THEMA NACHWUCHSFÖRDERUNG

Analyse Karrieremodelle an Universitäten im internationalen Vergleich

Universitätssysteme in anderen Ländern sind eher in der Lage, mit den im Zuge der Bildungsexpansion ansteigenden Lehr- anforderungen flexibel umzugehen. An den deutschen Universitäten gibt es zu wenig festangestellte, forschende Hochschullehrerinnen und -lehrer und zu viele abhängig Beschäftigte im Mittelbau.

Von Reinhard Kreckel

36 Akademie Aktuell 03-2015 NACHWUCHSFÖRDERUNG THEMA

dender Teil des universitären Forschungs- personals nicht mehr aus Haushaltsmitteln, sondern nur noch mit projektgebundenen und befristeten Drittmitteln bezahlt werden kann. Um die damit verbundenen Verände- rungen verstehen zu können, ist es hilfreich, die unterschiedlichen nationalen Strukturen und Selbstverständlichkeiten zu kennen, die sich hinter häufig sogar ähnlich klingenden Bezeichnungen verbergen.

Der direkte Vergleich – ein schwieriges Unterfangen DAS EUROPÄISCH-amerikanische Modell der Forschungsuniversität hat sich weltweit Es wird nun der Versuch unternommen, die als maßgebendes Leitbild durchgesetzt. universitären Karrieresysteme von unterschied- Universitäten gelten heute überall als der Ort, lichen westlichen Ländern direkt miteinander wo höhere Bildung in Verbindung mit wissen- zu vergleichen. Schon aufgrund der unter- schaftlicher Forschung vermittelt und wissen- schiedlichen hochschulstatistischen Zählwei- schaftlicher Nachwuchs qualifiziert wird. sen in den verschiedenen Ländern ist das ein gewagtes Unterfangen: So erfassen die einen Internationalität als Kennzeichen der das wissenschaftliche Personal der Univer- Universitäten sitäten nach Kopfzahlen, die anderen nach Vollzeitäquivalenten; die einen berücksichtigen Nicht erst seit heute ist Internationalität ein nur Vollzeitpersonal, die anderen auch Teilzeit- besonderes Kennzeichen der Universitäten. beschäftigte; in manchen Ländern gehören Offenheit für internationale Studierende, Dok- Doktoranden auf Qualifikationsstellen zum toranden oder Gastwissenschaftler war schon wissenschaftlichen Personal, in anderen gelten immer eines ihrer Merkmale. Der allmähli- Promovenden grundsätzlich als Studierende; in che Siegeszug des Englischen als allgemeine einem Land werden nur die Inhaber von haus- Wissenschaftssprache und die weltweite haltsfinanzierten Stellen gezählt, im anderen Standardisierung von Studiengängen, aka- wird das Drittmittelpersonal miteinbezogen; demischen Graden und Titeln kommt hinzu. auch ist das Verhältnis von befristeten und un- Das gilt allerdings nicht für die universitären befristeten Beschäftigungsverhältnissen nicht Strukturen. Man übersieht heute allzu leicht, immer eindeutig zu erkennen usw. Aus diesen dass sich hinter den zurzeit stattfindenden Gründen sind die verfügbaren hochschulsta- terminologischen und organisatorischen An- tistischen Angaben insgesamt nur beschränkt gleichungen noch immer sehr unterschiedliche vergleichbar. nationale Universitätskulturen und -struktu- ren verbergen. Wie man zum Beispiel an den Um dennoch zu realitätsnahen Vergleichs- akademischen Laufbahnstrukturen sehen kann, aussagen zu kommen, musste eine Reihe von die hier vergleichend betrachtet werden, gibt methodischen Entscheidungen getroffen es mindestens vier Varianten des europäisch- werden (siehe dazu Kreckel, Zimmermann 2014, amerikanischen Modells der Forschungsuniver- 231–249). Insbesondere wurden alle verfüg- sität, die zurzeit alle um Weltgeltung ringen – baren Angaben in Vollzeitäquivalente (VZÄ) ein französisches, ein deutsches, ein englisches umgerechnet. Auch damit lassen sich nicht und ein nordamerikanisches Modell. alle Vergleichsprobleme ausräumen. Aber für die Beantwortung einer bestimmten Frage Sie alle stehen vor gemeinsamen Herausforde- sind die vorhandenen Personaldaten doch sehr rungen, aber sie bewegen sich dabei innerhalb aussagekräftig: Wenn man sich speziell für die ihrer je eigenen Logiken und reagieren deshalb Positionen am oberen Ende der universitären auf sehr unterschiedliche Weise auf sie: Sie Laufbahn interessiert, die Positionen für selb- müssen die weltweite Bildungsexpansion be- ständig forschende und lehrende Hochschul- herrschen, sie stehen überall vor ähnlichen Fi- lehrerinnen und Hochschullehrer, so sind diese nanzierungsproblemen, für alle gilt der gleiche internationale Qualitätswettbewerb usw. Sie müssen sich auch alle mit dem Umstand aus-

ABB.: PICTURE ALLIANCE / CULTURA RF PICTURE ALLIANCE / CULTURA ABB.: einandersetzen, dass ein immer größer wer-

03-2015 Akademie Aktuell 37 THEMA NACHWUCHSFÖRDERUNG

beschäftigt, zwei Drittel davon „Oberbau“ auf befristeten Qualifikations- und/oder Drittmittelstellen. Nur (selbständige W3/C4 8 % Hoogleraar Full Professor „Chair“ (Tenure) Hochschullehrer) W2/C3 4 % 15 % 14 % ein kleiner Teil des Mittelbauper- 21 % sonals ist auf unterschiedlichsten Wiss. Mitarb. Hoofddocent Sonst. Senior Staff 15 % 12 % Sen. (Tenure) Positionen (als Akademische Räte, (unbefristet) 18 % Assoc. Prof. Junior Staff Mitarbeiter/innen auf Funktions- Wiss. Mitarb. 16 % (i. d. R. Tenure) (Planstelle) Lecturer stellen, Lehrkräfte für besondere „Mittelbau“ 26 % Assist. Prof. Junior Staff Aufgaben u. ä.) dauerhaft tätig. 33 % 15 % (i. d. R.Tenure Track) (abhängige (unbefristet) 34 % (tenure track) Andererseits fehlt die Kategorie Junior Staff wiss. Mitarbeiter) Instructor 1 % (i. d. R. befristet) des wissenschaftlich selbständi- (befristet) 10 % (unbefristet) Lecturer Wiss. Mitarb. gen „Junior Staff“ an deutschen Wiss. Mitarb. 19 % 8 % (unbefr.) (Drittmittel) 8 % (Planst. befristet) Universitäten fast völlig: Der Wiss. Mitarb. Postdoc Wiss. Mitarb. 31 % (Drittmittel) Assist. Anteil der Juniorprofessuren am Academic (Drittmittel) (Planstelle, befr.) 19 % 14 % 23 % wissenschaftlichen Personal der (befristet) (befristet) Wiss. Mitarb. (befristet) (Drittm., befr.) Universitäten liegt heute bei 0,8 10 % 13 % Nebenberuflich (TZ) 8 % 6 % Nebenberuflich Prozent, der der Universitätsdo- (Lehrauftrag etc.) Deutschland 2010 Niederlande 2011 England 2011 USA 2003 zenturen und vergleichbarer Posi- tionen bei 0,1 Prozent (berechnet Berechnet nach Kreckel / Zimmermann (2014), 231–238, 245–249 und passim nach: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11/Reihe 4.4-2013).

Abb. 1: Wissenschaftliches Im Falle der Vergleichsländer Personal an (Forschungs)-Uni- in allen Universitätssystemen sehr ähnlich und England und Niederlande handelt es sich versitäten mit Tenure-System: deshalb gut vergleichbar: An der Spitze steht um Universitätssysteme mit ausgeprägtem Niederlande, England und USA überall der auf Lebenszeit besetzte „Lehrstuhl“ Tenure-Modell. Dort berechtigt die Berufung im Vergleich zu Deutschland oder „Chair“, meistens mit dem Professoren- auf eine Stelle als „Lecturer“ oder „Docent“ (Vollzeitäquivalente). titel verbunden. Daneben gibt es üblicherweise (die in der Regel die Promotion voraussetzt) Für Deutschland sind nur die weitere herausgehobene Hochschullehrerpo- zu selbständiger Lehre und Forschung. Nach Universitäten (ohne Kunst- sitionen, die in der Regel unbefristet in Voll- kurzer Probezeit ist die unbefristete Anstellung hochschulen, Pädagogische beschäftigung wahrgenommen werden und als Hochschullehrer („tenure“) üblich, mit der und Theologische Hochschulen „professorale“ Unabhängigkeit in Lehre und Möglichkeit des internen Aufstieges oder der sowie Fachhochschulen) berück- Forschung verleihen. In den beiden Abbil- externen Bewerbung zum „Senior Lecturer“ sichtigt, für die Niederlande die dungen werden sie unter der Bezeichnung bzw. „Hoofddocent“ und Professor bzw. „Hoog- Universiteiten, für England die „Sonstiger Senior Staff“ zusammengefasst, da leraar“. „old“ Universities, die bereits der Professorentitel nicht in allen Ländern die vor 1992, dem Datum der Um- gleiche Bedeutung hat. Eine spezifische Variante des Tenure-Modells wandlung der Polytechnics zu ist das „Tenure Track“-System der USA, das hier Universitäten, existiert haben, Komplexer, und hier von besonderem Interesse, am Beispiel der rund 300 „Research & Docto- für die USA die knapp 300 in der ist die (durch eine gestrichelte rote Linie ab- ral Universities“ der USA dargestellt ist. Dort, Carnegie Classification als „Re- gegrenzte) Kategorie des „Junior Staff“. Dabei anders als im stärker titelorientierten Europa, search & Doctoral Universities“ geht es um hauptamtlich und selbständig leh- tragen alle Vollmitglieder des Lehrkörpers ausgewiesenen Universitäten. rende Hochschullehrerinnen und Hochschul- (faculty) den Professorentitel, mit grundsätz- lehrer unterhalb der professoralen Spitzen- lich gleichen Rechten und Pflichten in Lehre ebene. Hier gibt es von Land zu Land extreme und Forschung. Allerdings wird dem amerika- Unterschiede, wie sich bereits an Abbildung 1 nischen im Unterschied ablesen lässt: Dort ist unübersehbar, dass allein zum europäischen Lecturer oder Docent die Deutschland über ein Universitätssystem ver- Festanstellung nicht fast automatisch gewährt, fügt, in dem festangestellte, eigenständig leh- sondern nur in Aussicht gestellt. Erst nach rende und forschende Hochschullehrer/innen vier bis sieben Jahren und strenger Leistungs- beim wissenschaftlichen Personal klar in der überprüfung kann sie gewährt werden und Minderheit sind. Es ist deshalb zu vermuten, ist dann meistens mit der Beförderung zum dass anfallende Lehr- und Forschungsaufgaben verbunden. Die mit dem

dort schon rein rechnerisch nur auf relativ we- Tenure-Track-Verfahren verbundene Evaluation 2014 KRECKEL / ZIMMERMANN, BEIDE ABB.: nige professionelle Schultern verteilt werden können: Rund 80 Prozent des wissenschaftli- chen Personals an deutschen Universitäten (in VZÄ) sind auf unselbständigen Mittelbauposi- tionen unterhalb der Hochschullehrerebene

38 Akademie Aktuell 03-2015 NACHWUCHSFÖRDERUNG THEMA

der Forschungs- und Lehrleis- tungen trägt somit bestimmte „Oberbau“ Züge der deutschen , insbesondere in den international (selbständige W3/C4 8 % Univ.-Professor Professor Professeur „Chair“ (Tenure) Hochschullehrer) W2/C3 4 % 15 % 14 % führenden Spitzenuniversitäten. 21 % Sonst. Senior Staff Wiss. Mitarb. a. o. Professor „oberer Mittelbau“ Das für Deutschland charakteris- 15 % 12 % (Tenure) 15 % (befristet./unbefristet) (unbefristet) tische Hausberufungsverbot und (unbefristet) Maître de Junior Staff Wiss. Mitarb. (i. d. R. Tenure) Wiss. Mitarb. Conférences die Vorstellung, dass nur ganz Wiss. Mitarb. (Planstelle) (Planstelle) 15 % Junior Staff wenige zur selbständigen Lehre „Mittelbau“ (unbefristet) (i. d. R.Tenure Track) 33 % 46 % und Forschung an einer Univer- 42 % (abhängige Univ.-Assistent Junior Staff wiss. Mitarbeiter) 17 % (i. d. R. befristet) sität „berufen“ sind, ist in keinem (befristet) (befristet) (unbefristet) der genannten Länder geläufig, Wiss. Mitarb. (befristet) am ehesten noch im Nachbarland Wiss. Mitarb. Wiss. Mitarb. (unbefr.) (Drittmittel) (Drittmittel) Ens. du Niederlande, wo die Position des Wiss. Mitarb. Secondaire Wiss. Mitarb. 31 % 31 % (Drittmittel) 18 % (Planstelle, befr.) Hoogleraar (bzw. Professor) noch (unbefristet) 32 % Wiss. Mitarb. deutliche Ähnlichkeiten mit dem (befristet) (befristet) ATER 6 % (Drittm., befr.)

(befristet) traditionellen Ordinarius auf- (TZ) 8 % 9 % 9 % Nebenberuflich Nebenberuflich (Lehrauftrag etc.) weist. Deutschland 2010 Österreich 2011 Schweiz 2011 Frankreich 2011

Nun könnte man denken, dass die Berechnet nach Kreckel / Zimmermann (2014), 231–238, 245–249 und passim in Abbildung 1 sichtbar werden- de extreme Sonderstellung des deutschen Karrieremodells, in Abb. 2: Wissenschaftliches dem es nur relativ wenige Professorinnen und stark vom klassischen Lehrstuhlprinzip ge- Personal an (Forschungs-) Professoren und fast keine Dozentinnen und prägten Universitätssystemen Deutschlands, Universitäten mit - Dozenten gibt, mit dem Umstand zusammen- Österreichs und der Schweiz sind etatmäßige System: Frankreich, die Schweiz hängt, dass wir es hier nicht mit einem Tenure-, Professorinnen und Professoren (mit einem An- und Österreich im Vergleich zu sondern mit einem Habilitations-Modell zu teil am wissenschaftlichen Personal zwischen Deutschland (Vollzeitäquiva- tun haben. Abbildung 2 zeigt allerdings etwas 12 und 14 Prozent) eher rar. Hier setzt sich der lente). anderes: Auch unter den hier dargestellten universitäre Lehrkörper ganz überwiegend aus Für Österreich sind die öffent- Habilitationsländern ist Deutschland ein Aus- befristet beschäftigtem Personal mit assistie- lichen Universitäten berück- nahmefall. (Das gilt auch für osteuropäische render Funktion und in unselbständiger Stel- sichtigt, für die Schweiz die Länder wie Polen und Ungarn und die skandi- lung zusammen. Dieser weisungsgebundene kantonalen Universitäten sowie navischen Länder Dänemark und Finnland, wo „Mittelbau“ trägt nicht nur einen erheblichen die Eidgenössischen Techni- die Habilitation ebenfalls üblich ist: In allen Teil der akademischen Lehre. Die ständig wach- schen Hochschulen (ETH), für Habilitationsländern nimmt der habilitierte sende Zahl der drittmittelfinanzierten wissen- Frankreich nur die „Universi- und berufene Professor als „Ordinarius“ eine schaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tés“, ohne Grandes Écoles und besonders herausgehobene Stellung ein. Über- mit zum Teil sehr kurzen Vertragslaufzeiten ohne Instituts Universitaires de all gibt es darunter aber auch eine gewichtige trägt auch einen großen Teil der universitären Technologie (IUT). Gruppe von meist habilitierten Dozentinnen Forschung. und Dozenten.) Ist die Habilitation (oder eine gleichwertige Das Habilitationsmodell der akademischen wissenschaftliche Leistung nach der Promo- Karriere findet sich in relativ reiner Form in tion) erbracht, so muss die Berufung auf eine den traditionellen Universitätssystemen von Professur hinzukommen: Erst der „Berufene“ Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber gilt als vollwertiger Hochschullehrer. Ein neur- auch in einigen hier nicht berücksichtigten algischer Punkt sind deshalb im Habilitations- osteuropäischen Ländern wie z. B. Finnland, Po- Modell die nicht auf Professuren berufenen Ha- len, Tschechien oder Ungarn. In diesen Ländern bilitierten. In Deutschland gibt es für sie, schon verleiht nicht, wie in den Tenure-Systemen, die wegen des noch immer wirksamen Hausberu- Promotion, sondern erst der Erwerb der Habili- fungsverbotes, fast keine festen Hochschul- tation (oder eines Äquivalentes) die Befähigung lehrerstellen. In Österreich ist das anders. Dort zu selbständiger Forschung und Lehre. Alle bleiben die nicht berufenen Habilitierten als Lehr- und Forschungstätigkeiten vor der Habi- außerordentliche (bzw. „assoziierte“) Professo- litation gelten daher eo ipso als „unselbstän- dig“. Die für Nichthabilitierte vorgesehenen Stellen werden deshalb vor allem als befristete Qualifikationsstellen verstanden. In den noch

03-2015 Akademie Aktuell 39 THEMA NACHWUCHSFÖRDERUNG

DER AUTOR rinnen und Professoren weiter an der Universi- Dozentenebene unterhalb der Professur. Die Prof. Dr. Reinhard Kreckel ist seit tät. Statusrechtlich gehören sie aber weiterhin akademische Juniorposition fällt praktisch aus 1992 Gründungsprofessor für zum Mittelbau, nicht zur „Professorenbank“. – abgesehen von der sehr geringen Zahl von Ju- Soziologie an der Martin-Luther- Ähnlich verhält es sich in der Schweiz, wo die niorprofessorinnen und -professoren, bei denen Universität Halle-Wittenberg. habilitierten Privatdozentinnen und -dozenten es sich größtenteils um befristete Stellen ohne Bis 2010 leitete er auch das bzw. Titularprofessorinnen und -professoren Tenure Track handelt. Auch wenn aufgrund dortige Institut für Hochschul- der statistischen Mischkategorie des „oberen der unterschiedlichen hochschulstatistischen forschung e.V. (HoF). Seine Mittelbaus“ zugerechnet werden. Sie lehren Zählweisen die in den Abbildungen 1 und 2 Forschungsschwerpunkte sind und forschen zwar selbständig, haben in den benutzten empirischen Angaben nur bedingt soziologische Theorie und meisten Fällen aber keine Dauerstelle, ähnlich vergleichbar sind, bleibt doch festzuhalten, Gesellschaftstheorie, soziolo- wie in Deutschland. dass allein Deutschland (und in abgeschwäch- gische Ungleichheitsforschung ter Form auch die Schweiz) über ein Univer- einschließlich Ungleichheit der An den französischen Universitäten finden wir sitätssystem verfügt, in dem festangestellte, Geschlechter und internationale hingegen eine Kombination von Habilitations- eigenständig lehrende und forschende Hoch- Ungleichheit sowie sozialwissen- und Tenure-System. Nach der Promotion ist schullehrerinnen und Hochschullehrer beim schaftliche Hochschulforschung. dort der Erwerb einer (der deutschen Habili- wissenschaftlichen Personal der Universitäten Seit 2011 leitet er (gemeinsam tation ähnlichen) „habilitation de diriger des klar in der Minderheit sind. mit Manfred Stock) das Projekt recherches“ für die Berufung auf eine Professur „Elitebildung und Universität“ erforderlich. Andererseits gilt aber auch die Die naheliegende Alternative, für die alle innerhalb der DFG-Forscher- Promotion bereits als vollgültige Qualifikation anderen hier skizzierten europäischen Uni- gruppe „Mechanismen der für eine selbständige Hochschullehrertätig- versitätssysteme bereits mehr oder weniger Elitebildung“. keit in der beamteten Lebenszeitposition des deutlich optiert haben, ist die Ausweitung der „Maître de Conférences“. Das heißt, für die Gruppe der selbständigen Hochschullehrerinnen Ebene des Senior Staff gilt in Frankreich das und -lehrer unterhalb der Senior-Staff-Ebene, Habilitationsmodell, für den Junior Staff das die nach strengen Qualitätskriterien und mit Tenure-Modell. klaren Karriereperspektiven berufen werden. Damit ließen sich die Aufgaben von Lehre, Fazit Forschung und Nachwuchsqualifizierung auf mehr Schultern verteilen, und qualifikations- Der vergleichende Blick auf die unterschiedli- und funktionsbezogene Differenzierungen von chen Universitätssysteme zeigt, dass sie – mit Tätigkeitsschwerpunkten für einzelne Hoch- Ausnahme Deutschlands und der Schweiz schullehrerinnen oder Hochschullehrer würden – alle über akademische Karrierestrukturen erleichtert. verfügen, die sie eher in die Lage versetzen, mit den im Zuge der Bildungsexpansion steigen- Als Voraussetzung dafür ist freilich die allmäh- den Lehranforderungen flexibel umzugehen. liche Reduktion der (von der Professorenschaft) Überall gibt es den Typus des selbständigen abhängigen Statusgruppe des akademischen Hochschullehrers mit eigenen Lehr- und Mittelbaus erforderlich – ein nicht ganz einfa- Forschungsaufgaben, der als Lecturer, Docent, ches Unterfangen. So hat der Wissenschafts- Maître de Conférences oder Assistant Professor rat diesen Lösungsweg, der in den internen dauerhaft an einer Hochschule tätig ist. An den Diskussionen lange Zeit favorisiert wurde, in deutschen Hochschulen fehlt dagegen diese seine „Empfehlungen zu einer lehrorientierten Personalreform an den Universitäten“ von 2007 schließlich doch nicht aufgenommen. Hinweis Noch waren die Widerstände zu stark. In den „Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten “ des Wissenschaftsrats von Der Beitrag ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung 2014 wird dann die Notwendigkeit der Einrich- von R. Kreckel, Habilitation versus Tenure. Karrieremodelle an tung von „echten“ Tenure-Track-Professuren auf Universitäten im internationalen Vergleich, in: Forschung & W1- bzw. W2-Ebene besonders betont und eine Lehre, Heft 1/2012, 12–14. Straffung der Postdoc-Phase angemahnt. Das Ausführliche Quellenbelege und Literaturhinweise sowie letzte Wort ist in dieser Sache wahrscheinlich eine Erörterung der Methoden- und Messprobleme finden noch nicht gesprochen, aber der Problemdruck sich in: R. Kreckel, K. Zimmermann, Hasard oder Laufbahn. wird zunehmend zur Kenntnis genommen. n Akademische Karrierestrukturen im internationalen Ver- gleich, Leipzig 2014.

40 Akademie Aktuell 03-2015