Halbtageswanderung am 28. Januar 2018

Vom Residenzschloss zum Waldheim in Sillenbuch

Sechsunddreißig Wanderinnen und Wanderer des Schwäbischen Albvereins BB verließen am Sonntag um die Mittagszeit froh die U3 an der Endhaltestelle in (Garbe/Hohenheim). Froh deshalb, weil an diesem Sonntag die wegen Sturmwarnung verschobene Wanderung wettermäßig keine Beeinträchtigung zu befürchten hatte.

Nach wenigen Minuten betraten wir den 16,5 ha großen Exotischen Garten, einen der drei Hohenheimer Gärten und seit 1953 Landesarboretum. Am Startpunkt des historischen Rundwegs, dem wir im Wesentlichen gefolgt sind, informierte eine große Tafel über die gesamten historischen, die neuen Park- und Gartenanlagen, die angrenzenden Universitätsinstitute und das heute von der Uni Hohenheim genutzte Schloss

Da im Januar keine Blütenpracht in den Gärten zu erwarten war und wir einen Besuch der Gewächshäuser nicht vorgesehen hatten, waren die Teilnehmer trotzdem erstaunt und begeistert von dem, was uns auf unserem winterlichen Rundgang das vielfältige Ensemble aus Sträuchern und Bäumen, grünen Rasenflächen mit eingestreuten kleinen Seen zu bieten hatte.

Der Ursprung dieses Botanischen Gartens geht auf Herzog Carl Eugen von Württemberg zurück. Er hat das spätbarocke Hohenheimer Sommerresidenzschloss ab 1772 für sich und seine spätere zweite Ehefrau, Franziska von Hohenheim, erbauen lassen. Schon 1778 wurde mit der systematischen Bepflanzung des Exotischen Gartens begonnen. In der damaligen Zeit war dieser Botanische Garten der größte und vielfältigste in Deutschland. Heute stehen aus der Gründungszeit noch 18 stattliche Bäume. Besondere Beachtung und Bewunderung fanden bei unserer Wandergruppe die beim Spielhaus stehende mächtige Platane, sowie ein nicht weit davon entfernt stehender eindrucksvoller Amerikanischer Tulpenbaum, beide aus dem Pflanzjahr 1779 stammend. Aber auch andere altehrwürdige Bäume wie Mammut, Ahorn, Rotbuche, Linde und weitere, ebenso auch jüngere Exemplare stießen bei uns Wanderern – hier mehr Sonntags-Spaziergänger – auf Interesse. Manche Strauchexemplare, wie z.B. das Japanische Geißblatt am Wegesrand oder der Chinesische Winterblüher am Wirtshaus zu Rom, zogen uns in ihren Bann, nicht ihres Alters oder ihrer Mächtigkeit wegen, nein, sie lockten uns mitten im mitteleuropäischen Winter mit ihrem intensiven Duft, um ihre kleinen, zarten, duftverströmenden Blüten zu betrachten.

Bei unserem historischen Rundgang erfuhren wir weiter, dass der bis zu Carl Eugens Tod (1793) der Öffentlichkeit nicht zugängliche Park mit einem Ensemble von 60 Bauwerken und Gartenarchitekturen bestückt war, die in ihrer Bauart an das antike Rom erinnern sollten. Franziska von Hohenheim hat dieses Ensemble jedoch

Schwäbischer Albverein Böblingen, Baden-Württemberg/ah www.boeblingen.albverein.eu “das Dörfle“ genannt und die Hofgesellschaft hat es mit allerlei Festen belebt. Im ehemaligen Spielhaus ist heute ein Museum zur Geschichte Hohenheims untergebracht und die beiden anderen Restbauwerke erlangten später u.a. literarische Bedeutung. Eduard Mörike hat 1830 einige Monate im „Wirtshaus zur Stadt Rom“ zugebracht und dort seinen Künstlerroman „Maler Nolten“ geschrieben. Uhland soll bei einem Spaziergang durch den Park, beim Anblick der Säulen des Donnernden Jupiters, zu der Ballade „Des Sängers Fluch“ angeregt worden sein.

Der weitere Weg führte uns in den v.a. in den 1990er Jahren und schon davor erweiterten und mit Erdaushub aufgefüllten und neu modellierten Landschaftsgarten und in den ehemaligen Schlosspark. Die Beet-, Strauch- und Baumgruppen sind bestimmten Themen zugeordnet, Schilder und Infotafeln informieren umfassend darüber.

Auf einem Hügel wurde 2001 ein Monopteros aus zwei Säulenringen bestehend und von acht Säulenhainbuchen umgeben, als dominanter Aussichts- und Anziehungspunkt errichtet. Von hier aus hatten wir einen ausgezeichneten Rundblick. Direkt westlich und südlich an den Park schließen sich die beiden Stuttgarter Stadtteile Hohenheim und Plieningen an. In unmittelbarer Nähe des Parks verläuft die Paracelsus-Straße und befindet sich das Paracelsus-Gymnasium. Ihre Namen erinnern an den berühmten Arzt, Philosophen, Alchemisten Paracelsus (Geburtsname: Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim).Er entstammt einer Adelsfamilie aus Hohenheim, ist aber weder in Hohenheim geboren noch hat er dort gelebt.

Im Südosten ließen sich das Körschtal und die anliegenden Höhen der Filderhochfläche bis nach Scharnhausen verfolgen. In nordöstlicher Richtung liegt, südexponiert, das 550m breite Schloss mit dem vorgelagerten Schlosspark. Daneben und dahinter überragen heute Institutsgebäude der Universität Hohenheim das Schloss.

Nach dem Abstieg vom Monopteros-Hügel nahmen wir den Weg zu einem mit Auegehölzen bestandenen kleinen Bachlauf, umrundeten einen schilfgesäumten See und nahmen dann den Anstieg in Richtung Jäger- oder Reiterallee. Dieser führt von Süden her direkt auf den Schlosseingang zu und ist von 200 Jahre alten, riesigen, knorrigen, kopfweidenähnlichen Pappeln gesäumt. Vor unserem Gang durch diese Allee machen wir wieder einen kurzen Informationshalt, um etwas über den links des Weges liegenden 2,2ha großen Versuchsweinberg mit seinen 97 verschiedenen Rebsorten zu erfahren, wie auch über die rechts davon liegende Hohenheimer Schafweide, eine historisch bedeutsame landwirtschaftliche Nutzfläche. Dort war der Beginn der Hohenheimer Schafzucht, als Folge der schlimmen Notzeit ab 1817. Heute ist die Hohenheimer Schafherde die größte auf Stuttgarter Gemarkung.

Am Beginn des Schlossparks betrachteten wir einen 2008 aufgestellten Gedenkstein, der an die vom württembergischen Volk verehrten Katharina Pawlowna, der Gemahlin König Wilhelms I., erinnert. Die Inschrift auf dieser Stele informiert über die großen Verdienste von Königin Katharina für das Land und seine Menschen. Sie hat durch viele Maßnahmen im Bildungs- und im sozialen Bereich, durch ihre Wohlfahrtsinitiative zur Notlinderung in der Zeit der fürchterlichen Hungersnot und durch ihre Initiativen zur Vorsorge für Notzeiten (z.B. Einrichtung Sparkasse) Vorbildliches geleistet. Diese Hilfen und Unterstützungen waren v.a. im Sommer ohne Sonne (1816) und danach dringend erforderlich, da die Menschen in Württemberg und auch andernorts durch die dramatischen Ernteausfälle die größte Hungersnot des 19. Jahrhunderts erleiden mussten. In Württemberg und auch in Baden führte diese Hungersnot zu großen Flüchtlingsströmen und zu

Schwäbischer Albverein Böblingen, Baden-Württemberg/ah www.boeblingen.albverein.eu Auswanderung. Heute kennt man die Ursache dieser klimatisch außergewöhnlichen Zeit – der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora.

Auch König Wilhelm I. wurde, wie die Königin, durch diese schreckliche Notzeit zu raschen Maßnahmen und Neuerungen angeregt. So wurde schon 1818 die Landwirtschaftliche Schule in Hohenheim gegründet. Mit der Unterbringung dieser Einrichtung in den Räumen des Schlosses begann dessen Umnutzung. Das Ziel der Landwirtschaftlichen Schule war, durch Forschung und Ausbildung die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und die Produktionsweise in der Landwirtschaft zu verbessern. Dazu gehörte auch die Verbesserung und Neuentwicklung landwirtschaftlicher Geräte (Hohenheimer Ackergerätefabrik), um die Ernährung der Bevölkerung bestmöglich zu sichern.

So wurde das Jahr 1818 zum Startjahr der heutigen Universität Hohenheim (Titel Universität seit 1967). Sie feiert aus diesem Grund in diesem Jahr ihr 200 jähriges Jubiläum, begleitet von einer Ausstellung und Vorträgen. Das Schloss, die zugehörigen Flächen einschließlich der Meierei und dem Gut Kleinhohenheim bei Schönberg werden heute durch die Universität genutzt. Zur Zeit verzeichnet die „schönste Campusuniversität des Ländles“ knapp 10.000 Studierende, etwa 2.000 Personen in der Lehre, in den Versuchsanstalten und in der Verwaltung. Hier können in den drei Fachbereichen Agrar-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften Abschlüsse erworben werden.

Nach einer kurzen Foto- und Vesperpause verließen wir die Schlossanlagen, ohne die Speisemeisterei und weitere Einrichtungen besucht zu haben. Nach dem Durchgang der Hofanlage eines landwirtschaftlichen Versuchshofes mit Rinderstall, welcher noch für eine Wegstrecke für Gesprächsstoff sorgte, wanderten wir unterhalb von talwärts in Richtung Riedenberg/Sillenbuch. Vor uns hatten wir immer den Fernsehturm im Blick, rechts unterhalb den Ramsbach mit der in seiner Talaue verlaufenden Filderstraße und der oben liegenden Ortschaft Kemnat.

Nach der Überquerung der Filderquerstraße erwartete die bis dahin verwöhnten Wanderer ein kurzer steiler Anstieg zum Naturschutzgebiet Eichenhain, eines von sieben Naturschutzgebieten Stuttgarts. In früheren Zeiten war der Eichenhain ein Weide- und Hütewald für Schweine (Eichelmast), Schafe und später auch für Fohlen. Heute dient er mit seinem Bestand aus z.T. über 300 Jahre alten Eichen und den Magerrasenflächen mit zahlreichen geschützten Tier- und Pflanzenarten als stadtnahes Erholungsgebiet. Von den Wegen aus hatten wir talwärts eine gute Sicht auf das stark angewachsene Birkach, auf Schönberg und Kleinhohenheim, sowie auf die drei markanten Wohnhochhäuser des Asemwaldes. Im Oktober 2017 erfolgte im Eichenhain eine auf den ersten Blick sehr radikale Baumfällaktion. Ihre Auswirkungen konnten wir noch sehr deutlich erkennen. Bei der Bevölkerung der benachbarten Stadtteile hatten diese Baumfällungen Aufregung und großen Ärger verursacht. Nach Informationen der Naturschutzbehörde soll diese Maßnahme den Wildwuchs beseitigen, die zu dicht beieinander stehenden Eichenriesen vom gegenseitigen Konkurrenzdruck befreien, sie somit stärken und vor Krankheitsbefall schützen. Ein weiter wichtiger Grund der Maßnahme ist der Erhalt und Schutz des Magerrasens, dem dadurch das nötige Licht verschafft wird.

Nach dem Verlassen des Eichenhains folgten wir ein Stück der gleichnamigen Straße abwärts. Dabei wurden wir aufmerksam gemacht auf ein links gelegenes kleines und eigentlich unspektakuläres Wohngebiet. Es ist die z.T. unter Denkmalschutz stehende Kolpingsiedlung. Sie wurde zwischen 1931 und 1939 von Kolpinggesellen, die sich zuvor baugenossenschaftlich organisiert hatten, in einheitlicher und kostengünstiger Bauweise und in gegenseitiger handwerklicher Hilfe erbaut. Den Baugrund stellte ihnen Herzog Albrecht von Württemberg,

Schwäbischer Albverein Böblingen, Baden-Württemberg/ah www.boeblingen.albverein.eu damaliger Eigentümer des Eichenhains, zu einem günstigen Preis zur Verfügung. Anfänglich waren die Einwohner des damals noch selbständigen und evangelisch geprägten Sillenbuchs von der Bautätigkeit der katholischen Kolpingbrüder nicht begeistert. Heute kann man sagen, die Kolpingsiedlung war die Keimzelle der katholischen Kirchengemeinde des heutigen Stuttgarter Stadtteils Sillenbuch.

Von der Kolpingsiedlung zu unserem Schlussziel, dem Sillenbucher Waldheim, mussten wir nur ein kurzes steileres Wegstück zurücklegen. Das Waldheim wurde unter Mitwirkung von Clara Zetkin, der späteren Namensgeberin, als Erholungs- und Bildungsstätte der Stuttgarter Arbeiterbewegung gebaut und 1909 feierlich „der gesamten organisierten Arbeiterschaft Stuttgarts“ übergeben. Einige Mitwanderer konnten mit dem Namen Clara Zetkin wenig verbinden und noch wenigeren war bekannt, dass die berühmte Frauenrechtlerin lange Zeit in und Sillenbuch lebte. Deshalb waren einige Informationen angebracht.

Clara Zetkin wurde in Sachsen geboren, ging aufs Lehrerinnenseminar, trat 19jährig der Sozialistischen Arbeiterpartei bei und blieb Mitglied bis nach dem ersten Weltkrieg. Sie holte1907den Ersten Internationalen Sozialistenkongress nach Stuttgart, war Vorsitzende des Internationalen Sozialistischen Frauensekretariats und Initiatorin des Internationalen Frauentages, sowie Redakteurin der SPD- Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“. Ihr wortstarker Widerstand gegen die Kriegsunterstützung der SPD und die folgende, mit Rosa Luxemburg gemeinsame Ablehnung bei der Abstimmung, kostete sie den Redakteursposten. 1919 trat sie der neu gegründeten Kommunistischen Partei bei. Ihr Haus in Sillenbuch, das sie mit ihrem Mann, dem damals bekannten Kunstmaler Friedrich Zundel bewohnte, stand vielen Menschen offen, nicht nur bekannten Persönlichkeiten wie Rosa Luxemburg oder auch Lenin, der auf einer Durchreise in Sillenbuch Halt machte. Es gab im Dorf viele gute Begegnungen und Berührungen zwischen der Bevölkerung und der Familie Zundel/Zetkin. Man kann sogar darüber lesen, dass nach der Ermordung Rosa Luxemburgs Sillenbucher Einwohner das Haus „ihrer Clara“ bewachten, denn auch sie stand auf der Todesliste. Von 1920 bis 1933 war sie Abgeordnete im Reichstag und bis zum Reichstagsbrand Alterspräsidentin. In ihrer letzen Rede als Alterspräsidentin in Berlin warnte sie in einer leidenschaftlichen Rede vor den Nationalsozialisten und ging anschließend ins Exil nach Russland. Sie starb im Juni 1933 in ihrer Datscha bei Moskau. Bericht: Elli Kaiser

Die Albvereinler vor Schloss Hohenheim

Schwäbischer Albverein Böblingen, Baden-Württemberg/ah www.boeblingen.albverein.eu Gedenkstein Franziska Gedenkstein Katharina

Monopteros

Landschaftsgarten

Schwäbischer Albverein Böblingen, Baden-Württemberg/ah www.boeblingen.albverein.eu Unterhalb von Birkach

Naturschutzgebiet Eichenhain

Fotos: Herbert Fauser, Utz Lindemann

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