwicklungen vordergründig positiv, betonte aber häufig die „Andersartigkeit“ Für manchen politischen Beobachter war Lu- von AfrikanerInnen. Ein aussagekräftiges Beispiel mumbas Philippika gleichbedeutend mit seinem dafür ist der nachfolgende Auszug aus dem TV- Todesurteil. Am 17. Jänner 1961 wurde er unter Jahresrückblick vom 29. Dezember 1960, der un- tatkräftiger Mithilfe der USA und Belgiens er- ter dem Motto „Das Jahr des schwarzen Mannes“ mordet. Ein belgisches Kommando beseitigt alles lief: Spuren. Am 10. Februar 1961 verlautbarte der Innenminister der sezessionistischen Regierung „Die Mode gehört zu den ersten Dingen, die von Katanga, Lumumba sei aus der Haft geflohen sich den neuen Verhältnissen anpasste. Eine und danach von aufgebrachten Dorfbewohnern Modeschau in Südrhodesien zeigte die jungen ermordet worden. schwarzen Damen nicht mehr nur auf den Zu- Die APA brachte drei Tage später einen Nachruf schauerreihen, sondern auch auf dem Laufsteg. auf den verstorbenen Premierminister. Für die Die dunkelhäutigen Mannequins versuchten, die manierierten Gesten ihrer weißen Vorbilder Nachrichtenagentur war Lumumba „ein angehoe- zu kopieren. Es gelang ihnen nicht ganz, ihre riger eines der wildesten afrikanischen staemme“. Natürlichkeit abzulegen.“ Gleich zu Beginn des Nachrufs verwies die APA (Zit. nach Pfoser 2016, S. 106) auf die „sattsam bekannten unterschlagungen“, die sich Lumumba während seiner Zeit als Post- beamter zu Schulden kommen lassen hatte (APA, Der Kongo-Krieg: Die 1961). Unabhängigkeit versinkt im Chaos Dem Großteil der österreichischen Medien war der kongolesische Politiker suspekt. Die einzige Die zentrale Figur der medialen Berichterstattung Ausnahme bildete die Volksstimme, die laut dem während des Afrika-Jahres 1960 war ein Politiker, Walter Sauer eine alternative Berichterstattung der bis heute eine Symbolfigur des afrikanischen zum Fall Lumumba bot. „Ich glaube nicht, dass Unabhängigkeitskampfes ist: Patrice Lumumba. die Volksstimme ein differenziertes Afrika-Bild Nach dem Wahlsieg seiner Partei Mouvement hatte“, sagte Sauer im Interview. „Aber sie stellte National Congolais wurde Lumumba am Tag der sich klar auf die Seite von Lumumba, auch weil er Unabhängigkeit am 30. Juni 1960 zum Premier- von der Sowjetunion unterstützt wurde.“ (Sauer, minister ernannt. 2016a) Bei der Unabhängigkeitsfeier im Palast der Na- tion in Léopoldville, dem heutigen Kinsha- Ein auffallendes Phänomen in diesem Zusam- sa, kam es zum Eklat. Der 29-jährige belgische menhang war, dass mit Lumumba erstmals auch König Baudouin I. erklärte die Unabhängigkeit Karikaturen eines afrikanischen Politikers Einzug des Kongo zur großzügigen Geste der belgischen in heimische Zeitungen und Zeitschriften zogen. Nation und pries deren Errungenschaften. Nach Der Grund dafür lag in seinem hohen Bekannt- der demütigen Rede des neuen Staatspräsidenten heitsgrad und seinem starken Wiedererkennungs- Joseph Kasavubu trat Lumumba ans Mikrofon wert. So hatte zum Beispiel der deutsche Spiegel

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Lumumba in einem großen Porträt als „ziegen- umstrittenen Streifen u. a. die Brutalität des Mau- bockbärtigen N*****“ und „kraushaarigen Messi- Mau-Aufstands in Kenia und das Sansibar-Mas- as“ beschrieben (N.N., 1960, S. 29). saker in den Vordergrund. Am Ende des Films Astrid Esterlus zeigt in ihrer Analyse, dass Lu- werden die Gräueltaten der Simba-Rebellion im mumbas optischen Merkmale für die Karikatu- abtrünnigen Katanga gezeigt – inklusive der Hin- risten jener Zeit ein gefundenes Fressen waren: richtung von Rebellen vor laufender Kamera. In dem durchgängig von rassistischen Untertönen „In den Zeichnungen werden das gescheitelte geprägten Film wird ein scharfer Kontrast zwi- krause Haar, die Brille, Oberlippen- und Kinn- schen „fortschrittlichen Weißen“ im Südafrika bart sowie Anzug und Krawatte zu markanten der Apartheid und „barbarischen Schwarzen“ in Details für Lumumba. Hervorzuheben ist, dass den unabhängigen Staaten gezogen. die Hautfarbe nicht so dunkel ausgeführt ist wie bei allgemein gehaltenen stereotypen Afri- Nach heftigen Protesten wurde der als „anti-afri- kanern.“ (Esterlus 2005, S. 20f) kanisch“ (APA, 1966a) kritisierte Film Anfang Au- gust 1966 in Berlin abgesetzt. Nach den Protesten entschloss sich die Bavaria Filmgesellschaft am 5. Wenige Tage nach der Unabhängigkeitserklärung Oktober, den Film nicht in den Verleih in Öster- von Léopoldville begann die sogenannte Kongo- reich zu bringen. Diese Funktion wurde daraufhin Krise (1960-1965), die in den nächsten Jahren von Oefram-Film übernommen (APA, 1966b). die österreichische Afrika-Berichterstattung prä- gen sollte. Die rohstoffreiche Provinz Katanga Das Fazit von Walter Sauer im Interview bringt verkündete ihre Unabhängigkeit, die Force Pu- die Wirkung von Africa Addio auf den Punkt: blique meuterte gegen ihre belgischen Offiziere. Es kam zur Massenflucht von Belgiern und zu „Die Phase der Unabhängigkeit verlief natür- einer Intervention belgischer Soldaten. lich teilweise sehr gewalttätig. Aber dadurch, Lumumba betrachtete dieses Einschreiten als dass die Unabhängigkeit nur mit solchen Sze- Verletzung der nationalen Souveränität und rief nen illustriert wurde, entstand der Eindruck: die Vereinten Nationen um Unterstützung an. das ist ein komplettes Chaos.“ (Sauer, 2016a) Die Operation der Vereinten Nationen im Kongo (ONUC) lief noch im Juli 1961 an. In Österreich wurde die Entsendung einer Sanitätstruppe zum Und so wich der zaghafte Optimismus des Jah- Thema. Zusätzlichen Diskussionsstoff erfuhr die res 1960 einer allgemeinen Enttäuschung und Mission durch die Auffassungsunterschiede zwi- führte Mitte der 1960-er Jahre zu einem „mise- schen SPÖ-Außenminister Bruno Kreisky und rabilistischen Afrikabild“ (Kalter, 2010). Der auf- ÖVP-Verteidigungsminister Ferdinand Graf. keimende Afro-Pessimismus sollte bald eine neue Bestätigung erfahren. Am 11. Dezember 1960 brachen 49 österrei- chische Sanitäter in die Stadt Bukavu auf, bis 1963 folgten weitere Kontingente. Österreich hatte sei- Der Propagandaschlacht um ne politische Eigenständigkeit erst fünf Jahre zu- Biafra. Oder: Afrika wird zum vor erhalten – die Entsendung der Sanitätstruppe Hungerkontinent wurde somit als eine wichtige Form der Selbstbe- hauptung bewertet (Esterlus, 2005, S. 20). Keine zwei Jahre nach dem Ende des Kongo-Kon- flikts kam es in Nigeria zu einem Bürgerkrieg, der Durch die Kongo-Krise erhielt die Afrika-Be- die bis heute wahrscheinlich intensivste mediale richterstattung eine neue, einprägsame Facette: Beschäftigung mit Afrika nach sich zog. Im Hin- Der „primitive Kontinent“ wandelte sich nun tergrund des Bürgerkrieges in Biafra (1967-1970) zum „bestialischen Kontinent“. standen ein Ressourcenkonflikt und schwere Übergriffe gegen Igbo aus der Ostregion Nigerias. Eine große Rolle für diese Wahrnehmung spielte der pseudodokumentarische Film Africa Addio Der Generalmajor Johnson Aguiyi-Ironsi hatte der italienischen Regisseure Gualtiero Jacopetti sich am 15. Januar 1966 an die Macht geputscht und Franco Prosperi aus dem Jahr 1966 (Sauer, und danach sukzessive den Einfluss der Igbo in 2016a). Jacopetti und Prosperi rückten in dem der Armee vergrößert. Nur wenige Monate spä-

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ter – am 29. Juli 1966 – wurde Aguiyi-Ironsi im wird die ganze Welt durch Filme, Photos und Zuge eines neuerlichen Staatsstreichs ermordet; Berichte aus Biafra zum Zeugen des Genozides. der Stabschef des Heeres, Yakubu Gowon, folgte Bilder von Skelett-Kindern mit aufgedunsenen ihm als Präsident. Im September 1966 wurden Bäuchen, rötlich verfärbtem Kraushaar und bei schweren Auseinandersetzungen 30.000 Igbo leblosen Augen, ‚Bilder, schlimmer als aus Bel- getötet. Insgesamt sollen in den Monaten zwi- sen‘ – so die Londoner ‚Times‘ – haben die Welt wachgerüttelt.“ schen Mai und September 80.000 bis 100.000 (N.N. 1968, S. 71) Menschen aus der Ostregion ermordet worden sein (Osaghae, 1998, S. 63). Als die ersten Meldungen von der „Hungerblo- ckade“ und dem Sterben im eingekesselten Biafra Am 27. Mai 1967 verkündete Präsident Gowon durch die deutsche Presse gingen, kam die deut- die Aufteilung Nigerias in zwölf Regionen. Für sche Politik unter Zugzwang. Das Auswärtige den Militärgouverneur der Ostregion, Emeka Amt in Bonn trat an Günter Kieslich, Ordinarius Ojukwu, war die Neuordnung ein schwerer Af- für Publizistik an der Universität Salzburg, he- front: Ojukwu hätte damit die Kontrolle über ran. Kieslich, der zuvor Referent der deutschen jene Gebiete verloren, in denen ein Großteil Kultusministerkonferenz gewesen war, sollte he- der erschlossenen Erdölvorkommen Nigerias lag rausfinden, „was mit der Afrika-Berichterstattung (Schicho, 2001, S. 87). Außerdem wäre er vom in der deutschen Presse los sei, woher denn die Zugang zum Meer und zum Industriezentrum ganzen Berichte über den Bürgerkrieg in Nigeria Port Harcourt abgeschnitten worden. Der dro- kämen“ (Becker, 2009). hende Machtverlust sowie die Pogrome gegen die Igbo aus dem Vorjahr führten dazu, dass Ojuk- Günter Kieslich übertrug die Aufgabe an seinen wu am 30. Mai 1967 die Unabhängigkeit Biafras Dissertanten Gernot Zieser, dessen Doktorarbeit ausrief. einen tiefgründigen Einblick in die mediale Insze- nierung des Konflikts gibt. Biafra wurde zu einem Am 6. Juli 1967 fielen nigerianische Truppen in „Synonym des Hungers“ und war damit die Initi- Biafra ein, unterschätzten aber die Gegenwehr alzündung der bis heute gültigen Wahrnehmung von Ojukwus Soldaten. Die föderalistische Armee von Afrika als „hilfsbedürftigen Kontinent“. kam weitaus weniger rasch voran als erwartet. Aus der ursprünglich auf 48 Stunden anberaumten Die Widersacher im Biafra-Krieg, Emeka Ojuk- Polizeiaktion entstand ein Bürgerkrieg, der ganze wu und Yakubu Gowon, wollten die internati- 31 Monate dauern sollte. onale Wahrnehmung des Konflikts nicht dem Zufall überlassen und beauftragten renommierte Die Weltpresse nahm von den Vorgängen in PR-Agenturen und -Spezialisten. Im Sold von Bi- Nigeria zunächst kaum Notiz. Erst als sich die afra standen die Genfer Agentur Markpress, Ruder humanitäre Lage im stetig schrumpfenden und Finn aus den USA sowie der Propagandaspezialist von der Nahrungsmittelzufuhr abgeschnittenen Robert S. Goldstein (Kunczik, 2004, S. 91). Für Biafra drastisch verschlechterte, reagierten die Nigeria sollten die britischen Agenturen Galitzine Medien: Im Frühjahr 1968 drängten sich mehr Chaut Russel & Partners Ltd., die Commonwealth als neun Millionen Menschen in einem Kessel, News Agency, Burson-Marsteller Associates und der der kaum noch größer als das Ruhrgebiet war. PR-Experte Andrew Nash die Meinung der Welt- Pro Tag sollen in dem Gebiet 6.000 Menschen öffentlichkeit beeinflussen (Becker, 2009). gestorben sein (N.N., 1969, S. 106). Am 19. Au- gust 1968 beschrieb das Nachrichtenmagazin Der Den Auftrag für die Bearbeitung des europäischen Spiegel das ganze Ausmaß der Katastrophe. Der Pressemarktes erteilte die Regierung Biafras der nachfolgende Auszug zeigt auch die Rezeption Genfer PR-Agentur Markpress, die im Eigen- des Konflikts in internationalen Leitmedien: tum des US-Amerikaner H. William Bernhardt stand. Im November 1967 flogen zwei Minister „Anfang nächsten Jahres wird es, wenn die aus Ojukwus Kabinett nach Genf, um Bernhardt Hungerblockade andauert, in Biafra keine Kin- die Zusammenarbeit anzubieten. Am 6. Februar der unter 15 Jahren mehr geben. ‚Genozid‘, so 1968 präsentierte die Agentur ein Konzept mit schrieb die Pariser ‚Monde‘, ‚ein oft mißbrauch- dem Titel „Fight for Survival“, das zur Basis der ter Begriff, hier ist er am Platz.‘ [...] Erstmals PR-Kampagne wurde. wird ein Völkermord im Fernsehen gezeigt,

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Bis zum Kriegsende im Januar 1970 versuchte die In Sonntagsmessen wurde über den „Völkermord Agentur mit mehr als tausend englischsprachigen in Nigeria“ informiert; MitbürgerInnen wurden Presseaussendungen die Themen zugunsten Bi- aufgefordert, an Regierungen, Abgeordnete und afras zu setzen. Außerdem organisierte Markpress die Vereinten Nationen zu schreiben und die An- Pressereisen ins Kriegsgebiet: Bis zum Sommer erkennung Biafras zu fordern. Medien wurden 1968 sollen über 70 JournalistInnen aus allen bedrängt, endlich über den „vergessenen Bürger- westeuropäischen Ländern nach Ostnigeria ge- krieg“ zu berichten. Im Frühjahr 1968 lag das In- flogen worden sein. Die PR-Aktivitäten erzielten teresse der Auslandsressorts aber auf geopolitisch enorme Resonanz. Anhand der vergleichenden wichtigeren Ereignissen wie dem „Prager Früh- inhaltsanalytischen Auswertung der Frankfurter ling“ und dem Vietnamkrieg. Allgemeinen Zeitung und den Aussendungen von Markpress konnte Gernot Zieser (1971, S. 182) Die Situation änderte sich schlagartig im Früh- einen großen Einfluss der PR-Agentur auf die Be- sommer des Jahres 1968, als Missionare im christ- richterstattung feststellen: lich dominierten Biafra von einer Hungerkata- strophe berichteten. Die „Hungersnot“ sollte sich „Es läßt sich eindeutig nachweisen, daß nach als weitaus zugkräftigeres Motiv als die „Christen- dem 1. Februar 1968 – dem Arbeitsbeginn verfolgung“ beweisen und beeindruckte offenbar von ‚Markpress‘ für Biafra – Formulierungen auch die PR-Profis bei Markpress. Laut Zieser be- und Stereotypen in der Kriegsberichterstat- gann die Genfer Agentur ab Ende Juni 1968, in tung auftauchen, die zuvor nicht oder nur jeder zweiten Aussendung das „Hungergespenst“ minimal existent waren und die von besagter an die Wand zu malen. Zuvor hatte die PR-Agen- Agentur kreiert wurden. Dem Vertrag zwischen ‚Markpress‘ und Biafra entsprechend legte man tur nur in etwa sechs Prozent aller Artikel über besonderes Augenmerk auf die Publizität ni- Ernährungsprobleme berichtet. Zieser dazu: gerianischer Scheußlichkeiten, auf einen Stopp der Waffenlieferungen nach Nigeria, auf die bi- „Auf Grund dieser Zahlen kann nicht ausge- afranische Unabhängigkeit und diplomatische schlossen werden, dass erst der ‚Hungerschrei‘ Anerkennung sowie auf Feuereinstellung. [...] der Hilfsorganisationen die sezessionistischen Die Berichterstattung über das bloße Elend der Propagandamacher auf die Wirksamkeit dieser Zivilbevölkerung verzeichnete einen weit gerin- Parole gebracht hat. Der abrupte Wechsel von geren Anteil und zählte nach der Analyse von der moslemischen Christenausrottung zum völ- ‚Markpress‘ nicht zu den propagandistischen kermörderischen Hungerkrieg bewegte schließ- Hauptzielen. Das Analyseergebnis läßt zweifels- lich ebenso abrupt nicht nur engagierte konfessi- frei den Schluß zu, daß es in erster Linie darum onelle Gruppen, sondern auch spendenfreudige ging, das materielle Kriegspotential Nigerias zu Bürger. Mit einem Schlag waren Nigeria und schwächen.“ seine Zentralregierung zum ‚Buhmann‘ der westlichen Öffentlichkeit geworden.“ Den Kommunikationserfolg für Biafra allein der (Zieser, 1971, S. 185) PR-Agentur zuzuschreiben, greift für Zieser aller- dings zu kurz. Das Fundament dafür war schon Am 11. Juni 1968 tauchte in der APA, die zuvor lange vor der Einschaltung von Markpress gelegt hauptsächlich über den Kriegsverlauf berichtet worden (Zieser, 2011). Bereits unmittelbar nach hatte, erstmals die Warnungen vor einer Hunger- Kriegsausbruch im Sommer 1967 hatten mit katastrophe in Biafra auf. Die Nachrichtenagen- Ojukwu sympathisierende StudentInnen aus Ni- tur informierte, dass „eine runde million kinder geria deutsche Kirchenführer über den „Religi- durch den buergerkrieg zur hungersnot, wenn onskrieg“ in ihrer Heimat und die bevorstehende nicht zum tode verurteilt“ (APA, 1968) ist. Die „Ausrottung der Christen“ informiert. Der deut- APA erwähnte in der Meldung auch die Protein- sche Klerus übernahm die griffige These von den mangel-Erkrankung Kwashiorkor: muslimischen Christenmorden in Biafra und ent- fachte „eine geradezu kreuzzugartige Stimmung“ „mehr und mehr kinder siechen an dieser (N.N., 1968, S. 108). Die Kirchen beschlossen kwashiorkor-krankheit dahin und nichts kann rasch Hilfe für Biafra. „Der Wille, den ‚bedräng- dagegen unternommen werden, weil eben ten Mitbrüdern‘ zu helfen, war stärker, als die Be- nicht genuegend milch und fleisch zur verfu- hauptungen der Biafraner ernsthaft zu überprü- egung stehen.“ (APA, 1968) fen“, schreibt Zieser (1971, S. 183).

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Das Krankheitsbild bei Kwashiorkor zeigt ei- ZeugInnen, wie Edmund „Mundl“ Sackbauer die nen charakteristischen Hungerbauch, der durch bürgerlichen Schwiegereltern seines Sohnes mit Wassereinlagerungen und eine vergrößerte Leber Idi Amin vergleicht und daraufhin entsetzte Re- verursacht wird. Darüber hinaus treten Hautver- aktionen seiner Familie erntet. änderungen und oft auch eine Entfärbung der Haare auf. Die Bilder dieser Kinder „mit aufge- Die Episode zeigt, wie populär der ugandische blähten Bäuchen, mit rötlich verfärbten Haa- Diktator zu dieser Zeit in Österreich gewesen sei ren, fleckenübersäter Haut und leblosen Augen“ muss – ansonsten wäre die Anspielung vom Pu- (N.N., 1969, S. 106), Kinder, deren „gesichter blikum wohl kaum verstanden worden. bereits greisenhafte zuege tragen“ (Grimm, 1968), gingen um die Welt. Idi Amin Dada ist bis heute der Inbegriff des blutrünstigen afrikanischen Diktators. Der Sohn Die „appellative Ikonographie“ (Heerten, 2011, „eines kleinen Bauern vom Kakwa-Stamm aus S. 400) des Biafra-Kriegs zeigte enorme Wirksam- Nubien und einer gleichfalls nubischen Mar- keit und rüttelte die Menschen auf. Die Spenden- ketenderin, die als Zauberin ihre Spielchen mit bereitschaft war enorm. Durch die Errichtung Soldaten trieb“ (N.N., 1975, S. 104) galt west- einer Luftbrücke kirchlicher Hilfsorganisationen lichen Medien als „Halbalphabet, der wenig mehr im August 1968 konnte das Massensterben letzt- als seine Unterschrift schreiben und wohl nicht endlich gestoppt werden, die Todesrate sank auf fließend lesen kann“ (ebd.). Amin wurde abwech- rund 300 Menschen pro Tag. selnd als „dumpfer Tölpel“ oder als „brutaler Schlächter“ dargestellt – in jedem Fall aber schien Mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staa- er der personifizierte Beweis für Afrikas Unfähig- ten in die ČSSR am 21. August 1968 verschwand keit zu sein, sich selbst zu regieren (Mayr, 2014). Biafra über Nacht aus den Schlagzeilen. Bis zum Kriegsende Anfang 1970 konnte die hohe me- In seiner achtjährigen Schreckensherrschaft diale Resonanz des Sommers 1968 nicht wieder (1971-1979) hat Idi Amin Hundertausende sei- erreicht werden. Mit Ausnahme von Äthiopien ner Landleute umbringen lassen. Hartnäckig 1984/85 hat keine andere Hungerkatastrophe hielten sich Gerüchte, wonach er politische Geg- in Afrika je wieder eine ähnlich hohe mediale nerInnen den Krokodilen zum Fraß vorwarf und Aufmerksamkeit wie Biafra erzielen können. den Kopf seiner ehemaligen Geliebten im Kühl- Und Äthiopien gilt als Sonderfall: 15 Jahre nach schrank aufbewahrte. Letzteres wurde von einem dem Ende des Biafra-Krieges waren es vor allem früheren Hausangestellten in einem Interview Bob Geldof und Live Aid, die für eine weltweite mit der Londoner Sunday Times in Umlauf ge- Wahrnehmung der Katastrophe sorgte (Sturmer, bracht. Laut APA-Meldung vom 10. September 2013, S. 99). 1977 war Moses Aloga von einer der Frauen des Diktators gebeten worden, zwei Kühlschränke in Allerdings haben diese Ereignisse auch für eine der Residenz Amins in Kampala zu öffnen: neue Betroffenheitsschwelle bei JournalistInnen gesorgt: So hat die Hungerkatastrophe in Somalia „‚in dem eiskasten standen zwei koepfe‘, berich- zwischen Oktober 2010 und April 2012 weitaus tet aloga. ‚in dem einen erkannte frau amin weniger mediales Interesse erzeugt. Laut der Er- ihren frueheren geliebten jesse gitta. sie starrte nährungs- und Landwirtschaftsorganisation der den kopf einige augenblicke sprachlos an und Vereinten Nationen starben dort 258.000 Men- machte dann einen versuch, ihn herauszuneh- men. sie zitterte am ganzen koerper, sie weinte schen (FAO, 2013). und schrie. dann sank sie ohnmaechtig zu bo- den‘. der zweit [sic!] kopf in dem kuehlschrank soll jener von ruth kobusinje gewesen sein, einer Brutal, geisteskrank und frueheren geliebten des diktators, die er beseiti- sexsüchtig: Afrikas Diktatoren im gen liess, weil er sie der untreue verdaechtigte.“ Spiegel der Medien (APA, 1977a)

Drei Tage vor dem Weihnachtsabend des Jahres 1977 strahlte der ORF den elften Teil seines Stra- Neben Amins Gewalttaten zählten auch Mutma- ßenfegers „Ein echter Wiener geht nicht unter“ ßungen über dessen angebliche Geisteskrankheit aus. Die ZuschauerInnen wurden in dieser Folge zu den Lieblingsthemen der Medien. So spe-

24 m&z 2/2016 kulierte die APA bereits im zweiten Jahr seiner Demokratischen Republik Kongo bzw. Zaïre die Amtszeit über den Gesundheitszustand des ug- medialen Vorstellungen eines afrikanischen Des- andischen Präsidenten. Unter dem Titel „amin poten offenbar perfekt. Die Bilder von Bokassas geisteskrank?“ verbreitete die Nachrichtenagentur pompöser Krönungszeremonie1 zum Kaiser von Informationen aus London, wonach Amin „mo- Zentralafrika gingen 1977 um die Welt, Mobutus eglicherweise an einer leichten geisteskrankheit, Leopardenfellmütze wurde zum Markenzeichen der hypomanie“ (APA, 1972) leide. In das Bild des Diktators. des „Wahnsinnigen“ passten auch Amins Anti- semitismus und seine offene Bewunderung für Amin, Bokassa und Mobutu zählen bis heute zu Adolf Hitler. So berichtete die APA im Oktober den berüchtigtsten Diktatoren des Kontinents. 1973, dass der Diktator angesichts des Jom-Kip- Es gab allerdings etliche andere Staatschefs, die pur-Kriegs im Nahen Osten überzeugt war, „dass zwar ähnlich brutal waren aber weniger Projekti- hitler mit der vernichtung von sechs millionen onsfläche für die Berichterstattung abgaben. Um juden waehrend des zweiten weltkrieges recht ge- nur ein Beispiel zu nennen: Mit dem Langzeit- handelt habe“ (APA, 1973). herrscher von Malawi, Hastings Kamuzu Banda (1964-1994), gingen die westlichen Medien in Häufig für Schlagzeilen sorgte auch das Sexle- den 1970er und 1980er Jahren wesentlich zu- ben von Amin. Der Diktator soll mit seinen fünf rückhaltender um. Und das, obwohl auch dieser Frauen und mehreren Geliebten über 40 Kinder den Tod von Tausenden Menschen zu verantwor- in die Welt gesetzt haben. Für eine pikante Affä- ten hatte und Oppositionellen ausrichten ließ: re sorgte seine Verbindung zur Elizabeth Bagaya, „Meine Krokodile brauchen Fleisch“ (Zit. nach der „Prinzessin von Toro“. Die 32-Jährige war Räther 1995). zwischen Februar und November 1974 Außenmi- nisterin im Kabinett von Idi Amin. Am 28. No- Für den Wiener Historiker und Afrika-Experten vember 1974 wurde sie aus dem Amt entlassen, Walter Sauer ist es offensichtlich, dass die Bericht- weil sie „sich dazu herabgelassen habe, auf einer erstattung eine gewisse Doppelmoral aufwies. So pariser flughafen-toilette mit einem unbekannten waren die gravierenden Menschenrechtsverlet- weissen liebesspiele zu feiern.“ (APA, 1975). Als zungen durch das Apartheid-Regime in Südafrika Beweis für das „unmoralische Verhalten“ ließ in der bürgerlichen Presse lange Zeit kein Thema, Amin im Jänner 1975 ein Aktfoto von Bagaya in Sauer bezeichnet die heimische Medienlandschaft allen Tageszeitungen und im ugandischen Fern- zu dieser Zeit sogar als „weitgehend apartheid- sehen veröffentlichen. Das Foto war entstanden, freundlich“ (Sauer, 2012, S. 104). Lediglich die als Bagaya in London als Mannequin ihr Geld sozialistische Arbeiterzeitung und die kommuni- verdient hatte. Die Angelegenheit beflügelte die stische Volksstimme brachten kritische Nachrich- Fantasien der Weltpresse, dass die schöne Prinzes- ten und Kommentare (ebd., S. 105). sin die Avancen des „häßlichen Afrikaner“ (N.N., 1975, S. 102) wohl abgewiesen hat. Mitgründe für die arglose Berichterstattung wa- ren wohl die wirtschaftlichen Interessen und die Neben Idi Amin rückten aber noch einige an- große Attraktivität Südafrikas als Zielgebiet hei- dere Diktatoren ins Blickfeld der Medien. Die mischer AuswandererInnen. Ab den 1960er Jah- Bekanntesten unter ihnen waren Meister der ren forcierte die südafrikanische Regierung ihre Selbstinszenierung, die ihnen die gewünschte Einwanderungspolitik, zwischen 1961 und 1975 internationale Aufmerksamkeit sicherte. So er- zog es rund 16.000 ÖsterreicherInnen ans Kap füllten neben Amin auch Jean-Bédel Bokassa (Heuberger, 2012, S. 76). aus Zentralafrika und Mobutu Sese Seko aus der

1 Die Bilder der Krönungszeremonie, die laut APA 465 Mil- gruppe geschenkt, die sich dadurch bessere wirtschaftliche lionen Schilling gekostet hat, gingen um die Welt. Vor allem beziehungen zu dem 2,6 millionen-land zentralafrika erhofft. der prunkvolle Krönungsmantel, der es samt Schleppe auf der kroenungsmantel ist aus purpurrotem samt, die napole- neun Meter brachte, sorgte für Aufsehen. Gefertigt wurde der onischen goldstickereien wurden dem vorarlberger stickerei- Mantel in 330 Arbeitsstunden von Couturier Engelbert Ott in fabrikanten anton fend aus hohenems anvertraut. besonders Schlins bei Feldkirch und seinem Kollegen Roberto Frenzer in wertvoll sind die 350 weissen nerzfelle, mit denen der mantel Zürich. Die APA berichtete wie folgt: „das millionenschwere gefuettert und verbraemt worden ist.“ (APA 1977b). stueck wurde dem kaiser von einer internationalen finanz-

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Der Gastgeber zeigte sich dabei großzügig, über- „Ein Maler stellte den Polygamisten mit einer nahm den Großteil der entstandenen Unkosten langen Lanze als Penis dar – eine Anspielung und half bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen. auf Zumas sexuelle Hyperaktivität, die ihm Viele AuswandererInnen machten am Kap Karri- sechs Frauen, zahlreiche Geliebte und (minde- ere. Die heimischen Medien begannen in der Fol- stens) 20 Kinder bescherte.“ (ebd.) ge über „erfolgreiche Österreicher (kaum Öster- reicherinnen)“ (Sauer, 2012, S. 104) in Südafrika zu berichten. Die Presse beschrieb in ihrer Ausga- Für Walter Sauer ist diese Form der Kritik „un- be vom 10. März 1972 paradiesische Verhältnisse: ter der Gürtellinie angesiedelt“ (Sauer 2016b). In Johannesburg gäbe es „richtiggehende österrei- Der Historiker weist daraufhin, dass die demo- chische Wohninseln“, junge Leute würden sich kratische Verfassung Südafrikas bis heute funkti- gemeinsam ein Haus mieten, das Dienstmädchen oniert – wie nicht zuletzt auch Zumas Einlenken aus Lesotho wäre „im Preis mitinbegriffen“ (zit. im Skandal um den staatlich finanzierten Ausbau nach ebd.). seines Wohnsitzes Nkandla zeigte (ebd.).

Erst Mitte der 1980er Jahre setzte ein Umdenken ein. Die Unruhen von 1985 und die nachfolgende Kriegsfürsten zwischen Kinder- Verhängung des Ausnahmestands ließen einen soldaten und Kannibalen „Rassenkrieg“ befürchten (APA, 1985), der ORF berichtete nahezu täglich über die Polizeimassaker Samstag, 24. Jänner 2009. Die Auslandsressorts in den Townships (Sauer 2012, S. 114). Auch die aller drei österreichischer Qualitätszeitungen Stimmen über die AuslandsösterreicherInnen am kannten ein gemeinsames Hauptthema: Die Ver- Kap wurden kritischer. „Merklich blätterte der haftung des Rebellenführers Laurent Nkunda in Schein der Legitimität einer österreichischen Exi- der Demokratischen Republik Kongo. „Kongo- stenz in Apartheid-Südafrika ab.“ (ebd., S. 113). Rebellenchef Nkunda gefasst“, titelte Der Stan- dard, „Das Ende des Warlords“ lautete die Schlag- Im Februar 1990 wurde Nelson Mandela aus der zeile der Presse, „Kongos schlimmster Kriegsfürst Haft entlassen, 1994 gewann er die Präsident- verhaftet“ hieß es in den Salzburger Nachrichten. schaftswahlen. Vor allem seine Politik der Ver- söhnung verschaffte ihm international Respekt, Bemerkenswert dabei war aber vor allem, dass die Medien betrachten Mandela bis heute als die ein- drei Konkurrenten auf dem österreichischen Qua- zige Lichtgestalt der afrikanischen Politik. Seine litätsmarkt auf exakt dasselbe Bild von Associated Nachfolger traten ein schweres Erbe an: Thabo Press zurückgriffen: Auf dem Foto von Karel Prins- Mbeki (1999-2008) galt vielen JournalistInnen loo inszeniert sich Nkunda als selbstgefälliger Füh- als arrogant und zu intellektuell, seine Amtszeit rer in Uniform, flankiert von zwei uniformierten wurde bestenfalls als glücklos bewertet. Soldaten mit Kalaschnikows. In der rechten Hand hält er ein Zepter mit silbernem Adlerkopf. Der aktuelle Präsident Jacob Zuma (seit 2009) bietet da schon mehr Angriffsfläche. So weist z.B. Nicht, dass es nicht auch andere und sogar ak- ein aktueller profil-Artikel über den südafrika- tuellere Bilder von Laurent Nkunda gegeben nischen Präsidenten verblüffende Parallelen zur hätte (das veröffentlichte Foto war bereits am 6. Rezeption von Idi Amin auf. Autor Johannes Die- November 2008 entstanden). Offenbar herrsch- terich beschreibt Zuma als „verhaltensoriginell“ te aber bei den zuständigen Auslandsredakteur- und vergleicht sein Lachen („Hehehe“) mit einem Innen aller drei Blätter die übereinstimmende „Gackern“. Außerdem habe Zuma Ansicht, dass kein anderes Foto dem Warlord aus dem „Herz der Finsternis“ besser gerecht wurde. „nie eine Schule besucht und erst auf der Gefäng- nisinsel Robben Island das Lesen und Schreiben Mohamed Farrah Aidid in Somalia zu Beginn der gelernt. Wenn er eine Zahl mit mehr als sechs 1990er Jahre, Augustin Bizimungu in Ruanda Stellen ablesen muss, verhaspelt er sich meist.“ 1994, Joseph Kony in Uganda, Boko-Haram- (Dieterich, 2016) Führer Abubakar Shekau in Nigeria. Die unbe- schreiblichen Grausamkeiten afrikanischer War- Freilich dürfen auch Einblicke in Zumas Sexual- lords haben unsere Wahrnehmung von Afrika in leben nicht fehlen: den letzten Jahrzehnten maßgeblich beeinflusst.

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Zu den in unseren Breiten wohl bekanntesten Eine eigene Untersuchung der Berichterstat- Figuren zählt Charles Taylor aus Liberia. Der Re- tung der österreichischen Tageszeitungen und bellenführer, Kriegsherr und spätere Präsident gilt der Nachrichtenagentur APA zu den Präsident- als einer der brutalsten Kriegsherren Afrikas und schaftswahlen 2007 in Sierra Leone bestätigen war die zentrale Figur in den Bürgerkriegen von diesen Befund. Nach dem verheerenden Bürger- Liberia (1989-2003) und im benachbarten Sierra krieg und den Abzug der UN-Truppen im Jahr Leone (1991-2002). 2005 galt der Urnengang als Bewährungsprobe für das politische System. Der erste Wahlgang Zunächst kämpfte Taylor in Liberia gegen den fand am 11. August 2007 statt, am 8. Septem- Präsidenten Samuel K. Doe (1980-1990). Nach ber folgte die Stichwahl zwischen Herausforderer dessen Exekution im Jahr 1990 kam es zu einem (All People’s Congress, APC) grausamen Kampf um die Vorherrschaft in dem und von der Regierungspartei westafrikanischen Land. Nach der Unterzeich- SLPP (Sierra Leone People’s Party). nung eines Waffenstillstandes wurde Taylor 1997 zum Staatsoberhaupt gewählt. Es folgte ein Wie- Im Untersuchungszeitraum vom 1. August bis deraufflammen des Bürgerkriegs, der bis zu sei- 30. September 2007 veröffentlichte die APA ins- nem Ende mindestens 200.000 Menschen das gesamt 27 Beiträge über Sierra Leone, die Tages- Leben kostete. zeitungen kamen auf eine Gesamtsumme von 24 Artikel. Lediglich sieben der damals 19 österrei- 2012 wurde Charles Taylor vom Internationalen chischen Tageszeitungen beschäftigten sich über- Strafgerichtshof in Den Haag zu einer 50-jährigen haupt mit dem Thema. Freiheitsstrafe verurteilt. Bei seinen Verbrechen „ging er mit unfassbarer Brutalität vor“, berich- Der Großteil der Beiträge erschien rund um tete der ORF am Tag von Taylors Schuldspruch den Wahlauftakt am 11. August 2007. Sie be- in Den Haag. handelten in erster Linie den Bürgerkrieg, den Handel mit Blutdiamanten und das Schicksal „Er selbst soll das Blut von Getöteten getrunken der Kindersoldaten. Eine weitere Aufmerksam- und seine Soldaten zu kannibalistischen Taten keitsspitze war unmittelbar nach dem 28. Au- angestiftet haben. Sein Wahlslogan aus dem gust feststellbar, als es in der Hauptstadt Free- Jahr 1997 spricht für sich: ‚Er hat meine Mut- town zu Ausschreitungen und nachfolgend zur ter getötet, er hat meinen Vater getötet, aber ich Verhängung einer Ausgangssperre kam. Nach- stimme trotzdem für ihn.‘“ dem wieder Ruhe eingekehrt war, interessierte (ORF, 2012) der Wahlausgang den Großteil der Medien nicht Taylor sorgte aber nicht nur in seinem Heimat- mehr. Lediglich die APA, Der Standard und die land für unsägliches Leid, er unterstützte auch Wiener Zeitung berichteten über Koromas Wahl- die für ihre Gräueltaten bekannten Rebellen der sieg (Sturmer, 2013, S. 75). Revolutionary United Front (RUF) im Bürgerkrieg im benachbarten Sierra Leone (1991-2002). Die RUF setzte u.a. Kindersoldaten ein, die unter Ebola vernichtet den Aufschwung Drogeneinfluss entsetzliche Gewaltakte begingen. Taylors Ziel war es, die Kontrolle über die dor- Nach dem Einsetzen der globalen Finanzkri- tigen Diamantenminen zu erlangen und durch se rückte Afrika zunehmend in den Fokus der den Handel mit „Blutdiamanten“ seinen eigenen internationalen Wirtschaft. Beflügelt wurde Krieg zu finanzieren. diese Entwicklung durch Wachstumsraten jen- seits der Fünf-Prozent-Marke. In den Medien Nach dem Ende des Konflikts, in dem minde- tauchten plötzlich Attribute wie „Kontinent der stens 50.000 Menschen umkamen, ebbte das Hoffnung“ oder „der letzte Zukunftsmarkt“ auf mediale Interesse an Sierra Leone rasch ab. Die- (Schreiber, 2014). ses Phänomen ist aus früheren Konflikten be- kannt: Die Beilegung von Krisen in der Afrika- Der neue Afrika-Optimismus wurde auch Berichterstattung bedeutet zugleich das Ende durch die erstmalige Austragung einer Fußball- der medialen Aufmerksamkeit, weitere politische Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kon- Entwicklungen werden nur sehr begrenzt verfolgt tinent beflügelt. Dass Südafrika die WM 2010 (Glodzinski, 2010, S. 231). gut über die Bühne bringen würde, haben dem

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Land im Vorfeld nur wenige JournalistInnen zeichnet die WHO die Epidemie als eine der zugetraut. größten Herausforderungen, seit das Virus vor 40 Jahren auftauchte (Giordani, 2014). Am 26. Mai Mit „Africa Rising“ war bald ein eingängiges meldet Sierra Leone den ersten Ebola-Toten. Motto für den Aufschwung gefunden. Das neue Narrativ nahm richtig Fahrt auf, als das US-Ma- Die österreichischen Medien berichten bis zu die- gazin Time im Dezember 2012 das neue Motto sem Zeitpunkt noch zurückhaltend und nur ge- auf das Titelblatt hob und sich ausgiebig mit den mächlich ansteigendem Interesse. Wie eine eigene positiven Entwicklungen auf dem Kontinent aus- Auswertung anhand der DeFacto-Suchmaschine einandersetzte. Das österreichische profil sprang der APA ergab, erschienen zwischen 1. März 2014 auf den Zug auf und brachte unter dem Titel und 31. Juli 2014 in den 172 österreichischen Ta- „Die Erhebung Afrikas“ Ende Jänner 2013 eine geszeitungen 195 Beiträge zum Thema Ebola. mehrseitige Story von Rainer Himmelfreund- pointner (die im Übrigen verblüffende Ähnlich- Dann erreichte die Krankheit über Nacht Europa. keiten mit dem Original von Alex Perry aufwies). Am 12. August verstarb der 75-jährige Geistliche In einem beigestellten Kommentar fasste Georg Miguel Pajares in Madrid. Pajares hatte zuvor als Hoffmann-Ostenhof die optimistische Stim- Pfleger in einem Krankenhaus in Liberias Haupt- mungslage zusammen: stadt Monrovia gearbeitet.

„Die alten Klischees sind out. Auch wenn ange- Mit einem Schlag explodierte das mediale Inte- sichts der malischen Aktualität diese wiederauf- resse an Ebola: Allein im August 2014 veröffent- tauchen mögen und man sich daran erinnert, lichen die österreichischen Tageszeitungen 631 wie man durch Jahrzehnte düster und hoff- Beiträge – mehr als dreimal so viel als in den fünf nungslos auf ein von kleptokratischen Tyran- Monaten zuvor. Zum Zeitpunkt von Pajares Tod nen geführtes, elendes und chaotisches Afrika hatte es bereits 1.130 afrikanische Ebola-Tote ge- blickte. In den vergangenen Jahren hat sich das Bild, das sich die Welt von Afrika macht, geben. langsam verändert. Und in der letzten Zeit be- richten die internationalen Medien geradezu Den quantitativen Höhepunkt der heimischen enthusiastisch von einer blendenden Zukunft Ebola-Berichterstattung wurde aber erst im des Schwarzen Kontinent.“ Oktober 2014 mit insgesamt 963 Beiträgen er- (Hoffmann-Ostenhof, 2013, S. 56) reicht. Die Krankheit schien auch in Österreich angekommen zu sein: „Ebola-Alarm in Salzburg“ Doch dann kam Ebola. Und das neue Image von titelten die Salzburger Nachrichten in ihrer Loka- „Africa Rising“ bekam einen tiefen Kratzer. Im lausgabe am 7. Oktober. Ein 15-jähriger Flücht- Jahr 2013 hatte der Internationale Währungs- ling aus Liberia war tags zuvor von Schengen- fonds (IMF) für die ehemaligen Bürgerkriegs- Fahndern in Salzburg aufgegriffen worden und staaten Sierra Leone und Liberia noch rekordver- hatte erzählt, dass seine Eltern an Ebola gestorben dächtige Wachstumsraten von 20,7 Prozent bzw. wären. Nach 17 Tagen in Quarantäne wurde er 8,6 Prozent ermittelt. Zwei Jahre später legte Sier- völlig gesund aus dem Krankenhaus entlassen. ra Leone ein Minus von satten 21,75 Prozent hin, Nach der Diagnose nahm das mediale Interesse und Liberias Wirtschaft stagnierte (IMF, 2016). kontinuierlich ab: Im November 2014 wurden nur noch 318 Beiträge zum Thema veröffentlicht, Der mediale Umgang mit Ebola ist entlarvend für im Dezember gar bloß 192. die Mechanismen der Afrika-Berichterstattung. Am 24. März 2014 identifizierten französische Der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas nicht Experten den Ebola-Erreger als Auslöser für eine gerade zuträglich war dabei ein homogenisie- Erkrankungswelle mit 61 Toten in Guinea. Am rendes Berichterstattungsmuster. In den Medien 31. März bestätigt die WHO die ersten beiden wurde häufig von einer „Ebola-Epidemie in Afri- Ebola-Fälle im Liberia. Wenige Tage später be- ka“ gesprochen. Tatsächlich gab es aber Krank-

2 Die Zahl der österreichischen Tageszeitungen reduzierte 2014 veröffentlichte die Salzburger Volkszeitung ihre letzte sich in diesem Jahr von 17 auf 15: Die Kärntner Tageszeitung Ausgabe. stellte per 28. Februar 2014 ihr Erscheinen ein, am 7. Juli

28 m&z 2/2016 heitsfälle in nur in sechs von 54 afrikanischen stoffpreise und rückläufige Auslandsinvestitionen Staaten. Die wenig präzise mediale Auseinander- setzen die Volkswirtschaften des Kontinents unter setzung steht in Verdacht, großen Schaden ange- Druck. richtet zu haben: Reisebüros aus ostafrikanischen Ländern wie Kenia und Tansania beklagten Aufgrund der Flüchtlingsthematik ist der Kon- schwere Umsatzeinbrüche – und das obwohl die tinent im Moment ohnehin ein wenig aus dem Urlaubsmetropole Mombasa von Monrovia wei- Fokus der Redaktionen gerückt. Man muss aber ter entfernt liegt als Wien. keine ProphetIn sein, um zu wissen, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Die nächste Katastrophe Natürlich war Ebola nicht alleine verantwortlich kommt bestimmt. Und dann feiert Afrika seine dafür, dass es um „Africa Rising“ zuletzt ziemlich Auferstehung als „tragischer Held“ auf der hei- still geworden ist. Vor allem die sinkenden Roh- mischen Medienbühne.

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Martin STURMER Mag. Dr. MIB, studierte Afrikanistik sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien und Dar es Salaam. Seine Dissertation verfasste er zum Thema „The Media Histo- ry of “, die nachfolgende Publikation gilt bis heute als historisches Standardwerk für die Ausbildung von JournalistInnen in Tansania. Seit dem Jahr 2007 betreibt Sturmer die Nachrichtenagentur afrika.info mit Sitz in Salzburg, die sich hauptsächlich mit Wirt- schaftsinformationen über den Kontinent beschäftigt. 2013 hat Sturmer das Buch „Afri- ka! Plädoyer für eine differenzierte Berichterstattung“ veröffentlicht.

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Dekolonisierung des Blicks

Julia Dittmann Universität Bayreuth

Abstract Der vorliegende Artikel zeigt mithilfe einer erweiterten Lesart des zum Ursprungstext der feministischen Filmtheorie avancierten Artikels Visual Pleasure and Narrative Cinema von Laura Mulvey, dass weiße Schaulust im okzidentalen Mainstream-Kino unter anderem auf der hegemonialen Inszenierung von Weißsein fußt. Am Beispiel des Films Die weiße Massai (D 2005) wird exemplarisch dargelegt, dass die von Mulvey entwickelte Theorie nicht nur sexistische, sondern auch rassialisierende Inszenierungsstrategien offenlegen kann. Anschließend wird untersucht, welche Inszenierungsstrategien Ousmane Sembène als einer der berühmtesten Vertreter_innen des Third Cinema in seinem Film La Noire de... (Senegal/F 1966) verwendet, um kinematographische Sehgewohnheiten des Okzidents zu irritieren, Schwarzen Zuschauer_innen eine Identifikationsmöglichkeit zu offerieren und weißen Filmrezipierenden ihre (post)koloniale Täter_innenschaft vor Augen zu führen. Inwiefern schafft er es, den Blick zu dekolonisieren?

„Schwarze Haut, muskulöse Körper: Die Fas- eine rassismussensible Analyse dieses von einem zination des ‚Wilden’ lockt immer mehr Tou- ristinnen nach Kenia. [...] Für eine gewisse weiß-weiblichen Publikum besonders begehrten Klientel von weißen Frauen sind die jungen Blockbusters (Beigel, 2006, S. 5; Zukunft Kino 2 Krieger der Samburu heiß begehrt. Ein regel- Marketing, 2007) schnell deutlich. rechter Heirats- und auch Sexmarkt ist ent- standen.“ Obwohl der Film Die weiße Massai innerhalb des melodramatischen Genres insofern eine Aus- So beginnt der unter dem Titel Schwarze Krieger nahme bildet, als dass er zu den wenigen okzi- für weiße Ladys. Käuflicher Sex in Kenia gesende- dentalen (Mainstream-)Liebesfilmen gehört, die te Beitrag des ZDF-Kulturmagazins Aspekte vom eine Liebesbeziehung zwischen Schwarzen und 18. Juli 2008, dessen Anmoderation den deut- weißen Filmfiguren ins Zentrum der Narration schen Spielfilm Die weiße Massai für die rasante stellen (Kaufmann, 2007, S. 75), trägt er statt zu Entwicklung dieses kenianischen Sexmarktes einer Emanzipation des Schwarzen Mannes zur mitverantwortlich macht. Dass der 2005 uraufge- Bildung und Verfestigung weiß-weiblicher Hege- rührte Film tatsächlich zu dem hier verhandelten monialität bei, die, wie ich sowohl entgegen als weiblichen Sextourismus und damit zu der in der auch mit der Mulvey’schen Theorie behaupten Realität stattfindenden Konsolidierung einer – möchte, von der okzidentalen Spielfilmindustrie offensichtlich nicht nur subjektiv empfundenen genutzt wird, um weiß-weibliche Schaulust zu – Ermächtigung der weißen1 Frau auf Kosten des produzieren. Schwarzen Mannes beizutragen versteht, macht

1 Das Adjektiv weiß und das Nomen Weißsein schreibe ich sowie kino- und filmspezifischen Informationen“ auswertet, kursiv, um die Konstruktion dieser Kategorie hervorzuheben. keine Differenzierungen nach Markierungen durch Rassifi- Schwarz und Schwarzsein werden aus demselben Grund groß zierungsprozesse auf. Es ist aber aufgrund der deutschen Be- geschrieben – erweitert um die ermächtigende Wirkung des völkerungsstruktur davon auszugehen, dass es sich bei einem Großgeschriebenen. Großteil der weiblichen Kinobesucherinnen um Weiße gehan- 2 Leider weist die von Beigel erstellte FFA-Statistik, die die delt hat. „Top 50-Filmtitel des Jahres 2005 nach soziodemografischen

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Laura Mulvey leitete in ihrem 1975 erstmalig symbolischen Phallus, den sie allerdings an keiner veröffentlichten Artikel Visual Pleasure and Nar- Stelle als solchen explizit benennt oder genauer rative Cinema theoretisch her, dass der Phallus bei definiert. Ihrer Theorie zufolge bleibt der – nicht der Rezeption okzidentaler Mainstream-Filme als weiter spezifizierte – „Phallus“ dem männlichen Schaulust erzeugende Lesebrille wirksam wird. Geschlecht vorbehalten und wird auf diese Wei- Nur wer den Phallus besitze, so Mulvey, könne se stärker an das biologisch gedachte männliche Schaulust empfinden. Mulveys Artikel avan- Geschlechtsteil gekoppelt als es Lacans Theorie cierte im Laufe der folgenden Jahrzehnte zum eigentlich einfordert. Denn Lacan fächert die „Ursprungstext“ der feministischen Filmtheorie, Begrifflichkeit des Phallus entlang der Dreitei- welche sich zwanzig Jahre lang der Suche nach lung seines geistigen Universums in den realen, möglichen Antworten auf die Frage widmete, den imaginären und den symbolischen Phallus warum Frauen dann überhaupt ins Kino gehen, auf (Widmer, 1997, S. 17). Während er den re- wenn doch die Schaulust (männlichen) Phal- alen Phallus als Synonym für das männliche Ge- lusträgern vorbehalten sei. Bis Ende der 1980er schlechtsteil benutzt, erkennt er im symbolischen Jahre verfehlten die ausschließlich weißen Film- Phallus einen Signifikanten in der Signifikanten- theoretikerinnen dieses inzwischen kanonisierten kette des im Unbewussten angesiedelten Triebge- Diskurses wahrzunehmen, dass die okzidentalen schehens, der das (verbotene) Begehren symboli- Mainstream-Spielfilme, anhand derer nicht nur siert. Dieser weist nach Lacan keinen festgelegten Mulvey, sondern auch sie selbst ihre neuen The- Inhalt, kein festgelegtes Signifikat auf (Lacan, orien zu verifizieren suchten, rassistische Ikonen 1991, S. 126, 128; Pagel, 1991, S. 88f). und Tropen (re)produzierten (Dittmann, 2016). Entziffert man den symbolischen Phallus dem Der afro-amerikanische Filmwissenschaftler entsprechend und analog zu Elisabeth Grosz Manthia Diawara hingegen wies 1988 auf die und Gerda Pagel nun als einen Bedeutungsträ- „Farbenblindheit“ (Diawara, 1988, S. 66) die- ger für die Vorstellung und das Begehren eines ses von (weißen) Feministinnen geführten film- Zugangs zur Macht, so kann er gleichzeitig als wissenschaftlichen Diskurses hin und stellte als bloßes „Herrschaftssymbol“ gelesen werden (Pa- Schwarz-männlicher Filmrezipient Mulveys Be- gel, 1991, S. 99). Denn der Besitz des Phallus, so hauptung infrage, dass der Besitz des Phallus eine Grosz, verschaffe immer einen Zugang zu jenen männliche Schaulust garantiere. „Laura Mulvey sozialen Kategorien und gesellschaftlichen Posi- argues that the classical Hollywood film is made tionen, die mit Macht ausgestattet sind (Grosz, for the pleasure of the male spectator“, schrieb 1990, S. 121). Lacan selbst schrieb: er, „However, as a Black male spectator, I wish to argue, in addition, that the dominant cinema si- „The Phallus is not a question of a form or of an tuates Black characters primarily for the pleasure image, or of a phantasy, but rather a signifier, of White spectators (male or female)“ (Diawara, the signifier of desire. In Greek antiquity, the 1988, S. 70f). Diese von Diawara konstatierte phallus is not represented by an organ but as „Farbenblindheit“ der Mulvey’schen Theorie an insignia.“ (Lacan, zitiert nach Grosz, 1990, S. 121) kann, wie ich im Folgenden aufzeigen werde, durch die Herleitung einer erweiterten Phallusde- finition in einen rassismussensiblen Filmanalyse- So wie im antiken Griechenland die Familienin- ansatz umgewandelt werden und dadurch weiß- signien dazu dienten, eine Klasse von der anderen weibliche Schaulust begründen. zu unterscheiden und Sklav_innen3 vom Zugang zu einem Familiennamen und damit zur Macht auszuschließen, so dient im heutigen Patriarchat Re-reading Laura Mulvey der Penis als symbolischer Phallus dazu, die weib- liche Hälfte der Bevölkerung vom Zugang zur Mulvey stützte sich in ihrem theoretischen An- Macht fernzuhalten (Grosz, 1990, S. 121). Der satz aus dem Jahre 1975 auf Lacans Konzept des symbolische Phallus kann also in unterschied-

3 Wenn ich mehrere Menschen unterschiedlicher sozialer und weibliche Form des Begriffs, um der existierenden Vielge- und biologischer Geschlechter mit einem Sammelbegriff be- schlechtlichkeit der Menschheit gerecht zu werden. nenne, setze ich einen Unterstrich zwischen die männliche

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lichen soziopolitischen Strukturen die Form vieler Um die Unterdrückung und Ausbeutung von unterschiedlicher Objekte und körperlicher Or- Menschen anderer Herkunft auch im Zeitalter gane annehmen: Sei es die Form der Insignien, der Aufklärung noch rechtfertigen zu können, die des Penis, des Kindes, des weiblichen Körpers erstellten europäische Philosoph_innen im Gei- (Grosz, 1990, S. 125; Evans, 2002, S. 224) oder – ste von Vernunft und Toleranz seit dem 18. Jahr- ich ergänze – die Form weiß konstruierter Haut-, hundert eine „Rassenhierarchie“ (Wollrad, 2005, Haar- und Knochenstruktur. Denn auch Weißsein S. 62), für deren Richtigkeit Naturwissenschaften ist „ein politisches Konstrukt, das die Position von und Anthropologie die notwendigen „objektiven Personen innerhalb eines Herrschaftsgefüges mar- Beweise“ lieferten. Nicht nur englische und fran- kiert“ (Wollrad, 2005, S. 90). Weißsein fungiert, zösische Philosophen wie John Locke, Charles genau wie der von Elisabeth Grosz beschriebene Montesquieu, George Leclerc de Buffon und phallische Signifikant, als Hauptsignifikant – als David Hume beteiligten sich an diesem Unter- „signifier of signifiers“ – für die Verteilung von fangen. Auch berühmte deutsche Philosophen Macht, Autorität und verschiedenen Sprecher_in- wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel und der als nenpositionen in einer hierarchisch organisierten Begründer des modernen „Rassekonzepts“ gel- Gesellschaft (Grosz, 1990, S. 125f), in der „Ne- tende Immanuel Kant4 engagierten sich in diesem onazis, Apartheid-Ide- Bereich (Eggers, 2005, ologInnen und der Klu S. 60; Piesche, 2005, Klux Klan nur die Spitze Weißsein kann [...] ohne wei- S. 30-39; Wollrad, 2005, des Eisberges sind und teres als ein Machtsymbol in- S. 62ff). Rassismus aus der Mitte nerhalb der abendländischen der Gesellschaft kommt“ Auf solchen Konstruk- (Arndt, 2005, S. 349). Moderne betrachtet und damit tionen basiert auch die als symbolischer Phallus wirksam heutige okzidentale Ge- Die Tiefe, in der Weiß- werden. sellschaftsform, die auf sein als Machtsymbol einem im Zeitalter der innerhalb der okziden- europäischen Aufklärung talen Gesellschaftsform verankert liegt, muss dem entworfenen Gesellschaftsvertrag gründet, der immer noch anhaltenden Prozess der Erfindung zur gleichen Zeit entworfen worden ist wie der der „weißen Rasse“ zugerechnet werden, der von rassifizierte, wissenschaftlich begründete Diffe- vornherein darauf angelegt war, Macht über au- renzglauben. Dieser von Eggers als Herrschafts- ßereuropäische Menschen, deren Lebensräume vertrag benannte Gesellschaftsvertrag, der sich und Ressourcen zu erlangen und diese langfri- durch konkrete gesellschaftliche Ausschlüsse stig zu sichern. Dieser Prozess begann mit einer konstituiert und nicht nur aus einem politischen zunächst unstrukturierten Phase bereits Anfang und einem ethischen Teilvertrag besteht, sondern des 16. Jahrhunderts, als die spanischen Con- auch aus ausbeuterischen Verträgen wie z.B. dem quistadores das Weißsein zeitgleich mit der zur „Sexual Contract“ und dem „Racial Contract“, „Entdeckung“ stilisierten Eroberung von Ge- sichert Menschen, die als weiß konstruiert sind, bieten in Süd- und Mittelamerika erfanden, um im Okzident auch heute noch gesellschaftliche die unterschiedlichen Interessenslagen innerhalb Machtpositionen und Privilegien (Eggers, 2005, ihrer eigenen heterogenen Gruppe zu homogeni- S. 59). sieren. Die Kategorie Weißsein, die damals noch nicht auf einem ausdifferenzierten theoretischen Weißsein kann aus dieser Geschichte heraus Fundament beruhte (Wollrad, 2005, S. 59), fun- ohne weiteres als ein Machtsymbol innerhalb gierte als kleinster gemeinsamer Nenner. Weißsein der abendländischen Moderne betrachtet und schien auch den Ärmsten unter ihnen als unver- damit als symbolischer Phallus wirksam werden. lierbarer Besitz sicher zu sein. Das Machtsymbol Weißsein liegt durch die lange Dauer seines Bestehens tief im kollektiven (Un-)

4 Kant konstruierte in seinem Aufsatz Von den verschiedenen „weißen Rasse“ untergeordnete „gelbe Rasse“, „schwarze Ras- Rassen der Menschen aus dem Jahre 1775 die aus Europäer_in- se“ und „rote Rasse“. Letztere bildet den Abschluss der Hierar- nen bestehende „weiße Rasse“, die in seinem Konzept auf der chie (Eggers, 2005, S. 60). höchsten Stufe der Rassenhierarchie stand, sowie die dieser

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Bewussten verankert und gräbt sich im Laufe des eller Orientierungen, körperlicher Befähigung, individuellen Subjektwerdungsprozesses in die Alter, etc. in der Gesellschaft verortet (Arndt & Psyche eines jeden Mitglieds der auf Kolonialis- Piesche, 2011, S. 193). mus gründenden okzidentalen Gesellschaft ein. Aus all den oben dargelegten Gründen kann White- Diesen Mechanismus beschreibt Kalpana Sesha- ness im Rahmen einer solchen, auf der Lacan’schen dri-Crooks aus einer psychoanalytischen Perspek- Theorie basierenden Phallusdefinition als eine tive (2000, S. 2). Die Subjektwerdung eines jeden Machtachse betrachtet werden, die den symbo- okzidentalen Individuums orientiert sich nach lischen Phallus (mit-)formt.5 Der von Mulvey ver- Seshadri-Crooks unter anderem an dem – vom wendete Terminus des Phallus ist daher nicht län- Gesetz des Weißseins installierten – master signifier ger ausschließlich mit dem symbolischen Gehalt Whiteness (ebd., S. 20, 36), der ein das Individu- gleichzusetzen, den das biologisch gedachte männ- um übersteigender Signifikant in der Ökonomie liche Geschlechtsorgan in einer patriarchalen Ge- sprachlicher Differenz und Bedeutung ist. Vor dem sellschaftsform verkörpert, sondern kann in einer Hintergrund des Lacanschen Theoriegebäudes liest (post-)kolonialen Gesellschaft auch auf Whiteness Seshadri-Crooks Whiteness als den im Symbolsy- ausgeweitet werden. Der phallische Signifikant, stem der „Rassendifferenz“ wirksam werdenden der den Zugang zur Macht als Herrschaftssymbol master signifier (ebd., S. 20), der alle Mitglieder der reguliert, ist intersektional zu denken. Gesellschaft gleichermaßen aufgrund der Logik von Rasse subjektiviert. Betrachten wir, was Laura Mulvey über das Ent- stehen der Schaulust schreibt, mit der Schablo- Diese Subjekt bildende Unterwerfung unter den ne dieses intersektional verstandenen Phallusbe- Signifikanten Weißsein macht Seshadri-Crooks griffs, so müssen wir davon ausgehen, dass nicht an dem Moment fest, den Freud und Lacan als nur „die Frau [...] in der patriarchalen Kultur als Ödipuskomplex bezeichnen. Sie betrachtet den Signifikant für das männliche Andere“ (Mulvey, Hauptsignifikanten Weißsein als einen „arglistigen 1994, S. 49) steht, sondern dass auch eine als Signifikanten“, der sich während der Subjektge- nicht-weiß kategorisierte Filmfigur im (post-)ko- nese, die sich im Ödipuskomplex vollzieht, an lonialen Filmschaffen zu einem Signifikanten für die Stelle des – nach Freud und Lacan – Subjekt das weiße Andere wird. Denn da, wie ich zuvor bildenden Signifikanten Phallus schleicht, um hergeleitet habe, die Kategorie „Rasse“ eine der dort phobische körperliche Merkmale wie Haare, vielen verschiedenen Machtachsen bildet, aus Hautfarbe und Knochenbau (Objekte klein a) denen sich der Phallus zusammensetzt, benötigt hervorzubringen (Tißberger, 2013, S. 128f). der Phallozentrismus ebenso wie er „auf das Bild der kastrierten Frau angewiesen ist, um seiner Anders als Seshadri-Crooks, die einzelne Diffe- Welt Ordnung und Sinn zu verleihen“ (Mulvey, renzsysteme voneinander abgrenzt, um Weißsein 1975, S. 48), das Bild eines „kastrierten“ Schwar- als master signifier dem rassifizierenden Symbol- zen Menschen, um im Kontext des Regiments system zuzuordnen und den Phallus als master si- von Whiteness die weiße Existenz als hegemoni- gnifier ausschließlich dem Symbolsystem der Ge- ale Instanz zu erschaffen und zu legitimieren. schlechterdifferenz zu überlassen, verstehe ich die Die Inszenierung einer mit Natur gleichgesetz- einzelnen Differenzsysteme als interdependent. ten Schwarzen Primitivität als ausgeschlossenes, Der Phallus fungiert in meinem theoretischen konstitutives Anderes ist für das Entstehen einer Ansatz als ein verwandlungsfreudiger und -fähiger weißen „zivilisierten“ Subjektivität ebenso funda- master signifier eines einzigen Sprach- und Sym- mental wie die als Natur der Kultur entgegenge- bolsystems, das aus verschiedenen, ineinander- setzte Weiblichkeit für das Entstehen männlicher greifenden und in sich jeweils hierarchisch ange- Subjektivität (Tißberger, 2013, S. 345). ordneten Differenzmodellen besteht. Denn jedes geschlechtlich konstruierte Wesen ist gleichzeitig Es ist daher naheliegend, dass die bei der Film- klassifiziert und rassifiziert und wird immer auch rezeption entstehende Schaulust in einer (post-) entlang der Differenzsysteme religiöser und sexu- kolonial-patriarchalen Gesellschaft nicht nur aus

5 Auch die Psychologin Martina Tißberger betrachtet den ebenso als eines von Weißsein (Tißberger, 2013, S. 152). Phallus nicht nur als Symbol von Männlichkeit, sondern

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der von Mulvey in okzidentalen Mainstream- & Bendix, 2011, S. 268). Das Kastriertsein des Filmtexten erkannten Entgegensetzung von ak- dehumanisierten Schwarz-männlichen Protago- tiv/männlich und passiv/weiblich geboren wird, nisten wird neben dieser Entsubjektivierung sei- sondern zusätzlich durch eine Inszenierung, die ner Sexualität auch noch durch die Zuschreibung aktiv/weiß und passiv/nicht-weiß kontrastiert. von Infantilität, Entwicklungsunfähigkeit, subal- Nicht nur der männliche Filmrezipient würde terner Sprachlosigkeit und eines ausgesprochen sich dann schaulustig mit einem Ich-Ideal iden- kargen Gefühlslebens hergestellt, das nichts an- tifizieren, das von einer männlichen Filmfigur re- deres auszudrücken weiß als Aggressionen. präsentiert wird, sondern auch weiße Zuschauer_ innen könnten sich lustvoll in dem Idealbild einer In binärer Konstruktion (Popal, 2011, S. 678) auf weißer Hegemonialität basierenden Hauptfi- erscheint die weiße Protagonistin Carola als phal- gur spiegeln und den eigenen Blick an die eigene lisch. Sie ist ausgestattet mit einer subjektgefüllten Stellvertreter_innenfigur auf der (post-)koloni- Sexualität, weist eine facettenreiche Gefühlswelt alen Leinwand heften. In diesem Falle würde im auf und verkörpert das weiße „Gutmenschen- Kino nicht nur, wie von Mulvey hervorgehoben, tum“ per se. Sie entspricht dem okzidentalen eine weibliche Filmfigur zum passiven Material Schönheitsideal7 und scheint, blond, hellhäutig eines aktiv männlichen Blicks, sondern auch eine und blauäugig, das personifizierte Weißsein dar- Schwarz konstruierte Filmfigur könnte als Objekt zustellen (Wollrad, 2005, S. 147f; Arndt, 2011, des Blicks eines weiß konstruierten Subjekts dem S. 682). Gleichzeitig besitzt sie ein großes Poten- Entstehen weißer – und eben auch weiblicher – tial an Entwicklungsfähigkeit, abenteuerlustigem Schaulust dienlich sein. Durch eine solche Les- Held_innentum und feministischer Emanzipati- art wird aus der „farbenblinden“ Theorie Laura onskraft. Dadurch wird insbesondere für weiße Mulveys ein hoch wirksames Handwerkszeug zur Filmrezpientinnen die kinematographische Mög- Dekodierung rassialisierender Inszenierungsstra- lichkeit geschaffen, sich in einem weiß-weiblichen tegien. Dies kann anhand des Films Die weiße Ich-Ideal zu spiegeln und so durch die Wiederbe- Massai exemplifiziert werden. lebung des Lacan’schen Spiegelmoments (Mulvey, 1994, S. 53f) in den Genuss von Schaulust zu gelangen. Rassialisierende Inszenierungs- strategien in dem Film Die weiße Da der Schwarze Mensch im Kontext der (post-) Massai kolonialen Gesellschaft jedoch die Kastrati- onsdrohung symbolisiert, bedarf es gemäß der In dem Film Die weiße Massai dient der Schwarz- Mulvey’schen Theorie zusätzlich einer Fetischi- männliche Protagonist Lemalian ebenso wie der sierung der Schwarzen Filmfigur und/oder einer als rückständig dargestellte afrikanische Konti- Abwertung derselben, die durch einen in die Nar- nent mitsamt all seiner Schwarzen Neben- und ration eingewobenen Sadismus zustande kommt. Hintergrundfiguren ausschließlich der Produkti- Denn nur so kann die vom Anblick kastrierter on weißer Hegemonialität. Lemalian wird inner- Filmfiguren bedrohte Lust am Schauen gemäß halb der Liebesbeziehung mit der weiß-weiblichen Mulvey bestehen bleiben (Mulvey, 1994, S. 58). Hauptfigur nicht nur zum passiven und mit weib- Der Film Die weiße Massai bedient sich beider lichen Attributen versehenen Objekt des aktiven Strategien. Zur Fetischisierung der als kastriert Blicks von Protagonistin und Filmrezipient_in6, konstruierten Schwarzen Filmfigur wird der sondern auch zu einer primitiv erscheinenden Schwarz-männliche Protagonist in diesem Film Filmfigur, die das über Jahrhunderte fortgetragene „selbst in einen Fetisch umgewandelt“ (Mulvey, und im kolonial-okzidentalen Diskurs verankerte 1994, S. 58). Während der gewalttätige Anteil des Stereotyp des gewalttätigen und übersexualisier- dem Schwarzen Mann zugeschriebenen „anima- ten Schwarzen Mannes verkörpert, dem „ein ‚ani- lischen Lusttriebs“ der kastrierenden Darstellung malischer’ Lusttrieb unterstellt“ wird (Danielzik, seiner Filmfigur dient, trägt die übergroße sexuelle

6 Dies ist besonders deutlich in der Subsequenz zu erkennen, 7 Die Theologin Eske Wollrad führt als Ideal weiß-weiblicher in der der Anblick der Schwarz-männlichen Filmfigur bei der Schönheit in einer kolonial und christlich geprägten Welt die weißen Protagonistin „Liebe auf den ersten Blick“ auslöst (Die Jungfrau Maria an. Sie sei, so Wollrad, die Weißeste aller wei- weiße Massai, 0:01:57-0:02:56). ßen Frauen (Wollrad, 2005, S. 149).

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Potenz dieses Triebs zu deren Fetischisierung bei, irrationalen Gewalttätigkeit sichtbar werdendes – indem die gesamte Erscheinung Lemalians das Kastriertsein selbst übernimmt. Stereotyp des überstarken Sexualtriebs bedient, in dessen Zentrum der angeblich „übergroße Penis“ In 28 Filmeinstellungen entledigt sich Lemali- steht – bis hin zu dem Phänomen, dass die Film- an gegen Filmende (Die weiße Massai, 1:52:13- figur Lemalians selbst zu einem realen „Phallus 1:53:13) der letzten ihm noch verbliebenen stilisiert“ (Koch, 1980, S. 25) wird.8 Fetischobjekte und macht das Kastriertsein des Schwarzen Mannes auf diese Weise endgültig für Denn nach Lacan kann dieser reale Phallus zu alle sichtbar: In innerer und äußerer Raserei legt einem Fetisch werden, der den Mangel an einem er seinen Schmuck ab und die Waffen nieder und symbolischen Phallus ersetzt.9 Innerhalb der verliert dadurch die Macht des Schwarzen Krie- Mulvey’schen Definition von Fetischisierung ei- gers. In acht Detailaufnahmen schneidet er sich ner Filmfigur macht Lemalians (Penis gleiche) selbst die – mit (sexueller) Potenz verbundene – Schönheit den Schwarzen Mann daher zu einem Haarpracht ab und verabschiedet sich damit im „perfekten Produkt“ (Mulvey, 1994, S. 59), so metaphorischen Sinne von dem Super-Fetisch der dass er „eher ein Gefühl der Bestätigung als der ihm zugeschriebenen übermäßigen sexuellen Po- Gefahr vermittelt“ (Mulvey, 1994, S. 58) und auf tenz. Seine zuvor samtig glänzende nackte Haut diese Weise die die Schaulust trübenden Kastrati- wird von der europäischen Kleidung verdeckt, in onsängste vertreibt. die er sich unter (symbolischem) Identitätsverlust hineinzwängt. Mit der Entfernung des eng anlie- So holt das Bild einer mit Gewalttätigkeit verbun- genden weißen Kopfschmuckes verliert er sowohl denen Schwarz-männlichen Hypersexualität, die den ihn bis dahin fetischisierenden christlich- die weiße Protagonistin – zumindest zeitweise – weißen Heiligenschein (Dyer, 1997, S. 20f) als in „zivilisatorische Bahnen“ zu lenken und damit auch die „Eichelform“ seines Kopfes. So demas- zur eigenen Triebbefriedigung zu nutzen versteht, kiert zeigt er sich der weißen Frau, die, wie ihr die weiße Rezipientin am Ort der von ihr ima- Blick verrät, von der nun auch für sie sichtbar ginierten Verlockungen ab und versucht gleich- werdenden Kastration des Schwarzen Mannes zeitig, dem Eindringen des Schwarzen Mannes entsetzt ist.10 Das desillusionierende Scheitern des in eine weiße Geliebte und damit in die weiße weiß-weiblichen Experiments, die Unmöglichkeit Gesellschaft (Fanon, 2015/1952, S. 61-79) vor- einer gleichzeitig „wilden“ und „zivilisierten“ Se- zubeugen. Denn die in die Narration regelmäßig xualität zu leben, wird hier dem Schwarzen Mann eingewobene Gewalttätigkeit Lemalians dient der angelastet. weißen Filmrezipientin als Warnung. Diese War- nung beeinträchtigt die weiß-weibliche Schaulust Für einen Schwarz-männlichen Rezipienten wird nur deshalb nicht, weil die Schwarz-männliche es schwierig sein, sich lustvoll mit einer solchen Filmfigur die zur Aufrechterhaltung der Schaulust Schwarz-männlichen Filmfigur zu identifizieren. notwendige sadistische Bestrafung für ihr – in der Sowohl Fanon (1952) als auch Diawara (1988)

8 Meiner Analyse entsprechend geht auch Mary Ann Doane 9 Lacan betonte in seiner ersten Einführung in das Thema des davon aus, dass sowohl die weiße Frau als auch der Schwarze Fetischismus im Jahr 1956, dass der Fetisch nicht ein Ersatz für Mann, psychoanalytisch betrachtet, die Kastrationsdrohung den Penis sei, sondern vielmehr ein symbolischer Ersatz für den verkörpert. Allerdings behauptet Doane, dass, während die der Mutter mangelnden Phallus (Evans, 2002, S. 100). 1958 Bedrohung durch die Frau in physischer Ermangelung liege ging Lacan sogar so weit zu behaupten, dass der – biologisch (der Penislosigkeit), die Bedrohung durch den Schwarzen gedachte – Penis für heterosexuell orientierte Frauen „den Wert Mann in seiner Überpräsenz, seinem „monströsen Penis“ und eines Fetisch“ (Lacan, zitiert nach Evans, 2002, S. 101) anneh- in der „Hypervisualität der Hautfarbe“ zu finden sei (Lippert, men könne. Damit modifizierte Lacan Freuds Behauptung, der 2002, S. 127). Im Gegensatz zu Doane bin ich jedoch der Fetisch sei ein Ersatz für den realen Penis, dahingehend, dass er Meinung, dass die schwarz-männliche Bedrohung nicht in den Penis bzw. den realen Phallus selbst zum Fetisch ernannte, der „Überpräsenz seines ‚monströsen Penis‘“ liegt, sondern welcher den der Frau mangelnden symbolischen Phallus erset- vielmehr im Fehlen des symbolischen Phallus Whiteness. zen könne (Evans, 2002, S. 100f). Während die von Doane angeführte „Hypervisualität [seiner] 10 Die hier durchaus mit Sadismus in Verbindung zu brin- Hautfarbe“ meiner Meinung nach Kennzeichen seiner sym- gende Abwertung der kastrierten Filmfigur bildet laut Mulvey bolischen Kastration ist, soll der „monströse Penis“, den man ein Gegengewicht zu der Retraumatisierung, die das durch ihm als Fetisch verleiht, lediglich die Verdrängung der beim einen symbolischen Phallus gekennzeichnete Subjekt erlebt, Anblick des kastrierten Objekts aufkommenden Kastrations- sobald das „Geheimnis“ einer kastrierten Figur aufgedeckt ängste ermöglichen (Mulvey, 1994, S. 58). wird (Mulvey, 1994, S. 58).

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beschreiben ihre eigene Erfahrung als Filmrezi- S. 119). Er erzählt die Geschichte der Senegalesin pient aus einer dezidiert Schwarz-männlichen Diouana, die nach unermüdlichen Versuchen, Blickrichtung. Während Diawara sich vor allem sich Zutritt zum weißen Raum zu verschaffen, auf das Lesen textimmanenter Zeichen konzen- durch postkoloniale Ausbeutung in einem fran- triert und bezogen auf Tarzan-Filme herausstellt, zösischen Haushalt der 1960er Jahre zugrunde dass diese als Filme des „Blaxploitation Genre“ geht. Der Film kann als eine metaphorische Er- sowohl Schwarze als auch weiße Rezipierende zur zählung des Kolonialisierungsprozesses Afrikas Identifikation mit dem weißen Helden einladen gelesen werden, der gleichzeitig die Machthierar- (Diawara, 1988, S. 68), macht Fanon die Identi- chien und Ausbeutungsmechanismen der post- fikationsmöglichkeit Schwarzer Rezipient_innen kolonialen Zeit aufzeigt. Er endet mit dem Tod bei diesen Filmen speziell von der Wirkungsreali- der Senegalesin und – im übertragenen Sinne – tät abhängig – insbesondere von der Publikums- mit der nicht wieder gut zu machenden weißen struktur und den Einsatzorten (Korte, 1999, Schuld am Niedergang einer ehemals starken afri- S. 22). Er konstatiert, dass sich ein Schwarzer kanischen Identität. Dem Filmschluss ist ein Auf- Filmrezipient auf den Antillen gemeinhin pro- ruf an die Afrikaner_innen immanent, sich vom blemlos auch mit den weißen Filmfiguren identi- weißen System unabhängig zu machen. fizieren könne, sich in Europa aber in einem von weißen Rezipient_innen dominierten Kinosaal In diesem Film irritiert Sembène den weißen und nicht gegen die ihm gesellschaftlich aufgezwun- stärkt den Schwarzen Blick vor allem dadurch, gene Identifikation mit der Schwarzen Filmfi- dass er den Spielfilm von der hegemonialen In- gur zur Wehr zu setzen vermöge (Fanon, 2015, szenierung weißer Charaktere befreit und die Re- S. 150, Fußnote 1). zipierenden zur Identifikation mit einer Schwarz- weiblichen Hauptfigur einlädt, die die Narration Neben Diawara betont auch Bell Hooks, dass vorantreibt und deren Perspektive den Blick des der (okzidentale) Spielfilm aufgrund der entsub- Publikums lenkt. Um auch der weißen Filmrezi- jektivierten Darstellung Schwarzer Filmfiguren pientin diese Identifikation mit der in doppelter Schwarzen Filmrezipient_innen ein Identifikati- Hinsicht als kastriert geltenden Schwarzen Pro- onsangebot vorenthalte. Aus diesem Grunde müs- tagonistin zu Filmbeginn zu ermöglichen, setzt se der Schwarze Blick als oppositionelle Praxis vor Sembène die Schwarz-weibliche Filmfigur zu- dem Hintergrund eines Widerstandsbewusstseins nächst in die symbolische Nähe der weißen Frau. gefasst werden (Hooks, 1992, S. 116ff; Klippel, Er führt die Schwarze Frau fetischisiert in die Er- 2002, S. 181). Dass es aber auch Spielfilme gibt, zählung ein, indem er sie zum einen – Mulveys die rassimuskritischen Filmrezipierenden eine Theorie entsprechend – „penisförmig“ inszeniert, Identifikation mit einer Schwarzen Protagonistin zum anderen mit Attributen weiß-weiblicher Bür- ermöglichen, weiße Sehgewohnheiten irritieren gerlichkeit ausstattet und sie in bildliche Nähe zu und insbesondere ein Schwarzes Publikum zur den Errungenschaften der so genannten Zivilisa- Schaulust einladen ohne dafür einen widerstän- tion setzt. digen Blick einzufordern, möchte ich an einem Spielfilm aus der herrschaftskritischen Kinobewe- Auf diese Weise wird der weißen Filmrezipientin gung des Third Cinema darlegen. eine Identifikationsmöglichkeit mit der Schwarz- weiblichen Filmfigur offeriert. Wie aber verändert sich ihr Identifikationsprozess mit dem Erschei- Kinematographische Dekolonisie- nen der weiß-weiblichen Filmfigur? Meine These rungsstrategien am Beispiel des lautet, dass sich die weiße Zuschauerin ab diesem Films La Noire de... Zeitpunkt11 oszillierend sowohl mit der weißen als auch mit der Schwarzen Frau identifiziert. Mit der Schwarzen, weil Kameraführung, Tonspur Ousmane Sembènes Film La Noire de... aus dem und Narration die Identifikation in diese Rich- Jahre 1966 gilt als der erste abendfüllende („full- tung lenken, mit der weißen, weil sie der weißen length“) Spielfilm der Sub-Sahara (Mulvey, 1996, Rezipientin als Spiegelbild dient – allerdings als

11 La Noire de…, 0:04:30

38 m&z 2/2016 eines, das ihr nur zu Filmbeginn ein Ich-Ideal zu- gut wie keine Regung. Diouana spricht in Anwe- rückwirft. senheit ihrer weißen Arbeitgeber_innen kaum. Sie formuliert im ON des weißen Raumes im Laufe Die ersten Filmminuten zeigen, unterstützt von von 56 Filmminuten insgesamt nur neun Sätze. einer beschwingenden Filmmusik, den glän- Bis auf zwei lauten alle ähnlich wie „Oui, mon- zenden Zustand eines schillernden weißen Sys- sieur“ oder „Non, Madame“. Auch Gefühlsäu- tems – ein Bild, das die weißen Filmrezipierenden ßerungen zeigt Diouana den weißen Filmfiguren zum Einstieg in die Erzählung einlädt. Auch die gegenüber so gut wie nie. Fast immer wirkt sie erste Begegnung zwischen der weißen und der in deren Gegenwart – dem okzidentalen Stereo- Schwarzen Frau findet noch auf gleicher Augen- typ Schwarzer Gefühlsabsenz entsprechend – ge- höhe statt und bietet der weiß-weiblichen Filmre- fasst, pragmatisch und emotionslos. Die weißen zipientin die Möglichkeit einer ungebrochen po- Filmfiguren nehmen Diouana als ein Nicht-Ich sitiven Identifikation mit ihrem Spiegelbild. Ab ohne Innenleben wahr, das weder Beruf noch der 6. Filmminute (La Noire de…, 0:05:11) wird Geschichte hat und dessen Existenzberechtigung Weißsein jedoch Schritt für Schritt dekonstruiert. einzig und allein in der Dienstbotinnenposition Um die negativen Implikationen des weißen Sys- liegt. tems zu entblättern und Hegemonie-(Selbst-)Kri- tik zu provozieren, greift Dem setzt Sembène auf Sembène Stereotype und einer narrativen Metae- Tropen okzidentaler Um die negativen Implikationen bene Räume und Filme- Filme auf, reproduziert des weißen Systems zu entblät- lemente entgegen, die die sie und führt sie gleichzei- Schwarze Frau aus dem tern und Hegemonie-(Selbst-) tig durch spezielle Insze- Objektstatus erlösen. nierungsideen ad absur- Kritik zu provozieren, greift Dazu nutzt er vor allem dum. Oder er verkehrt sie Sembène Stereotype und Tropen Diouanas omnipräsente in ihr Gegenteil. Schwarz-weibliche Off- okzidentaler Filme auf, repro- Stimme, die der subal- Dazu installiert er eine duziert sie und führt sie gleich- ternen Filmfigur Gefühle intradiegetische Hand- zeitig durch spezielle Inszenie- und Definitionsmacht lungsebene, die – zu- verleiht. Die Koppe- mindest was den Teil der rungs-ideen ad absurdum. lung des auf die weiße Handlung betrifft, der Gesellschaft gerichteten im weißen Raum spielt – allen Stereotypen des Schwarz-weiblichen Blicks mit den Kommentaren okzidentalen Mainstream-Kinos zu entsprechen der Schwarzen Protagonistin lässt Weißsein „selt- scheint. Auf dieser Ebene ist im weißen Raum das sam“ erscheinen (Dyer, 1997, S. 17), verschiebt Bild einer ewig schweigenden, alles ertragenden, die von der weißen Mehrheitsgesellschaft unhin- das weiße System bestätigenden Schwarzen Be- terfragten Normen ins Verrückte und macht die diensteten zu sehen, die dem von Weißen pro- Gewalttätigkeit weißer Normierung sichtbar. duzierten und aufrecht erhaltenen Stereotyp des sprachlosen, instinktgesteuerten, tierähnlichen Teil dieser Meta-Diegese sind auch die Rückblen- Schwarzen Menschen entspricht, welcher schon den, die der afrikanischen Frau sowohl eine eigene in Kants Rassentheorie von der „weißen Herren- Geschichte als auch ein eigenes, subjektgefülltes rasse“ mittels eines gespaltenen Bambus-Schlag- Liebesleben zusprechen und die die schwarz- stocks als Sklave oder Dienstbote ausgebeutet weibliche Protagonistin durch eine kraftvolle werden sollte (Eggers, 2005, S. 60). So handelt Darstellung des Schwarzen Raumes sowie durch die Schwarze Protagonistin, wie das okzidentale die widerständige Autorität anderer Schwarzer Kino sie kennt: Sie putzt, kauft ein, kocht, be- Filmfiguren in einen Subjektstatus versetzen. Zu- dient, lässt sich von Weißen anfassen, küssen12, be- sammen mit der Off-Stimme eröffnen die Rück- schimpfen, schlagen13 und zeigt dabei den weißen blenden einen Einblick in die innere Entwicklung Filmfiguren gegenüber körperlich und verbal so der Schwarz-weiblichen Filmfigur von einer das

12 La Noire de…, 0:10:44 13 La Noire de…, 0:45:09

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weiße System stützenden, den Hauptsignifikanten Laufe der Filmhandlung immer deutlicher in den Weißsein begehrenden Persönlichkeit hin zu einer weit geöffneten Rachen eines weiblichen, von Ag- Widerstandskämpferin im Mikrokosmos sozialer gressionen getriebenen weißen Monsters. Beziehungen. Auch die zweite von Mulvey angeführte Strategie Die weißen Rezipierenden erhalten durch die- nutzt Sembène, um phallisch positionierte Zu- se Meta-Diegese einen Aufblick auf die intra- schauer_innen vor dem Verlust ihrer Schaulust diegetische Handlungsebene und damit auf die beim Anblick einer kastrierten Filmfigur zu be- Mechanismen des weißen Systems. Gleichzeitig wahren. Auf der intradiegetischen Erzählebene dienen ihnen die weißen Filmfiguren als Spiegel- inszeniert er einen sadistischen Umgang mit der bilder, denen sie nicht ausweichen können. Die subalternen Filmfigur, der in der permanenten Fragen, die Diouana insbesondere in der ersten Bestrafung der Schwarzen Protagonistin durch die Filmhälfte an sich selbst richtet, werden ebenso weiße Frau zu finden ist. Die Schwarze Frau ent- an das Publikum adressiert. Sie stellen den Be- ledigt sich sukzessive aller phallischen Attribute. ginn eines Bewusstwerdungsprozesses der sub- Es wirkt, als gehe die Subalterne aus Gründen der alternen Filmfigur bezüglich (post-)kolonialer ihr vom weißen System zugeschriebenen Primiti- weißer Gewalt dar, an dem die weißen Filmrezi- vität unter. Dieser Logik entsprechend führt der pierenden teilhaben. Letztere müssen sich aktiv in den Filmtext eingeflochtene Zeitungsartikel am Erkenntnisprozess beteiligen und ihre eigene den Suizid Diouanas auf ein der Schwarzen Frau Position kritisch beleuchten. Diese unbequeme eigenes, unnormal starkes Heimweh zurück, das Rezeptionspositionierung wird durch die spar- sie, einem Kind gleich,15 an den Tag gelegt habe. same Inszenierung von Gefühlen verstärkt, die, Damit scheint es, als sei sie nicht weit genug „ent- ganz dem Ideal der herrschaftskritischen Filmpra- wickelt“ gewesen, um diesen Schritt in die ihr so xis des Third Cinema entsprechend, ein passives ferne „Zivilisation“ zu gehen. Die Aussage der In- Eintauchen in die Erzählung verhindert. tradiegese ist eindeutig: Weil der Schwarzen Frau der Phallus Weißsein fehlt, kann sie in der zur „Zi- Der Schwarz-weibliche Widerstand keimt parallel vilisation“ stilisierten okzidentalen Gesellschaft zur sukzessiven Dekonstruktion weiß-weiblichen nicht überleben. „Gutmenschentums“ auf. Die Entblätterung weißer Gewalt gegenüber der Schwarzen Bedien- Auf der Ebene der Meta-Diegese macht Sembène steten, auf deren Kosten sich die weiße Frau von jedoch klar, dass der Grund des Suizids in der ihrer eigenen Dienstbotinnenposition innerhalb rassistischen Gewaltausübung der weißen Arbeit- des weißen Patriarchats zu emanzipieren versucht, geber_innen liegt. Mit dem Ablegen aller phal- durchzieht den Film wie ein weißes Wollknäuel, lischen Attribute und dem Freitod entzieht sich das sich nach und nach entrollt. Umso absurder die Schwarze Frau konsequent der rassistischen erscheint es, dass sich die weiß-weibliche Filmfigur Gewalt und der kapitalistischen Verwertungsket- noch gegen Filmende explizit auf das von weißen te. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, ob es Frauen aufrecht erhaltene Bild ihres eigenen „Gut- in den rassistischen Strukturen einer zunehmend menschentums“ bezieht. Sie beschwert sich bei globalisierten Welt eine lebensbejahende Hand- ihrem Mann über erste Autonomiebestrebungen lungsalternative für Diouana gegeben hätte. der Schwarzen Frau mit den Worten: „Quelle grate! Après tout ce que j’ai fait pour elle!“14 Das Durch den wachsenden Widerstand der Schwar- tradierte Bild weiß-weiblichen „Gutmenschen- zen Protagonistin und durch die Gleichgültigkeit, tums“ wird auf diese Weise als verdrehtes weißes mit der die Weißen auf den an Diouana began- Selbstbild dekonstruiert und als pure Legitimati- genen (Selbst-)Mord reagieren, wird das weiße on weiß-weiblicher Machtausübung bloßgestellt. System de-legitimiert, de-stabilisiert und der ki- Die sich mit der weiß-weiblichen Filmfigur iden- nematographische Blick de-kolonisiert. Sembène tifizierende weiße Filmrezipientin schaut bei dem verkehrt damit die in okzidentalen Spielfilmen Blick in den kinematographischen Spiegel im übliche Trope Schwarzer Filmfiguren, die das wei-

14 La Noire de…, 0:46:49, Übersetzung: „Welch Dank! Nach lichkeit afrikanischer Charaktere, die auch dem Schwarzen allem, was ich für sie getan habe!“ Protagonisten Lemalian in dem Film Die weiße Massai auf den 15 Damit erscheint erneut die Trope der Naivität und Kind- Leib geschrieben ist.

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ße System stützen und rassistische Ideenwelten Gegennarrativen auf das verdrehte Erinnerungs- bestätigen, in ihr Gegenteil. und Geschichtsverständnis europäischer Gesell- schaften Einfluss. Weiße Filmrezipierende wer- Entgegen der von Mulvey hervorgehobenen ok- den durch die Einladung zu einer oszillierenden zidentalen Kino-Konvention wird auf der Meta- Identifikation an Hegemonieselbstkritik heran- Ebene die phallische Filmfigur bestraft: der weiße geführt, ihr Blick wird dekonstruiert. Komisch Mann. Und mit ihm die in das weiße System inte- erscheinen die Weißen vor allem dadurch, dass die grierte weiße Frau. Auf ihnen liegt für immer der in okzidentalen Filmen überlieferten rassistischen Totenmasken-Blick der Schwarzen Frau und – im Stereotype im Filmtext präsent bleiben, dass aber übertragenen Sinne – aller Opfer von Kolonialis- die innere Stimme Diouanas und ihr Blick auf mus und weißer Gewaltherrschaft. das, was sie sieht, den weißen Überlegenheitshabi- tus in Frage stellen, ja: konterkarieren. Konträr zu Sembène vergegenwärtigt dem Kinopublikum den Konventionen des okzidentalen Mainstream- durch die von mir aufgezeigten Veränderungen Kinos legt Sembène die Differenz zwischen wei- der textuell provozierten Identifikationsprozesse ßer Selbstwahrnehmung und (post-)kolonialer koloniale Kontinuitäten in der postkolonialen Realität offen und stellt sie zur Debatte. Weltordnung und nimmt durch veränderte ästhe- tische Formen sowie durch die Inszenierung von

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Filmquellen Die weiße Massai (2005). Regie: Huntgeburth, H. 131 min. Deutschland. La Noire de... (1966). Regie: Sembène, O. 65 min. Senegal.

Julia DITTMANN, M.A., promoviert bei Prof. Dr. Susan Arndt im Fachbereich der Anglophonen Literaturen an der Universität Bayreuth und ist Doktorandin in der Exzellenz-Graduiertenschule BIG- SAS (Bayreuth International Graduate School of African Studies). Der Titel ihres Promo- tionsprojekts lautet: Dekoloni(ali)sierung des weiß-weiblichen Blicks. Entwicklung ras- sismuskritischer Strategien für eine dekonstruktivistische Filmanalyse. In Berlin studierte Julia Dittmann zuvor Filmwissenschaften (FU), Geschichte (TU) und Gender Studies (HU).

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International News Reporting in the Multidimensional Network

The socio-demographics, professional culture and news work of foreign correspondents working across Sub-Saharan Africa

Paulo Nuno Vicente iNOVA Media Lab, NOVA University of Lisbon

Abstract A sizable portion of our everyday knowledge about Sub-Saharan Africa comes from the work of international news reporters stationed in the continent. Even though these news actors play a critical role in the communication of the distant Other, scholar empirical research on the work of foreign correspondents has been considerably neglected: it is now decades old, it lacks a systematic examination of the on the ground realities of journalism in Africa and of the evolving work of professionals, Pro-Ams and citizen media organizations supported by networked digital media. This study inspects long-term trajectories in international journalism combined with short- term developments based on transformations on microelectronics and digitization. Three main lines of inquiry are outlined: who is actually reporting across the continent, what are the main characteristics of the occupational cultures in place and the impending constraints over newsworkers’ production routines. We conduct an updated Pan-African online survey on the work of international news reporters, collecting answers from 124 participants in 41 countries. These findings are complemented by in loco semi-structured interviews with 43 professionals based in Nairobi, and Johannesburg. Our findings challenge the narrative of international news reporting as a dying breed. Instead, they support a nuanced view towards localized continuities and localized ruptures in contemporary post-industrial mediascape.

sizable portion of our everyday knowledge term developments based on transformations on Aabout Sub-Saharan Africa comes from the microelectronics and digitization. Three main work of international news reporters stationed in lines of inquiry are outlined: who is actually the continent. Even though these news actors play reporting across the continent, what are the main a critical role in the communication of the distant characteristics of the occupational cultures in Other, frequently criticized for its representational place and the impending constraints over news deficits, scholar empirical research on the work workers’ production routines. of foreign correspondents has been considerably We assess how professional international news neglected: it is now decades old and lacks a reporters are repositioning themselves in a systematic examination of the on the ground transforming communicative environment, and realities of journalism in Africa. how they interpret their own occupation and the role of rising actors in the transnational media This chapter is about the socio-demographics, the sphere. professional cultures and the news work of these To do so, we conducted a Pan-African online individuals. It inspects long-term trajectories in survey on the work of international news reporters, international journalism combined with short- collecting answers from 124 participants in 41

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countries.1 These findings are complemented organizations, particularly international news by in loco semi-structured interviews with agencies, explicitly prohibits their news workers 43 professionals based in Nairobi, Dakar and to participate in surveys. Consequently, these Johannesburg. corporations don’t immediately facilitate access to their workers’ contacts. Third, in the considerably understudied field Methodology of international news reporting from Sub- Saharan Africa it is noticeably difficult to have We deployed in this study a mixed-method an accurate, comprehensible and updated register rationale based on the notion of triangulation of the freelance media workers (professional or research methodology interpreted as data not) moving across the continent. Traditionally triangulation, i.e. multiple data-collection they comprise a very large part of the foreign technologies designed to measure the defined correspondents’ full universe (Hess, 1996, 2005). concepts and as lines of action, i.e. multiple Their intrinsic mobility and transnational nature theories and methodologies. are further constraints when trying to stabilize a trustworthy database for sampling purposes. (a) The online survey The raw contact data for this study was gathered through the direct contact with professional We departed for this study based on a mix journalists and the careful examination of existing of purposive/judgmental and theoretical contact databases from the Foreign Correspondents’ nonprobability sample:2 while not requiring a Association of East Africa (FCAEA), the Association list of all possible elements in a full population, it de la Presse Etrangère au Sénégal (APES), the requires an effort to create a kind of quasi-random Foreign Correspondents Association of Southern sample and/or a clear idea about what group(s) Africa (FCASA), the Foreign Correspondents’ the sample may reflect. At the same time, we Association of Uganda (FCAU), and the European purposively sought “respondents who are most Journalism Centre (EJC). likely to aid theoretical development by extending All the collected contacts were tracked and and even confounding emerging hypothesis” compiled in function of five main pre-established (Deacon et al., 1999, p. 52). criteria: 1) Professionalism (Professional/Pro- This methodological imposition was due to three Am); 2) Business model (Profit/Non-Profit); major constraints that shall not be underestimated. 3) Geopolitical historical affiliation (Global First, if in some world regions and countries North/Global South/Cosmopolitan); 4) Intended audience (International/Domestic “simple or systematic random sampling of jour- and/or Regional); 5) Main publication platform nalists is a fairly easy task because there are re- (News agency/Newspaper/Magazine/Radio/TV/ asonably up-to-date and complete lists of jour- Online). nalists who are required to belong to a national Following these criteria, it was possible to collect union or other type of professional organization, answers from a total of 124 respondents, with a or to be licensed or certified in some manner” completion rate of 100 percent. (Weaver, 2008, p. 111), (b) Semi-structured interviews this is generally not the case of Sub-Saharan Africa: although some organizations’ databases In January, June and December 2012, we exist, the accuracy of available data poses clear deployed a series of 43 semi-structured interviews challenges with regard to its immediate use. with international news reporters in three key Second, the corporate policy of some news historical geographical hubs in professional

1 Angola, Benin, Burkina Faso, Burundi, Cameroon, Cape nia, Togo, Uganda, Zambia, Zanzibar and Zimbabwe. Verde, Central African Republic, Chad, Democratic Republic 2 Due to iteration in research design and operationalization of Congo, Ivory Coast, Ethiopia, Gambia, Ghana, Guinea, we purposely generated an effect towards snowball sampling. Guinea-, Kenya, Lesotho, Liberia, Madagascar, Malawi, Subjects were asked for the names and contacts of other people Mali, Mauritania, Mauritius, Mozambique, Namibia, Niger, with similar attributes. E.g. “Do you know any other foreign Nigeria, Rwanda, São Tomé and Príncipe, Senegal, Seychelles, correspondent in the region and/or the continent?” Sierra Leone, South Africa, South Sudan, Swaziland, Tanza-

44 m&z 2/2016 foreign correspondence from Sub-Saharan Africa: systemic filling system that allowed maintenance Nairobi (Kenya), in East Africa, Dakar (Senegal), and indexation of the coded data into coded in West Africa, and Johannesburg (South Africa) classifications. This was a fundamental step in in Southern Africa. building an analytical system based in typologies. The interview process replicated with adaptations the purposive/judgmental nonprobability framework used in the online questionnaire Socio-demographics: who is sampling process. The 43 semi-structured reporting across Sub-Saharan interviews ranged in length from approximately Africa? forty minutes to over two hours and were mainly focused on life-histories, news culture, perceptions The geographies of foreign correspondence have over news work and digital media – particularly, received little academic attention (Farish, 2001). Internet and online social media – and career Studies on the geographic distribution of foreign expectations. press corps not only show that they are mostly Those cover staff journalists to freelancers working concentrated in the U.S. and Western Europe, for international newspapers (Daily Telegraph, but also that elitism and proximity are two major El Pais, The Guardian, The Times, Trouw, TAZ, determinants on the deployment of journalists de Volkskrant, The Wall Street Journal, The New around the world. Given York Times, La Vanguardia, The Globe and Mail), magazines (Time, Newsweek), radio stations “their small numbers and the importance of (Capetalk Radio, RFI), television channels (CNBC their jobs, correspondents began to be seen Africa, France 24, N-24 TV, NOS, Sky News, BBC, as a professional elite, who operated fairly CCTV), news websites (BBC News, The Christian autonomously from the home office.” Science Monitor, Global Post) and news agencies (Hamilton & Cozma, 2009, p. 605) (AFP, AP, IRIN News, Reuters). Twenty-nine news media organizations were covered. Distinct levels Previous studies resorted to surveys in order to of experience in international news reporting are reveal the socio-demographic constitution of also involved: from veterans (15-20 years of work) foreign press corps (Hess, 1996, 2005; Maxwell, to novices (0-5 years). 1956; Nosaka, 1992). Although, these studies Interviews were recorded in digital video and have mainly addressed U.S. reporters working digital audio formats. After that they were overseas and, alternatively, international reporters fully transcribed. Following transcription, each based in the U.S. They are now years old and don’t interview was coded with an individual label. contemplate the emerging and crucial questions The coded interviews were then arranged in a brought by media convergence. Until now, no

Fig. 1: Types of news media organization

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systematic and updated study was available on research (92.74%), i.e. evidence based on the socio-demographics of international news observation and direct experience, as a structuring reporters working across Sub-Saharan Africa. component of their epistemological regime. Currently, the most common contemporary Objectivity is the guiding principle conforming professional correspondent working across Sub- information collected during fieldwork to Saharan Africa is a male (68.55%) between 23 professional standards. and 42 years old (72.51%), with 6 to 17 years This epistemological regime and accountability of experience in newswork (49.19%), a beginner system are strategic factors in their self-definition in international news reporting (52.42%) with a of journalism as a professional occupation: they recent experience in the current post (69.35%). not only delineate the validity of the cultural He has a higher education degree (77.41%) in the rules and norms that regulate practitioners who field of Humanities and Social Sciences (68.55%) are already within the occupational boundaries, and works for three or more news organizations as they critically define those who shall be (50.81%), frequently for a news agency (30.65%). kept outside the profession. This boundary- He is a freelancer (50.81%) often working alone work tension defines journalism identity as a (48.39%) and perceiving himself as a general professional occupation rather than an informal assignment reporter (75.81%). communication activity, and ultimately delineates its societal role as a task for professionals: citizen This socio-demographic characterization of media workers shall be kept outside professional international news reporters working across Sub- journalism boundaries. A distinct pathway is Saharan Africa is consistent with previous research followed by those practitioners who can be implemented in other geographies of foreign described as news innovators, promoting a more correspondence (Hess, 1996, 2005; Nosaka, inclusive interpretation of the journalistic field 1992), confirming a male-oriented occupational as one that shall be normatively kept open to field composed by an educational elite: the functional reconfigurations. combined values of completed higher education These two distinct professional sub-cultures within degrees (Bachelor, Master and Doctorate: N=96; international news reporting from Sub-Saharan 77.41%) suggest that formal education is a Africa coincide in the perception of more very significant factor in the access to a foreign balanced and plural contemporary international correspondence career path. news. In this respect there’s now firm ground to declare that international news reporters are aware of their role as translators of otherness and also News culture(s): how is aware of the historically depicted representational international news reporters’ deficits regarding Africa’s media image. culture defined? Our study identified two distinct levels of constraint for this translation work: a cross- Following Hanitzsch (2007) theoretical work, our cultural level, with correspondents having to study is articulated across the cognitive, evaluative frequently cross their cultural comfort zone, and and performative levels of international news an epistemological level, with reporters managing a reporters’ news culture, i.e. their interpretation tension between context rich information allowed of news work, their evaluation of professional by cultural empirical immersion and the rules of worldviews, occupational norms, and practices. objectivity as cognitive detachment. Journalists’ culture has been theorized as the This translation work does not occur in a social interaction of their ideas (values, attitudes and or occupational vacuum; it is critically molded by beliefs), practices and artifacts. In this sense, very specific constraints to news work. Criticism journalists are not detached from cultural on international journalism ethics shall take these considerations: “They belong to a specific in clear consideration, rather than subsuming culture and to specific professional subcultures” them in more or less ideological systemic (Ginneken, 1998, p. 65). Therefore, in this determinants. On the other hand, practitioners context, professionalism works as a subculture themselves shall be aware that international news of norms and values that informs journalists’ reporting – its culture and newswork – far from socialization. being an aseptic mirror of reality is constructed Professional international news reporters working through objective and subjective constraints; across Sub-Saharan Africa highly value empiric these shall be explicitly communicated in their

46 m&z 2/2016 reports rather than subsumed in ambiguous newsgathering (51.61%), news publication narrative conventions. (46.77%) and administrative purposes 23.39%).3

News work: what constraints These findings reveal that Internet is deeply impend over international news transforming international news reporters’ reporters’ work? newswork, absorbing a considerable amount of daily time: less than a decade ago, 45 percent of correspondents working in the U.S. spent 2-3 Journalism practice is inseparable from its hours using it as a research tool (Hess, 2005). material basis. Technological innovations have the Although generally considering that Internet potential to transform its social role (Campbell, benefits both quality (82.26%) and quantity 2004; Shoemaker & Reese, 1996; Sreberny & (86.29%) of news from Africa, international news Paterson, 2004). reporters moderate this substantial technological Despite working in a geographical area highly determinist view with critical concerns over deficient in the access to broadband Internet, production demands towards continuous speed contemporary correspondents working across and flexibility in news work. Sub-Saharan Africa are technically highly Citizen participation emerges as a renewed core connected to global online networks: 99.39% of issue within networked international journalism. the respondents to our online survey have access Most international news reporters agree that to the Internet in their workspace. journalists need to give public a more participative Internet is deeply transforming international role in news work (70.17%). At the same time, reporters’ newswork. Most (48.39 %) spend they also concur that direct collaboration between now eight or more daily hours online. This is a journalists and citizens in news production critical finding explaining why seated journalism benefits the overall quality of news reporting is currently a deep concern among practitioners, (69.36%). Critically, a majority supports the need particularly considering that among surveyed for new ethical standards in order to adopt user- news workers the Internet is mostly used for generated content in news work (75.81%).

Fig. 2: Internet access frequency among foreign correspondents

3 Respondents were asked to order items (rank three prede- in the survey, we identified the most frequent purpose of use fined activities and one open option) from most to less fre- within the corresponding position in the rank (Borda count). quent, regarding purpose of use of the Internet. Since multiple This method determines the level of consensus on a choice, combinations were possible in a universe of 124 participants i.e. the broadly acceptable purposes of Internet use.

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The implicit recognition of an absence of updated emerge in practitioners’ self-narratives as and adapted professional norms and rules important monitoring tools for news-uptake and directed to deal with user-generated content as a story ideation, platforms for community-building constraint to contemporary newswork is stressed and interaction with the audiences, barometers by a further finding: much more than through a for competition awareness and as reporting/ personal weblog/website (48.39%), international recording tools. news reporters are actively networked through Most international news reporters (95.97%) online social networks (94.45%). consider technical skills as important in a This means that functional renewed professional convergent media environment, and most rules are now absolutely necessary in the scope (85.48%) also consider themselves technically of networked journalism and represents a deep prepared. Although, from the collected interview transformation for modern journalists’ newswork. accounts, multimedia journalism often translates It is particularly expressed by the current reality of in an actual degradation of their work, through exchange between journalists and the audiences: cost-saving strategies of news media companies, nowadays, a considerable portion of international lack of investment in training, equipment, proper news reporters has to manage direct audience production routines and salaries. In order to fulfill feedback in their newswork: 41.13 percent of the their organizations’ needs, international news respondents to our survey receive it at least once reporters end up multitasking, compromising the a week. overall quality of news reports. Multimedia journalism practice is in fact a This unprecedented level of direct and virtually vivid portrait of the emergent new economy of unfiltered interaction represents a profound journalism, based on a structural reliance on transformation in professional journalism, clearly freelancers (50.81%) who perceive their socio- demanding for a re-organization of its functions economic work conditions as precarious, mainly and production routines. This comes as an due to irregular and low salary levels, payment addition to an already considerably competitive by news piece, temporary employment contracts, field of work, where most (81.81%) feel competing social insecurity and extremely flexible production with other international news reporters. routines. For these reasons, they not necessarily In this scope, online social networks clearly expect to keep themselves as professional emerge as important triggers for transformation journalists in the near future, but often perceive of news work. They are already among the a future job in Development Communication – most common newsgathering activities among frequently in the U.N. and non-governmental international news reporters, being perceived as organizations – as a pragmatic necessary step a relevant platform (54.84%). They notoriously towards a more stable labor condition.

Fig. 3: Audience feedback frequency among foreign correspondents

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Discussion foreign correspondence (Beeson, 2004; Born, 1987; Fennel, 2005; Hess, 1996; Hudson, 1999; Our study challenges the narrative of international Morrison & Tumber, 1985; Nosaka, 1992; Utley, news reporting as a redundant and dying breed 1997). Likewise, international news reporting is (Constable, 2007; Friedman, 2008; Profita, 2007; still an occupational field for a cognitive elite with Sambrook, 2010) by proposing an evolutionary high levels of formal education (Fennel, 2005; view on the emerging practices within foreign Hess, 1996; Maxwell, 1956). correspondence from Sub-Saharan Africa. But despite these localized continuities, basic Contemporary international news reporting conditions for a perfect storm have been gathering from Sub-Saharan Africa is being affected by in the last decades towards an occupational critical disruptive developments, leading it to a paradigm shift: a strong historical criticism over multilayered process of repositioning (Miller & modern professional foreign correspondents’ Slater, 2000), taken here as succeeding strategies work, the emergence of new players supported by in the network society (Castells, 2000; Castells & networked digital media technologies and, more Monge, 2011). These critical transformations are recently, an international economic and financial reworking the meaning of foreign correspondence crisis. as defined in the modern era. Foreign correspondence as needed sense making Empirical findings from our research underline (Archetti, 2012) in the network society objectively localized ruptures in the international mediascape has now more resources available to translate (Appadurai, 1996): networked digital media plural networked subjectivities. News innovators propose distinct resources to previous social roles, under study here also show that the awareness such as the one of journalism and journalists. towards a need of occupational repositioning Through, rather than due to, developments in comes not only from outside its boundaries, but network-based microelectronics, international already from inside professional journalism. news reporting from Sub-Saharan Africa – This can be better understood by the emerging its socio-demographics, culture and news news culture towards an expectation of a work – is currently traversed by processes transnational networked accountability, otherwise leading to a paradigm shift. We are using here referred as gatewatching (Bruns, 2005). The fact Kuhn (1962) terms to describe a profound that audiences are now able to directly and in a renovation of the set of practices that previously more or less self-organized way bring to account defined journalism as a discipline during a international news reporting narrative practices is particular period of time, suggesting a systemic not a small transformation. reorganization of international news reporting as These evolving dynamics of participation a field of knowledge production rather than mere generate a sense of crisis in relation to journalism disconnected transformations. verification culture, with news organizations This doesn’t mean that previous legacy characteristics are deterministically vanishing “negotiating the tensions inherent in a transiti- or that they will completely disappear. In the on to a digital, networked media environment, consideration of international news reporting, as considering how journalism is evolving into a in any social-oriented process, we reject theoretical tentative and iterative process where contested assessments that artificially separate the concrete accounts are examined and evaluated in public in real-time.” material (technological) conditions in place from (Hermida, 2012) the actual accommodation practices and uses by human agents. Concerning the contemporary socio- On the other hand, contemporary international demographics of foreign correspondence from news reporting it is no longer an exclusive territory Sub-Saharan Africa, empirical findings from of empiricism and modern objectivity. Modern this project show how tradition and innovation correspondents have been proposed as workers of actually coexist: modern international news empirical truths, with their epistemological regime agencies maintain a central role within operationalized through an accountability system contemporary journalism; it is also noteworthy of which are part media law, code of ethics and the that no significant transformation has occurred organizationally-framed editor-reporter relations. with reference to gender (in)equality, which has A tension towards epistemological repositioning been a traditional tour de force in research on comes now from the articulation between

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the traditional physicality and empiricism of transforming international journalism newswork, foreign correspondence and the emerging flows suggesting that the way it can actively fulfill from online networks. This hybridity between the expected societal role of journalism it’s also physical place and position in the network is clearly evolving.

References:

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Paulo Nuno VICENTE is a non-fiction multimedia storyteller. As a journalist and as a documentary filmmaker he has worked mainly in the so called „global south“: Guinea-Bissau, Ceuta and Melilla, São Tomé and Príncipe, Lebanon, Bosnia-Herzegovina, Israel and the West Bank, Cape Verd, Chad and Central African Republic, Brazil, Kenya, Senegal, Mozambique and South Africa. In 2013, he founded BAGABAGA STUDIOS, an interdisciplinary co-op dedicated to digital media production and training. He completed his PhD in Digital Media in 2013, in the scope of UT Austin Portugal Program, with a research project on the work of foreign correspondents in Sub-Saharan Africa. In 2015, at NOVA University of Lisbon, he created (and since then coordinates) iNOVA Media Lab, a research and development experimental laboratory dedicated to digital narratives, innovation and emerging technologies.

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Against the Hypothesis of a China-EU Collaboration in Africa

Adams Bodomo University of Vienna

Abstract In this paper, it is argued that the often stated “Win-Win-Win” hypothesis (WWW- hypothesis) for a so-called trilateral cooperation between Africa, China, and the EU/ West is all but a hackneyed hypothesis that is seriously flawed and yet it continues to be championed by media (as contained in many print magazines and online reporting) in the West and in Africa. If this flawed WWW-hypothesis is allowed to be repeated over and over again and remains unchallenged, it is at risk to develop into an (un)intended collusion between China and West that can scupper a rare chance for African development in the 21st century. Four main arguments are advanced against the WWW-hypothesis of China-West joint-operations in Africa as being beneficial for the three entities. Finally, an alternative proposal, the Africa-driven “Win-for-All” hypothesis (AWA-hypothesis), involving healthy competition for investments in Africa between all key players, including Brazil, China, India, Russia, and the West is outlined.

Introduction: defining Africa- online journals, magazines, and websites of China relations institutions. If we look at media this way, many of the sources of information used in the paper to Africa-China relations, especially, China’s 21st back the arguments advanced are from the media; century intensified foray into Africa, are marked they thus play an important role in reinforcing and defined to the international world, not so this notion of China-West collaboration by much by the two parties but by more than one vigorously reporting it.1 decade of acerbic European and general Western China is often seen as a new economic imperialist criticism of China’s activities in Africa (Bodomo, in Africa (e.g. Games, 2005), as a pure capitalist 2009, 2010b; Li, 2008; Wissenbach 2008; 2009, investor in Africa (e.g. Hilsum, 2006) or even as a Berger & Wissenbach 2007; etc.), and hardly neo-colonialist power on the continent (e.g. Jack does any western media comment on Africa- Straw, former British foreign Secretary’s address in China relations end without raising the issue Nigeria, February 2006). of China’s negative activities in Africa. I claim that Africa-China relations are thus defined and determined not just by Africa and China but also The fallacy of the “Win-Win-Win” by European and general Western reactions to the hypothesis for Africa, China and contacts between Africa and China, and much of the EU/West this reaction can be found in Western media. I interpret the term “media” in this paper to After one decade or more of criticism, as if to include mainly new digital media, especially mimic the phrase, “if you cannot beat them, join

1 Of 16 references/sources, nine are from academic journals and Pambazuka). Please see the list of references for full de- while seven of the sources are from the media (online and tails. newspapers/magazines like Business Day, The New Statesman,

52 m&z 2/2016 them”, the West has turned volt face, and proposed On the surface, it would be a good, sound to “collaborate” with China in its African foray hypothesis in the minds of its proponents. The (Commission of European Communities, 2008; most developed part of the world, the West, Berger & Wissenbach, 2007; Wissenbach, 2008; and the fastest developing country globally – etc.). Even the European Commission now has China – could team up to give life-support to a blue print for a so-called EU-China-Africa a helpless Africa. But this, for me, is a highly trilateral dialogue and cooperation (Commission flawed thinking that is not commensurate with of the European Communities, 2008). Further, contemporary ways of viewing Africa in the 21st the American government is still encouraging century. First, this position would be treating American companies to have trilateral meetings Africa, not as a trade and investment opportunity, on “corporate social responsibility” (Bodomo, but as a paternalistic, humanitarian, basket case to 2010a). So it is quite clear that there is a give aid to. This is a patently Western paradigm common Western position on trilateralism. to African development and it is precisely this This trilateralism is the basis for the Win-Win- paradigm that China has successfully challenged Win hypothesis. This hypothesis has never been at the end of the 20th century. clearly articulated by its proponents; it is often Even if we were to stay with this old paradigm of simply assumed and stated in different ways engaging Africa as a basket case of aid and not of so many times that it has become a hackneyed trade, the hypothesis of a trilateralism would still expression. However, based on various ways it is be ill-stated and thus flawed. often mentioned, we formulated the hypothesis For instance, the rationale for the Monrovia as follows: meeting was for the parties to “discuss how companies can contribute to economic and social WWW-hypothesis development in Africa”. This is, not in the least, China, the West and Africa will achieve mutual wholly convincing. For this rationale to have benefit if China and the West cooperate in their a real tangible, honest truth-value, we need a investments, trade and humanitarian activities in multinational, UN- meeting, not a tripartite Africa. meeting. After all, social development (especially The spirit of this statement is at the core of the for a whole continent) is a very comprehensive Commission of the European Communities concept that is best discussed in the environment 2008 blueprint. But is this true; is it genuine to of more international and necessarily multilateral claim that all three parties stand to win within the expertise, rather than within the confined scenario of a China-West collaboration in Africa? circles of top-notch economic and investment In any case, why is this view held at present after technocrats whose primordial aim is to make as a decade or more of intensive criticism about much money as possible, rather than any truly China’s presence in Africa? Is it only the West that altruistic preoccupations. has arrived at this stance? Far from being well-founded, this hypothesis of China-West cooperation thus seems indeed a ruse Even some Chinese academics and some Chinese initiated by the West for China and the West to government think-tank institutions are swallowing gain a foothold in Africa, thus creating a Win- the bait and thus beginning to talk of this so- Win-Lose scenario against Africa rather than a so- called beneficial trilateralism (e.g. Luo, 2008; called cooperation with Africa. Chengyuan, 2007). Indeed, it was the Chinese Academy of Social Sciences, a government think- tank, which represented the Chinese side in Four formal arguments against the February 2010 Monrovia meeting between an Africa-China-West trilateralism Africa, China, and the US (Bodomo, 2010a). hypothesis

While it is clear that there is quite a common Western position on this issue of trilateralism We have shown in the above that the proposal and there is some semblance of some Chinese for trilateralism as a Win-Win-Win scenario academics and institutions going along with is not well stated, not well demonstrated, it, probably bending to the weight of Western and is indeed hollow and flawed. In fact, this criticism, it is not clear what the foundations of ill-stated hypothesis of Win-Win-Win is so this position are. hackneyed in international politics but is a largely

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unsubstantiated “Win-Win-Win” hypothesis. If with such a cooperation. We may take the Darfur it is allowed to be repeated over and over again or even the South Sudan problem, for instance. unchallenged it risks developing into an (un) How would the China-West cooperation intended collusion between China and West that solve this problem? On the contrary the can scupper a rare chance for African development counterargument would be that the differences in the 21st century. I here advance and discuss four in policies, diplomatic ideas and philosophies arguments against the Win-Win-Win hypothesis. between China and the West would rather worsen the situation, and this is what has happened in Why Africa as a locus for China-West Sudan and South Sudan so far, where differences cooperation? between China and the West about how to I have always wondered why at all any analyst handle the Al-Bashir dictatorship still leave the or news journalist would single out Africa as a Darfur problem unresolved till now. Even the locus of cooperation between any of these two referendum that led to independence of Southern power blocks. It seems that this is often assumed Sudan has not brought an end to the violence the without any attempt to justify the assumption. Al-Bashir government is involved in supervising. This kind of fallacy creates a baseless or at least a Furthermore, the irony of the situation is that the shaky foundation for any logical argumentations West, especially, the US is often at loggerheads to follow from such presumptions. Proponents of with China on many issues in the world. China- the trilateralism hypothesis are often silent on this US relations often degenerate into their lowest needed explanation about why Africa would be a ebbs on major international issues, as the reality of beneficiary to such cooperation. Indeed they do contemporary geopolitics is that the two often act not point to precedents in the world where such as competing superpowers. It is thus suspiciously power block cooperation has solved anything. harmonious for two competing superpowers, This is a major flaw for proponents of the with their relations usually at their lowest ebbs, hypothesis about power block-based „multilateral to try to find common ground around how best cooperation“ in some part of the world or the to do business in Africa. Indeed it will finally other. Of course, this inability to justify Africa take a concerted effort within the aegis of the as a necessary locus of China-West cooperation United Nations to address the Darfur problem. is inherent from the old paradigm of Africa as a Such illustrations are lacking among proponent basket case for aid, and not as a typical, lucrative analyses for a China-West cooperation hypothesis. spot for business investment. Lessons from contemporary Who benefits? scenarios There is a glaring counter-argument against Furthermore, the WWW-hypothesis is flawed the hypothesis of China-West cooperation in by evidence that most of Africa‘s problems are Africa: Africa is better off championing its own best addressed and eventually resolved within the agenda and dealing bilaterally with one outside aegis of the African Union or the United Nations power block at a time, rather than risking with and not by some power block „multilateral two blocks concurrently which are likely to cooperation“ in Africa. Even the ending of the collude to promote their joint interests at Africa‘s apartheid system in South Africa in 1994 took peril. In sum, Africa stands a better chance of more than trilateralism. All major countries developing higher bargaining powers if it dealt around the globe, rather than some trilateral with China and the West separately. This formal partnership, played significant roles in ending counterargument alone would render untenable apartheid in South Africa. Many civil wars in the so-called Win-Win-Win hypothesis that is Africa, including the Angolan Civil War, the often touted by its proponents. Rwandan genocide, and the diamond wars in Liberia and Sierra Leone, to name just a few, took The albatross of differences in concerted United Nations-style efforts to resolve. diplomatic philosophies The counter-argument here shows that probably Moreover, a major flaw about the WWW- the WWW-hypothesis so many authors and hypothesis is that it is often abstract and is thus journalists allude to may indeed be a win for all devoid of concrete illustrations. The hypothesis intruding power blocks and not a win for Africa, ought to be able to show what contemporary a sort of Win-Win-Lose hypothesis (WWL- African problems could be addressed or solved hypothesis).

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The WWW-hypothesis versus and South, would stand a fairer chance of competing alternative AWA-hypothesis for investment opportunities in Africa. A possible counter-argument against the The Win-Win-Win hypothesis of an Africa- AWA-hypothesis is that Africa is too weak and China-West cooperation is not only ill-stated, disorganized to effectively determine and conduct ill-founded, and thus flawed, it is also unfairly a gate-keeper role in regulating investment in its exclusionary as it leaves no room for other major own territory. However, this would, at best, be players on the African continent. What if Africa an afro-pessimistic way of looking at the issues. suddenly finds that it has more alternatives Africa is fast democratizing and the individual among its stack of clientele who may even be countries on the continent, which are getting better to deal with? A China-West cooperation, more and more democratic, can be expected for not to say collusion, would already have taken to manage their own investments resources a foothold, and may even serve as a stranglehold and make decisions in the most rational ways for new players. possible. To avoid this unfavorable scenario for Africa, what is needed is an Africa-driven Win-For-All The role of the African Union (AU) hypothesis. This hypothesis may be stated in a More often than not, EU relations with the number of ways, but in this paper we propose to African continent are treated as EU-Africa state it as follows: relations, but not as EU-AU relations. But this again is a flaw in nomenclature and overall Africa-driven Win-for-All (AWA) presentation of the analytical framework. Why hypothesis: does it always have to be framed in the media 1. In a 21st century era marked by free trade, in terms of Africa-EU, US, why not talk of AU- Africa will gain maximum benefit for its EU-US and more? This clearly shows that the resources by refereeing a healthy competition role of the AU is often not seriously considered for all friendly foreign investors. or, at worse, completely sidelined altogether. Consequently: In the same way that the European Union acts 2. Thus, Africa has to put in place equitable as a canopy institution for Europe, so does the trade and investment policies and rules for African Union act as a canopy institution for all friendly countries within the aegis of Africa. The counter-argument might be raised the United Nations and other international that the AU is weaker than the EU, but this is bodies such as the World Trade Organization not true in many scenarios. For instance, in many (WTO) which would like to trade and invest UN-style political decision-making, the AU is in Africa. sometimes even more united than other canopy organizations such as the EU, and indeed China The first part of the hypothesis may be regarded has on many occasions benefited from Africa’s as the cause, and the second part may be seen as united stance (Bodomo, 2009). the effect or the consequence. The AWA-hypothesis has, at least, the following three features. First, it seeks to create a level Conclusion playing ground for all investors, and is thus fair and equitable. Second, it focuses on the role of In conclusion, drawing information from many Africa, and thus puts Africa at the center and media sources to support our arguments, we in control of how it opens up its investment have shown in the paper that after a decade or stratosphere to foreign investors. Third, it is more of acerbic criticism of China by the West particularly a welcome development for other about China’s engagement in Africa, the West emerging investors, such as the BRIC nations, has gradually turned volt-face and proposed including Brazil, Russia, India, and, of course, frameworks for a China-West “cooperation” in China. Rather than aligning China to the West, Africa. The hypothesis of a so-called China-West which is what the WWW-hypothesis does, the cooperation, which may be termed the Win- AWA-hypothesis would actually align China Win-Win (WWW) hypothesis, seems to say: to its natural BRIC group. Under the AWA- hypothesis, any potential investors, whether they China, the West, and Africa will achieve mutual are from the West, the East, the North or the benefit if China and the West cooperate in their

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investments, trade and humanitarian activities Africa-driven Win-for-All (AWA) hypothesis: in Africa. In a 21st century era marked by free trade, Afri- ca will gain maximum benefit for its resources by This paper has presented four arguments against refereeing a healthy competition for all friendly this WWW-hypothesis. First, it is not convincin- foreign investors. gly justified why Africa is the locus of a supposed This AWA-hypothesis not only sees Africa at the China-West cooperation. Second, it is not clearly center of the action, it actually sees Africa pre- and convincingly indicated who the real benefi- senting a level playing ground and an equal op- ciaries of such a stated cooperation would be; we portunity to all other investors, such as those of believe instead that this scenario of a China-West the BRIC countries. cooperation actually perilously points to a Win- The most fundamental argument against the Win-Lose scenario against Africa. Third, the dif- WWW-hypothesis is that Africa (or for that mat- ferences in diplomatic philosophies between the ter any developing part of the world) is better off West and China alone would render this WWW- dealing with each of these intruding power blocks, hypothesis untenable. Lastly, lessons from con- China or the EU/West, separately at a time and temporary scenarios dealing with the search for dealing with all of them concurrently only within solutions to Africa’s problems do not suggest any the aegis of the United Nations. good things China-West cooperation in Africa Rather than charting a WWW-hypothesis for can do or has actually done for Africa. Africa-China-EU/West collaboration, Western news media and their African and Chinese We have instead proposed an alternative hypothe- counterparts should emphasize an Africa- sis, stated as follows: driven Win-For-All hypothesis for collaboration between Africa, China and Europe.

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Adams BODOMO Univ-Prof. Dr., a native of Ghana, Africa, is professor of African Studies at the University of Vienna, where he directs the University’s research center for Global African Diaspora Studies (GADS). He has lectured and published widely on the topic of Africa-China-West relations. He has served as lecturer, visiting scholar, or professor at many universities across four continents including the University of Ghana, the Norwegian University of Science and Technology, Stanford University, and the University of Hong Kong, where he started and directed the first African Studies programme in southern China before moving to the University of Vienna in 2013.

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Research Corner Eine Zeitung für Tibet

Der yul phyogs so so’i gsar ‘gyur me long (1925-1963)

Anna Sawerthal, Universität Heidelberg

Abstract Das hier vorgestellte Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit dem Beginn der tibetisch- sprachigen Pressegeschichte und beleuchtet umfassend eine der ersten tibetisch-sprachigen Zeitungen, den yul phyogs so so’i gsar ‘gyur me long, den „Spiegel der Nachrichten aus ver- schiedenen Regionen [der Welt]“ (hier kurz Melong) im sozio-historischen Kontext. Diese Zeitung wurde von 1925-1963 im indischen Grenzort Kalimpong, das im heutigen West- bengalen liegt, produziert. Von dort wurde sie monatlich mit Yak-Karawanen nach Lhasa gebracht. Die Zeitung hatte zwar ein globales Distributionsnetzwerk, ihre HauptleserIn- nenschaft befand sich aber in Zentraltibet und Kalimpong. Die medienhistorische Studie untersucht, wie das globale Produkt „Zeitung“ für ein tibe- tisch-sprachiges Publikum adaptiert wurde, und analysiert einerseits damit einhergehende Transformationsprozesse des Genres Zeitung und andererseits der daran teilhabenden Ge- meinschaft „Tibet“. Aufgrund der Quellenlage fokussiert sie auf Vorstellungen über dieses Tibet innerhalb der Zeitung und verbindet somit Benedict Anderson’s Thesen der „Ima- gined Communities“ mit dem transkulturellen Ansatz.

ls Babu Tharchin im Oktober 1925 die erste zieren. Tharchin war damit nicht nur Pionier, son- AAusgabe seiner tibetisch-sprachigen Zeitung dern auch Provokateur. In Tibet diente der Akt des druckte, gab es kein Wort für „Zeitung“ auf Ti- Schreibens, Druckens und Lesens zu einem kleinen betisch. Anders als in den meisten Regionen der Teil administrativen Zwecken und vor allem aber Welt war in Tibet die Praxis der Zeitungsproduk- dazu, religiösen Verdienst für eine bessere Wieder- tion und des Zeitungskonsums nicht etabliert. geburt anzuhäufen. Die tibetische Schrift galt als Tharchin galt somit als Pionier. Er druckte nicht heilig. Sie nun für so profane Dinge wie Nachrich- in der Hauptstadt Lhasa, sondern vom indischen ten oder Werbung zu verwenden, war empörend. Grenzgebiet aus ließ er die Zeitung monatlich mit Aktualität, Publizität, Periodizität, Universalität Yaks nach Lhasa bringen, wo er vom Dalai Lama − die Grundelemente einer westlichen Zeitungs- abwärts eine rege LeserInnenschaft fand. Selbst im definition − hatten nicht viel mit den kulturellen Grenzgebiet aufgewachsen, war er kein Buddhist Praktiken zu tun, die die tibetische Schrift umgab. so wie fast alle Tibeter, sondern Christ. Das Zei- Einerseits übernahm Tharchin neue, westlich-ge- tungsmachen hat er sich von seinen Ziehvätern, prägte Werte. Andererseits passte er sie an vorhan- den Herrnhuter Missionaren, abgeschaut. dene Kommunikationsweisen an. Viel wichtiger Babu Tharchin nannte sein Produkt „Melong“, noch als die globale Referenz zum „Spiegel“ findet das tibetische Wort für „Spiegel“. Er knüpfte sein sich die Bezeichnung Melong in etlichen Titeln Unterfangen damit an eine globale Praxis des Zei- der umfangreichen tibetischen Literatur wieder − tungsmachens an: Spiegel, Mirror, oder in Hindi am berühmtesten ist wohl das allerorts bekannte Adarsha, in Bengali kaumudi fand man zu der Zeit Standardwerk snyan ngag me long, der „Spiegel der vielerorts. Die gedruckte Zeitung bot erstmals eine Poesie“, das im 13. Jahrhundert aus dem Sanskrit Möglichkeit für alle TibeterInnen, an Informatio- übersetzt wurde. Ein Melong ist auch eine kleine nen über die Welt zu kommen, und durch soziale bronzene Scheibe, die als Talisman dient und pro- Hierarchien hindurch miteinander zu kommuni- phetische Fähigkeiten besitzt. Für tibetische Leser

58 m&z 2/2016 und Leserinnen erweckte die „Spiegel“-Zeitung Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Medien- daher Assoziationen der Poesie, des Schutzes und wissenschaften mit der Erweiterung des Feldes, der Prophezeiung. sowohl betreffend methodologischer Fragen Der Melong dient als anschauliches Beispiel da- (Hallin & Mancini, 2012; Park & Curran, 2000; für, wie die globale Zeitung an lokale Umstände Wang, 2011) als auch unterrepräsentierter Re- angepasst wird. Er zeigt, wie sich durch die Ausei- gionen. Bösch fordert vermehrte Beschäftigung nandersetzung mit dem (für Autoren etwa wahrge- mit dem nicht-westlichen Ausland, um einer nommenen) „Fremden“ Möglichkeiten des Selbst „Homogenisierungs“-These Kontra bieten zu kön- verfestigen: Durch die Zeitung wird eine Nation nen: „Tibet“, ein globaler Akteur, überhaupt erst vorge- stellt. Über die Erscheinungsdauer von fast vierzig „Inwieweit kam es tatsächlich durch die Agen- Jahren kann eine Transformation dieser (vorgestell- turen zu einer weltweiten Homogenisierung von ten) Gemeinschaft nachgezeichnet werden. Nachrichten? Anzunehmen ist, dass diese vielfach Die transdisziplinäre Studie möchte nicht nur im neu selektiert und in die jeweiligen kulturellen Feld der Tibetologie und Buddhismuskunde neue Kontexte übersetzt wurden.“ (Bösch, 2011. S. 142) Erkenntnisse erbringen, sondern auch im Bereich der Mediengeschichte und Kulturwissenschaften. Genau das ist beim Melong der Fall. Für den tibe- tischen Raum fehlt eine mediengeschichtliche Auf- Relevanz des Vorhabens, arbeitung noch. Als der Melong erschien, stand Ti- Forschungsstand und Erkenntnis- bet bis zu einem gewissen Grade unter britischem interessen Einfluss, doch Tibet war nie eine eigentliche Ko- lonie. Die Zeitung wurde in vorhandene soziale Die Verbreitung der Zeitung wurde für viele Regi- Praktiken und literarische Genres einer tibetischen onen der Welt ausführlich behandelt. Allen voran Gemeinschaft (z.B. Ratgeber-Literatur, Orakel) stehen Europa und Nordamerika, aber auch die eingebettet. Diese Tätigkeit veränderte das global Verbreitung in einigen Teilen Asiens war bisher For- verbreitete Genre Zeitung. schungsagenda (z.B. Allen, 1930; Böning, 2004; Gleichzeitig veränderte die Zeitung auch (zumin- Bösch, 2011; Keane, 1991; Martin & Copeland, dest) die Vorstellung über eine tibetische Gemein- 2003; Münster, 1955; Schaffrath, 2004; Welke & schaft. Diverse TibetologInnen haben bisher mit Wilke, 2008). Im asiatischen Kontext fällt vor allem tibetisch-sprachigen Zeitungen gearbeitet. Die die Verbreitung durch koloniale Aktivitäten und/ meisten von ihnen nahmen sich den Zeitungen oder Missionstätigkeiten auf, was diverse Studien als Primärquelle an, um literaturwissenschaftlichen zur Pressegeschichte in Indien (Kaul, 2006; Offre- und historischen Fragen nachzugehen. Eine Zei- di, 1971; Schneider, 2005; Stark, 2007) und China tung zum eigentlich Forschungsfokus haben bisher (Lin, 1936; Mittler, 2004; Wagner, 2002; Zhang, nur einige gemacht (Bai, 1990; Bray, 1988; Engel- 2007) aufzeigen. Im kolonialen Kontext waren hardt, 2011 und 2012; Römer & Erhard, 2007; Printmedien oft Machtinstrumente der Koloni- Schubert, 1935; Tshe ring, 2009; Walravens, 2002 satorInnen (Stark, 2007, S. 226; Keane, 1998, S. und 2010; Zhou, 2010). Literaturwissenschaftle- 34), gleichzeitig aber auch wichtige Hersteller von rInnen (z.B. Hartley, 2003; Lopez, 2009; Shakya, Vorstellungen über souveräne Nationen (Anderson, 2004) beleuchteten Texte, die in Zeitungen erschie- 2006; Bösch, 2011, S. 9, 97-99; Nossek, 2004). Für nen sind, aber stellten nicht die Frage, wie sich die weite Teile der Welt ist dieser Mechanismus aber Zeitung in eine tibetisch-sprachige Literaturtraditi- nicht erforscht, weil sich die Mediengeschichte tra- on einordne. HistorikerInnen (z.B. Hackett, 2008; ditionell mit Regionen des modernen Westens be- Harris, 2013; Schaedler, 2007; Shakya, 1999 und schäftigt. Der Medienhistoriker Bösch attestiert: 2004) attestierten die Gründung von Zeitungen, aber untersuchten nicht, welche gesellschaftlichen „Auch die Forschungslage setzt Grenzen, da me- Auswirkungen eine Zeitung haben kann. Welche dienhistorische Arbeiten vornehmlich nur zu den Akteure und Akteurinnen einer wie vorgestellten westlichen Industrieländern vorliegen, nur einge- Gemeinschaft werden in der Zeitung zur Partizipa- schränkt für Osteuropa, Südamerika, China und tion aufgerufen? Welche Transformationsprozesse Japan, und fast gar nicht zu Afrika und dem ara- können über die Publikationsdauer von fast vierzig bischen Raum.“ Jahren nachvollzogen werden? (Bösch, 2011, S. 24)

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Die Arbeiten, die sich explizit mit dem Melong on als heterogen bezeichnet werden? (bzw. mit Teilaspekten) auseinandergesetzt haben Die folgenden zwei Fragen beschäftigen sich mit (Engelhardt, 2011 und 2012; Fader, 2002-2009; dem Produkt Melong: Mikhaylova, 2015; Sawerthal, 2011), hatten li- Unterfrage 3: Wie verändert sich die Konzeption der mitiertes Material als Forschungsgrundlage und Zeitung (inklusive vorgestellter Gemeinschaft) im verblieben methodisch innerhalb der „tibetischen“ Laufe der Zeit? Kultur. Transformations- bzw. Übertragungspro- Unterfrage 4: Wie werden „fremde“ Konzepte, die zesse wurden vernachlässigt oder nur unzureichend durch die Zeitung transportiert werden, für eine behandelt. Auch wenn allgemein dazu in den letz- (imaginierte) tibetische Gemeinschaft adaptiert? ten Jahren vermehrt Arbeiten entstehen (Finzsch Die letzten zwei Fragen verlassen die Idealvorstel- & Lehmkuhl, 2004; Wenzlhuemer, 2010), wird lung der Zeitung und ihrer imaginierten bzw. ide- die Beschäftigung mit grenzüberscheitenden alisierten LeserInnenschaft und widmen sich der Transferprozessen weiterhin als Desideratum in der Partizipation an der Zeitung: Mediengeschichte beschrieben (Marszsolek & Ro- Unterfrage 5: Wie fallen Reaktionen auf den Melong bel, 2014, S. 6; Bösch, 2011, S. 19-20). Schon in aus? meiner Magisterarbeit habe ich den Melong bear- Unterfrage 6: Inwiefern ist der Melong aktiver Teil beitet und grundsätzliche Fragen (wer, was, wann, bzw. Hersteller eines (tibetisch-sprachigen) Medien- wo) beantwortet (Sawerthal, 2011). Diese Studie mix und von öffentlicher Kultur? bettet diese Beobachtungen einerseits in einen nu- ancierteren theoretischen Kontext ein, andererseits Methodisches Vorgehen wird die Analyse um die oben besprochenen As- Die Studie wählt den transkulturellen Ansatz, ver- pekte erweitert. knüpft mit Andersons Thesen über die „vorgestell- Die Studie ist somit an einer Schnittstelle der Be- te Gemeinschaft“ (Anderson, 2006). Die Studie reiche Mediengeschichte (Wie funktioniert globale stellt daher ein Masternarrativ über abgegrenzte mediale Verbreitung?), Tibetologie (Sozial- und Kultureinheiten infrage, indem sie davon ausgeht, Pressegeschichte Tibets) und Kulturwissenschaften dass Aktivitäten wie das Schreiben, Drucken oder (Wie funktioniert kultureller Austausch?) angesie- Lesen einer Zeitung keine Nebenprodukte eines delt. Die Erforschung von Produktion, Produkt Kultursystems sind, sondern Teile spezifischer und Rezeption des Melongs zeigt auf, dass „Kul- Mechanismen der (De-)Konstruktion eben jener turen“ keine abgegrenzten Entitäten innerhalb kulturellen Grenzen. Gleichzeitig spricht sie sich nationaler Container sind (siehe z.B. Hepp, 2014, nicht gegen die Verwendung von kulturellen Be- S. 31-37), sondern von den AkteurInnen, die stu- stimmungsworten wie „tibetische“ Zeitung aus. diert werden, aktiv gestaltet und verfestigt werden. Doch statt „Was ist eine tibetische Zeitung?“ fragt sie: Inwiefern ist die Zeitung ein Mittel zur Ver- Fragestellung festigung über die Vorstellung einer tibetischen Die leitende Forschungsfrage beschäftigt sich da- Gemeinschaft? Zuerst wird ein heterogenes Um- her mit dem Wechselspiel zwischen den Konzep- feld beschrieben, ein Alltag geprägt von Grenzü- ten „Tibet“ und „Zeitung“. Einerseits kann sich die berschreitungen, in dem die Zeitung produziert Einführung einer Zeitung auf „Tibet“ auswirken. wurde. Im nächsten Schritt wird gezeigt, wie in- Andererseits kann sich „Tibet“ auf die „Zeitung“ nerhalb der Zeitungsinhalte aber ein abgegrenzter auswirken. Die leitende Forschungsfrage ist dem- Kulturraum suggeriert, ein Bild „Tibets“ verfestigt, entsprechend dual formuliert: ein „Selbst“ in Abgrenzung zu „Anderen“ darge- Wie transformiert eine (imaginierte) tibetische Ge- stellt wird. Wie diese idealtypische Vorstellung ei- meinschaft das Genre Zeitung? ner Zeitung und eines „Tibets“ tatsächlich von den Wie transformierte das Genre Zeitung eine (imagi- LeserInnen angenommen wird, wird im dritten nierte) tibetische Gemeinschaft? Schritt behandelt. Um dieses Wechselspiel zu beleuchten, wurden Die transkulturelle Methode versteht sich hier also sechs Unterfragen formuliert. Die ersten zwei Fra- als Methode, die die Beschaffenheit von kulturel- gen beschäftigen sich mit der Produktion des Me- len Grenzen beleuchtet. Sie folgt Hepps Verständ- longs: nis von Transkulturalität. Er schreibt: Unterfrage 1: Inwiefern nimmt der Melong in der Geschichte tibetisch-sprachiger Nachrichtenübermitt- „Immer stärker ist ins Bewusstsein der Kommu- lung und Zeitungen eine besondere Rolle ein? nikations- und Medienwissenschaft gerückt, dass Unterfrage 2: Inwiefern kann die Melong-Produkti- ein Spezifikum medienvermittelter Kommuni-

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kation (kulturelle) Grenzüberschreitungen, aber sönlich besucht. 206 Ausgaben wurden 2009 von auch neue Grenzziehungen sind.“ der C.V. Starr Library der Columbia University (Hepp, 2014, S. 19) online veröffentlicht. Weitere tibetisch-sprachige Zeitungen bzw. Publikationen des Druckhauses Er formuliert, man müsse transkulturelle Phäno- Tibet Mirror Press wurden in Archiven und von mene „innerhalb von nur scheinbar stabilen Kul- Privatpersonen studiert.5 Material des ehemaligen turen“ (Hepp, 2014, S. 43) untersuchen und stellt Redaktionsbüros (AbonnentInnen-Listen, Korre- die für diese Arbeit relevante Frage: spondenzen, Abrechnungen etc.) und auch eine (unvollständige) Autobiographie des Herausgebers „Wie ist in der kommunikativen Figuration Babu Tharchin ist hauptsächlich in der „Tharchin [hier: Zeitung] von scheinbar nationalen medi- Collection“ der C.V. Starr Library der Columbia alen Repräsentationen Transkulturalität einge- University untergebracht. Weiteres Material befin- schrieben?“ det sich in der Library of Tibetan Works and Ar- (Hepp, 2014, S. 43) chives (Dharamsala, Indien), wenig ist auch am Er- scheinungsort Kalimpong aufgehoben (ehemalige Der abgeschlossene Kulturraum ist nicht Analyse- Drucker-Ausstattung, Plaketten, Publikationen Einheit, sondern Forschungsobjekt, das von den und Korrespondenzen) − das Material vor Ort ist erforschten AkteurInnen vorgestellt wird. Die leider in schlechtem Zustand. Studie bezieht sich somit auf Benedict Andersons Die Quellenlage zur Rezeption der Publikation bahnbrechende Studie „Imagined Communities“ unter TibeterInnen ist bedeutend schlechter. Eine und verknüpft seine Thesen mit dem transkultu- geringe Zahl von ZeitzeugInnen ist auffindbar, die rellem Ansatz: Das inkludiert von Anderson ver- wenig zu erzählen haben. Als wichtigste Quelle nachlässigte Bereiche wie Alteritäts-Mechanismen1 sind daher die im Melong abgedruckten LeserIn- und orale Kommunikationspraktiken.2 nenbriefe zu nennen, sowie sonstige Korrespon- denzen von Tharchin. In tibetisch-sprachigen Quellenlage Quellen, die zur Zeit des Erscheinens des Melongs Die Quellenlage zum Studium des Melongs ist publiziert wurden, sind kaum Verweise auf den umfangreich, vor allem zum Studium der Pro- Melong zu finden, erst später wird vermehrt darauf duktionshintergründe und dem Produkt selbst. Bezug genommen. Auch in Interviews weisen Jour- Von (wahrscheinlich) 311 publizierten Melong- nalistInnen in Dharamsala auf Tharchin als ersten Ausgaben sind 302 Ausgaben in digitalem Format Journalisten hin. Aktuelle tibetisch-sprachige Fach- für diese Studie zugänglich.3 Die digitale Melong- literatur im Exil erwähnt oft den Melong. Sammlung wurde − weitestgehend − von Paul Westliche Quellen, die Tharchin, seine Tibet Mir- Hackett (Columbia University) zur Verfügung ror Press oder explizit den Melong zumindest er- gestellt. Er trug das Material in digitaler Form von wähnen, gibt und gab es zu jedem Zeitpunkt üp- verschiedenen Institutionen und Privatpersonen pig: Eine Liste an solchen Publikationen umfasst zusammen.4 Einige der Institutionen habe ich per- fast 150 Einträge.

1 Robertson (2011, S. 1340) formuliert Kritik an Anderson 4 Für eine Liste der Institutionen siehe Sawerthal, 2011, S. so: „The issue of alterity and most certainly the issue of re- 15. lativization are almost ignored in Imagined Communities.” 5 Die Institutionen und Privatleute sind: Asiatic Society Vergleiche auch Hepps Verständnis von Transkulturalität als (Kolkata); Bayrische Staatsbibliothek (München); Bibliothek Folge der Globalisierung: Hepp, 2014, S. 22-27. der Australian National University (Canberra); Bibliothek 2 Fahmy (2011, S. 14) erklärt Visualität als Machtinstrument der School of Oriental and African Studies (London); C.V. von Kolonisatoren und bemängelt, dass orale Kulturen bei Starr Library der Columbia University (New York, NY); Da- Anderson vernachlässigt wurden: „[...] In Anderson’s devoca- niel Tharchin (Kalimpong, Indien); Dawa Tsering (Lhasa, lized imagined communities, there is no place for the spoken Tibet); Fachbereichsbibliothek Südasien-, Tibet- und Bud- word. Dismissing orality and direct social interactions ignores dhismuskunde der Universität Wien (Wien); GRASSI Muse- a critical component of the digestion and integration of news, um für Völkerkunde zu Leipzig (Leipzig); Herrnhuter Archiv rumors, gossip, and culture.” Aufgrund der Quellenlage kann (Herrnhut); Isrun Engelhardt (Bonn); Lhasa Public Library ich weniger auf orale Adaptionen der LeserInnen eingehen, (Lhasa); Library of Tibetan Works and Archives (Dharamsala, sehr wohl aber auf Adaptionen oraler Kulturen innerhalb der Indien); Moravian Church House (London); Namgyal Insti- Zeitung. Vergleiche auch Hepps Verständnis von Transkultu- tute of Tibetology (Gangtok, Indien); National Archives of ralität als postkoloniale Kritik: Hepp, 2014, S. 27-31. India (Kolkata); Robert Barnett (Columbia University, NY); 3 Für eine Liste aller vorhandenen Ausgaben siehe Sawerthal, Staatsbibliothek Berlin (Berlin); Tashi Tsering (Dharamsala, 2011, S. 131-143. Seit 2011 konnte ich zwei weitere Ausga- Indien); Tharpa Choeling Gompa (Kalimpong, Indien); Tibet ben (Melong 14-4 und 23-4) in der Bibliothek der Australian Museum (Lhasa); University of Washington (Seattle, WA); National University auffinden. Widener Library der Harvard University (Cambridge, MA).

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Vorläufige Ergebnisse anderes Bild vermitteln: Obwohl die Produktion Durch die Darstellung vorhandener Formen und von ständigem kulturellen Austausch geprägt war, Praktiken der Nachrichtenübermittlung (z.B. suggeriert das Produkt ein „abgegrenztes Tibet“. „Lhasa Street Songs“, Postsystem) und die Aufar- Von den Grenzen, der Peripherie, wird dieses Ti- beitung einer chronologischen Zeitungsgeschichte bet „imaginiert“, um mit Anderson zu sprechen. bis 1963 (letztes Erscheinungsjahr des Melongs) Die Zeitung stellt zwar verschiedene „fremde“ wird der Melong innerhalb einer tibetisch-spra- Konzepte vor (und zählt selbst auch dazu), sowohl chigen Kommunikationsgeschichte verortet. Die inhaltlich als auch formal, diese werden aber nicht Aufarbeitung von 25 verschiedenen Zeitungspro- eins-zu-eins für die tibetische LeserInnenschaft jekten zeigt, dass − mit Ausnahme des Melongs − übernommen, sondern für jene aufbereitet, adap- bis 1960 ausländische Akteure und Akteurinnen tiert und uminterpretiert. Durch die Auseinander- (christliche Mission, chinesische Ambane, chi- setzung mit dem (globalen) „Anderen“ entsteht nesische Kommunisten etc.) Zeitungen für Tibet eine Verfestigung des „Selbst“. publiziert haben. Somit kann gezeigt werden, dass Um der Konzeption der Zeitung auf den Grund zu Zeitung kein autochthones Produkt war, sondern gehen, wurden 163 Editoriale6 in die Daten-Aufar- aus dem „Westen“, über Stationen in Indien und beitungs-Software MAXQDA eingespeist und dort China, eingeführt wurde. auf rhetorische Strategien und Inhalte untersucht. Die nähere Untersuchung der Produktion des Me- Es kann gezeigt werden, welche Akteure und Ak- longs zeigt des Weiteren, dass auch dieses Projekt teurinnen innerhalb der tibetischen Gemeinschaft durch den Kontakt mit verschiedenen nicht-tibe- angesprochen werden, um sich auf unterschied- tischen AkteurInnen zustande kam. Finanziert wur- liche Weise an der Zeitung zu beteiligen (Eliten de die Zeitung von der schottischen Mission, der versus „Untergebene“, RegierungsmitgliederInnen, britischen Kolonialregierung, später der indischen HändlerInnen, Intellektuelle,...). Eine Transforma- Regierung und auch von der tibetischen Regie- tion dieser Vorstellung kann über die Produktions- rung − um einige der GeldgeberInnen zu nennen. zeit nachvollzogen werden. Während anfangs auf Der Erscheinungsort („Kontaktzone“ Kalimpong) einer vormodernen, feudalistisch geprägten und war ein Handelszentrum, das an der Handelsrou- stark hierarchischen Gesellschaftsordnung aufge- te zwischen Calcutta und Lhasa lag und somit ein baut wird, wird die angesprochene Gemeinschaft Umschlagplatz von Waren aus aller Welt, aber auch ab den 1940er Jahren betonter als politische En- von immateriellen Ideen und Konzepten war. Der tität vorgestellt, die als globale Akteurin en par Herausgeber des Melong, Babu Tharchin, wiede- mit anderen modernen Nationalstaaten steht. Die rum, war aufgrund seiner Biographie mit Um- Nation Tibet soll auf buddhistischen moralischen gangsformen verschiedener Welten vertraut, die Werten aufgebaut sein, gleichzeitig sollen darin in Kalimpong aufeinandertrafen. Aufgewachsen in alle Gesellschaftsschichten teilhaben. Immer häu- der Obhut der nordindischen Herrnhuter Mission figer wird den Anliegen der „Untergebenen“ Ge- in Kinnaur, war er einer der wenigen tibetischen hör verschafft. Wenn die Zeitung anfangs als ein KonvertitInnen, die sich zum Beispiel sehr für die Organ für Eliten beschrieben wurde, ist sie später tibetische Literatur interessierten. Reisen führten das „Sprachrohr des gemeinen Volkes“, besonders ihn früh nach Zentraltibet, wo er Audienzen beim während der 1950er Jahre − eine Entwicklung, die damaligen 13. Dalai Lama erhielt. In Kalimpong sich auch durch den kommunistischen Einfluss in baute er sukzessive seinen Handel mit Informati- Tibet erklären lässt. Eine Verflachung einer vor- onen aus, sowohl als Zeitungsherausgeber als auch gestellten sozialen Hierarchie kann also nachge- später als Spion Großbritanniens. Kalimpong war zeichnet werden. Gleichzeitig können Strategien nicht nur ein Handelszentrum, es etablierten sich beobachtet werden, mit denen der Herausgeber ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch ei- versucht, die potentiellen Leser und Leserinnen für nige lokale Zeitungen in verschiedenen Sprachen. die aktive Teilhabe an der Zeitung zu begeistern. Die Produktion des Melong war also durch stän- Zum Beispiel wird der Melong als kleines Kind der digen Austausch und nicht klar einzugrenzende tibetischen Familie stilisiert, um das sich die Lese- Entitäten bzw. Identitäten geprägt. rInnenschaft kümmern sollte (siehe Abb. 1). Auffallend ist nun, dass die Inhalte des Melong ein Im nächsten Schritt wurde nicht bloß der Selbstbe-

6 Unter „Editorial“ verstehe ich in der Zeitung abgedruck- wendungen, mehr AbonnentInnen, oder er entschuldigt sich te, selbstreflexive Texte, die der Zeitungsherausgeber direkt gegebenenfalls für Fehler. Oft erklärt er aber auch, warum er an die LeserInnen richtet. Darin bittet er um finanzielle Zu- die Zeitung überhaupt produziert.

62 m&z 2/2016 schreibung des Herausgebers Beachtung geschenkt, Werbungen wiederum finden sich zum Beispiel sondern explizit auf diverse „fremde“ Konzepte, die in traditionellen Versmaßen wieder. Kauflust soll in der Zeitung präsentiert werden, und damit de- angeregt werden, indem gutes Karma versprochen tailliert auf Fragen der Alteration eingegangen. wird. Exemplarisch wurden die Themencluster Religion Der zweite Weltkrieg wird mit Versen der reichhal- (Christentum und Buddhismus im Melong, siehe tigen (moralischen) Ratschlag-Literatur kommen- Abb. 2), Wissenschaftlichkeit (Diskurs über die tiert. Als Adolf Hitler etwa 1945 von den Alliierten Form der Erde), Wirtschaftlichkeit (Werbungen), besiegt wurde, wird das als Konsequenz seiner An- Weltpolitik (moralische Lehre aus der Berichter- häufung schlechten Karmas erklärt (siehe Abb. 4). stattung des Zweiten Weltkriegs) und Zeit (moder- Der zweite Weltkrieg dient somit als Schablone für ne Zeiteinteilung und Prophezeiungen) bearbeitet ein Lehrstück, von dem die Leser und Leserinnen und Strategien des Verständlich-Machens (Einsatz moralisch etwas lernen können. von populären Sprichworten, Versen; Anwendung verständlicher Interpretationsmuster) analysiert. Es Um dem Geschmack der tibetisch-sprachigen Le- zeigte sich, dass etwa christliche Inhalte durch bud- serInnen gerecht zu werden, werden der Zeitung dhistische Termini erklärt werden und vom Autor selbst prophetische Elemente hinzugefügt: Durch die beiden Religionen gleichberechtigt werden. den gesamten Melong hindurch finden sich in fast allen inhaltlichen Sparten regelmäßig Texte, die Die tibetische Kosmologie nimmt an, dass die Welt nicht bloß in die Vergangenheit blicken oder die eine flache Scheibe sei. Im Melong wird mit dieser Gegenwart beschreiben, sondern Prophezeiungen Vorstellung aufgeräumt. In einigen Essays werden über die Zukunft machen. traditionelle buddhistische Argumentationsstrate- gien angewandt, um diesen Umstand zu erklären Nach der Abhandlung der idealtypischen Form und auch zu rechtfertigen (siehe Abb. 3). der Zeitung widmet sich die Studie im dritten

Abb. 1: Der kleine Melong-Junge, Melong 7-1-1

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Abb. 2: Jesus und Buddha, Melong 18-8-7

Abb. 3: Die Welt ist eine Kugel, Melong 10-1-11

Teil den Reaktionen und der Annahme durch bricht der Melong mit bis dato existierenden die Leser und Leserinnen. Hier wurden sowohl Formen: Er bringt Genres, die bisher nur oral zeitgenössische Reaktionen (vor allem in Lese- existierten, in schriftlichen öffentlichen Diskurs. rInnenbriefen) analysiert als auch seine Rolle in Er überführt (unter anderem bis dato als geheim der Erinnerung von heutigen JournalistInnen geltende) Kommunikationspraktiken und Vor- durch Interviews erfragt. Obwohl das Zeitungs- stellungen über eine Gemeinschaft in die Öf- Projekt fi nanziell und inhaltlich partizipativ an- fentlichkeit, darunter diverse Prophezeiungen gedacht war, musste der Melong immer von po- aus dem esoterischen Buddhismus. tenten GeldgeberInnen fi nanziert werden, weil Andererseits stellt der Melong ein wichtiges Bin- ein AbonnentInnen-System wirtschaftlich nicht deglied dar, indem er andere tibetisch-sprachige tragfähig gemacht werden konnte. Tharchin Zeitungen rezipiert, oder auch MitarbeiterInnen musste sich wiederholt verschulden − die Aufl a- ausbildete, die bei späteren Zeitungsprojekten ge (durchschnittlich 500 Exemplare) verkaufte tätig waren. Die Zeitung kann als Kristallisie- sich nicht gut. Auch die inhaltliche Teilnahme rungspunkt einer tibetischen Gemeinschaft der LeserInnen am Projekt war gering. Tharchin verstanden werden, die sich immer mehr als klagte wiederholt darüber, dass die TibeterInnen tibetische Nation defi nierte. Diese Vorstellung den Wert der Zeitung nicht verstanden hätten. Es wurde umso wichtiger im Freiheitskampf der gibt zumindest einen Fall, in dem ein LeserInnen- 1950er Jahre gegen die KommunistInnen. brief von Tharchin gefälscht wurde. Erst ab den Dass der Melong eine treibende Kraft eines mo- 1950er Jahren häufen sich LeserInnenreaktionen, dernen Verständnisses über Tibet war und die- die auch in der Zeitung abgedruckt wurden, der ses geschickt in vorhandene Kommunikations- Melong blieb aber bis zuletzt umstritten. Ein Zeit- muster eingebettet hat, wird durch die Analyse zeuge gab an, dass der Herausgeber kein „echter der Zeitungsproduktion und -inhalte deutlich. Tibeter“ gewesen wäre. Die Herausgeber der Fol- Inwiefern der Melong auch tatsächlicher Verbrei- gezeitung rang dbang meinen, ihre Zeitung wäre ter dieses modernen Verständnisses war, konnte demnach die „erste echte tibetische Zeitung“ ge- bisher nur unzureichend behandelt werden. Die wesen. Heute wird der Melong aber von den mei- vom Herausgeber erklärten Ziele des Projektes sten Befragten und in vielen tibetisch-sprachigen konnten nicht erreicht werden, die angespro- Publikationen als erste Zeitung Tibets bezeichnet chenen potentiellen LeserInnen nahmen die und der Herausgeber als erster tibetischer Jour- Zeitung nicht in der von ihm angedachten Art nalist. und Weise an. Es bleibt also die Frage offen, in- Zusammenfassend stellt der Melong sowohl ei- wiefern der „Misserfolg“ der Zeitung als Kon- nen Bruch als auch ein Bindeglied in der mo- sequenz kultureller Dissonanzen interpretiert derneren tibetischen Geschichte dar. Einerseits werden kann. Von Misserfolg kann wiederum

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Abb. 4: Hitler’s Niedergang, Melong 13-8-10,11

nur auf dem ersten Blick gesprochen werden. Forschungsprozess sein und ihre Beantwortung Denn in der kollektiven Erinnerung heutiger ti- im besten Fall weiteres Licht auf transkulturelle betischer JournalistInnen hat der Melong seinen Mechanismen in Bezug auf das moderne Zei- fixen Platz als Symbol einer modernen Nation tungs-Genre werfen. erhalten. Diese Frage wird Agenda im weiteren

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Melong-Ausgaben werden im Format „Melong Jahrgang-Nummer[-Seite]“ angegeben. Alle Foto-Credits: Daniel Tharchin

Anna SAWERTHAL Mag.a, ist momentan Doktorandin an der Universität Heidelberg am Exzellenzcluster „Asien und Europa im Globalen Kontext” im Rahmen des Projekts „Kalimpong as a Contact Zone“. Sie verfasst ihre Dissertation über die tibetisch-sprachige Pressegeschich- te. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in den Medienwissenschaften des Himalaya-Raums mit Fokus auf tibetisch-sprachigen Publikationen. Sie erhielt ihren Diplomabschluss (Mag. phil.) an der Universität Wien im Fach Tibetologie und Buddhismuskunde, studierte Jour- nalismus und Medienmanagement an der Fachhochschule Wien und absolvierte Aus- landsstudien an der Tibet University in Lhasa und der Kathmandu University in Nepal.

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Rezensionen

RUDOLF JAWORSKI: Mütter – Lieb- Untersuchungsmaterials, das insgesamt beein- chen – Heroinen. Propagandapost- druckende 3.000 Originale und Kopien um- fasste. Die in erzählerischer Form gehaltenen karten aus dem Ersten Weltkrieg. Ausführungen Jaworskis sind angenehm zu lesen Böhlau: Böhlau Verlag, 2015, 202 und zugleich informativ. Jedes Kapitel ist einer Seiten. Motivgruppe gewidmet und beschreibt deren Propagandapostkarten sind ein ebenso interes- unterschiedliche Darstellungsweisen – und die santes wie vernachlässigtes Forschungsobjekt damit verbundene Absicht (etwa moralischer – verschiedenste Hindernisse, von fehlenden Beistand) – beispielhaft. Die Unterscheidung Postkartenarchiven bis hin zur Schwierigkeit der dieser Motivgruppen ist allerdings nicht immer ikonografischen Aufarbeitung, erschweren die trennscharf, es tauchen immer wieder Parallelen systematische Analyse und Bestandsaufnahme. und Gemeinsamkeiten zwischen den Motiv- Rudolf Jaworski, Professor für die Geschichte gruppen auf. „Weibliche Allegorien als Kollek- Ostmitteleuropas, hat sich nichtsdestotrotz die- tivkörper“ (Kapitel 2) wie die deutsche Germa- ser Thematik gewidmet und gibt in seinem Werk nia, die französische Marianne oder die russische einen umfassenden Überblick über Frauendar- Rossija (und sogar die Schweizer Helvetia) etwa stellungen auf Propagandapostkarten im Ersten sind eines der auffälligsten Motive, da sie in un- Weltkrieg. Propaganda bedeutet für Jaworski terschiedlichen Motivgruppen in unterschied- dabei die „ideologische, kriegsbejahende Aufla- licher Form immer wieder durchscheinen: Zum dung dieser massenhaft kommunizierten Klein- einen gibt es da die „Schutzengel und andere grafiken sowie die Tatsache, dass ihre Produk- Geisterwesen“ (Kapitel 1), die häufig in Form ei- tion überall behördlich überwacht und zensiert ner allegorischen Justitia auftreten und abstrakte wurde“ (S. 13). Im Zentrum dieses Werkes ste- Wert- und Idealvorstellungen verkörpern. Unter hen also Frauendarstellungen und die damit ver- die Motivgruppe „Militärische Bündnisse und bundenen (zumeist von außen herangetragenen) weibliche Partnerschaften“ (Kapitel 3) fallen Geschlechterperspektiven und Rollenzuschrei- allegorische Frauendarstellungen der kompli- bungen. Ausgeweitet wird diese Perspektive um zierten militärischen und politischen Bündnisse, einen internationalen Blick, indem ein verglei- die dadurch optisch aufbereitet und plausibel ge- chender Ansatz zwischen Bildbotschaften aus macht werden sollten. Sie werden dementspre- unterschiedlichen Ländern eingenommen wird: chend als persönliche und innige Beziehungen Zwar ist ein Großteil der untersuchten Bildpost- zwischen Schwestern oder Freundinnen darge- karten deutscher oder französischer Herkunft, stellt. Auch „Sieg und Niederlage“ (Kapitel 12) aber auch österreichische, italienische, britische, wird in weiblicher Gestalt dargestellt: Siegesen- russische und Postkarten aus weiteren europä- gel in Form von Länderallegorien auf Seiten der ischen Ländern werden berücksichtigt. Jaworski Sieger stehen trauernde Symbolfiguren auf Sei- deckt dadurch Parallelen, Übereinstimmungen ten der Kriegsverlierer gegenüber. und Differenzen der propagierten Frauenbilder in den unterschiedlichen europäischen Ländern Auch zwischen den anderen Kapiteln sind im- auf. Die Fokussierung auf Frauendarstellungen mer wieder Parallelen zu erkennen, auf die Ja- ergibt sich durch die prominente Rolle von worski auch explizit eingeht. „Frauen und Uni- Frauen in der Kriegspropaganda, die unter an- formen“ (Kapitel 6) stellt die Einstellung von derem auch neue Frauentypen kreierte. Frauen zu Uniformen dar: Unter diese Kategorie fallen zum einen Postkarten, auf denen die weib- In zwölf Kapiteln beschreibt Jaworski diese un- liche Sicht auf uniformierte Männer dargestellt terschiedlichen Erscheinungsformen von Weib- wird, zum anderen aber „die mehr oder weni- lichkeit auf Propagandapostkarten im Ersten ger fantasievolle Uniformierung von Frauenge- Weltkrieg – von Friedens- und Schutzengeln stalten auf Bildpostkarten als Mittel ihrer op- über Mutterfiguren bis hin zu Sieg und Nie- tischen Vereinnahmung für den Krieg“ (S. 81). derlage in weiblicher Gestalt. 134 Abbildungen Hier sind deutliche Parallelen zur Motivgruppe von Postkarten unterstreichen und illustrieren „Die Krankenschwester: Kameradin oder Ob- Jaworskis Ausführungen. Dabei handelt es sich jekt der Begierde“ (Kapitel 9) zu erkennen: Hier jedoch nur um einen kleinen Ausschnitt seines wird die Frau im Beruf wie auch die Frau in der

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Uniform zu einer weiteren Motivgruppe zusam- Nationen aufweisen. Dass die Motive solcher mengefasst, die den Inbegriff weiblicher Opfer- Bildpostkarten mit der tatsächlichen Situation freude und engelsgleicher Fürsorglichkeit dar- nur äußerst wenig zu tun hatten, liegt darin, stellt und zugleich eine Brücke zwischen Heimat dass sie nicht die Wirklichkeit abbilden wollten, und Front herstellt. „Wie wohl kaum eine zweite sondern Stimmung machen und für den Krieg Frauengruppe wurden die Krankenschwestern mobilisieren wollten – und gleichzeitig wider- als leuchtende Beispiele weiblichen Patriotismus sprachen diese Motive dem Muttermythos und im Krieg gefeiert und wurden in der Kriegspro- den vorherrschenden Geschlechterrollen. Und paganda dementsprechend hofiert (…).“ (S. dennoch hat der Krieg nicht zu einer Änderung 119) Auch zur Motivgruppe der Schutzengel der Geschlechterrollen geführt – im Gegenteil: lassen sich hier Parallelen herstellen. Gerade die Krankenschwester war zugleich auch „Die sich vor Kriegsbeginn auf verschiedenen Objekt der Begierde, wie Jaworski an mehreren Ebenen abzeichnenden international vor- Beispielen illustriert. Dass die Frau als Objekt getragenen Emanzipationsbestrebungen von der Begierde ein wichtiges Motiv war, zeigt sich Vorkämpferinnen der Frauenbewegung und auch im Kapitel 10 „Andere Städtchen, ande- ihrer Organisationen waren mit Kriegsaus- bruch bis auf wenige Ausnahmen sozialdemo- re Mädchen“, das im krassen Widerspruch zur kratischer bzw. pazifistischer Provenienz jäh Motivgruppe „Die Frau daheim – der Mann unterbrochen und mussten einer konformen im Feld“ steht. Statt Liebesbekundungen und Ausrichtung Platz machen. Sämtliche Ideale, Trauer der Paarbeziehungen werden hier die ero- Tugenden und Tätigkeiten der Frauen wurden tischen Reize exotischer Frauen, die gleichsam nunmehr als komplementär zum heldenhaften das fremde Territorium verkörpern, dargestellt. Kampf der Männer interpretiert und diesem Besonders interessant sind nicht nur die die Ziel nachgeordnet.“ Länderunterschiede in den Darstellungen (vor (S. 170) allem zwischen Ost und West): Während Kran- kenschwestern etwa auf englischen und franzö- Frauen dienen für die meisten der von Jaworski sischen Karten häufig verführerisch dargestellt identifizierten Motive gleichsam als leere Hül- waren, waren diejenigen auf zentral- und ost- len, die mit Bedeutung aufgefüllt werden. Diese europäischen Karten entsexualisiert ins Bild ge- Darstellungen entsprechen selten dem weib- setzt worden. Daneben sind es aber vor allem die lichen Selbstverständnis, sondern sind von au- erstaunlichen Parallelen zwischen den Ländern, ßen herangetragene Rollenvorstellungen – meist die faszinieren – etwa was Länderallegorien in von Männern, teilweise aber auch von patrio- weiblicher Form angeht. Vor allem aber die tischen Frauenvereinen: Darstellung von Trennungsschmerz von Part- nerInnen, die nach Jaworski den Großteil der „Frauen wurden als Opfer und Leitragende des Bildpostkarten im Ersten Weltkrieg darstellt, Kriegsgeschehens wahrgenommen, sie wurden stimmt länderübergreifend sowohl textlich als als Werbeträgerinnen des Krieges eingesetzt auch bildlich erstaunlich überein. Dazu gehören und als aktiv handelnde Kriegsteilnehmerin- auch Abschieds- und Wiedersehensszenen bzw. nen an der ‚Heimatfront‘ gefeiert.“ (S. 171) Motive, in denen der/die PartnerIn als Fata Mor- gana erscheint. Dass der Blick dieser Frauendarstellungen deut- Auffallend ist, dass Jaworski die dümmlich- lich männlich geprägt ist, zeigt vor allem das einfältige und eindimensionale Weise, in der Kapitel „Frauen arbeiten für den Sieg“: Hier Männer in diesen Propagandapostkarten häufig werden Motive behandelt, die den weiblichen portraitiert werden, gar nicht kommentiert – die Aufgabenbereich in der Heimat thematisieren. Art und Weise, wie Frauen dargestellt werden, Dass Frauen in manche traditionell männliche aber deutlich. Natürlich liegt der Fokus seiner Berufszweige einstiegen, erregte öffentliches Forschungsarbeit auf Frauen, das völlige Fehlen Aufsehen. Allen voran Bäuerinnen, aber auch eines kritischen Kommentars zu den sehr häufig weibliche Bahnangestellte, Klempnerinnen, als Partner auf den Karten abgebildeten Män- Schmiedinnen und Arbeiterinnen in Rüstungs- nern verwundert jedoch. Keine andere Bevölke- betrieben wurden auf Postkarten abgebildet, rungsgruppe wurde in so viele Facetten darge- wobei vor allem letztere einen hohen Grad an stellt wie die Frauen, so Jaworski – gerade daher Übereinstimmung zwischen den verschiedenen wäre auch ein Kommentar zur Facettenlosigkeit

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der abgebildeten Männer (meist als Soldaten) tung von Öffentlichkeit anhand krisenhafter als Partner und Pendant der weiblichen Darstel- Entwicklungen im Journalismus und dem zen- lungen interessant. tralen politischen Stellenwert von Öffentlichkeit Insgesamt liegt mit diesem Band ein interes- argumentiert, spannen die Autoren das Feld aus santer und ausführlicher Überblick über die un- besagter systemtheoretischer Warte auf. Schon terschiedlichen Frauendarstellungen auf Propa- zu Beginn offenbart sich dabei eine eindeutige gandapostkarten vor, die insbesondere auch die Stärke der Publikation: Die klare Benennung gewünschte Wirkung dieser Karten beleuchtet. der Absichten und Ziele, welche die Auseinan- Vor allem durch die vielen interessanten Abbil- dersetzung verfolgt, und ein Aufbau des Bandes, dungen wird dieses Werk zu einem einzigartigen der genau diese Argumentationslinie abbildet; Beitrag zur Geschlechtergeschichte. überblicksartige Kapiteleinleitungen, je ein prä- gnantes Fazit sowie Literaturangaben am Ende Diotima Bertel, Wien jedes Kapitels erleichtern Verständnis und Le- sefreundlichkeit noch zusätzlich. Hoffjann und Arlt beginnen ihre Analyse mit der Frage, inwie- OLAF HOFFJANN & HANS-JÜRGEN ARLT: fern Öffentlichkeit als Funktionssystem aufzu- Die nächste Öffentlichkeit. Theorie- fassen ist und welche spezifische Binnendifferen- entwurf und Szenarien. Wiesbaden: zierung diesem zugrunde liegt. Sie machen dabei Springer VS, 2015, 141 Seiten. die selbstreflexive Information der Gesellschaft als Funktion der Öffentlichkeit aus und identi- Wie lässt sich die Entwicklung der Öffentlichkeit fizieren die Leitdifferenz kollektive Information durch das Zusammenwirken von verschiedenen vs. keine kollektive Information als Primärcode Leistungssystemen beschreiben und erklären? derselben. Sie ebnen damit argumentativ den Welche Leistungen erfüllt sie in konvergenten Weg für die darauf folgende Auseinandersetzung Medienrealitäten noch? Welche Prognosen las- mit vier Leistungssystemen, die mit eben diesem sen sich angesichts aktueller Veränderungen im Code agieren: Journalismus, Unterhaltung, Öf- (Online-)Medienbereich treffen? Diesen Fragen fentlichkeitsarbeit und Werbung. nehmen sich Olaf Hoffjann und Hans-Jürgen Trotz dieser Gemeinsamkeit des Veröffentli- Arlt in ihrem Band an. Sie bewegen sich damit chens kollektiver Informationen, so wird argu- in einem bekannten wie aktuellen Feld, dessen mentiert, unterscheiden sie sich durch das tren- Relevanz für die Kommunikationswissenschaft nende Moment spezifischer Sekundärcodes: Im unbestritten ist, operiert diese doch seit jeher Journalismus die Aktualität, in der Unterhaltung ganz selbstverständlich mit dem Begriff Öffent- angenehmes Erleben, in der Öffentlichkeitsar- lichkeit, ohne ihn stets konsistent und trenn- beit das Überzeugen und in der Werbung das scharf erklären zu können. Die Autoren wählen Verführen. Auch wenn diese Feststellungen hin- dabei mit ihrem systemtheoretischen Zugang sichtlich der zunehmenden Konvergenz dieser einen klassischen, müssen damit verbunden Bereiche analytisch sehr aufschlussreich ist, so jedoch auch den Anspruch einlösen, mit ihrer entfernt sich die Argumentation dabei und bei Auseinandersetzung mehr als nur einen „Aus- der darauf folgenden Darstellung der Evolution flug“ in eine der Systemtheorien zu unterneh- des Journalismus und der Öffentlichkeitsarbeit men, was Böckelmann (1993, S. 23) schon früh natürlich zunächst ein Stückweit vom Fokus auf zu den Anwendungen in der Kommunikations- die Öffentlichkeit als solche. wissenschaft anmerkt. Und noch eine Problema- Ebenso klar strukturiert wie die Annäherung an tik sei vorausgeschickt, der sich das Vorhaben, die als relevant erachteten Funktionssysteme le- „die nächste Öffentlichkeit“ zu beschreiben, gen die Autoren die Analyse der Evolution des stellen muss: Die Gefahr, dass die „Realität die Journalismus an: Entlang der Grenzen zu des- Prognosen überholt“, wie Russ-Mohl (2014) das sen Publika, den anderen Leistungssystemen Problem sich schneller als der Forschungsprozess und den Funktionssystemen Politik und Wirt- verändernder Untersuchungsgegenstände be- schaft skizzieren sie zum einen, dass sich die nennt und das auf das Thema Öffentlichkeit im Tätigkeiten von Redaktionen zunehmend von Besonderen zutrifft. rein journalistischen entfremden, und zum an- deren eine grundlegende Relationalität zu an- Nach einer Einleitung, welche die Notwendig- deren gesellschaftlichen Feldern. Auch wenn keit der Auseinandersetzung mit bzw. Beach- wohl zur Debatte gestellt werden kann, ob eine

70 m&z 2/2016 stärkere analytische Trennung zwischen Medien Politiker zum Guten wenden. Und die Poli- und Journalismus, wie sie in einiger im Band tik, gefangen im Parteienwettstreit um Wäh- herangezogener Literatur angewandt wird, die lerstimmen, erklärt sich für zuständig, gibt Analyse noch zusätzlich zu schärfen vermögen Versprechungen ab und enttäuscht die Erwar- hätte können, wird dadurch ein funktionaler tungen solange, bis nur noch Enttäuschungen analytischer Rahmen geschaffen, der sowohl of- von ihr erwartet werden. In diese Negativspi- rale gerät auch die Politikvermittlung, die im fen für weitere Veränderungen und detailliertere Öffentlichkeitssystem geleistet wird.“ Anwendungen ist, als auch als Folie für empi- (S. 122f) rische Annäherungen dienen kann. In eine ähn- liche Argumentationsstruktur wird folgend auch Bei der folgenden Beschreibung des Zusammen- die Auseinandersetzung mit der Evolution der spiels zwischen Öffentlichkeit und Wirtschaft Öffentlichkeitsarbeit eingebettet: Bezüglich der wird vorrangig das akuter werdende ökono- Grenzen zu verschiedenen Publika machen die mische Dilemma der Medienproduktion mit Autoren steigende Transparenzerwartungen und all seinen Konsequenzen angesprochen, was -forderungen als zukünftig an Einfluss gewin- angesichts dessen unbestrittener Relevanz äu- nende Faktoren aus. Hinsichtlich der Grenzen ßerst fruchtbar und treffend gerät. In Details, zu anderen Funktionssystemen diagnostizieren wie etwa, wenn die Feststellung, dass Markt und sie eine zunehmende Vereinnahmung durch die Öffentlichkeit nicht gleichzusetzen seien, als Öffentlichkeitsarbeit und problematisieren dies „akademischer Luxus“ bezeichnet wird (S. 126), hinsichtlich eines möglichen Vertrauenswürdig- scheint es jedoch wünschenswert, eine strecken- keitsverlusts. Die Grenze zum Wirtschaftssystem weise Kritik an einem Alltagsverständnis von wird abschließend vor allem hinsichtlich des Ökonomie und Publizistik klarer vom Kern der Einflusses desselben auf die Öffentlichkeitsar- Argumentation abzugrenzen. Schließlich beim beit beleuchtet, der sich in einem zunehmenden status quo der Entwicklung der Öffentlichkeit Primat der Wirtschaftlichkeit ausdrückt. Beide kommt die Auseinandersetzung im vergleichs- Analysen – die der Evolution des Journalismus weise eher kurzen letzten Kapitel, dem „Extre- und der der Öffentlichkeitsarbeit – kulminieren mismus der Online-Öffentlichkeit“, an. Durch schließlich im letzten Kapitel das sich Entwick- eine Auswahl verschiedener Phänomene, die mit lung und status quo des Öffentlichen annimmt: der „Computerisierung“ (S. 129) einhergehen, Der Evolution der Öffentlichkeit. wie etwa eine fortschreitende Entgrenzung und Entdifferenzierung, Hemmungslosigkeit und Hier nehmen die Autoren zunächst, basierend Selbstinszenierung in Online-Diskursen oder auf den bereits vorgestellten Erkenntnissen aus der zunehmend aktiven Rolle des Publikums, il- den einzelnen Funktionssystemen, Bezug auf die lustrieren sie abschließend von der vorangegan- Lebensrealität des Publikums öffentlich zugäng- genen Analyse ableitend und recht alltagsnah, licher Medienangebote und argumentieren so wie eben diese „nächste Öffentlichkeit“ aussehen die Existenz einer elitären und einer populären wird oder kann. Öffentlichkeit, die sich wechselseitig abgrenzen. Weiters konstatieren sie, dass die Öffentlichkeit Ganz grundsätzlich schaffen es Hoffjann und angesichts eines „Boom[s] der Öffentlichkeitsar- Arlt in ihrem Band vor allem durch die Klarheit beit“ (S. 117) und bei gleichzeitiger Begrenzt- ihrer Argumentation und den ebensolchen Auf- heit der Ressource Aufmerksamkeit zunehmend bau, welche die Komplexität der Analyse nicht von dieser durchdrungen wird. Düster und sehr schmälern, sondern sie prägnant und nachvoll- plastisch kommt anschließend auch der Befund ziehbar darlegen, ihre durchaus breit angelegte daher, dass sich Öffentlichkeit und politisches Zielgruppe der Dozierenden und Studierenden System in jüngerer Vergangenheit gegenseitig der Medien- und Kommunikationswissenschaft vorrangig negativ beeinflussen: sowie der PraktikerInnen aus der Kommuni- kationsberatung, dem Journalismus und der „Medienkommentare, Presseerklärungen und Öffentlichkeitsarbeit gleichermaßen passend Stammtischreden überbieten sich darin, der zu adressieren. Dabei lässt die Monographie Politik die Probleme in die Schuhe zu schie- erahnen, wie schwer es mitunter sein kann, ei- ben, die auf den anderen Funktionsfeldern der nerseits geeignete Phänomene zu finden, deren Gesellschaft produziert wurden. Die Experten Beschreibung Aufschluss über das eben nur haben Probleme produziert, jetzt sollen es die schwer zu fassende Konzept Öffentlichkeit gibt,

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und sich andererseits eben nicht auf deren Ana- verstanden wird (S. 13). Damit sind auch Kom- lyse zu beschränken und dabei das große Gan- munikationsformen wie Wissenschaftsjournalis- ze aus den Augen zu verlieren. Auch wenn das mus, Wissenschafts-PR, wissenschaftsbezogene Hauptaugenmerk streckenweise stärker auf für Massenkommunikation und unterschiedlichste die Öffentlichkeit relevanten Systemen als auf mediale Vermittlungsformen inkludiert. Nach- ihr selbst liegt, so muss der dezidierte Rückbe- dem die Herausgeber und Herausgeberinnen zug zur Ausgangsfrage als Stärke der Publikation in der Einleitung unter anderem die historische genannt werden. Entwicklung des Feldes (vom „Elfenbeinturm“- Dass der Fokus des Bandes mit seiner Argumen- Modell über die „Popularisierung“ bis hin zur tation über institutionalisierte Funktionssysteme „Vergesellschaftung“ der Wissenschaftskommu- Öffentlichkeit stark in Relation zu kommer- nikation) nachzeichnen und die heute relevante ziellen Formen der (Auftrags-)Kommunikati- Diversifizierungs- und Digitalisierungstendenz on setzt und dabei andere Perspektiven in den sowie Probleme bei der massenmedialen Ver- Hintergrund rücken, kann angesichts der Breite mittlung von Wissenschaftsthemen (Bsp.: „PR- des Feldes kaum als Mangel gesehen werden. Logik“) beschreiben, sind die eigentlichen Bei- Vielmehr lässt es den Wunsch nach ähnlich klar träge in die Themenblöcke „Kommunikation strukturierten, analytischen und einen Über- in der Wissenschaft“, „Kommunikation aus der blick ermöglichenden Auseinandersetzungen Wissenschaft“, „Kommunikation über Wissen- mit Öffentlichkeit für weitere Sparten der Kom- schaft“ und „Rezeption und Effekte von Wissen- munikationswissenschaft wach werden. schaftskommunikation“ gegliedert.

Im ersten Block „Kommunikation in der Wissen- Bibliographie: schaft“ beschäftigt sich Corinna Lüthje in ihrem Beitrag mit dem Medienwandel als Faktor sich Böckelmann, F. (1993). Journalismus als Beruf. verändernder Wissenschaftskommunikation. Bilanz der Kommunikatorforschung im Technologischer Medienwandel, soziokulturel- deutschsprachigen Raum von 1945 bis 1990. ler Wandel und Wandel des Wissenschaftsfeldes (= Schriften der Deutschen Gesellschaft für gehören hier dazu und werden mit den Theo- COMNET, Bd. 10). Konstanz. riegrundlagen der Mediatisierung (v.a. nach Russ-Mohl, S. (29.12.2014). Der alltägliche Krotz) und Wissenschaft als soziales Feld (v.a. Irrsinn der Medienforschung. Abgerufen von nach Bourdieu) verknüpft. Hans-Jürgen Bucher http://derstandard.at/2000009835480/Der- und Philipp Niemann stellen den Vortrag ins alltaegliche-Irrsinn-der-Medienforschung, Zentrum ihrer Diskussion von „Medialisierung Zugriff am 17.04.2016. der Wissenschaftskommunikation“. Die Kritik der Literatur an u.U. trivialisierenden Vortrags- Andreas Riedl, Wien formen, gestützt durch Softwareprodukte wie Power Point, die eine bestimmte Medienlogik vorgeben, wird wiedergegeben, aber auch die MIKE S. SCHÄFER, SILJE KRISTIANSEN „Performanz“ als Gesamtsinngebung für wissen- & HEINZ BONFADELLI (Hg.): Wissen- schaftliche Inhalte und die Multimodalität von schaftskommunikation im Wandel. Vorträgen wird theoretisch erörtert und mittels Köln: Herbert von Halem Verlag, einer empirischen Rezeptionsstudie detailliert. 2015, 374 Seiten. Adrian Rauchfleisch analysiert die Bedeutung von Social Media wie Twitter für die Wissen- Im Sammelband „Wissenschaftskommunikati- schaftskommunikation und präsentiert eine Stu- on im Wandel“ zeichnen die Herausgeber und die des Kommunikationsverhaltens deutscher Herausgeberinnen ein umfassendes Bild der Wissenschafter und Wissenschafterinnen auf Entwicklungslinien des Forschungsfeldes Wis- dieser Plattform. Die Fragen, wie Forscher Twit- senschaftskommunikation, die als „alle Formen ter als Tool nutzen und welche Netzwerkstruk- von auf wissenschaftliches Wissen oder wissen- turen auf Twitter aufzufinden sind, werden so schaftliche Arbeit fokussierter Kommunikation, beantwortet, dass die Nutzung innerhalb dieser sowohl innerhalb als auch außerhalb der insti- Gruppe für Konferenzen und Reputation wich- tutionalisierten Wissenschaft, inklusive ihrer tig scheint und die Strukturen dem Matthäus- Produktion, Inhalte, Nutzung und Wirkungen“ Effekt entsprechen (bekannte Wissenschafter

72 m&z 2/2016 und Wissenschafterinnen werden häufiger zitiert Der Text von Anna-Maria Volpers und Annika und somit noch bekannter). Summ über das „verspätete Ressort“ des Wissen- schaftsjournalismus spürt v.a. den Charakteristi- Im zweiten Block „Kommunikation aus der Wis- ka und dem Wandel der Berichterstattung sowie senschaft“ gehen zunächst Andres Friedrichs- Unterschieden zwischen den Fachkulturen nach. meier, Esther Laukötter und Frank Marcinkow- Sie unterscheiden dabei zwischen einer „engen“ ski der Hochschul-PR und deren Effekten nach. Definition von Wissenschaftsjournalismus, der Die „Corporate Reputation“ ist dabei meist das aktuelle Forschungsergebnisse referiert, und ei- übergeordnete Ziel, das, so der empirische Teil ner „weiten“ Definition von Wissenschaftsjour- des Beitrags, durch die Hochschul-PR selbst nalismus, der gesellschaftlich relevante Themen nur marginal beeinflusst wird. Vielmehr sind mit Bezug zu Forschung und Expertinnen und Größe der Einrichtung, Anzahl der Professoren Experten inkludiert. In letzterem spielen auch und Professorinnen und deren Einfluss auf die die Geistes- und Sozialwissenschaften eine grö- öffentliche Wahrnehmung wichtige Kenngrö- ßere Rolle und diese Form findet auch oft au- ßen der öffentlichen Sichtbarkeit einer Hoch- ßerhalb des Wissenschaftsressorts statt, wie die schuleinrichtung. Andreas M. Scheu analysiert Autorinnen und Autoren mittels zweier Inhalts- die Medialisierung von Forschungspolitik und analysen belegen können. Ines Lörcher und Mo- bietet eine Typologisierung von Medialisierung nika Taddicken untersuchen Themen und Be- im Bereich forschungspolitischer Akteure an so- wertungen in Online-Öffentlichkeitsarenen am wie eine Einschätzung deren Anpassung an die Beispiel des Diskurses über den Klimawandel. Medienlogik. Senja Post schreibt über die Dis- Sie analysieren die massenmediale, Experten-, krepanz zwischen Medienberichterstattung und Diskussions- und massenmedial induzierte Are- Aussagen von Wissenschaftlern beim Thema na. Nur in der massenmedialen Arena würden Klimawandel und fokussiert auf das Kommuni- demnach (wiederum gestützt durch eine Inhalts- kationsverhalten deutscher Klimaforscher und analyse) ganzheitliche und politische Diskurse Klimaforscherinnen in der öffentlichen Debat- über den Klimawandel geführt; in den beiden te, v.a. hinsichtlich vorhandener Ungewissheiten Diskussionsarenen werden oft „off-topic“ Dis- bei Forschungsergebnissen im Feld. Ein Resultat kurse ohne Klimawandelbezug geführt („krea- wäre hier z.B., dass Klimaforscher und Klima- tive Laienkommunikation“). Klimawandelskep- forscherinnen weniger mit Massenmedien inter- tische Aussagen finden sich in Experten- und agieren und Ergebnisse berichten, wenn diese in massenmedialen Arenen wenig. den Augen der Gesellschaft als „ungewiss“ qua- lifiziert würden. Dies könnte eine sachlich ge- Im letzten Themenblock des Bandes „Rezeption rechtfertigte Urteilsbildung in der Gesellschaft und Effekte von Wissenschaftskommunikation“ behindern. widmen sich Jens Wolling und Dorothee Arlt zunächst dem Einfluss der Medienberichterstat- Im dritten Block „Kommunikation über Wis- tung auf die Vorstellungen und Einstellungen senschaft“ beschäftigen sich im ersten Beitrag der deutschen Bevölkerung zur Energiewende. Lars Günther, Claudia Bader, Sabrina Heike Die selektive Hervorhebung bestimmter Infor- Kessler und Georg Ruhrmann mit der journa- mationen könnte diese Vorstellungen beeinflus- listischen Wahrnehmung von wissenschaftlicher sen („framing“) bzw. könnten die Vorstellungen Evidenz. Diese Wahrnehmung, so die Grund- der Rezipienten deren Einstellungen zu politi- these der Autorinnen und Autoren, schlägt auf schen Maßnahmen beeinflussen. In einer Ver- die Art der Berichterstattung durch; so könnten knüpfung von Daten einer Inhaltsanalyse und die Journalistinnen und Journalisten Sicherheit einer Befragung können die Autoren zeigen, dass suggerieren, um z.B. Komplexität zu verringern, es keine signifikanten Effekte der in den Medien Unsicherheit überrepräsentieren, um etwa bei hervorgehobenen Elemente der Energiewende Kontroversen den Nachrichtenfaktor zu erhö- auf die kognitive Präsenz dieser Elemente bei hen, oder die Berichterstattung ausbalanciert den Rezipienten gibt; die stärkste Wirkung hät- halten. Diese Typen der medialen Repräsenta- te noch die Betonung ökonomischer Effekte der tion von Forschungsergebnissen hinsichtlich Si- Wende. Medienwirkungen (etwa Einstellungs- cherheit und Risiko können in einer empirischen veränderungen in der Bevölkerung) seien dem- Studie bestätigt und auch demografischen und nach von aktivem Nutzerverhalten (interperso- institutionellen Merkmalen zugeordnet werden. nale Kommunikation über Energiewende, aktive

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Zuwendung zum Thema) und bestimmten Ver- nur wenig analysiert. Gerade im Bereich der arbeitungsprozessen abhängig und können nicht Mediatisierungstheorie, die vielen Artikeln im einfach durch die schiere Informations- oder Band Grundlage für weitergehende Analysen ist, „framing“-Leistungen der Medien postuliert spielt Ethik (meist als Medienethik, oder Ethik werden. Julia Metag fokussiert in ihrem Bei- der mediatisierten Welt) eine wichtige Rolle (s. trag auf interpersonale Kommunikation in der z.B. Rath 2014; Karmasin/Rath/Thomaß, Hg. Wissenschaftskommunikation und beschreibt 2013). Hier hätte man mit ein oder zwei Beiträ- das wachsende Interesse der Kommunikations- gen mehr Theorievielfalt herstellen können, was wissenschaft der letzten Zeit an dieser Kom- den Gesamtwert des Sammelbandes aber kaum munikationsform, sowohl in der Wirkungs-, schmälert. als auch in der Nutzungsforschung. Dabei sind Gesprächsnetzwerke und lokale, bzw. nationale Bibliographie: energiepolitische Themen Variablen zweier te- lefonischer Befragungen. Wissenschaftliches Karmasin, M., Rath, M. & Thomaß, B. (Hg.) Wissen wird bei diesem Thema immer wich- (2013). Normativität in der Kommunikati- tiger, aber auch immer komplexer, und Personen onswissenschaft. Wiesbaden. verwenden vermehrt persönliche Gespräche zur Rath, M. (2014). Ethik der mediatierten Welt. Orientierung, bzw. Gesprächspartnerinnen und Grundlagen und Perpektiven. Wiesbaden. Gesprächspartner als Meinungsführer zur Kom- plexitätsreduktion. Sarah Westphal, Friederike Michael Litschka, St. Pölten Hendriks und Maja Malik stellen sich die Frage, ob und wie Rezipientinnen und Rezipienten Ge- sundheitsinformationen mit dargestellten Unsi- BJÖRN VON RIMSCHA & GABRIELE SIEGERT: cherheiten als vertrauenswürdig einschätzen und Medienökonomie. Eine problemori- ihnen (als Entscheidungsbasis) vertrauen. Mit- entierte Einführung. Studienbücher tels eines Online-Experiments zeigt sich, dass zur Kommunikations- und Medien- Probandinnen und Probanden die Information wissenschaft. Wiesbaden: Springer über Unsicherheit als positiven Indikator für die VS, 2015, 238 Seiten. Vertrauenswürdigkeit der Informationen wahr- nehmen, jedoch die Nutzung dieser Unsicher- Die AutorInnen, beide langjährige Mitglieder heiten für eine Entscheidung schwieriger wird und Vorsitzende der Fachgruppe Medienökono- und man sich eher auf Voreinstellungen zum mie in der Deutschen Gesellschaft für Publizis- Thema Gesundheit verlässt. tik- und Kommunikationswissenschaft, haben 2015 für den Schwerpunkt kommunikations- Der Sammelband „Wissenschaftskommunikati- und medienwissenschaftlichen Studiengängen on im Wandel“ zeichnet sich durch ein durchge- ein Lehrbuch zur Medienökonomie vorgelegt. hend hohes Niveau der Analyse und Abstraktion Die Emanzipation der einzelnen Fachgebiete der aus und gibt einen sehr umfassenden Überblick Publizistik- und Kommunikationswissenschaft über wissenschaftliche Studien und Ansätze zu von ihren entsendenden Mutterdisziplinen wer- diesem Thema. Die durchaus logische Gliede- den vorangetrieben und als zunehmend selbst- rung in die vier Themenblöcke erleichtert das ständig wahrgenommen. Auffinden von Informationen und spezifischen Aus unterschiedlichen Generationen stammend Artikeln. Auch die referierten empirischen stehen die AutorInnen für einen Übergang von Studien sind, soweit dies durch das Lesen der disziplinären Quereinsteigern hin zu jungen Beiträge transparent werden kann, von durch- Originären des Fachs. Damit repräsentieren sie gehend hohem Anspruch und methodischer einen (vorbestimmten) Trend der in den ersten Vielfalt (und Finesse) gekennzeichnet. Wenn zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts im deutsch- aus übergeordnet theoretischer Sicht ein Man- sprachigen Raum institutionalisierten Disziplin gel zu finden ist, dann die weitestgehend eher Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. kurz gehaltenen normativen Analysen innerhalb In diesem Zusammenhang kann, wenn nicht der Beiträge. Während der „state of the art“ des sogar muss, dieses Lehrbuch gesehen und ein- jeweiligen Forschungsgegenstandes immer recht gesetzt werden. Die an Alltagsrelevanz beständig materialienreich behandelt wird, werden ethi- zunehmenden Kenntnisse des Medienbetriebs sche Aspekte der Wissenschaftskommunikation verschaffen mit derart aufgestellten Lehrbüchern

74 m&z 2/2016 einen kundigen Eingang in die Erkenntnisse, den Kapiteln 9 (Fernsehproduktion), 10 (Krea- Strukturen und Probleme der organisierten Her- tives Personal in der Medienwirtschaft), 11 (TV- stellung von Öffentlichkeit. Programmplanung) und Kapitel 12 (Öffentlich- rechtlicher Rundfunk) wird eine sich auf die Der Inhalt der vorliegenden Lektüre (die der Re- elektronischen Massenmedien konzentrierende zensent selber in Lehrveranstaltungen einsetzt) Zuspitzung der Fragekomplexe angeboten, die ist in 13 Hauptkapitel unterteilt und passt sich, Spezialgebiete des medienökonomischen Spek- dem Entstehungsprozess folgend (vgl. Vorwort trums herausstellt. der Autoren), ideal an einen durchschnittlichen Das abschließende Kapitel 13 widmet sich dem Lehrveranstaltungsverlauf von zwei Semesterwo- populären Aspekt der sogenannten „Qualitäts- chenstunden an. medien“ und deren Fortbestand unter sich verän- Im ersten Kapitel beginnen die AutorInnen dernden Rahmenbedingungen. Die AutorInnen mit dem Struktur-Verhalten-Ergebnis-Ansatz berücksichtigen hier zwar die herrschende Mei- die Eigenschaft der Medienökonomie als soge- nung des Fachs zur Verortung und Bestimmung nannte Bindestrichökonomie zu verdeutlichen, von Qualität, verharren dabei jedoch in der die ihren ökonomischen Ursprung in der Volks- Filterblase der eigenen Disziplin. Die Verwen- wirtschaftwissenschaft hat und über diesen Weg dung des Qualitätsbegriffes in der Publizistik- in die Publizistik- und Kommunikationswis- und Kommunikationswissenschaft ist in ihrer senschaft gelangt ist. Dieser, auch in der eng- Argumentation möglicherweise doch, wie die verwandten Subdisziplin Medienpolitik anzu- AutorInnen selber einordnend auszuschließen treffende Zugang legt ein für das Fach gültiges suchen („… auf persönlichen Geschmack oder Selbstverständnis vor: Die Medienökonomie elitären Standpunkt …“; S. 205), eben darauf hebt sich von der allgemeinen Medienbetriebs- beschränkt, zumal die Perspektiven des Zugangs wirtschaftslehre dadurch ab, dass sie die Vielzahl zu Qualitätsdimensionen der am Medienbetrieb der einwirkenden Faktoren aus Verfassungs- Beteiligten (Mediennutzer, Medienschaffende, recht, Medienpolitik und -regulierung, Medien- Medienmanagement, Werbung, Medienpolitik, inhalte-, -auswahl und -wirkungsforschung mit Medienwissenschaften) mehrschichtig hetero- medienwirtschaftlichen Zusammenhängen aus gen ist. Diese Perspektive bleibt im Gegensatz vielfältigen Geschäfts- und Erlösmodellen der zur Überwindung der Fortbestands-Bedrohung Gattungen und Mutationen zu vereinen imstan- spezifisch ausgerichteter journalistischer Ange- de ist. bote via Medienmarken-Strategien ausgespart.

Im zweiten Kapitel werden die Besonderheiten Das Potential, das Buch als stringent-deduktiv von Medien als ökonomische Güter im Ver- operierender Leitfaden/Fragenkatalog zeitunkri- hältnis zur allgemeinen Güterlehre konsequent tisch zu konzipieren und das Nebeneinander an das erste Kapitel anschließend aufbereitet. von Onlinemassenmedien von denen der On- Nach der Auflösung der Problematik „Weshalb linekommunikation und des Onlinehandels benötigt es eine Medienökonomie“ der ersten beispielsweise horizontal zu unterscheiden und beiden Kapitel folgt – nach einem Einschub in der Folge für die Gattungen der Massenme- zu den Onlinemedien (Kapitel 3) – die zweite dien vertikal nach Multimedia-Faktoren auf Ebene der Problemorientierung: Ökonomisie- der einen Seite und Zielfunktionen für Adres- rung, Medienkonzentration und Medienfinan- saten auf der anderen Seite zu differenzieren, zierung thematisieren die Balance zwischen den wird in den Kapiteln – und insbesondere in Massenmedien zugeschriebenen Anforderungen Kapitel 3 „Onlinemedien“ – nicht angemessen Vielfalt und Ertrag, als Kultur- und/oder Wirt- ausgeschöpft. Eine Problemorientierung der schaftsgut. Die Überleitung zu den für mas- Medienökonomie sollte sich den wandelnden senmediale Angebote bedeutsamen indirekten Geschäfts- und Erlösmodellen im Kontext der Erlösen durch die Vermarktung als Werberaum wirksamen Rahmenbedingungen nicht über führt die Problemorientierung im Bereich der Untrennbarkeitsargumentationen nolens volens steuernden Einflüsse des Medienbetriebs und verschließen. Die Anpassung an eine vorzufin- seinen zugrundeliegenden Prozessen in den Ka- dende Medienlandschaft, das Problematisieren piteln 7 („Wie hängen Publikums- und Wer- der Parallelitäten von analogen, analog/digitalen bemarkt zusammen?“) und 8 („Was macht ein und rein digitalen Angebotsstrukturen mitsamt Medium zu einem guten Werbeträger?“) fort. In unterschiedlich wirkenden Optionen und Li-

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mitationen medienökonomischer Gesamt- und von Massenmedien und ihren einzelnen Spezialbereiche bleiben auf diese Weise zu rand- Kerngattungen voraus. Die Komplexität der ständig, wenngleich sich die medienpraktischen Zusammenhänge in einer durch vielfältige po- Herausforderungen genau in diesem Spektrum litische Rahmenbedingungen, technologischer bewegen. Was dem Einführungswerk mit seinem Konvergenz in den Vertriebsmärkten und Anspruch der Problemorientierung ergo fehlt, ist Marktbearbeitungsprozessen gekennzeichneten der rote Faden zur Parallelität von klassischen, Medienlandschaft mit einem Fragenkatalog zu kombinierten analog/digitalen Strukturen bis begegnen, der nicht um Antworten, Einschät- hin zu genuin auf dem hybriden Kommunika- zungen und Erläuterungen verlegen ist, lässt das tionskanal Internet basierenden Ausprägungen Werk seinen eigentlichen Zweck der unterstüt- medienwirtschaftlicher und journalistischer zenden Orientierung, Reflektion und Diskussi- Unternehmungen. Die nicht durchgehend deut- onsgrundlage fruchtbar entfalten. In der Summe liche Trennung unterschiedlicher Arenen in- täuscht jedoch die Verwendung des Buchtitel- nerhalb der Fragekomplexe kann insbesondere segments „Einführung“ über den Inhalt hinweg: für das implizite Zielpublikum Bachelor- und Die AutorInnen legen vielmehr eine Einführung Masterstudierende zu missverständlichen Rück- in die Vertiefung medienökonomischer Sachver- schlüssen führen. halte vor.

Das Lehrbuch setzt deutlich erkennbar Vor- kenntnisse zu ökonomischen Besonderheiten Jan Krone, St. Pölten

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Empfehlung

H H Herbert von Halem Verlag

wolfgang duchkowitsch / fritz hausjell / horst pöttker / bernd semrad (Hrsg.) Journalistische Persönlichkeit. Fall und Aufstieg eines Phänomens

Öfentlichkeit und Geschichte, 3 2009, 488 S., 2 Tab., Broschur, 213 x 142 mm, dt. eur(d) 29,50 / eur(a) 30,20 / sFr. 49,60 isbn 978-3-938258-82-8

Anlässlich der Emeritierung von Wolfgang R. Langenbucher (Wien) wurde im Oktober 2006 den Wechselbeziehungen zwischen Journalismus, Person und Werk nachgespürt. Davon ausgehend kommen in diesem Sammelband Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und journalistischer Praxis zu Wort, um den Stellenwert von Persönlichkeit im Journalismus, den Werkcharakter von journalistischen Leistungen sowie deren Kanonisierung zu erörtern. ›Journalismus‹ wird in diesem Band als spezifische Kulturleistung verstanden. Entgegen der herr- schenden Lehre erlangen dann (wieder) Personen und ihre Biografie wissenschaftliches Interesse. Dabei gilt es auch journalistische Werke als solche (wieder) zu entdecken, die alles andere als tagesge- bunden sind und die deshalb nicht einfach der Literatur (und ihrer Wissenschaft) zugeordnet werden sollten. So mag das Postulat von Max Weber aus dem Jahre 1919 eingelöst werden, dass »eine wirklich gute journalistische Leistung mindestens so viel ›Geist‹ beansprucht wie beispielsweise irgendeine Ge- lehrtenleistung«, damit unterschieden werden kann von den täglichen Mediendienstleistungen – Journalismus stellt einen stabilen Eigenwert moderner Gesellschaften dar.

Außerdem in der Reihe Öffentlichkeit und Geschichte erschienen:

horst pöttker dorothee krings Abgewehrte Vergangenheit. Theodor Fontane als Journalist. Beiträge zur deutschen Selbstverständnis und Werk Erinnerung an den Öfentlichkeit und Geschichte, 2 Nationalsozialismus 2008, 400 S., Broschur, Öfentlichkeit und Geschichte, 1 213 x 142 mm, dt. 2005, , 270 S., 4 Abb., Broschur, eur(d) 29,50 / eur(a) 30,20 / 213 x 142, dt. sFr. 49,60 eur(d) 28,00 / eur(a) 28,70 / isbn 978-3-938258-52-1 sFr. 47,10 isbn 978-3-931606-94-7

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