BRAHMS Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68 STRAUSS 3 Lieder op. 68 nach Texten von Clemens Brentano GERNSHEIM „Zu einem Drama”, Tondichtung für großes Orchester op. 82

Frankfurter Orchester Gesellschaft Gabriele Hierdeis, Sopran Stefan Schmitt, Dirigent

Sonntag, 2. Dezember 2012, 20:00 Uhr Dr. Hoch‘s Konservatorium, Clara Schumann Saal, Frankfurt Lions Club Frankfurt Hessischer Löwe: Catering in der Pause zugunsten gemeinnütziger Projekte in Frankfurt

Kontakt: Stefan Schmitt Telefon: 06196 950906 www.frankfurter-orchester-gesellschaft.de Herausgeber: Frankfurter Orchester Gesellschaft Redaktion und Text: Paul Landsiedel Gestaltung und Satz: Ursula Peter Druck: Druckerei Adelmann, Frankfurt

2 Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68 (1833 – 1897) Un poco sostenuto – Allegro Andante sostenuto Un poco Allegretto e grazioso Adagio – Piu Andante – Allegro non troppo, ma con brio

PAUSE

RICHARD STRAUSS 3 Lieder op. 68 (1864 – 1949) nach Texten von Clemens Brentano

Ich wollt ein Sträußlein binden Amor Säusle, liebe Myrte

FRIEDRICH GERNSHEIM „Zu einem Drama“, Tondichtung für (1839 – 1916) großes Orchester op. 82

3 Über die Musik zu reden, die Sie gleich hören werden, ist eigentlich nicht möglich, denn wenn ich Ihnen auch nur den ersten Akkord der Brahms-Sinfonie Nr. 1 vorstellen wollte – das Orchester spielt im Forte die Note C über 5 Oktaven verteilt: die Flöten, Oboen, Klarinetten, 1. und 2. Violinen spielen das 2- und 3-gestrichene C, die Trompeten, Bratschen und ... also bis wir zu den Pauken und Kontrabässen kommen, müssen noch die Hörner, Fagotte und ... berücksichtigt werden – Sie würden sicher sofort die Lektüre beenden. Anhand der Partitur kann man natürlich den Notentext analysieren, Strukturen herausarbeiten und Feinheiten entdecken, auch eine Klangvorstellung entwickeln – aber man muss die Musik wirklich hören, erst dann ist der Eindruck perfekt.

Bevor wir also mit dem Hören beginnen, doch noch etwas Text: Ich stelle Ihnen die Komponisten vor, berichte über die Zeit, in der sie lebten, und über die Entstehung der Werke. Und wenn Sie die Stücke dann hören, werden Sie vielleicht an Bekanntes erinnert, bestimmt mit Neuem konfrontiert, Sie sind kritisch und neugierig, hängen Ihren Gedanken nach oder lassen sich einfach von den Klängen mitnehmen. Wir haben für unser Konzert drei Komponisten ausgewählt, die auf den ersten Blick nur eines gemeinsam haben, sie sind im 19. Jahrhundert geboren: Johannes Brahms (1833 – 1897), Friedrich Gernsheim (1839 – 1916) und Richard Strauss (1864 – 1949). Bei näherem Hinsehen zeigen sich allerdings erstaunliche Gemeinsamkeiten, aber auch Gegensätze, interessante Schnittpunkte und persönliche Begegnungen.

Auch wenn Ludwig van Beethoven und erst recht Franz Schubert sich vom bis dahin prägenden klassischen Ideal entfernten, so waren es doch die Literaten, die als erste die romantischen Ideen formulierten: Mit lyrischen Erzählungen, Gedichten, den so genannten Kunstmärchen machten sie große Gefühle, phantastische Szenerien und naturverbundene Schilderungen zum Thema.

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Auch die Heimat und eine Sehnsucht nach fernen Ländern und Kulturen standen im Mittelpunkt ihrer Werke, und das Gefühls- und Seelenleben der Figuren, die in ihren Stücken die Hauptrollen spielten, wurde in den Vordergrund gerückt. „Die Welt muß romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder.“ Mit diesem Aufruf überraschte Novalis 1801 die zeit- genössischen Dichter, Maler und Komponisten. Formvollendung, Sachlichkeit, Ordnung, Wissenschaft und Verstand standen nicht mehr im Zentrum, sondern das Individuum, das Wundersame, Freiheit und Einheit. Romantisch bedeutete für Novalis: „... indem ich dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Endlichen einen unendlichen Sinn gebe, so romantisiere ich es.“

JOHANNES BRAHMS Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68

Genau in der Mitte der romantischen Periode, also dem 19. Jahr- hundert, rückt Johannes Brahms ins Blickfeld der Geschichte. Als Sohn des „Bierfiedlers vom Dammtor“ wächst er in sehr ein- fachen Verhältnissen auf, zeigt schon früh musikalisches Talent, erlernt das Geigenspiel, später kommt Klavierunterricht dazu, und er ist gerade mal zehn Jahre alt, da wird er nach einem gelungenen Auftritt mit dem Angebot für eine Tournee durch Amerika überrascht. Glücklicherweise kommt trotz vollmundiger Versprechungen des geschäftstüchtigen Agenten die Reise nicht zustande. Brahms bleibt in Hamburg und zieht zusammen mit seinem Vater durch Hamburger Kneipen und Tanzlokale – allerdings nicht zum Vergnügen: Er spielt Klavier, sein Vater Bass, und die Gage sichert einigermaßen den bescheidenen Lebensunterhalt der Familie. Glücklicherweise sorgt Eduard Marxen, damals in Hamburg ein anerkannter Musikpädagoge

5 BRAHMS und Komponist, für weiteren geregelten Unterricht: „Somit über- nahm ich die gänzliche Ausbildung. Rastloser Eifer und Fleiß weckten immer mehr mein Interesse, und die ersichtlich großen Fortschritte bestärkten meine Ansicht, daß hier ein außer- gewöhnliches Talent zum Heil und Segen der Kunst zu bilden sei. Gar gern widmete ich ihm daher auch ohne alle pekuniäre Entschädigung alle erforderliche Zeit. Beim Beginn des Studiums der Theorie zeigte sich ein scharf und tief denkender Geist, und dennoch wurde späterhin das eigentliche Schaffen ihm schwer und erforderte recht viele Ermutigung von meiner Seite. Auch die Formlehre machte viel zu schaffen. Nichtsdestoweniger ent- wickelte sich das Talent nach meiner Ansicht immer schöner und bedeutender, wenngleich vorderhand noch nichts abgeschlossenes Größere zutage gefördert ward.“

Also Brahms komponiert, ausschließlich fürs Klavier, virtuos und einfallsreich, versteckt sich aber hinter Pseudonymen und gibt seinen Stücken großspurig dreistellige Opuszahlen – verständliche Unsicherheit und alberne Angeberei eines jungen Mannes. Aber dann das alles entscheidende Zusammentreffen 1853 mit , auf den der Zwanzigjährige großen Eindruck macht: „Am Klavier sitzend, fing er an, wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen. Dazu kam ein ganz geniales Spiel, das aus dem Klavier ein Orchester von wehklagenden und laut jubelnden Stimmen machte. Es waren Sonaten, mehr verschleierte Sinfonien, einzelne Klavierstücke, teil- weise dämonischer Natur von der anmutigsten Form ... Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in schwierigen Setzungen der Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten bekannten Meister empfohlen. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: Das ist ein Berufener ...“

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So hilfreich diese prophetischen Worte sind, so schwer wiegt doch auch die Verpflichtung, diesen Anspruch zu erfüllen. Brahms hat praktisch aus dem Stand sein erstes Ziel erreicht: Er ist jetzt in der Musikszene angekommen, erste Werke erscheinen bei dem damals schon bekannten Musikverlag Breitkopf und Härtel. Und Brahms ist fleißig: Er spielt Konzerte, unterrichtet Klavierschüler, dirigiert und schreibt Liedkompositionen, Balladen für Klavier, unter anderem 16 Variationen über ein Thema von Robert Schumann, er arbeitet sich, von Freunden unterstützt, in Orchestertechnik ein, versucht eine Klaviersonate zu instrumentieren – und plant, nachdem er Beethovens Neunte zum ersten Mal gehört hat, auch eine Sinfonie zu schreiben. 1856 wird ein Entwurf fertig, übrigens wie die Neunte in d-moll, er verwirft aber diese Idee und entwickelt später aus dem Material den Kopfsatz seines 1. Klavierkonzerts.

Die Uraufführung der 1. Sinfonie fand 1876, also erst 20 Jahre später, statt. Was ist in dieser langen Zeitspanne passiert? Brahms schreibt wunderbare Stücke: die beiden Serenaden, das Deutsche Requiem, die Haydn-Variationen und viel Kammermusik, alles erfolgreich bei Simrock publiziert. Die Verlegerhonorare, Konzertgagen und Einnahmen aus Engagements erlauben ihm mittlerweile ein gesichertes Leben, und großzügig unterstützt er auch seine Eltern und Freunde. Aber das Projekt „Sinfonie“ macht Probleme. 1860 verfasst er zusammen mit Freunden ein unterm Strich unglückliches Papier, das sich energisch gegen die so genannten Neudeutschen um Franz Liszt und ihre Ideen zur „Zukunftsmusik“, also zu Symphonischer Dichtung und Musikdrama, wendet. In einem Brief zu dem geplanten Manifest schreibt Brahms an seinen Freund Josef Joachim: „Wie wir schreiben und abfertigen, kann man nur Lisztsche Sudeleien abfertigen. Eben wir können und brauchen uns durchaus solchem Scheißzeug gegenüber auf keine wissenschaftlichen Erörterungen einzulassen.“ Denn aus Brahms’ Sicht „wurden bereits sämtliche Künste miteinander verwechselt und vertauscht, die Vernunft auf den Kopf,

7 BRAHMS der Aberwitz auf die Beine gestellt. Die Malerei mußte musizieren, die Poesie malen, die Musik dichten und philosophieren lernen, so daß bald kein Mensch mehr wußte, wozu er eigentlich auf der Welt war.“ Es ging also richtig zur Sache, die Gegenseite war auch nicht gerade zimperlich und reagierte mit giftigen Artikeln. Der Streit zwischen den „Neudeutschen“ und den „Brahminen“ war damit voll entflammt, wurde durch die neu entstandenen Printmedien natürlich gleich massenhaft verbreitet und blieb ein Reizthema auch in den folgenden Jahrzehnten.

Brahms, der „konservative“ Komponist, der „dauerhafte Musik“ schreibt und sich auf die „Gesetze reiner Musik“ konzentriert, kommt mit seiner Sinfonie nur langsam voran. 1862 schickt er den Entwurf eines 1. Satzes, der dann später tatsächlich Kernstück der Sinfonie wird, zur Begutachtung an seine Freundin Clara Schumann, die begeistert festhält: „Der Satz ist voll wunderbarer Schönheiten, mit einer Meisterschaft werden die Motive behandelt, wie sie ihm ja so mehr und mehr eigen wird. Alles ist so interessant in einander verwoben, dabei so schwungvoll wie ein erster Erguß; man genießt so recht in vollen Zügen, ohne an die Arbeit erinnert zu werden. Der Übergang aus dem zweiten Teil wieder in den ersten ist ihm wieder mal herrlich gelungen.“ Also ein geglückter Anfang, dem dann aber wieder Resignation folgt: „Ich werde nie eine Sinfonie komponieren! Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer einen Riesen (gemeint ist Beethoven) hinter sich marschieren hört.“ Und doch gibt es immer wieder Hinweise, dass Brahms sich mit dem Projekt „Sinfonie“ weiter beschäftigt, und endlich, im Sommer 1876, gelingt während einiger Ferienwochen auf Rügen der Durchbruch: Anfang Oktober ist die Sinfonie fertig. In nur einem Monat wird nun das Notenmaterial hergestellt, redigiert und korrigiert, Orchesterproben werden arrangiert, und am 4. November 1876 leitet sein Freund Otto Dessoff, Kapellmeister in Karlsruhe, die enthusiastisch aufgenommene Uraufführung.

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RICHARD STRAUSS 3 Lieder op. 68 nach Texten von Clemens Brentano

Richard Strauss, 1864 in München geboren, wuchs im Vergleich zu Brahms in geradezu paradiesischen Verhältnissen auf, seine Mutter stammte aus einer der reichsten Familien Münchens, sein Vater war erster Hornist am Hoforchester und hatte eine Professur an der Musikakademie. Kinder beschäftigen sich, wenn sie in die Schule kommen, normalerweise mit dem Einmaleins und der Schiefertafel, der sechsjährige Richard tat das auch – und er komponierte, natürlich vom Papa unterstützt, erste Stücke: Klavierlieder. Kapellmeister Friedrich Wilhelm Meyer gab dem ungewöhnlichen Talent später richtigen Kompositionsunterricht, und mit 16 Jahren konnte Richard eine erste Sinfonie präsentieren. Seine frühen Orchesterstücke, z.B. das 1. Hornkonzert op. 11, das er mit 19 Jahren für seinen Vater schrieb, und auch die 2. Sinfonie, ein Jahr später, sind noch ganz am romantischen Stil Schumanns orientiert. In dieser Zeit – Strauss arbeitete bereits als Assistent des berühmten Hans von Bülow am Meininger Hof – kam es zu der einzigen Begegnung mit Brahms. Strauss nutzte die Gelegenheit und bat den von ihm Hochverehrten höflich um eine Beurteilung seiner Sinfonie. Brahms, der sich entweder ungehobelt grob oder total verklausuliert ausdrücken konnte, meinte in diesem Fall, er möge doch mal die einfach gestalteten Melodien der Schubertschen Tänze studieren. Das war’s.

Die weitere Entwicklung des jungen Strauss zeigt, dass dieser Rat überhaupt keinen Effekt hatte, denn unter dem Einfluss neuer Freunde wandte er sich den Kunstidealen der Neudeutschen zu: Richard Wagners Musikdramen und Franz Liszts Sinfonische Dichtungen wurden zu neuen Leitbildern. Mit 25 schreibt Strauss seine erste Programmmusik, die Tondichtung „Don Juan“, und

9 STRAUSS provoziert mit dieser ungewohnten Textur heftige Reaktionen: Die eine Hälfte des Publikums applaudiert, die andere buht ihn aus. Seine Reaktion: „Ich tröste mich selbst mit dem Wissen, daß ich auf der Straße bin, die ich nehmen möchte im vollen Bewußtsein, daß es nie einen Künstler gegeben hat, der nicht von tausenden seiner Kollegen für verrückt erklärt wurde.“ Und es folgen in den nächsten Jahren noch weitere acht Tondichtungen, die alle bis heute mit großem Erfolg in den Konzertsälen gespielt werden. Die übergreifende Idee dieser neun Kompositionen hat Richard Strauss mit dem Satz formuliert: „Für mich ist das poetische Programm nichts weiter als der form-bildende Anlaß zum Ausdruck und zur rein musikalischen Entwicklung meiner Empfindungen – nicht, wie Sie glauben, nur eine musikalische Beschreibung gewisser Vorgänge des Lebens.“

Am Ende des 19. Jahrhunderts – Strauss ist 30 Jahre alt und versteht sich als Nachfolger Wagners – bringt er 1894 seine erste Oper „Guntram“ heraus. Das Stück wird von der Kritik zerrissen. Heutige Höhepunkte des Musiktheaters, wie „Salome“ und „Elektra“, waren zunächst auch Premiereschocker: Nach ersten Aufführungen an der Met wurde „Salome“ wegen des anstößigen Sujets und der dissonanten Musik wieder aus dem Spielplan genommen, und die Uraufführung der „Elektra“, mit gewaltigen Klangblöcken und polytonalen Passagen noch intensiver als „Salome“, begann 1909 in Dresden mit einem „Durchfall“. Nach diesen progressiven Symphonieopern aus einer dramatisch experimentellen Phase kehrt Strauss mit dem „Rosenkavalier“ zu einem geglätteten, leichter fasslichen Stil zurück und komponiert weitere 12 Opern. Und immer wieder Lieder, insgesamt sind es über 100. 1887 lernt er die junge Sängerin Pauline de Ahna kennen, die erst seine Schülerin und später seine Frau wird. Für sie schreibt er viele Lieder und führt sie zusammen mit ihr auch auf – eine ideale Künstler- und Lebensgemeinschaft. Er komponiert für bestimmte Sänger oder besondere Gelegenheiten, viele der Lieder

10 STRAUSS werden später auch orchestriert. 1918 vertont er sechs Gedichte von Clemens Brentano, der, von Novalis’ romantischen Ideen begeistert, Gedichte, Erzählungen und Bühnenwerke verfasste und zusammen mit Achim von Arnim in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts die Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ heraus- gegeben hatte, eine reiche Quelle für Strauss, Mahler und andere, um Vorlagen für ihre Kunstlieder zu finden.

Die Texte der drei Lieder, die Gabriele Hierdeis für den heutigen Abend ausgewählt hat, stammen aus der Feder von Brentano, und ihre reiche Bildersprache spiegelt sich nicht nur in den virtuosen Gesangspartien, sondern auch in den kompliziert geflochtenen Klavierbegleitungen, die 1940 von Strauss selbst orchestriert und in eine Fülle von Farbnuancen und Stimmungsbildern umgeformt wurden.

Ich wollt ein Sträußlein binden

Ich wollt ein Sträußlein binden, Da kam die dunkle Nacht, Kein Blümlein war zu finden, Sonst hätt ich dir’s gebracht.

Da flossen von den Wangen Mir Tränen in den Klee, Ein Blümlein aufgegangen Ich nun im Garten seh.

Das wollte ich dir brechen Wohl in dem dunklen Klee, Doch fing es an zu sprechen: „Ach tue mir nicht weh!

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Sei freundlich in dem Herzen, Betracht dein eigen Leid, Und lasse mich in Schmerzen Nicht sterben vor der Zeit.“

Und hätt’s nicht so gesprochen, Im Garten ganz allein, So hätt ich dir’s gebrochen, Nun aber darf’s nicht sein.

Mein Schatz ist ausgeblieben, Ich bin so ganz allein. Im Lieben wohnt Betrüben, Und kann nicht anders sein.

Amor

An dem Feuer saß das Kind, Amor, Amor, Und war blind; Mit dem kleinen Flügel fächelt In die Flamme er und lächelt, Fächle, lächle, schlaues Kind!

Ach, der Flügel brennt dem Kind, Amor, Amor Läuft geschwind! „O, wie mich die Glut durchpeinet!“ Flügelschlagend laut er weinet, In der Hirtin Schoß entrinnt Hülfeschreind das schlaue Kind.

12 STRAUSS

Und die Hirtin hilft dem Kind Amor, Amor, Bös und blind. Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet, Hast den Schelm du nicht gekennet? Sieh, die Flamme wächst geschwind, Hüt’ dich vor dem schlauen Kind!

Säusle, liebe Myrte

Säusle, liebe Myrte! Wie still ist’s in der Welt, Der Mond, der Sternenhirte Auf klarem Himmelsfeld Treibt schon die Wolkenschafe Zum Born des Lichtes hin, Schlaf, mein Freund, o schlafe, Bis ich wieder bei dir bin.

Säusle, liebe Myrte! Und träum im Sternenschein, Die Turteltaube girrte Auch ihre Brut schon ein. Still zieh’n die Wolkenschafe Zum Born des Lichtes hin, Schlaf, mein Freund, o schlafe, Bis ich wieder bei dir bin.

13 GERNSHEIM

FRIEDRICH GERNSHEIM „Zu einem Drama“, Tondichtung für großes Orchester op. 82

Musikalische Wunderkinder – das Paradebeispiel Mozart wird natürlich immer als Erstes zitiert – sind, wie wir gerade gesehen haben, doch nicht so selten, und auch Friedrich Gernsheim gehört zu ihnen. Seine Mutter beginnt mit musikalischer Früherziehung, und mit sieben Jahren bekommt der hochbegabte Knabe vom Musikdirektor in Worms, Louis Liebe, neben praktischem Unter- richt auch eine Einführung in musiktheoretische Grundlagen. 1849 zieht die Familie nach Frankfurt, und Friedrich wird von damals führenden Kapazitäten in den Fächern Klavier, Violine und Theorie unterrichtet. Ein Jahr später tritt der Elfjährige in einem öffentlichen Konzert als Pianist, Geiger und Komponist auf: Für diesen Anlass hatte er eine Orchester-Ouvertüre geschrieben.

Mit 13 melden ihn seine Eltern als jüngsten Studierenden zur weiteren Ausbildung am berühmten neuen Leipziger Konservatorium an. In diesem von Mendelssohn und Schumann gegründeten Institut wird jetzt der virtuos konzertierende, dirigierende und komponierende Wunderknabe von hervor- ragenden Lehrern wie (Klavier) und Moritz Hauptmann (Komposition) weiter entwickelt. 1855 folgt ein mehr- jähriger Aufenthalt in der Metropole Paris, Gernsheim studiert nun bei François Marmontel am Conservatoire, perfektioniert sein Klavierspiel, erlebt die quirlige Musikwelt aus nächster Nähe und genießt die aufregende Atmosphäre. Er lernt Eduard Lalo, Camille Saint-Saëns, Hector Berlioz kennen, verkehrt in den berühmten Salons Gioacchino Rossinis, lernt bei ihm: „L’essentiel dans la musique, c’est la mélodie“ – und macht sich einen Namen als Pianist.

14 GERNSHEIM

1861 tritt er, versehen mit der „Bénédiction de Paris“, also mit einem „Gesellenbrief“ in der Hand, seine erste Stelle als Musik- direktor in Saarbrücken an, d.h., er leitet ein Kammerorchester und zwei Chöre. Vier Jahre später – der einflussreiche Komponist, Dirigent und Lehrer hatte den jungen, viel- versprechenden Mann schon einige Zeit beobachtet – bekommt Gernsheim eine Stelle als Lehrer für Klavier und Komposition am Kölner Konservatorium, die Stelle, für die auch Brahms schon einmal vorgesehen war; der hatte aber abgelehnt. Neun erfolgreiche Jahre verbringt Gernsheim in Köln, er schließt Freundschaft mit den Kollegen und Johannes Brahms, arbeitet mit Clara Schumann zusammen, und Engelbert Humperdinck wird sein bekanntester Schüler. Als Kapellmeister am Kölner Stadttheater leitet er eine der ersten Aufführungen von Brahms’ „Deutschem Requiem“, das in dieser Zeit als Trauermusik zu Ehren der Toten des Deutsch-Französischen Krieges sehr oft gespielt wurde. 1874 wird Gernsheim zum Musikdirektor in berufen.

In den folgenden 16 Jahren arbeitet er als Dirigent der Deutschen Oper in Holland und betreut die Konzertreihe „Eruditio musica“, ein Schwerpunkt der Programme sind Werke seines Freundes Brahms. Und er komponiert: 1875 präsentiert er seine 1. Sinfonie, und es folgen – wie bei Brahms – drei weitere. Es hat doch „… im Verhältnis dieser beiden Künstler eine gewisse Affinität nicht so sehr des Ausdrucks als der Gebärde gewaltet, die in gemeinsamen geistigen Strömungen und Stilproblemen ihren Grund haben mag“, so Gernsheims Biograph Karl Holl. Beide Komponisten sind also fest verwurzelt in der Tradition der klassischen Vorbilder, bei Brahms ist es eindeutig Beethoven, bei Gernsheim gehören auch Mendelssohn und Schubert dazu.

Gernsheims Werkkatalog umfasst vier Sinfonien, ein Klavierkonzert, zwei Violinkonzerte, Chorwerke, Kammermusik und Lieder und eine Sinfonische Dichtung, aber keine Oper.

15 GERNSHEIM

1902 schreibt er, der nie mit den Neudeutschen sympathisierte, immer sich auf traditionellen Pfaden bewegte, ein rätselhaftes Stück mit dem seltsamen Titel „Zu einem Drama“. Der Musik- wissenschaftler Carl Fuchs hat kurz nach der Uraufführung 1912 in der „Neuen Zeitschrift für Musik“ eine ausführliche Struktur- analyse veröffentlicht, deren Ergebnis er so zusammenfasst: „Es ist natürlich weder ein vorhandenes, noch ein künftiges gewünschtes Drama gemeint; es bleibt dem Hörer überlassen, sich ein literarisches Pendant dazu zu denken. Von diesem wäre nur soviel gewiß, daß es weder wie eine Schauertragödie mit etlichen dahingestreckten Leichen endigen, noch eine Feier moderner Erotik sein dürfte; es müßte mehr ein Innendrama einer reichen, in Leiden und Schaffen, Entsagen und Erringen reich und stark bewegten Seele sein.“

16 DIE INTERPRETEN

DIE INTERPRETEN

GABRIELE HIERDEIS, SOPRAN

Mit ihrem breit gefächerten Repertoire ist Gabriele Hierdeis eine international gefragte Sopranistin, deren Verpflichtungen sie nicht nur ins westeuropäische Ausland, sondern auch nach Russland, Ägypten, China sowie nach Nord- und Südamerika geführt haben. Durch zahlreiche Konzerte, Rundfunk- und CD-Aufnahmen mit renommierten Ensembles wie Musikpodium Stuttgart, Cantus Cölln, La Stagione Frankfurt (Ltg. M. Schneider), La Risonanza (Ltg. F. Bonizzoni) und The New Bach Ensemble (Ltg. J. Rifkin) etablierte sie sich bei vielen deutschen und internationalen Festivals als versierte Barockinterpretin.

Ebenso engagiert setzt sich Gabriele Hierdeis für zeitgenössische Musik ein und hat z.B. mit dem Ensemble Modern sowie dem Klangforum Wien unter Leitung von Sylvain Cambreling, Beat Furrer, Bernhard Kontarsky, Frieder Bernius und Franck Ollu Werke von Stockhausen, Ligeti, Penderecki, Berio, Lachenmann und Furrer und anderen ur- bzw. erstaufgeführt.

Für ihre ersten Opernengagements wurde sie an die Oper Frankfurt verpflichtet; danach folgten Theaterproduktionen am Schlosstheater Potsdam, im markgräflichen Opernhaus Bayreuth, im Rahmen der Schwetzinger Festspiele, des Festival d’Automne, Paris, des Steirischen Herbsts und des New Yorker Lincoln Festivals. Erfolgreiche CD-Einspielungen mit Gabriele Hierdeis liegen bei internationalen Labels wie harmonia mundi, Brilliant Classics, CPO u.a. vor. www.gabrielehierdeis.de

17 DIE INTERPRETEN

STEFAN SCHMITT, DIRIGENT

Stefan Schmitt studierte Gitarre an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt bei Michael Teuchert sowie Dirigieren bei Professor Hans-Dieter Resch, Jirí Starek und Bernhard Kontarsky.

FRANKFURTER ORCHESTER GESELLSCHAFT

1963 entstand auf Initiative von Horst Langkamm das Orchester der Volkshochschule Frankfurt. 1989 übernahm Stefan Schmitt die Leitung. Fünf Jahre später war die Suche nach einem geeigneten Probenort der Anlass, als Träger des Orchesters den Verein „Frankfurter Orchester Gesellschaft“ zu gründen.

Das Sinfonieorchester erarbeitet zwei Konzertprojekte im Jahr. Neben Werken der Klassik, Romantik und Spätromantik stehen immer wieder Uraufführungen auf dem Programm. Die Proben finden montags von 19:30 Uhr bis 22:00 Uhr im Musikübungszentrum Saalbau Schönhof, Rödelheimer Straße 38, statt (U-Bahn-Haltestelle Kirchplatz oder Westbahnhof).

18 IN EIGENER SACHE

IN EIGENER SACHE

Wenn Sie mehr über das Orchester erfahren oder selbst mitspielen möchten – zurzeit sind noch einige Streicherstellen frei –, wenden Sie sich bitte an unseren Dirigenten Stefan Schmitt (Telefon 06196 950906). Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage: www.frankfurter-orchester-gesellschaft.de

Das Sinfonieorchester der Frankfurter Orchester Gesellschaft ist als selbstständiger Verein auf die Unterstützung durch seine Mitglieder und auf Sponsoren angewiesen. Wenn Ihnen das Konzert gefallen hat und Sie unsere Arbeit fördern wollen, freuen wir uns über eine finanzielle Zuwendung, für die wir Ihnen gerne eine Spendenquittung ausstellen (Frankfurter Sparkasse, Bankleitzahl 500 502 01, Konto-Nummer 355 990).

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