Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Herausgebers ...... 9 Vorwort ...... 11

1 Einleitung ...... 13

2 Begriffsklärung ...... 15 2.1 DDR-Historiographie ...... 15 2.2 Lutherbild ...... 16 2.3 Kriterien bei der Quellenauswahl ...... 17

3 Forschungs- und Diskussionsstand ...... 19 3.1 Selbsteinschätzung − Die Standortbestimmung der DDR-Historiographie im allgemeinen Geschichtsverlauf ...... 19 3.2 Die historische Bewertung der DDR ...... 22 3.2.1 Die westdeutsche Perspektive ...... 22 3.2.2 Die ostdeutsche Perspektive ...... 28 3.3 Geschichtswissenschaft im DDR-Sozialismus ...... 33 3.3.1 Die Beurteilung der DDR-Geschichtswissenschaft nach dem Verhalten der einzelnen Historiker ...... 33 3.3.3 Strukturanalysen ...... 38 3.4 Deutungen zum Wandel des allgemeinen Geschichtsverständnisses in der 43 DDR 3.4.1 Das DDR-Geschichtsbild bis Mitte der 60er Jahre ...... 43 3.4.2 Veränderungen im DDR-Geschichtsbild ab Mitte der 60er Jahre ...... 44

4 Der ideologisch-organisatorische Rahmen der DDR-Geschichtswissen- schaft ...... 47 4.1 Die Organisation historischer Forschung in der DDR ...... 47 4.1.1 Die staatliche Wissenschaftsorganisation ...... 47 4.1.2 Wissenschaftsrelevante Parteigremien ...... 51 4.2 Der ostdeutsche Marxismus-Leninismus als weltanschaulicher und methodo- logischer Rahmen der DDR-Historiographie ...... 54 4.3 Das Individuum im Marxismus-Leninimus ...... 57

5 Problemstellung ...... 63 5.1 Forschungsstand ...... 63 5.2 Schlußfolgerungen für die Untersuchung ...... 67 6 Inhaltsverzeichnis

5.2.1 Zur Untersuchung der Lutherdarstellungen ...... 69 5.2.2 Zu den Motiven und Interessen der Historikerschaft und der SED ...... 70

6Frühe Lutherbilder in der DDR und ihre Vorläufer ...... 73 6.1 Luther und die Reformation bei ...... 73 6.2 Alexander Abusch: „Der Irrweg einer Nation” ...... 82 6.3 Alfred Meusel: „Thomas Müntzer und seine Zeit” ...... 85 6.4 Die Positionen der SED ...... 90 6.5 Zusammenfassung ...... 93

7 Auseinandersetzungen um die Bedeutung der Gesellschafts- und Kirchen- lehren Luthers ...... 95 7.1 Leo Stern: „Martin Luther und Philipp Melanchthon” ...... 95 7.2 Luther bei Müller-Streisand ...... 101 7.3 Melanchthonjubiläum und „Nationales Dokument” ...... 108 7.4 Günter Fabiunke: „Martin Luther als Nationalökonom” ...... 114 7.5 Rudolf Herrnstadt: „Die Entdeckung der Klassen” ...... 119 7.6 Internationale Reaktionen auf die Lutherdarstellungen in der DDR ...... 122 7.7 Zusammenfassung ...... 124

8 Das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution” ...... 127 8.1 Das Lehrbuch für deutsche Geschichte und die Arbeitsgruppe Steinmetz ...... 127 8.2 Max Steinmetz: „Deutschland von 1476 bis 1648” ...... 131 8.2.1 Darstellung ...... 131 8.2.2 Vergleich der ersten und der zweiten Auflage ...... 135 8.3 Die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe Steinmetz mit dem Herausgeberkol- lektiv des Lehrbuchs für deutsche Geschichte ...... 139 8.4 Internationale Reaktionen ...... 142 8.5. Zusammenfassung ...... 147

9 Das Reformationsjubiläum 1967 ...... 149 9.1 Planungen und Ausgangspositionen der Historiker ...... 149 9.2 Überlegungen und Ziele der SED ...... 152 9.3 Gerhard Zschäbitz: „Martin Luther. Größe und Grenze” ...... 155 9.4 Die Durchführung des Reformationsjubiläums ...... 162 9.5 Die Bewertung der DDR-Reformationsfeiern im Westen ...... 168 9.6 Zusammenfassung ...... 175

10 Die Luther-Ehrung 1983 ...... 177 10.1 Ursachenforschung − die Frage von Motivation und Initiative ...... 177 10.2 Die politisch-ideologische Konzeption ...... 182 10.3 Die Erarbeitung der „Thesen über Martin Luther” ...... 190 10.3.1 Erklärungen und Reaktionen zu den „Thesen“ ...... 197 Inhaltsverzeichnis 7

10.4 Gerhard Brendler: „Martin Luther. Theologie und Revolution” ...... 202 10.4.1 Darstellung ...... 202 Exkurs − Der Antinomerstreit bei Gerhard Brendler ...... 212 10.4.2 Die verwendete Literatur und das Problem des reformatorischen Durchbruchs 214 10.5 Die Kritik linker Theologen am offiziellen DDR-Lutherbild 1983 ...... 220 10.5.1 Die „Thesen über Martin Luther” ...... 220 10.5.2 Die Kritik an Brendlers Lutherbiographie und die Lutherdarstellung Wendel- borns ...... 222 10.5.3 Die Lutherserie im DDR-Fernsehen ...... 226 10.6 Die Durchführung der Luther-Ehrung 1983 ...... 228 10.7 Die wissenschaftliche Diskussion über die Luther-Ehrung in der DDR ...... 233 10.7.1 Einschätzungen im Westen ...... 233 10.7.2 Unabhängige Bewertungen in der DDR ...... 238 10.8 Das Lutherbild der DDR-Historiographie nach 1983 ...... 243 10.9 Darstellungen zum Wandel des Lutherbildes in der DDR nach 1989 ...... 245 10.10 Zusammenfassung ...... 249

11 Rückblicke − Interviews mit Beteiligten ...... 253 Siegfried Hoyer ...... 253 Siegfried Bräuer ...... 256 Horst Dohle ...... 260 Gerhard Brendler ...... 262 Siegfried Rakotz ...... 268 Adolf Laube ...... 272 Helmar Junghans ...... 275 Günter Vogler ...... 278 Joachim Rogge ...... 280

12 Auswertung ...... 285 12.1 Methodik der Lutherdarstellungen ...... 285 12.2 Konzeptionelle Entwicklungen ...... 289 12.3 Das Zusammenwirken von Historikern und SED ...... 294 12.4 Auseinandersetzungen mit anderen Forschungsansätzen ...... 297 12.5 Schlußfolgerungen ...... 300 12.6 Weiterführende Untersuchungen ...... 309

13 Dokumente ...... 311 13.1 Dokument 1 ...... 311 13.2 Dokument 2 ...... 317 13.3 Dokument 3 ...... 323 13.4 Dokument 4 ...... 329 13.5 Dokument 5 ...... 335 8 Inhaltsverzeichnis

13.6 Dokument 6 ...... 339 13.7 Dokument 7 ...... 341 13.8 Dokument 8 ...... 345 13.9 Dokument 9 ...... 348

14 Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 351

15 Personenregister ...... 371 Abkürzungen ...... 375 Vorwort des Herausgebers

Die vorliegende Schriftenreihe dient der Publikation sowohl von Untersuchungen mit Beiträ- gen zur epistemologischen Grundsatzreflexion als auch zur Wissenschaftsgeschichte im wei- testen Sinne. Dies meint vor allem die Selbstbesinnung der verschiedenen Wissenschaften auf die wichtigsten Elemente ihrer theoretischen Konzepte mit dem kritischen Nachvollzug der inneren und äußeren Prämissen, Bedingungen und Einflußfaktoren ihrer eigenen Entwick- lung.

Unter Einbeziehung sowohl der Geisteswissenschaften als auch der Naturwissenschaften, der Mathematik, Technik und Medizin sollen einerseits wichtige Aspekte der Theoriengeschichte als auch der Geschichte der konkreten Forschungspraxis in den verschiedenen wissenschaftli- chen Disziplinen Berücksichtigung finden. Dies bedeutet die Reflexion auf den Wandel in Form und Gegenstand der Fragestellung sowie der jeweiligen Sichtweisen, verbunden mit wechselnden wissenschaftlichen Erkenntniszielen. Deren Wandel und die höchst unter- schiedliche Validität der Forschungsergebnisse in Relation zu den sich verändernden gesell- schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen wissenschaftlichen Arbeitens sowie deren Zeitgebundenheit sind ebenso zu thematisieren wie die Ausprägung von Paradigmenwech- seln, Veränderungen in den Schwerpunktsetzungen und Binnendifferenzierungen in den ver- schiedenen Disziplinen.

Insofern vermögen die Studien der vorliegenden Schriftenreihe einerseits einen Beitrag zu leisten zum Bild einer Wissenschaft, das diese im Sinne eines Selbstverständnisses von sich und ihren Aufgaben im Laufe ihrer historischen Entwicklung konstituiert und gegebenenfalls geändert hat, andererseits im Blick auf die verschiedenen Leistungen der jeweiligen Disziplin deren Beziehung zu anderen, mitunter benachbarten Wissenschaften zu beschreiben und hier- durch zu einer spezifischen Profilbildung und gegenseitigen Abgrenzung der Fächer beizutra- gen. Durch eine Historisierung des Wissens sowie der wissenschaftlichen Erkenntnisprozesse und durch den wiederholten Hinweis auf die Bedingtheit wissenschaftlicher Erkenntnis kann mit den vorliegenden Studien vielleicht auch ein Beitrag zur Kritik an den immer noch gän- gigen Vorstellungen von dem angeblich unaufhaltsamen „wissenschaftlichen Fortschritt“ im Sinne eines teleologischen Prozesses geleistet werden.

HANNOVER DIETER BERG Vorwort

1986 verstörte ein Erfurter Weihbischof evangelische Synodale mit der Bemerkung, man lebe seit geraumer Zeit in einem postchristlichen Zeitalter, christliche Werte spielten in der Ge- sellschaft keine große Rolle mehr, die DDR unterscheide sich hier kaum von der Bundesre- publik. Das rief Befremden hervor, hatte doch der atheistische Staat DDR erst drei Jahre zu- vor seinen Frieden mit Martin Luther gemacht und den Reformator als einen der „größten Söhne” des deutschen Volkes gefeiert. In den Augen vieler Protestanten hatte dies gezeigt, wie wichtig der atheistische Staat die evangelischen Kirchen und ihre Traditionen nahm. Die Rede von der postchristlichen Gesellschaft rief die Unsicherheit in Erinnerung, die bei allem „dankbaren Erstaunen” der DDR-Kirchen über die vielen Möglichkeiten entstanden war, bei der staatlichen Luther-Ehrung 1983 in der DDR-Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Auch die westliche Berichterstattung hatte damals zwischen Mißtrauen und bei- fälligem Wohlwollen geschwankt, und selbst viele Parteifunktionäre waren nicht sicher, wie lange die neue Sprachregelung zu Luther gelten würde. War die gesellschaftliche Stellung der evangelischen Kirchen in der DDR tatsächlich so stark, daß sich die SED mit ihnen arrangie- ren musste oder wollte die Staatspartei Luther und die Kirchen für ihre Zwecke instrumenta- lisieren? Seit der Wende wird im Zusammenhang mit der Frage, wie staatstragend die lutheri- schen Kirchen im DDR-Sozialismus waren, der Blick hin und wieder auf das Lutherbild ge- richtet. Ist es der SED gelungen, mit ihrem politischen und wissenschaftlichen Lob Luthers die Kirchen zu vereinnahmen oder hat sie in „wunderbarer Verblendung” das ideologische Fundament der DDR ausgehöhlt, weil der Versuch den SED-Herrschaftsanspruch auch unter Verweis auf Luther zu legitimieren, kritische Geister zur Frage nach der grundsätzlichen mo- ralischen Rechtfertigung des Regimes ermutigte? Auch wenn es weder nach 1983 noch nach 1989 in Ostdeutschland eine lutherische Renaissance gegeben hat, scheint es doch unübersehbar, daß der Blick auf die historische Gestalt Martin Luther im nicht sehr christlichen Umfeld DDR bemerkenswerte Wirkungen entfaltet hat. Schon 1983 war es eine nicht nur in Kirchenkreisen oft diskutierte Frage, war- um marxistische Historiker Luthers Wirkung plötzlich auch mit den Grundzügen seiner Theologie begründeten, anstatt ausschließlich auf die bekannten gesellschaftspolitischen In- terpretationsmuster zurückzugreifen. Auf die Idee für die vorliegende Untersuchung hat mich Garry M. Dickson von der Universität Edinburgh bei einer Diskussion über marxistische Erklärungen für die Bedeutung religiöser Bewegungen im Mittelalter gebracht. Zusätzliche Anregungen ergaben sich wäh- rend einer Diskussion am Institut für Zeithistorische Forschungen in Potsdam. Hier bin ich besonders Martin Sabrow zu Dank verpflichtet, der mich dazu eingeladen hat. Weitere Ideen verdanke ich den Gesprächen mit beteiligten Historikern, Theologen und Funktionären, die hier zum Teil als Interviews veröffentlicht sind. Für Hinweise und zusätzliche Anregungen danke ich Dieter Besser, Martin Kramer, Werner Krusche, Alf-Hasso v. Rauchhaupt und Jo- hannes Schlemmer. Ganz besonders danke ich dem Herausgeber Dieter Berg, der mir die Veröffentlichung dieser Arbeit ermöglicht hat. Zu danken habe ich auch Vera Enke vom Archiv der - 12 Vorwort

Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Sylvia Gräfe von Stiftung Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv und den zahlreichen Mitarbeitern der Deut- schen Bücherei in Leipzig, die mir ihre Bestände nötigenfalls auch auf unkonventionelle Art zugänglich gemacht haben.

Berlin, im September 2000 Martin Roy Irgendwie hat man schon auf das Begleitgeräusch einer größeren intellektuellen Eruption gewartet, auf einen produktiven Strudel in den Hirnen − den hellsichtigeren Blick, den schärferen, kühleren Verstand, die der Stunde gerecht geworden wären, die uns allen die Köpfe zurechtgerückt, vor allem neue Kategorien, neue Begriffe hervorgebracht hätten, das Vorgefallene zu beschreiben und zu beurteilen, solche, die noch nicht in allen gestrigen Ga- zetten standen. Ein paar Versuche, sich von den alten Klischees freizuschwimmen und nun einmal auf eigene Faust loszudenken... (Dieter E. Zimmer, Die Zeit, 13. März 1992)

1 Einleitung

Bei der Betrachtung der Debatte um die Einschätzung der Rolle der DDR-Geschichts- wissenschaft im System der SED-Herrschaft fallen mehrere Besonderheiten auf. Zum einen besteht wohl für alle Beteiligten das Problem, ein sachlich-wissenschaftliches Verhältnis zum Forschungsgegenstand zu gewinnen. Die Verhältnisse und Strukturen, die untersucht und be- urteilt werden sollen, sind erst vor wenigen Jahren untergegangen. Man muß deshalb davon ausgehen, daß alle, die sich in der Diskussion zu Wort melden, bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht nur professionelle, sondern auch persönlich-emotionale Urteile zu Grunde legen. Dabei geht es nicht nur um die Selbstrechtfertigung ostdeutscher Historiker. Viele westdeutsche Historiker müssen sich heute fragen, was sie in den 70er und 80er Jahren dazu veranlaßt hat, bei der Diskussion über die Arbeiten ihrer DDR-Kollegen kaum noch zur Debatte zu stellen, daß diese ein grundsätzlich anderes Selbstverständnis als Wissenschaftler und deshalb auch andere Vorstellungen davon hatten, was historische Forschung zu leisten habe. Zum anderen fällt auf, daß bei der wissenschaftlichen Beurteilung der DDR- Geschichtswissenschaft die Frage nach der Systemnähe einzelner Historiker im Mittelpunkt steht. Der Verweis auf in der DDR veröffentlichte Arbeiten provoziert in der Regel die Frage, wie und warum es dem Betreffenden überhaupt möglich war, eine Veröffentlichung zu errei- chen. Viele halten es für fragwürdig, wenn DDR-Historiker das internationale Echo, das die eine oder andere Arbeit damals hervorrief, als Beweis für die wissenschaftliche Substanz her- anziehen. Es ist allerdings auch nicht überzeugend, wenn die hohe Zahl von Veröffentlichun- gen eines Historikers in der DDR per se als Zeichen seiner politischen Willfährigkeit gewer- tet wird. Läßt man die in der Debatte geäußerte Polemik einmal beiseite, wird schnell deutlich, daß die wissenschaftliche Aufarbeitung der DDR-Geschichtswissenschaft noch nicht sehr weit gediehen ist. Die Diskussion konzentriert sich weniger auf erste Forschungsergebnisse, sondern viel stärker auf die Frage, wer moralisch und ethisch legitimiert ist, die DDR- Geschichtswissenschaft zu erforschen. Über die wissenschaftlichen Herleitungen und Be- gründungen für damals geäußerte Einschätzungen wird dagegen kaum diskutiert. Ein weiteres Defizit ist, daß sich die Debatte im wesentlichen auf Arbeiten zur Ge- schichte des 20. Jahrhunderts und hier besonders auf Darstellungen zur Geschichte der DDR selbst beschränkt. Andere Forschungsbereiche sind bisher kaum untersucht worden. So gibt es zur sogenannten Erbeaneignung, mit der sich die DDR-Geschichtswissenschaft seit Ende 14 1 Einleitung der 60er Jahre bis dahin vernachlässigten Ereignissen der Nationalgeschichte zuwandte, kaum Untersuchungen. Dabei sind gerade DDR-Veröffentlichungen zu diesen Themen vor 1989 international stark beachtet worden. Für eine Untersuchung der wissenschaftlichen Leistungen der DDR-Geschichtswissen- schaft scheinen Veröffentlichungen zur Reformationsgeschichte besonders geeignet zu sein. Zum einen waren Reformation und Bauernkrieg für DDR-Historiker nicht erst seit 1970, son- dern schon seit den 40er Jahren ein Thema, zum anderen ist es offensichtlich, daß es hier im Laufe der Jahre wichtige Veränderungen gegeben hat. In diesem Zusammenhang waren die Wandlungen bei der Beurteilung der Person Martin Luthers besonders interessant. Nach dem Ende der DDR und der Öffnung der Archive stellt sich Frage nach der Ursache dieser Veränderungen neu. Die bisher vorliegenden Unter- suchungen zum Wandel des Lutherbildes in der DDR-Historiographie von Wohlfeil (1982) und Bräuer (1983) wurden veröffentlicht, als die Luther-Ehrung 1983 noch nicht abgeschlos- sen war. Zudem waren damals die Archive der SED und der Akademie der Wissenschaften der DDR noch nicht zugänglich. Jan Herman Brinks’ Untersuchung (1992) basiert auf dem Kenntnisstand von vor 1989, da er kein Archivmaterial verwendet hat. Bei der Untersuchung der Veränderungen des Lutherbildes der DDR-Historiographie geht es weniger um einen Vergeich von DDR-Arbeiten mit denen ausländischer Lutherfor- scher. Vielmehr soll hier nach den Gründen der Veränderungen des DDR-Lutherbildes und damit nach dem bleibenden Wert der entsprechenden Arbeiten gefragt werden. 2 Begriffsklärung

2.1 DDR-Historiographie Zur DDR-Historiographie sollen Arbeiten gezählt werden, deren Verfasser als Historiker ar- beiteten, die sich selbst als Anhänger der marxistisch-leninistischen Weltanschauung be- zeichneten, sich der DDR als sozialistischem deutschem Staat verpflichtet fühlten und sich aus diesem Selbstverständnis heraus bei ihrer historiographischen Arbeit der Methoden des Marxismus-Leninismus bedienten. Die Definition der DDR-Historiographie soll auch Arbeiten umfassen, deren Verfasser die methodologischen Vorgaben des Marxismus-Leninismus als wissenschaftliche Basis für ihre Arbeit akzeptierten, auch wenn sie selbst nicht Marxisten waren. Darüber hinaus sollen Arbeiten, die prägend und richtungsweisend für die Geschichtswissenschaft auf dem Gebiet der DDR waren, zur DDR-Historiographie gerechnet werden, auch wenn ihre Verfasser keine ausgebildeten Historiker waren. Dies gilt etwa für Beiträge von SED-Funktionären, die in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) veröffentlicht wurden1. Dazu sollen aber auch Arbeiten von Theologen gezählt werden, die sich in besonderer Treue mit der DDR verbun- den fühlten und den Anspruch erhoben, den DDR-Historikern in theologischen Fragen kom- petenten Rat geben zu können. Als Marxismus-Leninismus soll in diesem Zusammenhang die von Marx, Engels und Lenin begründete und von der SED bestimmte und definierte Staatsideologie der DDR gel- ten2. Dabei wird davon ausgegangen, daß diese Definition nicht immer eindeutig und für alle Lebensbereiche ausformuliert war. Sie ließ daher Interpretationsspielräume (Nischen) offen. Der Begriff DDR-Historiographie soll auch für Arbeiten gelten, die in der Zeit zwi- schen dem Ende des 2. Weltkrieges und der Gründung der DDR entstanden bzw. veröffent- licht wurden. Die Neuordnung der Hochschullandschaft in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) begann bereits unmittelbar nach Kriegsende. Dabei unterstützte die sowjetische Mili- täradminstration in Deutschland (SMAD) SED-nahe Akademiker bei ihren Versuchen, Ein- fluß auf die Hochschulpolitik zu gewinnen und sie schließlich unter Kontrolle zu bringen3. Es

1Vgl. Günther Heydemann: Geschichtswissenschaft im geteilten Deutschland. Entwicklungsgeschichte, Organi- sationsstruktur, Funktionen, Theorie- und Methodenprobleme in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (= Erlanger Historische Studien Bd. 6, hg. von Karl-Heinz Ruffmann und Hubert Rumpel), Frankfurt a. M., Bern, Cirencester/U.K. 1980, S. 151. 2 Dies entspricht einer von der DDR-Geschichtswissenschaft selbst gelehrten Definition des Marxismus- Leninismus. Danach wurde er von Marx und Engels begründet und von Lenin weiterentwickelt. Er beruht auf dem Wissen um die „inneren Bewegungsgesetze“ der Welt. Die Lehre des Marxismus-Leninismus wurde nach dem Tod Lenins von den „marxistisch-leninistischen Parteien bewahrt, vertieft und den Bedürfnissen gemäß weiterentwickelt“. Walther Eckermann, Hubert Mohr et al (Hg.): Einführung in das Studium der Geschichte, 4. durchgesehene und ergänzte Auflage, Berlin 1986, S. 20. 3 Alexander Fischer: Der Weg zur der Geschichtswissenschaft in der SBZ 1945-1949 (Über- arbeitete Fassung eines Artikels in der VfZ 10 (1962), H. 2, S. 149-177), in: Alexander Fischer/Günther Hey- demann (Hg.): Geschichtswissenschaft in der DDR, Bd. 1: Historische Entwicklung, Theoriediskussion und Geschichtsdidaktik (= Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung Bd. 25/I), Berlin 1988, S. 48- 3 Forschungs- und Diskussionsstand

3.1 Selbsteinschätzung − Die Standortbestimmung der DDR-Historiographie im allgemeinen Geschichtsverlauf10 DDR-Historiker haben für ihre Geschichtswissenschaft stets eine „objektive” Überlegenheit über westlich-“kapitalistische” Forschungsansätze behauptet. Zur Begründung wurde zum ei- nen auf Marx und Engels verwiesen, die unterstellt hatten, chronologisch spätere Gesell- schaftsformationen seien zu höherer Erkenntnis fähig als frühere11. In diesem Zusammen- hang wurde darauf hingewiesen, daß der Sozialismus in der DDR ökonomisch und gesell- schaftlich angeblich höher entwickelt sei, als der (zur gleichen Zeit existierende) Kapitalis- mus. Demzufolge sei auch die Erkenntnisfähigkeit der hier lebenden und arbeitenden Histo- riker prinzipiell höher, als die ihrer westlichen Kollegen12. Nur im Sozialismus seien die Be- dingungen erfüllt, Historiographie als Wissenschaft zu betreiben. Zum anderen wurde die Überlegenheit der DDR-Historiographie aus der Anwendung des Marxismus-Leninismus als einzig wissenschaftlicher Weltanschauung in der Historiogra- phie abgeleitet. Nach allgemein anerkannter Auffassung wurde diese Weltanschauung von den marxistisch-leninistischen Parteien bewahrt, vertieft und den Bedürfnissen entsprechend weiterentwickelt13. Der Parteieinfluß galt nicht als Behinderung historischer Forschung, son- dern als wissenschaftsfördernd. − Noch 1986 wurden die stalinistischen Säuberungen der 30er Jahre als Voraussetzung des Aufschwungs der sowjetischen Geschichtswissenschaft beschrie- ben14. Um diese Voraussetzungen „echter Wissenschaftlichkeit” zu verteidigen, sollte die DDR-Geschichtswissenschaft in der weltweiten ideologischen Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus gegen die Ergebnisse und Methoden „bürgerlicher” Geschichtswissenschaft auftreten. Dabei handelte es sich auch nach dem offiziellen Selbstverständnis der Historiker nicht um einen fachlichen Meinungsstreit, sondern um grundsätzliche Positionen15, um eine „Spielart des Klassenkampfes”16. Mit anderen Worten: Hier wurde Loyalität statt Wissen- schaftlichkeit gefordert. In der Bereitstellung ideologischer Instrumente für die von der SED geleitete Auseinandersetzung mit dem Klassengegner sahen die DDR-Historiker ihre politi- sche Aufgabe, ihren Beitrag zur Veränderung der Welt. Sie glaubten, so ganz im Sinne der marxschen Feuerbachthese17 zu handeln18.

10 Die folgende Darstellung ist die Wiedergabe einer Selbstdarstellung der DDR-Geschichtswissenschaft aus dem Jahre 1986. (Eckermann/Mohr) Es handelt sich dabei um eine Einführung für Geschichtsstudenten. Auf inter- nationalen Fachtagungen mögen sich DDR-Historiker anders - „aufgeklärter“ - präsentiert haben. 11 Vgl. MEW Bd. 13, S. 8 f. 12 „Die sich objektiv vollziehenden Prozesse richtig widerzuspiegeln, d.h. zu erforschen und darzustellen, ist nur möglich vom Standpunkt der Arbeiterklasse.“ Eckermann/Mohr, S. 32. 13 Vgl. ebenda, S. 20. 14 Vgl. ebenda, S. 103 f. 15 Vgl. ebenda, S. 117 f. 16 Ebenda, S. 26. 17 Vgl. MEW Bd. 3, S. 7 - Daran schloß sich auch Engels' Freiheitsbegriff an. Vgl. MEW Bd.20, S. 106. 20 3 Forschungs- und Diskussionsstand

Marx hatte seine Methode als eine Art Fixpunkt am Ideenhimmel verstanden, von dem aus alle − später auch von Weber geforderten − rationalen Reflexionen und Hinterfragungen des eigenen Standpunktes, seiner Ursachen und der Bedingtheit der Fragestellungen, der Methodik, der Begriffe usw. gültig und mit letzter Sicherheit beantwortet werden könnten19. Er glaubte, mit seiner Methode alle wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Einflüs- se in ihrer tatsächlichen Wirkung auf die historische Forschung vollständig reflektieren zu können. Marx’ Vorstellungen sind Ausdruck des Wissenschaftsverständnisses des 19. Jahr- hunderts. Für ihn sind diese Ideen stets eine Idealvorstellung geblieben. Er hatte sich auch selbst aus der gesellschaftlichen Totalität seiner Zeit immer wieder „herausdenken” müssen. Die DDR aber propagierte sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts mit Hilfe der marxi- stisch-leninistischen Geschichtswissenschaft selbst als nunmehr materiell-irdisch gewordener Fixpunkt für wissenschaftliches Arbeiten. Die Wissenschaftler reklamierten eine gesell- schaftliche Realität für sich, die wissenschaftliche Erkenntnis nicht nur fördere, sondern überhaupt erst möglich mache. Die gesellschaftlichen und insbesondere die politischen Ein- flüsse auf die Geschichtswissenschaft, die den „bürgerlichen” Kollegen immer als Hindernis bei ihrem Streben nach objektiver Erkenntnis vorgehalten wurden, hatten in der DDR angeb- lich aufgehört, historische Forschung zu behindern. Sie waren im Gegenteil die Vorausset- zung für wissenschaftliche Historiographie:

„Das Studium der Beschlüsse und Dokumente der Partei der Arbeiterklasse sind [sic!] die grundle- gende Voraussetzung für [...] das schöpferische Herangehen an die wissenschaftlichen Probleme mit den Mitteln und Methoden der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft.“20 Dies bedeutete die Verweigerung einer wissenschaftlichen Diskussion historiographischer Methoden. SED und DDR-Geschichtswissenschaft reklamierten für sich ein Wahrheitsmono- pol und bürdeten die Beweisführung für die Richtigkeit anderer Methoden den Nicht- Marxisten auf. Die Wechselwirkung zwischen politischem System und DDR-Historiographie lief letztlich darauf hinaus, daß die bloße Existenz der DDR als Beweis für die Richtigkeit des wissenschaftlichen Ansatzes ihrer marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft galt21 und diese innerhalb des kommunistischen Machtbereiches der Bewährung im wissen- schaftlichen Diskurs mit anderen Theorieansätzen praktisch entzog. Diese Einstellung wurde bis 1989 nicht revidiert. Die Vorstellung, daß es nur eine historische Wahrheit gebe und die Behauptung, daß die marxistisch-leninistische Historiographie als einzige Historikerschule wahre Ergebnisse abliefern könne, verlangten dringend nach einem einheitlichen Geschichtsbild. Methodenplu- ralismus und eine Vielzahl unterschiedlicher Geschichtsdarstellungen galten als Ausdruck der

18 Vgl. Eckermann/Mohr, S. 33-35, 43. 19 Vgl. Jürgen Kocka: Max Webers Bedeutung für die Geschichtswissenschaft, in: Ders. (Hg.): Max Weber als Historiker (= Historische Studien zur Geschichtswissenschaft 73), Göttingen 1986, S. 19. 20 Eckermann/Mohr, S. 555. 21 Die konkrete Argumentation konnte plump sein (Ernst Diehl: Geschichtswissenschaft der DDR im revolutionä- ren Weltprozess, in: Einheit 28 (1973), H. 1, S. 54-63) sich als „Klassikerexegese“ gerieren (: Parteilichkeit und Objektivität in der Geschichtswissenschaft, in: ZfG 16 (1968), H. 1, S. 74-79) oder sich in- haltlich mit anderen Historikerschulen auseinandersetzen (Gerhard Brendler: Zum Prinzip der Parteilichkeit in der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft, in: ZfG 20 (1972), H. 3, S. 277-301). Das Ergebnis war immer gleich: Wir haben recht, weil bei uns die marxistisch-leninistische Partei regiert. 4 Der ideologisch-organisatorische Rahmen der DDR-Geschichtswissenschaft

4.1 Die Organisation historischer Forschung in der DDR 4.1.1 Die staatliche Wissenschaftsorganisation 1945 existierten auf dem Gebiet der späteren DDR Universitäten in Jena, Leipzig, - Wittenberg, Berlin, Rostock und Greifswald. Der Vorlesungsbetrieb setzte erst Anfang 1946 wieder ein, der Lehrbetrieb im Fach Geschichte erst zum Wintersemester 1946/47156. Die Hochschulpolitik der SMAD und der mit ihr kooperierenden Kommunisten ließ den Studien- betrieb und die Universitätsstrukturen bis etwa 1948 relativ unberührt157. Das lag nicht zu- letzt daran, daß es zu diesem Zeitpunkt kaum akademische Lehrer gab, die Historiker und gleichzeitig Anhänger des Marxismus-Leninismus waren. Um diesem Mangel abzuhelfen, wurden 1946 „Vorstudienanstalten” für Arbeiter- und Bauernkinder geschaffen, die 1949 in „Arbeiter- und Bauern-Fakultäten” (ABF) umgewandelt wurden. Hier wurde nach marxi- stisch-leninistischen Grundsätzen unterrichtet158. Ende der 40er Jahre begann die SED mit Hilfe administrativer Maßnahmen eine ver- stärkte Zentralisierung des gesamten Bildungswesens und eine Etablierung des Dialektischen und Historischen Materialismus als dominierende Forschungsmethode. Nach sowjetischem Vorbild wurden nach und nach Pflichtvorlesungen, ein festes Kurssystems sowie einheitliche Lehrpläne und Lehrbücher für alle Hochschulen eingeführt. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die „Vo r l äufige Arbeitsordnung der Universitäten und wissenschaftlichen Hochschu- len der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 23.5.1949” (1. Hochschulreform)159. Seit Gründung der DDR stand das gesamte Hochschulwesen unter der zentralen Leitung zu- nächst des Volksbildungsministeriums und ab 1951 eines selbständigen Staatssekretärs für das Hochschulwesen, die verbindliche Richtlinien (Studienpläne, Prüfungsrichtlinien usw.) her- ausgaben. Mit der 2. Hochschulreform 1951 war die Neustrukturierung der Universitätsland- schaft im wesentlichen abgeschlossen160. Der Marxismus-Leninismus wurde obligatorischer Bestandteil des Geschichtsstudiums161. Die Studentenvertretungen waren 1946 zunächst wieder hergestellt worden. Die Ver- treter nicht-kommunistischer Organisationen hatten hier vorerst die Mehrheit. Ab 1948 wurde das Wahlgesetz für die Studentenvertretungen jedoch so geändert, daß die SED-nahen Orga-

156 Vgl. Albrecht Timm: Das Fach Geschichte in Forschung und Lehre in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1955 (= Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland), Bonn 1957, S. 8. 157 Vgl. Heydemann, Geschichtswissenschaft, S. 139-142. 158 Vgl. Neuhäußer-Wespy, SED, S. 16-17. 159 Siegfried Baske/Martha Engelbert (Hg.): Zwei Jahrzehnte Bildungspolitik in der Sowjetzone Deutschlands. Do- kumente, Bd. 1, 1945 bis 1958, Berlin 1966, S. 115-122. 160 Ebenda, S. 180-184. Vgl. besonders § 3. 161 Vgl. Timm, S. 17 und Analge 1, S. 47-58. 48 4 Der ideologisch-organisatorische Rahmen der DDR-Geschichtswissenschaft nisationen in Zukunft die Mehrheit der Stimmen gewinnen konnten. 1952 wurden die Studen- tenvertretungen aufgelöst. Opposition gegen diese Entwicklung wurde brutal unterdrückt. Mehrere Studentenvertreter, die die Zustände offen kritisierten, wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet162. Die gerade installierten Leitmechanismen wurden zur verstärkten Auseinandersetzung mit Vertretern der „bürgerlichen” Geschichtswissenschaft genutzt163, wobei all diejenigen als „bürgerlich” galten, welche bei ihrer Arbeit die von der SED sanktionierten Richtlinien und marxistisch-leninistischen Forschungsprinzipien nicht oder nicht vollständig anwandten164. So wurden bestimmte ostdeutsche Historiker z.B. daran gehindert, zu Historikertagungen in den Westen zu reisen165. Bis dahin war die Auseinandersetzung eher propagandistisch verlau- fen166. Widerstand gegen den immer stärkeren Zugriff der Politik auf die Universitäten und die Durchsetzung eines bestimmten Wissenschaftsideals mit politisch-administrativen Mitteln regte sich unter Geschichtsstudenten bis Ende der 50er Jahre167. Bereits 1946 wurde auf Befehl des SMAD die „Deutsche Akademie der Wissenschaf- ten” (DAW) gegründet und mit der Zeit nach dem Vorbild des sowjetischen Hochschulmo- dells zur wissenschaftlichen Leitinstanz ausgebaut168. Sie unterstand dem Ministerrat der DDR und verfügte seit 1952 über eine historische Abteilung169. 1956 wurde das Institut für Geschichte bei der Akademie der Wissenschaften gegründet170, das die „zentrale Leitstelle für alle Vorhaben auf dem Gebiet der Geschichte” wurde171. Es sollte dabei auch der Durch-

162 Vgl. Ammer, S. 145-152. Das bekannteste Opfer dieser Kampagne war Arno Esch. 163 Vgl. Timm, S. 11 f. 164 Um den Einfluß „bürgerlicher“ Historiker auf das Geschichtsstudium auszuschalten, wurde das Fach Geschich- te an einigen Universitäten kurzerhand aufgehoben, bis genügend marxistisch-leninistische Kader zur Verfü- gung standen. Vgl. Heydemann, Geschichtswissenschaft, S. 147. Diese Kader wurden teilweise durch ein nicht über die Universitäten laufendes „Fernstudium Geschichte“ eines „Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts“ herangebildet. Dort wurde Geschichte ausschließlich unter marxistisch-leninistischen Vorzeichen gelehrt. Die so ausgebildeten Nachwuchskräfte besetzten die durch den Krieg freigewordenen Stellen an Schulen und Uni- versitäten. Vgl. Timm, S. 11-13. 165 Baske/Engelbert, S. 23. 166 Vgl. Timm, S. 11. 167 Vgl. Ammer, S. 152-157 168 Die Akademie trat als Nachfolgeeinrichtung der „Kurfürstlich Brandenburgischen Societät der Wissenschaften“ auf und übernahm auch Forschungseinrichtungen der „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“. Vgl. /Winfried Ranke/Jürgen Winkler: So funktionierte die DDR, Bde. 1 und 2: Lexikon der Organisationen und Institutionen, Reinbeck bei Hamburg 1994, S. 35. Seit 1972 firmierte die Akademie unter der Bezeichnung „Akademie der Wissenschaften der DDR“ (AdW). Vgl. ebenda; vgl. Die Akademie der Wissenschaften der DDR. Geschichte und Auftrag, hg. im Auftrag des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR vom Sekretär des Präsidiums, Berlin 1987, S. 17-20. 169 Dabei handelte es sich entweder um die „Historische Kommission“ (vgl. Sabrow, Parteiliches, S. 204) oder den „Sektor Geschichte“ (vgl. Timm, S. 41). Sabrow schreibt von einer seit 1952 existierenden „Sektion Geschich- te“ bei der Akademie. Eine Sektion entstand jedoch erst 1964 durch Umwandlung des Akademie-Instituts für Geschichte. Vgl. Johannes Hörnig: Ein neuer Abschnitt in der Geschichtswissenschaft. Zur Bildung der Sektion Geschichte bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, in: ZfG 12 (1964), H. 3, S. 381-403. Wahrscheinlich hatte die Bezeichnung „Sektion“ 1952 eine andere Bedeutung als 1964. 170 Vgl. Sabrow, Parteiliches, S. 204 f. 171 Timm, S. 41. 5 Problemstellung

5.1 Forschungsstand Im Hinblick auf ihre allgemeine Bewertung wird die DDR-Historiographie heute als eine Disziplin betrachtet, in der exakte Wissenschaft zumindest möglich war, obwohl sie aufgrund der Umstände immer wieder der Forderung ausgesetzt war, „politisch brauchbare” Ergebnisse abzuliefern. Selbst für Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung in der DDR wird bisher eher allgemein geschlußfolgert, daß diese den politischen Wünschen der SED entsprachen. Über konkrete Auseinandersetzungen sind bisher vornehmlich Erfahrungsberichte bekannt geworden. Die beruflichen und privaten Vorteile, die der einzelne Historiker aus der politi- schen Instrumentalisierung seines Forschungsergebnisses ziehen konnte, wurden bislang nur unter allgemeinen Aspekten erörtert245. In der vorliegenden Literatur ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß die Weiterentwicklungen der marxistisch-leninistischen Historiograpie in der DDR darauf beruh- te, daß sich die Historiker weniger darauf konzentrierten, als Ursache jeder geistigen Ent- wicklung eine konkrete ökonomische Veränderung nachzuweisen. Bereits bei Marx und En- gels finden sich Hinweise darauf, daß eine zu enge, formalistische Verknüpfung von wirt- schaftlich-materieller Basis und geistig-ideellem Überbau die wissenschaftliche Bewertung historischer Ereignisse erschwere. Dies kann als Ausdruck einer Diskrepanz zwischen den metaphysischen Erklärungsmustern des Marxismus-Leninismus und den bei der Forschung am konkreten Gegenstand ans Licht gekommenen Fakten und Zusammenhängen gewertet werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß es in der DDR-Historiographie zu Einzelfragen in dieser Hinsicht am ehesten zu Veränderungen gekommen sein dürfte. Um Widersprüche zu vermeiden, mußten dann ideologische Zusammenhänge neu gewichtet und dogmatische Aussagen neu interpretiert werden, was wiederum Auswirkungen auf die Methodik aber auch auf politische Überlegungen haben konnte. In dem Maße aber, in dem die strikte Verbindung von wirtschaftlicher und ideeller Entwicklung gelockert wurde, reduzierte sich offenbar der „Sinn” von Geschichte auf den Fortgang der Formationsabfolge. Der Nachweis der Formationsabfolge in der Geschichte wurde damit zum letzten durchgän- gigen charakteristischen Motiv der DDR-Historiographie. Unter den DDR-Historikern hat es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen über den Grad einer legitimen politischen Beeinflussung gegeben, und zumindest gegen Versuche der politischen Entscheidungsträger, in bestimmten Fragen das Geschichtsbild allein festzule- gen und die Historiker zu ausführenden Organen zu degradieren, hat es Widerstand gegeben. Dabei handelte es sich jedoch offenbar nicht um eine Frage der wissenschaftlichen Prinzipi- en. Bisher sind keine empirischen Anhaltspunkte dafür erbracht worden, daß sich hinter der Verteidigung der Wissenschaft gegen ein tagespolitisch motiviertes Diktat sozusagen „oppo- sitionelle” wissenschaftliche Prinzipien verbargen, welche die marxistisch-leninistische Me- thodik der Erforschung von Geschichte grundsätzlich ablehnten und ihr ein eigenes historio-

245 Zu nennen sind insbesondere Kowalczuk, Durchsetzung und Sabrow, Parteiliches. 6 Frühe Lutherbilder in der DDR und ihre Vorläufer

6.1 Luther und die Reformation bei Friedrich Engels Bei ihren Lutherdarstellungen haben sich alle DDR Autoren auf Friedrich Engels’ Bauern- kriegsschrift aus dem Jahre 1850252 berufen. Dies zeigte sich insbesondere bei der Beschrei- bung der gesamtgesellschaftlichen Situation und der Einschätzung der Rolle und der Stärke der einzelnen Klassen. Mit Engels gingen alle Autoren davon aus, daß die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland gegen Ende des 15. Jahrhunderts auf eine Entscheidung drängte. Dafür wurden Formulierungen verwendet wie „Deutschland stand an einer entscheidenden Wende seiner Geschichte”253, am „Endpunkt einer vorangegangenen langen Entwicklung”254 oder am „Vorabend der frühbürgerlichen Revolution”255. Dies waren Umschreibungen des Begriffs „allgemeine gesellschaftliche Krise”, die in der marxistisch-leninistischen Termino- logie stets als Zeichen einer bevorstehenden sozialen Revolution benutzt wurde. Eine solche stand laut Engels bevor, weil die weitere Entwicklung kapitalistischer Produktionsformen von der feudalen Ordnung behindert wurde256. Auch bei der Beschreibung von Einzelheiten hat man sich oft auf Engels berufen. Veränderungen des Lutherbildes stützten sich auf spätere Äußerungen und Notizen von Engels zu Bauernkrieg und Reformation. Wegen dieser weitreichenden und weitgehend unkritischen Übernahme der Positionen eines sogenannten „Klassikers” des Marxismus-Leninismus scheint es angebracht, zunächst Engels’ Schriften zu untersuchen. Im Gegensatz zu Marx, der sich mit der Reformation nur am Rande befaßte, hat sich Engels, angeregt durch Wilhelm Zimmermann, eingehend mit dem Verhältnis von Luther und Müntzer, von Reformation und Bauernkrieg beschäftigt. Während sich Marx in seiner poin- tierten Charakterisierung der lutherischen Reformation allein auf die geistigen Wirkungen Luthers bezog257, hat Engels in seiner 1850 erschienenen Schrift zum Bauernkrieg versucht, die Ereignisse in ihrer Gesamtheit welthistorisch zu deuten und sie in die Theorie der Forma- tionsabfolge einzuordnen. Die Bauernkriegsschrift stellt damit einen der ersten Versuche dar, Historiographie im Sinne des Marxismus zu betreiben.

252 MEW Bd. 7, S. 329-413. 253 Abusch, S. 7. 254 Leo Stern: Martin Luther und Philipp Melanchthon - ihre ideologische Herkunft und geschichtliche Leistung. Eine Studie der materiellen und geistigen Triebkräfte und Auswirkungen der deutschen Reformation, Berlin 1953, S. 7. 255 Steinmetz, Lehrbuch, S. 7. 256 Vgl. MEW Bd. 7, S. 330-332. 257 „Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Paffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt.“ MEW Bd. 1, S. 385 f. 90 6 Frühe Lutherbilder in der DDR

6.4 Die Positionen der SED Neben den beiden untersuchten Arbeiten hat die SED nach dem 2. Weltkrieg auch die Her- ausgabe weiterer Bücher zu Reformation und Bauernkrieg gefördert. Wieder aufgelegt wur- den Kautsky358 und Mehring359, dazu die seit Ende des 19. Jahrhunderts populäre Volksaus- gabe von Zimmermann und selbstverständlich Engels Bauernkriegsschrift. Bei seinen Noti- zen zu einer Neufassung seiner Bauernkriegsschrift hatte sich Engels auf Anregungen Kauts- kys bezogen360. Eine eigene klare Position der SED zu Luther läßt sich aus diesen Veröffentlichungen jedoch nicht ableiten. Die SED hat sich zwar sehr früh von extremen Vertretern der Mise- retheorie distanziert und sich um eine differenzierte Beurteilung Luthers bemüht361, Anhän- ger dieser Theorie scheint es aber bis etwa 1960 in der SED-Führung gegeben zu haben. Nur so lassen sich die zahlreichen Neuauflagen von Abuschs „Irrweg einer Nation” erklären. Ob- wohl Meusel Luther differenzierter bewertete als Abusch, weil er dessen „pronationale” Wir- kungen stärker herausstellte, ist es doch fragwürdig, bereits hier von einer allgemeinen Ten- denz zur Differenzierung zu sprechen, wie dies DDR-Historiker immer wieder getan ha- ben362. Es fraglich, ob Meusels Arbeit das Produkt eigenständiger Forschungen ist. Selbst in der DDR-Geschichtswissenschaft ist dies später eingeräumt worden363. Einflußnahmen der SED-Führung auf einzelne Lutherdarstellungen sind für die Zeit vor 1960 nicht nachzuweisen. Wahrscheinlich hat die SED-Führungsebene es vor dieser Zeit nicht für notwendig gehalten, mit förmlichen Beschlüssen auf die Lutherdarstellungen Ein- fluß zu nehmen. Bedeutsam scheint jedoch eine Veranstaltung gewesen zu sein, bei der am 5. Oktober 1952 Politiker wie Kurt Hager und Hermann Duncker sowie Meusel, Kuczynski und der Leipziger Mediävist Heinrich Sproemberg über „Luther und die Stellung zu den Bauern” dis- kutierten. Dabei bezog Hager gegen einige Positionen Meusels Stellung und beklagte, daß „so wenig gesagt wurde über die sozialökonomischen Hintergründe” der Reformation364. Hager erklärte außerdem, die Darstellung Luthers in der Historiographie dürfe diesen nicht völlig entstellen, sie müsse auch unter dem Gesichtspunkt der „nationalen Erziehung unseres Vo l k e s ” erfolgen365.

358 : Vorläufer des neueren Sozialismus, Bd. 2, Berlin 1947. 359 Franz Mehring: Deutsche Geschichte vom Ausgang des Mittelalters, Berlin 1947. 360 Vgl. Engels' Brief an Kautsky, MEW Bd. 37, S. 274. 361 So etwa Johannes R. Becher. Vgl. Bräuer, Luther in marxistischer Sicht, S. 7. 362 Z.B. Max Steinmetz: Die Entstehung der marxistischen Auffassung von Reformation und Bauernkrieg als früh- bürgerliche Revolution, in: ZfG 22 (1967), H. 8, S. 1079-1089; Horst Haun: Die Diskussion über Reformation und Bauernkrieg in der DDR Geschichtswissenschaft 1952-54, in: ZfG 30 (1982), H. 1, S. 5-22; Horst Bar- tel/Walter Schmidt: Das historisch-materialistische Lutherbild in Geschichte und Gegenwart, in: ZfG 32 (1984), H. 4, S. 281-301. 363 Vgl. Haun, S. 7. 364 Vgl. ebenda, S. 15. 365 Vgl. Georg Krausz: Diskussion um Luther und die deutsche Reformation, in: ND 31.1. 1953. Es handelt sich dabei um die Wiedergabe verschiedener Referate. 7 Auseinandersetzungen um die Bedeutung der Gesellschafts- und Kirchenlehren Luthers

7.1 Leo Stern: „Martin Luther und Philipp Melanchthon” Auch Leo Stern gilt als einer der wissenschaftspolitisch bedeutendsten Historiker der DDR in den 50er und 60er Jahren. Er war von 1951 bis 1953 Prorektor und danach bis 1959 Rektor der Martin-Luther-Universität Halle. 1959 wechselte er an die Akademie der Wissenschaften, deren Vizepräsident er von 1963 bis 1968 war. Er war einer der Autoren des Lehrbuchs der deutschen Geschichte. Auch viele andere historiographische Projekte gehen auf seine Initiati- ve zurück376. Leo Stern hat mehrere Arbeiten zu Martin Luther verfaßt und trat zuerst 1953 mit ei- nem Vergleich zwischen Luther und Melanchthon an die Öffentlichkeit. Darin beschrieb er den Anbruch einer „frühkapitalistischen Produktionsweise” als die wichtigste „objektive” Tendenz der Zeit zwischen etwa 1470 und der Reformation377. Außerdem nannte er die Ent- stehung von Nationalstaaten in Form absolutistischer Monarchien als allgemeine Entwick- lungstendenz378. Nur in Italien und Deutschland sei es zu keiner nationalstaatlichen Entwick- lung gekommen. Deshalb seien beide Staaten zu Objekten der Weltpolitik geworden379. Die Lage der deutschen Reichsteile um 1500 sah Stern durch „Elemente des Aufstiegs und der Rückständigkeit” gekennzeichnet. Als Zeichen für Erstere beschrieb er das Handels- und Wucherkapital der Fugger und Welser. Zeichen der Rückständigkeit sah er in der „Un- gleichmäßigkeit der ökonomischen Entwicklung in den einzelnen Territorien” und im Fehlen eines politischen und ökonomischen Zentrums in Deutschland. Deshalb sei das gut organisier- te Bürgertum lokal beschränkt gewesen380. Die spezifischen Wirtschaftsbeziehungen der „frühkapitalistischen Produktionsweise” beschrieb Stern kaum anders als die eines „normalen” Kapitalismus. Er sprach für das 16. Jahrhundert von einer „Manufakturperiode”, die vom „Handels- und Wucherkapital” be-

376 Vgl. Links, S. 712 f. 377 Vgl. Stern, Luther, S. 15 - Diese Bezeichnung könnte als die Einführung einer zusätzlichen Gesellschaftsforma- tion bezeichnet werden, da Marx den Begriff Produktionsweise oft anstelle von Gesellschaftsformation ver- wendet hat. Das wäre gleichbedeutend mit einer Veränderung der Formationstheorie und damit einer der Grundannahmen des Marxismus-Leninismus gewesen. Stern ging darauf aber nicht weiter ein und hat besonde- re Eigenschaften dieser Produktionsweise auch nicht näher erläutert. Offensichtlich hat er es selbst nicht so ge- meint. Auch die Kritik hat dies offenbar nicht so aufgefaßt. Andernfalls hätte es mit Sicherheit größere Diskus- sionen über diese These gegeben. 378 Vgl. ebenda. Die Reformation selbst bezeichnete Stern als „Übergangsepoche“ vom Feudalismus zum Kapita- lismus. 379 Vgl. ebenda, S. 19 f. Dieser Fakt konterkarriert allerdings die von Stern behauptete Parallelität von kapitalisti- scher und nationalstaatlicher Entwicklung. Warum sich im wirtschaftlich hochentwickelten Italien nicht zu al- lererst ein Nationalstaat bildete, erklärte Stern nicht, obwohl sich dort laut seiner eigenen Darstellung der Früh- kapitalismus am frühesten herausgebildet hatte. 380 Vgl. ebenda, S. 20 f. 7.2 Luther bei Müller-Streisand 101

7.2 Luther bei Müller-Streisand In die Versuche der SED, Einfluß auf jede Form öffentlich finanzierter Historiographie in der DDR zu nehmen, wurde seit Mitte der 50er Jahre auch die Kirchengeschichtsschreibung ein- bezogen. Politisch bedeutsam war dies vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwi- schen Staat und Kirche in der DDR in dieser Zeit. Staatliche Stellen versuchten einerseits, den Einfluß der Kirchen auf die Gesellschaft zurückzudrängen, andererseits wollten sie selbst Einfluß auf die Kirchen gewinnen416. In diesem Zusammenhang waren das Selbstverständnis der Kirchen in der DDR und ihre Staatslehre wichtig, die bei den evangelischen Landeskir- chen naturgemäß stark mit der Lutherrezeption der Kirchen zusammenhingen. Von christlichen Kirchenhistorikern und kirchlich angestellten Theologen waren in der DDR in den fünfziger Jahren mehrere Arbeiten zu Luther veröffentlicht worden417. Außer- dem wurden ältere und weithin anerkannte nicht-marxistische Arbeiten zu Luther wieder auf- gelegt418. Demgegenüber kann von einem Interesse der SED an einer vom etablierten kirchli- chen Lutherverständnis abweichenden und theologisch begründeten Lutherdarstellung ausge- gangen werden. Darüber hinaus bestand offensichtlich der Wunsch, daß diese Darstellung Luther im Sinne einer von der SED gewünschten unbedingten Loyalitätshaltung der Christen gegenüber dem Sozialismus und der DDR interpretierte. In dieser Situation erschien 1958 eine von Rosemarie Müller-Streisand verfaßte Dis- sertation zu Luthers Kirchenverständnis. Müller-Streisand stellte ihre Arbeit ausdrücklich in den Dienst einer marxistisch-leninistischen Profangeschichtsschreibung, der sie sich in „kritischer Parteilichkeit” verbunden fühlte419.

416 Insbesondere wegen ihrer fortbestehenden Mitgliedschaft in der EKD erhob die SED gegen die evangelischen Kirchen in der DDR immer wieder der Vorwurf, sie seien gegenüber der DDR nicht loyal. Etwa nachdem Otto Dibelius, der evangelische Bischof von Berlin-Brandenburg, vom amerikanischen Präsidenten Truman emp- fangen worden war (vgl. Koch, Hans Gerhard: Eine neue Erde ohne Himmel. Der Kampf des Atheismus gegen das Christentum in der „DDR“ - Modell einer weltweiten Auseinandersetzung, Stuttgart 1963, S. 74). Im Laufe der Auseinandersetzungen in den fünfziger Jahren verdächtigte die SED die evangelischen Kirchen mehrfach, die völkerrechtliche Legitimation und die Staatsautorität der DDR in Frage zu stellen, insbesondere, nachdem die EKD mit der Bundesregierung 1957 den Militärseelsorgevertrag abgeschlossen hatte (vgl. Herbst/Ran- ke/Winler, S. 143). Mitunter trugen die Kirchen aber auch selbst zu solchen Verdächtigungen bei. So be- schwerten sie sich z.B. 1953 während der Auseinandersetzungen um die „Junge Gemeinde“ in der DDR bei der SMAD als „oberster Regierungsinstanz“ über die DDR-Regierung (ebenda, S. 452). In dieser Zeit wurden in der DDR mehrere christliche Organisationen gegründet, die DDR und SED-Herrschaft grundsätzlich bejahten und die Politik der SED in den Gemeinden und Kirchen propagierten und verteidigten. Zu nennen sind hier un- ter anderem die „Christlichen Kreise“ in der „Nationalen Front“, der „christliche Arbeitskreis“ beim „Friedens- rat der DDR“ (gegründet 1955), der „Bund evangelischer Pfarrer in der DDR“ und die „Christliche Friedens- konferenz“ (gegründet 1958). Vgl. ebenda, S. 148. 417 U.a. Walter Elliger: Luthers politisches Denken und Handeln, Berlin 1952, Franz Lau: Luthers Lehre von den beiden Reichen, Berlin 1952. 418 Etwa Heinrich Boehmer: Der junge Luther, 4. Auflage mit einem Nachwort von Heinrich Bornkamm, Leipzig 1951. 419 Obwohl Müller-Streisand meinte, daß sich Kirchen- und materialistische Profangeschichtsschreibung gegensei- tig befruchten könnten, beschrieb sie das Verhältnis doch so, daß die marxistisch-leninistische Historiographie keinen besonderen Nutzen aus einer Zusammenarbeit ziehen könnte. Die Kirchengeschichtsschreibung be- schäftige sich nämlich mit Dingen, die einen quasi irrationalen oder „negativistischen“ Kern hätten, über den keine wissenschaftlich überprüfbaren Aussagen getroffen werden könnten. Das Primat der Geschichtsinterpre- 8 Das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution”

8.1 Das Lehrbuch für deutsche Geschichte und die Arbeitsgruppe Steinmetz Die Erstellung des Lehrbuches für deutsche Geschichte, die seit 1952 geplant war und sich mehr und mehr hinzog, war das Hauptprojekt der DDR-Historiographie in den 50er Jahren. Es sollte die offizielle Sicht der DDR auf die deutsche Geschichte nach einem einheitlichen Konzept vermitteln. Die Unterlagen der ZK-Abteilung Wissenschaften, die sich mit den Ar- beiten am Lehrbuch befassen, haben größtenteils organisatorische Probleme und Fragen des Arbeitsablaufes zum Thema. Inhaltliche Probleme tauchen nur selten auf und beschäftigen sich nicht mit der Darstellung Luthers und der Reformation560. Meusel, der sich die Arbeit am Abschnitt über die „frühbürgerliche Revolution” selbst vorbehalten hatte, scheint wegen der strikten Überwachung der anderen Autoren (er schrieb bis zu sechs ausführliche Gutachten zu ein und demselben Artikel) kaum zur Arbeit an sei- nem eigenen Projekt gekommen zu sein. Nach internen Reibereien und Kritik an der schlep- penden Fertigstellung der einzelnen Lehrbuchabschnitte wurde der erkrankte Meusel 1960 als Herausgeber abgelöst. Auch die Verantwortung für den Abschnitt zu Reformation und Bau- ernkrieg mußte er abgeben. Wenige Monate später starb er. Als Autor des Lehrbuchabschnit- tes „Deutschland 1476-1608” wurde Max Steinmetz berufen561, der sich bereits 1953 kritisch zu Meusels Müntzerbuch geäußert hatte562. Steinmetz hat nach eigenem Bekunden keine Vorarbeiten Meusels vorgefunden. Auch methodologische und geschichtstheoretische Fragen zu diesem Zeitabschnitt seien „sträflich vernachlässigt” worden, schrieb er563. Dem ZK kam es beim Lehrbuch für deutschen Geschichte offensichtlich mehr auf die zügige Fertigstellung eines „geschlossenen nationalen Geschichtsbildes der Geschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart” an, als auf konkrete inhaltliche Fragen und wissenschaftliche Probleme564. Die diesbezüglichen Beschlüsse der „Historikerberatun-

560 Offensichtlich wandten sich einzelne Mitglieder des Autorenkollektivs nur in Streitfällen an das ZK, um sich ihre eigene Auffassung möglichst vom ZK sanktionieren zu lassen. So z.B. Meusel, der Kuczynski, der sich nicht überzeugen ließ, mittels einer Intervention des ZK disziplinieren wollte (23.3.1958), oder Engelbergs ge- hässige Behauptung, selbst seine Sekretärin verstehe mehr von der Materie als Alfred Meusel, der Leiter des Autorenkollektivs (15.11.1958). Als Armutszeugnis und Ausdruck weitreichender Verunsicherung muß ein Schreiben des Autorenkollektivs vom 5.12.1958 gelten, in dem das Sekretariat des ZK gar um Hinweise für die Arbeit an bestimmten Lehrbuchabschnitten gebeten wurde. Vgl. SAPMO-BA DY30/IV 2/9.04/109. 561 Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV A2/9.04/138. 562 Vgl. Steinmetz, Rezension zu Meusel. 563 Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV A2/9.04/138. Eine solche Formulierung stellte ihn natürlich auch als einen, wenn nicht den Gründervater der DDR-Reformationsgeschichtsschreibung heraus. 564 Um die Arbeiten am Lehrbuchabschnitt 1476-1648 (Der Zeitraum 1608-1648 wurde zwar zusammen mit Steinmetz' Beiträgen veröffentlicht, jedoch nicht von ihm und seinem Team, sondern von Roland Franz Schmied erstellt. Vgl. Steinmetz, Lehrbuch, S. 5 f.) möglichst bald zum Abschluß zu bringen, wurde Steinmetz von immer mehr und schließlich von so gut wie allen Lehrverpflichtungen befreit, ohne daß dies, wie seinerzeit bei Meusel, öffentlich bekannt gegeben wurde. Auch Steinmetz' Mitarbeiter wurden von möglichst vielen Ver- pflichtungen freigestellt. Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV A2/9.04/138 sowie SAPMO-BA, DY30/IV 2/9.04/140. 128 8 Das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution” gen” beschränkten sich auf unrealistische Terminforderungen565 und allgemeine Richtlinien. So forderte die Beratung von Historikern und der ZK-Abteilung Wissenschaften am 20. Janu- ar 1961, bei der „Ausarbeitung der Traditionen” müsse alles „Positive, Progressive und Na- tionale der deutschen Geschichtsschreibung” zu einem festen Bestandteil der DDR-Ge- schichtswissenschaft werden. Der „imperialistischen Geschichtsschreibung”, die im Dienste der „Abendland- oder Europaideologie ... der Adenauer-Regierung” stehe und diese Traditio- nen verfälsche und verleugne, müsse entgegengetreten werden. Dies kann als Reaktion auf eine Tendenz in der westdeutschen Historiographie betrachtet werden, Ereignisse, die bis dahin als national bedeutsam gefeiert worden waren, wie etwa die Reformation oder die Be- freiungskriege wegen der damit verbundenen Überhöhung des Nationalen kritisch zu beurtei- len. Seitens der Historiker gab es offenbar keine Einwände gegen diese grundsätzliche histo- riographische Ausrichtung566. Stern hat sie, wie bereits gezeigt, später eifrig propagiert. Max Steinmetz, der allgemein als Urheber des Konzepts der „frühbürgerlichen Revo- lution” gilt, hatte bei Gerhard Ritter in Freiburg studiert und lehrte zunächst in Jena. 1960 ging er nach Leipzig und wurde dort ein Jahr später Direktor des Instituts für deutsche Ge- schichte, das damals Leitinstitut für die Geschichte der Reformationszeit war. Von 1962 bis 1968 war er Dekan der Philosophischen Fakultät der Karl-Marx-Universität. Er war außerdem lange Zeit Redakteur der ZfG567. Am 29. Mai 1960 gründete Steinmetz die Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der Re- formation und des Bauernkrieges (frühbürgerliche Revolution) in Deutschland”. Ihr gehörten u.a. Gerhard Brendler, Gerhard Zschäbitz, Manfred Bensing und Siegfried Hoyer an, mithin jene Autoren, die später die Reformationsgeschichtsschreibung in der DDR praktisch domi- nieren sollten. Ingrid Mittenzwei gehörte ebenfalls zu dieser Arbeitsgemeinschaft568. Die von Steinmetz gegründete Arbeitsgemeinschaft trat von vornherein mit dem An- spruch auf, eine „Wende in der marxistischen Geschichtswissenschaft der DDR” herbeiführen zu wollen. Brendler schrieb in seinem Bericht über die Gründung der Arbeitsgemeinschaft, bislang seien auf diesem Gebiet kaum eigenständige theoretische Bemühungen zu verzeich- nen, man habe sich darauf beschränkt, neu erschlossenes Quellenmaterial mit „Klassiker- zitaten” zu verbinden. Die Arbeitsgemeinschaft forderte nun ein verstärktes Studium der marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie in Verbindung mit vergleichenden Untersu- chungen der Vorgeschichte und des Verlaufs der „frühbürgerlichen Revolution” in Deutsch- land, der Revolutionen in den Niederlanden und England sowie der Durchsetzung der Refor-

565 Steinmetz wurde z.B. am 27.3.1961 in einer der ersten Sitzungen nach Übernahme des Lehrbuchabschnitts „Deutschland von 1476-1608“ aufgefordert, die Veröffentlichung bis spätestens (!) 1962 sicherzustellen. Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV 2/9.04/109. 566 Aus den Akten geht allerdings nicht hervor, ob die Grundzüge dieser Konzeption im Wesentlichen von den Hi- storikern selber stammten und von den SED-Gremien lediglich sanktioniert worden waren. Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV 2/9.04/140. Bereits bei Meusel findet sich die Tendenz, die DDR als Fortsetzerin nationaler Traditio- nen darzustellen. Vgl. Meusel, S. 52, 62-66. 567 Vgl. ZfG 35 (1987) H. 9, S. 819 f. 568 Vgl. Gerhard Brendler: Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der Reformation und des Bauernkrie- ges (frühbürgerliche Revolution) in Deutschland“, in: ZfG 9 (1961) H.1, S. 202-204. 9 Das Reformationsjubiläum 1967

9.1 Planungen und Ausgangspositionen der Historiker Eine erste „Aussprache” zur Ausgestaltung des 450. Jahrestages des Thesenanschlages zwi- schen staatlichen Stellen und Wissenschaftlern fand am 18. September 1964 im Staatsekreta- riat für das Hoch- und Fachschulwesen statt. An dem Treffen nahmen Vertreter des Staatsse- kretariats und der ZK-Abteilung Wissenschaften sowie Steinmetz, Stern und Sterns Mitarbei- ter Hans-Joachim Bartmuß teil. Die Teilnehmer beschlossen, 1967 einen staatlichen und ei- nen akademischen Festakt anläßlich des 450. Jahrestages des Thesenanschlages durchzufüh- ren. Außerdem sollte in Wittenberg eine wissenschaftliche Tagung zur Reformationsgeschich- te veranstaltet werden, mit dem Ziel, vor allem die progressive und nationale Seite der Re- formation allseitig zu beleuchten. Es wurde bereits vereinbart, daß an dieser Tagung evange- lische Theologen aus der DDR, Ungarn und skandinavischen Ländern teilnehmen sollten. Außerdem sollte eine Festschrift zum Reformationsjubiläum herausgegeben werden. Von ei- ner geplanten Lutherbiographie war nicht die Rede. Die ebenfalls 1967 durchgeführten Fei- ern zur Wartburggründung (900. Jahrestag) und zum 150. Jahrestag des Wartburgfestes wur- den bei diesem Treffen nicht erörtert704. Am 10. November 1965 beschloß das ZK-Sekretariat, offenbar auf Vorschlag der ZK- Abteilung Wissenschaften, ein Komitee zur Gestaltung der staatlichen Reformationsfeiern zu berufen. Diesem sollten Vertreter aus Staat, Kirchen und SED angehören. Die Aufgaben des Komitees waren die „Koordinierung aller staatlichen und kirchlichen Maßnahmen” und die „zentrale Kontrolle der Durchführung”705. Das Politbüro bestätigte diesen Vorschlag im We- sentlichen am 15. März 1966706. Das Koordinierungskomitee konstituierte sich am 8. Juni 1966. Zuvor waren eine „Zentrale Kommission zur Leitung der drei Jubiläen” (9. Mai) und ein „Organisationskomitee” (3. Juni) gegründet worden. Das Koordinierungskomitee diente offenbar vornehmlich der Außenwirkung. Die eigentliche Arbeit wurde in den anderen beiden Gremien erledigt707. Am 1. Dezember 1964 schrieb Steinmetz, die Arbeitsgemeinschaft für die Geschichte der Reformation und des Bauernkrieges wolle die Vorbereitungen auf die Veranstaltungen zum 450. Jahrestag der Reformation im Jahre 1967 übernehmen. Wie aus einem Protokoll vom 20. Januar 1965 hervorgeht, war zu diesem Zeitpunkt bereits fest geplant, eine Luther- und eine Müntzerbiographie herauszubringen und 1967 eine wissenschaftliche Konferenz zu den Auswirkungen der Reformation abzuhalten708. Als Verfasser waren für beide Biographi- en Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft vorgesehen709.

704 Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV A 2/9.04/88. 705 Vgl. SAPMO-BA, DY30/JIV 2/3-1126. 706 Vgl. SAPMO-BA, DY30/JIV 2/2-1048. 707 Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV A 2/14/25. 708 SAPMO-BA, DY30/IV A2/9.04/138. Die Beratung trug ähnlichen Charakter wie die am 18.9.1964. 709 BA, DR1/3680. 150 9 Das Reformationsjubiläum 1967

Das kann jedoch nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß die Initiative zu diesen Vorhaben tatsächlich von Steinmetz und der Arbeitsgemeinschaft ausging710 und sich Stern eher passiv verhielt. Es ist nicht einmal sicher, ob eine solche Idee überhaupt aus dem Wis- senschaftsapparat und nicht aus der Partei kam. Auf Grund der Aktenlage kann auch keine Aussage darüber getroffen werden, ob Stern oder Steinmetz oder beide zusammen das ZK für eine solche Feier zu gewinnen trachteten711. Obwohl sich das ZK-Sekretariat erst am 10. No- vember 1965 erstmalig mit den Reformationsfeiern beschäftigte712, kann davon ausgegangen werden daß es dazu bereits vorher Überlegungen im Apparat gab. Vor allem der kurze Zeit- raum zwischen der ersten Erwähnung der geplanten Jubiläumsveranstaltungen für 1967 und der festen Planung für eine Lutherbiographie spricht dafür, daß es bereits vor dem 18. Sep- tember 1964 auch im ZK-Apparat zumindest Überlegungen zu diesen Plänen gab. Aus den Unterlagen der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel beim DDR-Kulturministerium geht zudem hervor, daß die Verträge für die Lutherbiographie 1964 unterzeichnet wurden, wobei die Auslieferung offenbar zunächst für 1965 und dann für 1966 geplant war713. Dennoch scheint es wahrscheinlich, daß die Idee einer staatlich organisierten Feier des Reformationsjubiläums von Historikern stammte. Zum einen findet sich in den 1960 bis 1962 im ZK-Apparat beschlossenen Forschungsplänen für die DDR-Geschichtswissenschaft noch kein Hinweis auf ein solches Vorhaben. Zum anderen war dies zumindest für Stern nach der Würdigung Melanchthons logisch und konsequent. Auch für die Arbeitsgruppe Steinmetz war nach der intensiven Beschäftigung mit der Materie während der Erarbeitung des Lehrbuchab- schnittes eine Würdigung des Thesenanschlages naheliegend. Zudem setzte die Propagan- daarbeit der SED zur positiven Würdigung der Reformation erst 1966 voll ein. Bis dahin war die Reformation stets sehr kritisch betrachtet worden. Vor allem wurde sie nicht als Einheit von Fürsten- und Volksreformation dargestellt. Erinnert sei hier nur an Fabiunkes und Herrn- stadts Veröffentlichungen (s.o.). Gerade Letztere dürfte als genaue Wiedergabe der Parteiline zu betrachten sein. Auch der relativ frühzeitige Hinweis auf das 450. Reformationsjubiläum (Der 400. Todestag Melanchthons war erst 1959, also weniger als ein Jahr vor Beginn der Feierlichkei- ten an die zentralen Parteigremien herangetragen worden) könnte auf ein besonderes und langfristiges Interesse der DDR-Historiker an einer selbstverfaßten und wissenschaftlich ei- genständigen Lutherdarstellung zurückgeführt werden. Dies korrespondiert auch mit dem selbstgesteckten Ziel der „Arbeitsgruppe frühbürgerliche Revolution”, ab 1965 eigene For-

710 Es wird nicht angenommen, daß die Arbeitsgruppe nach einem langfristigen, einheitlichen und sorgfältig erar- beiteten Konzept zielstrebig daran ging, die wichtigsten Posten in der DDR-Reformationsgeschichtsschreibung an sich zu reißen. Es wird vielmehr von einem informellen Zusammenwirken einzelner - nicht aller - Mitglieder ausgegangen, die sich einem gemeinsam erarbeiteten Konzept, das sie für genuin marxistisch hielten, in beson- derer Weise verpflichtet fühlten. Die meisten anderen DDR-Historiker - auch Stern - haben diesem Konzept ebenfalls zugestimmt, wenn auch wahrscheinlich weniger begeistert. Der Terminus war in vielerlei Hinsicht si- cher ein Formelkompromiß. Die Durchsetzung und Propagierung dieses Konzeptes wurde also primär nicht als Karriereförderung für Seilschaftsmitglieder betrieben, sondern als wohlverstandener Dienst an der Wissen- schaft. 711 ABBAW, ZIG 122. 712 Vgl. SAPMO-BA, DY30/JIV 2/3-1126. 713 Vgl. BA, DR1/3680. 168 9.5 Die Bewertung der DDR-Reformationsfeiern im Westen

9.5 Die Bewertung der DDR-Reformationsfeiern im Westen Spätestens seit dem Reformationsjubiläum 1967 wurde auch in der Bundesrepublik deutlich, daß das Lutherbild der DDR-Historiographie durchaus veränderbar war811. Angesichts der nachfolgenden Hinwendung der DDR-Historiker zum „nationalen Erbe” verstärkte sich dieser Eindruck noch. Über die Gründe dafür gab es verschiedene Ansichten. Ausländische (sprich nichtdeutsche) Autoren äußerten sich später eher befremdet über die neue Darstellung Lu- thers in der DDR-Historiographie, aber auch über die westdeutschen Reaktionen darauf812. Ein Teil der Autoren beurteilte das veränderte Lutherbild der DDR-Historiographie als Zeichen einer veränderten Politik der SED oder des gesamten Ostblocks. Für Joseph Fosche- pot lag der Ausgangspunkt des Wandels im Geschichtsverständnis der DDR in einer veränder- ten ideologischen Konzeption. Wegen ihrer nach dem Mauerbau 1961 konsolidierten Macht- position in der DDR habe die SED etwa ab 1967 die primär machtlegitimierende Funktion der Historiographie durch eine ideologiebildende Funktion ersetzen wollen813. Die Ge- schichtswissenschaft habe nun die Aufgabe zugewiesen bekommen, das Staatsbewußtsein der Bevölkerung zu verbessern und die DDR als Endpunkt aller positiven Tendenzen der deut- schen Geschichte darzustellen. Dabei habe auch Luthers Erbe Teil des Staatsbewußtseins werden sollen814. Foschepot sah in der Entwicklung des Konzepts der „frühbürgerlichen Re- volution” den Ausdruck einer „welthistorisch-dialektischen Betrachtungsweise” in der DDR- Historiographie815. Da Reformation und Bauernkrieg nun nicht mehr als Gegensätze verstan- den worden seien, sei dies gleichbedeutend mit der Aufgabe der Zwei-Linien-Theorie816. Die Beschreibung der subjektiven Intentionen Luthers werde durch diese Methode weiterhin ver- nachlässigt817. Ulrich Neuhäußer-Wespy glaubte, die oft auch als „Erbedebatte” bezeichnete Hinwen- dung der DDR-Historiographie zu bis dahin vernachlässigten Gebieten der deutschen Ge- schichte einzig auf ein verändertes Geschichtsverständnis der SED-Führungsspitze zurück- führen zu können. Er versuchte dies durch Exegese der einschlägigen Parteitagsbeschlüsse und andere Veröffentlichungen wie etwa dem zentralen Forschungsplan herzuleiten. Neuhäu- ßer-Wespy ging davon aus, daß die Voraussetzung für die Erbedebatte in der DDR die Umori- entierung der DDR-Geschichtswissenschaft von einer eher DDR-nationalen zu einer univer- salgeschichtlichen Perspektive gewesen sei. Den Grund für die Neuorientierung sah Neuhäu- ßer-Wespy in der stärkeren ideologischen Ausrichtung der DDR an der Sowjetunion nach dem Sturz Ulbrichts. Der in dieser Zeit häufig verwendete Begriff „welthistorischer Prozeß” bedeutete für Neuhäußer-Wespy nichts weiter als die Betonung der führenden Rolle der So-

811 Vgl. Friedrich Wilhelm Kantzenbach: Martin Luther. Der bürgerliche Revolutionär (= Persönlichkeit und Ge- schichte, Bd. 68, Göttingen 1972, S, 11. 812 Vgl. Georg G. Iggers: Geschichtswissenschaft in der ehemaligen DDR aus Sicht der USA, in: Jarausch, S. 58, 62-65; Ders.: Parteilichkeit, Einige Bemerkungen zu neueren historischen Studien aus der DDR, in: Fi- scher/Heydemann, S. 165 f. 813 Vgl. Foschepot, S. 144. 814 Vgl. ebenda, S. 149. 815 Die Lehre vom Dualismus zwischen dem Volksreformator Müntzer und dem Fürstenreformator Luther, die bis Mitte der 60er Jahre vorherrschte, bezeichnete Foschepot als „national-materialistisch“. Vgl. ebenda, S. 112 f. 816 Vgl. ebenda. 817 Vgl. ebenda, S. 67-70. 9.5 Die Bewertung der DDR-Reformationsfeiern im Westen 169 wjetunion bei der Entwicklung der Menschheit. Damit war für ihn die Aufgabe des Postulats verbunden, die DDR sei primär das Resultat nationaler Entwicklungen. Diese Umorientierung der DDR-Historiographie sei zwischen dem VIII. Parteitag der SED (15.-19. Juni 1971) und dem V. Historikerkongreß des Deutschen Historikerverbandes der DDR (12.-15. Dezember 1972) erfolgt. Der Historikerkongreß habe entsprechende Parteitagsbeschlüsse „umge- setzt”818. Die Umorientierung selbst nannte Neuhäußer-Wespy ein „Lehrbeispiel für die Ge- staltung des Verhältnisses zwischen Politik und Wissenschaft unter den Auspizien des ‘real existierenden Sozialismus’”819. Bei dieser Interpretation hat Neuhäußer-Wespy jedoch die Ve ränderungen des Lutherbildes vor 1971 und damit auch das Reformationsjubiläum 1967 ignoriert. Neuhäußer-Wespy bewertete die Neuorientierung der DDR-Historiographie durchaus positiv. Er konstatierte größere Sachlichkeit, Offenheit und Ehrlichkeit in der wissenschaftli- chen Arbeit, die den Blick für Fakten und Probleme schärfe, die bisher vernachlässigt worden sei820. Die Tendenz der DDR-Historiographie, die Rolle der Sowjetunion für die Entstehung der DDR herauszustreichen, sei seit Mitte der 70er Jahre schwächer geworden. Statt dessen beobachtete Neuhäußer-Wespy ein größeres DDR-Selbstbewußtsein821. Das Problem solcher Darstellungen ist, daß man mit ihnen zwei konträre Begründun- gen für das veränderte Lutherbild in der DDR unterstellen kann. Man kann davon sprechen, daß die SED mit den Reformationsfeiern 1967 die historische Eigenständigkeit der DDR de- monstrieren wollte, um das auf dem VII. Parteitag 1967 ausschließlich für die DDR propa- gierte „Entwickelte System des Sozialismus” (ESS) mit seiner Autonomie gegenüber dem Sozialismusmodell in der Sowjetunion zu begründen. Damit kann allerdings nicht erklärt werden, warum nach dem Sturz Ulbrichts, der Rücknahme des „Entwickelten Systems des Sozialismus” und der engen Anbindung der DDR an die Sowjetunion unter Honecker die re- lativ positive Wertung Luthers und der Reformation beibehalten bzw. wieder aufgegriffen wurde. Auf der anderen Seite steht die Argumentation Neuhäußer-Wespys, der behauptet, die Hinwendung der DDR-Geschichtswissenschaft zu Luther und dessen positive Bewertung sei erst nach dem Sturz Ulbrichts und der Liquidierung des von ihm propagierten nationalbeton- ten Sonderweges der DDR erfolgt, das neue Lutherbild sei deshalb politisch Honeckers Werk. Dazu muß man allerdings wie Neuhäußer-Wespy die bereits unter Ulbricht erfolgten Verände- rungen ausblenden. Für beide Interpretationen besteht das Problem darin, daß außer dem po- litischen Willen der SED praktisch keine weiteren Faktoren für die Veränderungen des Lu- therbildes der DDR-Historiographie untersucht wurden. Andere Autoren betrachteten das neue Lutherbild der DDR-Geschichtswissenschaft als Resultat einer rein wissenschaftlichen Auseinandersetzung der marxistisch-leninistischen Ge- schichtswissenschaft mit Luthers Leben und Werk. So beurteilte Bernd Moeller, Zschäbitz’ politisierende Stellungnahmen am Ende seiner Lutherbiographie als angesichts der Verhält- nisse „wohl unvermeidlich”. Ansonsten argumentiere Zschäbitz differenziert und auch ge- genüber den marxistischen Verurteilungen Luthers kritisch. Insgesamt sei die Arbeit ein „gut

818 Vgl. Ulrich Neuhäußer-Wespy: Zur Neuorientierung der DDR-Geschichtswissenschaft seit 1971, in: GWU 31 (1980), H. 3, S. 172-177; Neuhäußer-Wespy, Aspekte und Probleme, S. 78-82. 819 Ebenda, S. 77. 820 Vgl. ebenda, S. 88, 101 f. 821 Vgl. ebenda, S. 102. 10 Die Luther-Ehrung 1983

10.1 Ursachenforschung − die Frage von Motivation und Initiative Erste Überlegungen für die Gestaltung des 500. Luthergeburtstages gab es am Zentralinstitut für Geschichte (ZIG) der Akademie der Wissenschaften im Laufe des Jahres 1977. Bei der Erstellung eines Perspektivplanes für die 80er Jahre wurde für 1983 eine Lutherbiographie avisiert, die Gerhard Brendler erarbeiten sollte. − Das war allerdings nicht außergewöhnlich. Im selben Dokument finden sich auch Planungen für die 200-Jahrfeier der französischen Re- volution 1989859. − Danach tauchen in der Akademie Pläne zum Lutherjubiläum 1983 erst wieder im November 1978 auf860. Brendler war etwa bis zu diesem Zeitpunkt noch mit einer anderen Arbeit beschäftigt, die 1979 erscheinen sollte861. Für die Zeit zwischen etwa der zweiten Jahreshälfte 1977 und November 1978 waren keine Unterlagen zu wie auch immer gearteten konkreten Plänen oder Vorbereitungen für die Luther-Ehrung 1983 zu finden. Am 7. November 1978 wurden die Mitglieder einer interdis- ziplinären „Arbeitsgruppe zur Koordinierung der wissenschaftlichen Vorbereitungsarbeiten zum Luther-Jubiläum” benannt. Das ZIG schlug Horst Bartel als Leiter, Brendler als Sekretär, Adolf Laube und andere vor. Weitere Mitglieder waren Vogler, Steinmetz und Hoyer862. Die Einrichtung einer solchen Koordinierungsgruppe, der alle namhaften Frühneuzeit-Historiker der DDR angehörten, war ohne Zustimmung und Unterstützung der SED-Zentrale kaum denkbar, da alle Beteiligten noch andere Verpflichtungen hatten. D.h., es kann davon ausge- gangen werden, daß das Projekt zu diesem Zeitpunkt bereits mit der SED abgestimmt war. Der Apparat des Zentralkomitees wurde auf das bevorstehende Lutherjubiläum offen- sichtlich von kirchlichen Stellen aufmerksam gemacht. Nach der Neuwahl des Vorstandes des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) 1977 bemühte sich Manfred Stolpe um ein Treffen des Vorstandes mit der SED-Parteispitze863. Seinen Verhandlungspartnern aus dem ZK-Apparat gegenüber deklarierte Stolpe das geplante Spitzengespräch als Antrittsbe- such. Er plante jedoch von vornherein, dabei mehr als protokollarische Höflichkeiten auszu- tauschen. Bei einem Treffen mit Vertretern der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen erklärte er am 9. November 1977, er halte es für nützlich, bei einem solchen Gespräch Fragen zu erör- tern, bei denen greifbare und bis in die einzelnen Gemeinden spürbare Ergebnisse erzielt

859 Vgl. ABBAW, ZIG 103. 860 Vgl. ABBAW, ZIG 709, Bd. 2. 861 Vgl. ABBAW, ZIG 116. 862 Vgl. ABBAW, ZIG 709, Bd. 2. 863 SAPMO-BA, DY30/IV B 2/14/7. Ein solches Treffen war insofern von Bedeutung, als die DDR den 1969 ge- gründeten Kirchenbund zwar anerkannt hatte und auch mit seinen Vertretern verhandelte, ein Spitzengespräch aber von beiden Seiten bis dahin vermieden worden war. Erst ein solches offizielles Zusammentreffen bedeute- te die volle Anerkennung des Bundes, der nach der Trennung der evangelischen Kirchen in der DDR von der EKD zumindest für Teile der SED nur die zweitbeste kirchenpolitische Lösung darstellte. Die SED hatte lange Zeit die Gründung eines DDR-Kirchenbundes verhindern und nur mit einzelnen Landeskirchen verhandeln wollen. Vgl. Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche, 1969-1990, die Vision vom „Dritten Weg“, Berlin 1995, S. 120 f. 178 10 Die Luther-Ehrung 1983 werden könnten. Als eine dieser Fragen nannte Stolpe die Feiern zu Luthers 500. Geburts- tag864. Stolpe wiederholte diesen Vorschlag bei weiteren Gelegenheiten und das für Kirchen- fragen zuständige Politbüromitglied Paul Verner stellte Anfang Dezember bei einem Treffen mit dem (Ost)Berlin-Brandenburgischen Bischof Albrecht Schönherr schließlich eine „sinnvolle Koordinierung der staatlichen und kirchlichen Maßnahmen” in Aussicht, ohne konkrete Einzelheiten zu nennen865. Am 14. Dezember 1977 leitete das Büro Verner eine entsprechende Information an Honecker weiter. Gleichzeitig erhielt dieser einen „Aufriß” Stolpes für das avisierte Spitzen- gespräch zwischen dem BEK-Vorstand und der Partei- und Staatsführung, den Stolpe am 25. November verfaßt hatte. Er schrieb darin, die Kirchen wünschten im Zusammenhang mit der kirchlichen Luther-Ehrung die Unterstützung „nötiger Bauvorhaben” in Wittenberg, Eisleben und Erfurt durch staatliche Stellen. Offenbar als Gegenleistung sollte dann der BEK „eine grundsätzliche Unterstützung” der Lutherfeierlichkeiten auf staatlicher Seite in Aussicht stellen866. Offiziell informierten die evangelischen Kirchen in der DDR die staatlichen Stel- len am 21. Februar 1978 in einem Brief von den geplanten kirchlichen Feiern zu Luthers 500. Geburtstag. Darin wurden auch die Bereiche einer Zusammenarbeit zwischen Staat und Kir- che bei der Luther-Ehrung angesprochen, die Stolpe in seinem „Aufriß” genannt hatte867. Diese Offerte erscheint angesichts der geforderten Gegenleistungen des Staates auf den ersten Blick nur wenig substantiell. Vor dem Hintergrund der Ereignisse 1966/67 stellte ein solches Angebot zur gedeihlichen Zusammenarbeit aber durchaus ein Entgegenkommen dar. Seinerzeit hatten Staat und Kirche ihre Jubiläumsvorbereitungen eher gegeneinander be-

864 Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV B 2/14/7. 865 Ebenda. 866 Vgl. SAPMO-BA, DY30/IV 2/2.036/43. Frèdèric Hartweg (Hg.): SED und Kirche. Eine Dokumentation ihrer Beziehungen, Bd. 2 (=2/2): SED 1968-1989, bearbeitet von Joachim Heise (= Historisch-Theologische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert (Quellen), Band 2/1 hg. von Gerhard Besier (Heidelberg), Robert P. Ericksen (Bremerton/USA), Frèdèric Hartweg (Straßburg) und Ingung Montgomery (Oslo); bearbeitet von Horst Dohle), Dokument 61= SAPMO-BA, DY30/IV B 2/2.036/49, S. 327-328. Stolpe empfahl außerdem, bei den Zustän- digkeitsregelungen für das Augustinerkloster in Erfurt der staatlichen Seite entgegenzukommen und dafür ein „angemessenes Mitwirkungsrecht“ des BEK bei der Leitung der Lutherhalle in Wittenberg zu fordern. - Der Aufriß mit dem Briefkopf des BEK trägt keine Anschrift; es findet sich keine Anrede. Auch aus sonstigen For- malien geht nicht hervor, für wen dieses Papier tatsächlich bestimmt war. - Bei Hartweg, Dokument 61 ist von einem „Aufriß“ die Rede, den Stolpe verfaßt hatte und der offenbar die Grundlage für ein Gespräch zwischen Verner und Schönherr am 8.12. 1977 war. Man kann davon ausgehen, daß Verner den Aufriß vor diesem Ge- spräch bereits kannte. Wörtlich heißt es in der Information über das Treffen mit Schönherr: „Herr Stolpe hat un- seren Genossen einen Aufriß für Vorbereitungsgespräche vorgelegt.“ Offensichtlich ist dieser identisch mit dem Aufriß vom 25.11. 1977. Es muß davon ausgegangen werden, daß Stolpe in diesem Dokument die kirchli- che Verhandlungsposition verdeutlichen wollte. Ein solches Vorgehen läßt das Gespräch vom 6. 3. 1978 wie eine Kulissenveranstaltung erscheinen, deren Ablauf bereits vorher festgelegt wurde. Bleibt die Frage, wann und auf welchem Weg Stolpe den Aufriß „unseren Genossen“ zukommen lassen hat. Es scheint sich dabei nicht um einen konspirativen Kanal gehandelt zu haben, da Stolpe das Papier nicht nur unterschrieben hat, sondern über den Aufriß in Gegenwart der Oberkirchenrätin Christa Lewek am 22.12 1977 mit staatlichen oder SED- Vertretern sprach. Sollte Stolpe das Papier über seine -Partner (Wiegand, Roßberg) lanciert haben, wäre der Vorwurf der Konspiration, der gegen diese Treffen erhoben wurde, zumindest für diesen Fall entkräftet, was Auswirkungen auf die allgemeine Beurteilung dieser Treffen haben könnte. Möglicherweise hatte Stolpe andere Kanäle. 867 Vgl. Horst Dohle: Die Luther-Ehrung und die Kirchenpolitik der DDR, in: Dähn/Heise, S. 53 f. 10.7 Die wissenschaftliche Diskussion über die Luther-Ehrung in der DDR 233

10.7 Die wissenschaftliche Diskussion über die Luther-Ehrung in der DDR 10.7.1 Einschätzungen im Westen Die Diskussion über die Bedeutung der Luther-Ehrung in der DDR begann bereits 19801237, nach der Rede Honeckers zur Konstituierung des staatlichen Luther-Komitees der DDR und hielt bis zum Untergang der DDR an1238. Die meisten Wissenschaftler zeigten sich über- rascht über das Ausmaß der positiven Wertungen Luthers und den Stellenwert, der seiner Theologie beigemessen wurde. Die Luther-Ehrung wurde in der Regel als Konsequenz eines längeren Prozesses betrachtet, weshalb die Entwicklungen der DDR-Historiographie seit den 60er Jahren in die Untersuchungen einbezogen wurden. Dabei spielten Erwägungen über politische und ideologische Motive seitens der SED eine wichtige Rolle1239. Die Luther- Ehrung wurde dabei entsprechend den drei bereits in den 70er Jahren etablierten Deutungs- mustern (das Lutherbild als politisches Auftragswerk, als Ausdruck wissenschaftlicher Selb- ständigkeit oder als Folge eines Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik) eingeordnet. Peter Blickle wies auf die Probleme der marxistisch-leninistischen Historiographie im Zusammenhang mit der Neubewertung der Theologie hin. Brendlers Lutherbiographie sei ei- ne „faszinierende intellektuelle Leistung”, der es allerdings an Stringenz mangle, weil theo- logische und marxistische Erklärungsmuster mitunter schwer in Einklang zu bringen seien. Auch in Wendelborns Arbeit gebe es ein Nebeneinander von theologischer und historischer Darstellung, wobei die „Versatzstücke aus dem Begriffshaushalt marxistischer Geschichtsin- terpretation” ein „seltsames Eigenleben” führten1240. Johannes Kuppe vermutete hinter den Ve ränderungen des Lutherbildes in der DDR ideologische Überlegungen der SED in Bezug auf die Legitimierung ihrer Machtstellung in der DDR nach dem Mauerbau. Laut Kuppe be- gann der Wandel des allgemeinen Geschichtsbildes in der DDR in den 60er Jahren. Er führte diesen Wandel im wesentlichen auf die veränderten außen- und deutschlandpolitischen Ori- entierungen der SED zurück. Kuppe schrieb, die Geschichtswissenschaft habe unter Ulbricht den Kommunismus in der DDR als direkte Konsequenz deutscher Nationalgeschichte darzu- stellen gehabt, weil die SED bei der Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik auf eine nationalgeschichtliche Legitimierung der DDR nicht hätte verzichten wollen. Seit dem Machtantritt Honeckers habe die SED ihren Staat stärker als Resultat der Entwicklung des Kommunismus im Weltmaßstab betrachtet und daher auf die direkte Herleitung aus der Na- tionalgeschichte weniger Nachdruck gelegt. Kuppe glaubte, die DDR-Geschichtswissenschaft sei nur noch aus Prestigegründen dazu angehalten worden, Themen der westdeutschen Ge- schichtsschreibung aufzugreifen und ihnen eine marxistische Interpretation entgegenzustel-

1237 Vgl. z.B. Helmut Rumpler: Revolutionsgeschichtsforschung in der DDR, in: GWU 31 (1980), H. 3, S. 178-187; Riese; Fritz Kopp: Das Lutherbild der SED. Vom „Bauernfeind“ zu einem der „größten Söhne unseres Volkes“, in: Beiträge zur Konfliktforschung 2 (1982), S. 5-27; Hartmut Lehmann: Martin Luthers 500. Geburtstag, in: GWU 33 (1982), H. 12, S. 748-751. 1238 Vgl. z.B. Thomas Nipperdey: Luther und die moderne Welt, in: GWU 36 (1985), H. 12, S. 803-813; Thomas Vogtherr: „Reformer“ oder „frühbürgerlicher Revolutionär“? Martin Luther im Geschichtsbild der DDR, in: GWU 39 (1988) H. 10, S. 594-613. 1239 Vgl. Rudolf v. Thadden: Mit Martin Luther Staat machen. Die historische Bedeutung des Reformators aus Sicht der DDR, in: FAZ 19.2. 1983. 1240 Vgl. Peter Blickle: Das Lutherbild der Deutschen Demokratischen Republik, in: Das historisch-politische Buch 32 (1984), S. 257-259. 234 10 Die Luther-Ehrung 1983 len1241. In der Folgezeit hätten sich dann auch die Methodologie der Geschichtswissenschaft und die Darstellung historischer Personen verändert. Eigeninteressen oder Eigeninitiativen von DDR-Historikern untersuchte Kuppe nicht1242. Eberhard Kuhrt führte die Neubewertung der Rolle Luthers stärker auf ideologische Ve ränderungen im Rahmen des Marxismus-Leninismus zurück, wobei er offenbar davon ausging, daß diese auf das Betreiben von Historikern zurückzuführen seien. Er sah in der DDR-Historiographie die treibende Kraft für die wissenschaftliche Aneignung des „nationa- len Erbes” der DDR. Die SED habe die Emanzipierung der Geschichtswissenschaft von poli- tischen Einflüssen mehr oder weniger geduldet und zum Teil auch gefördert. Den Beginn die- ser Entwicklung zu mehr wissenschaftlicher Eigenständigkeit sah Kuhrt in den 60er Jahren, als die SED die Wissenschaften zur „unmittelbaren Produktivkraft” erklärt hatte. Dies sei von der Geschichtswissenschaft anschließend ausgenutzt worden, um größere Spielräume zu ge- winnen1243. Auf Betreiben der DDR-Historiker habe der Marxismus-Leninismus seit den 70er Jah- ren den Revolutionsbegriff so weit gefaßt, daß darunter auch Entwicklungen subsumiert wer- den konnten, die keine Revolutionen im strengen Sinne waren, wie etwa die Reformation. Zugleich sei das Verhältnis von Basis und Überbau weniger streng determiniert beschrieben worden1244, wodurch historisch bedeutende Einzelpersonen wie Luther, Friedrich der Große und Bismarck als „Überbauphänomene” eine größere Selbständigkeit im allgemeinen Ge- schichtsverlauf erhalten hätten1245. Kuhrt attestierte den DDR-Historikern in diesem Zusam- menhang eine „partiell hermeneutische” Sichtweise1246. Als Indiz für einen weitergefaßten Revolutionsbegriff betrachtete Kuhrt die verstärkte Verwendung des Begriffs „Revolution von oben”1247, besonders bei Engelberg1248. Dies habe es der DDR-Historiographie erlaubt, im Zusammenhang mit dem Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus von einer längeren Übergangsphase zu sprechen, an deren Beginn die Re- formation als Bestandteil der „frühbürgerlichen Revolution” gestanden habe. Dadurch sei es möglich geworden, den an der Obrigkeit orientierten Luther zum Revolutionär von oben zu erklären1249. Als weitere Ursachen der theoretischen Veränderungen nannte Kuhrt die neuen struktur- und sozialgeschichtlichen Ansätze der westdeutschen Historiographie1250. Das neue Geschichtsverständnis hat laut Kuhrt dazu geführt, daß die Zwei-Linien-Theorie durch eine

1241 Vgl. Kuppe, S. 126. 1242 Vgl. ebenda. 1243 Vgl. Kuhrt/v. Löwis, S. 108. Das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution“ erwähnte Kuhrt in diesem Zu- sammenhang nicht, er behauptete sogar, es stamme von Engels. Es konnte so gesehen auch nicht als Ausdruck wissenschaftlicher Emanzipation von der Ideologie gelten. 1244 Vgl. Kuhrt/v. Löwis, S. 29. Dabei berief sich die DDR-Geschichtswissenschaft auf Marx' Vorwort zur Kritik der Ökonomie MEW Bd. 13, S. 8 f. 1245 Kuhrt/Löwis, S. 30-32. 1246 Ebenda, S. 119. 1247 Der Begriff geht auf Engels zurück. Friedrich Engels: Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, MEW Bd. 21, S. 433. 1248 Engelberg, Zu methodologischen Problemen der Periodisierung, S. 136. 1249 Vgl. Kuhrt/Löwis, S. 94-96. 1250 Ebenda, S. 41 f. 11 Rückblicke − Interviews mit Beteiligten

Siegfried Hoyer, Frühneuzeithistoriker, Universität Leipzig

Das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution” ist 1960 entwickelt worden. Inwiefern ist das Reformationsjubiläum 1967 als praktische Anwendung des Konzepts zu verstehen? Die wissenschaftliche Komponente des Reformationsjubiläums 1967 ging auf Initiativen von Steinmetz zurück. Er hatte sicher ein Interesse daran, das Konzept der „frühbürgerlichen Re- volution” auf die Bewertung Luthers und der Reformation anzuwenden. In der SED waren viele an einer so intensiven Auseinandersetzung mit der Reformation gar nicht sehr interes- siert. Dort herrschte noch weitgehend ein von Abusch geprägtes Lutherbild. Luther sollte so- zusagen der CDU (der DDR − M.R.) überlassen werden. Man kann schon sagen, daß vieles von dem, was 1967 wissenschaftlich zu Luther gearbeitet wurde, gewissermaßen eine Pri- vatinitiative Steinmetz’ war. Auch das wissenschaftliche Kolloquium in Wittenberg hat er or- ganisiert. Seitens der SED hat man 1967 Luther also politisch vereinnahmt, aber sonst nichts von ihm wissen wollen? Es gab praktisch eine Aufteilung in eine politische Beschäftigung mit Luther und eine wis- senschaftliche Auseinandersetzung mit ihm. Das hat sich auch danach erst einmal so fortge- setzt. Es gab dann kleinere Ehrungen durch Wissenschaft und Politik, zu Lucas Cranach in Wittenberg und zu Albrecht Dürer in Dresden. Das war beide Male recht erfolgreich. Damit konnte man Außenpolitik machen. Die Arbeiten Smirins oder anderer sowjetischer Historiker haben dabei keine Rolle ge- spielt. Die sowjetischen Historiker mochten es auch nicht sehr, wenn die Deutschen ihr Land mit der Theorie der „frühbürgerlichen Revolution” zum Vorreiter auf dem Weg zur Moderne erklärten. Bei Smirin waren die Deutschen die letzten gewesen, die in ihrem Land den Über- gang zum Kapitalismus in Angriff nahmen, in der Theorie der „frühbürgerlichen Revolution“ waren sie die ersten. Etwas ähnliches gab es auch anderswo im Ostblock. Die Tschechen stellten ihren Hus als Vorkämpfer dar, und jetzt kamen die Deutschen mit Luther. Könnte man also sagen, daß sich die DDR-Historiographie mit der Entwicklung des Konzep- tes der „frühbürgerlichen Revolution” von der sowjetischen Historikerschule emanzipiert hat? Sie müssen bedenken, daß Luther und der Protestantismus für die sowjetischen Kollegen ziemlich weit weg waren. Sie kannten das nicht aus eigener Anschauung. Die kulturellen Auswirkungen des Protestantismus, seine fortlebende Tradition, das war für sie ziemlich ab- strakt und exotisch. Wenn Sie Smirin lesen, für den war ja schon das russisch-orthodoxe Christentum etwas, über das er sich die Kenntnisse erst erarbeiten mußte. Das lateinische Christentum des Westens, zu dem Luther ja auch gehört, war für ihn dann noch weiter weg. Man merkt Smirin ein bißchen an: Er war ein russischer Jude, der den Protestantismus prak- tisch nur aus Büchern kannte. Das gehörte einfach nicht zu seinem Bildungshintergrund. Für uns war Luther da naheliegender und nicht nur eine akademische Angelegenheit. Es gab Verteidiger der lutherischen Traditionen, mit denen man sich auseinandersetzen mußte. 254 11 Rückblicke − Interviews mit Beteiligten

Wie hat sich das Verhältnis zwischen der Akademie der Wissenschaften und den Universitäten zwischen 1967 und 1983 entwickelt? 1967 war die Akademie noch nicht so dominant. Ich würde auch nicht sagen, daß es die dritte Hochschulreform war, die die Stellung der Akademie stärkte. Erst als Horst Bartel der Chef des Zentralinstituts für Geschichte wurde, folgte die Organisation historischer Forschung in der DDR dem sowjetischen Vorbild. Alle wichtigen Projekte sollten von der Akademie be- treut werden. Die Akademie hatte dann auch eine eigene Methodologieabteilung unter Wolf- gang Küttler. Von außen ist da nicht mehr viel Bedeutsames gekommen. War es bei der Luther-Ehrung 1983 leichter, eine positivere Wertung Luthers zu vertreten als 1967? Das würde ich nicht unbedingt sagen. Es gab auch noch 1983 viele Vorstellungen zu Luther, welche die KPD in der Weimarer Republik vertreten hat. Abusch war ja auch Mitglied im staatlichen Lutherkomitee. Ich habe ihn da einmal gefragt, was er sich bei seiner Wertung Luthers im „Irrweg einer Nation” eigentlich gedacht hat. Er meinte, er habe damals im Über- schwang der Emotionen so geschrieben. War die Luther-Ehrung 1983 die Folge methodologischer Neuerungen? Das würde ich nicht sagen. Es war eher die Vollendung dessen, was 1967 angefangen worden war. Damals hatten wir wissenschaftlich alle an Zschäbitz’ „halbem Luther” gehangen, des- sen zweite Hälfte leider nicht mehr beendet werden konnte, weil Zschäbitz 1970 starb. Wir haben das alle sehr bedauert, denn Zschäbitz war ein sehr fähiger Mann. 1983 wurde die Auseinandersetzung mit Luther fortgesetzt, weil jetzt auch wieder politisches Interesse bestand. Honecker wollte Kirchenpolitik und Außenpolitik mit Luther machen. Hat er deswegen den Vorsitz im staatlichen Lutherkomitee übernommen? Honecker wollte, daß die Kirchen sich an der Luther-Ehrung beteiligten. Da ging es um Prestige. Er glaubte wohl, das nur erreichen zu können, wenn er den Vorsitz im Lutherkomi- tee selbst übernahm. Wahrscheinlich hätten sich die Kirchen sonst nicht darauf eingelassen. Hat es Versuche der SED gegeben, das wissenschaftliche Lutherbild der DDR-Historiker zu beeinflussen? Die Partei konnte uns ja kaum etwas vorschreiben, weil die Leute die Einzelheiten nicht kannten. Es gingen ein paar Papiere hin und her. Woran die sich störten, waren Nebensäch- lichkeiten. Ein wirkliches Gespräch über die Rolle Luthers in der Geschichte hat es zwischen Historikern und SED-Führung nie gegeben. Es gab das Projekt einer Lutherbiographie, das man zunächst von Ihnen bearbeiten lassen wollte. Eine wissenschaftliche Lutherbiographie sollte dann zusätzlich erstellt werden. Das muß ein Irrtum sein. Ich habe damals nichts mit einer Lutherbiographie zu tun gehabt. Dafür war Brendler vorgesehen. Eine wissenschaftliche Lutherbiographie war zusätzlich ge- plant. Günter Vogler hat mir mal gesagt, das Buch „Luther: Leben − Werk − Wirkung” sei als Materialsammlung für diese wissenschaftliche Lutherbiographie gedacht gewesen. 12 Auswertung

12.1 Methodik der Lutherdarstellungen Die Untersuchung der einzelnen Lutherdarstellungen hat gezeigt, welche Schwierigkeiten der marxistisch-leninistische Freiheitsbegriff Historikern bei der Darstellung von Einzelpersonen in der Geschichte bereitet hat. Da nur das Handeln gemäß „objektiven Gesetzmäßigkeiten” als Ursache bleibender historischer Wirkungen definiert wurde, konnte das Individuum in der historischen Situation nur als getriebenes Objekt oder als einsichtig handelndes Subjekt be- schrieben werden − eine weitere Möglichkeit bestand nicht. Für den ersten Fall ist Steinmetz’ Lehrbuchbeitrag ein anschauliches Beispiel. Luther war in dieser Darstellung in den positiv gewerteten Aspekten seines Wirkens ein beliebig austauschbares Objekt im Mechanismus des historischen Fortschritts. Der Versuch, seine Wirkung im Sinne des Marxismus-Leninismus aus der gesellschaftlichen Situation zu erklären, führte die Autoren zu einer scholastischen Teleologie, bei der die empirische Forschung die Rolle einer Hilfswissenschaft einnahm. In vielen Fällen wurden die aufgestellten Behauptungen empirisch auch gar nicht bewiesen. Dazu kam, daß in den frühen Lutherdarstellungen von DDR-Historikern nationale Kategorien eine sehr wichtige Rolle spielten. Sie traten bei der Beurteilung Luthers neben die Kategorien des Marxismus-Leninismus oder dominierten diese zum Teil sogar. Dies führte zu einer Symbiose von Klassenkampf und dem Kampf um die Bildung und den Fortschritt der Nation, die den Maßstab für die Bewertung Luthers bildete. Der Versuch, Luther als im Sinne des Marxismus-Leninismus einsichtig handelndes Subjekt darzustellen, barg das Problem, daß dem Reformator dann die Kenntnis von Katego- rien unterstellt werden mußte, die erst nach Luthers Tod, zum Teil erst seit Marx, in das phi- losophische und politische Denken eingeführt worden waren. Dabei spielte es keine Rolle, ob Luthers Auftreten als „progressiv” oder „reaktionär” bewertet wurde. Besonders deutlich zeigte sich dies bei Meusel und Fabiunke. In dieser Hinsicht führte Stern eine methodologische Neuerung ein. Er unterschied als Erster zwischen „objektiver Wirkung” und „subjektiver Intention” Luthers und stellte beide getrennt dar. Damit brauchte Luther nicht mehr eine unmittelbare Einsicht in seine gesell- schaftlichen Wirkungsmöglichkeiten unterstellt zu werden. Diese Methode wurde von der Arbeitsgruppe Steinmetz übernommen und weiterentwickelt. Für den von Bräuer behaupteten Einfluß der Kuczynskidebatte fanden sich in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte. Der Begriff Klasseninstinkt wurde hier zu einem dreifachen Euphemismus: Für die nicht zu beweisende „Einsicht” Luthers in gesellschaftliche Zusammenhänge, für sein Handlungsmo- tiv und für sein Unvermögen, den „objektiven gesellschaftlichen Erfordernissen” in größerem Umfang gerecht zu werden. Die Kategorie des Nationalinteresses verlor bei dieser Erklä- rungsmethode an Bedeutung. Der Mittelpunkt lutherischen Denkens, der Kampf um die Wahrheit christlicher Glau- bensaussagen, ist in der DDR-Historiographie in der Regel als eigenständige Größe anerkannt worden − selbst Herrnstadt und Fabiunke haben dies nicht völlig geleugnet. Alle Aussagen Luthers, ob theologisch oder politisch motiviert, wurden jedoch in erster Linie an „objektiven gesellschaftlichen Erfordernissen” gemessen und fast ausschließlich als Ausdruck gesell- 286 12 Auswertung schaftspolitischer Interessen gewertet. Theologische Betrachtungen dienten lediglich zur Un- terstützung dieser Behauptungen. Dennoch gab es in der DDR-Historiographie von Anfang an die Tendenz, Luther im Bauernkrieg nicht nur ein Handeln gegen „objektive gesellschaftliche Erfordernisse”, sondern auch gegen den christlichen Glauben vorzuwerfen. Einen solchen „Verrat” aufzuzeigen mag für die DDR-Historiker stets eine besondere Herausforderung gewesen sein, denn nur so konnte Luthers „objektive geistige Begrenztheit” konkret nachgewiesen werden, die a priori unterstellt wurde. Dazu mußte man sich jedoch auf die christlichen Glaubensaussagen einlas- sen und ihnen eine wie auch immer geartete eigene Wahrheit und Logik zugestehen, die, „richtig” verstanden, die gleichen revolutionstaktischen Schlüsse und das gleiche gesell- schaftspolitische Handeln verlangte wie der Marxismus-Leninismus. Dies stand im Wider- spruch zum exklusiven Wahrheitsanspruch des Marxismus-Leninismus. Bis 1983 blieb dieses Problem ungelöst. Die christliche Wahrheit stand in den Darstellungen neben dem „objekti- ven gesellschaftlichen Erfordernis”, sozusagen als dessen „Übersetzung”, ohne direkt darauf zurückgeführt zu werden. Sie war in der Regel das Medium, in dem Luther gesellschaftspoli- tisch dachte, wobei ihr Eigengewicht unterschiedlich gewertet wurde. Brendler versuchte dieses Problem einer „doppelten Wahrheit” 1983 zu lösen, indem er christliche Glaubenswahrheiten synkretistisch für den Marxismus-Leninismus vereinnahm- te. In seiner Lutherbiographie erhielt die Theologie soviel Eigengewicht, daß die meisten Aussagen Luthers ausschließlich aus theologischen und Glaubenszusammenhängen erklärt wurden. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage der Einsichtsfähigkeit Luthers in die „objektive” gesellschaftliche Kräftekonstellation gelöst. In dem Maße, in dem das Medi- um seines Denkens, die Theologie, zu einer im Sinne des Marxismus-Leninismus wahrheits- und erkenntnisfähigen Wissenschaft erklärt wurde, konnte Luther über den Umweg theologi- scher Denkfiguren Einsicht in die „objektiven” revolutionstaktischen Erfordernisse seiner Zeit unterstellt werden. Der Klasseninstinkt erhielt dabei eine ausschließlich erkenntnishem- mende Funktion. Nationale Kategorien spielten fast keine Rolle mehr. Brendler stand vor dem Problem, innerhalb des für Marxisten wenig erschlossenen Be- reiches der Theologie eine kritische Distanz zu Luther finden zu müssen. Er versuchte dies zu erreichen, indem er eine Kongruenz einer „inneren Logik” der Gnadenlehre Luthers mit der Logik des Marxismus-Leninismus unterstellte. Damit konnte er die Kriterien der marxistisch- leninistischen Logik auf Luther anwenden und diesen einer kritischen Prüfung unterziehen. Originelle Schlußfolgerungen oder Erkenntnisse verbanden sich damit offenbar nicht. Brendler unterstützte lediglich die bereits bekannte marxistisch-leninistische Interpretation für Luthers Handeln, besonders zwischen 1517 und 1526, durch kirchen- und theologiege- schichtliche Argumente. Bei der Beschreibung anderer historischer Situationen, wo es um Probleme ging, zu denen die marxistisch-leninistische Geschichtsschreibung bisher noch nicht Stellung genom- men hatte, fiel es Brendler schwer, eine kritische Distanz zu Luther zu gewinnen. In diesen Passagen dominierten die von ihm verwendeten Versatzstücke kirchengeschichtlicher Lu- therinterpretationen die marxistisch-leninistischen Kategorien. Angesichts der theologischen Materie fehlte Brendler jetzt ein Maßstab. Das zeigt sich insbesondere bei der Darstellung des Antinomerstreites, aber auch bei der Beschreibung der Haltung Luthers gegenüber den Juden. Die Darstellung wirkte hier apologetisch, weil Brendler zu Luthers Stellungnahmen keine 13.2 Dokument 2 317

13.2 Dokument 2, Fundstelle: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/2.036/48 Genossen Paul Verner Arbeitsgruppe Kirchenfragen 17.7. 78

Betr. 500. Geburtstag Martin Luther

Werter Genosse Verner! In der Anlage übermitteln wir Dir eine durch die Abteilung Kultur erarbeitete und mit uns abgestimmte Information zum Lutherjubiläum 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme. Die gleiche Information hat Genosse Hager erhalten. Wir bitten um Deine Hinweise, ob in der vorgesehenen Weise an die Vorbereitung des 500. Geburtstages Martin Luthers herangegangen werden kann.

Mit sozialistischem Gruß E. Hüttner

Anlage

Information über eine Beratung der Abteilung Kultur und der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK zur Vorbereitung des 500. Geburtstages von Martin Luther im Jahre 1983.

Zur Vorbereitung des 500. Geburtstages von Martin Luther im Jahre 1983 führte die Abtei- lung Kultur des ZK gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Kirchenfragen und in Abstimmung mit den Abteilungen Wissenschaften und Befreundete Parteien des ZK eine Beratung mit Genos- sen verantwortlicher Institutionen und wissenschaftlichen Experten durch. Ziel war eine erste Ve rst ändigung über das grundsätzliche politische Herangehen an diesen Gedenktag und über erforderliche Maßnahmen zu seiner Vorbereitung. An der Zusammenkunft nahmen Vertreter des Ministeriums für Kultur, des Staatssekretariats für Kirchenfragen, der Bezirksleitung Halle, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und des Rates der Lutherstadt- Wittenberg sowie Genossen Historiker, Literatur- und Sprachwissenschaftler teil. Die Teilnehmer begrüßten die von der Abteilung Kultur und der Arbeitsgruppe Kir- chenfragen unterbreiteten konzeptionellen Überlegungen und gaben wertvolle Hinweise zu deren weiterer Präzisierung und praktischer Umsetzung.

I. Nach übereinstimmender Auffassung sollte der 500. Geburtstag Martin Luthers sowohl unter gesamtpolitischen Gesichtspunkten wie unter spezifischen kultur-, wissenschafts- und kir- chenpolitischen Aspekten gebührende Beachtung finden. Dabei sind auch das zu erwartende starke internationale Interesse an diesem Jubiläum und daraus resultierende außenpolitische Anforderungen zu berücksichtigen.

Für die Durchführung einer Luther-Ehrung der DDR 1983 sprechen unseres Erachtens vor allem folgende Gründe: 318 13 Dokumente

1. Die Würdigung des Luther-Geburtstages entspricht dem grundsätzlichen, in ihrem Pro- gramm formulierten Standpunkt unserer Partei, daß unsere sozialistische Nationalkultur die sorgsame Pflege und Aneignung aller humanistischen und progressiven Kulturleistun- gen der Vergangenheit einschließt und dem reichen Erbe verpflichtet ist, das in der gesam- ten Geschichte des deutschen Volkes geschaffen wurde. Die Luther-Ehrung würde sich in unsere kontinuierliche kulturpolitische Arbeit einordnen, die auf die zielstrebige und ge- sellschaftlich produktive Erschließung des kulturellen Erbes in seinem ganzen Reichtum und seiner Differenziertheit gerichtet ist. 2. Eine Würdigung des 500. Geburtstages Martin Luthers seitens des Staates ist auch aus kirchenpolitischen Gesichtspunkten zu befürworten. Mittels der staatlichen Konzeption für die Durchführung des Lutherjubiläums sollte Einfluß auf die kirchlichen Veranstaltun- gen genommen werden. Nach vorliegender Information bereiten sich kirchenleitende Gremien sehr intensiv und langfristig auf das Lutherjubiläum vor. Das zeigt sich unter an- derem in der Planung der Evangelischen Verlagsanstalt, die die Edition einer 6bändigen Luther- Studienausgabe sowie weiterer Veröffentlichungen vorgesehen hat. Zur Vorbereitung des Jubiläums haben die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, der Rat der EKU (unierte Kirchen) und die Leitung der VELKD/DDR (Vereinigte lutherische Kirchen) eine Arbeitsgruppe gebildet, der Landesbischof Dr. Hempel, Bischof D. Dr. Krusche, Bischof Leich und weitere kirchliche Persönlichkeiten angehören. In einem Schreiben an den Staatssekretär für Kirchenfragen informiert die Kirchenseite über ihre Aktivitäten und Erwartungen hinsichtlich der staatlichen Unterstüt- zung. Das Betrifft unter anderem die Durchführung des Internationalen Kongresses für Lutherforschung, der 1983 in der DDR (Erfurt) durchgeführt werden soll. Eine offizielle Bitte der Leitung dieses Kongresses auf Durchführung der Tagung in der DDR liegt vor. Der Internationale Kongreß für Lutherforschung, an dem Theologen und in steigendem Maße auch weltliche Kirchenhistoriker teilnehmen, führte seine letzten Tagungen 1971 in den USA und 1977 in Schweden durch. Im Schreiben an den Staatssekretär für Kirchenfragen wird kirchlicherseits ferner um Unterstützung bei der Restaurierung der Luther-Gedenkstätten, insbesondere in Witten- berg, Erfurt und Eisleben gebeten und die Erwartung für eine kirchliche Beteiligung an der inhaltlichen Gestaltung ausgesprochen. Die Kirchenseite läßt Interesse an einer gewis- sen Koordinierung zwischen staatlichen Organen und Kirche bei der Vorbereitung des 500. Geburtstages Martin Luthers erkennen. Die Vorbereitung und Durchführung des Luther-Jubiläums sollte im Sinne des Gespräches des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR mit dem Vorstand der Konferenz der Evangeli- schen Kirchenleitung in der DDR vom 6.3. 1978 zur Entwicklung vertrauensvoller Bezie- hungen zwischen Staat und Kirche und zur Einbeziehung kirchlicher Kreise in die Politik der DDR genutzt werden. 3. Die Würdigung Luthers ist für bestimmte sozialistische Bruderländer wie die ÈSSR von Interesse, deren historische und kulturelle Traditionen Berührungspunkte mit dem Werk Luthers und seinen geschichtlichen Wirkungen aufweisen. In dieser Hinsicht ist sicher auch mit gewissen Erwartungen an die DDR, an ihre Bemühungen um ein wissenschaftli- ches Lutherbild und um die Erschließung seines Werkes für die kulturpolitischen Ziele sozialistischer Erbeaneigung zu rechnen. 15 Personenregister

A 105 f., 129, 131, 143, 145, 147, 155, 157, 161, 170, 183, 191, 210, 215, 221, 245, Abusch, Alexander 17, 82-85, 87, 90 f., 93, 262, 280, 289-291, 311, 313 f., 323 96 f., 253 f. 280, 289, 292 Agricola, Johann 212-214, 226 F Arendt, Hannah 33 Fabiunke, Günter 91, 114-118, 122, 124, 144, B 155, 175, 239, 256, 275, 285, 289, 292, 303 Fischer, Alexander 45 Bartel, Horst 177, 187 f., 190 f., 193, 231, Fischer, Fritz 25, 254, 270, 276, 278, 305, 337, 265 Foschepot, Josef 45, 168 Blaschke, Karlheinz 37, 165, 231, 278 Franz, Günther 88 f., 122 Blickle, Peter 233 Friedenthal, Richard 345 f., 348 Bloch, Ernst 215, 287 Friesen, Abraham 215 Boehmer, Heinrich 69, 199, 204, 215 Fromm, Erich 204 f. Boockmann, Hartmut 144, 172 v. Bora, Katharina 322, 326 G Borgolte, Michael 50 Bornkamm, Heinrich 69, 182, 216, 241, 320 Götting, Gerald 166, 230, 260 Bräuer, Siegfried 14, 60, 91 f., 215, 238-240, 278, 281 f. H Brecht, Martin 215, 335 Brendler, Gerhard 24, 45 f., 128, 131, 154, Haase, Horst 241 f. 162-164, 177, 177, 181, 185, 187 f., 190- Hacker, Jens 23, 27 196, 202-229, 240, 243, 249 f., 254, 260 f., Hager, Kurt 52 f., 90-92, 185 f., 198, 281, 268, 270-272, 276, 280, 282, 286 f., 291, 317, 238, 269 293, 306, 321, 325, 335 f., 339, 345 f. Haun, Horst 91, 129, 194, 198 f., 231 f., 269, Brinks, Jan Herman 14, 64, 245 f., 293 291 Brosseder, Johannes 211, 236 Heimpel, Hermann 89, 122 v. Buxhoeveden, Christina 197 Herrnstadt, Rudolf 91, 114, 119-121, 124, 256, 285, 289, 292 D Heydemann, Günther 45, 172, 237, 298 Hörnig, Johannes 52 Dähn, Horst 268 Holl, Karl 335 De Boor, Friedrich 258, 282 Honecker, Erich 29, 46, 169, 178-181, 185- Diwald, Hellmut 214 187, 191, 193, 196, 238, 254, 260, 265, Dohle, Horst 161, 270 269 f., 273, 275, 280, 283, 295 Hoyer, Siegfried 51,128 f., 140, 177, 228, E 278, 306, 339 Eichhorn, Wolfgang 30 I Elsässer, Jürgen 27, 29 Engelberg, Ernst 49, 127, 146, 171, 194, 234, Iggers, Georg G. 27 f., 30, 247 266, 272, 292 Engels, Friedrich 15, 19, 28, 32, 45, 54, 56, 63, 69, 73-81, 83, 86 f., 90, 93, 96 f., 372 15 Personenregister

J Mohr, Hubert 281 Müller-Streisand, Rosemarie 101-107, 111, Jänicke, Johannes 108, 166 f. 113, 124, 133, 156, 212 f., 215 f., 220-224, Jarausch, Konrad H. 291 226, 257, 260, 280, 280, 287, 307 Junghans, Helmar 240, 256, 258, 278, 280- Müntzer, Thomas 45 f., 73, 76, 79, 83, 85 f., 282 89, 91-93, 97 f., 107, 116, 120 f., 123, 135- 137, 142, 157, 160, 173, 188, 195 f., 198, K 204, 207, 209, 212 f., 220, 222, 227 f., 238, Kamnitzer, Heinz 89, 152 240 f., 243-246, 257-259, 261-264, 266, Kautsky, Karl 80, 90, 131, 142-144 269, 275, 277, 280, 291 f., 313 f., 324, 326, Koch, Hans Gerhard 143 336 f. Kocka, Jürgen 45, 247 Kuczynski, Jürgen 59 f., 90 f., 198, 238, 302 N Küttler, Wolfgang 30 f., 46, 254, 339 Neuhäußer-Wespy, Ulrich 44, 168 f., 236, 248 Kuhrt, Eberhard 26, 45, 154, 234 f., 246 f., Nipperdey, Thomas 144-146, 173, 215 298 P L Pesch, Otto Hermann 217 f. Laube, Adolf 171, 173, 177, 179, 228-230, Petzold, Joachim 38, 41, 297 256, 258, 260, 265, 270, 276 f., 280 f., 305, 324 f., 335, 339 f. R Lenin, Wladimir I. 15, 30 f., 36, 54, 129, 145, 290 f. Rakotz, Siegfried 258, 260 Löw, Konrad 23 f. Richter, Edelbert 227, 239 f. v. Loewenich, Walther 122 Ritter, Gerhard 25, 128, 256, 264 Looß, Sigrid 164, 339 Rogge, Joachim 211, 213, 255, 258, 277, 279 Lozek, Gerhard 173 Lutz, Heinrich 214 S

M Sabrow, Martin 11, 38-41, 45, 48, 66, 68, 179, 305 Marcuse, Herbert 215, 287 Schabowski, Günther 31 Markov, Walther 119 Schilfert, Gerhard 140 Marx, Karl 15, 19 f., 24, 26-28, 30-32, 45, 54- Schmidt, Walter 24, 293 56, 58, 63, 69, 73, 80, 114, 118, 142-145, Schuder, Rosemarie 202, 220, 267, 345 f., 187, 194, 204, 245, 262, 265, 269, 285, 348 f. 313 f. Schwarz, Hans-Peter 24-26 Mehring, Franz 90, 314 Seils, Martin 258, 282 Meier, Helmut 31, 248 Smirin, Moissej M. 93, 97 f., 102, 122, 124, Melanchthon, Phillip 95, 100, 108-112, 124, 142-144, 199, 253, 257, 262, 280, 289, 292 150, 161, 163, 165, 184, 256, 268, 309, Steinmetz, Max 89, 91, 109, 111, 114, 127- 315, 322, 324, 326 131, 133, 139, 141, 144, 146 f., 149-153, Meusel, Alfred 46, 85-92, 96 f., 99, 111, 118, 159, 161-165, 171, 175, 177, 198 f., 214 f., 122, 124, 127-130, 144, 151, 175, 198 f., 228 f., 231, 240, 253, 256-258, 263, 271, 206, 231, 240, 246, 275, 280, 285, 289, 275, 278, 282, 285, 290-292, 294, 297, 302, 292, 302 f., 306 f. 306-307, 339 Middell, Matthias 34 Stern, Leo 95-100, 102, 108-114, 122, 124, Mitter, Armin 36-38, 67 128, 140 f., 147, 149-153, 156, 161-165, 15 Personenregister 373

175, 194 f., 199, 209, 221, 275, 290, 292, 294, 302 f., 306 f. Stolpe, Manfred 177-180 Stoph, Willi 185 f., 260, 269, 327 Streisand, Joachim 140 Sucher, C. Bernd 211

T Thierse, Wolfgang 38 Thulin, Oskar 162 f., 165 Töpfer, Bernhard 129, 184, 307

U Ulbricht, Walter 29, 46, 51 f., 119, 154, 169, 179, 220, 233, 263 f., 311, 316

V Vogler, Günter 91, 140, 161, 171, 229, 231 f., 235, 254, 256, 260 f., 276, 281, 298, 324, 339

W Wagenknecht, Sahra 29 Wendelborn, Gert 224-226, 233, 307 Wohlfeil, Rainer 14, 170 f., 173, 215, 240 Wolle, Stefan 35-38, 67

Z Zimmermann, Wilhelm 69, 73 f., 89 f., 280 Zschäbitz, Gerhard 111, 128, 131, 144, 152 f., 155-162, 169, 172, 175, 202-204, 224, 254, 256, 271, 292, 304, 336