Die Überwindung Des Bestehenden 4
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
DIE ÜBERWINDUNG DES BESTEHENDEN 4 Aus dem bisher Gesagten lässt sich die ‚objektive‘ * Notwendigkeit der Abschaffung des bestehenden patriarchalen und kapitalistischen Systems deutlich Es ist das Ausmaß ihrer ablesen. Es ist das Ausmaß ihrer Destruktivität, das die Destruktivität *, das die Überwindung der herrschenden Überwindung der herrschenden Gesellschaft ‚objektiv' notwendig Gesellschaft ‚objektiv' notwendig ( ) macht. „Es ist an der Zeit, einen macht. Allein die subjektive * radikalen Bruch in Europa zu Notwendigkeit scheint zu fehlen. wagen!“ 1 Dieser Bruch muss hier stattfinden. Er darf sich nicht in Appellen, Demos und der Solidarisierung mit Kämpfen in aller Welt erschöpfen. Je länger es dauert, bis er stattfindet, desto stärker werden die Zerstörungen des Kapitalismus die Entfaltungsmöglichkeiten einschränken. Oder, in anderen Worten: „In einer Welt, in der sich der soziale und ökologische Krieg jeden Moment weiter zuspitzt, ist es an der Zeit, zu einem Punkt zu kommen, an dem wir die Möglichkeit zur Veränderung der Welt nicht länger als eine Frage formulieren, diese Veränderung auch in die eigenen Hände zu nehmen. Die Notwendigkeit einer radikalen gesellschaftlichen Veränderung ist angesichts der globalen Lage keine theoretische Möglichkeit, sondern ein Fakt.“ 2 Wir können nicht die Revolution machen, aber wir können dazu beitragen, diese vorzubereiten. 3 Dieser revolutionäre Bruch strebt danach, jede Form von Herrschaft zu überwinden. Denn: „Wir haben nicht zweierlei Gewicht und zweierlei Maß für die Tugenden der Beherrschten und die der Herrschenden; wir wissen, dass wir selbst nicht ohne Fehler sind und dass die besten unter uns durch Machtausübung schnell korrumpiert wären. Wir nehmen die Menschen als das was sie sind und darum hassen wir die Herrschaft von Menschen über Menschen und arbeiten Anm. I, a vielleicht nicht genug, mit Anti-Atom-Spontandemo stört den all unseren Kräften daran, Anm. I: Wieder vorweihnachtlichen Kaufrausch, Konsummeile eine Überdehnug des ihr ein Ende zu bereiten.“ 4 in der Innenstadt, Bremen 15.12.2010 Arbeits-Begriffes. Dieser radikale Bruch mit den herrschenden Verhältnissen lässt also keine Konstruktion von Nebenwidersprüchen zu. Er lässt sich auch nicht Anm. II: Dieses delegieren. Wir Anm. II müssen ihn selbst mit unserem Handeln gebrochene, geschädigte vorantreiben 5 a und unser Handeln in diesem Prozess immer Wir im Sinne Holloways. wieder hinterfragen. Dieser Bruch verändert uns als Mensch. Die Erfahrung des Bruchs macht, dass wir 1 Kamil MAJCHRZAK: Das Elend des Westens ... und die Angst vor der Universalität (2011) 2 S. 13 in: AG NACH(T)BETRACHTUNGEN: Knalleffekte, Nebelkerzen und … (2012) 3 vergl. S. 39 in: Johann MOST: Die Eigentumsbestie (Orig. 1887; o.J.) 4 S. 34 in: Peter KROPOTKIN: Der Anarchismus - Philosophie und Ideale (Orig. 1896; o.J.) 5 a Anti-Atom-Spontandemo durch die vorweihnachtliche Konsummeile in der City, Bremen 15.12.2010 1 unsere Vorstellungen von der Überwindung der Verhältnisse ebenso radikalisieren, wie er in jede*r Einzelnen *ihr menschliches, ihr soziales Potential entfaltet. Das liegt vor allem daran, dass eine* sich nicht mehr als in Konkurrenz zu allen anderen stehend erfährt. Trotzdem trägt jede* noch die Schäden, die die Sozialisation im Kapitalismus allen – mehr oder weniger ausgeprägt – zufügt in sich. Ja, wir sind alle auch schwach, hilfsbedürftig und sind vielfach in die herrschenden Verhältnisse als Täter*innen und Opfer eingebunden. Damit, Therapie einfach als „endlose[n] Zirkel der Selbst-Analyse [und] schlichtweg nutzlos für die Schaffung eines revolutionären Projekts“ 6 zu verdammen, macht Eine* es sich viel zu einfach. Je näher wir miteinander zu tun haben, desto deutlicher tritt das zu Tage. Immer wieder sind Projektzusammenhänge mit den Folgen unserer aller Schädigungen, mit den Folgen des Zurückweisens solcher Selbst-Analyse durch Einzelne konfrontiert. Aber Tag für Tag wird Jede* durch diese Verhältnisse angegriffen. Es ist notwendig, allgemeine, lebendige Praxis werden zu lassen, womit die feministische Bewegung Ende der 1960er begann; sich gegenseitig zu stärken. Das Stärken von Bewusstsein ist ein lebenswichtiger Prozess, der unter denen, die sich für soziale Veränderung einbringen, weitergehen muss, bis zur und durch die revolutionäre Befreiung. 7 Bewusstsein kann eine Leerformel sein. Cathy Levine sprach klar aus, dass es sich im Sinne einer revolutionären Strategie darum handeln muss, die eigenen Unzufriedenheiten in feministisches Klassen-Bewusstsein zu übersetzen und allen zugänglich zu machen. 8 Denn: Für Anarchist*innen, für alle Menschen, die die herrschenden Verhältnisse überwinden wollen, ist es notwendig, die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu entwickeln. Und genau das stärkt, dazu befähigt der radikale Bruch, die Aktivität in selbstorganisierten, anarchistischen Zusammenhängen. Umso mehr dieser Bruch sich ausweitet, umso mehr Menschen ihn vollziehen, desto mehr gelingt es in Gegenseitiger Hilfe, Fähigkeiten und Stärken zu entfalten. Indem Anarchist*innen diesen radikalen Bruch also immer weiter vertiefen, entwickeln sie auch Möglichkeiten sich selbst weiterzuentwickeln. „Die lähmende, gängige Vorstellung dass jeder, selbst die Radikalsten, eine Rolle im Status Quo spielt, versteckt die subversive Möglichkeit aller – auch der Radikalen – diese Rolle zurück zu weisen.“ 9 Ja, jede* hat die subversive Möglichkeit diese Rollen zurückzuweisen, und es kann tagtäglich praktiziert werden. Wenn wir z.B. ‚für Alle‘ Anm. III gegen Spendenmöglichkeit kochen, eröffnen wir auf vielfältigen Ebenen Räume dafür. Anm. III: Das ‚für Alle‘ bleibt ein letztlich Trotzdem, selbst die Dinge im Umsonstladen, nicht von einem Einzelprojekt erfüllbarer das for free für unsere (leider nicht mehr Anspruch, das Ambiente des Raums, der Zeitpunkt, an dem die KüFA das Essen existierende) KüfA (Küche für Alle) organisierte anbietet und vieles mehr schließen Bio-Gemüse, das sonst weggeworfen werden bestimmte Menschen faktisch aus. würde, ist Produkt dieser kapitalistischen, rassistischen, patriarchalen und neo-kolonialen Verhältnisse. Es sind genau diese Verhältnisse, die den Überfluss in die Metropolen bringen. Das funktioniert mittels patriarchaler Abspaltungen, des Waren- und Reichtumstransfers aus dem Globalen Süden, der Ausbeutung der Arbeiter*innen und der Plünderung und Zerstörung der äußeren Natur. Die KüfA, der Umsonstladen und alle Nutzer*innen profitieren davon. Es ist selbst in diesen subversiven Prozessen „nicht möglich sauber zu bleiben“ 10, sich also nicht an den Zerstörungen durch die herrschende Ordnung zu beteiligen. Es gilt also dazu beizutragen, 6 S. 19 in: Wolfi LANDSTREICHER: Gegen die Logik der Unterwerfung (o.J.) 7 Eigene Übersetzung von: „Consciousness-rising is a vital process which must go on, among those engaged in social change, to and through the revolutionary liberation.“ S. 78 in: Cathy LEVINE: The Tyranny of Tyranny (Orig. 1974; 2012) 8 vergl. S. 78 in ebenda 9 S. 2 in: CHRIMETHINC: Dropping out (Orig. o.J., 2014) 10 S. 8 in ebenda 2 dass diese Zerstörungen aufhören. Mit diesem Bruch stellen wir uns selbst an die Ränder der herrschenden gesellschaftlichen Ordnung. Auf dem Weg diesen Bruch zu Leben, werden wir feststellen, dass dieser Bruch viele weitere Brüche nach sich zieht. Das dieser Bruch ein Prozess ist, auf den eine* sich einlassen kann. „Statt im angeblichen Zentrum anzufangen, beginnen Revolutionär_innen an den sogenannten Rändern, offen jede Teilnahme verweigernd und einen komplett anderen Lebensweg popularisierend.“ 11 Es ist anzuzweifeln, ob es möglich ist, jede Teilnahme zu verweigern, wie Crimethinc! das fordert. Aber es ist eine interessante, befreiende und im positiven Sinne kämpferische Perspektive. Dieser Bruch braucht Theorie und Selbstkritik. Wenn wir uns nicht intensiv mit Patriarchat, Rassismus, Kapitalismus und anderen Herrschaftsverhältnissen, mit unseren Vorstellungen und Das gute Leben: Cartoon a auf: Zielen auseinandersetzen, reproduzieren wir die alten www.hochpolitisch.de Verhältnisse. Der Individual-Anarchismus Mackays z.B. weitet Konkurrenz sogar noch aus, will kleinbürgerlichen Kapitalismus ohne Staat, will die Konkurrenz gleichstarker Tauschpartner*innen. 12 Dieser Bruch ist notwendige Voraussetzung von Befreiung und Glück. Wie könnten wir frei sein, solange andere geknechtet und eingekerkert sind. In der „naive[n] Suche nach Glück im alltäglichen Leben, so wie es ist, […] Nimm dir Zeit für das gute eben darin üben sich tausende von leitenden Angestellten Leben, sonst wirst du und deren Frauen“ 13 – aber das Glück ist nicht im Konsum irgendwann unerträglich! zu finden. 14 a Aber dieser Bruch stellt auch ein Problem dar. Wie erreichen wir vom Rand der Gesellschaft aus die Menschen? Die kapitalistische Ordnung hat Filter aus Sprache, Logik und Tabus, die grundsätzliche Kritik und grundsätzliche Alternativen nicht passieren lassen, nicht zu Bewusstsein durchdringen lassen und somit das gesellschaftliche Bewusstsein durch das gesellschaftliche Sein weitgehend dominieren 15. Wie kann es gelingen, diese Filter zu durchbrechen? Selbst wenn, wie z.B. in Griechenland in den letzten Jahren, die kapitalistische Gesellschaft die einzelnen Menschen massenweise an ihren Rändern ausspeit, sind damit nicht notwendig die Filter zerbrochen, die die Leute verinnerlicht haben. Den Theoretiker*innen der Kommunisierung gelten wir vermutlich als Aktivist*innen und der „Aktivismus als höchstes Stadium der Entfremdung“ 16. Die faktische Nicht- Zugehörigkeit der Aktivist*innen zum Proletariat, zu den an