Brahms Strauss Gernsheim
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BRAHMS Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68 STRAUSS 3 Lieder op. 68 nach Texten von Clemens Brentano GERNSHEIM „Zu einem Drama”, Tondichtung für großes Orchester op. 82 Frankfurter Orchester Gesellschaft Gabriele Hierdeis, Sopran Stefan Schmitt, Dirigent Sonntag, 2. Dezember 2012, 20:00 Uhr Dr. Hoch‘s Konservatorium, Clara Schumann Saal, Frankfurt Lions Club Frankfurt Hessischer Löwe: Catering in der Pause zugunsten gemeinnütziger Projekte in Frankfurt Kontakt: Stefan Schmitt Telefon: 06196 950906 www.frankfurter-orchester-gesellschaft.de Herausgeber: Frankfurter Orchester Gesellschaft Redaktion und Text: Paul Landsiedel Gestaltung und Satz: Ursula Peter Druck: Druckerei Adelmann, Frankfurt 2 JOHANNES BRAHMS Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68 (1833 – 1897) Un poco sostenuto – Allegro Andante sostenuto Un poco Allegretto e grazioso Adagio – Piu Andante – Allegro non troppo, ma con brio PAUSE RICHARD STRAUSS 3 Lieder op. 68 (1864 – 1949) nach Texten von Clemens Brentano Ich wollt ein Sträußlein binden Amor Säusle, liebe Myrte FRIEDRICH GERNSHEIM „Zu einem Drama“, Tondichtung für (1839 – 1916) großes Orchester op. 82 3 Über die Musik zu reden, die Sie gleich hören werden, ist eigentlich nicht möglich, denn wenn ich Ihnen auch nur den ersten Akkord der Brahms-Sinfonie Nr. 1 vorstellen wollte – das Orchester spielt im Forte die Note C über 5 Oktaven verteilt: die Flöten, Oboen, Klarinetten, 1. und 2. Violinen spielen das 2- und 3-gestrichene C, die Trompeten, Bratschen und ... also bis wir zu den Pauken und Kontrabässen kommen, müssen noch die Hörner, Fagotte und ... berücksichtigt werden – Sie würden sicher sofort die Lektüre beenden. Anhand der Partitur kann man natürlich den Notentext analysieren, Strukturen herausarbeiten und Feinheiten entdecken, auch eine Klangvorstellung entwickeln – aber man muss die Musik wirklich hören, erst dann ist der Eindruck perfekt. Bevor wir also mit dem Hören beginnen, doch noch etwas Text: Ich stelle Ihnen die Komponisten vor, berichte über die Zeit, in der sie lebten, und über die Entstehung der Werke. Und wenn Sie die Stücke dann hören, werden Sie vielleicht an Bekanntes erinnert, bestimmt mit Neuem konfrontiert, Sie sind kritisch und neugierig, hängen Ihren Gedanken nach oder lassen sich einfach von den Klängen mitnehmen. Wir haben für unser Konzert drei Komponisten ausgewählt, die auf den ersten Blick nur eines gemeinsam haben, sie sind im 19. Jahrhundert geboren: Johannes Brahms (1833 – 1897), Friedrich Gernsheim (1839 – 1916) und Richard Strauss (1864 – 1949). Bei näherem Hinsehen zeigen sich allerdings erstaunliche Gemeinsamkeiten, aber auch Gegensätze, interessante Schnittpunkte und persönliche Begegnungen. Auch wenn Ludwig van Beethoven und erst recht Franz Schubert sich vom bis dahin prägenden klassischen Ideal entfernten, so waren es doch die Literaten, die als erste die romantischen Ideen formulierten: Mit lyrischen Erzählungen, Gedichten, den so genannten Kunstmärchen machten sie große Gefühle, phantastische Szenerien und naturverbundene Schilderungen zum Thema. 4 BRAHMS Auch die Heimat und eine Sehnsucht nach fernen Ländern und Kulturen standen im Mittelpunkt ihrer Werke, und das Gefühls- und Seelenleben der Figuren, die in ihren Stücken die Hauptrollen spielten, wurde in den Vordergrund gerückt. „Die Welt muß romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder.“ Mit diesem Aufruf überraschte Novalis 1801 die zeit- genössischen Dichter, Maler und Komponisten. Formvollendung, Sachlichkeit, Ordnung, Wissenschaft und Verstand standen nicht mehr im Zentrum, sondern das Individuum, das Wundersame, Freiheit und Einheit. Romantisch bedeutete für Novalis: „... indem ich dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Endlichen einen unendlichen Sinn gebe, so romantisiere ich es.“ JOHANNES BRAHMS Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68 Genau in der Mitte der romantischen Periode, also dem 19. Jahr- hundert, rückt Johannes Brahms ins Blickfeld der Geschichte. Als Sohn des „Bierfiedlers vom Dammtor“ wächst er in sehr ein- fachen Verhältnissen auf, zeigt schon früh musikalisches Talent, erlernt das Geigenspiel, später kommt Klavierunterricht dazu, und er ist gerade mal zehn Jahre alt, da wird er nach einem gelungenen Auftritt mit dem Angebot für eine Tournee durch Amerika überrascht. Glücklicherweise kommt trotz vollmundiger Versprechungen des geschäftstüchtigen Agenten die Reise nicht zustande. Brahms bleibt in Hamburg und zieht zusammen mit seinem Vater durch Hamburger Kneipen und Tanzlokale – allerdings nicht zum Vergnügen: Er spielt Klavier, sein Vater Bass, und die Gage sichert einigermaßen den bescheidenen Lebensunterhalt der Familie. Glücklicherweise sorgt Eduard Marxen, damals in Hamburg ein anerkannter Musikpädagoge 5 BRAHMS und Komponist, für weiteren geregelten Unterricht: „Somit über- nahm ich die gänzliche Ausbildung. Rastloser Eifer und Fleiß weckten immer mehr mein Interesse, und die ersichtlich großen Fortschritte bestärkten meine Ansicht, daß hier ein außer- gewöhnliches Talent zum Heil und Segen der Kunst zu bilden sei. Gar gern widmete ich ihm daher auch ohne alle pekuniäre Entschädigung alle erforderliche Zeit. Beim Beginn des Studiums der Theorie zeigte sich ein scharf und tief denkender Geist, und dennoch wurde späterhin das eigentliche Schaffen ihm schwer und erforderte recht viele Ermutigung von meiner Seite. Auch die Formlehre machte viel zu schaffen. Nichtsdestoweniger ent- wickelte sich das Talent nach meiner Ansicht immer schöner und bedeutender, wenngleich vorderhand noch nichts abgeschlossenes Größere zutage gefördert ward.“ Also Brahms komponiert, ausschließlich fürs Klavier, virtuos und einfallsreich, versteckt sich aber hinter Pseudonymen und gibt seinen Stücken großspurig dreistellige Opuszahlen – verständliche Unsicherheit und alberne Angeberei eines jungen Mannes. Aber dann das alles entscheidende Zusammentreffen 1853 mit Robert Schumann, auf den der Zwanzigjährige großen Eindruck macht: „Am Klavier sitzend, fing er an, wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen. Dazu kam ein ganz geniales Spiel, das aus dem Klavier ein Orchester von wehklagenden und laut jubelnden Stimmen machte. Es waren Sonaten, mehr verschleierte Sinfonien, einzelne Klavierstücke, teil- weise dämonischer Natur von der anmutigsten Form ... Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in schwierigen Setzungen der Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten bekannten Meister empfohlen. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: Das ist ein Berufener ...“ 6 BRAHMS So hilfreich diese prophetischen Worte sind, so schwer wiegt doch auch die Verpflichtung, diesen Anspruch zu erfüllen. Brahms hat praktisch aus dem Stand sein erstes Ziel erreicht: Er ist jetzt in der Musikszene angekommen, erste Werke erscheinen bei dem damals schon bekannten Musikverlag Breitkopf und Härtel. Und Brahms ist fleißig: Er spielt Konzerte, unterrichtet Klavierschüler, dirigiert und schreibt Liedkompositionen, Balladen für Klavier, unter anderem 16 Variationen über ein Thema von Robert Schumann, er arbeitet sich, von Freunden unterstützt, in Orchestertechnik ein, versucht eine Klaviersonate zu instrumentieren – und plant, nachdem er Beethovens Neunte zum ersten Mal gehört hat, auch eine Sinfonie zu schreiben. 1856 wird ein Entwurf fertig, übrigens wie die Neunte in d-moll, er verwirft aber diese Idee und entwickelt später aus dem Material den Kopfsatz seines 1. Klavierkonzerts. Die Uraufführung der 1. Sinfonie fand 1876, also erst 20 Jahre später, statt. Was ist in dieser langen Zeitspanne passiert? Brahms schreibt wunderbare Stücke: die beiden Serenaden, das Deutsche Requiem, die Haydn-Variationen und viel Kammermusik, alles erfolgreich bei Simrock publiziert. Die Verlegerhonorare, Konzertgagen und Einnahmen aus Engagements erlauben ihm mittlerweile ein gesichertes Leben, und großzügig unterstützt er auch seine Eltern und Freunde. Aber das Projekt „Sinfonie“ macht Probleme. 1860 verfasst er zusammen mit Freunden ein unterm Strich unglückliches Papier, das sich energisch gegen die so genannten Neudeutschen um Franz Liszt und ihre Ideen zur „Zukunftsmusik“, also zu Symphonischer Dichtung und Musikdrama, wendet. In einem Brief zu dem geplanten Manifest schreibt Brahms an seinen Freund Josef Joachim: „Wie wir schreiben und abfertigen, kann man nur Lisztsche Sudeleien abfertigen. Eben wir können und brauchen uns durchaus solchem Scheißzeug gegenüber auf keine wissenschaftlichen Erörterungen einzulassen.“ Denn aus Brahms’ Sicht „wurden bereits sämtliche Künste miteinander verwechselt und vertauscht, die Vernunft auf den Kopf, 7 BRAHMS der Aberwitz auf die Beine gestellt. Die Malerei mußte musizieren, die Poesie malen, die Musik dichten und philosophieren lernen, so daß bald kein Mensch mehr wußte, wozu er eigentlich auf der Welt war.“ Es ging also richtig zur Sache, die Gegenseite war auch nicht gerade zimperlich und reagierte mit giftigen Artikeln. Der Streit zwischen den „Neudeutschen“ und den „Brahminen“ war damit voll entflammt, wurde durch die neu entstandenen Printmedien natürlich gleich massenhaft verbreitet und blieb ein Reizthema auch in den folgenden Jahrzehnten. Brahms, der „konservative“ Komponist, der „dauerhafte Musik“ schreibt und sich auf die „Gesetze reiner Musik“ konzentriert, kommt mit seiner Sinfonie nur langsam voran. 1862 schickt er den Entwurf